Die Maid - Christina Willemse - E-Book

Die Maid E-Book

Christina Willemse

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Beschreibung

«Deine und meine Macht gehören zusammen. Sie erkennen sich, wollen sich vereinen. Wehr dich nicht weiter. Dein Schicksal ist schon lange vor deiner Geburt festgelegt worden. Wir beide sind dazu bestimmt, zusammen zu herrschen. Über eine Welt, welche wir neu aufbauen werden.» Der Krieg hat begonnen. Rhania, Kier, Cyren und das Volk der Sonnenkrieger stehen einem übermächtigen Feind gegenüber. Arak, Rhanias Vater, versucht alles, um seiner Tochter habhaft zu werden, denn sie hat die Macht, die ganze Welt zu zerstören. Zusammen mit einer kleinen Gruppe begibt sich Rhania auf die Flucht zu dem See der Mondblütigen. Auf dem Weg treffen sie auf neue Verbündete, finden lang gesuchte Antworten, aber stehen auch schon wieder vor neuen Rätseln. Die Zeit drängt, denn Arak ist ihnen immer einen Schritt voraus und Rhanias Schicksal scheint unabwendbar zu sein. Nur ein ungewöhnlicher Bund bietet die Chance, die Gefahr zu bannen. Die dunkelste Stunde in der Weltgeschichte steht bevor. Rhania –Tochter der drei Monde: Die Maid ist der abschließende Band der Trilogie.

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Ch. Willemse

Rhania Tochter der drei Monde
Die Maid

1. Auflage 2019

ISBN 978-3-947706-09-9

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie, detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://portal.dnb.de

© Plattini-Verlag – Alle Rechte vorbehalten.

https://www.plattini-verlag.de

Lektorat: Luise Deckert - Magdeburg

Umschlaggestaltung: Dream Design - Eitzweiler Konvertierung: Sabine Abels – www.e-book-erstellung.de

Für meinen Ponyhengst Valiant Starlight

Durch dich weiß ich, wie es ist fliegen zu können

Zum Buch

«Deine und meine Macht gehören zusammen. Sie erkennen sich, wollen sich vereinen. Wehr dich nicht weiter. Dein Schicksal ist schon lange vor deiner Geburt festgelegt worden. Wir beide sind dazu bestimmt, zusammen zu herrschen. Über eine Welt, welche wir neu aufbauen werden.»

Der Krieg hat begonnen. Rhania, Kier, Cyren und das Volk der Sonnenkrieger stehen einem übermächtigen Feind gegenüber. Arak, Rhanias Vater, versucht alles, um seiner Tochter habhaft zu werden, denn sie hat die Macht, die ganze Welt zu zerstören. Zusammen mit einer kleinen Gruppe begibt sich Rhania auf die Flucht zu dem See der Mondblütigen. Auf dem Weg treffen sie auf neue Verbündete, finden lang gesuchte Antworten, aber stehen auch schon wieder vor neuen Rätseln. Die Zeit drängt, denn Arak ist ihnen immer einen Schritt voraus und Rhanias Schicksal scheint unabwendbar zu sein. Nur ein ungewöhnlicher Bund bietet die Chance, die Gefahr zu bannen.

Die dunkelste Stunde in der Weltgeschichte steht bevor.

Rhania –Tochter der drei Monde: Die Maid ist der abschließende Band der Trilogie.

Prolog

Mit einem wütenden Schrei schlug er dem Wesen vor sich den Kopf ab. Wieder ein Fehlschlag. Was machte er falsch? Warum gelang ihm die Verbindung der einzelnen Teile nicht? Wutentbrannt sah er sich um. Der Geruch nach verbranntem Fleisch stieg ihm in die Nase. Überall lagen verkohlte Überreste seiner Experimente herum. Er hatte alles angezündet, nachdem es wieder nicht funktioniert hatte. Ihm rannte die Zeit davon und von seiner war Tochter keine Spur zu finden. Seitdem er vor Wochen ihre Gabe gespürt hatte, war nichts mehr passiert. Er war so schnell wie möglich zu dem Ort gereist, von dem aus er ihr Signal empfangen hatte, aber sie war fort gewesen.

Er ahnte, wer sie hatte. »Sonnenkrieger«, zischte er und trat gegen den verkohlten Leichnam seines Experimentes.

Auch wenn das kaum möglich war, hasste er die Sonnenkrieger noch mehr als die Mondblütigen. Er würde sie alle vernichten, das stand außer Frage.

»Aber erst muss ich diese Verbindung hinbekommen und das möglichst sofort«, knurrte er und sah sich noch einmal um. Verbrannte Erde und Überreste, wohin er auch blickte. Ja, wenn es darum ging, etwas gründlich zu zerstören, war er sehr erfolgreich. Aber etwas Neues erschaffen? Dabei versagte er seit Tagen. Er war sich sicher, dass er alles richtig gemacht hatte. Trotzdem hielt die Verbindung der einzelnen Teile nur für kurze Zeit. Dann zerfiel sie wieder und zurückblieben zuckende, wertlose Reste.

Eine weibliche Stimme erklang dicht neben seinem Ohr. »Vielleicht kann ich Euch helfen.« Dieses Frauenzimmer, welches ihn seit geraumer Zeit begleitete, stand dicht neben ihm. Sie war vor einiger Zeit zu ihm gekommen und hatte ihm ihre Hilfe angeboten. Und in der Tat hatte sie ihm einige interessanten Neuigkeiten berichtet.

Verächtlich sah er sie an. »Ach ja? Und wie willst gerade du mir helfen?« Er wusste nicht genau, warum er sie nicht schon längst getötet hatte. Sie war gut im Bett, aber trotzdem … Sie hasste seine Tochter und das könnte zu Problemen führen.

»Ich bin zwar nicht magiebegabt, aber ich hatte schon viele Männer in meinem Bett, die es waren. Da schnappt man das eine oder andere auf.« Mit einem aufreizenden Augenaufschlag sah sie ihn an.

»Aha. Und was hast du so aufgeschnappt?« Er konnte sich bildlich vorstellen, wie liebestrunkene Männer der schönen Frau ihre Geheimnisse anvertrauten.

Die Frau grinste ihn breit an. »Nun, unter anderem, dass Blut eine sehr starke Verbindung ist.«

Verächtlich schnaubte er. »Als ob ich das nicht selbst wüsste. Wie du sicher gesehen hast, vermische ich schon die ganze Zeit das Blut der einzelnen Teile miteinander. Ich tränke sogar den Faden damit.«

Das Miststück schüttelte nachsichtig den Kopf und er spielte mit dem Gedanken, sie doch zu töten. Sie sollte aufpassen, wie sie sich ihm gegenüber verhielt. Mit einem Lächeln strich sie ihm über seine Brust. »Ja, aber nicht mit deinem Blut, mein Schöner.«

Das ließ ihn die Mordgedanken für einen Moment vergessen. Nachdenklich blickte er auf den abgetrennten Kopf seiner Schöpfung. Konnte es so einfach sein? Hatte er die Zeilen in dem schwarzen Buch tatsächlich missverstanden? Je länger er darüber nachdachte, desto sicherer wurde er, dass dieses Weibsstück recht hatte. Was war schon stärker als sein eigenes Blut?

»Ich hätte nicht gedacht, dass du doch noch zu etwas anderem taugst, als mein Bett zu wärmen«, sagte er zu der Frau.

Für einen winzigen Moment blitzte Wut in ihren Augen auf, doch dann senkte sie den Blick und schwieg.

»Sei brav, sonst bringe ich dich schneller um, als du denkst, Verräterin«, dachte er boshaft.

Ohne sich weiter um die Reste seiner Experimente zu kümmern, stieg er auf sein Pferd und ritt los. Er brauchte neue Teile und die würde er hier nicht finden.

Kapitel 1

Rhania

»Verflucht, Mondblut, was hast du so lange gebraucht?«, knurrte Sonuem Rhania ungehalten an, als sie hastig aus ihrem Zimmer stürmte. Ohne auf eine Antwort von ihr zu warten, drehte er sich sofort um und ging mit großen, schnellen Schritten den Gang entlang.

Rhania verdrehte die Augen und hastete dann hinter dem Sonnenkrieger her. Sie hatte Mühe, mit ihm Schritt zu halten, war sie doch zwei Köpfe kleiner als er.

Trotz der gebotenen Eile schaute Sonuem immer wieder kurz über seine Schulter zurück zu ihr.

»Scheint so, als hätte er Angst, dass ich, das wertvolle Mondblut, ihm abhandenkomme. Das wäre ja auch zu schade. Wo die Sonnenkrieger sich doch so viel Mühe gegeben haben, mich in die Finger zu bekommen. Ja, Sonuem bewacht mich wirklich gut, seitdem ich vor drei Monaten bei den Sonnenkriegern gelandet bin«, dachte Rhania sarkastisch. »Wobei … gelandet ist das falsche Wort. Gefangen genommen trifft es besser. Schließlich bin ich nicht freiwillig bei dem mächtigsten Volk auf ganz Bran. Das Volk, welches auch noch der größte Feind meines eigenen Volkes ist. Allerdings werde ich bei den Sonnenkriegern weitaus besser behandelt als bei den Nachtjägern«, gab sie gedanklich zu. »Darüber bin ich wirklich sehr froh. Noch mal acht Jahre Gefangenschaft voller Folter, Vergewaltigungen und Qualen hätte ich nicht ertragen. Die Nachtjäger haben auf alle erdenklichen Arten und Weisen versucht, mich zu brechen. Aber es ist diesen Bastarden nicht gelungen«, dachte Rhania voller Stolz auf ihre innere Stärke. »Niemand wird mich je brechen! Eher sterbe ich«, schwor sich die junge Frau.

»Los, beeil dich und trödel nicht herum«, wurde sie von Sonuems verärgerter Stimme aus ihren Gedanken gerissen.

»Wenn du wüsstest, wie schnell ich werden kann …«, murmelte sie und beschleunigte ihre Schritte wieder.

Als sie in die große Eingangshalle traten, warteten dort schon die anderen auf sie. Lanika und Kier, beide in der für Caanies typisch bunten Kleidung, standen leise diskutierend in einer Ecke nahe der Eingangstür. Cyren hatte Rhania den Rücken zugewandt und die unglücklich aussehende Kila bei sich. Dicht neben Kila hatte sich ihr Bewacher Sonnelo aufgebaut, der mit versteinerter Miene auf die zwei großen Taschen zu seinen Füßen starrte.

Als hätte Cyren ihre Anwesenheit gespürt, drehte er sich um und sofort fand sein Blick den ihren. Einen Moment lang durchzuckte Rhania ein bittersüßes Gefühl. Noch zu deutlich klangen seine Worte in ihr nach. Worte der Entschuldigung und des Bedauerns. »Ich wollte dich gar nicht küssen«, hatte er zu ihr gesagt. Vor ein paar Stunden, in Amsels Box. Er hätte alles nicht gewollt. All das schoss durch ihren Kopf und durch ihr Herz, als sie seinen Blick für wenige Atemzüge erwiderte.

Dann zwang sie sich, den Blickkontakt abzubrechen und sich auf die vor ihnen liegende Flucht zu konzentrieren. »Sonuem, wisst Ihr, von wie vielen wir angegriffen werden?«, fragte sie daher den großen Sonnenkrieger.

Dieser war zu Sonnelo gegangen und hatte sich leise mit ihm unterhalten. Doch nun wandte er sich von ihm ab und sah Rhania an. »Genau kann ich das noch nicht sagen. Aber es müssen sehr viele sein. Das Kriegshorn der Sonne erklingt nur in höchster Not.«

Bevor Sonuem weitersprechen konnte, betraten fast zeitgleich zehn weitere Sonnenkrieger die große Eingangshalle. Wie auch Sonuem und Sonnelo waren sie in voller Rüstung und schwer bewaffnet.

»Ah, sehr gut, jetzt sind wir vollzählig. Wurde auch Zeit«, sagte Sonuem, drehte sich um und ging auf die Eingangstür zu. Kurz bevor er sie öffnete, blickte er noch einmal zurück. »Egal, was wir da draußen gleich sehen, egal, was dort passiert, wir bleiben zusammen. Meine Männer und ich werden Euch sicher fortbringen.« Ernst nickte er den zehn Sonnenkriegern zu. Dann sah er Rhania an. »Und du, Mondblut, du wirst ganz nah bei mir bleiben. Du wirst nicht kämpfen, außer es dient zu deiner Verteidigung. Du wirst aber auf keinen Fall deine Gabe einsetzen. Hast du mich verstanden?«

Rhania runzelte unwillig die Stirn. »Ich darf nur kämpfen, um mich zu verteidigen, aber ich darf dabei nicht meine Gabe einsetzen? Das soll wohl ein Scherz sein?!«

Sonuem schüttelte den Kopf. »Nein, das ist kein Scherz. Du hast deine Gabe nicht unter Kontrolle. Außerdem hat dein Vater eine Art Verbindung zu dir, wenn du sie nutzt. Etwas, das weder du noch wir wollen. Also, hast du mich verstanden?«

Rhania starrte den großen Mann für einen Moment ablehnend an, nickte dann aber mit deutlichem Widerwillen.

Das genügte dem Sonnenkrieger offenbar und er öffnete die Eingangstür.

Der durchdringende Ton des Kriegshorns der Sonne wurde unerträglich laut, kaum dass Rhania und ihre Gruppe ins Freie traten. Er übertönte alle Geräusche und machte das, was sich vor ihren Augen abspielte, erst recht zu einer schaurigen Szene.

Die Sonnenkrieger wurden von Wesen überrannt, wie Rhania sie noch nie zuvor gesehen hatte. Wesen, die sogar noch größer und muskulöser als die Sonnenkrieger waren. Als Rhania ihren Blick zu der Mauer mit dem großen Tor schweifen ließ, sah sie, wie eines der Monster mit bloßen Händen einen Sonnenkrieger entzweiriss. Einfach so, als wäre der Mann nur ein Stück Papier gewesen. Das Blut, das dem Wesen dabei in Gesicht und Mund spritzte, leckte es genüsslich ab. Dann warf es den Kopf in den Nacken und stieß einen schrillen Schrei aus, der sogar das Kriegshorn übertönte. Anschließend bückte sich die Kreatur und hob blutige Masse auf. Kurz roch sie daran und verschlang sie anschließend gierig. Gerade als sich das Wesen erneut nach unten beugte, wurde ihm von einem Sonnenkrieger der Kopf abgeschlagen.

Solche Szenen spielten sich überall auf den Mauern rund um den Hof ab. Die Sonnenkrieger kämpften mit allem, was sie hatten, und doch war es nicht selten, dass einer tödlich getroffen zu Boden ging.

Alles in Rhania schrie, dass sie helfen sollte. Der Impuls, ihre Gabe zu aktivieren und diese Viecher niederzumetzeln, war so stark, dass sie am ganzen Körper zitterte.

»Los, los, los, nicht stehen bleiben und gucken. Wir müssen zum Stall, dort warten schon unsere Pferde«, schrie Sonuem und packte dabei Rhania am Oberarm. Rücksichtslos zerrte er sie mit, die Außenmauern genau im Blick behaltend.

Es war ein Wunder, dass es bisher nur wenige dieser Wesen über die Mauer geschafft hatten. Noch gelang es den Sonnenkriegern, alle Eindringlinge rechtzeitig zu töten. Doch für wie lange noch?

Diese Frage konnte und wollte sich Rhania nicht beantworten. Ungehalten riss sie sich aus Sonuems festen Griff los. So schnell sie konnte, rannte sie über den Innenhof. Aus dem Augenwinkel erkannte sie, dass Cyren schräg hinter ihr lief. Kier ging an ihrer linken Flanke. Um sie herum hatten sich die Sonnenkrieger positioniert und schirmten sie nach außen hin ab.

Am Stall angekommen, eilte Sonuem an Rhania vorbei und öffnete die Tür. Heraus kam eine Gruppe Pferde. Bis auf Amsel waren sie fertig gesattelt und hatten prall gefüllte Satteltaschen.

Einen Moment lang starrte Rhania fasziniert die Pferde der Sonnenkrieger an. Zwar hatte sie diese schon öfter gesehen, meist wenn sie Amsel besucht hatte, aber noch nie in voller Montur. So wie die Sonnenkrieger eine Rüstung trugen, so taten es ihre Pferde ebenfalls. Eine Art Maske sorgte dafür, dass die empfindlichen Augen und Nüstern geschützt wurden. Das Genick sowie Hals und Mähne waren von Platten bedeckt. Selbst um die Beine lagen dicke Lederhüllen. Nur dort, wo sich der Sattel befand, waren die Pferde ohne Rüstung.

Beeindruckt trat Rhania einen Schritt zur Seite und die großen Pferde tänzelten an ihr vorbei. Ein etwas unsanfter Stoß gegen ihre Schulter ließ die junge Frau leicht stolpern und sie drehte sich kampfbereit um. Doch dann hätte sie fast gelacht, denn es war Amsel gewesen, die sie so unsanft angestupst hatte. Im Vergleich zu den gerüsteten Schlachtrössern der Sonnenkrieger wirkte Amsel mit ihrem schwarzen Fell und dem gedrungenen Körper unscheinbar. Trotzdem hätte Rhania niemals tauschen wollen. Sie strich ihrer Stute liebevoll über deren Nüstern und schwang sich dann auf ihren Rücken.

Sonuem sah sich noch mal prüfend um. Dann nickte er knapp und schon galoppierte er los. Alle anderen folgten ihm, jeder mit einer Waffe in der Hand. Auch Rhania hatte ihr Schwert mittlerweile aus der Scheide an ihrem Gürtel gezogen und hielt es fest umklammert.

»Rhania, pass auf!«, schrie Cyren plötzlich dicht neben ihr.

Da sprang eine Kreatur mit einem Riesensatz von der Mauer vor ihnen. Sie landete fast direkt neben Rhania und wollte sie von Amsel ziehen. Doch die ausgestreckte Hand erreichte nie ihr Ziel. Kurz vor Rhanias Bein wurde sie dem Wesen mit einem schnellen Schlag von Cyrens Schwert abgetrennt. Aber statt den Angriff nun abzubrechen, drehte sich das Wesen blitzschnell um und sprang Cyren an.

Durch die Wucht des Aufpralls kam Cyrens Pferd ins Straucheln und für die Dauer eines Herzschlages dachte Rhania, dass es stürzen würde. Doch wie durch ein Wunder fing sich Cyrens Pferd wieder und mit einem wütenden Schrei stieß der Kommandant das Wesen zurück. Diesmal kam es nicht mehr dazu, einen erneuten Angriff zu starten, wurde ihm doch der Kopf von Sonnelo mit der Streitaxt gespalten.

Der gesamte Angriff hatte nur wenige Momente gedauert und doch kam es Rhania vor, als wäre sie in der Zeit um Jahre gealtert. Als sie gedacht hatte, Cyren würde stürzen und dabei sterben, war alles in ihr zum Stillstand gekommen. Erleichtert atmete sie auf und Adrenalin flutete ihre Adern. Erneut wollte ihre Gabe freigelassen werden.

»Ganz ruhig, Rhania. Es ist nichts passiert«, rief da Kier neben ihr. Cyren war während des Angriffs etwas zurückgefallen und Kier hatte aufgeschlossen, um ihre rechte Flanke wieder zu schützen.

Rhania warf ihm einen Blick zu und schrie dann über den Lärm des Kriegshorns hinweg: »Danke. Ich dachte für einen Moment …« Unfähig, den Satz zu Ende zu führen, brach sie ab.

Doch Kier schien auch so verstanden zu haben, was sie hatte sagen wollen, denn er nickte knapp, bevor er wieder nach vorne sah.

Auch Rhania drehte ihren Kopf in Richtung des Tores und erkannte, dass sie fast angekommen waren. Doch das Tor war verschlossen und es sah nicht danach aus, als würde irgendwer es in naher Zukunft öffnen. Trotzdem bremste weder Sonuem noch einer der anderen sein Pferd. Rhania überlegte panisch, ob sie es rechtzeitig schaffen könnte, Amsel anzuhalten. Dann, kurz bevor Sonuems Pferd gegen das Tor geprallt wäre, verschwanden sie.

Rhania war vollkommen überrascht und dachte kaum daran, Amsel zu stoppen. Sie starrte auf den Fleck, an dem sich bis vor einem Augenblick noch Sonuem befunden hatte. Auch die ihm folgenden Reiter verschwanden urplötzlich.

»Jetzt gut festhalten«, rief Kier ihr noch zu, dann waren auch sie beim Tor angelangt.

Magie prickelte kalt auf ihrer Haut, als Amsel durch das scheinbar geschlossene Tor rannte. Instinktiv kniff Rhania die Augen zu und umklammerte mit einer Hand ein Stück Mähne. Im ersten Moment fühlte es sich so an, als würden sie fliegen, und irritiert öffnete sie die Augen. Aber bis auf weißen Nebel erkannte sie nichts. Alle Geräusche waren schlagartig verstummt und Rhania schaute sich panisch nach Kier und Cyren um. Doch weder sie noch irgendwer sonst war zu sehen. Amsel galoppierte immer noch unter ihr, doch es erschien Rhania so, als würden sie sich nicht vom Fleck bewegen. Das Prickeln der Magie auf ihrer Haut wurde immer stärker, je länger Rhania sich in diesem seltsamen Nebel befand.

Noch während sie versuchte zu verstehen, was vor sich ging, erklang plötzlich eine Stimme. Eine Stimme, die ihr einen kalten Schauer den Rücken hinunterjagte. Eine Stimme, die sie kannte und die tiefe Panik in ihr auslöste. »Meine Tochter, endlich. Ich wusste, du würdest den Weg zu mir finden.« Langsam schälte sich eine dunkle Gestalt aus dem Nebel vor ihr.

Hektisch versuchte Rhania, Amsel zu bremsen, von dem Mann wegzulenken. Doch nichts geschah, ihre Stute reagierte nicht. Verwirrt stellte sie fest, dass sie gar nicht mehr auf Amsel saß. »Was bei den drei Monden ist das für ein Hexenwerk?«, fragte sie sich voller Angst.

Ein dunkles Lachen erklang. »Du kannst nicht fort. Verstehst du nicht? Du bist jetzt bei mir. Die Sonnenkrieger und deine beiden Begleiter sind weit weg. Sie haben gar nicht begriffen, dass ich das Tor manipuliert habe.« Wieder ein kaltes Lachen. »Ich wusste, dass sie versuchen würden, dich fortzuschaffen, sobald meine Monster sie angreifen. So vorhersehbar … wie meine Mutter es immer sagte.«

Je näher ihr Vater kam, desto stärker rang Rhania um Kontrolle. Ihre Gabe riss und zerrte an den inneren Ketten.

»Hör auf, dagegen anzukämpfen, mein Kind. Lass einfach los. Lass dich in deine Gabe fallen. Das ist deine Chance, für Gerechtigkeit zu sorgen. Du musst nur loslassen«, flüsterte ihr Vater in ihrem Kopf.

Jedes seiner Worte hatte heißen Schmerz durch ihren Körper geschickt. Und dieser ließ ihre Gabe laut vor Freude aufschreien. Rhanias ganzer Körper begann zu zittern, so hart kämpfte sie gegen den Wunsch ihrer Gabe. Schmerzerfüllt keuchte sie auf. »Nein! Lass mich in Ruhe, du Monster. Lass mich frei, sofort!«

Ein tadelnder Laut erklang und dann stand er plötzlich direkt vor ihr. Ein nachsichtiges Lächeln lag auf seinem schrecklich schönen Gesicht. Eisblaue Augen sahen sie voller Stolz an. Musterten jeden Zentimeter von ihr. »So viel Trotz, so viel Stärke und so viel Sturheit. Du bist eindeutig meine Tochter. Du spürst es auch. Tief in dir drin. Also gib auf und tu, was ich dir sage. Folge mir in ein neues Zeitalter. Lass uns diese Welt zerstören und eine neue erschaffen«, sagte er und verschränkte lässig seine Arme vor der Brust.

Durch zusammengebissene Zähne zischte Rhania: »Ich bin NICHT deine Tochter. Wir haben gar nichts gemeinsam. Ich werde dir weder gehorchen noch dir folgen.«

Da blitzte etwas in seinen Augen auf und sein Lächeln verschwand. »Wirst du nicht? Bist du dir da ganz sicher? Ich spüre, wie deine Gabe nach Freiheit schreit. Sich danach sehnt, auszubrechen. Deine Kontrolle hängt am seidenen Faden, ich fühle es.«

Am liebsten hätte Rhania laut geschrien, doch sie beherrschte sich. Konzentrierte sich voll und ganz darauf, nicht endgültig die Kontrolle zu verlieren. Diese Genugtuung würde sie ihrem Vater nicht geben.

»Deine und meine Macht gehören zusammen. Sie erkennen sich, wollen sich vereinen. Wehr dich nicht weiter. Dein Schicksal ist schon lange vor deiner Geburt festgelegt worden. Wir beide sind dazu bestimmt, zusammen zu herrschen. Über eine Welt, welche wir neu aufbauen werden.« Auffordernd streckte er seine Hand aus. »Komm, mein Kind. Nimm meine Hand und lass dich von deiner Qual erlösen. Ich werde dir Frieden geben.«

Rhania starrte auf die ausgestreckte Hand. Fühlte die Versuchung, sie zu ergreifen. Zu kapitulieren und sich ganz in seine Fänge zu begeben. Sie war so unendlich müde, war es leid, ständig gegen sich selbst zu kämpfen. Sich nie wirklich frei zu fühlen. Nie wahren Frieden zu empfinden.

»Vielleicht hat er recht. Vielleicht muss diese Welt untergehen. Platz machen für etwas Neues?«, überlegte sie. »Vielleicht ist es wirklich mein Schicksal, Tod und Zerstörung zu bringen. Mit meinem Vater vereint zu sein.«

Ein Lächeln breitete sich auf dem Gesicht ihres Vaters aus. »Jaaa, mein Kind, genauso ist es. Es ist dein und mein Schicksal. Nimm meine Hand. Vertrau mir.«

Langsam streckte Rhania ihre Hand seiner entgegen. Eine Träne löste sich aus ihrem Auge und rann ihre Wange herunter. Landete heiß auf ihrer anderen Hand. Erstaunt sah sie auf den Tropfen hinunter, verharrte mitten in der Bewegung. »Warum weine ich denn? Vor Freude? Oder Trauer?«, fragte sie sich benommen.

»Rhania, nimm meine Hand«, sagte ihr Vater und seine Stimme klang nun eindringlich. »Du weißt, dass es richtig ist.«

Verwirrt blickte Rhania wieder auf, sah ihm ins Gesicht. Starrte auf seine Hand, dann auf ihre Hand. Fühlte die Sehnsucht, die Versuchung, sich zu ergeben. »Irgendetwas stimmt hier nicht.«

»Rhania!«, donnerte plötzlich die Stimme ihres Vaters durch ihren Kopf.

Laut stöhnte sie auf und griff sich mit beiden Händen an den Kopf.

»Nimm endlich meine Hand!«, dröhnte die Stimme.

Zitternd und vor Schmerzen wimmernd, streckte sie erneut die Hand nach seiner aus. Sah ihn mit tränenverschleiertem Blick an. Sah das freudige Glitzern in seinen Augen. Sah die Gier, die Vorfreude und den unbändigen Hass in ihnen. Dann berührten sich ihre Fingerspitzen und ein Stoß grell aufleuchtender Magie durchfuhr ihren Körper. Ihre Gabe schrie vor Freude auf und riss sich endgültig los. Rhania warf den Kopf in den Nacken und stieß ein unmenschliches Brüllen in die weiße Unendlichkeit hinaus. Ihr Körper begann zu glühen, sie sah nur noch grelles Weiß und spürte, wie der Nebel vor Magie pulsierte.

»Ja … jaaaa… So ist es richtig und jetzt, jetzt nimm meine Hand«, rief ihr Vater.

Doch bevor Rhania zugreifen konnte, geschah etwas mit ihr. Plötzlich sah sie wieder die Vision, welche ihr der Hexenmeister damals gezeigt hatte. Sah sich wieder selbst, wie sie voller Blut inmitten von unzähligen Leichen stand. Wie sie auf die noch verbliebenen Lebenden blickte und hasserfüllt lachte. Rhania erkannte, dass es Sonnenkrieger und Mondblütige waren. Sie waren in Kämpfe verwickelt und versuchten zu ihr durchzudringen. Ganz vorne entdeckte sie Kier und Cyren. Beide waren blutverschmiert und eindeutig verletzt. Dann erblickte sie ihren Vater, der alles niedermetzelte, was ihm in den Weg kam. Er zerfetzte einen Krieger nach dem anderen und ein grausam fröhliches Lächeln lag dabei auf seinem Gesicht. Bei Kier und Cyren angekommen, sah Arak Rhania direkt in die Augen. Eine Frage stand darin und zu ihrem Entsetzen sah sie sich nicken. Ihr Vater lachte auf und nickte ebenfalls. Mit je einer Hand durchstieß er von hinten die Körper von Kier und Cyren, zog seine Hände dann wieder zurück und hielt in jeder ein Herz.

»Nimm endlich meine Hand!«, fauchte da ihr Vater und riss sie aus der Vision.

Doch statt seine Hand zu ergreifen, zog Rhania ihre zurück. »Nein«, keuchte sie. »Das werde ich nicht zulassen.«

»Wenn du dich mir nicht freiwillig beugst, dann muss ich dich eben zwingen«, sagte ihr Vater und grinste böse.

Noch bevor Rhania begriff, was er damit meint, spürte sie, wie er ihr plötzlich die Luft abgeschnürte. Instinktiv griff sie mit beiden Händen an ihren Hals. Doch kaum berührte sie diesen, schrie sie vor Schmerz auf und ließ ihre Hände hastig sinken. Sie trug wieder das Eisenhalsband, welches sich immer enger zusammenzog und ihr langsam die Luft nahm. Schwarze Punkte tauchten vor ihren Augen auf und ihre Sicht verschwamm.

»Gibst du jetzt auf?«, wollte ihr Vater wissen.

Trotz ihrer Panik hätte Rhania fast gelacht. Wie sollte sie ihm antworten, wenn er ihr die Luft abschnürte? Kaum fragte sie sich das, lockerte sich der Zug um ihren Hals. Rhania hustete gequält und sog gierig Luft in ihre Lungen. Ihre Sicht klärte sich und erleichtert schloss sie die Augen.

»Also, gibst du nun endlich auf?«, fragte ihr Vater erneut.

Hass auf ihren Vater löste die Panik ab und vermischte sich mit ihrer außer Kontrolle geratenen Gabe. »Du willst, dass ich aufgebe? Dir meine Macht zur Verfügung stelle?«, dachte sie boshaft. »Gut, lieber Vater, dann bitte, hier ist meine Gabe.« Rhania riss ihre Augen auf und schlug blitzschnell mit ihren scharfen Krallen nach dem Mann vor ihr.

Er starrte sie aus großen Augen überrascht an und wollte sich wegducken. Doch er reagierte zu spät. Mit einem lauten Kreischen ihrer Gabe zerrissen sein Körper und mit ihm der magische Nebel um sie herum.

Von einem Moment auf den anderen war Rhania frei. Angespannt sah sie sich um, bereit, ihren Vater erneut anzugreifen. Doch der war nicht mehr zu sehen. Trotzdem blieb sie wachsam und umfasste ihr Schwert mit festem Griff.

»Wo bin ich? Wo ist er hin?«, fragte sie sich panisch. »Und wo sind Cyren, Kier und die Sonnenkrieger?«

Sie stand auf einem schmalen Bergpass, umgeben von hohen Gebirgen. Es war kalt und die Bergspitzen waren mit Schnee bedeckt. Fröstelnd umschlang Rhania ihren Körper mit den Armen und drehte sich einmal im Kreis. Doch sie sah nur den felsigen Pfad und die Berge.

»Scheiße!«, fluchte Rhania laut. »Du dämlicher Bastard, wo bin ich hier?«

Bis auf das Echo, das von den Bergen zurückgeworfen wurde, bekam sie keine Antwort.

Frustriert steckte Rhania ihr Schwert zurück in die Scheide. Dann überlegte sie, in welche Richtung sie gehen sollte. Bergauf oder doch lieber bergab?

»Ist doch egal. Ich weiß ja sowieso nicht, wo ich bin«, dachte sie gereizt. Sie drehte sich noch einmal im Kreis und beschloss dann, bergauf zu gehen. Vielleicht erkannte sie von weiter oben, wo sie sich befand.

Nach wenigen Schritten blieb Rhania abrupt stehen. »Wo ist Amsel?«, fragte sie sich. »Sie war doch in dem Nebel noch bei mir. Also wo ist sie?«

Angst um Amsel stieg in ihr auf. Angst, dass sich Amsel vielleicht noch in der Gewalt ihres Vaters befand. »Aber was sollte er mit meinem Pferd wollen? Das ergibt keinen Sinn. Vielleicht ist sie hier irgendwo und sucht mich schon.«

»Amsel?!«, rief Rhania laut und verharrte dann lauschend. Doch nichts war zu hören. Kein Wiehern, kein Hufschlag. Es herrschte eine beklemmende Stille. Noch mal rief Rhania Amsels Namen und pfiff danach laut. Wieder bekam sie keine Antwort. Die junge Frau seufzte laut auf.

Niedergeschlagen und voller Sorge um Cyren, ihr Pferd und alle anderen aus ihrer Gruppe setzte Rhania ihren Weg fort. Die junge Frau hoffte, dass sie die Männer und Amsel wiederfinden würde.

»Aber erst mal muss ich herausbekommen, wo ich bin«, dachte sie, während sie weiter dem Pfad folgte.

Kapitel 2

Cyren

Cyren sah, wie eine der Bestien von der Mauer sprang und fast direkt neben Rhania landete. Bevor es dem Monster gelang, nach der Mondblütigen zu schlagen, hatte er ihm schon die Hand abgeschlagen. Anstatt dass die Bestie vor Schmerz aufbrüllte oder wenigstens den Angriff abbrach, drehte sie sich zu ihm um. Als Cyren ihr direkt ins Gesicht schaute, rann ein Schauer seinen Rücken herunter.

Das Gesicht der Bestie war stellenweise von struppigem Fell bedeckt. Die Schnauze war kurz, das Maul mit spitzen Reißzähnen gefüllt. Sie stand aufrecht da und war genauso groß wie er auf dem Pferd. Ihre Beine waren erstaunlich menschlich, wären nicht anstatt Füßen mit Krallen besetzte Tatzen vorhanden gewesen. Generell sah das Monster wie eine abartige Mischung aus Mensch und Wolf aus. Es verströmte einen widerlichen Geruch nach Verwesung und Cyren wurde übel.

Der Kommandant hatte kaum Zeit, sich von dem Anblick zu erholen, da duckte sich die Bestie schon und sprang ihn an. Sein Pferd strauchelte durch die Wucht des Aufpralls, fing sich aber schnell wieder. Die Bestie war so nah bei Cyren, dass sie ihm ihren stinkenden Atem ins Gesicht blies. Für einen Augenblick starrte er ihr in die erschreckend menschlichen Augen. Er erkannte Qual und Wahnsinn darin. Aber auch den Willen, unbedingt zu töten. Mit einem wütenden Schrei stieß er die Bestie von sich. Bevor er mit seinem Schwert diesem Monster den Garaus machen konnte, wurde dessen Kopf schon von einer Streitaxt gespalten. Blut und Gehirnmasse spritzten auf und etwas davon traf Cyrens Gesicht.

Sonnelo nickte ihm knapp zu und zog die Waffe kraftvoll aus dem Kopf der nun toten Bestie. »Aufpassen, Prinz von Ciael«, sagte er spöttisch.

Cyren verzog das Gesicht und wischte sich angewidert das Blut aus dem Gesicht. Dann sah er wieder zum Tor. Durch den Angriff der Bestie war er etwas zurückgefallen. Erleichtert erkannte er aber, dass Kier seinen Platz an Rhanias rechter Seite eingenommen hatte.

In diesem Moment verschwand Sonuem samt Pferd in dem verschlossenen Tor.

»Was bei den drei Monden …«, dachte Cyren und sah dann, wie auch der nächste Reiter einfach fort war. »Das muss eine Illusion sein.«

Auch Rhania und Kier verschwanden einen Moment später in dem Tor.

Angespannt starrte Cyren nach vorn.

»Gut festhalten, Prinz«, rief einer der Sonnenkrieger ihm zu, kurz bevor sie am Tor ankamen.

Der Kommandant packte mit einer Hand ein Stück Mähne seines Pferdes und schloss die Beine fester um dessen Bauch. Tief beugte er sich über den Hals des Tiers und betet, dass er heil durch dieses Tor kommen würde. Sein Hengst reagierte sofort auf den verstärkten Druck seiner Beine und wurde noch schneller.

Cyren hatte keine Zeit mehr, weiter darüber nachzudenken, was gleich geschehen würde, denn kurz vor dem Tor sprangen zwei Bestien direkt vor ihn und griffen sofort an.

Ein Sonnenkrieger war nicht schnell genug und wurde von seinem Pferd gerissen. Cyren umfasste sein Schwert fester und holte schwungvoll damit aus. Doch er war zu langsam, die Bestie hatte schon eine Hand durch den Brustkorb des Kriegers gestoßen. Trotzdem schlug Cyren voller Wut zu und versenkte sein Schwert tief in dem Nacken der Kreatur.

Noch bevor er dazu kam, nach der zweiten Bestie zu sehen, machte sein Pferd plötzlich einen Schlenker und einen Satz nach vorne. Nur mit Mühe schaffte es der Kommandant, nicht durch die abrupte Bewegung hinunterzufallen. Keinen Augenblick später galoppierten sie durch das Tor.

Cyren spürte ein unangenehmes Prickeln auf der Haut und für einen Moment sah er nichts als weißen Dunst. Verwirrt blinzelte er, da verstummte schlagartig das Kriegshorn und der Dunst verschwand. In der nun herrschenden Stille waren sein Atem und der seines Pferdes überlaut zu hören.

Cyren erkannte Kier und die zum Glück noch zahlreich verbliebenen Sonnenkrieger einige Meter weiter vor sich. Sie standen in einem Kreis, mit gezückten Schwertern, da und schienen auf den Rest der Gruppe zu warten.

Rasch ritt er auf die Krieger zu. Automatisch suchte er nach Rhania, die vor ihm durch das Tor galoppiert war. Doch er konnte sie nicht entdecken. Dafür aber sah er Amsel, die aufgeregt zwischen den Kriegern herumrannte.

Sofort wurde Cyren klar, dass irgendetwas schiefgegangen sein musste, als Rhania durch das Tor geritten war. Kaum bei der Gruppe angekommen, fragte er auch schon: »Wo ist das Mondblut?«

»Cyren, bei den drei Monden, ich hatte solche Angst um dich«, hörte er Kila statt einer Antwort auf seine Frage sagen. Die Heilerin hatte, zusammen mit Lanika, innerhalb des Kreises gestanden und kam jetzt auf ihn zugeritten.

Doch der Kommandant ignorierte sie und fragte erneut: »Wo ist Rhania? Was ist passiert?« Angespannt schaute er Kier an.

Dieser senkte kurz den Blick. »Wir wissen es nicht. In einem Moment ritt sie noch mit Amsel knapp vor mir und dann …« Hilflos brach er den Satz ab.

»Was … was soll das heißen? Ihr wisst es nicht? Sie war doch bei euch, als sie durch das Tor ritt. Sie kann sich doch nicht in Luft aufgelöst haben«, hakte Cyren verwirrt nach. Eine Berührung an seinem Arm ließ ihn den Kopf drehen.

Kila stand mit ihrem Pferd ganz dicht neben ihm. Tränen liefen ihr das Gesicht herunter und schluchzend sagte sie: »Oh, mein Geliebter, es ist doch egal, was mit dieser Person ist. Wichtig ist nur, dass wir beide noch leben. Ich hätte nicht ohne dich weiterleben können.«

Entgeistert schüttelte Cyren den Kopf und entzog sich unwirsch Kilas Berührung. »Verflucht, lass mich in Ruhe, Kila, und halt einfach den Mund!«

Bevor er mehr sagen konnte, stieß Amsel ein lautes Wiehern aus. Erschrocken zuckte jeder zusammen und sah ihr hinüber. War die Stute vorher schon aufgeregt gewesen, so schien sie nun vollkommen durchzudrehen. Sie rannte mit flach angelegten Ohren und gefletschten Zähnen auf eine Baumgruppe zu.

Aus dieser trat eine große Gestalt heraus und blickte entspannt auf das sich ihm nähernde Pferd. Kurz bevor Amsel die Person erreichte, machte diese eine knappe Handbewegung. Die Stute wurde zur Seite geschleudert und krachte mit einem dumpfen Laut mehrere Meter entfernt auf den Boden. Sofort versuchte sie aufzustehen, aber eine erneute Handbewegung des Mannes ließ sie wieder fallen. Wild zappelnd wollte sich Amsel aufrappeln, doch der Mann schien mit der Geduld am Ende zu sein. Er schnippte mit den Fingern. Ein weiß glühendes Netz legte sich über den Körper der Stute und hielt sie so am Boden fest. Trotzdem strampelte und kämpfte Amsel weiter, offenbar nicht gewillt aufzugeben.

»Was für ein stures Pferd«, sagte der Mann und ging dann gelassen auf die Krieger zu.

Cyren sah ihm wachsam entgegen, bereit, sofort anzugreifen, sollte es nötig sein. Je näher der Mann kam, desto deutlicher konnte Cyren ihn erkennen.

Genau in dem Moment, als er begriff, wen er da vor sich hatte, zischte schon ein rot glühender Strahl an ihm vorbei.

»Arak!«, schrie Sonuem laut und schoss ein zweites Band auf den Mann.

Dieser lachte auf und wich blitzschnell dem Angriff aus. »So ein mutiger kleiner Sonnenkrieger. Sag, Sonuem, wie geht es deinem Bruder?«

»Das geht dich gar nichts an, Abschaum!«, zischte Sonuem und attackierte Rhanias Vater mit einer glühenden Feuerkugel.

Auch die anderen Sonnenkrieger griffen Arak an.

Cyren sah einen Moment lang überrascht dabei zu, wie unzählige Feuerkugeln und rot glühende Strahlen auf Rhanias Vater abgeschossen wurden.

»Cyren, steh nicht nur herum und guck blöd! Greif an!«, schrie Kier den Kommandanten an und riss ihn damit aus seiner Starre.

Mit einem wütenden Knurren packte Cyren sein Schwert fester und trieb sein Pferd in Richtung des Mondblütigen.

Plötzlich lachte Rhanias Vater laut und schüttelte den Kopf. Kein Angriff drang zu ihm durch. Jeder Feuerball, jeder Strahl wurde von einem unsichtbaren Schild abgefangen. »Dumme kleine Sonnenkrieger. Habt ihr wirklich gedacht, dass ihr mich so leicht töten könnt?«, sagte der Mondblütige amüsiert.

»Du hast keine Chance gegen uns, wir sind in der Überzahl«, rief Sonuem, während er weiterhin Feuerkugeln auf den Mann abschoss. »Dein Schild wird dich nicht ewig schützen, Bastard.«

Arak legte den Kopf nachdenklich zur Seite. »Das mag sein. Aber wer sagt, dass ich in der Unterzahl bin?« Kaum hatte er den Satz zu Ende gesprochen, tauchten hinter ihm immer mehr der Kreaturen auf, die sie zuvor schon angegriffen hatten.

»Scheiße!«, fluchte Cyren und lenkte sein Pferd sofort auf eines der Biester zu.

»Na, na, na, Prinz von Ciael, Krieger der Maid. Krieger meiner Tochter. Was sind wir denn heute so angriffslustig?«, sagte Arak und schüttelte tadelnd den Kopf. Dann hob er eine Hand und ein heller Strahl schoss direkt auf den Kommandanten zu.

Cyren riss sein Pferd zur Seite und entkam nur knapp dem Angriff. Ein schmerzhafter Schrei hinter ihm ließ ihn zurückschauen und seinen Hengst bremsen.

Der Strahl hatte Kier getroffen und ihn vom Pferd gerissen. Blut floss aus einer großen Wunde an seiner rechten Seite. Mühsam rappelte sich der Caanie auf, und nahm sein Schwert in die linke Hand. Mit einem bösen Grinsen sah er Rhanias Vater herausfordernd an. »Mehr hast du nicht drauf?«

»Ach, der Hüter meiner Tochter. Interessant, wie gut du deiner Aufgabe nachkommst. Sag mir doch, wo ist meine Tochter? «, sagte Arak und ließ den nächsten Strahl auf den Caanie los.

Doch diesmal war Kier vorbereitet und schaffte es trotz seiner Verletzung, auszuweichen.

»Sehr gut, Hüter«, kommentierte Rhanias Vater spöttisch. Dann sah er wieder auf die Sonnenkrieger, die in der Zwischenzeit ihre Angriffe zwischen ihm und den Kreaturen aufgeteilt hatten. »Genug jetzt«, sagte er laut, schnippte erneut mit den Fingern und schien dann leise etwas zu murmeln.

Einen Moment später fegte eine starke Windböe über die Männer hinweg und alle Kreaturen erstarrten mitten in der Bewegung. Gleichzeitig wurden einige der Krieger von ihren Pferden gerissen oder mussten zurückweichen.

»Ich habe keine Zeit für diese Spielereien, so amüsant sie auch sind. Ich bin aus einem anderen Grund hier.« Kurz schweifte Araks Blick zu der immer noch gefesselten Amsel. »Ich will nur das Pferd meiner Tochter, mehr nicht. Gebt es mir und ich ziehe mich mit meinen süßen Tierchen zurück.«

»Was willst du mit dem Pferd?«, fragte Sonuem.

Arak zuckte mit den Schultern. »Ist das nicht egal? Es ist immerhin nur ein Pferd. Die Stute ist es sicher nicht wert, für sie euer Leben zu riskieren, oder?«

Argwöhnisch sah Cyren zwischen Amsel und Rhanias Vater hin und her. Er traute ihm nicht. Arak musste einen guten Grund haben, warum er nur wegen der Stute so einen Aufwand betrieb.

»Nun, wenn dir das Pferd so wichtig ist … dann werden wir es dir bestimmt nicht überlassen!«, rief Cyren.

Genervt verdrehte Arak die Augen. »Du willst also dein Leben und das deiner Begleiter für diese alte Stute riskieren?«

»Ja, das wollen wir«, antwortete Kier, der sich, zusammen mit Sonuem, neben Cyren stellte.

Einen Moment lang musterte Arak die Männer mit kalten Augen. »Nun … vielleicht wird euch dann folgendes Angebot interessieren. Ihr gebt mir die Stute ohne jede Gegenwehr und ich verrate euch, was mit meiner Tochter geschehen ist.«

Nach diesen Worten herrschte ein angespanntes Schweigen.

»Was hast du mit ihr gemacht, du Bastard?!«, schrie Kier schließlich in die Stille.

Kier wollte losstürmen, aber er wurde von Sonuem gestoppt. »Ganz ruhig, Caanie. Ihn anzugreifen bringt dir nichts außer deinem eigenen Tod.« Dann sagte er an Arak gewandt: »Wo ist Rhania? «

Grinsend hob der Mondblütige die Hände. »Wenn ihr das wissen wollt, müsst ihr mir erst das Pferd geben.«

Cyren hatte sich bisher zurückgehalten, doch auch seine Geduld war nun zu Ende. »Ich glaube, du hast Angst vor uns, Bastard! Wenn du wirklich so mächtig wärst, würdest du nicht mit so vielen deiner Schoßhündchen auftauchen«, rief er Rhanias Vater zu und zeigte dabei auf die erstarrten Bestien.

Ein wütender Ausdruck huschte über Araks Gesicht. »Hüte deine Zunge, Prinz, sonst schneide ich sie dir heraus.«

»Sieh an, er kann es genauso wenig leiden, feige genannt zu werden, wie Rhania«, dachte Cyren und grinste. Laut fragte er: »Muss ich jetzt Angst haben, Arak?« Gespielt erschrocken legte er eine Hand auf seine Brust.

»Kommandant, was macht ihr da?«, zischte Sonuem ihm leise zu.

Ohne den Sonnenkrieger anzusehen, antwortete er ebenso leise: »Ihn aus der Reserve locken. Vielleicht verrät er uns dann mehr, als er eigentlich will.«

»Ich sehe, du möchtest anscheinend sterben, Prinz.« Arak schoss gleich zwei gleißend helle Strahlen auf Cyren ab.

Das geschah so schnell, dass der Kommandant zwar durch einen schnellen Sprung ausweichen konnte, aber trotzdem von dem zweiten Strahl am Arm gestreift wurde.

»CYREN!«, schrie Kila, als der magische Strahl ihn streifte.

Schmerz explodierte in Cyrens Arm und lähmte ihn kurz. Er zischte, rollte sich aber elegant ab und sprang sofort wieder auf die Beine. »Tja, das ging wohl daneben«, rief er trotz unsäglicher Schmerzen spöttisch.

Ein boshaftes Lächeln tauchte auf Araks Gesicht auf. »Ich weiß, was du vorhast, Prinz. Du denkst, du kannst mich provozieren. Mich aus der Reserve locken. Aber das wird dir nicht gelingen.«

Cyren wollte etwas erwidern, aber Sonuem war schneller. »Ich glaube, der Prinz hat recht. Du bist in der Tat feige. Versteckst dich hinter deinen Viechern und spuckst große Töne.«

Arak sah Sonuem mit verengten Augen an. »Ach ja, ich soll dich schön von deinem Bruder grüßen, Sonuem. Ich hatte ihn vorhin erst am Außenposten vor mir. Hat geweint wie ein Baby und nach seiner Mama gerufen, als er starb.«

»Du lügst! Das glaube ich dir nicht«, schrie Sonuem.

»Ach nein? Nun, vielleicht kann dich meine Begleitung ja davon überzeugen.« Arak drehte sich zu der Baumgruppe um und nickte jemandem zu. »Meine Hübsche, sei doch so lieb und zeig dem Sonnenkrieger, welch schönes Geschenk ich für ihn habe.«

»Oh nein, lass ihn nicht Rhania in seiner Gewalt haben«, dachte Cyren erschrocken.

Doch sehr zu seiner Erleichterung trat nicht Rhania zwischen den Bäumen hindurch, sondern eine ihm unbekannte Person.

»Sheila«, flüsterte Kier verblüfft.

Cyren wusste sofort, wer Sheila war. Lanika hatte ihm einiges über die Caanie erzählt. Wütend ballte er die Fäuste.

Die Frau schritt lasziv auf sie zu und ein hämisches Grinsen lag auf ihrem schönen Gesicht. In der Hand hielt sie einen blutdurchtränkten Beutel. Einige Meter von ihnen entfernt blieb sie stehen. Kurz musterte Sheila sie, wobei ihr Blick für einen Moment bei Kier hängen blieb. Dann zuckte sie mit den Schultern und warf Sonuem den Beutel vor die Füße.

Als dieser auf dem Boden aufschlug, öffnete er sich und heraus rollte der Kopf eines Mannes.

»Ein Geschenk für Euch, Sonnenkrieger«, sagte die Caanie mit einem zuckersüßen Lächeln.

Sonuem starrte fassungslos auf den abgeschlagenen Kopf, rührte sich aber nicht. Er schien nicht begreifen zu können, was er da sah.

Sheila wollte sich wieder umdrehen, da hielt Kier sie mit einer schnellen Bewegung auf. »Was bei den drei Monden tust du hier, Sheila? Was soll das? Was hat er mit dir gemacht?«, fragte Kier aufgebracht.

Sheila sah den Caanie mit großen Augen an. »Gemacht? Er hat gar nichts mit mir gemacht. Im Gegensatz zu dir.«

Verblüfft sah Kier Sheila an. »Was soll das heißen?«

Ein unguter Verdacht keimte in Cyren auf. Er wusste aus Lanikas Erzählungen, wie sehr die Caanie Rhania hasste.

Sheila legte den Kopf höhnisch nach hinten. »Du hast mich vor allen lächerlich gemacht. Weißt du, wie es für mich war, als du den Caan verlassen hast? Wie mich die anderen Frauen mitleidig ansahen, wann immer ich durchs Lager ging? Wie alle hinter meinem Rücken über mich lachten?« Mit einem Ruck riss sie sich los und trat einen Schritt zurück. »Einige der Männer boten sich an, deinen Platz einzunehmen. Aber nicht weil sie mich wirklich wollten, sondern aus Mitleid!« Sheila ballte die Hände zu Fäusten, dann schrie sie: »AUS MITLEID, KIER!«

Kier griff sich kurz in den Nacken und holte tief Luft. »Sheila … das tut mir leid … Ich wusste nicht …«

»Was wusstest du nicht?«, wurde er von der Caanie unterbrochen. »Jeder im Lager dachte, dass wir heiraten würden. Ich dachte, dass wir heiraten würden. Aber du … du ziehst mir diese wahnsinnige Kreatur einer Frau vor?!«

»Heiraten? Wie kommst du denn darauf? Bei den drei Monden, wir haben zwei Nächte miteinander verbracht. Wenn ich jede Frau heiraten würde, mit der ich zwei Nächte verbracht habe, hätte ich sehr viele Ehefrauen.« Kopfschüttelnd sah Kier sie an.

»Das mit uns, das war etwas anderes!«, zischte Sheila. »Ich weiß, dass auch du gespürt hast, wie tief unsere Gefühle füreinander sind. Du willst es nur nicht wahrhaben. Nicht solange dieses Miststück noch am Leben ist. Deswegen bin ich zu dem Mann gegangen, der sich um das Problem kümmern wird. Er hat mir versprochen, dass er dich am Leben lässt und ich dich als meinen Ehemann bekommen werde.«

»Das hat er dir versprochen?«, schaltete sich Cyren ein. »Dann bist du dümmer, als ich dachte.«

»Ich würde dich noch nicht mal heiraten, wenn du die letzte Frau auf dieser Welt wärest, Sheila«, sagte Kier.

Die Caanie sah die beiden Männer mit einem arroganten Grinsen an. »Wir werden ja sehen, wer am Ende dumm ist.« Sie dreht sich um und ging zurück zu Arak, der freundlich lächelnd die Szene verfolgt hatte.

Sonuem, der bis jetzt nur auf dem abgetrennten Haupt seines Bruders gestarrt hatte, hob schlagartig den Kopf. Er sah mit gelb glühenden Augen Rhanias Vater an. »Dafür wirst du büßen. Ich werde dich töten. Das schwöre ich«, sagte der Sonnenkrieger hasserfüllt.

Cyren ließ seinen Blick schweifen und erkannte, dass alle anderen Sonnenkrieger ebenfalls voller Abscheu mit gelb glühenden Augen zu Arak starrten.

»Wirst du das?«, fragte Rhanias Vater gelangweilt. »So wie es dein Bruder versucht hat?«

»DU!«, schrie Sonuem und stürzte mit erhobenem Schwert auf ihn zu.

Das schien das Zeichen zu sein, dass die Verhandlungen vorbei waren, denn mit lautem Gebrüll griffen auch alle anderen Sonnenkrieger wieder an.

Arak entließ die Bestien aus seinem magischen Bann und sofort stürzten sie sich auf die Krieger. Aus dem Waldstück hinter Arak erschienen immer mehr Monster und Cyren brauchte all seine Fähigkeiten, um sich gegen den Ansturm der Bestien zu wehren.

Die schiere Anzahl der Monster und Araks gelegentliche Blitze ließen den Kampf aussichtslos erscheinen. Cyren sah, wie ein Sonnenkrieger nach dem anderen fiel und von den Kreaturen auseinandergerissen wurde.

»Wir sind verloren«, dachte er, während er einer der Bestien den Kopf abschlug. »Lange werden wir uns nicht mehr zur Wehr setzen können.«

Ein unterdrückter Schmerzensschrei ließ ihn kurz zur Seite blicken. Kier kämpfte neben ihm. Eine der Bestien hatte ihre Klaue tief in die Schulter des Caanie versenkt und zog ihn hart zu sich. Doch dann sackte sie plötzlich zusammen. Kier hatte dem Monster sein Schwert durch den Körper gestoßen. Cyren sah, wie Blut aus der Wunde an Kiers Schulter floss. Leblos hing der Arm hinab und der Kommandant wusste, dass das ein ganz schlechtes Zeichen war.

»Kier! Zieh dich zurück! Schütze Lanika und Kila!«, rief er ihm zu. Noch waren die Frauen von ein paar Sonnenkriegern umringt, aber wie lange das so bleiben würde, war fraglich. Der Caanie konnte mit nur einem kampffähigen Arm nicht mehr an vorderster Front stehen. Ohne auf Cyrens Worte zu reagieren, kämpfte Kier jedoch weiter.

Cyren wollte ihn erneut auffordern, sich zurückzuziehen, doch da griffen ihn zwei Bestien gleichzeitig an. Einen Schlag wehrte er mit seinem Schwert ab, aber dem Angriff der zweiten Bestie konnte er nicht schnell genug ausweichen. Die Klaue erwischte ihn an der Flanke und schlitzte ihm das Fleisch auf. Er konnte spüren, wie die scharfen Krallen an seinen Rippenknochen entlangschabten. Sofort floss warmes Blut seine Seite herab und für einen kurzen Moment war er abgelenkt.

Das hätte ihn beinahe sein Leben gekostet, denn die Bestie setzte zu einem Sprung an. Doch wie aus dem Nichts schlugen zwei Pfeile in die beiden Köpfe der Bestien ein und töteten sie auf der Stelle.

Verwirrt stand Cyren einen Moment lang da. Sah, wie ein wahrer Pfeilhagel auf die Biester niederging. Nahezu jeder Pfeil traf eine Kreatur tödlich. Die wenigen Monster, die keinen Pfeil abbekommen hatten, wurden von den Sonnenkrieger niedergestreckt.

All das ging so schnell, dass Cyren wie erstarrt dastand und einen Moment brauchte, um zu verstehen, was passiert war.

Kaum war die letzte der Bestien getötet, legte sich eine unheimliche Stille über die Szene.

Cyren sah auf das Waldstück, aus dem der Pfeilhagel gekommen war.

»Was bei den drei Monden?«, fragte Arak wütend und schaute hinter sich.

Ein leises Knacken erklang und ein Mann trat aus dem Waldstück heraus. Er war komplett in schwarz gekleidet und sein Gesicht wurde durch eine tief in die Stirn gezogene Kapuze verdunkelt. Der Mann trug einen Bogen auf dem Rücken und ein seltsam gebogenes Schwert an der Taille. Er ging einige Schritte nach vorne und ließ seinen Blick schweifen. Dann hob er kurz die Hand und hinter ihm traten, nach und nach, weitere Männer aus dem Wald heraus. Es mussten an die fünfzig sein. Alle waren genauso gekleidet und gerüstet wie der erste Mann. Cyren vermutete, dass er der Anführer der Gruppe war.

Kurz ließ Cyren seinen Blick zu Arak schweifen. Der hatte sich mittlerweile komplett der neuen Gruppe zugewendet, sodass der Kommandant seinen Gesichtsausdruck nicht erkennen konnte. Aber die Art und Weise, wie angespannt Rhanias Vater gerade wirkte, ließ Cyren vermuten, dass diese neue Gruppe eine ernsthafte Bedrohung für Arak war.

»Ihr?!«, rief er da auch schon entgeistert.

Der Anführer antwortete nicht, sondern ob die Hand, um sich die Kapuze vom Kopf zu ziehen.

Überrascht sog Cyren die Luft ein. Der Mann war … schwarz. Der Kommandant blinzelte ein paarmal und sah genauer hin. Nein, schwarz war er nicht wirklich. Das Gesicht des Mannes war von unzähligen seltsamen dunklen Linien übersät. Cyren vermutete, dass es Tätowierungen waren. Nur hier und da war noch etwas Haut unbedeckt. Diese Stellen waren schneeweiß und fielen ihm jetzt erst recht ins Auge. Soweit Cyren es erkennen konnte, war der Mann kahlköpfig.

Er hörte hinter sich Lanika erstaunt flüstern: »Der Circulus Lunae. Ich habe immer gedacht, er wäre nur eine Legende.«

»Was bei den drei Monden ist der Circulus Lunae?«, fragte sich Cyren, kam aber nicht dazu, darüber nachzudenken. Es interessierte ihn viel zu sehr, was geschehen würde.

»Hallo, Arak«, sagte der tätowierte Mann. Seine Stimme klang … merkwürdig. Als würde ein leises Echo in ihr widerhallen.