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Es ist das Anliegen dieses kleinen Büchleins, die Meeresfauna des kleinen beschaulichen Ortes Norddeich (Ostfriesland) mit ihren derzeitigen Auffälligkeiten und Besonderheiten vorzustellen. Dabei wird diese natürlich im Kontext der aktuellen Umweltsituation gezeigt, ohne Beschönigungen irgendeiner Art vorzunehmen. Gezeigt werden nur Arten, die zurzeit auch tatsächlich hier aufgefunden werden können, wobei der Beobachtungszeitraum ab dem Jahr 2010 gilt. Faunenverfälschungen und Klimawandel haben dabei ebenso einen Einfluss ausgeübt, wie menschliche Maßnahmen der Hafenschlickbeseitigung oder der Landgewinnung. Worüber man sich tatsächlich wundern muss ist es, dass unter solchen Bedingungen tatsächlich noch Tier- und Pflanzenarten in Norddeich leben können. Allerdings in einem Spektrum, das den Naturfreund sehr schnell nachdenklich werden lässt. Ich hoffe sehr, dass dieses Buch dazu beiträgt, den Umgang mit unserer Umwelt zu verändern und ein neues positives Bewusstsein in der Bevölkerung mit zu begründen. Denn jeder Einzelne hat es mit in der Hand, was für eine Welt wir eines Tages unseren eigenen Kindern hinterlassen werden...
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Seitenzahl: 201
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LOBBY FOR OUR RECENT NAURE
Ich widme dieses Buch der Sache der Meerestiere, die man zurzeit (noch) im Gebiet der Küste von Norddeich antreffen kann. Jedoch enthält dieses Werk keinen vollständigen Katalog aller hier vorkommenden Arten, da der Artenbestand nicht als statisches Gebilde gesehen und verstanden werden kann. Abhängig von Meeresströmungen, Jahreszeiten, schwankenden Salzgehalten, Temperaturen und Emissionen des Menschen ist das ökologische Gesamtgefüge in diesem kleinen Gebiet einem ständigen Wechsel unterworfen. Ich habe daher versucht, die wichtigsten Arten und ihre jeweilige Bedeutung für das Wattenmeer des norddeicher Areals in Kurzform vorzustellen. Dabei mag der eine oder andere geneigte Leser gerne einwenden, dass er vielleicht diese oder jene Art, die man anderweitig häufig im Watt antrifft, vermisst. Nun, das habe ich auch. Denn Arten wie etwa die sonst überall häufige Ohrenqualle, Seesterne oder Herzigel ließen sich in den letzten vier Jahren beim besten Willen nicht oder nur sehr selten von mir fangen oder sichten. Ob diese Beobachtungen bereits wissenschaftliche Relevanz haben, kann ich leider nicht beweisen oder behaupten. Dafür kann ich mit Sicherheit sagen, was ich vorfand. Und das ist erschreckend wenig, wenn man diesen Bestand mit dem der vorgelagerten Inseln vergleicht. Und erstaunlich viel, wenn man bedenkt, wie stark die Nordsee seit vielen Jahrzehnten mit industriellen Abwässern, Überfischungs- und Raubbauproblematiken, Klimaerwärmung, Verschlickung infolge Landgewinnungsmaßnahmen, Plastikmüll und anderen Dingen mehr belastet ist. Da muss man sich manchmal schon wundern, dass in diesem von allen Seiten belasteten Umfeld überhaupt noch Tiere und Pflanzen existieren können.
Doch noch eine weitere Sache erscheint mir bedenkenswert: Da werden für die angeblich saubere Energiegewinnung aus Windkraft „Offshore“- Windkraftanlagen aus dem (Watt-) Boden gestampft, die nicht nur den Prospekt der Nordsee immer mehr entstellen, sondern die auch gleichzeitig mit ihren riesigen Rotoren zur Gefahr für Seevögel und durch den von ihnen produzierten Infraschall zu einer Bedrohung für Meeressäuger werden. Da bleibt das grüne Gewissen des Stromverbrauchers in jedem Fall auf der Strecke, wenn man sich näher mit den Hintergründen beschäftigt. Ist eine friedliche Synthese von Mensch und Natur noch möglich? Oder täuschen wir uns nicht alle selbst? Dieses Buch soll daher dazu beitragen, Verständnis und Bewusstsein für unsere Mitgeschöpfe zu entwickeln, damit wir zu einem anderen Umgang mit der Natur zurückfinden können.
Sven Gehrmann, im Herbst 2018.
Manchmal läuft bei Flut die untere Kaimauer des Fährhafens über…Ein erstes Anzeichen für ein Ansteigen des Meeresspiegels?
Ob wohl die von Norddeich aus sichtbare Insel Norderney nach einem Anstieg des Meeresspiegels noch lange bewohnbar sein wird?
Habitate in der Nordsee
Salzwiesenzone
Lebendiges Watt
Algen- und Seegraszone
Algen in Norddeich
Badestrand
Kulturfolger und Neozooen im Lebensraum Hafen
Die Bewohner des Sandgrundes
Muschelbank
Infraklasse
Cirripedia
– Rankenfüßer
Brackwasserseepocke
Sternseepocke
Australische Seepocke
Gekerbte Seepocke
Ordnung
Amphipoda
– Flohkrebse
Flohkrebs
Schlickkrebs
Quallenflohkrebs
Ordnung
Isopoda
– Asseln
Baltische Klippenassel
Infraordnung
Caridea –
Garnelen
Sandgarnele
Brackwassergarnele
Kleine Felsengarnele
Braune Felsengarnele
Prozessa-Garnele
Ordnung
Mysida
– Schwebegarnelen
Gebogene Schwebegarnele
Infraordnung
Brachyura
– Krabben
Strandkrabbe
Mittelmeer-Strandkrabbe
Pazifische Uferkrabbe
Wollhandkrabbe
Japanische Uferkrabbe
Infraordnung
Anomura
– Mittelkrebse
Gemeiner Einsiedlerkrebs
Stamm
Annelida
–Ringelwürmer
Schillernder Seeringelwurm
Wattwurm
Klasse
Gastropoda
– Schnecken
Wellhornschnecke
Pantoffelschnecke
Strandschnecke
Wattschnecke
Klasse
Polyplacophora
– Käferschnecken
Käferschnecke
Klasse
Bivalvia
– Muscheln
Französische Miesmuschel
Miesmuschel
Pazifische Riesenauster
Sandklaffmuschel
Amerikanische Bohrmuschel
Strahlenkörbchen
Ottermuschel
Pfahlwurm
Bestimmungstafeln zum Muschelsammeln
Klasse
Hydrozoa
– Hydroidpolypen
Zypressenmoos
Sars`Würfelqualle
Klasse
Scyphozoa –
Schirmquallen
Kompaßqualle
Ohrenqualle
Blaue Haarqualle
Wurzelmundqualle
Gelbe Haarqualle
Ordnung
Actinaria
– Seeanemonen
Seenelke
Wellenbrecheranemone
Stamm
Ctenophora
– Rippenquallen
Seestachelbeere
See-Walnuss
Unterstamm
Tunicata
– Manteltiere
Faltenascidie
Manhattenseescheide
Sternseescheide
Klasse
Elasmobranchii
– Plattenkiemer
Kleingefleckter Katzenhai
Hundshai
Klasse
Actinopterygii
– Strahlenflosser
Fünfbärtelige Seequappe
Hering
Aal
Seeskorpion
Butterfisch
Dicklippige Meeräsche
Kleiner Sandaal
Kleine Seenadel
Dreistacheliger Stichling
Wolfsbarsch
Sandgrundel
Schlammgrundel
Seezunge
Scholle
Aalmutter
Stint
Empfehlenswerte Einrichtungen
Um ein tiefes und echtes Verständnis für die Tiere der Nordsee zu gewinnen, die in Norddeich vorkommen, sollte man sich zunächst mit den Habitaten, in denen sie regelmäßig gefunden werden können, beschäftigen. Daher werden auf den nächsten Seiten einige Lebensräume dieses Ortes kurz porträtiert, damit man einen Eindruck von den Umständen und Naturgewalten erhält, die auf die Organismen einwirken. Dann beginnt man auch zu verstehen, weshalb bestimmte Lebewesen nur an bestimmten Plätzen und an anderen gar nicht oder nur in Ausnahmefällen vorkommen. Auch die Adaptionen an Umweltbedingungen und Feinde werden dann deutlich. Im ökologischen Gesamtgefüge der Nordsee übernehmen die Fische sehr verschiedene Rollen. Viele Fischarten sind für Vögel, andere Fische, Meeressäugetiere und auch den Menschen eine wichtige proteinreiche Nahrungsquelle, und ohne sie könnten manche Naturphänomene gar nicht richtig ablaufen, wie etwa der alljährliche Vogelzug. Insbesondere die im Watt vorkommenden Fischarten tolerieren auch geringe und schwankende Salzgehalte und Temperaturen. Leider sind die meisten Lebensräume der Nordsee durch die zahlreichen Einflüsse des Menschen bedroht, und zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann hier keine Entwarnung gegeben werden. Da wollen Wirtschaftskonzerne mitten im Nationalpark nach Öl bohren, Chemiekonzerne verklappen teilweise illegal Dünnsäuren oder verbrennen auf See hochtoxische Chemieabfälle, und nach wie vor ist die Reling Seemanns liebster Mülleimer. Offizielle Schätzungen gehen davon aus, dass auf einem Quadratkilometer Wattfläche etwa eine Tonne sichtbaren Mülls menschlichen Ursprungs zu finden sind. Auf einem internen Papier hat die Regierung der Bundesrepublik Deutschland im Frühjahr 2010 eingestanden, dass der Schutz des Meeres offensichtlich gescheitert ist, da sich vor allem die Schifffahrt nicht an die bestehenden Umweltgesetze hält… Die Abfälle haben oft verheerende Folgen für die Bewohner des Meeres, da sie sich häufig nicht schnell abbauen lassen und ganze Regionen durch die folgende Verseuchung unbewohnbar machen. Dazu kommen noch versenkte Munitionsbestände aus dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg, sowie eine rapide Klimaerwärmung, die für manche Meeresorganismen dramatische Auswirkungen haben kann. So hat die Biologische Anstalt auf Helgoland seit dem Beginn ihrer Aufzeichnungen vor mehr als hundert Jahren eine Erwärmung des Nordseewassers um mindestens 2°Celsius dokumentiert. Im Spätherbst 2014 wurde es sogar publik, dass die Oberflächentemperatur des Nordseewassers in der Deutschen Bucht im November sogar 2,1° Celsius über dem langjährigen Durchschnitt lag(Quelle: NDR1). Dabei lag die Temperatur insgesamt bei ca. 11° Celsius. Immer noch zu warm für den Dorsch… War 2016 schon ein sehr warmes Jahr gewesen, so wurde dieses vom Dürre- und Hitzesommer 2018 bei weitem übertroffen. An der Küste von April bis September kaum nennenswerte Niederschläge, Hitze wie in einem Backofen. Sonst grüne Wiesen und Deiche sahen plötzlich braun und vertrocknet aus, und sogar von der Internationalen Raumstation ISS aus konnte man die Dürreschäden in ganz Deutschland sehen. Eigentlich konnte sich unser Land bisher über Regenmangel kaum beklagen, doch nun waren sogar die großen Wasserstraßen der Flüsse kaum noch schiffbar… Wassertemperaturen 2018: 25° in der Ostsee, 22° in der südlichen Nordsee, 28°(!) an Stellen des Rheins… Was zur nachweislichen Absenz sonst häufiger Beifänge unserer Fischer führte… Das sind Fakten, vor denen man die Augen nicht mehr verschließen kann. Deshalb sollte der Schutz des Klimas zum Tagesordnungspunkt Nr. 1 aller politischen Bemühungen gemacht werden. Darüber hinaus sollte aber auch jeder einzelne darüber nachdenken, ob und wie er durch die Änderung des persönlichen Konsumverhaltens etwas daran ändern kann.
Seesterne und Einsiedler sucht man in Norddeich leider meist vergebens...
Dieser Lebensraum besteht im Wesentlichen aus Flächen, die dem Deich vorgelagert sind und daher starken anthropogenen Einflüssen unterliegen. Diese bestehen in landwirtschaftlicher Nutzung der Flächen sowie in der Regulierung der Entwässerung durch kleine Gräben und Priele. Hier finden sich sowohl die typischen Halophyten der Salzwiesen, wie auch eingeschleppte Arten wie etwa das englische Schlickgras. In den Gräben und Wasserlöchern kann man hier Flohkrebse, Schnecken, Garnelen, Strandkrabben und manchmal auch Kleinfische oder Fischbruten entdecken. Dieser Lebensraum ist insbesondere für viele Vogelarten von entscheidender Bedeutung, da sie hier in der Brutzeit ihre Jungen aufziehen und außerdem dem Nahrungserwerb im Flachwasser der Priele und Wasserlöcher nachgehen. In Norddeich findet man diese Areale nordöstlich vom Hafen sowie im Ortsteil Westermarsch(siehe Abbildung oben), wenn man dem Hauptdeich südwestlich Richtung Leybuchtsiel folgt. Außerdem befinden sich weitere Areale zwischen Norddeich und Westermarsch, jedoch sind diese weniger Salzwiese denn schlickiges Watt, auf dem man jedoch den Queller, eine typische einjährige Salzpflanze, in großer Anzahl finden kann. Diese Pflanze ist essbar und wird unter ihrem lateinischen Gattungsnamen Salicornium manchmal sogar im Lebensmittelhandel angeboten. Bei der Begehung dieser Flächen sollte man sich in jedem Fall an die begehbaren Wege halten und die ausgewiesenen Schutzzonen beachten, damit man keine Vögel beim Brüten stört oder in Konflikt mit den Verordnungen des Nationalparkgesetzes kommt. Auch sollte man sich tunlichst vor den schlickreichen Untergründen hüten, denn hier kann man unter Umständen mehr als knietief im Matsch feststecken. Insbesondere auf Kinder muss man hier immer ein sehr wachsames Auge haben.
Die Salzwiesen neben dem norddeicher Fischereihafen werden von unzähligen Seevögeln frequentiert.
Eine juvenile Strandkrabbe bei Ebbe im Schlick.
Auch auf den schlickigsten Wattflächen findet sich vielfältiges Leben - von der kleinen Wattschnecke bis hin zu Wattwürmern, Schlickkrebsen, diversen Muscheln, Krebsen, Garnelen und Jungfischen. Dieser extreme Lebensraum ist stärksten Schwankungen unterworfen. In Norddeich haben wir es im Wesentlichen mit zwei Typen von Watt zu tun: Der erstere ist ein Sandwatt, welches man problemlos begehen kann, ohne bei der Begehung allzu tief in den Boden einzusinken. Der zweite Typ ist ein Schlickwatt, welches aus Ton- und Mutterbodensedimenten besteht. Dieses Schlickwatt dominiert leider große Teile der Fläche, insbesondere am Bade- und Hundestrand. Diese Form des Watts ist nicht natürlichen, sondern anthropogenen Ursprunges und stellt daher einen erheblichen Eingriff in das eigentliche ökologische Gefüge im Watt dar. Dieser Umstand sorgt übrigens auch dafür, dass sowohl der norddeicher Strand als auch der norddeicher Hafen von zahlreichen Tier- und Pflanzenarten gemieden werden, die man anderenorts sehr häufig antreffen kann. Selbst manche Neozooen meiden Areale, die mit diesem Schlamm kontaminiert sind. Schöpft man bei Flut einen Eimer Seewasser am Badestrand von Norddeich, so begreift man sehr schnell, worum es hierbei geht. Denn das frisch geschöpfte Nordseewasser ist hier zunächst völlig trübe, und es kann ein bis zwei Tage dauern, bis der im Wasser gelöste Feinschlick sich am Boden des Eimers sedimentiert hat. Diese feinen Partikel sind es auch, die viele Meeresorganismen derart stören, dass sie dem Norddeicher Areal ganz fernbleiben. Allerdings soll nicht unerwähnt bleiben, dass es auch Profiteure gibt, denen der Schlamm nicht das Geringste ausmacht. Wie etwa bestimmte Krebse, Würmer und Muschelarten.
Folgende Faktoren beeinflussen die Wattbewohner im Wesentlichen:
Ebbe und Flut sorgen zweimal täglich abwechselnd für Trockenheit und Strömung, wobei es aufgrund von bestimmten Sonne-Mond-Wind-Konstellationen sowohl zu sehr niedrigen Tiden(Nipptide) oder auch sehr hohen Wasserständen(Springtide) kommen kann.
Die Jahreszeiten sorgen für unterschiedlichste Temperaturen, wobei sich die Extreme zwischen Eisschollen im Winter und sehr großer Hitze in den Gezeitentümpeln im Sommer bewegen, wo die Sonne die Wassertemperaturen auf mehr als 30° Celsius aufheizen kann.
Starke Niederschläge können erhebliche Schwankungen der Salzdichte in den Prielen und Ebbetümpeln verursachen.
Der Wind kann erhebliche Mengen von Sand in sehr kurzer Zeit verdriften, so dass ständig neue Sandbänke und Inseln entstehen, und andere im Meer versinken.
Es herrschen ein hoher Feinddruck und eine hohe Individuendichte verschiedenster Arten.
Die pflanzliche Nahrungsgrundlage für den Reichtum an Garnelen, Fischen und anderen Kleintieren bilden dabei winzige Kieselalgen oder auch Diatomeen, die das Watt als gigantisches Produktionsfeld nutzen. Diese bewirken auch, dass die Wattflächen meistens etwas bräunlich aussehen. Der Wattboden besteht aus 3 verschiedenen Schichtungen:
Die oberste Schicht bis etwa 5cm Tiefe kann man als oxische Schichtung beschreiben, in der ein relativ hoher Sauerstoffgehalt herrscht, so dass auf oder in dieser Schicht quantitativ die meisten Tiere zu finden sind.
Daran schließt sich eine suboxische Schicht an, die etwa von 5cm - 15cm Tiefe verläuft. In dieser Schicht leben noch einige Würmer und Muscheln, die mit weniger Sauerstoff auskommen können, oder die dazu in der Lage sind, den benötigten Sauerstoff durch lange Verbindungsgänge zur Oberfläche oder durch lange Siphonen von oben zu holen.
Darunter verläuft dann eine meistens blauschwarz gefärbte anoxische Schicht, in der zahlreiche anaerobe Bakterien leben, welche die Stoffwechselabbauprodukte anderer Organismen verwerten. Insbesondere diese Schicht wirkt letztlich wie eine gigantische natürliche Kläranlage.
Da das Watt biologisch hoch produktiv ist und sehr viel Biomasse produziert, wird es auch von zahlreichen See- und Zugvögeln frequentiert, die hier einen überreich gedeckten Tisch vorfinden.
Typischer norddeicher Knorpeltang an der Uferbefestigung des Badestrandes.
Besonders im Frühsommer und Hochsommer kann sich der Meersalat massenhaft vermehren, da dann die Wachstumszeit dank des täglich zunehmenden Sonnenlichtes am längsten ist.
Dieses Habitat überschneidet sich mit dem Watt und unterscheidet sich von den schlickigen und mit Diatomeenrasen bewachsenen Wattflächen dadurch, dass man hier sich verdichtende Bestände von höheren Meeresalgen und Seegras finden kann. Jahreszeitlich bedingt kann aus dem Watt eine Algenzone werden und umgekehrt. Somit kann man diesen Abschnitt auch als einen temporären Lebensraum betrachten.
Der Mensch übt hier auf das Entstehen von Algenansammlungen durch die Einleitung von Phosphaten und anderen Düngern ins Meer einen direkten Einfluss aus. Insbesondere solche schnell wachsenden Algen wie der Meersalat Ulva lactuta unterliegen diesem Einfluss. Algen bieten im Flachwasserbereich zahlreichen Tieren Deckungsmöglichkeiten gegen die vielen gefiederten Beutegreifer aus der Luft, doch dienen sie nur sehr wenigen Fischarten der Nordsee als Nahrung. Saisonal verschieden kann man hier die verschiedensten Tiere auffinden:
Im Frühjahr und Sommer beispielsweise die Jungtiere der Fünfbärteligen Seequappe
Ciliata mustela.
Von Frühjahr bis Herbst die adulten und juvenilen Tiere von der Kleinen Seenadel,
Syngnathus rostellatus und dem
Dreistacheligen Stichling
Gasterosteus aculeatus.
Darüber hinaus findet man hier verschiedene Meeresasseln, Flohkrebse, Garnelen, Schnecken und diverse sonstige Jungfische.
Im Flachwasser finden sich manchmal auch vereinzelte Restbestände des kleinen Seegrases Zostera nana. Diese Pflanze ist keine Alge, sondern eine Blütenpflanze, die es geschafft hat, sich einen marinen Lebensraum zu erschließen. In früheren Zeiten gab es sehr große Zosterabestände an der deutschen Nordseeküste. Damals wurde das getrocknete Seegras als Füllmaterial für Betten genutzt. Heutzutage sind die Seegraswiesen enorm zurückgegangen, was auf verschiedene Faktoren zurückzuführen ist. An das Habitat einer Seegraswiese sind vor allem Tiere wie Seestichlinge, Seenadeln und Seepferdchen perfekt angepasst, da diese Arten mit ihrer Färbung und ihrer schaukelnden Bewegungsweise die sich in der Dünung wiegenden Seegrashalme perfekt nachbilden.
Je nach Untergrund findet man unterhalb der Gezeitenlinie diverse Arten von Seetangen in der Nordsee, die zum einen zahlreichen Tierarten Siedlungsflächen, zum anderen auch Nahrung anbieten. Diese Zone, die nicht mehr bei Ebbe trocken fällt, wird allgemein auch als Sublitoral bezeichnet. Die Flächen, die von Algen besiedelt werden können, werden jedoch durch die Wassertiefe begrenzt, da das Licht in größeren Tiefen nur in so geringen Mengen vorhanden ist, dass dort keine Pflanzen mehr wachsen und Photosynthese betreiben können. Die meisten Rotalgen kommen mit sehr wenig Licht aus und sind deshalb auch in größeren Tiefen als Braun- oder Grünalgen vertreten. Deshalb sind Rotalgen meistens auch die besseren Algen für Aquarien, wo sie häufig sehr gut weiter wachsen können, und sich - im Gegensatz zu Seetangen und Laminarien - hervorragend kultivieren lassen. Die Meeresalgen, die man im Spülsaum finden kann, geben einem eine gewisse Auskunft darüber, womit der sublittorale Boden bewachsen ist, und ob hier ein Hart- oder ein Weichbodenhabitat vorliegt. Die meisten Tange sind in Aquarien nicht dauerhaft haltbar. Schauaquarien behelfen sich daher entweder mit künstlichen Pflanzen, oder sie entnehmen der Natur echte Tange, die sie allerdings nach einigen Wochen erneuern müssen.
Auffällig am Standort Norddeich ist es, dass hier zwar an den Buhnen und im Watt regelmäßig recht viele Algen und Tange aufzufinden sind, dafür aber nur aus sehr wenigen Arten.
Nachstehend seien einige Algenarten aufgeführt, die man typischerweise in Norddeich findet. Die meisten davon wachsen an den Steinen und Befestigungen des Ufers, sowie an der Hafenmole. Im Winter reduzieren sie ihr Wachstum oder sterben sogar vollständig ab, um sich dann im Frühjahr erneut aus Sporen zu entwickeln, die sie vor ihrem Ableben ins Meerwasser abgaben. Algen dienen Jungfischen und Krebsen als wichtiger Schutzraum, in dem sie sich vor Räubern verstecken können. Treibende Arten wie der Beerentang Sargassum muticum werden nur saisonal angespült, leben aber nicht stationär in Norddeich. Leider sind Seetange grundsätzlich nicht für längere Zeiträume im Aquarium haltbar. Dieses dürfte daran liegen, dass gewisse Spurenelemente und Spektralanteile des Sonnenlichtes nur schwer künstlich zu simulieren sind. Allerdings gibt es auch hier bereits Fortschritte und es gibt sogar Meerwasseraquarianer, die hier Erfolge vorweisen können. So ist es beispielsweise gelungen, Seetange bei Reduzierung des Lichtes entsprechend der natürlichen Lichtphasen dazu zu bringen, sich per Sporen auszusäen und diese Sporen im dann folgenden Frühjahr zum Wachsen zu bringen. Auch gibt es einige wenige Enthusiasten, die sich im Frühjahr lebende Austern mit Bewuchs aus dem Lebensmittelhandel besorgen, und dann diesen Aufwuchs zur vollen Entfaltung zu bringen. Dabei können außer Meeresalgen manchmal auch Seescheiden und andere Wirbellose prächtig gedeihen, sofern sie den Transport und die Eingewöhnung in die Aquarienbedingungen unbeschadet überstanden haben. Auf Helgoland gibt es übrigens seit einigen Jahren eine spezielle Algenfarm, wo verschiedene Algenarten für pharmazeutische und auch für kulinarische Zwecke gezüchtet werden. Und auf Sylt werden sogar Würstchen aus Seetangen hergestellt, die recht aromatisch sein sollen. Das alles erstaunt einen nicht mehr, wenn man weiß, dass etwa die Bewohner der Südsee und auch die Japaner Algenkost sehr zu schätzen wissen. Diese ist proteinreich und gesund und wird dort seit hunderten von Jahren genutzt. Eine sehr gesunde Alternative zu Massenviehhaltung und Agrarwahnsinn, sponsert by EU. Hier ist Deutschland leider noch ein echtes Entwicklungsland!
Das Bild auf der gegenüberliegenden Seite rechts oben zeigt den für den norddeicher Badestrand typischen Bewuchs auf der Uferbefestigung während der Ebbe. In den höher gelegenen Bereichen findet man gewöhnlich Algen wie Darmtang Enteromorpha spp.(hier gibt es mehrere Arten mit verschiedenen Wuchsformen) sowie den Meersalat Ulva lactuta. Etwas tiefer siedelt dann der allgegenwärtige Blasentang Fucus vesiculosus. Diese Algen sind größten Extremen wie schwankenden Wasserständen, Hitze im Sommer, eisiger Kälte im Winter und schwankenden Salinitäten ausgesetzt. Beim Betreten dieser Befestigung muss man sehr vorsichtig sein, da man auf feuchten Meeresalgen sehr schnell ausrutschen kann.
Im darunter liegenden Watt kann man dann im Sommer über die eingeschleppte Borstenalge Gracilaria vermiculophylla stolpern, welche zu den Rotalgen(Rhodophyta) gehört. Wegen der schlammigen Substrate des norddeicher Watts gedeiht diese Art hier besonders gut. Hier findet man dann auch je nach Jahreszeit den grünen Meersalat (Ulva lactuta). Dieser vermehrt sich besonders gut bei Nährstoffeinträgen auf das Watt via Landwirtschaft, welche Düngemittel einsetzt, die über den Umweg der großen und kleinen Flüsse den Weg ins Meer finden. Meersalat ist übrigens sogar essbar, aber in Deutschland bisher noch nicht als Nahrungsmittel zugelassen. Probieren Sie mal ein wenig davon – das darin enthaltene Jod kann man förmlich riechen und schmecken!
Supralitoral am Badestrand von Norddeich mit dem typischen Bewuchs.
Sägetang Fucus serratus im gekühlten Meerwasseraquarium.
Meersalat, Ulva lactuta. Diese Alge ist weltweit verbreitet - ein echter Kosmopolit!
Gefiederte Büschelalge, Sphacelaria plumosa. Meist an Schwimmpontons.
Knotentang Ascophyllum nodosum. Auf Steinen an der Hafenmole; auch an Buhnen.
Blasentang Fucus vesiculosus. Besiedelt große Flächen an Uferbefestigungen.
Borstenhaaralge, Gracilaria vermiculophylla. Gelegentlich in Prielen. Eine eingeschleppte Art aus Fernost.
Beerentang, Sargassum muticum. Wird nur saisonal angespült. Ursprung dieser Art war der nördliche Pazifik. Inzwischen weltweit verbreitet durch Schiffahrt.
Direkt hinter dem aufgeschütteten Norddeicher Strand beginnt das Habitat des Badestrandes, welches insbesondere im Sommer von den meisten Touristen frequentiert wird. Bei Flut werden zahlreiche Fische und Krebse in die unmittelbare Küstennähe gespült, bei Ebbe weichen die meisten Arten mit dem ablaufenden Wasser in die Priele und in tiefer gelegene Areale zurück. Je nachdem, welche Tide gerade die Oberhand hat, finden sich hier die meisten der in diesem Buch vorgestellten Tierarten. Bei Ebbe kann man fast trockenen, aber leider nicht schlammfreien Fußes zu einem großen Hauptpriel gelangen, der in etwa fünfzig Metern Entfernung parallel zum Ufer das Watt Richtung Meer entwässert. Hier kann man auch bei Ebbe zahlreiche Tiere und Muscheln auffinden, die sich mit einem Rahmenkescher leicht einfangen lassen. Auch Sandgarnelen in essbarer Größe kann man aus diesem Priel gewinnen, doch ist das Aussortieren von Exemplaren geeigneter Größe ein mühseliges Unterfangen. Typische Bewohner dieses Prieles sind Sandklaffmuscheln, Pfeffermuscheln, Strandkrabben, Sandgrundeln, Herzmuscheln, Sandgarnelen und die allgegenwärtigen kleinen Rippenquallen. Sich in den Badepausen während der Ebbe mit diesen Tieren zu beschäftigen, kann viel Freude machen. Doch muss man sich danach am Ufer gründlich vom allgegenwärtigen feinen Schlamm reinigen, wofür es zum Glück einige Duscheinrichtungen gibt. Man sollte jedoch beachten, dass sich gerade im Sommer das Wasser in einem kleinen Eimer sehr schnell aufheizt, weshalb man in solchen Behältern selbst kleine Seetiere nicht in Unmengen und schon gar nicht in der prallen Sonne lange am Leben erhalten kann. Denn der Sauerstoffgehalt sinkt rapide! Krebstiere wie die Strandkrabbe kann man dagegen auch feucht und ohne Wasser, am besten auf ein paar Algenblättern, lange für die Kinder lebend hältern.
Im Mai und Juni kann man juvenile Butterfische an den Spundwänden des Hafens von Norddeich auffinden. Sie halten sich besonders gerne zwischen den rotbraunen feinfiedrigen Algen auf.
Häfen zeichnen sich dadurch aus, dass sie diversen Einflüssen unterliegen, die das Leben für reine Meeresbewohner limitieren. Diese Limits bestehen in schwankenden Salinitäten, Verunreinigungen des Wassers und Hafenschlicks und teilweise sehr extremen Strömungs- und Gezeiteneinflüssen. Daher können in diesem Lebensraum nur Organismen siedeln, die in der Lage sind, sich an diese Bedingungen zu adaptieren. Manchmal werden durch die Fischer auch Organismen aus tieferen Wasserschichten in die Häfen verschleppt, so dass man selbst hier mit einem Senknetz "fündig" werden kann. Im typischen Nordsee-Hafen kann man häufig Stichlinge, Grundeln, Seenadeln, Plattfische und Aale finden. An wirbellosen Tieren findet man Seeringelwürmer, Seeanemonen, Krebse, Garnelen, Muscheln, Schnecken und Schwämme. Darunter finden sich dann Arten wie die Strandkrabbe, die Seepocke, die Wollhandkrabbe, die Wellenbrecheranemone, die Kleine Felsengarnele, die Strandschnecke, der Brotkrumenschwamm, die Miesmuschel oder die bei uns durch Austernfarmen eingeschleppte Pazifische Riesenauster. Häufig besiedeln Miesmuscheln die Spundwände, an die sie sich mit ihren Byssusfäden festheften. Die Austern verwachsen sogar mit ihrer unteren Schalenhälfte mit der Spundwand; häufig überwachsen sie dabei sogar die Seepocken und verdrängen die Miesmuscheln. Tiere aus Hafengebieten sind für Menschen grundsätzlich nicht mehr genießbar, weil sie mit Öl, Pestiziden oder Schwermetallen wie z.B. Kadmium oder Quecksilber belastet sein können. Deshalb sind hier gefangene Tiere je nach Belastungsgrad allenfalls noch als Tierfutter oder als Besatztiere für Aquarien brauchbar. Da die Spundwände von Häfen nur wenige Strukturen anbieten, kann man hier auch nicht die gleiche biologische Diversität wie beispielsweise in Ästuarien oder auf Muschelbänken vorfinden.
Eine Besonderheit des norddeicher Hafens ist es inzwischen, dass Spundwände und Hafenmole flächig mit der eingeschleppten Pazifischen Riesenauster Crassostrea gigas bewachsen sind. Diese Austern verdrängen nachweislich die heimische Miesmuschel Mytilus edulis, von der man nur noch wenige Exemplare auffinden kann. Dazwischen findet man besonders während der Sommermonate zahlreiche Pazifische Uferkrabben der Art Hemigrapsus penicillatus, welcher nachgesagt wird, dass sie unsere einheimische Strandkrabbe Carcinus maenas verdrängt. Allerdings fängt man mit einem Senknetz bewaffnet nur die Strandkrabbe, während man die Pazifische Uferkrabbe am besten während der Ebbe unter Steinen der Hafenmole finden kann. Die Strandkrabbe ist daher auch nach wie vor neben der Sandgarnele Crangon crangon das häufigste Tier, welches man im norddeicher Hafen antreffen kann. In den Sommermonaten gesellen sich dann noch große Scharen der Strandgrundel Pomatoschistus minutus dazu.