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Was lebt im Meer auf Borkum? Das hat sich sicher schon mancher Tourist oder Tagesgast dieser schönen Nordseeinsel mit Hochseeklima gefragt. Manche Tiere kann man gar nicht übersehen, während andere Winzlinge sind, für deren Entdeckung man eine Lupe braucht. Hier werden einige alte Bekannte, etliche weitgehend Unbekannte und darüber hinaus noch neue Arten vorgestellt, welche die Klimaerwärmung vor Borkums Strände spült... Bei der Erstellung dieses Buches hatte der Autor eine Perspektive, die eine Zeitspanne von etwa 30 Jahren umfasst. Ein sehr persönliches Werk, welches aus den Erkenntnissen vieler Jahre erstellt wurde.
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Seitenzahl: 293
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Ich widme dieses Buch der Sache der Meerestiere, die man zurzeit (noch) im Hafen und an den Stränden der Insel Borkum antreffen kann. Jedoch enthält dieses Werk keinen vollständigen Katalog aller hier vorkommenden Arten, da der Artenbestand nicht als statisches Gebilde gesehen und verstanden werden kann. Abhängig von Meeresströmungen, Jahreszeiten, schwankenden Salzgehalten, Temperaturen und Emissionen des Menschen ist das ökologische Gesamtgefüge in diesem kleinen Gebiet einem ständigen Wechsel unterworfen. Ich habe daher versucht, die wichtigsten Arten und ihre jeweilige Bedeutung für das Wattenmeer des Borkumer Areals in Kurzform vorzustellen. (Allerdings habe ich dabei die Salzwiesen und das sich daran anschließende Schlickwatt ausgelassen, weil man allein mit den Arten dieses Ökosystems ein sehr umfangreiches eigenes Werk erstellen könnte). Dabei machte ich meine ersten Beobachtungen als Kind im Jahre 1978, dann weitere in den frühen 1980er Jahren und meine vorläufig abschließenden ab dem Jahr 2013. Ob diese Beobachtungen bereits wissenschaftliche Relevanz haben, kann ich leider nicht beweisen oder behaupten. Dafür kann ich mit Sicherheit sagen, was ich sah und vorfand. Und das ist erschreckend wenig verglichen mit meinen Funden der 1980er Jahre. Und erstaunlich viel, wenn man bedenkt, wie stark die Nordsee seit vielen Jahrzehnten mit industriellen Abwässern, Überfischungs- und Raubbauproblematiken, Klimaerwärmung, Verschlickung infolge Landgewinnungsmaßnahmen, Plastikmüll und anderen Dingen mehr belastet ist. Da muss man sich manchmal schon wundern, dass in diesem von allen Seiten belasteten Umfeld überhaupt noch Tiere und Pflanzen existieren können. Doch noch eine weitere Sache erscheint mir bedenkenswert: Da werden für die angeblich saubere Energiegewinnung aus Windkraft „Offshore“- Windkraftanlagen beim Borkumer Riffgatt aus dem (Watt-) Boden gestampft, die nicht nur den Prospekt der Nordsee immer mehr entstellen, sondern die auch gleichzeitig mit ihren riesigen Rotoren zur Gefahr für Seevögel und durch den von ihnen produzierten Infraschall zu einer Bedrohung für Meeressäuger werden. Da bleibt das grüne Gewissen des Stromverbrauchers in jedem Fall auf der Strecke, wenn man sich näher mit den Hintergründen beschäftigt. Ist eine friedliche Synthese von Mensch und Natur noch möglich? Oder täuschen wir uns nicht alle selbst? Dieses Buch soll daher dazu beitragen, Verständnis und Bewusstsein für unsere Mitgeschöpfe zu entwickeln, damit wir zu einem anderen Umgang mit der Natur zurückfinden können.
Sven Gehrmann, im Frühjahr 2019.
Habitate in der Nordsee
Lebendiges Watt
Temporäres Habitat Priel
Die Bewohner des Sandgrundes
Algen- und Seegraszone
Algen auf Borkum
Temporärer Lebensraum Sandbank
Badestrand
Muschelbank
Kulturfolger und Neozooen im Lebensraum Hafen
Buhnen und Hafenmolen
Abschließend noch ein neues Habitat: Die Müllbank…
Teil I – Invertebrata (Wirbellose Tiere)
Stachelhäuter
Nordischer Kammstern
Gemeiner Seestern
Großer Schlangenstern
Stacheliger Schlangenstern
Herzigel
Strandigel
Krebstiere
Sternseepocke
Australische Seepocke
Gewöhnliche Seepocke
Entenmuschel
Flohkrebs
Schlickkrebs
Quallenflohkrebs
Japanischer Gespensterkrebs
Marmor-Flohkrebs
Baltische Klippenassel
Meeres-Klippenassel
Sandgarnele
Chamäleon-Garnele
Brackwassergarnele
Kleine Felsengarnele
Braune Felsengarnele
Gebogene Schwebegarnele
Strandkrabbe
Pazifische Uferkrabbe
Japanische Uferkrabbe
Gemeine Schwimmkrabbe
Samtkrabbe
Marmorierte Schwimmkrabbe
Ärmelkanal-Krabbe
Herz- oder Fingernagelkrabbe
Taschenkrebs
Muschelwächter
Porzellankrebs
Zwergeinsiedler
Gemeiner Einsiedlerkrebs
Kaisergranat
Europäischer Hummer
Ringelwürmer
Grüner Seeringelwurm
Schillernder Seeringelwurm
Dreikantwurm
Bäumchenröhrenwurm
Röhren-Sandkoralle
Wattwurm
Seemaus
Weichtiere
Grüne Samtschnecke
Wellhornschnecke
Breitwarzige Fadenschnecke
Pantoffelschnecke
Netzreusenschnecke
Strandschnecke
Pelikanfuß
Wattschnecke
Rändel-Käferschnecke
Assel-Käferschnecke
Dornige Herzmuschel
Islandmuschel
Französische Miesmuschel
Miesmuschel
Pazifische Riesenauster
Europäische Auster
Kleine Pilgermuschel
Gestutzte Klaffmuschel
Sandklaffmuschel
Ottermuschel
Amerikanische Bohrmuschel
Strahlenkörbchen
Pfahlwurm
Elefantenzahn
Forbes` Kalmar
Pfeilkalmar
Gemeiner Tintenfisch
Bestimmungshilfen für Schalen europäischer Mollusken
Die Muschelsammlung
Schwämme
Brotkrumenschwamm
Gallertschwamm
Knoblauchschwamm
Augen-Geweihschwamm
Vielfingerschwamm
Weißer Sonnenschwamm
Moostierchen
Gallertmoostierchen
Blättermoostierchen
Seerinde
Nesseltiere
Gewöhnlicher Köpfchenpolyp
Stachelpolyp
Zick-Zack-Polyp
Zypressenmoos
Korallenmoos
Blaue Haarqualle
Gelbe Haarqualle
Kristallqualle
Kompaßqualle
Ohrenqualle
Wurzelmundqualle
Tote Mannshand
Wellenbrecheranemone
Hohle Witwenrose
Seenelke
Schlammrose
Glatte Witwenrose
Dickhörnige Seerose
Becherkoralle
Rippenquallen
See-Walnuss
Seestachelbeere
Teil II – Vertebrata (Wirbeltiere)
Seescheiden
Schlauch-Seescheide
Tangbeere
Sternseescheide
Mäander-Ascidie
Faltenascidie
Manhattenseescheide
Plattenkiemer
Kleingefleckter Katzenhai
Nördlicher Glatthai
Blondrochen
Stechrochen
Nagelrochen
Strahlenflosser
Gestreifter Leierfisch
Hornhecht
Gestreifter Schleimfisch
Europäischer Aal
Hering
Sprotte
Meerforelle
Mondfisch
Stint
Fünfbärtelige Seequappe
Franzosendorsch
Klippenbarsch
Dicklippige Meeräsche
Wolfsbarsch
Seestichling
Dreistacheliger Stichling
Kurzschnauziges Seepferdchen
Große Seenadel
Kleine Seenadel
Große Schlangennadel
Seehase
Seeskorpion
Streifenbarbe
Holzmakrele
Petermännchen
Vipernqueise
Kleiner Sandaal
Aalmutter
Butterfisch
Schlammgrundel
Sandgrundel
Scholle
Steinbutt
Seezunge
Heringskönig
Makrele
Wale und Robben
Pottwal
Schweinswal
Walfangnation Borkum
Seehund
Sonstiges
Das Nordseeaquarium Borkum
Quo vadis Nordsee?
Empfehlenswerte Einrichtungen
Literatur, Autor, Danksagungen, Bildnachweise & Impressum
Um ein tiefes und echtes Verständnis für die Tiere der Nordsee zu gewinnen, die auf Borkum vorkommen, sollte man sich zunächst mit den Habitaten, in denen sie regelmäßig gefunden werden können, beschäftigen. Daher werden auf den nächsten Seiten einige Lebensräume dieser Insel kurz porträtiert, damit man einen Eindruck von den Umständen und Naturgewalten erhält, die auf die Organismen einwirken. Dann beginnt man auch zu verstehen, weshalb bestimmte Lebewesen nur an bestimmten Plätzen und an anderen gar nicht oder nur in Ausnahmefällen vorkommen. Auch die Adaptionen an Umweltbedingungen und Feinde werden dann deutlich. Im ökologischen Gesamtgefüge der Nordsee übernehmen die Fische sehr verschiedene Rollen. Viele Fischarten sind für Vögel, andere Fische, Meeressäugetiere und auch den Menschen eine wichtige proteinreiche Nahrungsquelle, und ohne sie könnten manche Naturphänomene gar nicht richtig ablaufen, wie etwa der alljährliche Vogelzug. Insbesondere die im Watt vorkommenden Fischarten tolerieren auch geringe und schwankende Salzgehalte und Temperaturen. Leider sind die meisten Lebensräume der Nordsee durch die zahlreichen Einflüsse des Menschen bedroht, und zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann hier keine Entwarnung gegeben werden. Da wollen Wirtschaftskonzerne mitten im Nationalpark nach Öl bohren, Chemiekonzerne verklappen teilweise illegal Dünnsäuren oder verbrennen auf See hochtoxische Chemieabfälle, und nach wie vor ist die Reling Seemanns liebster Mülleimer. Offizielle Schätzungen gehen davon aus, dass auf einem Quadratkilometer Wattfläche etwa eine Tonne sichtbaren Mülls menschlichen Ursprungs zu finden sind. Auf einem internen Papier hat die Regierung der Bundesrepublik Deutschland im Frühjahr 2010 eingestanden, dass der Schutz des Meeres offensichtlich gescheitert ist, da sich vor allem die Schifffahrt nicht an die bestehenden Umweltgesetze hält… Die Abfälle haben oft verheerende Folgen für die Bewohner des Meeres, da sie sich häufig nicht schnell abbauen lassen und ganze Regionen durch die folgende Verseuchung unbewohnbar machen. Dazu kommen noch versenkte Munitionsbestände aus dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg, sowie eine rapide Klimaerwärmung, die für manche Meeresorganismen dramatische Auswirkungen haben kann. So hat die Biologische Anstalt auf Helgoland seit dem Beginn ihrer Aufzeichnungen vor mehr als hundert Jahren eine Erwärmung des Nordseewassers um mindestens 2°Celsius dokumentiert. Im Spätherbst 2014 wurde es sogar publik, dass die Oberflächentemperatur des Nordseewassers in der Deutschen Bucht im November sogar 2,1° Celsius über dem langjährigen Durchschnitt lag(Quelle: NDR1). Dabei lag die Temperatur insgesamt bei ca. 11° Celsius. Immer noch zu warm für den Dorsch… War 2016 schon ein sehr warmes Jahr gewesen, so wurde dieses vom Dürre- und Hitzesommer 2018 bei weitem übertroffen. An der Küste von April bis September kaum nennenswerte Niederschläge, Hitze wie in einem Backofen. Sonst grüne Wiesen und Deiche sahen plötzlich braun und vertrocknet aus, und sogar von der Internationalen Raumstation ISS aus konnte man die Dürreschäden in ganz Deutschland sehen. Eigentlich konnte sich unser Land bisher über Regenmangel kaum beklagen, doch nun waren sogar die großen Wasserstraßen der Flüsse kaum noch schiffbar… Wassertemperaturen 2018: 25° in der Ostsee, 22° in der südlichen Nordsee, 28°(!) an Stellen des Rheins… Offenbar ist Klimaschutz doch wichtiger, als manche denken…
Eine juvenile Strandkrabbe bei Ebbe im Sandwatt. Die Färbung imitiert Seepocken.
Auch auf den schlickigsten Wattflächen findet sich vielfältiges Leben - von der kleinen Wattschnecke bis hin zu Wattwürmern, Schlickkrebsen, diversen Muscheln, Krebsen, Garnelen und Jungfischen. Dieser extreme Lebensraum ist stärksten Schwankungen unterworfen. Auf Borkum haben wir es im Wesentlichen mit zwei Typen von Watt zu tun: Der erstere ist ein Sandwatt, welches man problemlos begehen kann, ohne bei der Begehung allzu tief in den Boden einzusinken. Der zweite Typ ist ein Schlickwatt, welches aus Ton- und Mutterbodensedimenten besteht. Dieses Schlickwatt dominiert leider große Teile der Fläche, insbesondere am Bade- und Hundestrand. Diese Form des Watts ist nicht natürlichen, sondern anthropogenen Ursprunges und stellt daher einen erheblichen Eingriff in das eigentliche ökologische Gefüge im Watt dar. Dieser Umstand sorgt übrigens auch dafür, dass sowohl der Borkumer Strand als auch der Borkumer Hafen von zahlreichen Tier- und Pflanzenarten gemieden werden, die man anderenorts sehr häufig antreffen kann. Selbst manche Neozooen meiden Areale, die mit diesem Schlamm kontaminiert sind. Schöpft man bei Flut einen Eimer Seewasser am Badestrand von Borkum, so begreift man sehr schnell, worum es hierbei geht. Denn das frisch geschöpfte Nordseewasser ist hier zunächst völlig trübe, und es kann ein bis zwei Tage dauern, bis der im Wasser gelöste Feinschlick sich am Boden des Eimers sedimentiert hat. Diese feinen Partikel sind es auch, die viele Meeresorganismen derart stören, dass sie dem Borkumer Areal ganz fernbleiben. Allerdings soll nicht unerwähnt bleiben, dass es auch Profiteure gibt, denen der Schlamm nicht das Geringste ausmacht. Wie etwa bestimmte Krebse, Würmer und Muschelarten.
Folgende Faktoren beeinflussen die Wattbewohner im Wesentlichen:
Ebbe und Flut sorgen zweimal täglich abwechselnd für Trockenheit und Strömung, wobei es aufgrund von bestimmten Sonne-Mond-Wind-Konstellationen sowohl zu sehr niedrigen Tiden(Nipptide) oder auch sehr hohen Wasserständen(Springtide) kommen kann.
Die Jahreszeiten sorgen für unterschiedlichste Temperaturen, wobei sich die Extreme zwischen Eisschollen im Winter und sehr großer Hitze in den Gezeitentümpeln im Sommer bewegen, wo die Sonne die Wassertemperaturen auf mehr als 30° Celsius aufheizen kann.
Starke Niederschläge können erhebliche Schwankungen der Salzdichte in den Prielen und Ebbetümpeln verursachen.
Der Wind kann erhebliche Mengen von Sand in sehr kurzer Zeit verdriften, so dass ständig neue Sandbänke und Inseln entstehen, und andere im Meer versinken.
Es herrschen ein hoher Feinddruck und eine hohe Individuendichte verschiedenster Arten.
Die pflanzliche Nahrungsgrundlage für den Reichtum an Garnelen, Fischen und anderen Kleintieren bilden dabei winzige Kieselalgen oder auch Diatomeen, die das Watt als gigantisches Produktionsfeld nutzen. Diese bewirken auch, dass die Wattflächen meistens etwas bräunlich aussehen. Der Wattboden besteht aus 3 verschiedenen Schichtungen:
Die oberste Schicht bis etwa 5cm Tiefe kann man als oxische Schichtung beschreiben, in der ein relativ hoher Sauerstoffgehalt herrscht, so dass auf oder in dieser Schicht quantitativ die meisten Tiere zu finden sind.
Daran schließt sich eine suboxische Schicht an, die etwa von 5cm - 15cm Tiefe verläuft. In dieser Schicht leben noch einige Würmer und Muscheln, die mit weniger Sauerstoff auskommen können, oder die dazu in der Lage sind, den benötigten Sauerstoff durch lange Verbindungsgänge zur Oberfläche oder durch lange Siphonen von oben zu holen.
Darunter verläuft dann eine meistens blauschwarz gefärbte anoxische Schicht, in der zahlreiche anaerobe Bakterien leben, welche die Stoffwechselabbauprodukte anderer Organismen verwerten. Insbesondere diese Schicht wirkt letztlich wie eine gigantische natürliche Kläranlage.
Da das Watt biologisch hoch produktiv ist und sehr viel Biomasse produziert, wird es auch von zahlreichen See- und Zugvögeln frequentiert, die hier einen überreich gedeckten Tisch vorfinden.
Dieses sehr spezielle Habitat finden die Betreiber des Nordseeaquariums Borkum fast direkt vor ihrer Haustür unterhalb der Uferpromenade. Besonders interessant ist dabei, dass sich Strömung und Wasserstand mit dem Tidenhub ständig ändern. Außerdem verschwindet dieser Lebensraum bei Flut vollständig, da er dann nicht mehr als eine Vertiefung am Meeresgrund darstellt. Das heißt, dass bei Flut etliche Fische und andere Meerestiere diesen Lebensraum frequentieren, ohne dass man diese vom Ufer aus zu sehen bekommt. Manche dieser Gäste bleiben manchmal auch in einem Priel zurück, weil sie sich etwa in einer etwas tieferen Prieltasche fangen. So kann es also durchaus vorkommen, dass hier beispielsweise Plattfische in essbarer Größe im Priel verbleiben und hier die Ebbe überstehen müssen. Aber auch die Jahreszeiten haben einen Einfluss darauf, wer oder was sich im Priel tummelt. Denn besonders stark sauerstoffbedürftige Organismen meiden Watt und Priele bei zu großer Hitze, während man sie in der kälteren Jahreszeit durchaus auch hier antreffen könnte. Während der Urlaubssaison findet man in den Borkumer Prielen vor allem solche Tiere wie Sandgarnelen, Grundeln, Seenadeln und Plattfische. Während man auf der anderen Seite fast ganzjährig auch Schlangensterne darin antreffen kann. Was eine echte Besonderheit darstellt, da diese Organismen sonst eigentlich eher in größeren Tiefenbereichen deutlich unterhalb der Gezeitenzone zu finden sind. Möchte man Priele erkunden, so sollte man dieses während der Ebbe tun. Allerdings ist es besonders bei den etwas abgelegenen Prielen des Nordstrandes wichtig, dabei immer Wasserstand und Uhr im Auge zu behalten. Denn gar mancher unvorsichtige Strandforscher musste dann auch schon mal durch einen plötzlich durch die einsetzende Flut angestiegenen Priel hüfttief waten oder schwimmen, um überhaupt noch nachhause zu kommen.
Sandgrund besteht aus feinsten Sedimenten, welche aus fein gemahlenen Steinen, Muschelschalen und anderen Kalkskeletten unterschiedlichster Organismen wie zum Beispiel diversen Stachelhäutern und Foraminiferen entstehen. Durch Stürme und damit verbundene Strömungen verlagern sich die Sandbänke der Flachwasserzone ständig, so dass immer wieder neue Sandbänke und Inseln entstehen und andere sich verlagern oder wieder im Meer versinken. Für diese natürliche Rhythmik gilt nur ein Gesetz: Das einzig Konstante ist der Wechsel! Die Bewohner des Sandgrundes sind daran angepasst, sich in diesem deckungsarmen Milieu zu verbergen, einzugraben oder zu tarnen. Viele Arten kommen nur nachts an die Sandoberfläche, um ihr Risiko, einem Beutegreifer zum Opfer zu fallen, möglichst gering zu halten. Darüber hinaus können sich vor allem viele Wirbellose erstaunlich gut regenerieren, wenn sie mal ein Bein oder ein Körpersegment an einen Räuber verloren haben. Das ewige Gesetz des Fressens und Gefressen Werdens regiert hier mit unerbittlicher Härte. Das Habitat des Sandgrundes beginnt bereits im Flachwasserbereich, der dem direkten Einfluss der Gezeiten ausgesetzt ist, und erstreckt sich abseits von Muschelbänken, Schlamm- oder Geröllgrund unterhalb der Gezeitenmarke meist in Tiefen von etwa 5-25 Metern. Dieser Lebensraum ist für die deutsche Küstenfischerei sehr wichtig, da vorwiegend in diesem Tiefenbereich der Grund von den Kuttern auf der Jagd nach der Nordseegarnele Crangon crangon, der Scholle Pleuronectes platessa oder der Seezunge Solea solea mit ihren Schleppnetzen umgepflügt wird. Von dieser intensiven Befischung profitieren Tiere wie z.B. der Einsiedlerkrebs Pagurus bernhardus, der als Beifangtier meistens zurück ins Meer geworfen wird, und sich dann an den Kadavern anderer getöteter Beifänge mästen kann. Es soll jedoch nicht verschwiegen werden, dass die Krabbenfischerei zahlreiche Fischbruten vernichtet, und dass die Sandgarnelen, die für den menschlichen Verzehr angelandet werden, wegen der Überfischung immer kleiner werden.
In manchen Jahren kann man kleine Plattfische am Badestrand fangen, in anderen wieder nicht. Ein untrügliches Zeichen für die labilen und fragilen Artengefüge und Fischbestände der südlichen Nordsee. Traurig und wahr…
Typische Blasentange an einer Buhne.
Besonders im Frühsommer und Hochsommer kann sich der Meersalat massenhaft vermehren, da dann die Wachstumszeit dank des täglich zunehmenden Sonnenlichtes am längsten ist.
Dieses Habitat überschneidet sich mit dem Watt und unterscheidet sich von den schlickigen und mit Diatomeenrasen bewachsenen Wattflächen dadurch, dass man hier sich verdichtende Bestände von höheren Meeresalgen und Seegras finden kann. Jahreszeitlich bedingt kann aus dem Watt eine Algenzone werden und umgekehrt. Somit kann man diesen Abschnitt auch als einen temporären Lebensraum betrachten. Der Mensch übt hier auf das Entstehen von Algenansammlungen durch die Einleitung von Phosphaten und anderen Düngern ins Meer einen direkten Einfluss aus. Insbesondere solche schnell wachsenden Algen wie der Meersalat Ulva lactuta unterliegen diesem Einfluss. Algen bieten im Flachwasserbereich zahlreichen Tieren Deckungsmöglichkeiten gegen die vielen gefiederten Beutegreifer aus der Luft, doch dienen sie nur sehr wenigen Fischarten der Nordsee als Nahrung. Saisonal verschieden kann man hier die verschiedensten Tiere auffinden:
Im Frühjahr und Sommer beispielsweise die Jungtiere der
Fünfbärteligen Seequappe
Ciliata mustela
.
Von Frühjahr bis Herbst die adulten und juvenilen Tiere von der
Kleinen Seenadel,
Syngnathus rostellatus
und dem
Dreistacheligen Stichling
Gasterosteus aculeatus
.
Darüber hinaus findet man hier verschiedene
Meeresasseln, Flohkrebse, Garnelen, Schnecken
und diverse sonstige
Jungfische
.
Im Flachwasser finden sich manchmal auch vereinzelte Restbestände des Kleinen Seegrases Zostera nana. Diese Pflanze ist keine Alge, sondern eine Blütenpflanze, die es geschafft hat, sich einen marinen Lebensraum zu erschließen. In früheren Zeiten gab es sehr große Zosterabestände an der deutschen Nordseeküste. Damals wurde das getrocknete Seegras als Füllmaterial für Betten genutzt. Heutzutage sind die Seegraswiesen enorm zurückgegangen, was auf verschiedene Faktoren zurückzuführen ist. An das Habitat einer Seegraswiese sind vor allem Tiere wie Seestichlinge, Seenadeln und Seepferdchen perfekt angepasst, da diese Arten mit ihrer Färbung und ihrer schaukelnden Bewegungsweise die sich in der Dünung wiegenden Seegrashalme perfekt nachbilden. Je nach Untergrund findet man unterhalb der Gezeitenlinie diverse Arten von Seetangen in der Nordsee, die zum einen zahlreichen Tierarten Siedlungsflächen, zum anderen auch Nahrung anbieten. Diese Zone, die nicht mehr bei Ebbe trocken fällt, wird allgemein auch als Sublitoral bezeichnet. Die Flächen, die von Algen besiedelt werden können, werden jedoch durch die Wassertiefe begrenzt, da das Licht in größeren Tiefen nur in so geringen Mengen vorhanden ist, dass dort keine Pflanzen mehr wachsen und Photosynthese betreiben können. Die meisten Rotalgen kommen mit sehr wenig Licht aus und sind deshalb auch in größeren Tiefen als Braun- oder Grünalgen vertreten. Deshalb sind Rotalgen meistens auch die besseren Algen für Aquarien, wo sie häufig sehr gut weiter wachsen können, und sich - im Gegensatz zu Seetangen und Laminarien - hervorragend kultivieren lassen. Die Meeresalgen, die man im Spülsaum finden kann, geben einem eine gewisse Auskunft darüber, womit der sublitorale Boden bewachsen ist, und ob hier ein Hart- oder ein Weichbodenhabitat vorliegt. Die meisten Tange sind in Aquarien nicht dauerhaft haltbar. Schauaquarien behelfen sich daher entweder mit künstlichen Pflanzen, oder sie entnehmen der Natur echte Tange, die sie allerdings nach einigen Wochen erneuern müssen.
Nachstehend seien einige Algenarten aufgeführt, die man typischerweise auf Borkum findet. Die meisten davon wachsen an den Steinen und Befestigungen des Ufers, sowie an der Hafenmole. Im Winter reduzieren sie ihr Wachstum oder sterben sogar vollständig ab, um sich dann im Frühjahr erneut aus Sporen zu entwickeln, die sie vor ihrem Ableben ins Meerwasser abgaben. Algen dienen Jungfischen und Krebsen als wichtiger Schutzraum, in dem sie sich vor Räubern verstecken können. Treibende Arten wie der Beerentang Sargassum muticum werden meist saisonal angespült und leben nur selten stationär auf Borkum, wie etwa im Hafen. Leider sind Seetange grundsätzlich nicht für längere Zeiträume im Aquarium haltbar. Dieses dürfte daran liegen, dass gewisse Spurenelemente und Spektralanteile des Sonnenlichtes nur schwer künstlich zu simulieren sind. Allerdings gibt es auch hier bereits Fortschritte und es gibt sogar Meerwasseraquarianer, die hier Erfolge vorweisen können. So ist es beispielsweise gelungen, Seetange bei Reduzierung des Lichtes entsprechend der natürlichen Lichtphasen dazu zu bringen, sich per Sporen auszusäen und diese Sporen im dann folgenden Frühjahr zum Wachsen zu bringen. Auch gibt es einige wenige Enthusiasten, die sich im Frühjahr lebende Austern mit Bewuchs aus dem Lebensmittelhandel besorgen, und dann diesen Aufwuchs zur vollen Entfaltung zu bringen. Dabei können außer Meeresalgen manchmal auch Seescheiden und andere Wirbellose prächtig gedeihen, sofern sie den Transport und die Eingewöhnung in die Aquarienbedingungen unbeschadet überstanden haben. Auf Helgoland gibt es übrigens seit einigen Jahren eine spezielle Algenfarm, wo verschiedene Algenarten für pharmazeutische und auch für kulinarische Zwecke gezüchtet werden. Und auf Sylt werden sogar Würstchen aus Seetangen hergestellt, die recht aromatisch sein sollen. Das alles erstaunt einen nicht mehr, wenn man weiß, dass etwa die Bewohner der Südsee und auch die Japaner Algenkost sehr zu schätzen wissen. Diese ist proteinreich und gesund und wird dort seit hunderten von Jahren genutzt. Eine sehr gesunde Alternative zu Massenviehhaltung und Agrarwahnsinn, sponsert by EU. Hier ist Deutschland leider noch ein echtes Entwicklungsland! Im darunter liegenden Watt kann man dann im Sommer über die eingeschleppte Borstenalge Gracilaria vermiculophylla stolpern, welche zu den Rotalgen(Rhodophyta) gehört. Hier findet man dann auch je nach Jahreszeit den grünen Meersalat (Ulva lactuta). Dieser vermehrt sich besonders gut bei Nährstoffeinträgen auf das Watt via Landwirtschaft, welche Düngemittel einsetzt, die über den Umweg der großen und kleinen Flüsse den Weg ins Meer finden. Meersalat ist übrigens sogar essbar, aber in Deutschland bisher noch nicht als Nahrungsmittel zugelassen. Probieren Sie mal ein wenig davon – das darin enthaltene Jod kann man förmlich riechen und schmecken! Eine weitere wertvolle Alge findet man ebenfalls an einigen Buhnen von Borkum, nämlich den Knorpeltang Chondrus crispus. Aus Rotalgen dieser Gattung kann man das wertvolle Hydrokolloid Carrageen gewinnen, welches auch in der Lebensmittelbranche zum Einsatz kommt. Daraus kann man dann Gelee für die Herstellung von Kuchen und anderes mehr gewinnen. Darüber hinaus ist Knorpeltang auch relativ gut im Aquarium haltbar und kann hier mit einigem Geschick auch durch Sporenaussaat vermehrt werden.
Meersalat, Ulva lactuta. Diese Alge ist weltweit verbreitet - ein echter Kosmopolit!
Gefiederte Büschelalge, Sphacelaria plumosa. Meist an Schwimmpontons.
Knotentang Ascophyllum nodosum. Auf Steinen an der Hafenmole; auch an Buhnen.
Blasentang Fucus vesiculosus. Besiedelt große Flächen an Uferbefestigungen und Buhnen.
Borstenhaaralge, Gracilaria vermiculophylla. Gelegentlich in Prielen. Eine eingeschleppte Art aus Fernost. (Übersetzt bedeutet ihr lateinische Name: „Die Schlanke mit würmchenförmigen Blättern“).
Beerentang, Sargassum muticum. Wird nur saisonal angespült. Ursprung dieser Art war der nördliche Pazifik. Inzwischen weltweit verbreitet durch Schiffahrt.
Zwischen den Miesmuscheln wachsen auf den Borkumer Buhnen auch Bestände des Knorpeltanges Chondrus crispus. Diese Rotalge ist sehr wertvoll, denn man kann daraus Carrageen herstellen. Hierbei handelt es sich um Hydrokolloide, aus welchen gelartige Produkte gewonnen werden können, wie etwa der Lebensmittelzusatzstoff E 407a.
Hier sitzt zwischen dem allgegenwärtigen Meersalat die Meersaite Chorda filum, die meist solitär wächst, gelegentlich aber auch in kleinen Büscheln gefunden werden kann.
Dieser marine Lebensraum ist wohl der extremste Platz, den man sich vorstellen kann, um hier sein Dasein zu fristen. Die meisten Menschen stellen sich einen Strand als einen angenehmen Aufenthaltsort für den Urlaub vor, an dem man die Mischung aus Wind, Sonne und Meerwasser genießen und irgendwelchen Freizeitaktivitäten nachgehen kann. Für die Lebewesen, die einen Strand natürlicherweise bevölkern, stellt sich die Situation jedoch ganz anders dar. Sie müssen eisigen Winden und Sandstürmen trotzen, sie müssen Hitze und Kälte aushalten und mit dem Problem des Nahrungserwerbes und dem der Arterhaltung klarkommen. Ausgesprochen wenige Arten haben alle diese Probleme durch spezielle Adaptionen an diese extreme Umwelt gemeistert. Dazu kommt noch, dass dieses Habitat dauernden Veränderungen unterworfen ist. Ebbe und Flut sorgen abwechselnd für Trockenheit und Überschwemmung, und so müssen die Bewohner einer Sandbank dazu in der Lage sein, beide Aggregatzustände ihres Lebensraumes zu verkraften. Besonders extreme Gezeiten müssen sie dabei ebenso bewältigen, wie auch besonders extreme Jahreszeiten. Insbesondere sind sie auf ihrer Sandbank ohne Abschirmung allen erdenklichen Arten von Niederschlägen ausgesetzt, wobei die Bandbreite von Regen über Hagel bis zu Schnee reicht. Auch kann im Winter der Boden gefrieren, und in seltenen Extremjahren kann es sogar zur Eisschollenbildung kommen. Abschließend sei noch erwähnt, dass es infolge einer Sturmflut oder eines Orkans auch jederzeit dazu kommen kann, dass die Sandbank einfach weggeschwemmt werden kann, so dass ihre Bewohner sich danach ein neues trockenes Plätzchen suchen müssen. Die einzige Konstante an diesem Habitat ist der permanente Wechsel!
Direkt hinter der Borkumer Uferpromenade beginnt das Habitat Badestrand am Nordstrand, welches insbesondere im Sommer von den meisten Touristen frequentiert wird. Bei Flut werden zahlreiche Fische und Krebse in die unmittelbare Küstennähe gespült, bei Ebbe weichen die meisten Arten mit dem ablaufenden Wasser in die Priele und in tiefer gelegene Areale zurück. Je nachdem, welche Tide gerade die Oberhand hat, finden sich hier die meisten der in diesem Buch vorgestellten Tierarten. Bei Ebbe kann man hier zu einigen flachen Stellen gelangen, wo man sogar Schlangensterne finden kann. Läuft man nach links in Richtung Südstrand, so kann man hier direkt vor der Uferpromenade Priele und Gezeitentümpel finden, in denen zahlreiche Tiere auf die nächste Flut warten. Mit einem Rahmenkescher lassen sich die meisten leicht einfangen. Auch Sandgarnelen in essbarer Größe kann man aus diesen Prielen gewinnen, doch ist das Aussortieren von Exemplaren geeigneter Größe ein mühseliges Unterfangen. Typische Bewohner dieser Priele sind vor allem Strandkrabben, Sandgrundeln, Sandgarnelen, Einsiedler und noch einige mehr. Sich in den Badepausen während der Ebbe mit diesen Tieren zu beschäftigen, kann viel Freude machen. Man sollte jedoch beachten, dass sich gerade im Sommer das Wasser in einem kleinen Eimer sehr schnell aufheizt, weshalb man in solchen Behältern selbst kleine Seetiere nicht in Unmengen und schon gar nicht in der prallen Sonne lange am Leben erhalten kann. Denn der Sauerstoffgehalt sinkt rapide! Krebstiere wie die Strandkrabbe kann man dagegen auch feucht und ohne Wasser, am besten auf ein paar Algenblättern, lange für die Kinder lebend hältern.
Am Borkumer Strand muss die Kurverwaltung täglich den angespülten Müll wegräumen lassen, sonst wäre er bereits eine große Müllhalde. Nachstehend seien einige typische Strandfunde gezeigt:
Bei diesem „Wachsklumpen“ handelt es sich um Paraffin. Dieses Abfallprodukt entsteht im Zusammenhang mit dem Transport von Erdölprodukten und lagert sich an den Wänden der Öltanker ab. Zwar werden die Tanks in den Häfen grob vorgereinigt, doch dürfen die Kapitäne die Tanks ihrer Schiffe auf See ganz legal durchspülen. Das Ergebnis dieser Spülungen kann man dann regelmäßig an Borkums Stränden auffinden, da Borkum eine sehr exponierte Lage in der Nähe der Schifffahrtsrouten hat.
In dieser scheinbar harmlosen Ansammlung aus Federn und Seetang liegen kleine Plastikfragmente und dünne auf den ersten Blick kaum sichtbare Nylonfäden, welche das Bündel zusammenhalten. Vögel, welche diese Fragmente fressen, verhungern mit vollem Magen. Außerdem können sich auch andere Tiere darin verheddern und verenden dann langsam und qualvoll.
Dieses Gitter aus PVC stammt aus einer niederländischen Muschelkultur für die Austernzucht. Es gibt diese Gitter in diversen Maschenweiten für verschiedene Austerngrößen. Die Strömung befördert solche Artefakte mit der Gezeitenwelle Richtung Norden und lädt diese dann unweigerlich am Borkumer Badestrand ab. Mal dienen solche Gitter Wirbellosen als Siedlungssubstrat, mal werden sie für Seevögel und andere Tiere zur Todesfalle.
Rechts: Solche Gespinste aus Nylonfäden und Seetang findet man leider sehr häufig am Borkumer Strand. Die Nylonfäden werden vor allem von holländischen Fischern dazu verwendet, um ihre Netze gegen den Abrieb beim Aufsetzen auf dem Meeresgrund zu schützen. Im Ergebnis bleiben die Nylonstricke zurück und werden zunächst den Krebstieren zum Verhängnis.
Muschelbänke gibt es meist da, wo Miesmuscheln sich mit ihren Byssusfäden am Untergrund festkleben können. Wo keine harten Substrate da sind, heften sie sich einfach aneinander fest und bilden so feste Siedlungsfilze, die der starken Strömung und anderen Unbilden trotzen können. Die Byssusfäden sind nur schwer zerreißbar und haften bereits nach wenigen Minuten am Untergrund fest. Dabei findet man Miesmuscheln häufig an exponierten Stellen, wie z.B. dem Dach einer Buhne, wo sie bei Ebbe trocken liegen. Dadurch entgehen sie zwar den Seesternen, die ihnen hierher bei Ebbe nicht mehr folgen können, setzen sich aber der Gefahr aus, das Opfer von Hitze, Kälte oder Seevögeln zu werden. Insbesondere Eiderenten können bis zu 2 Kilogramm Miesmuscheln am Tag fressen. Großer Hitze begegnen die Miesmuscheln, in dem sie ihre Schale einen kleinen Spalt weit öffnen und etwas Wasser ausspucken, wodurch dann Verdunstungskühle entsteht. Die Miesmuschelbänke bieten vielen Tieren einen Lebensraum an, die ohne die Muscheln kaum eine Deckung hätten. So kann man hier Würmer, Käferschnecken, Seepocken, Strandkrabben, Taschenkrebse, Einsiedler und Seesterne finden, um nur einige zu nennen. Somit übernehmen die Muscheln eine ökologische Nische, die welcher der Korallen in den tropischen Meeren entspricht. Darüber hinaus leisten selbst die toten Miesmuscheln noch einen wichtigen Beitrag für andere Tiere, da diese auch auf ihren leeren Schalen siedeln können. Durch die Strömung werden die Schalen dann im Laufe der Jahre allmählich aneinander zerrieben, wodurch Sand und Silikate entstehen. Diese werden von der Strömung verdriftet und bilden neue Sandbänke und Inseln. Den Kleintieren und Aufwuchsorganismen folgen dann größere Tiere, die sich von diesen ernähren. Die Muschelriffe bilden damit die Nahrungsgrundlage zahlreicher Stachelhäuter sowie von diversen Krebs- und Fischarten. Ohne diese Riffe wäre die biologische Diversität und Produktivität in der Nordsee erheblich geringer. Momentan ist an unseren Küsten die Bildung neuer Muschelriffe im Gange, die jedoch nicht von Miesmuscheln, sondern von den eingeschleppten Pazifischen Riesenaustern aufgebaut werden. Diese Riffe weisen auf der einen Seite eine größere Vielfalt von anderen Organismen auf, die auf ihnen siedeln. Auf der anderen Seite haben die Austern jedoch den strategischen Nachteil, dass sie sich einmal am Substrat verankert nicht mehr ablösen oder ihre Position verändern können. Das hat dann zur Folge, dass sie Sedimentverlagerungen eher zum Opfer fallen als die altbewährten Miesmuscheln. Insofern ist es spannend, diese Entwicklung weiter zu verfolgen. Eine Tatsache sei in diesem Zusammenhang noch angemerkt: Die Europäische Auster Ostrea edulis hat trotzdem in der Deutschen Bucht keine Chance mehr, weil diese Art sehr sauberes Wasser benötigt. Dieses trifft auf die Pazifische Riesenauster nicht zu, denn sie kann selbst auf den Spundwänden von mit Schadstoffen belasteten Häfen noch angetroffen werden. Daher ist die Riesenauster immer mit Vorsicht zu genießen und stellt keineswegs einen Indikator für eine intakte Umwelt dar. Die Muschelriffe Borkums befinden sich vor allem vor dem Nordstrand und tragen dort zur Bildung der Seehundsbänke bei. Sie entstehen hauptsächlich aus Klaffmuscheln, Teppichmuscheln, Herzmuscheln, Sägezähnen und diversen Arten von Trogmuscheln. Findet man Miesmuscheln auf den Buhnen am Badestrand oder in Hafennähe, dann handelt es sich dabei oft um etwas kleiner ausgefallene Exemplare, die zudem etwas breiter sind als die normale Miesmuschel. Deshalb liegt hier die Vermutung nahe, dass es sich um Französische Miesmuscheln oder um Hybriden aus französischer und einheimischer Miesmuschel handelt. Dabei dürfte es sich also um eine Faunenverfälschung infolge Arteneinschleppung aus Richtung Ärmelkanal infolge Schiffahrt in Kombination mit den Folgen der Erwärmung des Nordseewassers handeln. So können und sollten uns kleine Muscheln doch einiges zu denken geben…
Der typische Muschel- und Seepockenbewuchs an einer Borkumer Buhne bei Ebbe. Muscheln locken zahlreiche andere Tiere an, die sich von ihnen ernähren oder ihren Aufwuchs sowohl pflanzlicher als auch tierischer Art fressen. Bei Ebbe ziehen sich die hier vorkommenden Seesterne unter die Steine zurück, bei Flut kommen sie hervor und versuchen ihr Glück bei den Muscheln.
Industriehafen auf Borkum
Spundwand mit Pazifischen Riesenaustern
Schwimmponton, an dem Meersalat, Beerentang und andere Algen wachsen. Hier findet man vor allem viele Felsengarnelen verschiedener Arten.
Häfen zeichnen sich dadurch aus, dass sie diversen Einflüssen unterliegen, die das Leben für reine Meeresbewohner limitieren. Diese Limits bestehen in schwankenden Salinitäten, Verunreinigungen des Wassers und Hafenschlicks und teilweise sehr extremen Strömungs- und Gezeiteneinflüssen.
Daher können in diesem Lebensraum nur Organismen siedeln, die in der Lage sind, sich an diese Bedingungen zu adaptieren. Manchmal werden durch die Fischer auch Organismen aus tieferen Wasserschichten in die Häfen verschleppt, so dass man selbst hier mit einem Senknetz "fündig" werden kann. Im typischen Nordsee-Hafen kann man häufig Stichlinge, Grundeln, Seenadeln, Plattfische und Aale finden. An wirbellosen Tieren findet man Seeringelwürmer, Seeanemonen, Krebse, Garnelen, Muscheln, Schnecken und Schwämme. Darunter finden sich dann Arten wie die Strandkrabbe, die Seepocke, die Wollhandkrabbe, die Wellenbrecheranemone, die Kleine Felsengarnele, die Strandschnecke, der Brotkrumenschwamm, die Miesmuschel oder die bei uns durch Austernfarmen eingeschleppte Pazifische Riesenauster. Häufig besiedeln Miesmuscheln die Spundwände, an die sie sich mit ihren Byssusfäden festheften. Die Austern verwachsen sogar mit ihrer unteren Schalenhälfte mit der Spundwand; häufig überwachsen sie dabei sogar die Seepocken und verdrängen die Miesmuscheln. Tiere aus Hafengebieten sind für Menschen grundsätzlich nicht mehr genießbar, weil sie mit Öl, Pestiziden oder Schwermetallen wie z.B. Kadmium oder Quecksilber belastet sein können. Deshalb sind hier gefangene Tiere je nach Belastungsgrad allenfalls noch als Tierfutter oder als Besatztiere für Aquarien brauchbar. Da die Spundwände von Häfen nur wenige Strukturen anbieten, kann man hier auch nicht die gleiche biologische Diversität wie beispielsweise in Ästuarien oder auf Muschelbänken vorfinden. Eine Besonderheit des Borkumer Hafens ist es inzwischen, dass Spundwände und Hafenmole flächig mit der eingeschleppten Pazifischen Riesenauster Crassostrea gigas bewachsen sind. Diese Austern verdrängen nachweislich die heimische Miesmuschel Mytilus edulis, von der man nur noch wenige Exemplare auffinden kann. Dazwischen findet man besonders während der Sommermonate zahlreiche Pazifische Uferkrabben der Art Hemigrapsus penicillatus, welcher nachgesagt wird, dass sie unsere einheimische Strandkrabbe Carcinus maenas verdrängt. Allerdings fängt man mit einem Senknetz bewaffnet nur die Strandkrabbe, während man die Pazifische Uferkrabbe am besten während der Ebbe zwischen den Austern an den Spundwänden oder Schwimmstegen finden kann. Die Strandkrabbe ist daher auch nach wie vor neben der Kleinen Felsengarnele Palaemon elegans das häufigste Tier, welches man im Borkumer Hafen antreffen kann. In den Sommermonaten gesellen sich dann noch große Scharen der Strandgrundel Pomatoschistus minutus dazu. Darüber hinaus kann man hier auch Heringe, Seeskorpione, Fünfbärtelige Seequappen, Aalmuttern, Seenadeln und juvenile Meeräschen antreffen, letztere besonders im Spätsommer und Frühherbst.
Die Austern stimmten mich aus mehreren Gründen sehr nachdenklich. Zum einen verdrängen sie einheimische Muschelarten wie die Miesmuschel. Zum anderen zeigen sie ganz objektiv eine Klimaerwärmung an, denn Austern können in zu kaltem Wasser grundsätzlich weder gedeihen, noch sich erfolgreich fortpflanzen. Und darüber hinaus haben sie im Hafen offensichtlich keine wirklichen Fressfeinde mehr, die ihnen in nennenswerter Weise gefährlich werden könnten. Somit kann man hier schon fast von einer von selbst entstandenen Monokultur sprechen.
Buhne am Borkumer Nordstrand. Im Hintergrund die Sandbank mit einigen Seehunden.
Buhne am Borkumer Südstrand. Die Buhnen wurden seit den 1980er Jahren erneuert und sind nun etwas breiter, um dem Meer länger Widerstand bieten zu können.
Solche Gezeitentümpel bleiben an den Borkumer Buhnen zurück…
…in ihnen finden sich Strandschnecken, Austern, Miesmuscheln und Seepocken. Die Miesmuscheln dominieren die hier lebende Muschelfauna, ganz anders als im Hafen.
Diese künstlichen Habitate finden sich an der gesamten deutschen Küste. Doch nicht alle Küstenschutzanlagen werden aus Steinen erbaut, denn die sogenannten Lahnungen werden aus Holzpfählen errichtet, die man ins Watt rammt, um dann Reisigbündel dazwischen zu rammen. Diese Anlagen haben die Aufgabe, die Gewalt der Wellen zu mindern und großflächige Bewegungen der küstennahen Bodensubstrate zu verhindern. Auch Unterspülungen von Deichanlagen sollen so bereits im Vorfeld verhindert werden. Meeresorganismen, die sich hier ansiedeln, müssen sehr robust und widerstandsfähig beschaffen sein, um den Naturgewalten trotzen zu können. Sie müssen extremen Brandungsdruck aushalten, sind Hitze und Kälte, schwankenden Wasserständen, Seevögeln und anderen Beutegreifern ausgesetzt und müssen sich auch mit sich ständig ändernden Salinitäten arrangieren. Oft bilden hier Miesmuscheln und Austern als Erstbesiedler die Lebensgrundlage für weitere Tiere, die sich auf und zwischen ihren Trauben ansiedeln. Dazu kommen dann sehr rasch Seepocken, Käferschnecken, Strandschnecken, Krabben, Felsengarnelen, kleine Seeanemonen, Pantoffelschnecken, Flohkrebse und Seeringelwürmer