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Ich bin ’ne Frau, ich darf so glitzern: Die romantische Komödie »Die Monroe in mir« von Claus Vaske jetzt als eBook bei dotbooks. Ein bisschen Glamour hat noch niemandem geschadet … Der ganz große Auftritt – der ist sicher nichts für Maike: Sie ist fleißig, brav und bodenständig. Das einzige Laster, dem sie heimlich frönt, ist das Rauchen, und auch damit soll jetzt endlich Schluss sein. Aber vielleicht hätte sie dafür besser einen professionellen Hypnose-Therapeuten engagiert und nicht den fragwürdigen Fähigkeiten ihrer besten Freundin Franzi vertraut? Denn die weckt versehentlich die Monroe in Maike – und plötzlich steht ihr Leben Kopf. Turnschuhe und Mausgrau war gestern, ab heute heißt es High Heels und Platinblond … und Männer, das ist ja wohl klar, sind zum Verführen da! Aber kann das wirklich gut gehen? »Lustiges mit Tiefgang. Das richtige für Comedy-Liebhaber«, findet die Programmzeitschrift rtf – und der Express bringt es auf den Punkt: »Saukomisch! Absolute Leseempfehlung.« Jetzt als eBook kaufen und genießen: Rasant, beschwingt und herrlich komisch – »Die Monroe in mir« von Claus Vaske wird die Fans von David Safier und Ellen Berg begeistern. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 275
Veröffentlichungsjahr: 2022
Über dieses Buch:
Ein bisschen Glamour hat noch niemandem geschadet … Der ganz große Auftritt – der ist sicher nichts für Maike: Sie ist fleißig, brav und bodenständig. Das einzige Laster, dem sie heimlich frönt, ist das Rauchen, und auch damit soll jetzt endlich Schluss sein. Aber vielleicht hätte sie dafür besser einen professionellen Hypnose-Therapeuten engagiert und nicht den fragwürdigen Fähigkeiten ihrer besten Freundin Franzi vertraut? Denn die weckt versehentlich die Monroe in Maike – und plötzlich steht ihr Leben Kopf. Turnschuhe und Mausgrau war gestern, ab heute heißt es High Heels und Platinblond … und Männer, das ist ja wohl klar, sind zum Verführen da! Aber kann das wirklich gut gehen?
Über den Autor:
Claus Vaske, Jahrgang 1965, ist zum einen in Werbung und PR erfolgreich – und hat zum anderen mit seinen Gags und Drehbüchern viele tausend Mal für Lacher im deutschen Fernsehen gesorgt: Unter anderem arbeitete er für Formate wie »Die Harald Schmidt Show«, »Kalkofes Mattscheibe« und »TV Total«.
Der Autor im Internet: www.vaske.de
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eBook-Neuausgabe Juli 2022
Copyright © der Originalausgabe 2014 S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main
Copyright © der Neuausgabe 2014 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: dotbooks GmbH, München, unter Verwendung von Bildmotiven von Adobe Stock/Ira Cretaya und Adobe Stock/infostocker
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ts)
ISBN 978-3-98690-310-7
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Claus Vaske
Die Monroe in mir
Roman
dotbooks.
»I never hated a man enough to give him diamonds back.«
Zsa Zsa Gabor
Rauchen in der Schwangerschaft schadet Ihrem Kind. Weiß auch nicht, wie ich ausgerechnet in diesem Moment darauf komme. Nur weil es endlich wieder einen Mann in meinem Leben gibt? Erstens bin ich nicht schwanger, zweitens ist das hier bisher nur eine Affäre, drittens rauche ich gar nicht mehr, und das schon seit fast drei Wochen. Ich bin stolz auf mich!
Gerade noch lag Dieter außer Atem neben mir, jetzt gähnt er auf einmal herzzerreißend. Hallo, alles in Ordnung bei ihm? Hey, Rauchen führt zur Verstopfung der Arterien und verursacht Herzinfarkte und Schlaganfälle, das steht manchmal auch auf den Zigarettenpackungen. Ach, mein Süßer, wie schön, dass du Nichtraucher bist. In deinem Alter ist das besser so, schließlich wirst du auch nicht jünger: Rauchen kann zu Durchblutungsstörungen führen und verursacht Impotenz. Und wenn du vielleicht wirklich mal Vater werden willst, ich möchte nichts ausschließen, hast du auch eine Verantwortung gegenüber mir und dem Kind, denn Rauchen kann das Sperma schädigen und schränkt die Fruchtbarkeit ein.
Ich phantasiere schon in Warnhinweisen, das kann doch nicht wahr sein! Wieso muss ich schon wieder an Zigaretten denken? Die wenigen Stunden, die Dieter und ich zusammen sein können, sollte ich genießen. Neben dem Bett stehen die beiden Weingläser, die Flasche haben wir drüben im Wohnzimmer gelassen, die Spur mit unseren Klamotten zieht sich durch den Flur bis zu meinem Bett. Es konnte uns gar nicht schnell genug gehen! Wie wäre es mit einem Warnhinweis: Eine heiße Affäre kann Sie restlos um den Verstand bringen?
Ich schließe die Augen. Ach, es fühlt sich gut mit ihm an. Manchmal weiß man erst, was man vermisst hat, wenn man es hat. Natürlich sollte ich mir keine zu großen Hoffnungen machen, aber wer weiß, vielleicht ist es doch was für länger. Er sagt, ich sei was Besonderes für ihn. Man darf doch mal träumen.
Als ich die Augen wieder aufmache, schaut Dieter gerade auf seine Armbanduhr: »Sorry, ich muss los«, verkündet er knapp und versucht, sich wegzudrehen. Aus der Traum.
Das ist wieder typisch. Wenn Männer nach dem Sex überhaupt mal den Mund aufmachen, dann klingt das etwa so romantisch wie eine Bahnhofsdurchsage.
»Och bitte, bleib doch noch. Ist grad so schön.« Ich schiebe mein Bein auf seine Hüfte, damit er nicht wegkann, schmiege mich noch näher an ihn und streichle seinen warmen, weichen Bauch. Unter seiner klitzekleinen Wampe fühle ich die kräftigen Bauchmuskeln. Hach, an den Mann könnte ich mich echt gewöhnen, es ist herrlich mit ihm, so kuschelig. Da kann er doch nicht einfach …
Doch, kann er. Vorhin hatte er, während er sich küssend und knabbernd hocharbeitete, noch geschwärmt, wie verführerisch zart die Haut meiner Schenkel sei – ich werde schon wieder ganz schwach, wenn ich daran denke: Könnte er nicht noch mal …? Hier, mein Bein, bitte sehr! Doch jetzt schiebt er es achtlos zur Seite; er gibt mir einen flüchtigen Kuss, steht seufzend auf und geht ins Bad.
Kurz danach huscht er auch schon aus meiner Wohnung, wir verabschieden uns mit Küsschen, auf der Treppe macht er noch den Gürtel seiner Hose zu.
Gerade habe ich die Tür hinter mir ins Schloss gezogen und überlege, was ich mit dem angebrochenen Abend anfange, da klingelt es schon wieder.
Ich mache auf: »Nanu?«
»Hab was vergessen«, brummt Dieter und schlüpft schnell an mir vorbei in mein Schlafzimmer. Auf einmal wirkt er angespannt, so kenne ich ihn sonst gar nicht. Mürrisch scannt er mit seinen Augen den Boden, kniet sich hin und tastet sich mit den Fingern vor. Vielleicht sollte er einfach mal seine Brille aufsetzen. Die mit den Gleitsichtgläsern. Könnte helfen.
»Sag mal, was suchst du?«
»Nichts … Kann ja nicht weit sein …«, weicht er aus.
»Hat das nicht bis morgen Zeit? Ich kann’s dir mitbringen.«
»Nein.«
Langsam nervt es: »Dieter, sag mir doch einfach, was du suchst!«
Während Dieter auf den Knien durch mein Schlafzimmer kriecht, murmelt er verlegen: »Meinen Ehering …«
O Gott, wenn das rauskommt! Ich bin sofort neben ihm, schaue unters Bett, wie die Irren fegen wir durch die Wohnung, er im Anzug, ich noch halbnackt in Slip und T-Shirt. Ich taste sogar im Wohnzimmer die Ritze des Sofas ab und kontrolliere den Abfalleimer im Bad. Irgendwo muss das verdammte Ding doch sein. Aber wir finden den Ring nicht, er ist wie vom Erdboden verschluckt. Schließlich setzen wir uns auf die Bettkante. Wir schweigen. Wahrscheinlich läuft in seinem Kopf genau der gleiche Film ab wie bei mir: Wie er nach Hause kommt, Henriette, seiner Frau, der nackte, weiße Streifen an seinem Ringfinger auffällt, er eine Ausrede stammelt … Männer können nicht lügen. Sie wird es merken! Was folgt dann? Trennung, Tränen, Scheidung? Am besten beichtet er ihr gleich alles, und dann schauen wir weiter.
Mindestens zum fünften Mal frage ich ihn: »Hast du schon in deine Taschen geguckt?«
»Klar, gleich als Erstes. Irgendwie muss er rausgerutscht sein.«
»Warum nimmst du ihn überhaupt ab, Dieter? Als wenn ich nicht genau wüsste, dass du verheiratest bist. Scheiße …«
Bevor in meinem Leben das große Gefühlschaos ausbricht, könnte ich aber schon mal das Bett machen. Ich schnappe mir die Daunendecke und schüttle sie energisch auf, wodurch ein kleiner, goldglänzender Gegenstand hochgeschleudert wird, er fliegt im hohen Bogen durch die Luft und landet – Pling! – zielsicher im Weinglas. Dieter und ich sehen uns mit offenen Mündern an und können unser Glück kaum fassen. Da ist der Ehering. Wir sind gerettet!
Meine Güte, das war knapp! Wer nach so einem Schreck keine Zigarette braucht, hat das Schlimmste überstanden, oder? Ich fand’s jetzt schon entspannend, eine zu rauchen …
O Mann, Rauchen ist echt für Dumme. Warum fängt man überhaupt damit an? Haare und Klamotten stinken, es verpestet die Wohnung, und damit die Küsse nicht nach Aschenbecher schmecken, muss man die ganze Zeit Pfefferminzbonbons futtern. Dazu ist es auch noch teuer. Mal ehrlich, was für Menschen rauchen denn heutzutage noch? Gut, mein Hausarzt, mein Zahnarzt, mein Frauenarzt – eigentlich alle Ärzte, mit denen ich zu tun habe. Aber sonst? Wer stellt sich schon bei Wind und Regen bibbernd vor die Tür, nur um seiner albernen Sucht zu frönen? Tabak-Junkies, genau. Wie verzweifelt kann man sein? Dabei ist es so leicht aufzuhören. Man muss nur wollen!
Halbnackt und frierend stehe ich im Bademantel auf dem Balkon und beiße in meinen Apfel. Das ist meine Strategie, um vom Rauchen loszukommen: Äpfel, Äpfel, Äpfel. Jedes Mal, wenn ich Lust auf eine Zigarette habe, esse ich einen. Es gibt den Morgenapfel, den Apfel zum Kaffee, den Pausenapfel, den Verdauungsapfel, den Feierabend-Apfel… Ich esse die Äpfel echt Kette!
Ich weiß, warum ich aufgehört habe, da muss ich nur in den Spiegel schauen: Rauchen lässt Ihre Haut altern. Das ist die bittere Wahrheit, vor allem rund um die Nase wird sie großporig und fahl, überall sind diese fiesen Fältchen. Wenn ich so weitermache, sehe ich bald aus wie eine verschrumpelte Moorleiche, nur blasser.
Außerdem bekomme ich mit Anfang dreißig schon graue Haare. Ist das nicht fürchterlich? Mir standen die Tränen in den Augen, als ich sie entdeckt habe. Es waren mindestens fünf, wie Lametta sind sie auf einmal zwischen meinen braunen Haaren aufgetaucht. Auf den Schreck musste ich erst mal eine rauchen. Danach habe ich die Kippen direkt in den Mülleimer geworfen. Schluss aus, vorbei! Hinter mir steht auf der Fensterbank des Balkons der Aschenbecher, den ich nie wieder brauchen werde. Beschlossen und verkündet!
Achtzehn Tage bin ich schon ohne, hurra! Und meine Haut sieht schon viel besser aus. Könnte aber auch daran liegen, dass ich im Bad schwächere Lampen eingesetzt habe.
Meine Freundin Franzi hat sich hypnotisieren lassen. Seither hat sie überhaupt kein Verlangen mehr nach einer Zigarette. Sagt sie. Aber sie steht auch auf so was, gerade nimmt sie auf Gomera an einem Workshop für energetisches Heilen teil.
Ist dies schon der Einschlafapfel oder der Apfel danach? Am Wochenende gehört Dieter wieder voll und ganz seinem Frauchen. Ob er sich zwischendurch wenigstens mal meldet, um zu sagen, dass er an mich denkt? So ist das halt, wenn man sich auf eine Affäre mit einem verheirateten Kerl einlässt. Andere Männer drehen sich nach dem Sex zur Seite, schlafen ein und schnarchen, meiner steht eben auf und fährt nach Hause. So groß ist der Unterschied nun auch wieder nicht. Dafür steht er mir morgens im Bad nicht im Weg.
Nicht mal ein T-Shirt hat er mir dagelassen. Ich bin allein mit mir, meinem leeren Bett und einer großen Kiste Jonagold. Warum muss Franzi sich ausgerechnet jetzt auf die Kanaren verkrümeln, Palmen umarmen, ihren Namen tanzen oder was auch immer?
Vielleicht sollte ich es einfach genießen, wie es ist, und nicht so viel nachdenken. Aber wenn ich daran denke, wie er mir die Jeans aufknöpft und sie entschlossen herunterzieht… Ich vermisse ihn schon jetzt. Herrje, Maike, du hast dich doch nicht etwa verliebt, oder? Ach, was solls, ich werds überleben, irgendeine Schwäche hat jeder. Dafür habe ich das mit dem Rauchen im Griff, sage ich mir, drücke den abgenagten Apfel in den Aschenbecher und gehe zurück in die Wohnung.
Der zweiundzwanzigste Tag ohne.
Manchmal habe ich Angst, dass Godehard Pellenwessel, sobald Sonnenstrahlen auf ihn treffen, zu Staub zerfällt. Seit über dreißig Jahren arbeitet er bei uns, der Sparkasse Wyhe/Südliches Westniedersachsen, und genauso lange trägt er vermutlich auch diese grauenhaften Pullunder, immer eine Nummer zu eng und zu fünfzig Prozent aus Polyester. Neben ihm traue ich mich nie, eine Zigarette anzuzünden, sonst geht er womöglich noch in Flammen auf.
Heute hat er sich für ein Modell mit gelben und violetten Rauten entschieden: Sieht irgendwie englisch aus, aber für die Farbkombination würde sich sogar das Pferd von Camilla Parker-Bowles schämen. Für Herrn Pellenwessel hat sich seit Jahren nichts mehr geändert, er ist einfach in den Achtzigern stehengeblieben. Madonna ist für ihn noch ein verruchtes, junges Luder und keine peinliche Oma. Er wohnt im Haus seiner Eltern, hat das Auto von seinem Vater geerbt, einen riesigen, alten Opel mit weinroten Plüschsitzen, und beim Fahren hört er Nena und Münchner Freiheit. Auf Kassette!
Auch an diesem Montagmorgen nimmt er auf dem Weg zu seinem Büro keinerlei Notiz von der Welt um sich herum, den Blick auf seine Unterlagen gesenkt schlurft er an mir vorbei. Ich würde ihm gern einen lebhaften »Guten Morgen« wünschen, aber er ist so schreckhaft, und man darf ihn nicht unerwartet ansprechen, denn sonst …
»Mensch, Hardy, altes Haus, was geht?«, dröhnt es hinter mir.
Ja genau, jetzt zuckt Godehard Pellenwessel zusammen, lässt panisch alles fallen und schämt sich anschließend so sehr dafür, dass er sich für den Rest des Vormittags einschließt. Wegen seiner Panikattacken hat er ein eigenes Büro, das muss man sich mal vorstellen. Eigentlich steht mir das zu!
Ich drehe mich um, feixend schlendert mein Kollege Marcel zu seinem Arbeitsplatz, wo er seine Kuriertasche auf den Tisch pfeffert. Dass Herr Pellenwessel mühsam die Papiere vom Boden einsammelt, interessiert ihn überhaupt nicht.
»Morgen, Maike. Wie war dein Wochenende?«, grinst er. »Wie immer, Party ohne Ende?«
Wie mein bescheuertes Wochenende war? Das kann ich dir genau sagen, mein Lieber! Jede Zimmerpalme hatte ein schöneres Wochenende als ich: Um die kümmert sich wenigstens jemand. Ihr Männer könnt von euren Smartphones aus ganze Marsmissionen steuern, aber zwischendurch mal hallo sagen? Das ist nicht drin. Eine knappe SMS am Sonntag habe ich bekommen, mehr nicht! Dafür war ich zweimal im Fitnessstudio, ich habe gewaschen, gebügelt, geputzt, meine Wohnung ist blitzblank sauber und aufgeräumt. Dagegen ist die Präsidentensuite im Waldorf Astoria das reinste Messie-Heim. Am Samstag beim Shopping habe ich mir wunderbare neue Weingläser gegönnt. In denen klimpert sein Ehering bestimmt noch viel heller.
Nichts ist an diesem Wochenende passiert, rein gar nichts. Die Sparkasse kann zufrieden sein: Ich bin fit, ausgeruht und bestens präpariert für eine neue Woche im Dienste der Mittelstandsfinanzierung – wenn man von den Turbulenzen in meinem Bauch absieht. Nein, keine Flugzeuge wegen Dieter: Die verdammten Äpfel sind schuld. Drei Kilo habe ich gestern weggefuttert.
Und was hilft’s? Ich kann keine Äpfel mehr sehen! Hallo, liebe Kollegen, heute bin ich leicht reizbar. Schon die Tasse Kaffee heute Morgen war ohne Kippe eine echte Herausforderung, und der Weg zur Arbeit wird von Tag zu Tag härter: Ich komme an drei Zigarettenautomaten, sieben Kiosken und der Tankstelle bei mir um die Ecke vorbei. Zigaretten, überall gibt es Zigaretten. Aber ich halte durch!
Herr Pellenwessel ist in sein Büro geflüchtet, der Schlüssel dreht sich klickend im Schloss.
»Marcel, du Idiot! Was soll das?«, schimpfe ich, »du weißt genau, dass er das nicht verträgt!«
Gelassen holt Marcel übergroße Kopfhörer aus der Tasche hervor und legt sie neben sein iPhone auf den Tisch. Er ruft laut: »Hardy?«
Keine Antwort.
»Hardy, brauchst du Hilfe?«
Keine Antwort.
»Siehst du. Kein Problem«, erklärt Marcel gelassen und packt weiter seine Tasche aus. Kaum zu glauben, dass er nur drei Jahre jünger ist als ich. Er benimmt sich bei uns nicht anders als in seinem Fußballverein. Sein Vater stammt aus Tunesien, angeblich war Marcel dort sogar mal als Nationalspieler im Gespräch, vielleicht verdirbt so was den Charakter, und für ihn ist das ganze Leben nur noch eine Umkleidekabine. Wir können froh sein, dass er uns bisher mit Bierduschen verschont hat.
Dabei hat er auch noch recht: In wenigen Stunden, und zwar pünktlich um 11:58 Uhr, wird Herr Pellenwessel die Tür wieder aufschließen und zum Mittagessen gehen, als sei nichts gewesen. Man kann die Uhr danach stellen, immer.
Jennifer, unsere Team-Assistentin, kommt mal wieder als Letzte ins Büro, stolz und erhaben trippelt sie zu ihrem Schreibtisch, als wäre sie die Königin von Saba. Ihr Ziel ist es, reich zu heiraten. Wozu sonst arbeite ich bei einer Bank, sagt sie. Kaum ist sie angekommen, da sprudelt es bereits aus ihr heraus: »Ihr werdet es nicht glauben, ich hab ihn gefunden. Ein echter Schäntelmänn. Er küsst so gut. Und – er hat Geld!«
»Glückwunsch. Wo hast du ihn denn dieses Mal aufgegabelt?«, will Marcel wissen, und während Jennifer sich hinunterbeugt, um den PC einzuschalten, linst er verzückt in ihren tiefen Ausschnitt.
»Im Lixxit«, verkündet sie.
Ausgerechnet. Das ist die Großraumdisco am Hauptbahnhof, in dem Laden wird man nur billig angemacht. Gäbe es dort die einzigen Männer auf der Welt, ich müsste um K.-o.-Tropfen betteln oder als Jungfrau sterben! Die Tropfen würde ich im Lixxit serviert bekommen.
»Jennifer, das Lixxit ist ein mieser Baggerschuppen, dort findest du nie den Mann fürs Leben!«
»Ach ja? Was denn sonst?«, protestiert Jennifer.
»Filzläuse«, erwidert Marcel trocken.
Die cremefarbenen Verlängerungen ihrer Fingernägel klappern auf der Tastatur, als Jennifer sich ins System einloggt. Gleich wird sie nachschauen, ob ihr neuer Schwarm finanziell auch auf Rosen gebettet ist. Wie immer, wenn sie am Wochenende von einem Typen abgeschleppt wurde. Ja, das ist gegen den Datenschutz, aber ich habs aufgegeben, sie darauf hinzuweisen. Muss denn immer ich die Spaßbremse sein?
»Wie heißt dein Traummann denn diesmal?«, frage ich.
»Er heißt Mario …«, verkündet Jennifer.
»Mario! Hat er dir die Telefonnummer dagelassen? Und hast du schon überprüft, ob sie stimmt?«, frotzelt Marcel.
»… und er meint es ehrlich!«
Ich kann mir die Frage nicht verkneifen: »Mensch, Jennifer, wie findest du im Lixxit nur immer wieder diese reichen, gutaussehenden Männer, die es ehrlich meinen?«
»Ihr seid gemein. Es ist nicht, was ihr denkt«, protestiert Jennifer, »er hat Niveau. Und er wollte nicht mit mir ins Bett«, verkündet sie stolz.
Ui, das ist neu! Endet es dieses Mal etwa nicht in Tränen? Kann es wahr sein, bin ich die einzige Frau in diesem Universum, die zu blöd ist, Mr. Right zu finden? Jennifer gibt den Namen ihres neuen Angebeteten ein, ihre Augen wandern hoffnungsfroh auf dem PC-Monitor hin- und her. Währenddessen kann ich endlich meine Jacke ausziehen. Gerade habe ich meinen rechten Arm rausgeschält, da verkündet Jennifer stolz: »Ihm gehört das Küchenparadies! Drei Filialen, siebzehn festangestellte Mitarbeiter …«
Oh-oh! Den Laden betreuen wir als Kreditkunden. Marcel und ich tauschen besorgte Blicke aus, fragend wispere ich in sein Ohr: »Ist der nicht schon in der Insolvenz?«
»Drei Millimeter davor.«
Sagt auch das System. Jennifer hat seine Daten gefunden: Geschockt starrt sie auf den Bildschirm, dann sackt ihr Kopf nach vorn, mehrfach schlägt sie mit der Stirn auf die Arbeitsunterlage. »Pleite …«, stöhnt sie, »er ist … komplett … pleite! Aber er … er fuhr einen nagelneuen Fünfer«, stammelt sie verzweifelt.
Marcel pfeift anerkennend durch die Zähne: »Einen Fünfer-BMW? Wie ist der denn so auf der Rückbank? Hautfreundlich? Liegt man bequem?«
Marcel duckt sich rechtzeitig, so dass Jennifers Lippenstift seinen Kopf um Zentimeter verfehlt. Sie schnappt sich ihre Handtasche und flüchtet schluchzend auf die Toilette.
Marcel blickt ihr nach: »Ein Küchenstudiobetreiber! Ich wusste es: Bauknecht weiß, was Frauen wünschen.«
»Es reicht, Marcel«, bremse ich ihn. »Ich kümmere mich um Jenny, du findest heraus, wo der Knabe das Geld für so eine Aufreißerkarre herhat.«
»Hey, kennst du den? Wie macht eine Blondine nach dem Sex das Licht wieder an?«
»Ich weiß, sie macht die Tür vom BMW auf. Den hast du vor ein paar Wochen schon erzählt.«
»Ah, okay«, überlegt Marcel, »aber fuhr ihr Typ da nicht ’nen Toyota …?«
Ich folge Jennifer auf die Damentoilette, wo sie vor dem Spiegel steht und sich das verweinte Make-up aus dem Gesicht tupft.
»Jennifer, er ist es nicht wert«, versuche ich sie zu trösten. »Du … du kannst stolz auf dich sein. Wenigstens hast du dieses Mal nicht mit ihm geschlafen.«
»Ja …« Sie schluchzt noch einmal, aber es klingt schon viel weniger verzweifelt. »Erst! Aber dann …!« Sie wirft sich an meine Schulter, krallt sich fest und heult herzzerreißend. Ich kann mich auf schlimme Flecken von ihrer Wimperntusche in meinen Klamotten gefasst machen. »Er war so süß, er hat mir alle Drinks ausgegeben, da bin ich mit ihm in sein Küchenstudio gefahren.«
Überrascht mich das? So pleite, wie er ist, dürfte in Küchen-Marios Wohnung alles weggepfändet sein, was nicht niet- und nagelfest ist.
»Und dann lass ich mich von ihm … auf dem Küchentisch!!! … Europäische Wildeiche …«
Der zu neunzig Prozent dieser Sparkasse gehört – so fügt sich eins zum anderen. Kann Jennifer unterschiedliche Furnierhölzer mit ihrem nackten Po erkennen? Damit könnte sie glatt bei Wetten, dass …? auftreten! Ist Europäische Wildeiche etwas Besonderes, liegt es sich darauf irgendwie angenehmer, ist sie das Wasserbett unter den Küchen tischen? Möchte ich das jemals herausfinden?
Meine Teamassistentin sitzt heulend auf dem Damenklo, ein Kollege nimmt am Telefon ihren One-Night-Stand vom Wochenende in die Mangel, der andere hat sich im Büro eingeschlossen. Bis hierhin ist das ein ganz normaler Montagvormittag in der Sparkasse Wyhe/Südliches Westniedersachsen.
Endlich ist Jennifer so weit wiederhergestellt, dass sie mit mir die Toilette verlassen kann. Ich begleite sie zu ihrem Schreibtisch und gebe ihr unterwegs den Tipp: »Jennifer, du könntest dir einen Mann doch einfach mal danach aussuchen, ob er nett ist.«
»Weiß nicht«, schnieft sie, »gibt es nett auch mit Platincard? Ich mein, warum gibt es für uns Single-Frauen in der Sparkasse noch keine Schufa-App? Da könnte ich gleich an der Bar nachschauen, ob der Typ Geld hat.«
Sie schaut auf ihren Monitor: »Ui, du hast gleich einen Termin beim Vorstand. Bilanzgespräch …«
Oh, schön!
Der Weg zu meinem Vorstand führt an seiner Vorzimmerdame vorbei, weshalb ich mir zur Tarnung ein paar Papiere unter den Arm geklemmt habe. Ich grüße sie, dann klopfe ich, schiebe die schwere Tür auf und luge in das riesige Büro, in dem mein Vorstand hinter seinem genauso riesigen Schreibtisch thront. Und er sieht so gut aus für sein Alter, kaum zu glauben, dass die Sparkasse in zwei Wochen die Feier zu seinem fünfzigsten Geburtstag veranstaltet. Er ist der jugendlich-dynamische Managertyp, zwar ein bisschen teigig um die Hüften, aber mit kräftigen Schultern zum Anlehnen und einem erstaunlich knackigen Hintern. Nur die schlaffe Haut am Hals verrät sein Alter. Zum ersten Mal frage ich mich, ob er sich wohl die Haare färbt.
Mein Vorstand erhebt sich von seinem Stuhl: »Frau Wellmann, schön Sie zu sehen«, begrüßt er mich. Hach, und dabei lächelt er schon wieder so herrlich verschmitzt, wie soll ich mich da konzentrieren?
»Danke, die Freude ist ganz meinerseits«, antworte ich ebenso übertrieben förmlich.
Er kommt auf mich zu, nimmt mir die Unterlagen ab und legt sie hinter sich auf den Schreibtisch: »Hatten Sie ein angenehmes Wochenende?«
»Geht so. Mir war langweilig.«
Seine Hand spielt mit meinen Haaren, dann streichelt sie meinen Nacken. »Hab dich auch vermisst«, flüstert er.
»Hab ich nicht viel von gemerkt, wenn ich ehrlich bin.«
»Ich musste mich um meine Familie kümmern.«
»Aber du hättest doch anrufen können, ein einziges Mal!«, nörgle ich. Er wollte ein Bilanzgespräch – er bekommt es.
»Tut mir leid«, erklärt er zerknirscht. »Wir holen das nach. Versprochen.«
Und dann nimmt er meine Hand, wir küssen uns, ich bekomme ganz weiche Knie. Ich bin ein bisschen durcheinander. Können wir nicht kurz noch über versteckte Kreditrisiken reden, wenigstens der Form halber? Ist doch nicht normal, im Vorstandsbüro herumzuknutschen, wer macht denn so was? Steht dazu irgendwas in den Mitarbeiterrichtlinien? Was ist, wenn seine Sekretärin hereinkommt und uns so sieht?
Ja, mein Geliebter ist mein Vorstand, ich habe eine Affäre mit einem verheirateten, siebzehn Jahre älteren Mann, der auch noch mein Chef ist. Herrje, ich hab’s mir nicht ausgesucht, es ist einfach so passiert.
Ich gebe zu, ich habe ihn schon bewundert, als ich noch eine kleine Schaltermaus war. Doch bis vor ein paar Wochen war er noch »Herr Michaelis« für mich und unerreichbar, so irgendwo zwischen George Clooney und meinem Erdkundelehrer in der zehnten Klasse. Alles ganz brav. Und jetzt sind wir schon wieder kurz davor, uns wild ineinander verschlungen auf dem Designer-Ledersofa in der Ecke zu wälzen. Wäre nicht das erste Mal.
Schuld war Frau Stricker. Hätte sie sich nicht so sehr dagegen gesträubt, dass ihr Mann sein Bauunternehmen verkauft, dann wären die Verhandlungen viel früher zu Ende gewesen, und ich wäre nicht mit Dieter auf dem Designersofa gelandet.
»Ohne die Firma, da hockt Erwin doch nur noch zu Hause rum«, hatte sie geklagt und an ihrer schweren Perlenkette genestelt. Es war ein hartes Stück Arbeit gewesen, Elvira Stricker davon zu überzeugen, wie schön gemeinsame Kreuzfahrten im Alter sein können. Doch irgendwann hatten wir sie so weit.
Nach der Vertragsunterzeichnung sind Dieter und ich in sein Büro gegangen, er hat sich für meine Unterstützung bedankt. Alle anderen Kollegen waren schon weg, nirgendwo brannte mehr ein Licht in der Sparkasse. Er hat mir einen Ramazotti angeboten, wir haben auf den Erfolg angestoßen, nichts Besonderes. Im nächsten Moment haben wir uns auch schon geküsst, und während er mir das Top auszog, zerrte ich an seiner Gürtelschnalle. Unglaublich, oder? Mit meinem eigenen Vorstand!
Unsere heimlichen Treffen nennen wir unbezahlte Überstunden. Ein Spaß. Aber wenn das rauskommt, bin ich in der Sparkasse für alle Zeiten erledigt, wahrscheinlich kann ich mich dann in ganz Wyhe nicht mehr blicken lassen. Dann bin ich die Schlampe, das Miststück, die Ehebrecherin vom Dienst. So sieht’s aus. Und das Ganze nur für ein paar schöne Stunden zu zweit, und am Wochenende sitze ich allein zu Hause? Das kann doch nicht alles sein. Bin ich für ihn nur die kleine Nummer zwischendurch? Ich habe keine Lust, immer nur die zweite Geige zu spielen.
Affären mit dem Chef können zu Skandalen führen und kosten Sie Ihre Karriere.
Mir wird schwindlig, ich brauche eine Pause, um meine Gedanken zu sortieren, deswegen lege ich meine Hand auf seine Brust: »Wartewartewartewarte!«
Mein Vorstand ist irritiert: »Was?«
Er klingt ungeduldig. Blöde Frage, aber: Darf ich dem Vorstand in seinem eigenen Büro widersprechen, nur weil ich mit ihm schlafe?
»Es ist wunderschön mit dir, du bist ein toller Mann, aber ich würde gern … Können wir auch mal was anderes machen?«
Mein Vorstand wirkt überrascht, damit hatte er wohl nicht gerechnet. »Gern, äh, was möchtest du? In ein schönes Hotel?«
»Ich dachte eher: ins Kino. Essen gehen. Gemeinsam was unternehmen. Was man so macht in einer Beziehung.«
»Du … Wird schwierig«, weicht er aus.
»Ich mein ja nur. Ein bisschen Liebe wär’ schön, Gefühle! Nicht immer nur … du weißt schon.«
»Maike, ich liebe dich. Aber in der Öffentlichkeit …? Meine Frau könnte was dagegen haben.«
»Wie war’s denn … Ich … ich koch uns was Schönes. Ich habe neue Rotweingläser! Samstag gekauft.«
»Hm, mal schauen.« Er blättert in seinem Kalender. »Vielleicht morgen Abend, tja, könnte klappen. Kann aber nichts versprechen. Am besten … du, ich ruf dich an.«
Eh ichs mich versehe, befinde ich mich auch schon wieder vor der Tür bei seiner Vorzimmerdame. Ich schließe für einen Moment die Augen. »Abserviert« ist mein erster Gedanke. Okay, so viel ist klar: Meine neuen Rotweingläser sind nicht das, was ihn an mir interessiert, auch meine Kochkünste dürften für ihn eher zweitrangig sein. Ihm geht es nur um das Eine.
Das Schwein. Er will ficken.
Und jetzt? War es das, oder ruft er mich an? Bis morgen Abend ist es noch so unglaublich lang!
Ich brauch eine Ablenkung. Wenn mir jetzt eine Kippe in die Finger fällt, garantiere ich für gar nichts!
Ich will was Süßes, jetzt! Immerhin rauche ich schon über drei Wochen nicht mehr, da darf ich doch wohl ein einziges Mal sündigen, oder? Die Gummibärchen liegen vor mir auf dem Küchentisch, aber eine einzige Tüte hat 686 Kalorien: Wenn ich damit erst anfange, ist das Tor zur Hölle weit aufgestoßen, danach kommt die Schokolade, und irgendwann stopf ich alles Mögliche in mich hinein, ich gehe auf wie ein Hefekloß und werde dick und hässlich. So wird Dieter mich erst recht sitzenlassen.
Wär’s nicht besser, ich verzichte auf die Gummibärchen, rauche eine und bleibe rank und schlank wie eh und je? Klingt plausibel. Vielleicht eine einzige Zigarette?
Ach was, mein Gehirn verarscht mich. Die Erklärung steht in jeder Nichtraucherfibel: Mein Belohnungszentrum verlangt nach Ersatzbefriedigung, so einfach ist das. Diesen Impuls muss ich nur überwinden, und nach einer gewissen Zeit ist der Drang, etwas Süßes essen zu wollen, verschwunden. Dann hat man es geschafft! Das dauert auch gar nicht so lange, ein paar Tage vielleicht oder den Rest meines Lebens. O Mann! Dabei bin ich jetzt schon ein nervliches Wrack und für meine Mitmenschen unausstehlich! Dieter hat es bereits zu spüren bekommen. Kein Wunder, dass er sich nicht mehr meldet, wenn ich plötzlich so herumzicke. Wie konnte ich nur so blöd sein und ihn unter Druck setzen?
Es ist schon nach acht, ich mach jetzt die Tüte mit den Gummibärchen auf, aber ich esse nur ein paar Stück, bis das blöde Belohnungszentrum Ruhe gibt, dann kommen sie wieder in die Schublade, versprochen! Wozu habe ich so einen starken Willen!?
Er ruft nicht an, nicht mal eine SMS hat er mir geschickt. Seit gestern habe ich nichts mehr von ihm gehört. In der Sparkasse habe ich ihn auch nicht gesehen, über Jennifer habe ich herausgefunden, dass er heute gar nicht im Büro war: wichtige Außentermine!
Mmh. Die roten Gummibärchen mag ich am liebsten.
War’s das? Habe ich zu viel verlangt? Ging es ihm nur um seinen Spaß im Bett? Gibt es bei ihm auch so was wie Gefühle? Dabei hat er mir jedes Mal erzählt, wie langweilig seine Ehe wäre, im Bett liefe überhaupt nichts mehr, er und seine Frau würden nur noch nebeneinanderher leben. Eigentlich, hat er immer beteuert, sind sie nur noch wegen ihres Sohnes zusammen. Aber, meine Güte, das sagen sie alle! Wenn ich es mir selbst erzähle, merke ich erst, wie bescheuert das klingt. Ich Dummkopf, ich dachte, ich hätte eine Chance und er könnte es ausnahmsweise ernst meinen. Wie bescheuert kann man sein?
Nur noch drei klitzekleine Gummibärchen, höchstens zehn Kalorien. Schwupps, schon sind sie im Mund verschwunden.
Aber vielleicht musste er auch nur nach Hause und kann wegen seiner Frau nicht ans Telefon, unsere Sparkasse ist überfallen worden, und er liegt gefesselt und geknebelt im Tresorraum, oder der Akku seines Handys ist leer. Bestimmt gibt es eine Erklärung!!
Sind rote Gummibärchen irgendwie seltener? Komisch, es sind fast nur noch weiße und gelbe übrig. Egal, schmecken auch. Äpfel sind erst mal gestrichen, belohnungstechnisch regt sich da bei mir im Gehirn überhaupt nichts. Wie auch, bin ich etwa ein Pferd? Wenn ich noch mehr Äpfel esse, dann kann ich bald auch wiehern und galoppieren.
Zum wievielten Mal schaue ich jetzt schon aufs Handy? Immer noch keine Nachricht von Dieter.
Achtung! Verheiratete Männer können Ihnen langfristig das Herz brechen und rufen nie an.
Irgendwas muss ich tun, so darf es nicht enden! Was, wenn ich ihm eine SMS schreibe, mich entschuldige und ihm sage, dass ich ihn vermisse und ihn so gerne spüren würde? Wirkt das zu billig?
Und die Gummibärchen sind alle, ich fass es nicht! In zwölf Minuten hab ich die ganze Tüte weggefuttert. 686 Kalorien sind darin, aber kein bisschen Nikotin, deshalb schreit das Belohnungszentrum, diese unersättliche Bestie, immer noch nach mehr. Ich bin auf dem bestem Wege zu verfetten: Elefantenarsch, ich komme!
Das Handy bleibt weiter stumm. Was will ein Mann wie Dieter auch mit einer Zicke wie mir? Und wenn das so weitergeht, bin ich bald eine fette, frustrierte Zicke. Außer …
»So, einmal die Lights …«, brummt der Typ an der Kasse.
»Und noch die Chips hier«, ergänze ich und reiche ihm die Tüte zum Scannen.
»Sind dann acht Euro zwanzig.«
Nachdem ich gezahlt habe, nehme ich die Zigaretten und die Chipstüte und verlasse den Tankshop, vorbei an blinkenden Schlüsselanhängern, sieben Sorten Duftbäumchen und dem CD-Regal mit Country Classics, Trucker-Hits und Best of Amigos.
Nachts mit alter Jeans, Schlabberpulli und torfigen Haaren an der Tanke: So sehen Niederlagen aus! Ehrlich, ich muss keine rauchen. Aber ich könnte. Ist doch nur eine einzige Zigarette. Hatte ich schon gesagt, dass ich überaus willensstark bin? Ich kann jederzeit wieder aufhören. Hm, vielleicht nehme ich sie erst mal mit nach Hause und entscheide dann.
Mein Blick fällt auf die Warnaufkleber an den Tanksäulen: rauchen verboten! Aber wozu stellen sie dann einen Aschenbecher an den Eingang? Ach, mir doch egal, ob die Tankstelle abfackelt: Das Inferno in meinem Belohnungszentrum, der alten Schlampe, ist viel schlimmer!
Ich zünde mir eine an, genüsslich nehme ich einen tiefen Zug. Ah, tut das gut!
Der zweite Zug. Der Rauch kitzelt wohlig in meiner Brust: entspannung pur!
Nach dem dritten Zug dämmert mir: Was für ein Riesenfehler!