Die Moorhexe - Wolfgang Hohlbein - E-Book

Die Moorhexe E-Book

Wolfgang Hohlbein

0,0
5,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Eine Jahrtausendflut hat es an Land gespült, in einer einzigen sturmdurchpeitschten Nacht. Und als das Meer sich zurückzog, blieb es als Gefangener im Moor zurück - ein Wesen aus den lichtlosen Tiefen des Ozeans, älter als die Menschheit selbt: die Moorhexe.

Und diese Moorhexe wartet, erfüllt von unendlicher Gier nach Leben und grenzenlosem Hass.

Dann schuf sie die Falle, eine perfekte tödliche Falle, die auf ihre ahnungslosen Opfer wartet: das Haus am Moor.

Ein Horrorroman der Extraklasse, böse und doch poetisch.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 660

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Vorwort

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

21

22

23

24

25

26

27

28

29

30

31

32

33

34

35

36

37

38

39

40

41

42

43

44

45

Wolfgang Hohlbein

DIE MOORHEXE

Horror-Roman

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 1988/1992 by Bastei Lübbe AG, Köln

All rights reserved

Lektorat: Michael Schönenbröcher

Umschlaggestaltung: Jeannine Schmelzer

Umschlagmotiv: © Jeannine Schmelzer, © shutterstock/natalia_vlasova, © shutterstock/Steven Bourelle

Datenkonvertierung E-Book: Urban SatzKonzept, Düsseldorf

ISBN 978-3-8387-4642-5

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Das Haus stand da, eingehüllt in eine Säule aus Dunkelheit, wie schwarz leuchtender, träger Nebel, ein kleines, böses, gedrungenes Etwas, dessen Konturen nicht ganz genau zu erkennen waren. Sie lösten sich auf in der Dunkelheit, die wie schwarze Säure war.

Sie rannte.

Es gab zwei Dinge, deren sie sich völlig bewusst war: das eine war, dass dies ein Albtraum war – was an sich schon ungewöhnlich genug war, denn wer weiß schon, dass er träumt, während er träumt? –, und das andere, dass dies kein gewöhnlicher Albtraum war. Er hatte begonnen als einer jener sinnlosen, durch und durch unlogischen Träume, in denen man läuft und läuft und läuft und doch nicht von der Stelle kommt, in denen das Böse hinter einem ist und man weiß, dass es einen erwischen wird, wenn man auch nur ein einziges Mal den Fehler begeht, sich herumzudrehen und es anzusehen, und ohne dass man in der Lage ist, die andere, weit beruhigendere Konsequenz zu begreifen, die sich aus diesem Gedanken ergibt: dass man nämlich in Sicherheit ist, wenn man sich ganz einfach nicht herumdreht.

Ja, so hatte er begonnen.

Aber dann war … etwas geschehen. Sie wusste nicht, was, aber sie hatte das unbestimmte Gefühl, dass es etwas gewesen war, das von außen kam; eine Störung aus dem Kosmos jenseits ihrer kleinen privaten Albtraumwelt, vielleicht etwas so Banales wie ein Geräusch irgendwo im Haus, die Berührung von Stefans Hand, der sich im Schlaf herumgedreht hatte. Sie lag da, begriff plötzlich, dass sie träumte, und wartete darauf, aufzuwachen, was normalerweise die logische Folgerung aus dieser Erkenntnis gewesen wäre.

Normalerweise.

Heute nicht.

Sie erwachte nicht, aber dafür veränderte sich irgendetwas im Szenario ihres Traumes. Es war ihr nicht möglich, die Veränderung in Worte zu fassen, nicht einmal in Gedanken, aber sie war da, sie sah sie, roch und hörte sie. Es war eine Veränderung im Ganzen, keine Details, ein sonderbarer, im ersten Moment eher verwirrender als angstmachender Effekt, als wäre die ganze Welt um ein winziges Stückchen mehr in die Richtung geglitten, in der der Wahnsinn und der Terror zu Hause waren. Sie war noch immer gerannt, noch immer getrieben von ihrer Albtraum-Furcht, die nichts von ihrem Schrecken verloren hatte, jetzt, nachdem sie wusste, was es war. Ganz im Gegenteil: sie wusste jetzt, dass der Terror hinter ihr war, der Tod oder Schlimmeres, der nur darauf wartete, dass sie stehenblieb und sich herumdrehte, aber sie wusste auch, dass es ihr gar nichts nutzen würde, sich nicht herumzudrehen. Der Schwarze Mann würde sie trotzdem kriegen, nur etwas später. So war sie weitergelaufen wie von Furien gehetzt, und endlich war das Haus vor ihr aufgetaucht: ein kleines, böses, gedrungenes Etwas, dessen Konturen nicht ganz genau zu erkennen waren. Sie lösten sich auf in der Dunkelheit, die wie schwarze Säure war, wie schwarz leuchtender, träger Nebel, ein Quader aus Schwärze, mit Furcht getränkt, der direkt aus der Hölle emporwuchs, wie ein Kokon aus Finsternis und Angst. Und noch immer rannte sie weiter, unfähig, stehen zu bleiben. Auch dieses Haus machte ihr Angst, aber sie war nicht halb so groß wie die Furcht vor dem namenlosen Schrecken hinter ihr. Sie spürte die Berührung der Dunkelheit auf der Haut, als sie in den Mantel der Schwärze eindrang, der das Haus umschloss.

Dann erkannte sie es.

Es war ihr Haus.

Und auch wieder nicht.

Auf unmöglich in Worte zufassende Weise war ihr dieses Haus gleichzeitig vertraut wie entsetzlich fremd, versprach es gleichzeitig Schutz wie etwas unbeschreiblich Böses, war es zugleich behütend wie drohend. Sie wollte stehenbleiben, aber sie konnte es noch immer nicht. Ihre Arme und Beine bewegten sich wie von selbst, gegen ihren Willen, und das Etwas war noch immer hinter ihr. Sie wusste nicht, was es war – niemand wusste es, obgleich es zahllose Opfer gefordert hatte, Hunderte, Tausende, vielleicht Hunderttausende von Menschenleben genommen hatte (wie viele Menschen waren einfach nicht mehr aufgewacht, und man hatte Herzschlag oder etwas ähnlich Unverfängliches auf ihren Totenschein geschrieben?). Denn es war die Art des Albtraum-Todes, denjenigen zu vernichten, der sich herumdrehte, um sein Gorgonenhaupt zu schauen. Aber sie hörte seine Schritte, ein schwerfälliges, feuchtes Platschen, immer ein ganz kleines bisschen schneller als ihre eigenen, seine Atemzüge, ein dumpfes, rasselndes Hecheln, spürte seine Nähe, seine düstere, ungemein böse Ausstrahlung, und sah einen entsetzlich verzerrten, verkrüppelten Schatten, der hinter ihrem eigenen heranwuchs und ganz langsam näher kam.

Nein, sie konnte nicht stehen bleiben. Sie konnte nur weiterlaufen, weiter auf dieses so vertraute und gleichzeitig so entsetzlich fremde Haus zu, das vor ihr liegt, eingehüllt in einen Mantel aus wabernder Finsternis, ein schwarzes Fachwerkhaus, geronnene Schwärze und das Knochenweiß des Todes, kalt und abweisend, wie ein böses Omen, sie kann nur laufen und hoffen und beten, dass sie schneller als das DING hinter ihr ist.

Völlig außer Atem und fast verrückt vor Angst stolpert sie weiter, weiter auf das Haus zu, dessen Fenster ihr mit einem Male wie große ausgelaufene Augenhöhlen erscheinen. Die Tür schwingt auf, kurz bevor sie sie erreicht, sie rennt weiter, taumelt hindurch und fällt auf die Knie, und das dumpfe Geräusch, mit dem die Tür hinter ihr ins Schloss fällt, geht fast im rasenden Hämmern ihres eigenen Herzschlages unter. Aber sie ist in Sicherheit. Hier drinnen kann ihr nichts geschehen, denn das Haus wird sie beschützen, es ist ihr Haus, ihre Heimat, ein Teil ihres Selbst und …

Als sie aufsieht, begreift sie, wie entsetzlich sie sich getäuscht hat.

Dies ist nicht ihr Haus. Es hat so ausgesehen, von außen, und es gibt auch hier drinnen noch eine vage Ähnlichkeit, aber was immer es ist, es ist nicht ihr Haus.

Dann begreift sie, aber sie weiß auch im selben Moment, dass dieses Begreifen zu spät kommt: Das DING dort draußen war nicht die wahre Gefahr. Es war ein Köder, eine Schimäre, die sie hierher gelockt – gejagt – hat, und dieses Haus, dieses Etwas, das so aussieht wie ihr Haus, ist die eigentliche Falle. Eine Falle, aus der es kein Entkommen mehr gibt. Aus schreckgeweiteten Augen sieht sie sich um, starrt in die gewaltige, kuppelförmige Halle, die sich vor ihr ausdehnt. Alles ist so, wie es sein sollte, aber ins Gigantische vergrößert und wie aus schwarzverchromtem blitzenden Stahl gehämmert: Da ist der (verchromte) Korridor, die drei (eisernen) Türen, die uralte Bauerntruhe (aus Stahl), die Treppe nach oben (mit zwei Meter hohen Stufen). Der Boden ist so glatt, dass sie beinahe stürzt, als sie aufzustehen versucht. Ihre Schritte und ihr Atem verursachen unheimliche, klackende Echos auf dem schwarzen Chrom. So muss es sein, wenn man tot ist, denkt sie. Vielleicht ist sie tot. Aber nein, das ist sie nicht, und das, was hier auf sie gewartet hat – noch immer wartet –, ist viel schlimmer als der Tod.

Als wäre dieser Gedanke ein Stichwort gewesen, hört sie das Geräusch der Tür. Sie dreht sich herum, gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie sie aufschwingt, mit einem entsetzlichen, metallischen Quietschen, ein Schmerzensschrei aus einer Kehle aus Stahl.

Dann sieht sie den Mann. Er steht ganz plötzlich da, tritt nicht etwa aus den Schatten oder wächst aus dem Boden, sondern ist einfach da, von einem Sekundenbruchteil auf den anderen. Er ist kein Fremder. Für den Bruchteil eines Herzschlages, bevor sein Gesicht zu brennen beginnt, erkennt sie ihn, und sie ist überrascht, dass ausgerechnet er es ist. Dann schießt Feuer aus seinem Haar, seiner Kleidung und seinem Fleisch, weiße und rote und gelbe Flammen hüllen ihn ein, verwandeln ihn in eine lebende Fackel, die langsam auf sie zugeht.

Sie taumelt zurück, weicht dem Griff der brennenden, zuckenden, schwarz werdenden Hände im letzten Moment aus. Sie will schreien, aber sie kann es nicht, sondern taumelt weiter, bis sie gegen die Wand prallt. Der brennende Mann geht an ihr vorüber, so dicht, dass sie die entsetzliche Hitze der Flammen spürt, die ihn einhüllen. Ganz kurz kann sie sein Gesicht sehen, durch den Vorhang aus Feuer hindurch. Da ist kein Schmerz in seinen Augen, nur Zorn, ein uralter, unstillbarer Zorn, Hass auf alles Lebende, Denkende, Fühlende, auf alles, was glücklich sein kann.

Der brennende Mann geht weiter. Seine Schritte hinterlassen lodernde weiße Fußabdrücke auf dem Boden, eine Spur aus Feuer. Das Prasseln der Flammen bricht sich unheimlich an den Wänden, als er auf die Treppe zugeht.

Eine Weile steht sie einfach reglos da, unfähig, sich zu rühren, unfähig, wegzulaufen, zu schreien, irgendetwas zu tun, sieht dem brennenden Mann zu, wie er die Treppe erreicht und hinaufgeht, eine Spur aus brennenden Tümpeln hinter sich lassend. Dann, auf der obersten Stufe, bleibt er stehen, dreht sich herum, hebt die Hand, seine entsetzliche, halbverkohlte Hand, und winkt ihr zu, und wieder werden sich die Flammen vor seinem Gesicht für einen winzigen Moment teilen; sie wird den Hass in seinen Augen sehen, diese ungeheuerliche, unendliche Bosheit. Trotzdem, wie von einem fremden, viel stärkeren Willen besessen, wird sie auf die Treppe zugehen, und mit einem Male ist auch sie so groß wie dieses Haus, sie wird wachsen, bis alles wieder scheinbar normale Dimensionen angenommen hat.

Und dann, endlich, im gleichen Moment, in dem sie die erste Stufe betritt, wird sie schreien können, o ja, das wird sie, denn diese Treppe aus schwarzem blitzenden Chrom wird bluten. Bluten und sich winden wie ein lebendes, verwundetes Wesen, und sie wird schreien und kreischen und brüllen und die Hände vor das Gesicht schlagen und trotzdem weitergehen müssen, denn etwas, das stärker ist als du, zwingt dich dazu, etwas, das deinen Willen übernommen – nein: ausgeschaltet – hat. Du wirst den Schrei der Moorhexe hören, die draußen um das Haus schleicht, und einfach nicht begreifen, dass sie und der brennende Mann ein und dasselbe sind, dass du und er und dieses Haus untrennbar miteinander verbunden seid, es immer wart und immer bleiben werdet.

Und dann wirst du nur noch den Schrei hören. Diesen entsetzlichen, grässlichen SCHREI …

1

Der Schrei hatte sie geweckt.

Sie blinzelte, drehte müde den Kopf in den Kissen und öffnete widerwillig die Augen, während sie gebannt lauschte. Sie hatte Mühe, wirklich zu erwachen. So absurd und unwirklich dieser entsetzliche Nachtmahr gewesen war, hielt er sie doch immer noch fest, selbst jetzt, wo sie wirklich und eindeutig wach war: ein kleiner Teil ihres Selbst war noch immer in der entsetzlichen Welt dieses Albtraumes gefangen, und es kostete sie erstaunliche Kraft, sich vollends zu lösen. Und es war unangenehm, ein Gefühl, als wäre sie in ein gewaltiges klebriges Spinnennetz verstrickt, dessen Fäden sie nur einzeln und unter gewaltiger physischer Kraftanstrengung zerreißen konnte. Und selbst als sie es endlich geschafft hatte, war es noch nicht völlig vorbei. Der Traum schickte ihr einen allerletzten, bösen Gruß in die Wirklichkeit hinterher: Für einen kurzen Moment fühlten sich ihr Gesicht und ihre Hände klebrig an, als wäre sie wirklich durch jenes entsetzliche Spinngewebe hindurchgelaufen, um den Weg ins Wachsein zu finden. Im ersten Moment hatte sie Angst, dass sie selbst geschrien haben könnte, so real war der Albtraum gewesen.

Sonderbarerweise hatte sie überhaupt keine Angst, sondern empfand nur einen schwachen Schrecken, gepaart mit Verwirrung und einer fast wissenschaftlichen Neugier. Sie neigte nicht zu Alpträumen – nicht einmal zu Träumen –, wenigstens nicht solchen, an die sie sich hinterher erinnerte, und ihr Erlebnis erfüllte sie jetzt, nachdem auch der letzte Schrecken allmählich verebbte, mit der Erregung, etwas völlig Neues und Unbekanntes erfahren zu haben. Es war keiner jener Albträume gewesen, wie ihn jedermann von Zeit zu Zeit einmal hatte, nicht von dieser unsinnigen, kalten Furcht, die einem noch ein stückweit ins Wachsein hinein nachschleicht und einen mit rasendem Herzschlag und zitternden Gliedern und kaltem Schweiß auf der Stirn erwachen lässt. Sie erinnerte sich an jede Kleinigkeit, jedes noch so winzige, entsetzliche Detail, aber sie hatte jetzt überhaupt keine Angst mehr. Mit dem Traum war auch die Furcht einfach abgeschaltet worden. Sie war nur verwirrt. Die einzige Furcht, die geblieben war, war die, dass sie selbst geschrien und Stefan damit geweckt haben könnte, was an sich nicht einmal schlimm gewesen wäre, sie aber in die unangenehme Situation brächte, Stefan erklären zu müssen, was passiert war.

Und das wusste sie selbst nicht so genau.

Ein Traum – sicher. Und doch …

Etwas daran war anders gewesen. Trotz seiner vollkommen konfusen und widersinnigen Handlung war er ungeheuer real gewesen, so real, dass …

Sie verscheuchte den Gedanken, stemmte sich halb auf die Ellbogen hoch und sah sich um, fast als müsse sie sich an der Wirklichkeit festklammern – oder als müsse sie sich selbst beweisen, dass dies die Wirklichkeit war, und nicht die abstrusen schwarzen Chrom-Zimmer ihres Traumes, wisperte eine böse Stimme hinter ihrer Stirn. Sie glaubte Flammen zu riechen …

Liz verscheuchte auch diesen Gedanken, atmete bewusst tief ein und aus und presste die Lider so fest zusammen, dass bunte Kreise und Ringe vor ihren Augen erschienen. Es half. Die Visionen waren fort, als sie die Augen abermals öffnete. Auf ihren Netzhäuten flimmerten blasse Nachbilder der grellen Blitze.

Was sie sah, war von einer beruhigenden Normalität: Das Zimmer war dunkel, erfüllt von grauen und schwarzen Schatten und einer Kühle, die sie die wohlige Wärme unter der dünnen Leinendecke als doppelt angenehm empfinden ließ. Schatten trieben durch den Raum, aber es waren die normalen, durch und durch vertrauten Schatten dieses Zimmers, die sie so gut kannte wie die Möbelstücke und die Einrichtung. Sie hatten nichts Bedrohliches. Die Dunkelheit, die sie sah, war von jener Art, die Schutz und Wärme versprach, nicht Gefahr. Trotz (oder vielleicht gerade wegen?) des Albtraumes, der noch immer in ihrer Seele wühlte, fühlte sie sich auf eine wohltuende, entspannte Art erschöpft und matt.

Dem abrupten Erwachen aus dem Albtraum schien ein zweites, ganz normales zu folgen. Mit einem Male fühlte sie sich müde, und ihre Gedanken bewegten sich schwerfällig und träge, wie kleine störrische Tiere, die sich nur unter Protest bereit fanden, in den gewohnten Bahnen zu laufen. In ein paar Minuten, das wusste sie, würde sie über den Traum lachen. Nein, nicht einmal das – sie würde ihn einfach vergessen haben. So sonderbar er gewesen war, er war es nicht wert, für länger aufbewahrt zu werden.

Sie gähnte, blinzelte noch einmal und fuhr sich mit der Hand über die Augen, ehe sie zum Nachttisch hinüberblinzelte. Die grünen Leuchtziffern des Radioweckers schimmerten wie kleine funkelnde Katzenaugen durch die Dunkelheit. Es dauerte eine Weile, bis sich die verschwommenen Farbkleckse zu lesbaren Zahlen ordneten und sie sie entziffern konnte.

Liz runzelte die Stirn. Es war kurz nach fünf, wie sie mit einem heftigen Gefühl von Verärgerung feststellte – eine geradezu gotteslästerliche Zeit, aufzuwachen. Sie seufzte. Was für ein Scheißtraum, dachte sie matt. Warum hatte er nicht zwei Stunden später anfangen können? Sie schloss die Augen und versuchte wieder einzuschlafen.

Es ging nicht.

Als sie die Augen schloss (es war absurd: die Dunkelheit war kaum weniger tief als die, die sie mit geöffneten Augen gesehen hatte!), kam die Furcht zurück. Es war nicht die Panik aus ihrem Traum, nicht die an körperlichen Schmerz grenzende Angst, die die Zimmer aus schwarzem Chrom und jene entsetzliche Treppe in ihr ausgelöst hatten, nicht die Panik beim Anblick des brennenden Mannes, denn sie wusste sehr gut, dass all dies nichts anderes als ein böser Streich gewesen war, den ihr Unterbewusstsein ihr gespielt hatte. Es war …

Eine völlig grundlose Beunruhigung, die stärker und stärker wurde, ein Kribbeln wie von tausend tollwütigen Ameisen in ihrem Leib, das es ihr unmöglich machte, ruhig zu liegen. Irgendetwas hatte sie geweckt, etwas, das nicht hierher gehörte und das sie beunruhigte, ohne dass sie sagen konnte, was es eigentlich war.

Eine Zeit lang dämmerte sie noch auf der schmalen Trennlinie zwischen Schlaf und Wachsein dahin, ehe sie aufgab und mit einem resignierenden Achselzucken die Beine aus dem Bett schwang. Sollte der Teufel ihr Unterbewusstsein holen und alle Träume der Welt dazu!

Eine Weile blieb sie noch schlaftrunken auf der Bettkante sitzen und genoss das Gefühl der Schwere, das nur langsam aus ihren Gliedern wich. Sie gähnte, reckte sich ausgiebig und fuhr sich noch einmal über die Augen. Ihr Blick klärte sich ein wenig.

Ein dünner, staubflirrender Streifen Sonnenlicht strömte durch die halbgeschlossenen Fensterläden herein und zeichnete ein verworrenes Muster aus Gold und schwarzen und braunen Schatten auf den Fellteppich; ein Spielbrett, auf dem die Dame des Tages dem schwarzen König der Nacht gerade wieder einmal Schach bot, ohne dass einer von beiden die Partie jemals entscheiden würde.

Sie lächelte flüchtig über ihren eigenen Gedanken, der ungefähr so albern wie der Traum war, der nun allmählich doch zu verblassen begann, bückte sich nach ihrem Morgenrock, streifte ihn über und wankte schlaftrunken auf nackten Füßen zum Fenster.

Draußen sangen bereits die ersten Vögel, und irgendwo drüben in dem kleinen Wald, der sich zweihundert Schritt entfernt hinter dem Weg wie eine schwarzgrün gefleckte Mauer erhob, antwortete ein Eichelhäher auf den Ruf. Sie lauschte einen Moment auf das Rauschen des Windes in den Baumwipfeln und genoss die Berührung der Sonnenstrahlen auf der Haut. Obwohl sie grade erst über dem Horizont aufgetaucht war, hatte die Sonne bereits Kraft. Der Tag würde heiß werden.

Auf der Rückseite des Hauses spielte der Wind klappernd mit einem Fensterladen. Das Geräusch zerstörte nicht nur den Zauber des Augenblickes, es erinnerte sie auch schmerzlich daran, wie viel Arbeit und Mühe noch auf sie warteten, ehe aus dieser Ruine wieder ein einigermaßen bewohnbares Haus geworden war. Wenn es ihnen überhaupt jemals gelang. In letzter Zeit mehrten sich die Augenblicke, in denen Liz ernsthaft daran zu zweifeln begann.

Sie gähnte erneut, wobei sie sich den verbotenen Luxus erlaubte, die Hand nicht vor den Mund zu halten, öffnete das Fenster, fuhr sich mit beiden Händen durch das Gesicht und stieß dann mit einem Ruck die Läden weit auf.

Liz lächelte flüchtig, als ihr einfiel, dass sie jetzt für einen zufälligen Beobachter genauso aussehen musste wie das Mädchen aus dem Kaffee-Werbespot – nur dass sie nicht komplett geschminkt und frisiert aus dem Bett kam, sondern mit wirrem Haar und einem Gesicht, das vom Schlaf teigig und aufgequollen war.

Kühle, Sauerstoff reiche Morgenluft strömte ins Zimmer, begleitet von im ersten Moment fast schmerzhaft hellem Sonnenschein und einer Vielfalt von Gerüchen: der Duft von frischem Heu und Tannennadeln, von Gras und Blumen und Weite und klarem, fließendem Wasser. Sie schloss die Augen und konzentrierte sich für Sekunden darauf, ein-und auszuatmen. Die kühle Luft, in der noch ein schwacher Hauch der Nacht mitschwang, vertrieb auch die letzten Reste von Müdigkeit und schuf für Augenblicke eine tiefe, wohltuende Leere hinter ihrer Stirn, in der nicht einmal Platz für Gedanken war, sondern nur noch für Ruhe und ein Gefühl des Friedens und der Einsamkeit. Für einen kurzen Moment war sie sich ihres Körpers mit seltener Klarheit bewusst, spürte jeden Quadratmillimeter ihrer Haut, jedes Haar, das sanfte Streicheln des Windes, die Berührung des Sonnenlichtes, alles mit einer Intensität, die sie niemals kennengelernt hatte vor ihrem Umzug hier heraus. Augenblicke wie diese entschädigten sie immer wieder für die harte Arbeit und die Umstellung, die er mit sich gebracht hatte. Und in solchen Momenten fand sie Zeit, über sich und ihre Lage nachzudenken.

Sie bereute nichts.

Noch vor einem halben Jahr hätte sie jeden ausgelacht, der ihr prophezeit hätte, sie würde in nicht allzuferner Zukunft ihre Tage damit verbringen, Schweine und Hühner zu füttern, Ställe zu entmisten und ein zwei Mal vier Schritte messendes Gemüsebeet zu bestellen, zusammen mit den tausend anderen kleinen und großen – und zum allergrößten Teil lästigen – Aufgaben, die das Leben auf einem Bauernhof nun einmal so mit sich brachte. Aber genau das war passiert. Und das Schlimme daran war, dachte sie spöttisch, dass es ihr Spaß machte. Sie mussten nicht von dem leben, was der Hof abwarf, und wenn sie sich trotzdem um die Tiere und den Gemüsegarten kümmerte – der überdies für zwei Personen um mehrere Nummern zu groß geraten war –, dann nur aus Begeisterung.

Und diese Begeisterung war keineswegs nach einiger Zeit verschwunden – wie in den meisten solcher Fälle üblich –, sondern im Gegenteil von Tag zu Tag gewachsen. Sie hatte sich in überraschend kurzer Zeit an das Leben hier draußen gewöhnt, und sie hatte vom ersten Augenblick an begonnen, es zu lieben. Der Wandel vom lärm- und stressgewöhnten Großstadtmenschen zur Bäuerin war ihr überraschend leicht gefallen. Leichter sogar, als sie selbst zu hoffen gewagt hatte.

Sie hatte die alte Liz, die an Partys, schnelle Autos, Großstadtlärm und Smog und teure Restaurants gewöhnt war, wie eine zu klein gewordene Haut einfach abgestreift und war mit einer fast selbstverständlichen Gelassenheit und Ruhe in ihre neue Rolle geschlüpft; ein Schmetterling, der sich zum zweiten Male verpuppte und als Raupe wieder erwacht war. Aber als eine Raupe, die sich wohlfühlte – und die ihre Flügel außerdem im Kleiderschrank hängen hatte und jederzeit wieder überstreifen konnte, was erheblich dazu beitrug, die Raupe ihre Rolle noch leichter tragen zu lassen. Sie hatte die Flügel noch nie gebraucht, aber allein die Tatsache, dass sie da waren, hatte etwas Beruhigendes.

Nein – sie vermisste nichts. Im Gegenteil. Der Umzug hier heraus hatte ihr nichts genommen, sondern ihr Leben um eine ungeheure Palette neuer und schöner Dinge bereichert. Sie liebte den Geruch frisch umgegrabener Erde, den Duft von frischem Heu und die Geräusche der Tiere unten im Stall, die jetzt bereits die Wärme und das Sonnenlicht witterten und ungeduldig darauf warteten, hinausgelassen zu werden. Jetzt, nach sechs Monaten und dem Wechsel in eine vollkommen neue Welt und ein genauso neues Leben, erschien es ihr fast unglaublich, dass sie sich einmal in der lauten, glitzernden Welt der Städte wohlgefühlt haben sollte. Wenn ihre Freundinnen zu Besuch kamen (was jetzt seltener geschah – früher, als sie frisch verheiratet und gerade hier herausgezogen waren, waren sie oft gekommen, aber der Reiz des Neuen hatte schnell nachgelassen. Im gleichen Maße, in dem ihre Bekannten zu begreifen begannen, dass ihre Flucht aus der Stadt mehr als eine vorübergehende Laune war und der insgeheim voller Schadenfreude erwartete Katzenjammer ausblieb, ließen auch die Besuche mehr und mehr nach), ja, wenn sie jetzt Besuch aus der Stadt bekam, dann musste sie sich immer öfter ein mitleidiges Kopfschütteln verkneifen, wenn sie die neuesten ach-so-interessanten Partygeschichten hörte.

Und die Veränderung hatte nicht nur ihr Inneres ergriffen. Auch ihr Körper hatte sich überraschend schnell dem Leben hier draußen angepasst. Sie war eine neue Liz, zwar noch die gleiche schlanke junge Frau mit dem kurzgeschnittenen schwarzen Haar, den dazu passenden dunklen Augen und einem Mund, über den sie sich jeden Tag ärgerte, seit sie alt genug geworden war, zum ersten Mal bewusst in einen Spiegel zu sehen. Er war zu groß. Er war zu groß gewesen, als sie ein Kind gewesen war, und daran hatte sich nichts geändert, obwohl aus dem hässlichen Entlein von damals mittlerweile der sprichwörtliche Schwan geworden war. Sie war keine Schönheitskönigin. Aber aus dem hässlichen, vorlauten kleinen Mädchen war eine halbwegs hübsche, vorlaute junge Frau geworden. Und hier draußen war sie gewissermaßen zum zweiten Mal geboren worden. Nicht jünger. Nicht schöner oder hässlicher – aber anders. Unter ihrer glatten, make-up-verwöhnten Haut waren harte Muskeln herangewachsen. Ihr Teint war jetzt dunkler und zugleich frischer geworden, und sie geriet jetzt nicht mehr außer Atem, wenn sie mehr als zehn Stufen hintereinander hinauflief.

Sie öffnete die Augen, lehnte sich weit hinaus und ließ den Blick über den Hof schweifen. Sie begann jeden Tag mit diesem Rundblick, unabhängig vom Wetter oder der Zeit. Der Anblick war ihr in den letzten Monaten vertraut geworden, aber sie genoss ihn jeden Morgen neu, und er erfüllte sie immer noch mit der gleichen Mischung aus Besitzerstolz und Unglauben, dass das alles wirklich ihnen gehören sollte.

Der Hof war nicht groß, aber wie alles war auch der Begriff Größe relativ – einer von Stefans typischen Sprüchen, mit denen er bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit um sich warf; hier passte er ausnahmsweise.

Für sie war er groß; auf seine Art sogar größer als die glas- und betongesäumten Straßen Frankfurts, in denen sie aufgewachsen war – ein asymmetrisches Viereck aus festgetrampeltem Lehm, zur Rechten von einem flachen, reetgedeckten Gebäude begrenzt, in dem früher einmal die Ställe untergebracht gewesen waren. Von ihrer erhöhten Warte aus wirkte es schräg und windschief, fast, als bewahre es nur eine Laune des Zufalls noch vor dem Umfallen. Aber sie wusste, dass das nicht stimmte – eine optische Täuschung, deren Grund sie bis heute nicht herausgefunden hatte. Das genaue Gegenteil war der Fall: Von allen Gebäuden des Hofes war der Stall noch am ehesten in einem Zustand, den man mit einigem guten Willen als leidlich bezeichnen konnte. Boden und Außenwände bestanden aus gegossenem Beton – was nach Stefans Worten ein Sakrileg ohnegleichen darstellte, aber wenn, dann war es ein sehr haltbares Sakrileg –, und das Strohdach war trotz seines Alters noch in einem erstaunlich guten Zustand. Damals hatten die Leute eben noch für die Ewigkeit gebaut. Sie hatten vor, den Stall später zur Hälfte in eine Garage mit angeschlossener Werkstatt umzubauen und in der anderen Hälfte einen großzügigen Partyraum einzurichten. Das betrachtete Stefan sonderbarerweise nicht als Sakrileg. Neben dem Stall befand sich eine wuchtige Balkenkonstruktion, drei Meter im Quadrat und mit schweren, pechimprägnierten Eisenbeschlägen versehen, unter der die längst ausgetrocknete Jauchegrube lag, zusätzlich gesichert mit einem rostzerfressenen Gitter aus daumendicken Stäben, die irgendein besorgter Vorbesitzer vor dreißig oder mehr Jahren angebracht hatte, um zu verhindern, dass jemand in die Grube fiel und an seinem eigenen Mist erstickte. Links der Schuppen, höher und wuchtiger als der Stall, aber in einem wesentlich schlechteren Zustand. Irgendwann einmal würden sie ihn abreißen, wenn er nicht vorher von selbst zusammenfiel wie ein Kartenhaus, und stattdessen einen überdachten Swimming-Pool dort anlegen. Im Moment stand er so gut wie leer und beherbergte außer Stefans feuerrotem Jaguar nur noch das Wrack eines rostzerfressenen Traktors, den sie – ohne es zu wissen – zusammen mit dem Hof und einem ganzen Sammelsurium rostigen Gerumpels gekauft hatten und der wahrscheinlich noch aus der Zeit vor der letzten Sintflut stammte. Später, wenn der Verkauf von Stefans neuem Roman – und damit die Tantiemenzahlungen – richtig angelaufen waren und ihr geschröpftes Bankkonto sich erholt hatte, würden sie vielleicht einen neuen Traktor anschaffen und auf einem der jetzt brachliegenden Felder Mais oder Hafer anpflanzen. Vielleicht auch nur Sonnenblumen, dachte Liz spöttisch. Es brachte gewisse unbestreitbare Vorteile mit sich, nicht von dem leben zu müssen, was der Hof erwirtschaftete.

Carry, der schottische Schäferhund, der darüber wachte, dass niemand kam und ihnen nachts den Hof über dem Kopf wegstahl, bellte ein fröhliches Guten Morgen zu ihr hinauf, und wie zur Antwort erklang vom Misthaufen hinter dem Stall das Kikeriki Sir Winstons, ihres Hahns. Zusammen mit dem halben Dutzend Hühner, das sich bis heute weigerte, auch nur ein einziges Ei zu legen, einem lebenden Rasenmäherin Gestalt eines Schafes und drei grauen Stallhasen bildeten sie ihr ganzes Vieh. Nicht sehr viel im Vergleich mit den anderen Höfen in der Nachbarschaft, aber dafür Vieh, das in einer ungleich glücklicheren Lage war, denn wenn sie nicht vorher der Schlag traf oder sie an Überfettung starben, würden sowohl die Hühner als auch die Hasen – Liz hatte jedem von ihnen einen Namen gegeben und sie in ihr Herz geschlossen – wohl ihr hundertstes Dienstjubiläum hier auf dem Hof feiern. Allein der Gedanke, sie zu schlachten oder gar zu essen, bereitete Liz echte körperliche Übelkeit.

Ihr Blick wanderte weiter und verharrte am zerfallenen Gerippe des ehemaligen Gemeindehauses, von dem nur noch ein paar baufällige Mauerreste und geschwärzte Dachsparren übrig geblieben waren. Wie immer blieb Liz’ Blick ein wenig länger an dem Gemeindehaus hängen. Sie wusste nicht, warum, aber sie hatte in dieser halbverkohlten Ruine schon immer etwas Besonders gesehen. Auf eine schwer zu beschreibende Art wirkte sie zugleich abstoßend und faszinierend. Aus einem bestimmten Blickwinkel betrachtet, wirkten die versengten Dachbalken wie das Gerippe eines gigantischen Urzeittieres, das den Abgrund der Zeit überwunden hatte, um hier zu sterben.

Natürlich hatten sie sich erkundigt, was damals hier geschehen war, vor gut dreißig Jahren – genauer gesagt, sie hatten es versucht. Es war lange her, fast ein halbes Menschenalter, und niemand schien heute mehr zu wissen, was damals wirklich passiert war, ob – und wenn ja – wie viele Menschenleben der Brand gefordert hatte, wie er überhaupt ausgebrochen war. Für eine Weile war Liz beinahe überzeugt gewesen, dass die Menschen hier in der Gegend einfach nicht über das reden wollten, was damals geschehen war, aus welchem Grund auch immer. Vielleicht gab es ein finsteres Geheimnis um diese Ruine und das Feuer, eine ostfriesische Variante von McBeth, eine finstere Geschichte um Intrigen, Verrat und Mord, die in einem flammenden Inferno geendet hatte. Vielleicht war es auch nur die Unachtsamkeit eines Knechtes gewesen, der im Bett geraucht hatte und zu spät merkte, dass die Asche, die auf den Boden fiel, seine eigene war. Am wahrscheinlichsten – aber auch am langweiligsten, dachte Liz – war es etwas so Banales wie eine umgestoßene Petroleumlampe gewesen oder ein Funke, der aus dem Ofen fiel. Trotzdem favorisierte sie ganz persönlich den Gedanken um eine große Tragödie. Er gefiel ihr. Und sie war der Meinung, dass zu einem Hof wie diesem ein bisschen Spuk gehörte.

Aber gleich, was es nun wirklich gewesen war – ein dummer Zufall oder eine niemals niedergeschriebene Tragödie –, es war ein entsetzliches Feuer gewesen. Die Flammen hatten nichts verschont, was auch nur irgendwie brennbar gewesen wäre. Die Balken dort unten hatten sich in pure Holzkohle verwandelt, und selbst die wenigen Mauerreste waren zu schwarzer Schlacke geworden, die nur noch ihr eigenes Gewicht zusammenhielt. Bis heute war es ihr rätselhaft geblieben, dass der Brand damals nicht auf die übrigen Gebäude des Hofes übergegriffen hatte. Das zweistöckige Wohnhaus war wie die Stallungen und der Schuppen strohgedeckt. Ein einziger Funken musste hier genügen, um eine Katastrophe auszulösen. Aber es war nichts geschehen. Ein gnädiges Schicksal oder vielleicht auch nur eine Laune des Windes hatten den Hof davor bewahrt, ein Raub der Flammen zu werden.

Gottlob, dachte sie sarkastisch. Sonst hätten Stefan und sie es nicht für einen Spottpreis erwerben und sich den Traum vom alternativen Leben erfüllen können.

Hinter der Ruine des Gesindehauses markierte der Zaun die Grenze des eigentlichen Gehöftes – oder sollte es jedenfalls tun. Im Moment bestand er lediglich aus einigen wenigen schrägstehenden Pfählen, zwischen denen man sich den dazugehörigen Draht zu denken hatte. Dahinter begann das wellige Grün der Wiese, auf der das Gras den Kampf gegen den wild wuchernden Klee schon lange aufgegeben hatte, schließlich ein schmaler Weg – eigentlich nur eine ausgefahrene Spur voller Steine und Erdbuckel, und dahinter endlich dichter Mischwald, aus dem manchmal kleine silberne und goldene Funken stoben – Sonnenlicht, das sich auf dem Wasser des kleinen Sees brach, der sich dahinter verbarg.

Bis zum jenseitigen Ufer dieses Sees reichte ihr Besitz, sogar noch ein Stück weiter, obwohl der Boden dort so sumpfig war, dass ihr Besitzanspruch dort nur mehr rein juristische Bedeutung hatte. Seltsam; sie lebten jetzt seit einem halben Jahr hier draußen – sechseinhalb Monate, wenn man es genau nahm –, aber sie hatte es immer noch nicht fertiggebracht, ihren gesamten Grund und Boden in Augenschein zu nehmen. Dieser Wald dort drüben zum Beispiel: jeder einzelne Baum, jeder Fußbreit Boden, jeder herabgefallene Ast und jeder Busch gehörten ihnen, aber sie war niemals tiefer als zwei-, dreihundert Schritte weit hineingegangen, auch nicht während der ersten Wochen, als sie die Arbeit auf dem Hof noch nicht so sehr in Anspruch genommen hatte wie jetzt.

Irgendwann würde sie es nachholen.

Irgendwann …

Liz lächelte, aber sie war selbst nicht ganz sicher, ob es ein spöttisches oder resignierendes Lächeln war. Es gab eine Menge Dinge, die sie sich irgendwann einmal nachzuholen vorgenommen hatte. Zu viele. Sie hatte geglaubt, hier etwas von der Ruhe zu finden, die sie in der Stadt immer vermisst hatten, aber das genaue Gegenteil war der Fall gewesen. Das ruhige Landleben war nicht annähernd so ruhig, wie die dachten, die es nicht kannten. Seit sie hier herausgezogen waren, hatte sie weniger Zeit für sich als je zuvor.

Sie waren aus der Stadt geflohen, um ihrem Lärm und dem hektischen Leben zu entgehen, und Hals über Kopf in eine Fülle neuer und unerwarteter Verpflichtungen gestolpert. Tatsache war, dass sie praktisch jede Minute des Tages verplanen musste, um mit ihrer Arbeit auch nur halbwegs zurande zu kommen. Dabei bewirtschafteten sie den Hof nicht einmal wirklich. Die Arbeit hier draußen war hart, und sie musste die Zeit des Tages, die wirklich noch ihr gehörte, jetzt nach Minuten statt wie früher nach Stunden zählen.

Aber sie musste gerecht sein – es war ein Stress ganz anderer Art als früher. Einer, aus dem sie Kraft gewann. Sie hatte lange gebraucht, bis ihr der Unterschied klar geworden war. Das Leben hier draußen war hart, aber im Gegensatz zu dem in der Stadt gab es ihr mehr, als es von ihr forderte.

Hinter ihr regte sich Stefan.

Sie drehte sich langsam um, stützte die Ellbogen auf der schmalen Fensterbank auf und betrachtete ihn zärtlich. Er schlief nicht mehr ganz, aber er war auch noch nicht ganz wach. Er war schon immer ein Langschläfer gewesen, und die gute Luft und die ungewohnte körperliche Arbeit sorgten jetzt mehr denn je dafür, dass er selten vor Mittag aus den Federn kam; der Grund zahlloser kleiner Kabbeleien zwischen ihnen, denn bei Liz war das genaue Gegenteil der Fall: Sie wusste selbst nicht genau, warum, aber aus der jungen Frau, die früher selten vor zehn aus den Federn gekommen war, war eine Frühaufsteherin geworden. Stefan dagegen schien sich allmählich in ein Murmeltier zu verwandeln. Wenn sie nicht auf ihn Acht gab, dachte sie, dann würde er eines Tages überhaupt nicht mehr aufwachen, sondern in einen sechsmonatigen Winterschlaf fallen.

Wieder bewegte er sich im Halbschlaf. Sein Gesicht wirkte auf dem buntgemusterten Kopfkissen schmaler, als es war, und das grelle Sonnenlicht ließ die kleinen Unreinheiten seiner Haut überdeutlich hervortreten, wie auf einer jener ganz bewusst körnig gehaltenen Fotografien – oder einer schlechten Fotokopie. Trotzdem wirkte er auf schwer in Worte zu fassende Weise jung: Stefan gehörte zu den beneidenswerten Menschen, die nie zu altern schienen. Er hatte wie neunzehn ausgesehen, als sie ihn kennengelernt hatte, und er war bis heute um keinen Tag älter geworden. Dabei war er damals neunundzwanzig gewesen, und in knapp drei Wochen würde er seinen fünfunddreißigsten Geburtstag feiern. Nicht einmal der sorgsam gestutzte Vollbart vermochte an diesem Eindruck etwas zu ändern. Stefan sah einfach immer aus wie neunzehn, gleich, ob er nun seinen abgewetzten Jeans-Anzug und ein verwaschenes Baumwollhemd oder einen Smoking trug, ob er mit ihr herumalberte oder auf allen vieren auf dem Teppich herumkroch, um mit einer jungen Katze zu spielen, oder im Scheinwerferlicht vor einem mit tausend Leuten besetzten Auditorium saß und vorlas – er sah aus wie neunzehn, und nichts, rein gar nichts, konnte irgendetwas daran ändern.

Und trotz dieses jugendhaften Aussehens war in seinem Gesicht etwas, das einen genau spüren ließ, dass er nicht das Kind war, das zu sein er gerne vorgab, eine Art … Ernsthaftigkeit und – ja, dachte Liz, auch wenn sie das Wort normalerweise für albern hielt und es nie benutzte – beinahe Würde, die nicht in, sondern vielmehr hinter seinen Zügen verborgen schien. Als wären die schmalen Augen mit den buschigen Brauen, die dünne, wie mit einem Lineal gezogene Nase und der Mund mit seinen stets zu einem freundlichen Lächeln verzogenen Lippen nichts als eine Maske, hinter der der wahre Stefan nur undeutlich und manchmal sichtbar wurde.

Es war gerade dieses sonderbar Zwiespältige gewesen, was Liz vom ersten Moment so sehr an ihm fasziniert hatte, das Zwiespältige in seinem Aussehen wie auch in seinem Wesen.

Sie hatten sich in Frankfurt kennengelernt, auf der ersten – und vorletzten – Buchmesse, die sie je besucht hatte. Sie war in Frankfurt geboren, in Frankfurt aufgewachsen und in Frankfurt zur Schule gegangen, und mit Ausnahme des obligatorischen Urlaubs auf Mallorca oder Ibiza, zu dem sie ihre Eltern jedes Jahr mitnahmen, hatte sie Frankfurt auch niemals verlassen. Und sie hatte auch nie zuvor eine Buchmesse besucht.

Bücher interessierten sie nicht – Stefan hatte sie später einmal eine literarische Kannibalin genannt –, und hätte ihr irgendjemand prophezeit, dass sie einmal einen Schriftsteller heiraten würde, hätte sie ihn schlichtweg ausgelacht.

Aber es war geschehen.

Sie war auch nur mit zu dieser Buchmesse gegangen, um dem Drängen einer Freundin nachzugeben, und sie hatte diesen kleinen Gefallen bereits bereut, als sie in der Schlange vor der Kasse gewartet und sich die Beine in den Bauch gestanden hatte.

Fünfundzwanzig Minuten, nur um sich anschließend zwei Stunden durch endlose, überfüllte Gänge voller rücksichtsloser Menschen und stickiger Luft zu quälen.

Irgendwo in diesem entsetzlichen Gedränge hatte sie ihre Freundin dann auch noch verloren, und nach einer Stunde vergeblichen Suchens hatte sie aufgegeben und war regelrecht geflohen. All diese lärmenden, lauten, drängelnden Menschen gaben ihr das Gefühl, nicht mehr atmen zu können. Die grellen Farben beleidigten ihr Auge, und die ungeheuren Mengen bedruckten Papieres (Wer in Gottes Namen las das alles?!) schienen sie zu erschlagen.

Sie hatte nicht einmal stehenbleiben wollen, aber sie war einfach eingekeilt worden; unfähig, auch nur einen Schritt vor oder zurück zu tun.

Und dann hatte sie ihn gesehen: einen jungen Mann in Jeans und kariertem Baumwollhemd, der auf einem der billigen weißen Plastik-Stühle an den Verlagsständen saß und auf seine Weise ebenso verloren und erschreckt aussah wie sie. Natürlich hatte sie nicht gewusst, wer er war. Aus irgendeinem Grund hatte er ihr einfach Leid getan, sie hatte sich mit Ellbogen und Knien aus der verkeilten Masse herausgearbeitet und ihn einfach angesprochen. Sechs Monate später hatten sie geheiratet.

Stefan gähnte geräuschvoll, ohne dabei die Augen zu öffnen. Seine Hand tauchte unter der Bettdecke auf und tastete verschlafen nach der Stelle an seiner Seite, wo sie normalerweise lag, fand aber nur das leere Bett.

Die Erkenntnis, dass Liz schon auf war, schien ihn endgültig zu wecken. Er blinzelte, hob müde den Kopf und starrte einen Atemzug lang auf das Laken, auf dem sich noch deutlich die Umrisse ihres Körpers abzeichneten.

»Guten Morgen«, sagte Liz.

Sein Kopf flog verdutzt herum. »Eh?«

»Ich sagte, guten Morgen, Langschläfer«, wiederholte sie. »Ich dachte schon, du wirst überhaupt nicht mehr wach.«

Stefan blinzelte in das grelle Sonnenlicht, vor dem sich ihre Gestalt nur als schwarzer, tiefenloser Schatten abzeichnete. »Wieso … ich …« Er brach verwirrt ab, gähnte und verrenkte sich halbwegs den Nacken, um auf den Wecker sehen zu können. Er blinzelte. Ein erst verwirrter, dann ungläubiger Ausdruck erschien auf seinem Gesicht.

»Morgen?«, fragte er schließlich. »Wieso Morgen? Es ist mitten in der Nacht.« Seine Stimme wurde vorwurfsvoll. »Das ist Mord!«

»Es ist fünf Uhr.«

Stefan gähnte demonstrativ. »Sag ich doch. Mitten in der Nacht.« Er gähnte erneut, ließ den Kopf wieder in das Kissen fallen und zog die Decke bis zur Nase hoch. »Jemanden um diese Zeit zu wecken ist Körperverletzung«, nuschelte er. »Vorsätzliche Körperverletzung!«

»Für dich vielleicht.« Liz seufzte, stieß sich vom Fensterbrett ab und ging zum Bett hinüber, um mit einer einzigen Bewegung die Decke herunterzureißen. »Wenn du schon wach bist, kannst du genauso gut aufstehen und mir helfen, das Frühstück zu machen.«

»He! Moment mal. Ich :..«

Sie bückte sich, hob das Kopfkissen vom Fußboden auf und erstickte seinen Protest mit einem wohlgezielten Wurf. »Ich setze schon mal Wasser auf«, sagte sie, während sie zur Tür ging. »Beeil dich.«

»Aber es ist fünf Uhr früh, und …«

»Fünf Uhr siebzehn, um genau zu sein«, korrigierte ihn Liz nach einem Blick auf den Wecker. »Und es tut dir ganz gut, einmal ausnahmsweise vor dem Mittagessen aufzustehen. Wir wollen heute in die Stadt fahren, vergiss das nicht.«

»Aber doch nicht mitten in der Nacht!«, kreischte Stefan in gespielter Verzweiflung. »Weißt du, wann ich ins Bett gekommen bin?« Er zog eine vorwurfsvolle Grimasse. »Ich habe bis eins gearbeitet, verfluchtes Weib!«

Liz schenkte ihm ein zuckersüßes Lächeln und zog die Tür hinter sich ins Schloss.

2

Die Illusion, sich in einem behaglich eingerichteten Heim zu befinden, zerplatzte wie eine Seifenblase, als sie auf den Korridor hinaustrat und zur Treppe ging.

Das Haus war alt, uralt sogar, mindestens zwei- oder dreihundert Jahre, vielleicht sogar mehr. Sein genaues Alter war nicht mehr festzustellen gewesen, und während der letzten dreißig Jahre hatte – mit Ausnahme eines irischen Ehepaares, das das Haus kurz vor ihnen erworben hatte, den Kampf gegen die baufälligen Gemäuer und den unermüdlich nagenden Zahn der Zeit aber schon bald wieder aufgab und fortgezogen war – niemand mehr auf dem Anwesen gelebt.

Entsprechend war sein Zustand gewesen, als sie hierher gekommen waren. Sie hatten zwei Wochen Tag und Nacht geschuftet, um wenigstens einen Teil des ehemaligen Wohnhauses wieder bewohnbar zu machen. Liz erinnerte sich noch gut an die Mischung aus Entsetzen, Unglauben und abgrundtiefer Enttäuschung, die sie gespürt hatte, als sie das allererste Mal hier herausgekommen waren.

Sie hatten das Haus gekauft, ohne es auch nur gesehen zu haben. Der Preis war ein Witz gewesen – allein der Grund und Boden musste das Dreifache wert sein, selbst hier –, und als sie im Büro des Maklers gesessen hatten, da hatte alles sehr einleuchtend logisch ausgesehen. Der Makler hatte kein Hehl daraus gemacht, dass das Anwesen stark renovierungsbedürftig war, aber sie waren alle drei der Meinung gewesen, dass sich der Kauf schon als Kapitalanlage lohnte.

Trotzdem hatten sie nicht gewusst, dass sie praktisch eine Ruine erworben hatten. Liz war den Tränen nicht nur nahe gewesen, als sie das erste Mal hier herauskamen – sie hatte vor Enttäuschung geweint, und selbst Stefans unerschütterlicher Optimismus hatte einen spürbaren Dämpfer bekommen.

Natürlich hatten sie so ziemlich alles falsch gemacht, was man nur falsch machen konnte.

Sie waren beide übermüdet gewesen, denn sie waren die Nacht durchgefahren, um möglichst schnell zu ihrem neuen Domizil zu kommen. Sie hatten die vergangenen Wochen mit praktisch nichts anderem zugebracht, als über ihr neues Zuhause zu reden, es in Gedanken um- und auszubauen und einzurichten, bis sie sich selbst in eine Euphorie hineingesteigert hatten, die sie etwas nur wenig Kleineres als den Buckingham-Palast erwarten ließ. Und sie waren im Herbst gekommen, an einem diesigen, windig-kalten Morgen, kurz nach Sonnenaufgang. Das Haus war kalt gewesen und dunkel, es hatte durch alle Fenster und Türen gezogen, und die Feuchtigkeit, die jeden Quadratzentimeter des Hauses durchdrang wie einen gewaltigen schmuddeligen Schwamm, ließ mannsgroße Vorhänge aus Spinnweben wie nasse Lappen von Decken und Balken hängen. Den staubigen Geruch nach Alter und Verfall glaubte sie selbst heute noch in der Nase haben.

Aber sie hatten es geschafft. Der ersten Enttäuschung waren – zumindest bei ihr – Trotz und kurz darauf ein fast übermächtiges Jetzt erst recht-Gefühl gefolgt. Sie hatten gearbeitet, wie die Wilden gearbeitet: Fußböden und Decken herausgerissen, Wände verputzt und gekalkt, Fenster und Türen gestrichen, Scheiben ausgewechselt und Stromkabel verlegt. Sie hatten Unmengen von Geld und noch mehr Energie in dieses Haus gesteckt. Irgendwann innerhalb dieser ersten vierzehn Tage hatte sie das Gefühl gehabt, dass Stefan und sie sich zu verwandeln begannen, in kalkweiße Gespenster mit entzündeten roten Augen, die nach Farbe rochen, Staub atmeten und sich nur noch mit schnellen, heftigen Gesten bewegten und ständig gereizt waren, weil sie kaum mehr als drei Stunden Schlaf pro Nacht bekamen.

Aber dieses Haus war kein Haus, sondern ein Moloch, ein großer, schweigender Moloch, der ihren Anstrengungen Hohn sprach und Arbeit und Material und Geld und Schweiß schluckte, ohne mehr als nur winzige Spuren davon zurückzulassen. Selbst jetzt noch wirkte es mehr wie eine Ruine als ein von Menschen bewohntes Heim. Ganz objektiv gesehen war es das wohl auch, trotz allem.

Selbst in diesem Teil des Hauptgebäudes, auf den sie ihre Anstrengungen in den letzten sechs Monaten konzentriert hatten, waren die Spuren des Zerfalls unübersehbar. Der Putz war an vielen Stellen gerissen oder ganz von der Wand gefallen, so dass die alten, schwarzgebrannten Steine der Grundmauern sichtbar geworden waren. Zwischen den ausgetretenen Fußbodenbrettern sah die Strohfüllung der darunterliegenden Zwischendecke hervor, und die Türen hingen aufgequollen und verzogen in den Angeln. Mit Ausnahme der Schlafzimmertür gab es im ganzen Haus keine einzige, die nicht erbärmlich quietschte, wenn man sie bewegte. Die Leute, die den Hof vor ihnen bewirtschaftet hatten, schienen nicht viel für den Erhalt der Gebäude getan zu haben. Sie hatten die aller notwendigsten Reparaturen ausführen lassen, Strom, fließendes Wasser und ein paar Tiere angeschafft – und das Gut nicht einmal ein Jahr später wieder verkauft. Die wenigen Spuren, die sie vielleicht hinterlassen haben mochten, hatte die Zeit ausgelöscht.

Sie ging in die Küche hinunter und stellte den Wasserkessel auf den modernen Mikrowellenherd, der zwischen dem uralten Kachelofen und der wuchtigen Porzellanspülschüssel vollkommen deplatziert und verloren wirkte. Dann zündete sie sich ihre erste Morgenzigarette an, schlenderte zum Tisch und ließ sich – immer noch in Gedanken versunken – auf den dreibeinigen Schemel am Fenster nieder. Sie fröstelte. Es war kühl in der Küche. In den Ecken nistete noch Feuchtigkeit, und die Sonne hatte noch nicht die Kraft, die Kälte der Nacht vollends zu vertreiben.

Sie nahm einen tiefen Zug aus ihrer Zigarette, legte den Kopf in den Nacken und setzte sich so, dass sie die durch das schmale Fenster hereinfallenden Sonnenstrahlen auf dem Gesicht spüren konnte. Ja – für einen Fremden musste es schwer sein, mit den Menschen hier in Kontakt zu kommen. Sie und die Einsamkeit waren die beiden größten Hindernisse, die es zu überwinden galt. Der nächste Ort war gute fünf Kilometer entfernt, und dazwischen gab es nichts außer Seen und Wald und Wiesen und Mooren und ein paar kleineren Höfen.

In den ersten Wochen waren sie viel unterwegs gewesen und hatten alle Nachbarn besucht und sich vorgestellt. Aber sie hatten rasch herausgefunden, dass die Menschen hier kaum Wert auf ein freundschaftliches oder auch nur gutnachbarliches Verhältnis zu den neuen Besitzern von Eversmoor legten. Sie waren nicht feindlich, nicht einmal abweisend, aber ihre ganze Art war kühl, von einem über unzählige Generationen weitervererbten Misstrauen jeglichem Fremden gegenüber bestimmt. Es gab eine unsichtbare Barriere zwischen ihnen und den Menschen hier. Sie waren als Fremde gekommen, und sie würden noch sehr lange Fremde bleiben.

Stefan und ihr machte dieses Verhalten nicht allzu viel aus – schließlich waren sie eigens hier herausgezogen, um allein zu sein. Sie hatten Zeit, Monate, Jahre, wenn es sein musste, und irgendwann einmal würde der Bann brechen. Irgendwann einmal würde es ihnen gelingen, die Kluft zu überbrücken, die sie von den Menschen hier trennte, und sie würden neue Bekannte und vielleicht sogar Freunde finden. Eine Aufgabe, die viel Geduld erforderte, aber sie waren beide bereit, diese Geduld aufzubringen. Es mochte Menschen geben, denen die Isolation hier draußen unerträglich war, die letztlich daran verzweifelten. Vielleicht waren die Vorbesitzer des Hofes solche Menschen gewesen.

Der Wasserkessel erwachte pfeifend zum Leben, und auf der Treppe wurden Stefans Schritte laut.

Sie sah auf, zerdrückte ihre Zigarette im Aschenbecher und ging zum Herd, um den Kessel herunterzunehmen. Sie bückte sich, nahm zwei Tassen und das Glas mit Kaffeepulver aus dem Schrank und suchte nach einem Löffel.

Stefan erschien unter der Tür, ungewaschen, mit einer verstrubbelten Igelfrisur und gespieltem Zorn auf den Zügen. »Was erdreistest du dich eigentlich, Weib«, sagte er theatralisch, »deinen Ernährer auf so unverschämte Weise um seinen wohlverdienten Schlaf zu bringen? Du weißt, was geschieht, wenn man mich reizt!« Er rollte mit den Augen, ließ den Unterkiefer ein wenig herunterhängen und hob die Hände, um ein Frankenstein-Monster zu imitieren.

»Setz dich hin und trink deinen Kaffee«, sagte Liz spöttisch. »Ernährer!« Sie balancierte mit einem Tablett voller Tassen und Teller zum Tisch und setzte es klirrend ab.

Stefan betrachtete stirnrunzelnd das Sammelsurium von Geschirr. »Erwartest du eine Kompanie Soldaten zum Frühstück?«

»Nein. Ich habe nur die kläglichen Überreste unseres Geschirrs zusammengesucht. Wenn du dich endlich dazu aufraffen könntest, den Schrank wieder dahinzuhängen, wo er hingehört …« Sie ließ das Ende des Satzes offen und deutete anklagend auf den Schrank, der immer noch auf dem Fußboden stand und darauf wartete, wieder an seinen angestammten Platz zurückbefördert zu werden. Stefan hatte vor vier Wochen damit begonnen, die Küche neu zu kalken und zu streichen. Seitdem standen die diversen Möbelstücke, die zu schwer waren, als dass Liz sie allein bewältigen konnte, in chaotischer Unordnung auf dem Boden.

Stefan zog den Kopf zwischen die Schultern und tauchte den Löffel in seine Tasse. »Heute Nachmittag …«, begann er.

»Heute Nachmittag fahren wir in die Stadt«, unterbrach ihn Liz bestimmt. »Du hast es versprochen, vergiss das nicht. Ich muss unbedingt einkaufen. Wir haben kaum noch etwas im Haus.«

Stefan strahlte. »Siehst du! Wenn ich schon einmal etwas tun will, hinderst du mich daran.«

Liz verzichtete vorsichtshalber auf eine Antwort. Sie hatte sich – gezwungenermaßen – mit Stefans seltsamer Art zu arbeiten abgefunden. Was nicht hieß, dass sie alles hinnahm. Sie wusste, dass Stefan alles, was er tat, gut tat, aber er war der chaotischste Mensch, den sie jemals kennengelernt hatte. Es konnte passieren, dass er fünf Dinge gleichzeitig anfing und dann mittendrin aufhörte, um sich einer sechsten Aufgabe zuzuwenden, die er vielleicht auch wieder abbrach und nach Tagen, Wochen oder gar Monaten zu Ende brachte. Oder auch nie. Das schlug sich nicht nur in der Hausarbeit nieder. Bei seiner Schriftstellerei war es dasselbe. Manchmal hämmerte er wochenlang auf seiner Schreibmaschine herum, ohne einen vernünftigen Satz zustande zu bringen, und dann schrieb er in zwei Monaten einen Roman, der seinen Namen unter die ersten zehn auf der Bestsellerliste katapultierte. Sie führten seit dem ersten Tag einen zähen, listenreichen Kleinkrieg gegeneinander, in dem einmal er, einmal sie im Vorteil war, ein Grabenkrieg, in dem er seine angeborene Ruhe und seine schon fast ans Phlegmatische grenzende Gelassenheit gegen ihre unruhige Energie und ihre plötzlichen, schnell verrauchten Wutausbrüche ins Feld führte. Wirklich ändern würde sie ihn nie, und im Grunde wollte sie das auch gar nicht. Eigentlich mochte sie ihn so, wie er war. Meistens, jedenfalls.

»Ich sehe nicht ein«, spann Stefan den Faden nach einer Weile fort, »warum du dein Geschirr nicht genauso gut in einen Schrank stellen kannst, der auf dem Boden …« Er brach ab, als er ihren Blick spürte, hüstelte gekünstelt und wechselte dann abrupt das Thema. »Wieso bist du eigentlich so früh auf?«

Liz zuckte unmerklich zusammen. Seine Worte weckten wieder die Erinnerung an diesen seltsamen, unheimlichen Schrei, den sie im Halbschlaf gehört hatte – oder zu hören geglaubt hatte, und um dessentwillen sie schließlich aufgestanden war. Sie versuchte erneut, ihn irgendwo einzuordnen, zu klassifizieren und in eine Schublade zu stecken, um ihm auf diese Weise etwas von seiner Bedrohlichkeit zu nehmen, aber es gelang ihr jetzt ebenso wenig wie vorhin. Schließlich zuckte sie mit den Achseln und trank einen Schluck Kaffee, ehe sie antwortete. »Ich dachte, ich hätte ein Geräusch gehört«, sagte sie ausweichend.

»Du dachtest?«

Sie atmete scharfein. »Gut, ich habe etwas gehört«, sagte sie unwirsch. »Ein Geräusch.«

»Was für ein Geräusch?«

»Keine Ahnung. Ein …« Sie brach ab, starrte ihr Spiegelbild in der Kaffeetasse an und suchte nach Worten. Obwohl die Erinnerung an jenen seltsamen, fremdartigen Laut noch deutlich in ihr war, fiel es ihr schwer, sie in Worte zu kleiden. Es hatte irgendwie fremd geklungen, ja, aber es war ein Laut, der sich weit über die Grenzen des Hörbaren hinaus erstreckte und irgendetwas in ihrer Seele zum Schwingen gebracht hatte. Vielleicht nicht einmal ein Geräusch im gewohnten Sinne, sondern ein tiefes, vibrierendes Seufzen, eine Art Klagelaut der Schöpfung, angsteinflößend und gleichzeitig selber voller Not und Pein.

»Ein Schrei, denke ich«, sagte sie schließlich, obwohl sie wusste, wie unzulänglich ihre Erklärung war. Der Laut entstammte nicht der Welt, in der sie lebten, und er war mit Worten aus ihrer Sprache nicht zu beschreiben.

»Ein Schrei?«

Sie nickte erneut. »Ich glaube jedenfalls, dass es ein Schrei war.«

Stefans Interesse war geweckt. Er konnte furchtbar stur sein, wenn ihn etwas interessierte, und es gab im Grunde kaum etwas, was sein Interesse nicht zu wecken vermochte. Es tat ihr schon fast leid, dass sie ihm überhaupt davon erzählt hatte. Gleichzeitig war sie erleichtert, mit jemandem darüber reden zu können.

»Was für ein Schrei?«, bohrte er weiter.

»Ich weiß es nicht«, entgegnete Liz mit einer deutlichen Spur von Ungeduld in der Stimme. »Vielleicht habe ich es mir auch nur eingebildet. Oder es war irgendein Tier. Ein Vogel oder ein streunender Hund.«

»Es gibt Füchse in den Wäldern«, sagte Stefan plötzlich. »Hast du schon einmal einen Fuchs schreien hören?«

Liz schüttelte stumm den Kopf und beugte sich tiefer über ihre Kaffeetasse.

»Sie wimmern wie kleine Kinder«, erklärte Stefan zwischen zwei Schlucken. »Es könnte wirklich ein Fuchs gewesen sein.«

»Möglich. Oder ein Vogel. Ein Käuzchen vielleicht oder eine Eule. Die Wälder hier sind voll davon.«

Stefan schüttelte den Kopf. »Ein Fuchs«, beharrte er. »Ich habe einmal einen jungen Fuchs schreien gehört – ich sage dir, wenn du nicht weißt, was es ist, läuft dir ein kalter Schauer den Rücken herunter.« Er stand auf, tat einen Löffel Kaffeepulver in seine Tasse und schüttete kochendes Wasser darauf.

Liz nickte nur stumm. Sie war froh, dass Stefan eine Erklärung gefunden hatte und nicht weiter bohrte. Auch wenn sie wusste, dass es kein Fuchs gewesen war, auch keine Eule oder irgendein anderes Tier. Obgleich sie auf der einen Seite erleichtert war, es getan zu haben, empfand sie auf der anderen eine unerklärliche Scheu davor, über ihr Erlebnis zu reden, ja, selbst darüber nachzudenken. Vielleicht war es ein bloßer Albtraum gewesen, nichts als die letzten pelzigen Fühler des Nachtmahres, die sie ein Stückweit hinüber ins Wachsein begleitet hatten. Aber im Gegensatz zu einem normalen Albtraum verblasste die Angst nicht mit der Zeit, sondern schien sich im Gegenteil noch zu vertiefen. Dabei konnte sie sich nicht einmal richtig an das Geräusch erinnern. Es hatte vielleicht wie ein Schrei geklungen, aber doch auch wieder anders …

Sie schüttelte die Erinnerung mit einer ärgerlichen Bewegung ab und zündete sich eine zweite Zigarette an.

Der Rauch schmeckte schal und faulig. Sie hustete, rang einen Moment nach Atem und nahm einen zweiten, tiefen Zug, um das brennende Kratzen in ihrer Kehle zu überdecken. Normalerweise drückte sie die Zigarette nach dem ersten Zug wieder aus, wenn sie ihr nicht schmeckte, aber sie wusste, dass sie dann wieder mit Stefan hätte reden müssen, und so rauchte sie weiter, froh, ihre Hände beschäftigt zu wissen und sich hinter einer trügerischen Mauer aus blauem Zigarettenrauch verbergen zu können. Stefan hatte seine zweite Tasse Kaffee geleert und schielte jetzt gierig auf ihre Zigarettenpackung.

Sie nahm das Päckchen mit einer schnellen Bewegung vom Tisch und ließ es in der Tasche verschwinden. »Du weißt, was dir der Arzt geraten hat«, sagte sie tadelnd. »Keine Zigaretten mehr vor dem Frühstück.«

»Aber ich habe doch schon …«

»Zwei Tassen Kaffee getrunken«, nickte Liz. »Ich weiß. Auch schon eine zu viel.«

»Eben! Die muss ich neutralisieren.«

»Mit Nikotin?«

»Selbstverständlich«, sagte er ernsthaft. »Siehst du, Schatz, Koffein wirkt auf das menschliche Nervensystem äußerst anstrengend, während Nikotin eine beruhigende Wirkung hat. Und durch die doppelte Portion Koffein befindet sich mein Nervenkostüm nun in heller Aufregung, so dass …«

Liz stöhnte ergeben und gab ihm eine Zigarette. Er grinste triumphierend, riss ein Streichholz an und nahm einen tiefen Zug. »Wenn es nach dir und meinem sogenannten Arzt ginge, dann dürfte ich bald überhaupt nichts mehr«, sagte er. »Keine Zigaretten, keinen Kaffee, keinen Alkohol …«

»Keine Frauen«, fügte Liz hinzu. »Jedenfalls keine außer mir.«

»Ich beginne zu begreifen, warum du hier herausziehen wolltest«, grollte Stefan.

»Reichlich spät, Liebling. Hier habe ich dich viel besser unter Kontrolle als in der Stadt. Der Kaffee ist rationiert, Zigaretten und Schnaps verwalte ich, und die einzige Frau in weitem Umkreis …«

»Du bist keine Frau«, fiel ihr Stefan ins Wort. »Du bist ein Monstrum. Glaube bloß nicht, dass ich dir nicht schon längst auf die Schliche gekommen bin. Ich weiß genau, dass du dich mit meinem Arzt verschworen hast. Das einzige, was ich noch darf, ist arbeiten. Und wozu?«

»Um mir ein angenehmes Leben und teure Hobbys finanzieren zu können, wozu denn sonst?«, entgegnete Liz ernsthaft.

Stefan grunzte, beugte sich über den Tisch und trank einen großen Schluck aus ihrer Kaffeetasse. Dann ließ er sich zurücksinken, grinste wie ein Schuljunge und verschränkte die Arme vor der Brust.

»Wann fahren wir?«, fragte er, während er einen perfekten Rauchring in die Luft blies.

Liz starrte dem Ring neidisch nach und zuckte mit den Achseln. »Nach dem Mittagessen, denke ich.«

»So spät?«

»Ich muss noch die Tiere versorgen«, erklärte sie geduldig. »Dann den Stall ausmisten, im Gemüsegarten Unkraut rupfen – und unser Wohnzimmer sieht aus, als wären Attilas Horden hindurchgezogen. Dreimal hintereinander.« Sie schüttelte den Kopf. »Du wolltest ja unbedingt eine Bäuerin aus mir machen, oder? Außerdem – während ich versuche, den Hof auf Vordermann zu bringen, könntest du ja mal wieder arbeiten, was meinst du?«

Stefan verzog das Gesicht, als hätte sie etwas Unanständiges von ihm verlangt. »Ich habe eine bessere Idee.«

»Ach?«

»Du ziehst dich rasch an und lässt deine zweidreiviertel Hühner auf die Koppel, und wir fahren direkt in die Stadt. Du erledigst am Vormittag deine Einkäufe, und wir gehen irgendwo gemütlich essen. Und danach machen wir uns einen schönen Tag.«

»Einen schönen Tag?«, wiederholte Liz ungläubig. »In Schwarzenmoor?«

Stefan nickte. »Du tust diesem malerischen kleinen Dorf und seinen freundlichen Bewohnern unrecht.«

»Und wer erledigt derweil die Arbeit?«

»Deshalb will ich ja so früh los«, entgegnete Stefan. »Erinnerst du dich an Ohlsberg?«

Natürlich erinnerte sie sich an Ohlsberg. Sie hatte ihn einmal gesprochen, und es war praktisch unmöglich, sich danach nicht an ihn zu erinnern.

Ohlsberg war wie dieses Land – alt, breitschultrig und knorrig. Es war unmöglich, sein Alter zu bestimmen. Er mochte fünfzig sein, aber auch siebzig oder hundert oder zweihundert. Natürlich erinnerte sie sich an ihn, aber die einzig wirklich klare Erinnerung war die des Alters. Sie versuchte, sich sein Gesicht vor Augen zu führen, aber es blieb ein verschwommener heller Fleck, voll von Runzeln und dünnen, wie mit einem Skalpell hineingeschnittenen Falten, der sich jedem Versuch entzog, ihn genauer zu betrachten und mehr als das Vordergründige zu erkennen und das, was zu sehen er erlaubte.

Alt, knorrig und abweisend allem Fremden gegenüber, das war Ohlsberg. Stefan nannte ihn den Dorfschulzen. Natürlich war das nicht sein richtiger Titel – wahrscheinlich nannte er sich Bürgermeister oder weiß-der-Teufel-wie, aber Stefan hatte gemeint, dass Dorfschulze weitaus besser zu ihm passte, und Liz hatte ihm nach ihrer ersten Begegnung mit Ohlsberg zugestimmt.

»Ich habe gestern Nachmittag noch einmal mit ihm telefoniert«, fuhr Stefan nach einer Weile fort, »und ihm unser Leid geklagt. Und ich glaube, er hat einen Weg gefunden, um uns zu helfen.«

»Du meinst …«

Stefan nickte. »Ja. Ich denke, wir haben ab morgen einen Gehilfen, der dir die schwerste Arbeit abnehmen kann.«

»Aber das wäre …«

»Herrlich?«, schlug Stefan vor.

Ja, es wäre herrlich. Schon nach den ersten Wochen hatten sie damit begonnen, Personal zu suchen, aber es hatte sich als unmöglich erwiesen, auch nur einen einzigen Mann zu bekommen. Obwohl sie Geld hatten und bereit waren, weit mehr zu zahlen als die anderen Bauern hier in der Gegend, fand sich niemand, der für sie hatte arbeiten wollen.

Die Vorstellung, dass sie jetzt vielleicht doch noch jemanden finden sollten, erschien Liz wie ein Sonnenstrahl, der nach wochenlangem Regen durch die Wolkendecke bricht.

Sie sprang auf und begann eilig, das Geschirr abzuräumen.

3