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Während des Urlaubs der Kriminalisten Ullmann und Schlosser findet die Frau des Hauptkommissars Heinz Schlosser in einem Frauenduschraum des Campingplatzes in Tossens eine männliche Leiche. Wie sich herausstellt, war der Getötete Lehrer an der nahe gelegenen Schule in Burhave, dem ein labiler Lebenswandel mit vielen Frauenbekanntschaften nachgesagt wurde. Im Verlauf der Ermittlungen ergeben sich eine Reihe von Unstimmigkeiten, wonach das Opfer bisexuelle Neigungen gehabt haben soll. Die Aufklärung gestaltet sich schwierig und bringt für die ermittelnden Kriminalisten um Hauptkommissar Ullmann eine überraschende Wende.
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Seitenzahl: 313
Veröffentlichungsjahr: 2016
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Der Autor wurde 1944 in Chemnitz geboren. Er ist verheiratet, hat eine Tochter und ist seit 1966 im erzgebirgischen Annaberg beheimatet. Nach Abschluss seines Studiums in der Fachrichtung Maschinenbau war er als Technologe, Technischer Leiter und Bauleiter in verschiedenen Einrichtungen tätig. Das Buch ist die zehnte Folge der Ermittlungen von Hauptkommissar Ullmann.
Weitere Werke von Joachim Bräunig:
Ein rätselhafter Mord
Aus Lust zum Mörder
Mord als letzter Ausweg
Der eiskalte Mörder
Tod im Fitness-Studio
Das geheimnisvolle Merkmal
Ein Fluch aus der Vergangenheit
Was geschah mit Lotte L.
Die Magie der Sucht
Joachim Bräunig
DIE NADEL DES TODES
Kriminalroman
Engelsdorfer Verlag
Leipzig
2016
Bibliografische Information durch die
Deutsche Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese
Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
http://dnb.dnb.de abrufbar.
Copyright (2016) Engelsdorfer Verlag Leipzig
Alle Rechte beim Autor
Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)
www.engelsdorfer-verlag.de
Cover
Titel
Impressum
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Im Zimmer der Brandenburger Mordkommission herrschte helle Aufregung, denn die Mitarbeiter hatten sich zu einem seltenen Anlass zusammengefunden. Alle Anwesenden waren bester Laune und verzehrten genüsslich die auf einem Büfett vorbereiteten und liebevoll aufgestellten Leckereien und Spezialitäten. Die Hauptkommissare Ullmann und Schlosser, sowie die Kommissarin Jana Schubert hatten zu einen kleinen Abschiedsessen eingeladen. Die Kriminalisten hatten bereits vor längerer Zeit einen gemeinsamen Urlaub geplant und nach mehreren Versuchen war vergangene Woche dieser vierzehntätige Urlaub vom Polizeipräsidenten genehmigt worden. Auf Grund der Freude, bezüglich des nun endlich stattfindenden gemeinsamen Urlaubes, hatten sich die Kommissare zu dieser Geste entschlossen, was ansonsten im Dezernat nicht üblich ist.
Die befreundeten Hauptkommissare Ullmann und Schlosser hatten bereits mehrere Male gemeinsame Ausflüge und Wochenendtrips unternommen, aber ein gemeinsamer Urlaub war stets an beruflichen Verpflichtungen gescheitert. Die Ehefrauen der Kommissare verstanden sich sehr gut und verabredeten sich oftmals zum gemeinsamen Shopping. Die Grillfeste, welche die Familie Ullmann sehr gern veranstaltete und zu denen die Familie Schlosser stets gern gesehen war, waren immer ein Spektakel und in der Gartenkolonie bekannt, wobei es nie zu irgendwelchen Streitigkeiten kam, sondern im Gegenteil, des Öfteren setzten sich Nachbarn oder andere Gartenbesitzer einfach zu den Grillfesten hinzu.
Die Tätigkeit der beiden Kommissare war allgemein bekannt und sie wurden sehr verehrt, wobei sie sich auch hin und wieder einen derben Scherz gefallen lassen mussten, der aber stets mit einem Augenzwinkern verbunden war.
Die Frau des Hauptkommissars Ullmann war in der Verwaltung des Finanzamtes in Brandenburg tätig und war allgemein sehr beliebt, weil sie bei ihren Entscheidungen immer die menschlichen Aspekte zu berücksichtigen versuchte. Sie ging immer adrett gekleidet, ohne besondere Aufmerksamkeit erwecken zu wollen, was ihre Erscheinung noch mehr betonte. Sie hatte ein entschlossenes und sehr selbstbewusstes Auftreten. Ihre blonden, leicht gewellten Haare trug sie stets offen, wobei die Länge ihres Haares auch das Tragen eines sogenannten Pferdeschwanzes zuließ, aber sie betonte stets, dass dies nicht zu ihrem Alter passe. Auf das Leben mit einem Hauptkommissar hatte sie sich schnell eingestellt und unterstützte ihn bei seiner verantwortungsvollen Tätigkeit mit all ihren Möglichkeiten. Sie versuchte, die alltäglichen Probleme von ihm fernzuhalten und nicht damit zu konfrontieren. Die ersten Jahre nach der Geburt ihrer zwei Kinder war sie zu Hause geblieben und hatte sich um ihre Erziehung zu großen Teilen allein gekümmert, was sie auch mit großer Freude und Hingabe tat. Zu diesem Zeitpunkt war ihr Mann beruflich sehr eingespannt und hatte gute Chancen auf eine Beförderung und einen weiteren Aufstieg.
Ihre Ehe verlief trotz der großen persönlichen Belastung beider sehr harmonisch und ihre Kinder sind gleichfalls auf einem guten Weg in ihrer beruflichen und privaten Entwicklung. Sie hatte immer Verständnis, wenn ihr Mann aus beruflichen Gründen wieder für längere Zeit auf Dienstreise gehen musste und sie allein zu Hause blieb. Sie war nie in Versuchung gekommen, ihren Mann zu betrügen, obwohl sie genügend Gelegenheit gehabt hätte und auch sie konnte sich der Treue ihres Mannes sicher sein. Sie hatten sich ein schönes Zuhause in einem kleinen Einfamilienhaus eingerichtet, aber sie liebten beide die Wochenenden in ihrem Gartenhäuschen. Ihre Kinder, die beide auswärts tätig waren und wohnten, besuchten sie, sofern es ihre Zeit zuließ.
Die Frau des Hauptkommissars Heinz Schlosser war eine sehr agile und freundliche Frau, die in der Brandenburgischen Klinik als Stationsschwester tätig war. Sie war ebenso, wie Frau Ullmann, eine charmante Erscheinung und legte auf ihr Äußeres viel Wert, was ihr Mann sehr schätzte. Sie hatte pechschwarzes kurzes Haar, welches sie stirnseitig als Ponyfrisur trug. Beide Frauen hatten sich bei einem Polizeiball kennengelernt und waren sich vom ersten Augenblick an sympathisch und im Laufe der Zeit entwickelte sich, auch zur Freude ihrer Ehemänner, eine Freundschaft. Die beiden Frauen hatten eine Vorliebe für gute, aber nicht aufdringlich wirkende Kleidung und trafen sich deshalb oft zu gemeinsamen Einkäufen, was immer mit einem Cafébesuch verbunden wurde.
Die Familien Ullmann und Schlosser hatten einen gemeinsamen längeren Urlaub wiederholt ins Auge gefasst, waren sich jedoch über dessen Gestaltung nicht einig geworden, da die Familie Ullmann sehr gern an die Ostsee fuhr, währenddessen die Familie Schlosser gern einmal an der Nordsee Urlaub machen wollte. Schließlich hatten sich beide Familien darauf geeinigt, zunächst den gemeinsamen Urlaub zu beantragen und danach wollten sie über das Urlaubsziel entscheiden. Zu ihrer großen Überraschung wurde dieser dieses Mal von ihrem Vorgesetzten sofort genehmigt, was eigentlich nicht zu erwarten war, da beide als Leiter ihrer Abteilungen tätig waren. In den zurückliegenden Jahren wurde es stets abgelehnt, da es des Öfteren geschah, dass sie sich beide in ihren Funktionen gegenseitig vertreten mussten. Hauptkommissar Klaus Ullmann war als Leiter der Mordkommission und Hauptkommissar Heinz Schlosser als Leiter tätig.
Während eines ihrer Gespräche über den gemeinsamen Urlaub war eine Mitarbeiterin der Mordkommission, Kommissarin Jana Schubert, anwesend und hatte gespannt den Gedanken ihrer Kollegen zugehört. Nach einigen Minuten sagte Jana zu den Männern: „Ich will dieses Jahr mit meinem Freund mit einem Wohnmobil an die Nordsee fahren.“
„Sie haben sich aber viel vorgenommen“, sprach Heinz Schlosser.
„Wieso?“
„Solch ein Wohnmobil hat sicher einen stattlichen Preis.“
„Wir wollen kein Wohnmobil kaufen.“
„Sondern?“, fragte Klaus Ullmann, der gespannt zuhörte.
„Wohnmobile können zu einem günstigen Preis gemietet werden. Wir haben uns bereits erkundigt, der Preis ist durchaus erschwinglich. Wir stellen uns eine Urlaubsgestaltung mit einem Wohnmobil sehr schön vor, man ist unabhängig und kann einen Stopp einlegen, wo man Lust hat und kann den Urlaub nach eigenen Wünschen gestalten, ohne abhängig zu sein“, schwärmte Jana Schubert.
Die beiden Kommissare hatten der begeisterten Jana hellhörig zugehört und beide hatten den gleichen Gedanken und überlegten die Möglichkeit eines derartigen Urlaubes.
„Ist die Mietung eines solchen Gefährtes kurzfristig möglich?“, fragte Schlosser.
„Es gibt mehrere Möglichkeiten, entweder über das Internet oder eine direkte Vermietungsfirma, wovon es in Brandenburg zwei gibt“, erwiderte Jana.
Die beiden Kommissare schauten sich an und warteten, bis Jana Schubert sich entfernte, um danach das Gespräch bezüglich ihres gemeinsamen Urlaubes fortzusetzen.
„Wie findest du diese Möglichkeit?“, fragte Ullmann.
„Wenn ich ehrlich bin, muss ich gestehen, dass ich diese Urlaubsvariante nicht übel finde. Es wäre etwas ganz Neues.“
„Was denkst du, werden unsere Frauen davon halten?“
„Ich kann mir vorstellen, dass Ulrike diesem Gedanken aufgeschlossen gegenüber steht. Du kennst sie ja gut und weißt, dass sie für verrückte Ideen immer zu haben ist.“
„Ich weiß, aber diese Idee wird sie auch überraschen. Sag jetzt ehrlich, was denkst du über einen gemeinsamen Urlaub mit einem Wohnmobil?“
„Ich kann es mir gut vorstellen, wobei ich mir über den Aufenthaltsort nicht sicher bin. Vielleicht wäre es besser einen ständigen Standort zu wählen und nicht laufend von einem Campingplatz zum Nächsten zu fahren.“
„Darüber können wir später sprechen, wenn wir uns mit unseren Frauen verständigt haben und möglicherweise zu einer gemeinsamen Auffassung gekommen sind“, sprach Klaus Ullmann.
Zu ihrer Überraschung stimmten die Frauen sofort zu. Die beiden waren begeistert und gratulierten ihren Männern zu dieser grandiosen Idee, wobei diese gestanden, dass ihre Mitarbeiterin Jana Schubert den Anstoß gegeben hat.
„Ich habe eine Frage, wollt ihr mit einem oder zwei Autos fahren?“, meldete sich Beate Ullmann zu Wort.
Die Kommissare schauten sich an, denn darüber hatten sie bisher nicht nachgedacht und sie wussten auf Anhieb keine Antwort darauf.
„Ich schlage vor, wir fahren mit zwei Autos“, sagte Ulrike Schlosser.
„Ich schließe mich diesem Vorschlag an“, stimmte Beate Ullmann zu.
„Das ist günstig, da können wir uns beim Fahren ablösen und es muss nicht einer die ganze Strecke allein fahren“, gab Frau Schlosser zu bedenken.
„Wir haben das Ziel unseres Urlaubes noch nicht festgelegt“, gab Ullman zu bedenken.
„Es geht auf jeden Fall an die Ostsee oder Nordsee und beide Ziele sind weit entfernt.“
„Die Nordsee ist weiter entfernt“, gab Schlosser zu bedenken.
„Nun werde wegen einigen Kilometern nicht kleinlich“, erwiderte seine Frau.
„Wie schätzt ihr Jana Schubert ein?“, fragte Frau Ullmann.
„Sehr gut“, sagten die Kommissare gleichzeitig.
„Ich meine auch menschlich.“
„Sie ist eine ausgezeichnete Kriminalistin und hat ein gutes Verhältnis zu allen Mitarbeitern. Sie ist stets ausgeglichen und immer freundlich und es gab bisher keinerlei Probleme“, schätzte Hauptkommissar Klaus Ullmann seine Mitarbeiterin ein.
„Du bist doch während ihres Praktikums ihr Mentor gewesen und kannst sie gut einschätzen.“
„Ich sagte bereits, sie hat ein freundliches Wesen mit festem Charakter und ist sehr intelligent, aber weshalb willst du das so genau wissen?“, erkundigte sich ihr Mann erstaunt.
„Wenn es euch nichts ausmacht, könnte sie mit uns fahren, natürlich in einem eigenen Wohnmobil.“
Die Kommissare waren über diesen Vorschlag überrascht und schauten sich in die Augen und wussten zunächst nicht, was sie antworten sollten. Nach einer kurzen Zeit des Schweigens sprach Ullmann: „Wir können Jana fragen. Soviel ich weiß, ist sie noch mit Philipp Schroeder, genannt OE, liiert und will sicherlich ihren Urlaub mit ihm allein verbringen.“
„Eine Frage kostet nichts“, entgegnete Frau Ullmann.
Sie diskutierten noch ein wenig weiter und hofften, dass nichts mehr ihre Planung stören würde.
Klaus Ullmann wurde beauftragt, mit Jana Schubert betreffs des gemeinsamen Urlaubes Kontakt aufzunehmen. Nach einer Dienstbesprechung bat er seine Mitarbeiterin im Zimmer zu bleiben, wobei Jana verunsichert war, denn die dienstlichen Aufgaben waren geklärt.
„Wann wollt ihr in Urlaub fahren?“, begann er das Gespräch.
„Ich wollte heute meinen Urlaubsschein einreichen und im Juni/Juli Urlaub nehmen, da bei Philipp in der Dienststelle kein anderer Termin frei ist“, antwortete Jana.
„Wohin soll der Urlaub gehen?“
„Wie bereits gesagt, möchten wir mit einem Wohnmobil Richtung Ostsee fahren.“
„In den Schulferien ist stets viel Betrieb an der Ostsee und es wird schwer, Plätze zu bekommen.“
„Mit dem Wohnmobil sind wir flexibel, das ist ein Grund, weshalb wir uns dafür entschieden haben“, erläuterte Jana Schubert.
„Bist du noch mit Philipp zusammen?“, fragte Ullmann.
„Ja“, kam die kurze Antwort.
„Wo ist er jetzt tätig?“
„Er ist in Berlin, im Ministerium für Innere Sicherheit.“
„Das ist in seinem Alter ein rasanter Aufstieg“, sagte mit achtungsvoller Miene der Kommissar.
„Er ist sehr ehrgeizig, das werden sie noch wissen.“
„Ja, ich habe ihn während seiner Zeit bei uns sehr schätzen gelernt und schließlich hatten sie gemeinsam einen wesentlichen Anteil an der Aufklärung eines komplizierten Falles.“
„Ja, es war der Fall in Zusammenhang mit einem Gestüt, bei dem ein Mann zu Tode kam und seine Frau anwesend war, aber ihm nicht helfen konnte und in eine Klinik eingewiesen werden musste.“
„Ich habe einen Vorschlag, der dich sicherlich verwundern wird. Der Vorschlag kommt von meiner Frau und der Frau von Heinz Schlosser und wir würden uns sehr freuen.“
Jana Schubert schaute ihren Vorgesetzten irritiert an und hatte keine Vorstellung, was sie erwartet, sie war von Ullmann stets klare Ansagen und Festlegungen gewohnt, deshalb verwunderte sie sein Verhalten. „Ich höre“, sagte sie mit leiser Stimme.
„Was hältst du davon, wenn wir gemeinsam Urlaub machen?“
„Ich verstehe nicht“, sagte sie verwirrt.
„Unsere Frauen hatten den Gedanken, dass wir unseren Urlaub gemeinsam verbringen. Sie kamen auf den Gedanken, als wir ihnen von eurem geplanten Urlaub mit einem Campingwagen erzählten.“
„Ich begreife noch immer nicht.“
„Hauptkommissar Schlosser, meine Wenigkeit und unsere Frauen haben uns nach längeren Debatten entschlossen, dieses Jahr Urlaub mit einem Wohnmobil zu machen, wobei das Reiseziel noch nicht festgelegt ist. Bei diesen Debatten reifte der Gedanke, dich zu fragen, ob ihr eventuell diese Zeit mit uns verbringen wollt, um uns noch etwas näher kennenzulernen. Außerdem meinte meine Frau, dass etwas jüngeres Blut bei solch einem Unternehmen sicherlich von Nutzen sein wird.“
„Wie hast du dir das alles vorgestellt, sollen wir zu sechst in einen Wohnmobil hausen? Das stelle ich mir sehr kompliziert vor“, erwiderte Jana.
Jetzt war das Erstaunen auf der Seite des Hauptkommissars, doch nach einigen kurzen Augenblicken hatte er sich wieder gefangen und schaute seine Mitarbeiterin mit einem Lächeln an. „Nein, Nein, so ist das nicht gedacht. Ehrlich gesagt, kann ich mir nicht vorstellen, mit meinem Freund Heinz gemeinsam in einem Wohnmobil zu hausen. Wir möchten alle in eigenen gemieteten Wagen den Urlaub verbringen, damit wir uns zurückziehen können. Unsere Frauen haben beide die Fahrerlaubnis, sodass wir uns gelegentlich ablösen könnten. Ich könnte mir einen Urlaub im Campingwagen gut vorstellen, man ist von allen Dingen völlig unabhängig und kann sich den Tag nach eigenen Bedürfnissen gestalten. Was hältst du von unserem Vorschlag?“, fragte Ullmann.
„Ehrlich gesagt, bin ich überrascht und zugleich erfreut. Du wirst jedoch verstehen, dass ich den Vorschlag erst noch mit Philipp besprechen muss. Ich persönlich könnte mir einen gemeinsamen Urlaub vorstellen, wobei wir dennoch unsere Freiheit haben möchten und nicht ständig zusammen hocken wollen. Das könnte durchaus stressig werden.“
„Selbstverständlich ist die Gestaltung des Tagesablaufes jedem Paar selbst überlassen, aber unsere Frauen könnten sich durchaus gesellige gemeinsame Abende vorstellen, wobei dies nicht jeden Tag der Fall sein muss.“
„Ich werde mit Philipp sprechen und ihm deinen Vorschlag erläutern.“
„Richte ihm viele Grüße aus und wir würden uns über seine Zustimmung freuen.“
Im Verlauf der nächsten Tage hatten die Mitarbeiter der Mordkommission mehrere Fälle zu lösen, sodass sie sich nur zu ständigen Einsatzbesprechungen beziehungsweise zu Notfalleinsätzen zu Gesicht bekamen, was die terminliche Einordnung des erwogenen gemeinsamen Urlaubes deutlich erschwerte, deshalb unterbreitete Frau Schlosser den Vorschlag, Jana Schubert und ihren Freund zu einem gemeinsamen Abendessen einzuladen. Das Abendessen verlief in einer entspannten Atmosphäre und zur Überraschung aller, besonders von Jana, war auch Philipp Schroeder von dem Vorschlag eines gemeinsamen Urlaubes begeistert. Nach längerer Diskussion wurde ein Kompromiss erarbeitet, der notwendig wurde, da zunächst keine Einigung über das Ziel der Reise erreicht wurde. Sie verständigten sich, zuerst an die Nordsee zu fahren und nach der Hälfte des Urlaubes an die Ostsee umzusiedeln. Als Ziele wurden die Campingplätze Markgrafenheide an der Ostsee und Tossens an der Nordsee festgelegt. Mit den erforderlichen Buchungen dieser Plätze wurden die Frauen beauftragt, da die Kriminalisten in nächster Zeit sehr in ihre Aufgaben eingebunden waren und nicht die erforderliche Zeit hatten. Zugleich sollten sie sich um die Beschaffung der benötigten Fahrzeuge bemühen und die terminlichen Möglichkeiten überprüfen.
Diese gesamten Vorarbeiten hatten die Ehefrauen von Ullmann und Schlosser gemeinsam bewältigt und dies mit großer Freude auf die bevorstehenden Tage, die durchaus abenteuerlich werden konnten, getan. Der heutige Tag und die kleine Urlaubsverabschiedung sollten der Beginn einer kurzen sorgenfreien Zeit werden. Die dienstlichen Festlegungen waren getroffen und mit dem vorgesetzten Polizeipräsidenten, der in ihrem besonderen Fall seine Zustimmung geben musste, abgestimmt. Hauptkommissarin Hannelore Meister übernahm als Urlaubsvertretung die Leitung der Mordkommission und die Aufgaben von Heinz Schlosser wurden in seiner Abteilung intern geregelt.
„Ich hoffe, sie haben schöne Tage und bestes Wetter“, sagte Helga Schneider, die stets freundliche und sehr pflichtbewusste Sekretärin von Ullmann.
„Wenn man den Wetterpropheten glauben kann, müssten wir Glück haben“, lächelte Frau Ullmann, die Frau Schneider sehr schätzte und deren Verbundenheit zu ihrem Mann kannte.
„Habt ihr auch Ersatzreifen mit?“, fragte Torsten Fleischer, der Leiter der operativen Einsatzgruppe des Präsidiums und langjährige Mitarbeiter von Kommissar Ullmann, der zu dieser Urlaubsverabschiedung, die für alle Kollegen sehr selten war, eingeladen worden war.
Die Urlauber schauten erstaunt und Torsten sagte: „Ihr seid mir Autofahrer. Große Reisen unternehmen wollen und nicht an das Nötigste denken.“
„Ich setze voraus, dass die Wagen Ersatzreifen haben“, sprach Schlosser.
„Einen Vorteil hat eure gemeinsame Fahrt, bei möglichen Pannen könnt ihr euch gegenseitig helfen.“
„Herr Fleischer, ich bitte sie. Bei einer solchen Fahrt wird nicht von Widrigkeiten ausgegangen. Sie möchten unseren Urlaubern doch nicht die Freude verderben“, sprach Frau Schneider energisch.
„Klaus weiß, wie ich es meine“, Torsten lächelte.
„Für den Fall, dass sie eine Leiche finden, können sie mich gern anfordern. Mir stünde zurzeit ein kurzer Seeurlaub gut zu Gesicht“, warf Frau Kesser, die anwesende Gerichtsmedizinerin, ein.
„Die Leiche lassen wir liegen. Wir haben Urlaub“, sagte Frau Schlosser.
„Man kann nicht wissen, Straftäter gibt es überall“, beharrte Frau Kesser.
„Wohin geht die Reise zuerst, Ostsee oder Nordsee?“, fragte Torsten.
„Wir fahren zuerst nach Tossens an die Nordsee?“, antwortete Ullmann.
„Weil wir das Beste zum Schluss aufheben“, schmunzelte Ulrike Schlosser.
„Ich denke, es wird uns überall gefallen“, sagte Jana.
„Wollt ihr eure Wagen gegenüber aufstellen?“, fragte Frau Kesser.
„Wie meinst du das?“, wollte Jana wissen.
„Naja, ihr könnt doch die Wagen so stellen, dass ihr euren eigenen Bereich habt und nicht von anderen Campern belästigt werdet.“
„Auf Campingplätzen gibt es keine Belästigungen, das sind alle friedvolle Personen“, erwiderte Schlosser.
„Wer führt eure Kolonne an?“, erkundigte sich Torsten.
„Die Jugend geht wie immer voran. Philipp und Jana werden uns sicher ans Ziel bringen“, erwiderte Klaus lächelnd und zwinkerte den beiden zu.
Die Verabschiedung endete nach circa einer Stunde und die Kriminalisten machten sich mit ihren Wohnmobilen auf den Weg an die Nordsee. Ihre Fahrzeuge hatten sie außerhalb des Polizeipräsidiums abgestellt, um den Trubel ihrer ungewöhnlichen Urlaubsverabschiedung nicht noch größer werden zu lassen.
An einer Schule, nahe Nordenham an der Nordsee gelegen, kehrte allmählich die Vorfreude auf die großen Ferien ein und die Stimmung der Lehrer und Schüler war im Allgemeinen gut, nur die bevorstehende Ausgabe der Zeugnisse bereitete manchem Schüler noch Kopfzerbrechen. Der Unterricht wurde in lockerer Atmosphäre durchgeführt, da alle erforderlichen Prüfungen und Klausuren abgeschlossen waren und der Lehrkörper mit der Zusammenstellung der Zeugnisse beschäftigt war. Die Schüler machten Scherze und vertrieben sich in den meist etwas länger gehaltenen Pausen mit Spielen und Telefonaten mit ihren Freunden und Bekannten die Zeit. Die Jungen und Mädchen beobachteten sich und es wurden zum Teil verlockende Blicke gewechselt. Der Schulhof war nicht besonders groß, aber für die Schule ausreichend und er hatte gleichzeitig einen Spielplatz, da der Hort im gleichen Gebäude im Erdgeschoss untergebracht war. Einige größere Jungs probierten sich zum Gelächter der anderen an den Spielgeräten.
Im Lehrerzimmer waren die Lehrer mit der Ausfertigung der Zeugnisse beschäftigt, wobei die meisten ihre Arbeit bereits abgeschlossen hatten. Zum Ärger der Lehrer hatten auch dieses Jahr wieder einige Schüler das vorgegebene Klassenziel nicht erreicht und mussten die Klasse wiederholen. Die Lehrer waren sich sicher, dass es wieder zu Streitigkeiten mit den Schülern und vor allem mit deren Eltern kommen würde, denn die letzten Jahre hatten mehrmals gezeigt, dass die Eltern der Schüler deren Zeugnis nicht anerkennen wollten. Die Eltern hatten sich zum Teil sehr schlecht und überheblich aufgeführt und die Lehrer aufs Übelste beschimpft und ihnen vorgeworfen, dass das Nichterreichen des Klassenzieles ihrer Kinder auf das Versagen des Lehrkörpers zurückzuführen sei. Einige Eltern hatten sich sogar an die Schulbehörde gewendet, um das Versetzen ihres Kindes zu erzwingen, was jedoch in allen Fällen gescheitert war.
Das Schulgebäude war ein U-förmiger Klinkerbau und in gutem baulichen Zustand. Die Schüler kamen aus den umliegenden Gemeinden und wurden zum Teil mit Schulbussen zur Schule gebracht. Das Verhältnis zwischen den Schülern und dem Lehrkörper wurde allgemein als gut eingeschätzt und die Schule hatte einen guten Ruf, sodass sie bisher in keinem Jahr Probleme mit der Belegung der Klassen hatten.
Gegenüber dem Hauptgebäude befand sich der Parkplatz, welcher an Schultagen meistens nicht ausreichte, da die Mitglieder des Lehrkörpers alle mit Fahrzeugen zum Unterricht kamen und teilweise auch einige Schüler bereits ein Moped besaßen und viele mit Fahrrädern erschienen. Aus diesem Grund hatte die Schulleitung feste Plätze für den Lehrkörper festgelegt, was nicht ausreichte, sodass die Schüler meist wild parkten und ihre Fahrzeuge in der Nähe des Parkplatzes abstellten.
Auf dem Parkplatz stand ein zitronengelber Porsche, allerdings älteren Baujahres. Am Fahrzeug unterhielten sich sichtlich aufgeregt ein Mann und eine Frau, wobei der Mann einen spürbar lockeren Eindruck hinterließ, die Frau hingegen sehr erbost schien. Bei den beiden Personen handelte es sich um den Sportlehrer Hans Lohse und Elvira Kunze, die Deutsch und Biologie lehrte. Beide waren circa dreißig Jahre alt.
Der junge Mann hatte dunkles, leicht gewelltes Haar und eine sehr gute sportliche Figur. Er war eine sehr imposante Erscheinung und strahlte großes Selbstbewusstsein aus. Er war circa 1,85 Meter groß und überall wo er erschien, besonders für die Frauen, ein echter Blickfang. Er war sich seiner Erscheinung bewusst und nutzte diese in vollen Zügen aus. Ihm wurden zahlreiche Verhältnisse mit Frauen nachgesagt, wobei den Gerüchten zufolge, auch verheiratete Frauen dazu gehören sollten. Er war allgemein im näheren Umkreis als der „Flotte Hans“ bekannt und wusste von diesen Gerüchten, die ihn nicht sonderlich beeindruckten. In gewissem Sinne war er sogar stolz auf seinen fragwürdigen Ruf, denn nach seinen Erfahrungen gab es Frauen, die stolz darauf waren, etwas mit ihm gehabt zu haben und sich damit brüsteten. Seine Verhältnisse mit den Frauen waren meist nur von kurzer Dauer, denn von Treue hielt Hans Lohse nicht viel. Seine Eltern, die in Berlin lebten und mit finanziellen Mitteln reichlich ausgerüstet waren, hatten ihm nach der Aufnahme seiner Tätigkeit an der Schule im nahe gelegenen Nordenham eine Eigentumswohnung geschenkt. Die Wohnung befand sich unweit des Stadtzentrums und besaß vier geräumige Zimmer, wovon er eines als Arbeits- und Sportzimmer eingerichtet hatte. Er legte viel Wert auf seine sportliche Tätigkeit, denn er war sich bewusst, dass seine blendende Erscheinung auf seine sportliche Figur zurückzuführen war.
Elvira Kunze war in einen roten, eng anliegenden Hosenanzug gekleidet, welcher ihre körperlichen Reize besonders betonte. Sie war bereits längere Zeit an der gleichen Schule wie Hans Lohse als Lehrerin tätig und als sehr seriös und zurückhaltend bekannt, wobei ihre stets sachliche Meinung im Lehrkörper immer gefragt war. Sie war verheiratet und es waren bisher nie irgendwelche außerehelichen Eskapaden von ihr bekannt geworden. Ihr Ehemann leitete das Gastronomiezentrum im Herzen von Tossens. Dieses wunderschöne Gebäude beherbergte mehrere gastronomische Einrichtungen und war zum großen Teil mit einem gewölbten Glasdach versehen, was in den warmen Sommermonaten zu erheblicher Hitzeentwicklung in der Einrichtung führte. Dem Gebäude vorgelagert war eine große Freifläche, die als Terrasse ausgebaut worden war und direkt an die Hauptstraße mündend war eine Minigolfanlage errichtet worden. Diese war durch viele kleine Wege verbunden, wobei die Erbauer vor allem die Wünsche der Kinder berücksichtigt hatten, denn viele der einzelnen Wege waren mit Kinderfiguren und Märchenfiguren gestaltet, beziehungsweise nach solchen benannt worden. Elvira war stets perfekt gekleidet und war von schlanker Gestalt, wobei sie als Kleidung immer Hosenanzüge bevorzugte, die ihre weiblichen Formen betonten. Sie hatte natürliches rotes Haar, welches sie immer offen und schulterlang trug. Ihr Blick war stets freundlich und ihren Mitbürgern gegenüber war sie aufgeschlossen und freundlich, ohne aufdringlich zu erscheinen. An der Schule war sie, außer ihrer Tätigkeit als Lehrerin, auch als Stellvertreterin der Direktorin verantwortlich. Sie war bei ihren Kolleginnen sehr beliebt und pflegte einen guten Umgang und versuchte auch private Probleme im Rahmen ihrer Möglichkeit, bezüglich Lehrplanänderungen und anderen Angelegenheiten, zu berücksichtigen. Ihr Verhältnis zu Hans Lohse war ihrer Ansicht nach nicht bekannt, denn sie hatten sich immer an geheimen Orten getroffen und zudem begann diese, für sie abenteuerliche Beziehung, erst vor knapp zwei Monaten. Sie konnte sich selbst nicht erklären, wie es dazu kommen konnte und hatte bereits seit zwei Wochen die klare Absicht es zu beenden. Von ihrer Schwangerschaft hatte sie erst seit zwei Tagen Kenntnis. Elvira war noch nicht bei ihrer Frauenärztin gewesen, aber ein von ihr durchgeführter Schwangerschaftstest hatte ein positives Ergebnis erbracht.
„Du musst dich entscheiden“, sagte Elvira mit deutlicher Stimme.
„Ich muss Garnichts“, erwiderte Hans.
„Ich habe dir gesagt, dass ich schwanger bin und du willst das mit einem schnöden Lächeln abtun.“
„Ich habe dir bereits gesagt, dass ich von dem Kind nichts wissen will“, erwiderte Hans Lohse zornig.
„Entschuldige bitte, es ist dein Kind.“
„Bist du dir dessen sicher?“
„Was erlaubst du dir. Denkst du ich gehe mit jedem ins Bett?“
„Warum nicht, du bist eine sehr schöne Frau.“
„Ich habe dich völlig falsch eingeschätzt“, sprach Elvira Kunze.
„Jetzt bereust du unser Verhältnis.“ Hans Lohse lächelte.
„Für dich ist unsere Beziehung anscheinend bereits beendet.“
„Das schätzt du richtig ein.“
„Ich weiß, dass du ein Verhältnis mit einer Schülerin hast“, sagte die Lehrerin.
„Wer behauptet solche Unwahrheiten?“, schnauzte Hans Elvira an.
„Du kannst es nicht abstreiten. Ich habe euch beide gestern Abend zusammen gesehen.“
„Du beobachtest mich heimlich?“, staunte Hans.
„Ich muss wissen, mit wem es der Vater meines noch ungeborenen Kindes treibt.“
„Ich habe dir bereits vergangene Woche gesagt, dass es für uns beide keine gemeinsame Zukunft gibt und ich hatte gehofft, dass du die Situation begriffen hast“, entgegnete der Sportlehrer.
„Ich kann es nicht glauben, dass du unsere Beziehung so einfach wegwirfst, schließlich hast du mir vor noch nicht langer Zeit gesagt, dass du mich liebst.“
„Ich glaube, zu diesem Zeitpunkt habe ich dich auch geliebt.“
„Dieser Zeitpunkt ist jetzt vorbei oder wie soll ich deine Worte verstehen?“
„Ja.“
„Was habe ich falsch gemacht?“, fragte Elvira.
„Du hast nichts falsch gemacht, meine Liebe ist einfach verflogen.“
„So einfach ist das bei dir. Wie lange geht dein Verhältnis mit der Schülerin bereits. Ich denke sie ist der Anlass für deinen Sinneswandel mir gegenüber.“
„Seit wann hast du Kenntnis von dieser Liaison?“, erkundigte sich Hans.
„Das wird dich nicht echt interessieren, du hast nur Angst, dass andere davon erfahren.“
„Du hast Recht, aber es ist nichts Ernsthaftes.“
„Du spielst demnach mit dem Mädchen, so wie du mit mir nur gespielt hast.“
„Nenne es, wie du willst, für mich ist das Gespräch beendet“, wollte Hans die Aussprache beenden.
„So einfach kommst du mir nicht davon, schließlich bekommen wir ein gemeinsames Kind“, sagte Elvira Kunze mit entschlossener Stimme und bestimmten Blick.
„Du bekommst ein Kind, nicht ich.“
„Was soll das heißen, willst du dich nicht zu dem Kind bekennen?“
„Endlich hast du mich verstanden. Das Kind ist deine Angelegenheit, nicht meine. Ich schlage vor, du lässt es abtreiben oder schiebst es deinem Mann unter, das dürfte dir nicht schwerfallen“, schmunzelte Hans Lohse und sah seine ehemalige Geliebte mit einem heuchlerischen Lächeln an.
„Ich kann es nicht fassen, was du sagst, wie konnte ich mich nur dermaßen in dir täuschen. Ich hatte auf eine gemeinsame Zukunft mit dir gehofft und jetzt lässt du mich fallen, als hätte es unsere zärtlichen Stunden nie gegeben.“ Die hübsche Elvira war den Tränen nahe.
„Hast du jemand von meinem gestrigen Treffen mit Nicole erzählt?“, fragte Hans.
„Du hast Angst, dass dein Verhältnis aufgedeckt wird. Du weißt, dass du von der Schule fliegst, wenn die Behörde davon erfährt. Ich würde dafür sorgen, dass du keinen Fuß mehr in ein Schulgebäude setzt, zumindest als Lehrer nicht.“
„Ich hoffe, du wirst nichts weiter erzählen. Ich kann dich noch immer gut leiden“, versuchte Hans die Situation mit Schmeicheln zu retten.
„Das ist von deinem weiteren Verhalten abhängig“, versuchte Elvira ihren ehemaligen Geliebten wieder für sich zu gewinnen.
„Ich lasse mich auf keinen Fall von dir erpressen.“
„Ich frage dich noch einmal, wie du zu unserem Kind stehst.“
„Daran hat sich nichts geändert, das Kind ist nicht von mir“, beharrte Hans.
„Ich kann einen Vaterschaftstest beantragen.“
„Wenn du dich unbedingt blamieren willst.“
„Warum sollte ich mich blamieren?“, fragte Elvira verdutzt.
„Wenn du einen solchen Test beantragst, werde ich allen erzählen, dass du mich verführt hast und ich an dem ganzen Geschehen unschuldig bin“, lächelte Hans.
„Das würdest du tun?“
„Worauf du dich verlassen kannst. Ich rate dir, wie ich schon sagte, das Kind deinem Mann unterzujubeln. Wie ich ihn einschätze, wird er sich über das Kind freuen und mit dir glücklich werden.“
„Du bist ein Schuft“, sprach Elvira und konnte die Worte von Hans nicht begreifen.
„Zwischen uns ist alles gesagt und ich gebe dir den gutgemeinten Rat, dich nicht mit mir anzulegen, du weißt der Arm meines Vaters ist sehr weit reichend“, drohte nun Hans.
Hans Lohse schaute Elvira nochmals mit wütendem Blick an, stieg in seinen gelben Porsche und raste davon. Elvira stand wütend auf dem Parkplatz und wirkte sehr einsam und verlassen. Sie hatte das Gespräch noch nicht restlos verarbeitet und konnte keinen klaren Gedanken fassen. Sie wollte zurück zur Schule gehen, als sie von einem Kollegen angesprochen wurde. „Hattest du Ärger mit dem Kotzbrocken?“, wurde sie gefragt. Hinter ihr stand Peter Nicolai, ebenfalls Lehrer an der Schule. Er unterrichtete Mathematik und Physik und war an der Schule nicht besonders gut angesehen, aber für seine unbestechliche Haltung bekannt.
„Wie kommst du darauf?“, fragte Elvira überrascht.
„Eure Unterhaltung schien nicht sehr freundlich.“
„Du kennst Hans, er kann sehr verletzend sein.“
„Ich kann mir nicht vorstellen, wieso er dich verletzen kann. Hat es etwas mit unserer Arbeit an der Schule zu tun?“, fragte Peter Nicolai gespannt.
„Ich möchte jetzt nicht darüber sprechen“, antwortete Elvira.
„Du weißt, dass du mit mir über alles sprechen kannst. Ich bin immer für dich da und werde dich immer unterstützen, gleichgültig, welche Probleme du hast.“
„Ich habe keine Probleme.“
„Dann kannst du mir auch sagen, worüber du mit Hans gestritten hast“, beharrte Peter weiter, der schon immer eine Schwäche für Elvira hatte.
„Lass uns in die Schule gehen, der Unterricht wird gleich beginnen“, wollte Elvira das für sie unangenehme Gespräch beenden.
„Ich hoffe, du steckst nicht in Schwierigkeiten.“
„Wenn ich Schwierigkeiten hätte, müsste ich allein damit klarkommen.“
„Für solche Fälle gibt es gute Freunde und ich bin dein Freund.“
„Ich weiß, dass du mir jederzeit helfen würdest, aber es gibt Angelegenheiten die muss jeder für sich selbst klären“, sprach Elvira.
„Hast du Probleme mit deinem Mann. Du weißt ich bin kein Fan von ihm.“
„Ich habe keine Eheprobleme und mir ist bekannt, dass du meinem Mann nicht positiv gegenüber stehst. Warum eigentlich, Peter?“, fragte Elvira nun leicht erzürnt.
„Ich halte ihn für hochnäsig und habe den Eindruck, er bildet sich ein, etwas Besseres als eine Lehrerin verdient zu haben“, gestand Peter.
„Wie kommst du zu solch einer Meinung?“, fragte die immer wütender werdende Elvira.
„Mit dieser Meinung stehe ich nicht allein. Zu unseren Zusammenkünften erweckt er einen überheblichen Eindruck und ist nicht zu offenen Gesprächen bereit. Er spricht selten mit uns und bewacht dich wie sein Eigentum, wenn du mit jemanden tanzt, lässt er dich nicht aus den Augen.“
„Das ist ein Zeichen, dass er mich liebt.“
„Lass uns zu einem anderen Zeitpunkt weiterreden. Ich bin mir sicher, dass du ein Problem hast und ich dir meine Hilfe nur anbieten und dir meine Verschwiegenheit garantieren kann“, sagte Peter Nicolai mit einem Lächeln und nahm Elvira am Arm und führte sie Richtung Schule. Die verstörte Elvira ließ es geschehen und in diesem Augenblick war sich Peter Nicolai sicher, dass sie ein Verhältnis mit Hans Lohse hat oder gehabt hatte.
In der Gaststätte „Rondell“, welche sich direkt am Strand von Tossens befand, war zur späten Nachmittagsstunde wenig Betrieb und der Inhaber hatte sich an einen Tisch auf der Terrasse vor der Gaststätte gesetzt. Der stets gut gelaunte und immer freundliche Inhaber der Gaststätte liebte es, sich mit seinen Gästen zu unterhalten und damit eine positive Atmosphäre zu schaffen. Viele der Gäste waren direkt am Strand und damit in Gaststättennähe campierende Urlauber. Der Campingplatz war riesig und zu neunzig Prozent mit Wohnwagen belegt. Die Atmosphäre der Camper untereinander war sehr gut und es bildeten sich viele Freundschaften, was auch die stetige Hilfsbereitschaft bewies. Der Campingplatz besaß einen großzügigen Toilettenbereich inklusive Duschanlagen und wurde trotz der Möglichkeiten der Wohnwagenbesitzer zur Nutzung ihrer eigenen Toilette gut besucht und war stets in sehr sauberem Zustand. Für die Kinder war ein Spielplatz mit verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten erbaut worden und wurde von diesen auch gern angenommen. Für die erwachsenen Urlauber boten sich viele Möglichkeiten der individuellen Freizeitgestaltung, die sich im Wesentlichen auf den sportlichen Bereich bezogen. Viele der Urlauber nutzten sehr gern die im Ort befindliche, direkt an der Hauptstraße gelegene Minigolfanlage, die an den Gastronomiebereich angegliedert war und somit den kulinarischen Genuss und den sportlichen Ausgleich miteinander verbanden.
Am gegenüberliegenden Ende des Campingplatzes am Rande der Einzäunung auf dem höchsten Punkt der Düne war gleichfalls eine Gaststätte mit großem Außenbereich. Der Inhaber dieser Gaststätte kannte den Besitzer der Gaststätte „Rondell“ und beide standen nicht im Wettbewerb, sondern waren fast gut befreundet. Bei guter Auslastung des Campingplatzes, der prinzipiell immer gewährleistet war, verteilten sich die Gäste auf beide Lokale, sodass beide Einrichtungen ihr gutes Einkommen hatten. Die Gaststätte auf der Düne hatte im Vergleich zum „Rondell“ ein reichhaltigeres Speisenangebot und war für seine gute Küche bekannt, was besonders für die einheimischen Bewohner von Bedeutung war. Das „Rondell“ hatte im Innenbereich ein großes Fernsehgerät installieren lassen, was sich besonders bei der Übertragung von Fußballspielen rentierte.
Der Strand zog sich sehr lang, wobei der Sand nicht mit dem Ostseesand vergleichbar war, denn er war bedeutend grober und steinig. Der Uferbereich war sehr flach und durch die Gezeiten konnte man bei Ebbe Wattwanderungen durchführen, die zu bestimmten Zeiten auch von einheimischen Bewohnern angeboten wurden, wobei sich das Tragen von Wattschuhen anbot, denn in dem morastigen Wattuntergrund verbargen sich zum Teil sehr scharfe Muscheln, die bei Hautverletzungen zu heftigen Entzündungen führen konnten. Zur anderen Seite des Strandes, Richtung Ortschaft, befand sich die grasbewachsene circa vier Meter schräg auslaufende Düne, welche die Urlauber und Gäste des Ortes oft zum Ausruhen nutzten. Die Grasfläche wurde regelmäßig beschnitten, sodass die Gäste ihre mitgebrachten Decken und andere Ruhemöglichkeiten ausbreiten konnten. Abgelegen von dem eingezäunten Urlauberbereich weiteten die Schafe der Einwohner, für welche die Schafzucht ein nicht unerheblicher einträglicher Erwerbszweig war. Sie standen den gesamten Sommer über auf den Dünen und waren damit für die Sauberkeit und kurz gewachsenen Rasen zuständig.
Der Betreiber der Gaststätte „Rondell“ war Ulf Lohse, der Bruder des Sportlehrers der Schule Hans Lohse. Er hatte sich an einen runden Tisch gesetzt, an dem Dorfbewohner zum nachmittäglichen Plausch Platz genommen hatten.
„Bei der Hitze werden heute nicht viele Gäste kommen“, orakelte einer der Gäste.
„Das kann man nie genau einschätzen, aber ich bin mit dem Zulauf zufrieden“, antwortete Ulf Lohse.
„Ist für deine Küche sicher nicht einfach, alles bereitzuhalten.“
„Bei den heutigen Kücheneinrichtungen kein Problem.“
„Aber du kannst nicht immer frische Ware anbieten.“
„Ich versuche immer, frische Ware angeliefert zu bekommen.“
„Wie lange bleibt heute deine Kneipe offen?“, wollte einer wissen.
„Du weißt doch, dass ich mich nach den Gästen richte und da heute ein Fußballspiel übertragen wird, schätze ich, dass es sehr spät wird.“
„Da kommt bestimmt auch dein Bruder zum Schauen?“, fragte einer.
„Weiß nicht, er hat noch nicht Bescheid gesagt, aber es ist anzunehmen. Ich würde mich freuen, denn ich habe ihn bereits einige Wochen nicht zu Gesicht bekommen“, antwortete Ulf Lohse.
„Wenn er nicht wieder eine Biene aufgerissen hat.“
„Du weißt, ich kann es nicht leiden, wenn ihr abfällig über Hans redet.“
„Du kannst doch nicht leugnen, dass er dem weiblichen Geschlecht sehr zugetan ist.“
„Das kann ich nicht leugnen.“
„Du hängst sehr an ihm und verzeihst ihm vieles.“
„Ja, er ist immerhin zwölf Jahre jünger als ich und ein sogenannter Nachzügler. Er ist das Nesthäkchen und wurde von unseren Eltern immer bevorzugt, aber er ist keinesfalls ein schlechter Mensch und hat auch seine guten Seiten, dass müsstest du eigentlich wissen, bist ja Hausmeister an seiner Schule“, erwiderte Ulf Lohse und sah seinen Freund Mike Lichte an.
„Gut, dass du nicht alles von deinem Bruder weißt“, erwiderte Mike.
„Was sollen diese Andeutungen?“
„Dein Bruder ist ständig mit irgendwelchen Gerüchten im Gespräch.“
„Kannst du bitte konkreter werden“, bat Ulf Lohse.
„Vorige Woche gab es auf den Schulhof eine Schlägerei zwischen drei Jungen, weil einer behauptet hatte, dass dessen Freundin eine Affäre mit deinem Bruder hat.“
„Hans hat doch keine Affäre mit einer Schülerin, so etwas würde er nie tun, schließlich liebt er seinen Beruf und ist sich bestimmt bewusst, was solch eine Affäre für seinen Schuldienst bedeuten würde.“
„Deinem Bruder werden ständig Affären mit irgendwelchen Frauen nachgesagt, aber ich glaube auch nicht, dass an dieser Aussage des Jungen etwas Wahres ist.“
„Hans ist sicher kein Kostverächter und ich weiß, dass er auch vor verheirateten Frauen nicht Halt macht und sich wenig um deren echte Gefühle kümmert. Seine Beziehungen halten meistens nur wenige Wochen und ich weiß nicht, was der Grund dafür ist und was ihn ständig in die Arme anderer Frauen treibt. Vielleicht liegt es daran, dass ihm bei seiner Erziehung zu viel Freiraum gegeben wurde. Unsere Eltern haben ihm jeden erdenklichen Wunsch erfüllt, sodass er sich der Ernsthaftigkeit des Lebens nicht bewusst ist. Zudem kommt aus meiner Sicht hinzu, dass ihm die Frauen ihre Eroberung nicht schwer machen. Finanziell hat er keine Sorgen, denn unsere Eltern unterstützen ihn mit einem monatlichen Beitrag, sodass es ihm leicht fällt, die Geliebten zusätzlich mit wertvollen Geschenken zu beeindrucken. Ich habe mich vor einiger Zeit sehr intensiv mit ihm unterhalten, besonders über sein Privatleben und seine ständigen Frauengeschichten und war über seine Auffassung sehr überrascht.“
„Du hast ihm ins Gewissen geredet?“
„Nein, er fing über die Frauengeschichten von allein an.“
„Da staune ich“, sprach Mike.
„Er wünscht sich eine Familie und Kinder.“
„Das glaube ich nicht.“
„Er hat es mir gesagt. Es ist sein Wunsch eine Familie aufzubauen und er hat, was ich selbst nicht wusste, eine feste Beziehung. Die Frau arbeitet und wohnt in Berlin. Die beiden lieben sich, geben sich jedoch alle Freiheiten. Er fährt häufig an den Wochenenden zu ihr.“
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