Die Nugrou - 4 Science Fiction Abenteuer - Alfred Bekker - E-Book

Die Nugrou - 4 Science Fiction Abenteuer E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Die Nugrou - 4 Science Fiction Abenteuer von Alfred Bekker Dieses Buch enthält folgende Science Fiction Romae: Alfred Bekker: Mission Blaue Sonne Alfred Bekker: Ein Gott unter Menschen Alfred Bekker: Ein Fremder auf der Erde Alfred Bekker: Ein Feind der Menschheit Martin Takener, Commander des terranischen Raumschiffs NOVA GALACTICA begibt sich in das System der blauen Sonne. Die letzten Vertreter der ehemals mächtigen und technisch fortgeschrittenen Alienwandler-Spezies der Nugrou werden hier auf ihrer Heimatwelt gefangen gehalten. Eine Spur führt zu einem rätselhaften Artefakt, das eine ganze Galaxie in einenn verheerenden Krieg stürzen könnte... ALFRED BEKKER ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Science Fiction, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jonas Herlin, Adrian Leschek, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell

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Die Nugrou - 4 Science Fiction Abenteuer

Alfred Bekker

Published by Cassiopeiapress/Alfredbooks, 2018.

Inhaltsverzeichnis

Title Page

Die Nugrou – 4 Science Fiction Abenteuer

Copyright

Mission Blaue Sonne

Copyright

Prolog I

Prolog II

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

14

15

Alienwandler - Die Trilogie

Copyright

Alienwandler 1: Ein Gott unter Menschen

Vorwort

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

Epilog

Alienwandler 2: Ein Fremder auf der Erde

Vorwort

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

Alienwandler 3: Ein Feind der Menschheit

Vorwort

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

Epilog

About the Author

About the Publisher

Die Nugrou – 4 Science Fiction Abenteuer

von Alfred Bekker

Dieses Buch enthält folgende Science Fiction Romae:

Alfred Bekker: Mission Blaue Sonne

Alfred Bekker: Ein Gott unter Menschen

Alfred Bekker: Ein Fremder auf der Erde

Alfred Bekker: Ein Feind der Menschheit

––––––––

Martin Takener, Commander des terranischen Raumschiffs NOVA GALACTICA begibt sich in das System der blauen Sonne. Die letzten Vertreter der ehemals mächtigen und technisch fortgeschrittenen Alienwandler-Spezies der Nugrou werden hier auf ihrer Heimatwelt gefangen gehalten. Eine Spur führt zu einem rätselhaften Artefakt, das eine ganze Galaxie in einenn verheerenden Krieg stürzen könnte...

––––––––

ALFRED BEKKER ist ein  bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Science Fiction, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jonas Herlin, Adrian Leschek, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author

© dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

[email protected]

Mission Blaue Sonne

von Alfred Bekker

––––––––

Martin Takener, Commander des terranischen Raumschiffs NOVA GALACTICA begibt sich in das System der blauen Sonne. Die letzten Vertreter der ehemals mächtigen und technisch fortgeschrittenen Alienwandler-Spezies der Nugrou werden hier auf ihrer Heimatwelt gefangen gehalten. Eine Spur führt zu einem rätselhaften Artefakt, das eine ganze Galaxie in einenn verheerenden Krieg stürzen könnte...

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ALFRED BEKKER ist ein  bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Science Fiction, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jonas Herlin, Adrian Leschek, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author

© dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

[email protected]

Prolog I

Aus dem persönlichen Logbuch von Commander Martin Takener, Kommandant des terranischen Raumschiffs NOVA GALACTICA:

Wir befinden uns in einer äußerst heiklen Mission auf dem Heimatplaneten der Nugrou, einer Spezies von Gestaltwandlern, die einst ein unvorstellbar großes Imperium beherrschten und auch Einfluss auf die Geschichte der Menschheit nahmen. Jetzt ist davon nichts mehr existent. Goldene Götter nannte man diese Alienwandler einst wegen der imposanten Artefakte, die sie überall im Kosmos hinterließen. Insektoide Eroberer haben das Reich der Nugrou unter ihre Herrschaft gezwungen. Sie drohen zu einem Machtfaktor zu werden, der auch die Menschheit gefährdet.

Meine Mission ist äußerst schwierig. Wir sind in Auseinandersetzungen zwischen Nugrou-Rebellen und den insektoiden Besatzern geraten.

Zusammen mit zwei Nugrou namens Losig und Kulam befinde ich mich in aussichtsloser Lage.

Die Verbindung zu meinem Schiff ist abgebrochen.

Wir sind entdeckt und werden angegriffen.

Es ist fraglich, wie lange wir uns halten können.

Prolog II

Aus den Aufzeichnungen von Losig alias Ronald Smith:

Ich bin ein Nugrou.

Goldene Götter nannte man unsere Spezies.

Alienwandler ist eine Bezeichnung für uns, die auf der Erde üblich geworden ist, seit man von unserer Existenz weiß.

Alienwandler - weil wir Gestaltwandler sind.

Unsere Lebenserwartung ist - verglichen mit den Maßstäben der Menschen - ungeheuer groß.

Über lange Zeit lebte ich unter dem Namen Ronald Smith unerkannt unter Terranern, bis ich mich ihnen offenbarte und sie als Verbündete in meinem einsamen Rebellen-Kampf gegen die verhassten Qalaak.

Es ist seltsam, jetzt zur alten Heimat zurückzukehren. Nach Yope, dem Ursprungsplaneten der Nugrou und ehemaligen Zentrum des Reiches der Goldenen Götter.

Aber von dieser Herrlichkeit ist nichts geblieben.

Der Terraner namens Martin Takener wird uns vielleicht dabei helfen, dass sich das ändert und wir die übermächtige Herrschaft der Qalaak beenden.

Wir haben mit Kulam Kontakt aufgenommen, einem Freund und Rebellenführer.

Die Frage, die sich mir im Nachhinein stellt, ist die: Haben wir dadurch vielleicht die Qalaak-Besatzer auf uns aufmerksam gemacht?

Und vielleicht nicht nur auf uns, sondern auch auf die Nugrou-Rebellen?

Wenn das der Fall sein sollte, sind wir für das Verhängnis mitverantwortlich, das dann hereinbrach.

1

Die Spezial-Raumyacht - ein Beiboot der NOVA GALACTICA - schnellte durch das All und näherte sich der blauen Sonne von Yope. Die Tarnvorrichtung war aktiviert.

Zwei Personen waren an Bord: Commander Martin Takener und der Alienwandler Losig.

Letzterer hatte für den Flug zunächst noch einmal die Gestalt des Menschen Ronald Smith angenommen.

Aber seit sie das System der blauen Sonne von Yope erreicht hatten, war er in seine eigentliche Nugrou-Gestalt gewechselt und bediente seine Instrumente mit Hilfe von feingliedrigen, sich ständig verändernden Tentakeln. Menschliche Finger wirkten gegenüber diesen Tentakeln geradezu grobschlächtig und ungeschickt.

„Wird Zeit, dass du dich an diesen Anblick gewöhnst, Martin“, sagte Losig alias Ronald Smith. „Für die Dauer dieser Mission wird Ronald Smith wohl kaum in Erscheinung treten, wie ich annehme.“

„Verstehe“, sagte Takener.

Takener beschleunigte den Spezial-Raumer und näherte sich einem blauen Gasriesen, dessen Atmosphäre vor allem aus Ammoniak und Schwefelwasserstoffen bestand. Ein Planet, der nach faulen Eiern stank - was allerdings wohl niemand riechen konnte, denn es war kaum ein Organismus denkbar, der der mörderischen Gravitation und den absolut tödlichen Druckverhältnissen in der Atmosphäre des Gasriesen hätte widerstehen können.

Den Anzeigen der Ortung nach gab es aber auch positive Dinge über den Gasriesen zu sagen.

Zum Beispiel, dass es in den tieferen Schichten seiner Atmosphäre Diamanten regnete, wenn der Kohlenstoff unter extremem Druck und ebenso extremer Gravitation zusammengepresst wurde. Diamanten von der Größe eines Kühlschranks ...

Martin Takener steuerte die Spezial-Raumyacht geradewegs in die Atmosphäre des Gasriesen hinein. Die Gravitation und der hohe Druck machten dem Beiboot der NOVA GALACTICA nichts aus, denn es war durch ein Quantenwarpfeld und einen Hyperraumschirm geschützt. Bei eingeschaltetem Quantenwarpfeld konnte das Raumboot feste Materie durchdringen. Es interagierte dann ebenso wenig mit herkömmlicher Materie wie es die sogenannte Dunkle Materie tat, die nur durch ihre Gravitation erkennbar war.

Takener ließ die Raumyacht mitten in der Gashülle des Riesenplaneten stoppen und die Position halten.

„Jetzt werden wir uns mal ortungstechnisch umsehen“, sagte er.

„Unnötig“, meinte Losig.

„Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Ich möchte ungern von Qalaak-Schiffen angegriffen werden, noch bevor wir überhaupt unser Ziel erreicht haben“, sagte Takener.

„Die neue Tarnvorrichtung wird das verhindern.“

„Ja, aber ich möchte trotzdem erst die Lage peilen. Und aus dem Inneren eines nahen Gasriesen ist das am Besten möglich.“

Das Mutterschiff dieser Mission, die NOVA GALACTICA, wartete 50 Lichtjahre vom System der blauen Sonne entfernt auf die Rückkehr von Takener und Losig. Weit genug entfernt, sodass selbst bei einer Entdeckung durch die Qalaak keine Verbindung zwischen dem Großraumer und seinem Beiboot gezogen werden konnte.

Losig fuhr mit einem Dutzend aufgefächerter Tentakel über die Kontrollen. Er aktivierte eine Drei-D-Darstellung des Planeten Yope und seiner Umgebung.

Deutlich waren die georteten Einheiten der Qalaak-Raumkontrolle markiert.

„Alles im üblichen Bereich“, sagte der Alienwandler. „Mit unserer Tarnung dürfte es kaum ein Problem sein, durch die Raumkontrolle zu kommen und unbemerkt zu landen. Dann werden wir uns mit Kulam und seinen Rebellen treffen.“

„Wenn die Raumkontrolle der Qalaak doch etwas bemerkt, kann das für Kulam und seine Anhänger übel ausgehen.“

„Es wird nicht geschehen. Die Tarnvorrichtung funktioniert einwandfrei und ist auf eine Weise von mir optimiert worden, die bislang einzigartig ist.“

„Okay ...“, murmelte Takener.

„Abgesehen davon: Was soll schon passieren? Die Nugrou von Yope werden auf einer Planetenhemisphäre wie in einem abgegrenzten Reservat für seltene Wildtiere gehalten. Unterdrückt und unfrei. Es wird Zeit, dass jemand Feuer an die Lunte legt, damit sich etwas ändert.“

„Darum sind wir aber nicht hier“, erinnerte Takener den Alienwandler.

„Du vielleicht nicht ...“

„Unser Auftrag lautet, die Lage auf Yope zu erkunden.“

„Das Imperium der Qalaak breitet sich immer weiter aus. Ganze Galaxien haben sich die schon einverleibt. Jetzt gefährden die Qalaak nur die menschlichen Siedler auf Terra Nuova, aber früher oder später wird auch die Erde in Gefahr sein.“

„Um das zu beurteilen sind wir hier, Losig.“

„Ich bin hier, um das zu ändern!“

„Du arbeitest genau wie ich im Auftrag der irdischen Regierung. Vergiss das nicht.“

Losig zögerte.

Er nahm für einen kurzen Moment seine menschliche Gestalt an.

„Nein, das vergesse ich nicht“, erklärte er.

„Du bist Angehöriger der Terranischen Flotte.“

„Und mir ist bewusst, dass ohne die Unterstützung der Terranischen Flotte sich weder auf Yope noch in Galaxis Nyroo irgend etwas zum Besseren ändern wird, denn die Bewohner von Terra Nuova sind dazu trotz ihrer technischen Brillanz zu schwach. Und davon abgesehen weiß ich auch nicht, ob die Interessen der Terra-Nuova-Regierung überhaupt mit den unseren übereinstimmen.“

Takener hob die Augenbrauen.

„Den unseren?“, echote er.

„Denen der Nugrou.“ Losigs menschliche Ronald-Smith-Gestalt zuckte noch mit den Schultern, ehe sich der Alienwandler wieder in einen glibberigen Organsack mit Tentakeln verwandelte.

Takener verstand durchaus, worauf Losig hinauswollte.

Wenn die Nugrou sich erheben und die Herrschaft der Qalaak abschütteln, kann das für die Terra-Nuova-Menschen unter Umständen ebenso gefährlich werden wie die jetzige Bedrohung durch die Qalaak ...

Und wenn es zu einem lang anhaltenden Krieg zwischen beiden um die Herrschaft in der Galaxis Nyroo kommt, wird sich die Regierung von Terra Nuova kam raushalten können ...

„Du bist der Kommandant dieser Mission“, stellte Losig jetzt klar.

„Gut, dass wir uns da einig sind“, sagte Takener.

„Aber du wirst verstehen, dass mich das alles sehr aufwühlt. Ich habe so lange im Exil unter Menschen gelebt ... Den Tag, an dem die unterdrückten Nugrou ihr Elend beenden, kann ich kaum erwarten!“

*

Takener und Losig beobachteten von ihrem Standort im Inneren des Gasriesen aus ortungstechnisch das Yope-System. Im Schutz des Quantenwarpfelds und des Hyperraumschilds konnten sie hier unbegrenzt ausharren. Selbst die herabregnenden Riesendiamanten fielen einfach durch das Raumboot hindurch.

Schließlich beschloss Takener, dass die Lage hinreichend abgeklärt sei.

Er ließ die Raumyacht aus dem Inneren des Gasriesen herausschießen und flog mit eingeschalteter Tarnung auf Yope zu.

„Keine Reaktion der Raumkontrolle“, meldete Losig.

„Das lässt ja hoffen.“

„Deine Sorgen sind unbegründet, Martin. Wir werden einfach an den Qalaak-Einheiten vorbeifliegen. Und es wird nichts geschehen.“

„Wenn du das sagst.“

„Ich schlage vor, dass du mir die Steuerung für die Landung überlässt.“

„Aus welchem Grund?“

„Ich bin ... ortskundig.“

„Okay. Aber wir sollten trotz unserer Tarnung darauf achten, keinerlei Signaturen zu hinterlassen, die uns vielleicht noch im Nachhinein verraten könnten.“

„Das Risiko besteht“, sagte Losig. „Und ich fürchte, dass es sich nicht vollkommen ausschließen lässt.“

Losig übernahm nun die Steuerung. Er beschleunigte die Raumyacht stark, zog an einem bewaffneten Raumfort im Orbit vorbei und flog dann zwischen mehreren Qalaak-Kriegsraumern hindurch. Dann drang die Raumyacht in die Atmosphäre von Yope ein.

„Landeanflug eingeleitet“, meldete Losig. „Wir werden uns erst nach der Landung über ein besonders codiertes Signal mit Kulam und den Rebellen in Verbindung setzen.“

2

Einige irdische Standard-Tage später auf Yope, im Gebiet der Nugrou ...

Am Himmel von Yope leuchtete die Sonne durch einen bedeckten Himmel hindurch und tauchte die Umgebung in ein bläuliches Licht. Grelle Energieblitze und Strahlenschüsse durchzuckten die erdähnliche Atmosphäre. Der Kampf um die Wohnpyramide war in vollem Gang. Von den Gemeinschaftsbalkonen der Wohnpyramide aus schossen die notdürftig bewaffneten Nugrou-Verteidiger gegen die angreifenden insektoiden Qalaak. Die Insektoiden waren hervorragend bewaffnet. Mehrere Hundert von ihnen hatten sich zusammengerottet. Offenbar in der Absicht, die Wohnpyramide der Nugrou zu erobern.

Wie ein großer Schatten näherte sich ein schwere Kampfgleiter der Insektoiden, der nicht nur für die Nugrou das Ende aller Hoffnungen zu bedeuten schien.

Martin Takener, Losig und Kulam waren hinter der niedrigen Brüstung eines Gemeinschaftsbalkons in Deckung gegangen und beobachteten von dort aus das Geschehen. Losig hatte inzwischen die von den Qalaak-Herrschern definierte Standard-Nugrou-Gestalt angenommen. Die Fähigkeit zum Gestaltwandel war für die Insektoiden natürlich eine Gefahr, die jedweder Subversion und Rebellion Tür und Tor öffnete. Darum gab es für die Nugrou eine gesetzlich definierte Standardgestalt. Unter Androhung schlimmster Strafen war es für die Gestaltwandler untersagt, davon abzuweichen.

Die Kleider, die Losig zuvor zur Tarnung in Gestalt eines insektoiden Qalaak getragen hatte, waren von ihm in einer Tasche aus organischer Membran verstaut worden, die sein amöbenhafter Körper nach Belieben auszubilden vermochte.

Mit einem anderen Tentakel hielt er seinen Strahler, mit dem er sich an der Verteidigung der Wohnpyramide beteiligt hatte.

Losig hob die Waffe, zielte auf den Gleiter.

Der Strahl traf die matt schimmernde Oberfläche.

Ohne Wirkung.

Der kaum sichtbare Energieschirm, der den Kampfgleiter wie eine zweite Außenhaut umgab, sorgte dafür, dass die Energie des Strahlschusses sofort absorbiert wurde.

,,Es ist aus“, sagte der Nugrou resigniert. Er drehte seinen amöbenhaften Körper etwas herum. Ein Gesicht hatte er in diesem Zustand nicht. ,,Es tut mir leid, dass ich dich in diese aussichtslose Sache hineingezogen habe, Martin Takener“, fuhr er fort.

Martin Takener überprüfte die Energieversorgung seines Handlasers. Er kauerte in Deckung, um nicht vom Energiefeuer der insektoiden Qalaak-Angreifer erfasst zu werden.

„Niemand hätte diese Wendung der Dinge vorhersehen können“, erklärte der Commander gefasst.

Losig stimmte ihm zu. ,,In den acht Erdenjahren, die seit meinem letzten Aufenthalt auf Yope vergangen sind, hat sich offenbar noch viel mehr verändert, als ich befürchtet habe!“

Kulam fuhr nun ebenfalls ein Tentakel aus, das eine Waffe hielt. Der Nugrou langte über die niedrige Brüstung des Gemeinschaftsbalkons und feuerte in Richtung der angreifenden Qalaak.

„Verkaufen wir uns so teuer wie möglich“, sagte Losig währenddessen. ,,So sagt man doch bei euch auf der Erde, nicht wahr?“

Immer näher schwebte der Kampfgleiter heran. Noch hatte er nicht in das Geschehen eingegriffen. Falls er es tat, würde der weitere Fortgang der Schlacht einem Gemetzel gleichen. Die Waffen an Bord des Gleiters waren ohne Weiteres in der Lage, die gesamte Wohnpyramide innerhalb kürzester Zeit in Schutt und Asche zu legen.

Für die Nugrou, die sich bislang notdürftig verteidigt hatten, bestand jetzt nicht mehr die geringste Chance, das Gefecht für sich zu entscheiden.

Der Gleiter verlangsamte die Fahrt.

Äußerlich sichtbare Strahlgeschütze wurden hin und her geschwenkt.

Aber noch feuerten sie nicht.

Warum zögern sie?, ging es Martin Takener durch den Kopf. Eine günstige Kampfdistanz haben sie doch längst erreicht ...

Es wäre für die Gleiterbesatzung ein Leichtes gewesen, den Kampf durch ein paar gezielte Schüsse auf die Wohnpyramide zugunsten der Qalaak zu entscheiden. Die Verteidiger hatten den Waffensystemen des Gleiters nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen. Darüber hinaus verfügte die Wohnanlage über keinerlei Schutzschirme.

Aber noch unternahm die Gleiter-Besatzung nichts.

Vielleicht wollen sie die Wohnpyramide bei der Eroberung nicht nachhaltig beschädigen, überlegte Takener. Das konnte eine Erklärung für die ungewöhnliche Passivität sein, die der Kampfgleiter bislang an den Tag legte.

Er bremste ab. Das Tempo verlangsamte sich zusehends.

,,Was spielen die für ein Spiel?“, fragte Martin Takener.

Losig holte sein Armbandgerät hervor, das er zusammen mit der Qalaak-Kleidung in der Gewebetasche verstaut hatte.

„Die Waffensysteme des Gleiters sind voll aktiviert“, stellte er fest. „Vielleicht warten sie nur auf einen günstigen Moment, um möglichst viele Nugrou töten zu können.“

„Möglich ...“, murmelte Martin Takener.

Unruhe entstand unter den angreifenden und offenbar von blanker Mordlust erfüllten Qalaak. Einige dieser heuschreckenartigen Insektoiden hatten sich sogar noch mit ihren Beißwerkzeugen an die getöteten Nugrou herangemacht, um deren Körper zu zerfetzen.

Doch jetzt schreckten sie auf.

Die Anwesenheit des Kampfgleiters scheint sie zu irritieren, erkannte Takener. Warum nur? Der Terraner konnte sich einfach keinen Reim darauf machen.

Ein gleißender Energiestrahl, abgeschossen aus einer der Bordwaffen des Kampfgleiters, zuckte durch die Luft.

Zur Überraschung aller war dieser Strahl keineswegs auf die Wohnpyramide oder die Stellungen der Nugrou-Verteidiger gerichtet.

Stattdessen erfasste der Strahl ein halbes Dutzend Qalaak.

Halb verkohlte Kadaver blieben zurück. Erneut wurde aus den Bordwaffen des Kampfgleiters geschossen. Mehrere Strahlschüsse erfassten insgesamt fast zwei Dutzend der insektoiden Angreifer. Regungslos blieben ihre toten Körper zurück. Spätestens jetzt war klar, dass das Feuer des Kampfgleiters auf die Qalaak mit voller Absicht geschehen war.

„Was geht da vor sich?“, fragte Martin Takener.

„Um ehrlich zu sein, bin ich da vollkommen überfragt“, gab Losig zurück.

Auch Kulam, der sich eigentlich mit den gegenwärtigen Verhältnissen auf der zwischen Qalaak und Nugrou aufgeteilten Ursprungswelt der Alienwandler am besten auskennen musste, schien ratlos zu sein.

„Ich habe keine Erklärung, die einen Sinn ergeben würde“, sagte er.

„Offenbar haben wir in letzter Sekunde einen neuen Bundesgenossen bekommen“, stellte Takener fest.

Die angreifenden Qalaak hatten einige Augenblicke gebraucht, um zu begreifen, dass ihnen offenbar von ihren eigenen Artgenossen höchste Gefahr drohte. Erbarmungslos setzte die Besatzung des Kampfgleiters ihre Bordwaffen ein. Immer wieder zuckten Strahlschüsse aus den Geschützmündungen des Kampfgleiters. Abwechselnd wurden breit gestreute Strahlenteppiche und gezieltes Punktfeuer verschossen. Die Qalaak hatten keine Chance. Sie starben wie die Fliegen. Die Strahlenteppiche erfassten jeweils Dutzende von ihnen auf einmal. Während manche starben, wurden andere lediglich kampfunfähig. Das Punktfeuer machte ihnen endgültig den Garaus. Verzweifelt suchten die Angreifer Deckung zu finden oder zu flüchten. Viele waren bereits tot, ehe sie überhaupt die neue Lage erfasst hatten. Nicht lange, und der Vorplatz der Wohnpyramide war übersät mit toten Qalaak.

Einige der Insektoiden versuchten sich in sinnloser Gegenwehr, feuerten mit ihren Strahlwaffen vergeblich auf die von einem Energieschirm geschützte Außenhaut des Fluggefährts.

Die Wirkung war gleich null. Die Strahlschüsse prallten von dem Schutzschirm ab oder wurden absorbiert.

Die letzten Überlebenden unter den heuschreckenartigen Angreifern suchten ihre Rettung in heilloser, chaotischer Flucht. Sie stoben auseinander, zogen sich zurück. Manche versuchten in das Umland zu entkommen. Doch auch auf die Flüchtenden wurde noch geschossen.

Die Zielerfassungsgeräte an Bord des Kampfgleiters arbeiteten mit gnadenloser Perfektion und Genauigkeit.

Nur wenigen Qalaak-Flüchtlingen gelang es, den engeren Bereich um die Wohnpyramide zu verlassen und in der spärlichen Vegetation des Umlandes Deckung zu finden. Selbst sie waren jedoch in der Gefahr, von den Ortungssystemen des Kampfgleiters erfasst und im nächsten Moment anvisiert zu werden. Immer wieder zuckten die Strahlenblitze durch die Luft und vernichteten mit tödlicher Sicherheit ihre Ziele.

Sofern wirklich Qalaak an den Steuerkonsolen dieses Gleiters sitzen, so gehen sie gegen ihresgleichen mit derselben Härte und Grausamkeit vor wie gegen Angehörige anderer Spezies, überlegte Martin Takener. Er konnte noch immer nicht so recht fassen, was da vor seinen Augen geschah. Weder Takener noch Losig konnten sich einen Reim auf die Handlungsweise der Gleiterbesatzung machen. 

Der Kampf – wenn man überhaupt von einem solchen sprechen konnte – war schnell vorbei.

Von den Qalaak-Angreifern blieb nichts zurück, außer zahlreichen toten Insektoidenkörpern. Hier und da zuckte noch ein Bein. Reine Nervenreaktionen. Leben war in keinem der Getroffenen mehr.

Die wenigen Überlebenden des Gemetzels waren in die Umgebung verschwunden.

Der Angriff auf die Wohnpyramide war beendet.

Trotzdem hielt sich die Begeisterung bei den Nugrou-Verteidigern in Grenzen. Die meisten blieben in ihren Stellungen und behielten Deckung.

„Wer immer sich auch in dem Gleiter befindet – es wäre vielleicht nicht besonders gut, wenn er euch beide sehen würde“, äußerte Kulam an Takener und Losig gewandt.

,,Keine Sorge, wir bleiben in Deckung“, versprach Martin Takener.

Ganz gleich, welche Meinungsverschiedenheiten es möglicherweise zwischen unterschiedlichen Fraktionen innerhalb der Qalaak geben mochte, so war nicht anzunehmen, dass ein bei den Insektoiden als Widerstandskämpfer berüchtigter Nugrou wie Losig mit freundlicher Aufnahme rechnen konnte.

Der Gleiter senkte sich, schwebte über dem Schlachtfeld.

Er sank nieder und landete schließlich in der Mitte des Vorplatzes.

Der Schutzschirm wurde deaktiviert.

Die flimmernde Lichtmembran, die das Gefährt umgab, verschwand von einem Augenblick zum nächsten.

Sie sind immerhin bereit, ein gewisses Risiko einzugehen, erkannte Takener. Zwar war nicht damit zu rechnen, dass die Nugrou-Verteidiger mit ihrer behelfsmäßigen Bewaffnung den schweren Kampfgleiter der Qalaak wirklich zu zerstören vermochten. Schließlich verfügte dieser zusätzlich noch über eine dicke Panzerung. Aber die Qalaak gingen mit der Deaktivierung des Schutzschirms immerhin das Risiko ein, durch Strahlenbeschuss schwere Schäden an der Außenhülle des Schwebers zu erleiden.

Doch kein einziger der Nugrou-Rebellen war so dumm, diese Situation ausnutzen zu wollen.

Sie wussten sehr genau, dass sie der Gnade der Gleiterbesatzung mehr oder weniger ausgeliefert waren. Die Kräfteverhältnisse waren eindeutig, die Übermacht geradezu erdrückend.

Jedem Nugrou musste klar sein, dass es für die Qalaak ein Leichtes war, Verstärkung zu rufen, falls der Gleiter beschädigt wurde. Nötigenfalls konnte innerhalb kürzester Zeit ein ganzes Geschwader schwerer Kampfgleiter am Horizont erscheinen und die Wohnpyramide in Schutt und Asche legen.

,,Es scheint fast so, als wollten die Qalaak einen Kommunikationsversuch unternehmen“, stellte Losig ziemlich überrascht fest.

,,Kaum zu glauben“, erwiderte Kulam.

Losig wandte sich an seinen Gastgeber. ,,Hat es so etwas schon einmal gegeben? Qalaak, die gegen Qalaak kämpfen?“

Kulam verneinte das.

,,Glaub mir, ich hätte davon bestimmt gehört“, erwiderte er. ,,Um ehrlich zu sein, es fällt mir immer noch schwer zu glauben, was ich hier miterlebt habe ...“

„Vielleicht sind die Insektoiden doch nicht eine so monolithische Einheit, wie es bisher schien“, äußerte Martin Takener.

„Legt die Waffen nieder. Es wird niemandem etwas geschehen!“, tönte in diesem Augenblick über eine Lautsprecheranlage des Kampfgleiters. Der Sprecher hatte die Nugrou-Sprache benutzt.

Ein Außenschott öffnete sich.

Die vielgliederige, an eine überdimensionale irdische Heuschrecke erinnernde Gestalt eines Qalaak trat ins Freie.

Er wandte den Kopf, rieb die Beißwerkzeuge aneinander. Die Facettenaugen schimmerten leicht. Einige Augenblicke verharrte er dann vollkommen starr. Takener fiel auf, dass die Kleidung dieses Qalaak mit glänzenden Abzeichen nur so gespickt war. Vielleicht handelte es sich um Ordens- und Ehrenzeichen.

„Es muss sich um einen hochrangigen Offizier handeln“, sagte Kulam.

Losig, der ebenfalls einen Blick aus der Deckung heraus wagte, stimmte dieser Einschätzung zu. „Die Kleider lassen daran keinen Zweifel! Das ist die Uniform eines Bezirksoffiziers. Mindestens!“

,,Mit einem Fernsichtgerät könnte ich vielleicht die Datenstreifen entschlüsseln, die Auskunft über den Rang geben“, ergänzte Kulam.

Auf dem Vorplatz herrschte Stille.

Einige der Nugrou-Rebellen wagten sich nun ebenfalls aus ihrer Deckung heraus, hielten aber die Waffen im Anschlag.

Der Qalaak-Offizier hob einen seiner Greifarme.

Am oberen Körpersegment trug er ein Translator-Modul, das drahtlos mit der Lautsprecheranlage verbunden war.

„Hört meine Worte! Ich spreche im Namen der Gemeinschaft aller Verehrten“, sagte der Offizier.

Er spricht von seiner eigenen Gattung als „die Verehrten“ und benutzt damit den Sklavennamen der Nugrou für die Qalaak, überlegte Martin Takener. Das heißt, dass er die gegenwärtigen Autoritätsverhältnisse auf Yope als gegeben ansieht und keineswegs ein etwaiger Qalaak-Rebell ist!

Der Offizier fuhr in seiner Rede fort. Offenbar hielt er es nicht für notwendig, eine genaue Rangbezeichnung oder gar das Qalaak-Äquivalent eines individuellen Namens anzugeben. Er schien es gewohnt zu sein, dass sein Auftreten allein genügte, um seine Umgebung einzuschüchtern und Autorität auszustrahlen. Ganz gleich, ob es sich dabei um Angehörige seiner eigenen Art, der vor Äonen besiegten Nugrou, oder irgendeines unbedeutenden Hilfsvolkes handelte.

,,Ich möchte mich für das Verhalten jener Qalaak, die versucht haben, euch Nugrou anzugreifen, ausdrücklich entschuldigen“, erklärte der Offizier. Er machte eine Pause, wandte leicht den Kopf. Die Emotionen dieser vom terranischen Standpunkt aus sehr fremdartig wirkenden Spezies waren für Takener schwer nachzuvollziehen. Aber der Commander hatte den Eindruck, dass es dem Qalaak-Offizier schwer fiel, diese Worte über das Translator-Modul zu lassen.

Vielleicht interpretiere ich auch einfach nur zu viel in die Worte des Qalaak hinein!, überlegte Takener. Eine gewisse Unsicherheit im Auftreten des Offiziers war jedoch unverkennbar.

Die Nugrou hörten den Worten des Qalaak schweigend zu.

Der Offizier fuhr fort: „Die unseligen Angreifer haben sich damit aus der Gemeinschaft der Verehrten selbst entfernt. Sie waren jung, handelten unbeherrscht und haben die Gesetze missachtet, die auf Yope auch weiterhin Geltung haben werden. Insbesondere gilt dies für die Aufteilung dieses Planeten. Eine Hälfte Yopes gehört den Nugrou. So sei es: Wie in der Vergangenheit, so heute und in Zukunft.“

,,Seine letzten Worte waren die Nugrou-Übersetzung der traditionellen Rechtsbekräftigungsformel der Insektoiden, wie sie in Prozessen bei der Urteilsverkündung des Richters verwendet wird“, erläuterte Kulam vollkommen überrascht in Takeners Richtung.

„Nicht zu glauben! Ein Qalaak als Garant des Rechtes!“, stieß Losig sarkastisch hervor.

Damit drückte er wahrscheinlich genau die Gedanken aus, die zurzeit in den meisten der Nugrou herumschwirrten.

Am Horizont tauchte ein halbes Dutzend weiterer Gleiter auf und näherte sich rasch. Kulam gab jedoch schon gleich bei ihrem Erscheinen Entwarnung. „Es handelt sich nicht um weitere Kampfgleiter, sondern um Transporteinheiten“, erläuterte der Nugrou.

*

Die Gleiter kamen schnell näher, bildeten eine halbkreisförmige Formation und landeten rund um den Vorplatz der Wohnpyramide herum. Sie waren wesentlich kleiner als die schweren Kampfgleiter. Ihre Flug- und Landemanöver führten sie absolut synchron durch.

Die Außenschotts öffneten sich. Turmförmige Roboter kamen hervor und begannen damit, die toten Qalaak-Körper einzusammeln und im Inneren der Transportgleiter zu verstauen.

Der Qalaak-Offizier blickte sich noch einige Augenblicke lang schweigend um, rieb dabei die Beißwerkzeuge aneinander. Dann hob er wie bei seiner Begrüßung einen Greifarm und drehte sich herum.

Ohne sich zu beeilen, kehrte der insektoide Offizier ins Innere des Kampfgleiters zurück. Das Schott schloss sich selbsttätig hinter ihm.

Der Kampfgleiter erhob sich schon im nächsten Moment wieder. Ein leichtes Flimmern machte deutlich, dass der Schutzschirm wieder aktiviert war. Der Kampfgleiter flog eine hyperbelförmige Bahn, kam dabei bis auf wenige Meter an die Wohnpyramide heran und entfernte sich anschließend zusehends von ihr. Die Turm-Roboter waren rasch mit ihrem makabren Werk fertig. Die toten Qalaak waren in den Laderäumen der Transporteinheiten verstaut. Die Schotts schlossen sich einer nach dem anderen hinter der jeweils letzten Robotereinheit, die an Bord ging. Die Gleiter erhoben sich. Sie folgten dem Kampfgleiter in einigem Abstand und hielten dabei ihre halbkreisförmige Formation ein.

Takener und Losig kamen vollständig aus ihrer Deckung hervor, als die abziehenden Qalaak-Gleiter nur noch dunkle Punkte im Widerschein der blauen Sonne Yopes waren.

,,Was auch immer dieses Ereignis zu bedeuten haben mag – ich glaube, keiner von uns hätte gedacht, die nächste Yope-Stunde noch unter den Lebenden zu sein!“, verkündete Losig mit spürbarer Erleichterung.

„Es scheint unter den Qalaak größere Meinungsverschiedenheiten zu geben, als uns bisher bekannt war“, vermutete Takener. Er wandte sich an Kulam. „Hast du irgendetwas darüber gehört?“

„Nein. Die Gesellschaftsstruktur der Qalaak ist absolut hierarchisch. Es herrscht ein System von Befehl und Gehorsam. Bisher dachte ich, dass da für individuelle Abweichungen kein Platz ist. Aber jetzt muss ich meine Meinung offenbar revidieren.“

„Es würde mich interessieren, ob dieser Qalaak-Offizier aus eigenem Entschluss oder auf Befehl gehandelt hat!“, sagte Takener.

Für Losig war diese Frage klar zu beantworten. „So, wie ich die Qalaak bisher kennengelernt habe, war es zweifellos ein Befehl von oben.“

„Sollte das zutreffen, dann schützt die Führung der Qalaak die Nugrou!“, stellte Takener fest.

Losig antwortete darauf nicht.

Er schien seinen eigenen Gedanken nachzuhängen. Immer wenn er nicht seine menschliche Ronald-Smith-Gestalt angenommen hatte, sondern mit seinen hundert Kilogramm Körpermasse einen amöbenhaften Nugrou-Körper bildete, hatte Takener große Schwierigkeiten, von irgendwelchen körperlichen Reaktionen auf Losigs Gefühlslage zu schließen.

Als Ronald Smith hatte Losig das Gesicht eines Terraners.

Ein menschliches Antlitz, in dessen Mimik sich lesen ließ. Während seines Aufenthalts auf der Erde hatte Losig sich auch, was das Mienenspiel der Gesichtszüge anging, an seine Umgebung angepasst. Schließlich war es damals ein Ziel gewesen, so wenig wie möglich aufzufallen.

Irgendetwas beschäftigt ihn sehr stark!, ging es dem Terraner durch den Kopf. Aber offensichtlich will er es zurzeit noch mit niemandem teilen.

3

Über eine besonders codierte Botschaft wurde eine Versammlung der etwa hundert Nugrou-Kämpfer einberufen, die an der Verteidigung der Wohnpyramide teilgenommen hatten.

Kulam wandte sich an seine Gäste.

„Ihr beide seid natürlich ebenfalls dazu eingeladen“, erklärte er.

„Diese Versammlung könnte interessant werden“, meinte Losig. „Ich bin gespannt darauf zu erfahren, was die Rebellen von dem heutigen Vorfall halten.“

„Um ehrlich zu sein, ich kann noch immer nicht fassen, was sich ereignet hat“, gestand Kulam. „Und ich denke, das wird den meisten ähnlich gehen!“

„Zumindest widerspricht es allem, was ich bisher über Qalaak weiß“, bekannte Martin Takener.

Kulam wandte sich an den Commander. „Es ist eine Ehre für uns, wenn auch du an der einberufenen Versammlung teilnehmen würdest!“

„Ich bin kein Nugrou“, gab Takener zu bedenken.

„Aber du hast dich an der Verteidigung unserer Wohnpyramide ebenso beteiligt wie alle anderen und dich dadurch in Lebensgefahr begeben! Dafür gebührt dir der Respekt aller, Takener.“

„Nun, dann nehme ich die Einladung gerne an und an dieser Versammlung teil.“

„Es ist ein gewisses Risiko dabei“, gestand Kulam ein.

„Aber zweifellos können wir dort genauere Informationen über die gegenwärtige Lage auf Yope erhalten“, entgegnete Losig.

„Du solltest inzwischen wissen, dass ich nicht besonders ängstlich bin“, gab Martin Takener zurück.

„Nein, das gewiss nicht. Aber du kennst auch nicht den Mut der Verzweiflung, von dem ich erfüllt bin. Wir könnten den Nugrou hier auf Yope durch deine Anwesenheit ein Zeichen der Hoffnung geben, Martin. Die Mitglieder der Versammlung würden davon erfahren, dass wir mit den Terranern einen Verbündeten haben, der uns helfen könnte, das Joch der Qalaak endlich abzuwerfen und zu alter Macht zurückzufinden und ...“

„Man sollte ihre Hoffnungen nicht zu sehr schüren“, warf Martin Takener ein. „Euphorische Illusionen, die später wie Seifenblasen zerplatzt sind, dürfte es in der langen Unterdrückungsgeschichte der Nugrou schon oft genug gegeben haben.“

„... und du könntest noch etwas mehr über die verzweifelte Lage erfahren, in der sich mein Volk inzwischen befindet!“, fuhr Losig unbeirrt fort.

Die Lage der einst so erhabenen und machtvollen Goldenen Götter war tatsächlich verzweifelt. Kaum die Hälfte ihrer Ursprungswelt Yope wurde ihnen, die einst die Galaxis Nyroo beherrscht hatten, noch von den herrschenden Qalaak zugestanden.

Ein kläglicher Rest.

Wie der heutige, offenbar vollkommen unautorisierte Qalaak-Angriff aber gezeigt hatte, war selbst dieser Rest in ständiger Gefahr.

Wenn es den Qalaak beliebte, dem einstmals so erhabenen und technisch überlegenen Volk der Nugrou endgültig den Garaus zu machen, so war dies jederzeit möglich.

Dass es den Worten des Qalaak-Offiziers und Kampfgleiterkommandanten nach zumindest derzeit nicht dem Ziel der offiziellen Politik der Insektoiden entsprach, eine vollkommene Vernichtung der letzten Nugrou anzustreben, konnte dabei nur ein schwacher Trost sein.

Die Aussicht auf einen Aufschub.

Mehr konnte man darin wohl kaum sehen.

Kulam bewegte sich auf den Takener zu. Er legte ihm ein Tentakel auf die Schulter.

„Ich freue mich, dass du bei uns bist, Martin Takener“, erklärte er fast feierlich. „Deine Anwesenheit ist für mich ein tatsächlich ein Zeichen der Hoffnung.“

Takener dachte mit leichtem Schauder daran, mit welchen Gefühlen er noch vor Kurzem den Boden des Planeten Yope betreten hatte. Gefühle der Ehrfurcht vor allem. So lange hatte er nach dem Ursprung der Alienwandler gesucht, jenem geheimnisvollen Volk, dessen technische Errungenschaften die Menschheit so viel verdankte. Nun hatte er diesen Ursprung gefunden und wurde von den Angehörigen dieses einstmals so mächtigen Volkes sogar offenbar als gleichwertig anerkannt.

„Lasst uns zur Versammlung gehen“, forderte Losig.

Takener musste unwillkürlich schmunzeln.

Er benutzt tatsächlich das Nugrou-Äquivalent für „gehen“, obwohl man seine Art der Fortbewegung in seiner gegenwärtigen körperlichen Gestalt wohl kaum mit diesem Begriff bezeichnen kann, überlegte der Terraner.

4

Etwa hundert Nugrou hatten sich in dem mittelgroßen Gemeinschaftsraum versammelt. Es herrschte offensichtlich große Aufregung unter den Teilnehmern. Selbst für Takener als Nicht-Nugrou war ihre Unruhe gleich erkennbar.

„Kann man den Anwesenden trauen?“, wandte sich Martin Takener leise an Losig.

„Sei unbesorgt, Martin. Deine Furcht ist unbegründet.“

Kulam hatte die Worte des Terraners gehört. „Jeder Nugrou, den du hier antriffst, ist absolut vertrauenswürdig“, erklärte er in Takeners Richtung. „Natürlich kann man Verrat nie vollkommen ausschließen. Aber du kannst mir glauben, dass wir außerordentlich vorsichtig sind.“

„Das habe ich auch nie anzweifeln wollen!“

„Wie du sehen wirst, ist unser Volk in einer verzweifelten Lage. Wir stehen am Abgrund. Da ist es leicht, mutig zu sein. Schließlich haben wir nichts zu verlieren.“

Takener blickte sich um und registrierte, dass Kulam einigen Nugrou ein Zeichen gab. Er fuhr dazu ein Tentakel aus seinem amöbenhaften Körper aus. Einige Nugrou, die Kulam zu kennen schien, besetzten daraufhin die Ausgänge des Gemeinschaftsraums. Anschließend wandte er sich an Losig und Takener. „Für eure Sicherheit ist alles getan, was in unserer Macht steht“, erklärte er.

„Nach dem, was sich vorhin ereignet hat, kann mir so schnell nichts mehr Angst machen“, erwiderte Takener.

Einzelne Nugrou kamen auf die Dreier-Gruppe zu und sprachen sie an.

„Wir kennen euch nicht, aber wir haben euer Verhalten während des Angriffs der Qalaak gesehen“, erklärte einer von ihnen. „Mein Name ist Nogars, und ich darf jedem von euch meine höchste Anerkennung aussprechen.“

„Danke“, erwiderte Losig.

Nogars wandte sich Martin Takener zu. „Diese Anerkennung schließt dich ausdrücklich mit ein, Fremdling.“

„Ich habe viel Mut unter den Verteidigern dieser Pyramide gesehen“, erwiderte Martin Takener. „Allerdings hätte wohl niemand von uns den heutigen Tag überlebt, wenn es nicht zum Eingreifen dieses Kampfgleiters und seiner Qalaak-Besatzung gekommen wäre.“

„Ein Phänomen, das für mich vermutlich so unerklärlich ist wie für jeden anderen hier im Raum“, sagte Nogars. ,,Wer bist du – und woher kommst du, Fremder?“

„Er wird euch gleich vorgestellt werden“, griff jetzt Kulam in die Unterhaltung ein.

Nogars schwieg einige Augenblicke.

Möglicherweise dachte er über Kulams Worte nach. Dem Äußeren seiner amöbenhaften Gestalt war das natürlich nicht anzusehen. Zumindest, was Martin Takener betraf, dem die Körpersprache der Nugrou vollkommen fremd war.

„Dass er auf unserer Seite steht, hat dieser Fremde ja eindrucksvoll bewiesen“, erklärte Nogars schließlich. „Ich habe ihn während des Kampfes auf die Qalaak schießen sehen. Der Energiestrahl seiner Waffe unterscheidet sich in der Färbung etwas von dem, was wir mit unserer behelfsmäßigen Bewaffnung verschießen.“

„Das mag sein“, gab Martin Takener zu. Ein aufmerksamer Beobachter, überlegte der Commander. Er hätte gerne mehr über diesen Nugrou gewusst, dessen sozialer Status offenbar recht hoch zu sein schien. Zumindest wenn man von der Ehrerbietung ausging, mit der er unter anderem von Kulam behandelt worden war.

Ein Signal ertönte.

Es hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Gongschlag, wurde ganz offensichtlich aber elektronisch erzeugt. Zumindest konnte Martin Takener keine akustische Quelle dieses Geräusches ausmachen.

„Die Versammlung beginnt“, erklärte Kulam. „Das war eben das Signal!“

Die Nugrou nahmen ihre Plätze ein und bildeten dabei eine Art Halbkreis. Sitzgelegenheiten, wie Menschen oder andere Humanoide sie gewohnt gewesen wären, gab es natürlich nicht. Für die amöbenartige Anatomie der Nugrou wären sie auch vollkommen ungeeignet gewesen. In der Mitte des Raumes befand sich ein Quader, von dem Martin Takener annahm, dass es sich um eine Konsole handelte.

Losig – durch seinen langen Aufenthalt unter Menschen daran gewöhnt, deren Körpersprache und Mimik zu lesen – raunte Takener leise eine Erklärung zu. „In deiner Kultur würde man dieses Ding ein Rednerpult nennen“, sagte er. „Es verfügt unter anderem über eine Möglichkeit der Verstärkung akustischer Signale!“

„Verstehe“, murmelte Takener.

Es herrschte zunächst einige Augenblicke lang Stille.

Nogars stand an jenem, etwa einen Meter hohen Quader, den Losig als Rednerpult bezeichnet hatte. „Wir sind soeben Zeuge seltsamer Ereignisse geworden. Ereignisse, die wohl nicht nur mich zutiefst verwirrt haben. Viele von uns hatten die Hoffnung längst aufgegeben, gegen die gut bewaffneten und in ihrer Grausamkeit beispiellosen Qalaak, die wir die Verehrten nennen müssen, im Kampf zu bestehen. Die Übermacht schien zu groß. Und als dann noch dieser Kampfgleiter auftauchte, hat sicherlich niemand von uns damit gerechnet, dass ein Offizier der verhassten Qalaak-Herrscher zu unseren Gunsten in das Geschehen eingreifen würde.“

Nogars machte eine Pause.

Seine Nugrou-Gestalt zog sich etwas zusammen und bildete zwei Tentakel aus, mit denen er sich am Rednerpult festhielt.

„Jeder der Anwesenden hat das gute Recht, sich zu Wort zu melden. Da ich der Älteste in diesem Kreis bin, nehme ich das Privileg in Anspruch, die Versammlung zu leiten und die Reihenfolge der Redebeiträge zu bestimmen!“

Ein Schwall von zustimmenden Lauten kam Nogars entgegen.

Dieser nahm sie mit einer Tentakelgeste zur Kenntnis, woraufhin wieder Schweigen einkehrte.

„Ich bitte also um Wortmeldungen!“, rief Nogars nun.

Es war Kulam, der sich als Erster meldete.

Er bewegte sich ohne sichtbare Eile zum Rednerpult hin, an dem Nogars für ihn Platz machte. Zuvor berührten sich Kulam und Nogars kurz gegenseitig mit den Außenmembranen ihrer Nugrou-Körper.

Vielleicht ein Zeichen dafür, dass sie sich gut kennen, überlegte Martin Takener.

Kulam ergriff im nächsten Moment das Wort. „Wir haben gesehen, wie ein Qalaak sich gegen andere Qalaak gestellt hat. Ich kann mich nicht erinnern, dass so etwas schon je einmal vorgekommen wäre!“

Laute der Zustimmung gingen von den versammelten Nugrou aus.

„Aber vielleicht bin ich einfach nicht gut genug informiert darüber! Ihr wisst, dass wir uns heimlich treffen müssen und unsere Kommunikationskanäle einer Zensur unterliegen, weil wir immer damit rechnen müssen, dass die Qalaak uns belauschen. So frage ich alle Anwesenden: Hat unter uns jemand von einem vergleichbaren Ereignis gehört?“

Einen Moment lang war es still.

Dann folgten die ersten Antworten.

„Nein, niemals!“, rief ein Nugrou.

„Das hat es nie zuvor gegeben!“, stimmte ein anderer zu.

Ein wahres Stimmengewirr erhob sich.

„So lange ich die Qalaak kenne, habe ich nicht von einem einzigen gehört, der so etwas getan hätte wie dieser Offizier!“

„Ja, es war ein hoher Offizier!“

„Vielleicht gibt es unterschiedliche Fraktionen unter den Qalaak!“

„Ein interner Kampf um die Macht!“

„Dass ein Qalaak aus reiner Selbstlosigkeit zugunsten von ein paar Nugrou-Pyramidenbewohnern eingreifen würde, kann ich mir nicht vorstellen – nach allem, was ich mit ihnen erlebt habe!“

„Genau!“

„Da stimme ich dir zu!“

„Es muss Gründe dafür geben!“

„Nugrou-Freundlichkeit kann das ja wohl kaum sein!“

Kulam hob sein Tentakel, ließ es noch etwas länger werden.

Das Stimmengewirr verebbte. Wenig später herrschte Schweigen.

Kulam fuhr fort. „Nach allem, was wir wissen, haben wir es also mit einem völlig einmaligen Ereignis zu tun. Wir müssen uns Gedanken darüber machen, was es zu bedeuten hat. Ich persönlich muss zugeben, in dieser Hinsicht völlig ratlos zu sein. Für mich waren die Qalaak bislang Tiere mit grausamer Intelligenz, bar jeden Mitgefühls. Aber möglicherweise muss ich meine Auffassung überdenken.“

Protestrufe waren aus dem Auditorium zu hören. Allein der Gedanke, dass Qalaak so etwas wie Mitgefühl überhaupt kannten, erschien den meisten Nugrou wie Hohn. Zu sehr hatten sie unter dem Vernichtungswillen der Insektoiden gelitten.

„Was ist schon ein einzelner Qalaak-Offizier gegen das Milliardenheer dieser Bestien, denen das Schicksal anderer Spezies vollkommen gleichgültig ist?“, rief jemand.

Losig wandte sich an Takener. Die Außenmembran der Nugrou-Gestalt berührte den Commander  leicht.

„Komm, Martin. Jetzt haben wir unseren Auftritt!“

„Was hast du vor?“

„Warte es ab und folge mir zum Rednerpult!“

Takener folgte Losig zu dem Quader in der Mitte des Raumes.

Kulam machte dort für ihn Platz.

„Ich bitte um das Wort!“, wandte sich Losig an Nogars.

„Es sei dir erteilt!“

Das allgemeine Gemurmel, das bis dahin geherrscht hatte, erstarb, als Losig plötzlich seine Gestalt zu verändern begann. Aus dem amorphen Nugrou bildete sich langsam die Gestalt eines Humanoiden. Gesichtszüge und Einzelheiten bildeten sich heraus. Innerhalb weniger Augenblicke stand Ronald Smith hinter dem Rednerpult. Noch während dieser Umwandlung holte der Nugrou auch die Qalaak-Kleidung aus der Tasche heraus, die er mit Hilfe seiner Körpersubstanz gebildet hatte. Er legte die Qalaak-Kleidung an, die natürlich auf Grund der vollkommen unterschiedlichen Physiognomie von Menschen und Insektoiden ein paar schlecht sitzenden Fetzen gleichkam.

Lautes Stimmengewirr erhob sich unter den Nugrou.

„Wie ist das möglich?“

„Er trägt einen Mental-Dämpfer! Wie kann er trotzdem seine Gestalt verändern?“

„Was geht hier vor?“

„Kennt irgendjemand von euch diesen Nugrou?“

„Ein Agent der Qalaak!“

Mental-Dämpfer waren eines der vielen Unterdrückungsinstrumente der Qualaak gegen die Nugrou. Sie erschwerten den willentlichen Gestaltwandel und erleichterten damit die Herrschaft über die Alienwandler.

Augenblicke später verstummten auch die letzten Mitglieder der Versammlung, als sich Losigs nun menschlicher Körper veränderte.

Der Torso glich schließlich jenem eines Qalaak, während Extremitäten und Kopf menschlich blieben. Ein groteskes Mischwesen stand vor dem Auditorium. Die Qalaak-Kleidung saß nun einigermaßen. Die versammelten Nugrou waren fassungslos.

Genau das hatte Losig offenbar auch beabsichtigt. Er war zufrieden mit der Wirkung seines Auftritts.

„Ihr werdet euch fragen, wer ich bin und wie es kommt, dass ich meine Gestalt trotz eines angelegten Mental-Dämpfers der Qalaak zu verändern vermag.“

Losigs humanoides Gesicht zeigte ein verhaltenes Lächeln.

Wer unter den Nugrou vermag schon zu verstehen, was das bedeutet?, ging es Martin Takener durch den Kopf, während er wie alle anderen auch darauf wartete, dass Losig seinen Wortbeitrag fortsetzte.

„Ich bin der, den man auch Losig, den Schlächter nennt“, erklärte der Nugrou schließlich.

Losig ließ eine Pause folgen.

Für einige Sekunden war diese Pause mit ungläubigem Schweigen gefüllt. Die Nugrou schienen kaum fassen zu können, was ihnen da gesagt worden war.

Schließlich brachen erste Jubelrufe los.

Sie verbreiteten sich schnell im Raum.

„Es lebe Losig!“

„Losig ist hier, um uns zu befreien!“

„Dies ist der Anfang vom Ende der Qalaak-Herrschaft!“

„Losig! Losig!“

Es kam zu tumultartigen Szenen, die erst durch eine Geste beendet wurde, die Losig mit seinen humanoiden Armen ausführte.

Gespannte Ruhe herrschte, als Losig fortfuhr.

„Der falsche Mental-Dämpfer, den ich trage, hindert mich nicht an einer Verwandlung, so wie es die Gesetze der Qalaak vorschreiben, weil sie die gestaltwandlerischen Fähigkeiten unseres Volkes fürchten wie sonst kaum etwas!“

„Wann wird der Aufstand losbrechen?“, meldete sich ein Sprecher im Saal.

„Ja, wir sind bereit für den Kampf!“, rief ein anderer.

„Gib uns ein paar dieser falschen Mental-Dämpfer, und unsere Kämpfer werden sich in der Gestalt von Qalaak unter die Verehrten mischen, um ihre Anführer zu töten!“

Martin Takener beobachtete die Stimmung unter den Nugrou mit wachsender Sorge. Losig wird die Hoffnungen, die er bei ihnen geweckt hat, zwangsläufig enttäuschen müssen!, überlegte er. Er spielt mit dem Feuer. Ich hoffe, er weiß, was er tut.

Losig ergriff wieder das Wort und innerhalb von wenigen Augenblicken verstummten die Nugrou. Man musste keineswegs ein Telepath sein, um die Gedanken der amöbenhaften Wesen in diesem Augenblick lesen zu können. Sie waren von grenzenloser Euphorie erfüllt. Losig, der Schlächter – jener berühmte Widerstandskämpfer musste ihnen wie das Symbol einer neuen Hoffnung erscheinen. Doch nun hatte Losig dafür zu sorgen, dass die Emotionen der Anwesenden nicht überbordeten.

Losig fasste Martin Takener am Arm und schob ihn ein Stück näher an den Quader heran, der das Rednerpult darstellte.

„Dies ist Martin Takener. Er ist der Repräsentant einer Spezies, die sich Menschheit nennt und ihren Ursprung auf dem Planeten Terra hat. Die Vorfahren der Terraner gehörten zu den humanoiden Völkern, die von uns Nugrou in der Zeit unserer alten Macht gefördert wurden. Ihre interstellare Raumfahrt basiert größtenteils auf den zahlreichen Hinterlassenschaften unserer Technologie. Bald schon könnte der Tag gekommen sein, da sie uns zu helfen vermögen.“

Einen Augenblick lang herrschte Schweigen.

Martin Takener spürte die Aufmerksamkeit der Nugrou, die jetzt seiner Person galt.

„Die Terraner sind hier, um uns bei unserem verzweifelten Kampf gegen die Tyrannei der Qalaak zu helfen“, verkündete Losig. „In der Zukunft werden sie sehr wichtige Verbündete für uns sein.“

„Wie groß ist die Flotte, die den Terranern zur Verfügung steht?“, fragte Nogars skeptisch.

Sogleich meldete sich einer der anderen Nugrou zu Wort.

„Wann wird losgeschlagen?“, fragte der Sprecher. „Ich glaube, jeder von uns wäre bereit, an Bord eines Kampfschiffs zu gehen, um gegen die verfluchten Reacobas zu Felde zu ziehen!“

Reacobas – Martin Takener kannte diesen Begriff. Wörtlich bedeutete er „Wimmler“ und stellte eine verächtliche Bezeichnung für die Qalaak dar.

„Verfluchte Reacobas!“, rief jemand anderes. „Man sollte sie vom Antlitz dieser Galaxis tilgen! Und zwar endgültig!“

Die Stimmung war auf dem Siedepunkt.

Es war so gekommen, wie Martin Takener befürchtet hatte. Der unter der Oberfläche lodernde Hass, den die Nugrou gegen ihre Unterdrücker empfanden, war zum Ausbruch gekommen. Ein winziger Funke hatte genügt. Daran änderte auch das Auftreten des Qalaak-Offiziers nichts. Losig schien es zu gefallen, an dieser Lunte zu zündeln. Am Liebsten würde er wohl auch sofort in den Kampf ziehen, dachte Takener. Vorausgesetzt, es bestünde eine realistische Chance, die Qalaak-Herrschaft zu stürzen.

Doch bislang konnte davon keine Rede sein.

Losig versuchte, die aufgebrachte Versammlung durch Gesten wieder zur Ruhe zu bringen, was ihm schließlich auch gelang.

„Unser Tag wird kommen“, versprach Losig. „Aber zurzeit ist unser größtes Problem der Energiemangel. Es gibt einfach zu wenig Fotirit-Metall. Dieses Problem muss zuerst gelöst werden, alles, was danach folgt, ist dann vergleichsweise leicht!“

„Sag uns, was wir tun sollen, Losig!“, meldete sich ein Nugrou zu Wort, der Martin Takener schon des Öfteren durch lebhafte Beteiligung an der Diskussion aufgefallen war. „Du hast doch unsere Bedrängnis heute gesehen! Um ein Haar hätten uns die marodierenden Qalaak aus unserer Wohnpyramide vertrieben und wahrscheinlich ein Blutbad unter uns angerichtet. Sollen wir das noch länger ertragen?“

„Für den großen Konflikt ist es noch zu früh“, erklärte Losig betont ruhig und gelassen. Er versuchte, die maßgeblich durch seinen Einfluss erhitzten Gemüter wieder zu beruhigen. Kein leichtes Unterfangen. Er fuhr fort: „Noch haben wir einfach nicht die Mittel dazu. Ich weiß, dass eure Lage verzweifelt ist. Die letzten zwei Milliarden Angehörigen unseres Volkes leben auf dieser Halbkugel Yopes zusammengedrängt. Und selbst diese bescheidene Existenz ist in ständiger Gefahr, ganz gleich, was dieser hochrangige Qalaak-Offizier auch gesagt haben mag. Es ist eine Existenz, die von der Gnade der Wimmler abhängt!“

Ein anderer Nugrou meldete sich zu Wort. ,,Mein Name ist Newog. Ich glaube im Namen vieler hier zu sprechen, wenn ich dich darum bitte, eine Weile hier auf Yope zu bleiben. Unser Volk braucht dich als Zeichen der Hoffnung!“

„Es ist leider nicht möglich, dass ich mich länger als unbedingt notwendig auf Yope aufhalte“, erwiderte Losig. „Ihr wisst von dem Kopfgeld, das auf mich ausgesetzt wurde. Für die Qalaak bin ich nach wie vor eine Bedrohung. Sie werden jede Gelegenheit wahrnehmen, um mich doch noch zur Strecke zu bringen. Aber ich glaube kaum, dass irgendwer in diesem Raum, den Wimmlern diesen Triumph gönnen möchte!“

„Was ist dann der eigentliche Grund für deinen Aufenthalt auf Yope?“, fragte Nogars.

„Ich bin hier, um dem Repräsentanten unserer Verbündeten den Ernst der Lage klarzumachen, denn zweifellos werden wir auf die Unterstützung der Terraner angewiesen sein, wenn wir das Joch der Reacobas-Herrschaft in absehbarer Zeit abschütteln wollen! Außerdem sammle ich Informationen zur gegenwärtigen Lage in Nyroo.“

Losigs Antwort stellte die Anwesenden Nugrou nicht so recht zufrieden. Hier und da war Gemurmel zu hören.

Schließlich meldete sich Newog noch einmal zu Wort. Er wandte sich direkt an Losig.

„Du willst deinem terranischen Verbündeten also unsere Lage klarmachen.“

„So ist es!“, bestätigte Losig.

„Die Frage ist, inwiefern du selbst denn überhaupt über die aktuellen Entwicklungen auf Yope informiert bist! Es hat sich vieles verändert, seit man das letzte Mal von dir gehört hat!“

„Ich weiß nicht, worauf du anspielst, Newog“, gab Losig freundlich zurück.

„Die Qalaak haben immer schon unsere besten Forscher und Ingenieure entführt. Wir konnten nichts dagegen tun! Aber inzwischen kommt es immer häufiger vor, dass die Wimmler uns auch unsere Kinder wegnehmen!“

Zustimmendes Geraune erfüllte die Versammlung.

Losigs Ronald-Smith-Kopf wandte sich in Martin Takeners Richtung. Die beiden wechselten einen kurzen Blick.

Kulam ergriff jetzt das Wort, trat ans Rednerpult heran und sagte: „Ich weiß, dass in letzter Zeit viele Gerüchte die Runde machen. Darunter auch welche, die das Verschwinden von Nugrou-Nachwuchs betreffen ...“

„Das sind keine Gerüchte!“, ereiferte sich Newog.

„Wenn du irgendetwas Näheres darüber weißt, dann solltest du uns das vielleicht jetzt mitteilen!“, forderte Kulam.

Newog bewegte sich nach vorn.

Die anderen Nugrou machten ihm bereitwillig Platz und rutschten mit ihren circa hundert Kilogramm schweren amöbenhaften Körpern zur Seite. Kulam entfernte sich vom Rednerpult, so dass Newog sich dort positionieren konnte.

„Wie einige von euch vielleicht wissen, habe ich mich erst vor Kurzem gepaart. Aus der Nachwuchsmasse, die dabei gezeugt wurde, gingen nicht, wie üblich, vier sondern fünf Nugrou-Kinder hervor. Vier dieser Kinder waren von vollkommen normaler Größe, nur das fünfte hatte eine Körpermasse, die etwas unter dem für unsere Art üblichen Durchschnitt lag. Aber auch dieses fünfte Kind war ohne Zweifel gesund und lebensfähig. Ich habe es von einem Arzt begutachten lassen. Wenig später verschwand dieses Kind aus unserer Wohnung. Spurlos.“

„Und du bist dir sicher, dass eine Entführung durch die Qalaak die Ursache für das Verschwinden deines Kindes ist?“, hakte Kulam nach.

„Was denn sonst?“, rief Newog. „Es gibt keine andere Erklärung. Sämtliche Kindersicherungssysteme waren aktiviert. Nur Qalaak hätten die Möglichkeiten dazu, dennoch ein Kind einfach verschwinden zu lassen.“

Nogars meldete sich zu Wort. „Das Entstehen von fünf Kindern aus der gemeinsamen Nachwuchsmasse zweier Nugrou ist höchst selten“, stellte er fest. „Man könnte sogar von einer Art genetischem Unfall sprechen ...“

Newog wollte das nicht gelten lassen.

„Ehrenwerter Nogars, das fünfte Kind war vollkommen gesund! Die einzige Abweichung von der Standard-Norm war die etwas geringere Körpermasse!“

Ein weiterer Sprecher mischte sich ein und berichtete von einem ähnlichen Fällen aus seinem Bekanntenkreis.

„Handelte es sich ebenfalls um Fünflinge?“, fragte Kulam.

„Nein“, erklärte der Sprecher. ,,Im Fall meiner Bekannten handelte es sich um eine Nachwuchsmasse, aus der lediglich drei Kinder hervorgingen, die allerdings ein Übergewicht von etwa 25 Prozent aufwiesen.“

„Was geschah mit den Kindern?“, erkundigte sich Kulam.

„Sie verschwanden alle drei ebenso spurlos, wie Newogs Fünfling!“, war die Antwort.

Nogars trat an das Rednerpult heran. „Könnte es sein, dass die Qalaak verhindern wollen, dass unser Volk degeneriert und deshalb offenbar Nachwuchs aussortieren, der von der Norm abweicht?“

„Warum sollten sie das tun?“, entgegnete Newog erregt. „Den Wimmlern kann es doch gleichgültig sein, ob unser Volk degeneriert. Außerdem haben sie uns wahrscheinlich alle umgebracht, bevor sich eine genetische Degeneration wirklich bemerkbar machen würde.“

„Immerhin nutzen die Qalaak nach wie vor die Dienste unserer Forscher und Ingenieure“, gab Kulam zu bedenken. „Es könnte also sein, dass die Wimmler zumindest daran interessiert sind, dass ein gewisser Rest unseres Volkes überlebt.“

„Reine Spekulation!“, rief Newog.

„Und wie ist sonst das Verhalten des Qalaak-Offiziers zu werten, das uns allen heute das Leben gerettet hat?“, war Kulams Gegenargument. „Wenn man das Verschwinden nicht normgerechten Nugrou-Nachwuchses und die Geschehnisse von heute in einem Zusammenhang sieht, so ergibt das meiner Ansicht nach Sinn!“

„Es wird Zeit, die alte Macht wieder zu errichten!“, rief Newog. „Nie hätte es damals eine fremde Spezies gewagt, sich an unserem Nachwuchs zu vergreifen!“

Zustimmendes Stimmengewirr erhob sich. Laute Rufe nach Wiederherstellung des alten, galaxienumspannenden Nugrou-Imperiums wurden laut. Hier und da entbrannten unter den Teilnehmern der Versammlung hitzige Debatten über das weitere Vorgehen. War es richtig, sofort massiven Widerstand gegen die Qalaak-Herrscher zu organisieren? Oder konnten derartige Versuche angesichts der erdrückenden Überlegenheit der Wimmler nur in einem Desaster enden?

Martin Takener wandte sich an Kulam.

„Ich glaube, es wäre das Beste, die Versammlung jetzt zu beenden“, schlug der Terraner vor. „Langsam beginnt hier alles außer Kontrolle zu geraten. Und das kann niemandem von uns recht sein.“

Kulam schien derselben Auffassung zu sein. „Ich werde mich an Nogars wenden“, versprach er.

„Gut.“

Kulam bewegte sich auf den Ältesten zu, der die Versammlung eröffnet hatte und dem es zweifellos auch oblag, sie zu einem offiziellen Ende zu führen. Von ihrer Unterhaltung konnte Martin Takener nur Bruchstücke verstehen. Zu laut war das Stimmengewirr der eifrig miteinander diskutierenden Nugrou. Einige sprachen Takener dabei auf die Stärke seiner Flotte und deren technischen Stand an.

Der Commander hielt sich dabei sehr bedeckt.

Losig war mit seinem Auftritt viel weiter vorgeprescht, als es Takener eigentlich lieb war. Noch wusste er nämlich keineswegs, ob es wirklich im Interesse der Terraner lag, in diesen Konflikt aktiv einzugreifen. Takener war hier, um Erkenntnisse zu sammeln. Losigs Ziel hingegen war der Umsturz der bestehenden Machtverhältnisse in der gesamten Galaxis Nyroo.

Nogars trat inzwischen an das Rednerpult und schloss die Versammlung. Unter dem Aspekt der Sicherheit betrachtet, hatte diese Zusammenkunft ohnehin schon viel zu lange gedauert. Schließlich waren überall in den Wohnpyramiden der Nugrou auch Spione zu finden, die mit den Qalaak kollaborierten.

Trotz des Sieges, den sie an diesem Tag errungen hatten, blieb ihre Lage prekär.

Die meisten Nugrou hatten bereits den Gemeinschaftsraum verlassen, als sich Newog an Martin Takener wandte.

,,Du hast gehört, was auf Yope vor sich geht, Fremder.“

,,Ja – und ich bin erschüttert über das, was ich erfahren habe“, erklärte Takener.

Das war die Wahrheit.

Es gab nichts Schlimmeres, was man einem vernunftbegabten Wesen antun konnte, als ihm seinen Nachwuchs zu stehlen. Aus welchen Gründen auch immer.

Nugrou und Menschen mochten physiologisch gesehen nicht viel gemeinsam haben. Aber was den Schmerz über ein entführtes Kind anbetraf, gab es zwischen beiden Spezies sicher keine großen Unterschiede.

,,Du hast mein volles Mitgefühl, Newog“, erklärte Martin Takener.

,,Wir brauchen mehr als dein Mitgefühl, Terraner. Wir brauchen eure Hilfe.“

,,Es wäre unehrlich, euch irgendetwas versprechen zu wollen, was wir am Ende nicht halten können.“

Der Nugrou schwieg einige Augenblicke lang. „Damit hast da natürlich recht, Fremder. Trotzdem – dein Auftreten hier ist für uns alle ein Zeichen der Hoffnung. Und das haben wir bitter nötig.“

5

Losig und Martin Takener folgten Kulam in dessen Wohnung.

„Hier seid ihr fürs Erste sicher“, versprach Kulam. Er wandte sich an Losig. „Bleib, solange du möchtest, Losig! Dasselbe gilt natürlich für deine Freunde!“

„Wir werden diesen Planeten so schnell wie möglich wieder verlassen“, versprach demgegenüber Losig. „Das Risiko ist nicht nur für uns extrem hoch, sondern auch für dich und alle anderen, mit denen wir Kontakt hatten.“

,,Ich habe keine Angst“, sagte Kulam.

Losig bewegte sich unruhig hin und her. Er hatte eine unverdächtige Nugrou-Gestalt angenommen und die Qalaak-Kleider wieder in einer eigens dafür ausgebildeten Gewebetasche untergebracht.

„Ich möchte diesen Qalaak-Offizier treffen, der für das Eingreifen des Kampfgleiters verantwortlich ist“, brachte er dann heraus. „Danach sollten wir uns aus dem Staub machen.“

„Dein Vorhaben ist ziemlich riskant!“, gab Takener zu bedenken. „Mal abgesehen davon, dass es ziemlich schwierig sein dürfte, an diesen Offizier heranzukommen.“

,,Aber ich sehe keinen anderen Weg. Versteh doch! Das Eingreifen des Kampfgleiters ist etwas dermaßen Ungeheuerliches, dass ich einfach nicht anders kann, als der Ursache auf den Grund zu gehen.“

„Das ist Wahnsinn!“, widersprach Kulam.

Aber Losig ließ sich nicht beirren. „Wenn es jemand schaffen könnte, diesen Offizier zur Rede zu stellen, dann bin ich es. Ich muss einfach wissen, ob es möglicherweise doch unterschiedliche Fraktionen im nach außen hin so monolithisch wirkenden Machtgefüge der Qalaak gibt!“

„Ich verstehe“, murmelte Takener.

„Das dürfte auch für unser weiteres Vorgehen von entscheidender Bedeutung sein. Ich schlage vor, dass du solange hier bei Kulam bleibst und damit fortfährst, mit Hilfe von Kulams Hyperrechner das Datennetz nach relevanten Informationen zu durchforsten.“

„Es wäre tatsächlich gut, wenn ich dafür noch etwas Zeit hätte“, stimmte Takener zu. „Schließlich ist unser Wissen über die gegenwärtigen Zustände auf Yope bislang noch sehr bruchstückhaft.“

„Sollte ich innerhalb eines Yope-Tages nicht zurück sein, dann musst du den Planeten ohne mich verlassen, Martin Takener. In diesem Fall bin ich sehr wahrscheinlich enttarnt worden und irgendein Qalaak unterzieht mich entweder einem schmerzhaften Verhör, oder ...“

„Oder?“, hakte Takener nach.

„Jemand hat sich mein Kopfgeld verdient. Es wäre auf jeden Fall nicht richtig, um meinetwillen die gesamte Mission zu gefährden.“ Losig machte eine Pause und setzte schließlich noch hinzu: „Ich ahne, welche Gedanken dir bei der terranischen Entsprechung des Nugrou-Begriffs für Kopfgeld angesichts meiner gegenwärtigen Gestalt durch das Hirn geistern. Terranischer Humor ist mir seit meiner Zeit auf der Erde durchaus nicht fremd, Martin.“

Takener lächelte verhalten.

,,Viel Erfolg, Losig!“

,,Diese Sache sollte gut vorbereitet sein“, meldete sich Kulam zu Wort. „Ich nehme an, dir schwebt vor, diesem Offizier in Qalaak-Gestalt zu begegnen.“

„Das ist richtig“, bestätigte Losig.

„Davon kann ich nur abraten. Die Sicherheitsvorkehrungen sind enorm.“

„Ich trage ein Gerät, das die Impulse eines regulären Mental-Dämpfers simuliert und auch so aussieht!“, widersprach Losig.

„Mag sein. Aber ich halte es für nahezu unmöglich, dir auf die Schnelle eine angemessene Qalaak-Identität zu verschaffen. Mal davon abgesehen, würdest du dich wahrscheinlich durch viele Kleinigkeiten im Verhalten verraten. Es ist sehr schwer für jemanden, der nicht sein Leben lang Teil der Qalaak-Militär-Hierarchie war, da keinen Fehler zu machen.“

Losig antwortete zunächst nicht. Er schien über etwas nachzudenken.

„Und was schlägst du vor, Kulam?“, fragte er schließlich. Offenbar hatten ihm Kulams mit Vehemenz vorgetragene Gegenargumente eingeleuchtet.

„Wenn du mit deinem Vorhaben bis morgen wartest, könnte ich dir eine perfekte Nugrou-Identität verschaffen. Die Daten wären dann über das Netz abrufbar. Keiner der Qalaak-Besatzer würde Verdacht schöpfen.“

Losig blieb skeptisch.

„Und du glaubst, dieser Offizier würde mich empfangen – einen Nugrou?“, wunderte er sich.

„Mit etwas Glück durchaus. Ich nehme an, dass es sich bei dem Offizier um denjenigen handelt, der für die Verwaltung dieses Bezirks zuständig ist. Sicher kann ich das natürlich nicht sagen, weil ich dem Bezirksleiter nie persönlich begegnet bin. Und öffentliche Auftritte, wie wir ihn heute gesehen haben, sind für einen Qalaak-Offizier eher ungewöhnlich.“

Losig schien leicht verwirrt zu sein. „Wie soll ich dann an ihn herankommen?“

„Du könntest ihm eine Petition überreichen, in dem die Unterzeichner das Verhalten dieses Offiziers lobend hervorheben und gleichzeitig nach verstärktem Schutz durch die Sicherheitskräfte verlangen. Schließlich ist ja nicht ausgeschlossen, dass es zu weiteren Übergriffen aufgebrachter Qalaak auf unsere Wohnpyramiden kommt.“

„Ein genialer Plan“, musste Losig zugeben. „Ich hätte selbst darauf kommen müssen.“

„Warum sollte der Bezirksoffizier die Petition annehmen?“, mischte sich jetzt Martin Takener ein, der Kulams Worten ebenso interessiert zugehört hatte wie Losig.

„Weil es den von den Qalaak erlassenen Gesetzen entspricht“, erklärte Kulam. „Wir haben das Recht, den Verehrten Petitionen und Gesuche zu überbringen, und der zuständige Bezirksoffizier hat die Pflicht, sie zu prüfen und den Bittsteller gegebenenfalls sogar von Angesicht zu Angesicht anzuhören“, erläuterte Kulam.

„Nach allem, was ich bisher über die Qalaak gehört habe, überrascht es mich zu erfahren, dass sie offenbar sogar so etwas wie eine Rechtskultur mit bürgerlichen Mitwirkungsmöglichkeiten besitzen“, erwiderte Takener. Er fragte sich gleichzeitig, wie stark auch andere Informationen über die Qalaak, die von Losig stammten, vom grenzenlosen Hass auf die Insektoiden geprägt waren. Einem Hass, der angesichts der Tyrannei, unter der die Nugrou auf Yope litten, vollkommen verständlich war. Andererseits wirkte dieser Hass womöglich wie ein Informationsfilter, dem wesentliche Details zum Opfer fielen.

„Was man auch immer von den Qalaak halten mag – man sollte sie nicht unterschätzen“, meinte Kulam. „In keiner Beziehung. Wenn sie nur irgendwelche Barbaren des Alls wären, hätten sie niemals ein derart gewaltiges Herrschaftsgebiet erobern und ihre Herrschaft auf Dauer festigen können!“

Takener hob die Augenbrauen und kam auf den Kern der Sache zurück. „Der Bezirksoffizier nimmt also tatsächlich wirklich jede Petition persönlich entgegen? Der Kerl muss in Arbeit ersticken!“

„Keineswegs“, widersprach Kulam.

Takener hob die Augenbrauen. „Das verstehe ich nicht.“

,,Ganz einfach. Das Einreichen von Petitionen entspricht zwar dem Gesetz, kommt aber äußerst selten vor. Die meisten Nugrou auf Yope wissen, dass diese Prozedur nahezu sinnlos ist. Vorgeblich prüft der zuständige Bezirksoffizier zwar die Eingaben, aber es ist mir kein einziger Fall zu Ohren gekommen, in dem ein Nugrou damit Erfolg hatte. Vielleicht stellte diese Vorgehensweise früher eine Art Ventil für die Unzufriedenheit unseres Volkes dar. Inzwischen ist sie nur noch ein juristisches Fossil. Es ist noch nicht einmal garantiert, dass sich der Bezirksoffizier in diesem Fall überhaupt an die Gesetze hält.“

Losig konnte sich eine bissige Bemerkung nicht verkneifen. „Du siehst, dass es mit der juristischen Hochkultur der Qalaak doch nicht so weit her ist, Martin.“

„Tja ...“

„Sie sind Barbaren. Und zwar solche der schlimmsten Sorte!“

6

Ein rechnergesteuertes Gleitertaxi holte Losig am nächsten Morgen ab. Es war ein Modell, das lediglich für einen einzelnen Nugrou genügend Platz bot. Einen derartigen Gleiter konnte man jederzeit über das Datennetz bestellen. Sein Kurs war in jeder Flugphase von der Qalaak-Verwaltung kontrollierbar. Es war also vollkommen ausgeschlossen, dass ein derartiges Gefährt zu irgendwelchen umstürzlerischen Aktivitäten missbraucht werden konnte.

Schon die ID-Kontrolle im Taxi war der erste Test für die falsche Identität, die Kulam für Losig erschaffen hatte.

Das interne Steuermodul des Gleiter-Taxis verglich etwa hundert physiologische Parameter Losigs mit den im Netz verfügbaren Daten eines Nugrou namens Nortar.

Die Daten stimmten überein.