Die Paulis in Tatukaland - Gernot Gricksch - E-Book

Die Paulis in Tatukaland E-Book

Gernot Gricksch

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Beschreibung

Lang ersehnt - jetzt endlich da: Gernot Grickschs zweiter Band zu den Paulis. Zum Inhalt:Ein neuer Pauli-Papa? Nicht mit Dennis, Flummi und Lea. Die finden Mamas neuen Freund nämlich ziemlich doof. Weil aber alle Kinder Neu-Mann Arne aktzeptieren sollen, beschließt Mama einen gemeinsamen Urlaub. Auf Lanzarote tauchen dann überall die merkwürdigen Kimonofrauen auf und sorgen für mächtig Ärger. Und Arne? Der hält sich plötzlich für Ephraim Langstrumpf, den Südseekönig! Das kann ja nur ordentlich danebengehen.

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1. Kapitel

»Salami? Igitt!«, rief Lea und hielt mit zwei spitzen Fingern angewidert eine Scheibe Wurst in die Höhe. Käse klebte daran und zog einen dünnen Faden bis zum Teller, auf dem die Pizza lag. »Ich esse keine Salami! Ich bin Vegetarierin!«

Mutter Iris warf ihr einen mahnenden Blick zu, doch Lea kniff die Augen kampfbereit zusammen.

»Was ist eine Vegi…trararierin?«, fragte ihre kleine Schwester Flummi und kaute dabei fröhlich vor sich hin.

»Vegetarier essen kein Fleisch«, erklärte Lea und schaute Flummi auffordernd an. Doch Flummi mampfte weiter und begriff nicht, was Lea von ihr wollte. Erst als Lea ihr unter dem Tisch gegen das Bein trat und sie mit einem dramatischen Augenrollen bedachte, verstand Flummi, was sie zu tun hatte. Sie spuckte das Stück Salami-Pizza, das sie schon zu einem weichen Klumpen gekaut hatte, auf den Teller und sagte: »Ja, genau. Igitt. Ich bin nämlich auch Vege…dingsda.«

Beide schauten nun zu Dennis, ihrem älteren Bruder. Ihr Blick war eine klare Aufforderung, es ihnen gleichzutun. Doch Dennis aß seine Pizza weiter, ohne eine Miene zu verziehen.

»Und du?«, fragte Lea ermahnend. »Bist du nicht auch …?«

»Genau«, stimmte Flummi zu. »Du bist doch auch Vegi…, äh, … Vegatrara…, du isst doch auch kein Fleisch, oder?«

Dennis blieb völlig cool. Lea und Flummi wurden unruhig. Machte Dennis etwa nicht mit? War er ein Verräter? Dann schluckte ihr Bruder das Stück Pizza herunter und sagte: »Ich bin kein Vegetarier. Im Mittelalter war Fleisch oft das Einzige, was die Leute zu essen hatten. Ich gehe in meinem Rollenspiel ja auch auf die Jagd und erschieße mit Pfeil und Bogen manchmal einen Hirsch und dafür bekomme ich dann 500 Punkte und steige einen Level auf. Also, ich mag Fleisch.«

Lea funkelte ihn mit wütenden Augen an, und Flummi versuchte, ihm energisch gegen das Bein zu treten, so wie Lea es bei ihr gemacht hatte. Doch Flummis gerade mal achtjährige Beine waren zu kurz, um Dennis zu erreichen, und zappelten bloß hilflos in der Luft herum.

»Aber«, fuhr Dennis fort, »die Pizza schmeckt trotzdem nicht gut. Die ist labbrig. Und schlecht gewürzt. Ich esse die nur, weil ich total hungrig bin. Sie ist widerlich, diese Pizza! Ich quäle sie mir total rein.« Dennis verzog theatralisch das Gesicht, als hätte er einen Hundehaufen im Mund, kaute aber weiter.

 

Iris seufzte. Das ging schon die ganze Zeit so. Ihre drei Kinder benahmen sich heute unmöglich und zeigten sich von ihrer schlechtesten Seite. Sie taten einfach alles, um Arne, der die Pizza mit vielen frischen Zutaten und großer Mühe zubereitet hatte, zu zeigen, dass er in diesem Haus nicht erwünscht war.

»Oh, das tut mir aber leid«, sagte Arne. »Normalerweise mögen die Leute meine Pizza.« Und zu den Mädchen gewandt, so fügte er hinzu: »Und ich wusste nicht, dass ihr beide kein Fleisch esst. Das hat mir eure Mutter nicht gesagt.«

»Weil es auch gar nicht stimmt«, schimpfte Iris. »Das haben die eben gerade mal so beschlossen. Kümmere dich einfach nicht darum. Die Pizza ist sehr, sehr lecker.«

 

Iris hatte geahnt, dass es ein Problem geben würde, wenn sie ihren Kindern Arne vorstellte. Doch sie hatte nicht erwartet, dass es so schlimm werden würde. Selbst Flummi benahm sich heute unmöglich. Dabei war ihre jüngste Tochter doch ein kleiner Sonnenschein. Flummi war eigentlich immer gut gelaunt, quietschmunter, offen für alles Neue und reizend zu jedem Menschen, den sie traf. Zweifelsohne hatte Lea sie dazu angestachelt, Arne zu ärgern.

Auch wenn sie das Verhalten ihres Nachwuchses unerhört fand: Iris verstand es schon, dass ihre Kinder Arne nicht einfach so akzeptierten. Sechs Jahre war es her, dass ihr Mann, der Vater der Kinder, gestorben war. Flummi erinnerte sich nicht an ihn, sie war damals noch zu klein gewesen. Aber Lea und Dennis taten es sehr wohl. Und dass ihre Mutter nun einen neuen Freund hatte, fanden sie gar nicht gut. Die Kinder hatten das Gefühl, als wollte Arne ihren Papa ersetzen.

 

»Dürfen wir auf unsere Zimmer gehen?«, fragte Lea mit giftigem Tonfall.

»Aber ich hab noch Nachtisch gemacht«, wandte Arne ein. Er war von Beruf Koch und bereitete tatsächlich fabelhafte Speisen zu. Die Kinder hätten es niemals zugegeben, aber es kostete sie eine große Überwindung, die Pizza nicht zu essen. Es war die leckerste Pizza, die sie je probiert hatten.

»Echt? Nachtisch? Was denn?«, fragte Flummi, die für einen Moment vergaß, dass sie sich ja darauf geeinigt hatten, diesen unverschämten Kerl, der ihre Mutter angebaggert hatte, schnellstmöglich zu vergraulen.

Arne lächelte: »Schokoladenpudding mit frischen Himbeeren, dazu eine Kugel Vanilleeis und Maracuja für jeden.«

Flummi bekam große Augen und leckte sich die Lippen.

»Mmmh …«, machte sie genüsslich, verwandelte es dann aber in ein »… Mmmmmist-Nachtisch! Totaler Mist! So was esse ich nicht!«, als ihr Lea erneut unter dem Tisch gegen das Bein trat.

Die Kinder standen gleichzeitig auf und verließen das Wohnzimmer. Arne schaute Iris an, als sie protestieren wollte, und schüttelte den Kopf. Er wollte keinen Streit, das würde die Kinder nur noch mehr gegen ihn aufbringen. Iris seufzte und nahm Arnes Hand.

»Es tut mir leid«, sagte sie. »Eigentlich sind es wirklich sehr liebe Kinder.«

»Tatsächlich?«, grinste Arne und hob skeptisch die Augenbrauen.

»Na ja«, lachte Iris verlegen. »Sie sind schon etwas speziell manchmal. Auf ein bisschen Chaos sollte man bei den dreien jedenfalls immer gefasst sein.«

»Ach, das wird schon«, sagte Arne. »Wir werden uns bestimmt noch anfreunden. Gib ihnen einfach ein bisschen Zeit.«

 

Arne war ein optimistischer Mensch. »Mit Geduld und Spucke kriegt man alles hin«, war sein Lebensmotto. Doch da kannte er die Pauli-Kinder nicht. Sie waren fest entschlossen, diesen Möchtegernpapa so schnell wie möglich zu vergraulen – und wenn die Pauli-Kinder sich etwas in den Kopf setzten, dann brauchte man fast übermenschliche Kräfte, um sie davon wieder abzubringen. Alle drei hatten ihren ganz eigenen Kopf.

Lea zum Beispiel wollte Künstlerin werden. Und neuerdings hatte sie zudem ihre Leidenschaft für Musik entdeckt. Ihre Familie fand das wenig erfreulich – um es vorsichtig auszudrücken –, denn Lea war längst nicht so musikalisch, wie sie glaubte. Genau genommen war sie so musikalisch wie eine gehörlose Sumpfkröte. Was sie aber nicht davon abhielt, im Wohnzimmer regelmäßig selbst komponierte hochkünstlerische »Sinfonien« auf selbst gebauten Instrumenten wie dem Klopümpel-Cello und der Bananen-Glitschtrommel aufzuführen. Diese Musikdarbietungen klangen dann ein bisschen so, als würde jemand einen Elch würgen, während er dabei mit den Füßen rostigen Sperrmüll gegen die Wand schiebt. Doch Dennis, Flummi und Mama Iris applaudierten stets freundlich und lobten Lea für ihre Auftritte. Denn im Hause Pauli herrschte die feste Überzeugung, dass man Dinge ausprobieren sollte. Selbst wenn einem dabei fast das Trommelfell platzte.

 

Dennis war zwei Jahre älter als seine elfjährige Schwester. Und er träumte von Abenteuern. Unentwegt. Dennis liebte Rollenspiele am Computer, wo er stundenlang durch Wälder und Schluchten streifen, Trolle und Monster besiegen und in der virtuellen Taverne mit Magiern und Elfen über seine Heldentaten reden konnte. Früher hatte Dennis fast den ganzen Tag vor dem Monitor verbracht, doch seit er eine Freundin hatte, kam er öfter auch mal an die frische Luft. Ayse, so hieß Dennis’ Freundin, war Pfadfinderin und hatte ihm gezeigt, dass echte Wälder noch mehr Spaß machten als künstliche. Und dass ein Mädchen aus Fleisch und Blut ein viel besserer Gefährte war als ein zweiköpfiger Oger, der Feuer aus seinen Fingern schießen konnte.

Dennis wäre trotzdem zu gerne ein Held wie aus den Rollenspielen. Doch dafür fehlte ihm leider das Geschick. Als er neulich mit dem Taschenmesser einen Pfeil schnitzen wollte, musste seine Mutter mit ihm in die Notaufnahme fahren, wo seine Handfläche mit sechs Stichen genäht wurde. Die Narbe zeigte Dennis seitdem so stolz vor, als wäre sie eine alte Kriegsverletzung.

 

Flummi schließlich, fast neun Jahre alt, war ein Hochgeschwindigkeitskind. Immer in Bewegung und dabei immer gut gelaunt. Jeder Mensch mochte Flummi, weil Flummi jeden Menschen mochte. Flummi, die eigentlich Alexandra hieß, aber ihren Namen nicht leiden konnte, wollte später einmal zum Zirkus. Oder ins Fernsehen. Vor ein paar Wochen hatte sie sich mit Leas Hilfe per Video bei dieser erfolgreichen Castingshow im Fernsehen beworben, wo der Typ mit der näselnden Stimme und den hässlichen Hemden immer alle Leute beleidigte. Leider kam eine Absage. »Liebe Alexandra«, hatten die Fernsehleute geschrieben, »wir sind sehr beeindruckt, dass du durch die Nase rülpsen kannst, während du mit Klopapierrollen jonglierst. Leider ist das nicht die Art von Darbietung, die wir für unsere Sendung suchen.«

»Die haben bloß Angst, dass du allen die Show stiehlst«, hatte Lea ihre kleine Schwester getröstet. »Die wissen genau, dass niemand eine Chance gegen dich hätte. Und dann wäre die Sendung ja langweilig, weil nur du toll bist und alle anderen pillepalle. Deshalb haben die dich abgelehnt.«

»Egal«, hatte Flummi gesagt. »Ist nicht wichtig. Gibt noch mehr Chancen.« Und dann hatte sie laut durch die Nase gerülpst.

 

Tatsächlich waren die drei Pauli-Kinder in der kleinen Stadt, in der sie lebten, bekannt wie bunte Hunde. Weil sie immer wieder verrückte Sachen anstellten – und natürlich wegen der Sache mit Tante Heidrun!

Tante Heidrun war die Babysitterin der Pauli-Kinder gewesen. Die zickige Schwester ihrer Mutter, die auf ihre Nichten und ihren Neffen aufpassen sollte, während Iris am Nordpol auf Forschungsreise war. Tante Heidrun war so angenehm wie Nasenbluten. Sie hatte keinerlei Humor, war geizig, grantig und giftig. Der erste Tag mit ihr war furchtbar gewesen. Doch dann hatte Flummi ihre Tante mithilfe eines geheimnisvollen Buches, das sie von drei seltsamen blonden Frauen in Kimonos bekommen hatte, versehentlich hypnotisiert. Und plötzlich hielt sich die olle Schachtel für Pippi Langstrumpf! Die halbe Stadt stand kopf, als Tante Pippi-Heidrun völlig durchknallte, die Kinder in der Schule heimsuchte und dort ein totales Chaos veranstaltete, durch die Stadt tobte, ein Zirkuspony klaute und ein ganzes Kaufhaus verwüstete. Schließlich hatten die Pauli-Kinder es aber geschafft, den Spuk rückgängig zu machen.

Sehr viele Leute hatten den Trubel miterlebt, doch keiner von ihnen wusste genau, was geschehen war. Der ganze Vorfall war ein Mysterium geblieben, über das in den folgenden Tagen viel geredet und gemutmaßt wurde, das aber niemand wirklich erklären konnte. Tante Heidrun konnte sich nach ihrer Rückverwandlung an nichts mehr erinnern, und die Pauli-Kinder hatten sich geeinigt, ihrer Mutter nichts über die geheimnisvollen Hintergründe der Ereignisse zu erzählen. Sie würde sich nur Sorgen machen. Oder sie würde den dreien die irre Geschichte schlichtweg nicht glauben und sie womöglich zu einem Psychiater schicken. Nein, was genau hinter dem Abenteuer mit Tante Heidrun und den durchgeknallten Kimono-Drillingen steckte, blieb ihr Geheimnis. Seitdem waren Dennis, Lea und Flummi noch enger, als sie es ohnehin schon gewesen waren. Niemand kam zwischen sie! Auch nicht so ein blöder Arne mit seiner verdammt leckeren Pizza!

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2. Kapitel

Verdammt, die Erwachsenen waren clever! Sie wedelten mit den tollsten Ködern vor ihren Nasen herum. Zuerst war da diese leckere Pizza, die sie nicht essen durften, und der Super-Nachtisch, den sie ablehnen mussten – und jetzt erzählte ihnen ihre Mutter, dass sie am Samstag alle in den Vergnügungspark gehen würden.

»Die haben eine neue Wasserrutsche«, verkündete Mama, »und die größte Holzachterbahn Europas!«

Dennis, Lea und Flummi waren hin- und hergerissen. Ein Tag im Vergnügungspark wäre natürlich super, aber der einzige Grund, warum ihre Mutter diesen Ausflug vorschlug, war ja ganz offensichtlich, dass sie sich an Arne gewöhnen sollten. Denn der würde natürlich mitkommen.

»Ich hab schon was vor«, sagte Lea. »Ich muss …, äh, … das ganze Wochenende für die Mathearbeit üben.«

Ihre Mutter betrachtete sie mit hochgezogenen Augenbrauen.

»Erstens«, sagte Mama, »hast du erst letzte Woche eine Mathearbeit geschrieben, und zweitens übst du nie für Arbeiten. Was die zahlreichen Vieren in deinem Zeugnis erklärt.«

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