Die Rache des Assassinen - R.J. Barker - E-Book

Die Rache des Assassinen E-Book

R.J. Barker

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Beschreibung

Als die beiden Assassinen Girton Klumpfuß und Merela Karn nach Burg Maniyadoc zurückkehren, ist dort nichts mehr, wie es einst war: Das ganze Land ist von Krieg überzogen, und drei Rivalen kämpfen um dieselbe Krone – einer davon ist Girtons alter Freund Rufra. Gerade als dieser seinen Anspruch auf den Thron zu festigen scheint, soll ein Anschlag auf ihn verübt werden. Ein Komplott, das Girton gerade noch verhindern kann. Doch während Girton die Mörder und Intriganten verfolgt, muss er sich fragen, ob ihm sein schlimmster Feind nicht näher ist als jemals zuvor …

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Seitenzahl: 748

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R. J. Barker

DIE RACHE DES

ASSASSINEN

Roman

Aus dem Englischen übersetzt

von Beate Brammertz

WILHELM HEYNE VERLAG

MÜNCHEN

Das Buch

Nach fünf Jahren des Umhervagabundierens kehren der Assassine Girton Klumpfuß und sein Meister Karn zurück ins Müde Land. Doch dort ist nichts mehr, wie es einmal war: das Reich ist vom Krieg verwüstet, die Landjunker stecken erbarmungslos jeden, den sie der Magie verdächtigen, in den Blutgalgen, und gleich drei selbst ernannte Könige erheben Anspruch auf den Thron. Einer von ihnen ist Girtons alter Weggefährte Rufra, der in der Nähe von Burg Manyiadoc sein Kriegslager aufgeschlagen hat. Rufra will das Müde Land zurück zu Frieden und Wohlstand führen und eine Gesellschaft errichten, in der es keine Unterschiede mehr zwischen Adeligen und Niedriggeborenen gibt. Doch damit macht er sich Feinde, und möglichweise sind es nicht nur seine beiden Rivalen um die Königskrone, die ihm nach dem Leben trachten. Als Rufra erfährt, dass unter seinen Männern ein Verräter ist, beauftragt er Girton, diesen aufzuspüren. Denn wer könnte einen Assassinen schließlich besser ausfindig machen, als ein Assassine?

Der Autor

R.J. BARKER war schon als kleiner Junge eine absolute Leseratte und hatte stets ein Buch in der Tasche. Er war Mitglied einer Rockband, ehe er beschloss, sich ganz dem Schreiben zu widmen. Nach Die Stunde des Assassinen setzt er nun mit Die Rache des Assassinen sein großes Fantasy-Epos um den gewieften Auftragsmörder Girton Klumpfuß fort. Der Autor lebt mit seiner Frau und dem gemeinsamen Sohn in Leeds.

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Titel der englischen Originalausgabe:

BLOOD OF ASSASSINS – THE WOUNDED KINGDOM 2

Deutsche Erstausgabe 06/2019

Redaktion: Joern Rauser

Copyright © 2017 by R.J. Barker

Copyright © 2019 der deutschsprachigen Ausgabe und der Übersetzung

by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkterstraße 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: DAS ILLUSTRAT, München,

unter Verwendung von Motiven von Shutterstock

(Algol, Susanitah, Kiselev Andrey Valerevich, Gocili)

Satz: Christine Roithner Verlagsservice, Breitenaich

ISBN: 978-3-641-21117-2V001

www.heyne.de

Für Mum, Dad und John

1

Der Bodennebel löste sich allmählich auf. Sonnenstrahlen strichen sanft über das taubenetzte Gras, und nach Tagen, in denen wir durch den Gestank und Dreck der östlichen Fäulnis gewandert waren, erfüllte mich nun eine rauschhafte Begeisterung über die Gerüche der frühmorgendlichen Blüten das Jahreserwachens. Tief am Horizont braute sich der Erwachenssturm zusammen – es waren riesige Haufen aufgetürmter dunkler Wolken, die diesen gigantischen Sturm ankündigten, der uns verriet, dass das Jahreserwachen wahrhaftig gekommen war.

Er war wie eine schwere Last auf meinem Rücken.

Die Söldner griffen in dem Augenblick an, als die Welt unwirklich schien – in diesem Schwebezustand zwischen scheidender Nacht und aufkeimendem Tag. Sechs griffen an, vier Männer und zwei Frauen, die zu den Glynti gehörten, einem zähen und unbarmherzigen Volk aus den ausgetrockneten Bergen jenseits des Glatten Meeres, wo das Wasser so wertvoll wie Brot war und all jene, die Schwäche zeigten, ohne viel Federlesens getötet wurden. Wären unsere Angreifer Bewohner Maniyadocs gewesen, hätten sie sich erst auf mich gestürzt, da sie einen Mann in Rüstung als eine größere Gefahr erachteten als eine Frau. Doch das waren sie nicht. Die Stämme der Glynti lebten nach den alten Traditionen, und wenn sie Jagd auf uns machten, wussten sie ohnehin, wer wir waren. Sie wussten, dass von meinem Meister die eigentliche Gefahr ausging.

Vier griffen sie an, zwei mich. Sie trugen Schwirrhölzer, lange Stöcke, die scharfe Metallstücke in einer Detonation aus Rauch und Feuer ausspuckten; als Waffen sind sie ebenso hässlich und in ihrer Treff­sicherheit erbärmlich wie die meisten Glynti. Ein Schwirrholz explodierte, tötete seinen Träger und verwundete die Frau neben ihm. Der andere verursachte einen schrecklichen Lärm und zerfetzte einen kleinen Busch, nicht weit von mir.

Mein Meister und ich waren müde, wir kämpften schweigend.

Die Glynti sind erbarmungslos, doch sie vertrauen allein auf ihre zahlenmäßige Überlegenheit und Brutalität. Ich hatte fünf Jahre als Söldner verbracht und in Schildwällen gestanden, wo ich heranpreschenden Reittieren die Stirn geboten hatte, weshalb ich keine Angst vor ein paar Männern und Frauen in Tierhäuten hatte, egal wie unerbittlich sie kämpften.

»Junge, ich häute dich bei lebendigem Leib«, zischte der riesige Glynti, der mich als Erster erreichte. Sein langer Bart war in der Mitte blau gefärbt, und seine blonden Haare waren zu Zöpfen geflochten, die unter einem verrosteten Helm hervorlugten. In der einen Hand hielt er ein schweres Schwert, in der anderen wirbelte er ein Abhäutemesser herum, während er die ganze Zeit über lachte. »Ich kratz’ dir die Haut von den Knochen, Kleiner«, feixte er, sein Mund war eine ungepflegte Mauer aus fehlenden Zähnen.

In der Vergangenheit hatte ich oftmals schweigend dagelegen, wenn mein Meister mir magische Sigillen eingeritzt hatte, die sich wie von allein zuckend in meine Haut bohrten.

Schmerz jagte mir keine Angst ein.

»Ehrlich gesagt, ich habe mich in meiner Haut noch nie besonders wohl gefühlt.« Ich lächelte ihn an, und für einen Augenblick war er verwirrt, allerdings nur für einen ganz kurzen Augenblick. Dann vollführte er mit dem Messer einen Scheinangriff. Ich ging gar nicht erst darauf ein. Dann hob er sein Schwert über den Kopf und ließ es mit seinem gesamten Gewicht auf mich herabsausen. Ich riss meinen großen Schild hoch, den ich von einem loridyanischen Recken im Zweikampf gewonnen hatte und der mit einem blutenden Auge bemalt war. Die Klinge meines Gegners rutschte daran ab und bohrte sich in die Erde. Blitzschnell holte ich mit dem schnabelförmigen Kriegshammer aus, den ich einem Mann abgenommen hatte, nachdem ich ihn aus Rache getötet hatte, hieb ein hübsches Loch in seinen Helm und streckte ihn nieder.

Aus den Augenwinkeln beobachtete ich meinen Meister. Sie kämpfte mit zwei Stichwaffen, tänzelte geschmeidig zwischen den aufblitzenden Klingen ihrer Angreifer hindurch, als existierten diese überhaupt nicht. Für einen Moment raubte mir ihre Kunstfertigkeit die Sprache, da stürzte sich der zweite Glynti auf mich. Dieser war vorsichtiger und benutzte einen langen Speer – das war eine bessere Waffe gegen einen Mann, der mit einem Schild bewaffnet war. Aber wie sein Vorgänger verließ er sich viel zu sehr darauf, seine Kämpfe mit roher Gewalt zu gewinnen. Seine einzige Begabung lag im Angriff, und so fehlte ihm die größte Verbündete des Kriegers – Geduld. Er machte einen Satz nach vorn, bohrte seinen Speer mit einem widerlich kreischenden Kratzen von Metall auf Metall in meinen Schild. Als er noch einmal zustieß, stemmte ich mich mit aller Kraft dagegen. Ich spürte die Wucht seines Hiebs in dem Aufbäumen meines Schultergelenks. Er fühlte sie in seinen Händen, und obwohl er den Speer nicht fallen ließ, verlor er für den Bruchteil einer Sekunde die Kontrolle über seine Waffe, sodass ich nah genug an ihn herankam. Der Kriegshammer hob und senkte sich, hob und senkte sich, hob und senkte sich so lange weiter, bis sein Kopf eine breiige Masse aus grauem Gehirn, weißen Knochen und leuchtend rotem Blut war.

»Girton …«, hallte die sanfte Stimme meines Meisters hinter mir. »Sie sind tot.« Blut tropfte von einer Wunde an ihrem Arm. Es rann an ihrer Hand hinab, entlang des Hefts ihrer Stichwaffe, wo es sich mit dem Glyntiblut vermischte, das ihre Klinge verfärbt hatte. Erst als sie sprach, hörte ich auch mich selbst, ich hörte das Geräusch, das ich von mir gab, das Kreischen eines Tiers. Dann ließ ich meine Waffe in den Schlamm fallen. Der Kriegshammer war schwer.

»Eine lebt immer noch«, sagte ich und zeigte auf die Frau, die bei der Explosion des Schwirrholzes zu Boden gegangen war. Ich marschierte auf sie zu und zog dabei das schwarze Metallschwert, das ich an meiner linken Hüfte trug.

»Warte, Girton.«

»Warum?« Ich ging weiter in Richtung der Frau, die an einer Seite Brandwunden aufwies, ansonsten jedoch keine tödlichen Verletzungen hatte. »Sie wird doch anderen nur erzählen, wo wir sind.«

»Warte!« Mein Meister sprang über einen Leichnam, rannte auf mich zu und packte just in dem Augenblick meinen Arm, als ich mich hinknien und die versengte Kehle der Frau durchschneiden wollte. »Es gibt bessere Wege.« Ich starrte meinen Meister an, die Muskeln meines Arms spannten sich gegen ihren Griff an.

»Wie Ihr meint.« Ich wischte ihre Hand von meinem Arm und setzte mich in das blutige Gras.

Die verbrannte Frau beobachtete uns aus Augen, die so leuchtend waren wie die der schwarzen Vögel von Xus, dem Ungesehenen, dem Gott des Todes.

»Dein Liebhaber ist ziemlich aufbrausend, auch wenn er ein Zauberkrüppel ist, Merela Karn«, sagte die Frau krächzend zu meinem Meister. Sollte sie vor den Verbrennungen jemals mit Schönheit gesegnet gewesen sein, so musste sich diese schon vor langer Zeit verabschiedet haben.

»Er ist keineswegs mein Liebhaber«, erwiderte mein Meister.

»Dann ziehst du wohl Frauen vor, hä? Er ist doch jung, stark …«

»Sei still!« Mein Meister griff mit der Hand nach dem Gesicht der Frau, drückte sich in die verbrannte Haut um ihren Mund und hinterließ einen groben Fingerabdruck, der die Frau vor Schmerz aufkeuchen ließ. »Von welchem Stamm bist du?«

Die Glyntifrau hatte Augen wie eine jagende Eidechse, blau wie der Himmel, aus dem die Tiere im Sturzflug herabsausten, und auch mit derselben Verachtung für das Leben.

»Geirsti«, sagte sie. Der Name ihres Stammes klang verzerrt durch den Griff meines Meisters, der ihr Gesicht und den Schmerz ihrer Verbrennungen festhielt.

»Und dein Name?«

»Als.«

»Nun, Als von den Geirsti. Hör mir gut zu. Ich bin Merela Karn, und mein Begleiter hier ist Girton Klumpfuß. Auf unserem Weg zurück nach Maniyadoc haben wir viele Glynti getötet. Siebzehn der Corust, zwölf der Jei-Nihl und vierzehn der Dhustu. Meiner Zählung zufolge bedeutet das, dass wenn du zu deinen Bergen zurückkehrst, die Geirsti den anderen Stämmen überlegen sein werden. Bring diese Kunde zu deinem Anführer, erobert neues Land und schickt keine weiteren jungen Krieger, damit sie in der Hoffnung auf unser Kopfgeld ihre Leben lassen.«

Die Glyntifrau starrte meinen Meister an. Bevor sie etwas erwidern konnte, wurden wir von einem Grunzen hinter uns gestört. Ich drehte mich um und sah, wie sich der erste Mann, den ich mit dem Hammer getroffen hatte, in Zuckungen wand.

»Mein Mann«, sagte die Stammesangehörige. »Er hat tapfer ge­kämpft. Dein Junge soll ihm einen guten Tod bringen, dann werde ich über deine Worte nachdenken.« Ich blickte zu meinem Meister hin­über, und sie nickte mir zu, woraufhin ich zu dem Mann schritt und ihm mit meiner schwarzen Klinge die Kehle aufschlitzte. Als ich zurückkehrte, war die Glyntifrau bereits auf den Beinen. »Ich werde deine Nachricht unserer Stammesfürstin übermitteln.«

»Mein Meister hat dir befohlen, uns keine weiteren Leute hinterherzuschicken …« Ich machte wütende Schritte in ihre Richtung, das Schwert in der Hand, doch mein Meister hielt mich erneut zurück.

»Vielen Dank, Als von den Geirsti«, sagte sie. »Zieh von dannen und stirb einen guten Tod.«

Die Frau taumelte in den Bodennebel davon und drehte sich genau in dem Augenblick um, als ihr dichte Dunstschleier das Aussehen eines Geistes verliehen.

»Mein Tod wird ein guter sein«, sagte sie, »deiner jedoch nicht, Merela Karn. Nein, deiner nicht. Du wirst qualvoll sterben.« Die feuchte Luft schluckte ihre Gestalt und ließ nichts als ihr Lachen zurück.

»Sie hat nicht versprochen, uns in Ruhe zu lassen«, sagte ich. »Ihr hättet der Frau das Versprechen abringen müssen, uns in Frieden zu lassen – oder Ihr hättet sie töten müssen.«

»Eine Glynti mehr oder weniger wird im großen Rad der Zeit gewiss keinen Unterschied machen, Girton. Aber wenn ich sie überzeugen kann, dass sie einen Stammeskrieg anzetteln, werden sie zu beschäftigt sein, sich gegenseitig abzuschlachten, um uns zu folgen. Die Geirsti sind der größte Stamm und …« Ihre Stimme verklang, und als ich mich ihr zuwandte, war ihr Gesicht auf einmal von Entsetzen gezeichnet, ihre dunkle Haut grau vor Schock. »Geirsti«, sagte sie und starrte die Wunde an ihrem Arm an. »Beim Dunklen Ungar«, zischte sie, »die Geirsti … sind Giftmischer.« Noch während sie redete, zerrte sie die Lederkordel vom Kragen ihres Wamses und schlang sie sich um den Oberarm. »Girton, entzünde ein Feuer, so heiß wie irgend möglich. Schnell!«

»Ja, Meister.« Eine Kälte befiel mich, eisiger als dies durch die morgendliche Kühle des Jahreserwachens hätte erklärt werden können, und brachte den siedenden Groll zum Erlöschen, der in den Jahren unseres Exils mein steter Begleiter gewesen war. Ich lief bereits los, noch bevor ich mir darüber bewusst war. Holz war im Müden Land Mangelware, insbesondere so nah an der Grenze zur Fäulnis. Doch ich fand einen verrottenden Heuhaufen, die oberste Schicht triefnass vom Tau, und griff mit den Armen tief hinein, um trockenes Gras zu ergattern. Jenseits des Heuhaufens erstreckte sich ein Feld, wo einst Kühe gehalten worden waren, und trockene Dungfladen sprenkelten das Gras. Als ich zurückkehrte, hatte mein Meister die Kordel schon so fest um ihren Bizeps geschlungen, dass ihr Unterarm aufgebläht und leichenblau gefärbt war.

»Rasch, Girton.« Meine Hand zitterte, als ich den Feuerstein gegen Stahl schlug. Die Flamme weigerte sich hartnäckig, sich zu entzünden – es war, als wollte der Morgennebel absichtlich meinen Plan durchkreuzen, indem er sämtliche Funken verschluckte. Schließlich gelang mir doch etwas Glut, und ich brachte das Gras zum Knistern, allerdings bemerkte ich die Ungeduld im Gesicht meines Meisters und ahnte, dass das Feuer nicht schnell genug heiß werden würde. »Gib mir deine Conwy­­klinge«, zischte sie.

»Warum?«, fragte ich. Eine dumme, zeitverschwendende Frage.

»Weil sich meine mit den Waffen der Geirsti gekreuzt haben und deines seine Scheide nicht verlassen hat«, fauchte sie. »Gib her!« Ihre Hand schnellte vor. Ich riss die Klinge aus der Scheide an meinem Rücken und reichte sie ihr. Mein Meister gab mir ihre. »Halt diese hier ins Feuer, Girton, bis sie heiß wird, du weißt, was zu tun ist.« Ich nickte. »Das Gift arbeitet schnell. Ich kann nicht abwarten, bis meine eigene Klinge heiß ist, also werde ich viel Blut verlieren. Sei bereit!«

»Wartet noch, Meister.« Und ich fürchtete mich wie ein Kind. »Ich sollte vielleicht die Leichen nach einem Gegenmittel absuchen.«

»Und woran würdest du es erkennen?«

Ich stand da, mit zitternden Händen, während Angst meine Wut im Kreis jagte – wie ein durchgedrehter Hund, der vergeblich versuchte, seinen Schwanz zu schnappen.

»Ich könnte die Frau zurückholen.«

Mein Meister schüttelte den Kopf. »Ich wäre tot, bevor du wieder hier bist.« Sie biss die Zähne gegen die krampfartigen Schmerzen zusammen. »Nein. Wir müssen es auf meine Art tun, vor allem aber müssen wir uns beeilen – ich möchte meine Hand nicht verlieren. Gib mir deinen Gürtel!« Ihre Zähne klapperten, als ich den dicken Ledergürtel von meinem Waffenrock riss und ihn ihr reichte. Sie hielt inne, bevor sie das Leder zweimal faltete und es sich in den Mund stopfte, um darauf zu beißen. Dann sah sie mir eindringlich in die Augen und spuckte den Gürtel schnell wieder aus. »Sollte ich das Bewusstsein verlieren, Girton, musst du die Sache zu Ende bringen.«

»Ja, Meister.« Nun kehrte die Angst zurück: Angst, sie zu verlieren, Angst vor dem Alleinsein. Sie warf mir ein mattes Lächeln zu, biss auf das Leder und begann, kurze, aber tiefe Atemzüge durch die Nase zu holen. Dann nickte sie mir zu und stieß sich mein Schwert in ihren verwundeten linken Arm.

Sie schrie in den Ledergürtel hinein, mehr aus Wut als vor Schmerz, während sie die rasiermesserscharfe Klinge drei Finger breit über der Wunde in ihr Fleisch jagte. Rasch zwang sie das scharfe Metall hinab und verletzte so ihren Arm und auch den Knochen, während sie die ganze Zeit ein knurrendes Stöhnen ausstieß – wie ein Tier. Mit einem Geräusch, das an einen verrotteten Apfel erinnerte, der unter einem Schuh zerquetscht wurde, kam die Klinge wieder heraus und hatte ein Stück Fleisch von der Länge meines Fingers herausgeschnitten. Ihre Hand verkrampfte sich, und meine Conwy-Stichwaffe fiel zu Boden, als mein Meister bewusstlos nach vorn kippte. Hastig stürzte ich zu ihr, packte ihre Hand und streckte sie in die Höhe, um gleichzeitig ihren schlaffen Körper an meinen zu drücken. Dickes Blut quoll über meinen Arm, als ich sie auf das feuchte Gras legte und ein Tuch fest auf die Wunde presste. Die Muskeln in meinen Armen spannten sich an, Schweiß tropfte von meiner Stirn, während ich versuchte, den Druck auf die Wunde zu halten. Mit purer Willenskraft wollte ich das Messer im Feuer antreiben, damit es endlich kirschrot glühte. »Nicht sterben, nicht sterben«, hallte es ununterbrochen in meinem Kopf wider, so wie ein Karussell auf einem Jahrmarkt. Das Dickicht an Narben auf meiner Brust, das meine Magie in Schach hielt, wand sich, als die Dunkelheit aufbegehren und sich meine Angst zunutze machen wollte.

Nachdem die Klinge schließlich heiß genug war, brannte ich die Wunde am Arm meines Meisters aus – ich bezweifelte, dass sie jemals wieder dieselbe Geschicklichkeit mit dem Schwert entwickeln würde –, und dann wärmte ich sie mit den Decken aus unseren Bündeln. Es gab nichts weiter, was ich für sie hätte tun können, weshalb ich mich wie ein Häufchen Elend vor das Feuer setzte und versuchte, nicht an die Höllenqualen zu denken, die sie sich gerade selbst beigebracht hatte, oder daran, wie viel mentale Disziplin es einem Menschen abverlangte, sich selbst ein so großes Stück Fleisch aus der Haut zu schneiden.

Ich jedenfalls hätte es nicht geschafft.

Die Sonne brannte den Nebel fort, geflügelte Eidechsen trällerten dem Jahreserwachen ein Willkommenslied und Blumen öffneten ihre farbenfrohen Blüten auf der Suche nach der Sonne. Doch ich war blind für alles, ebenso wie die Natur blind für mich war. Irgendwo weit in der Ferne grollte der Donner.

2

Ein Fuß vor den anderen.

Die Seile der Schlepptrage schnitten in meine Schultern, mein Meister stöhnte und schwitzte. Ich hatte einen Tag und eine Nacht zugesehen, wie das Gift in ihr wütete, hatte meine Seite des Feuers jedoch nicht verlassen, um zu ihr zu eilen. Ich hatte es zwar gewollt, aber selbst, während sie gegen den Tod ankämpfte, klaffte ein Graben zwischen uns – ausgehoben durch die Messer, mit denen sie immer tiefere Sigillen in mein Fleisch geritzt hatte –, und obwohl ich den Sinn kannte, sie sogar darum gebeten hatte, fiel es mir dennoch schwer, sie nicht zu hassen. Es hatte einen Augenblick gegeben, am dunkelsten Punkt der Nacht, als der Mond ihr Gesicht hinter silbernen Wolken verdeckt hatte, da glaubte ich, ihr Kampf wäre vorüber – und verloren.

Atme aus.

Die Mischung aus Gift und Blutverlust hatte sie geschwächt – ihr Atem stockte – und dann war Stille eingetreten. Das Feuer knackte knisternd in der Dunkelheit und Flammen züngelten wie Heckengeister auf der Suche nach verlorenen Seelen in die Höhe. Nun, da unsere Götter tot waren, gäbe es für meinen Meister keine Rückkehr in unsere Welt. Schweigend würde sie im dunklen Palast von Xus, dem Ungesehenen, dem Gott des Todes, verharren, bis die Erde erneuert ward und die Heckengeister sich ins Meer stürzten, wo die Götter ihre Wiedergeburt fanden.

Aber vielleicht war das Feuer gar kein Heckengeist, vielleicht war die Hitze eher eine Mauer, die ihre Seele gefangen hielt.

Atme ein.

Als das Licht der Sonne wieder die Erde berührte, kehrte auch das Licht des Lebens in sie zurück. Sie war nicht kräftig und ihre Augen öffneten sich nicht, doch in ihren Atem schlich sich eine Regelmäßigkeit, die ihr noch in der Nacht zuvor gefehlt hatte, und damit war es, als wäre ein Bann von mir genommen. Erst jetzt konnte ich mich rühren, steif und unter Schmerzen, um Nachschub für unser verglimmendes Feuer zu holen. Während ich im schwachen Schein der Dämmerung suchte, war ich mit einem Mal davon überzeugt, beobachtet zu werden. Aus den Augenwinkeln nahm ich verschwommene Bewegungen wahr – die Glynti. Es war unwahrscheinlich, dass sich jemand aus Maniyadoc so nah an das faule Land herangewagt haben könnte, und da die Glyntifrau wusste, dass mein Meister vergiftet war, ergab es Sinn, dass sie abwarten und nicht sogleich angreifen würde. Vielleicht hatte sie noch weitere Krieger bei sich oder sie wartete auf Verstärkung. So oder so fühlte ich mich nicht sicher genug, um meinen Meister auch nur eine Sekunde lang aus den Augen zu lassen, und endlich hatte ich die Schlepptrage fertig, indem ich die Schwirrhölzer der Glynti, ein paar Speere und meinen Schild zusammenband und sogar meinen Langbogen opferte. Dann begann ich meinen langen Weg nach Maniyadoc, wo ich hoffte, Rufra zu finden, den König und meinen einzigen Freund.

Ein Fuß vor den anderen. Manchmal ist dies der einzige Gedanke, den man sich gestatten darf. Wenn deine Muskeln schmerzen, wenn dein Meister stöhnt, wenn dein Rücken wie eine Zielscheibe für unsichtbare Pfeile juckt, wenn du sicher bist, verfolgt zu werden, und ein Angriff unvermeidlich scheint.

Ein Fuß vor den anderen.

Ein Fuß vor den anderen, während dir die Seile ins Fleisch schneiden. Wäre Fitchgras höchstpersönlich aus den Feldern gestürzt – eine ineinander verschlungene Masse aus Dornen, Kletten und gerissenen Versprechungen in Gestalt eines Menschen –, ich hätte meine Seele für etwas Ruhe und die Genesung meines Meisters verkauft.

Doch das tat er nicht, und so gab es nichts weiter als einen Fuß vor den anderen.

Maniyadoc hatte sich in den fünf Jahren verändert. Dies war die Zeit, die ich fort gewesen war und mein Schwert samt meiner Moral an den Höchstbietenden verkauft hatte, während ich gleichzeitig versucht hatte, den Assassinen des Offenen Zirkels immer einen Schritt voraus zu sein. Ich hatte viel vom Krieg gesehen: Wir hatten ein halbes Jahr bei den ­Ilstoi vom Weiten Meer verbracht, die glaubten, dass wenn man das Land erzürnt, es sich in einen Riesen verwandelt und alles zerstört, was man besitzt und liebt, und es durch einen grünen Teppich ersetzt. Es sah aus, als hätte einer dieser Ilstoi-Riesen in Maniyadoc gewütet. Ich trabte an eingestürzten Bauernhöfen vorbei, überwuchert von Gräsern und kleinen Bäumen. Erst bei genauerem Hinsehen erkannte man die schwarzen Narben des Feuers auf dem Holz und die unnatürlich geraden Kerben von Schwertern und Äxten. An anderen Stellen wuchs das Gras eigentümlich und saftig, und als ich die Schlepptrage ablegte, um am Straßenrand nach Wasser zu suchen, fand ich zwischen dem üppigen Gestrüpp ausgebleichte Knochen. Ich war nicht überrascht. Der Krieg war seit fünf Jahren mein Geschäft, und nirgends tobte er heftiger als in Maniyadoc, wo sich die drei Könige, Tomas, Aydor und mein Freund Rufra, um die Vorherrschaft und knappen Ressourcen eines Landes bekriegten, das von den Taten einstiger Zauberer schwer gezeichnet war.

Zauberer. Das Wort ließ mich immer noch erschaudern, trotz des Umstands – oder vielleicht gerade deswegen –, dass ich selbst ein solcher war. Wie immer, wenn ich an Magie dachte, glitt mein Bewusstsein zu anderen Erinnerungen, ersetzte die Angst vor dem, was in mir steckte, mit Hass oder Wut.

Das Gesicht meiner Geliebten, Drusl, im Stall, als sie sich die Kehle durchschnitt, um ihre Magie dem Land zurückzugeben.

Ein Schmerz in meiner Brust, so heftig, dass ich innehalten musste. Nach Drusl hatte es andere Frauen und auch Männer gegeben, aber nur eine, der ich nahe gekommen war, und selbst das war keine Liebe gewesen. Die Geheimnisse in meinem Inneren hatten Drusl getötet, und so hielt ich sie tief in meinem Herzen gefangen. Wer ich war und was ich war, würde niemals laut ausgesprochen werden können. Ich vermochte zu keinem Zeitpunkt jemanden nah an mich heranzulassen, nicht richtig jedenfalls, weshalb ich es nie wieder getan hatte.

Ich ging weiter, einen Fuß vor den anderen setzend, an Feldern vorbei, die von Unkraut überwuchert waren. An einer Stelle war die Straße von Blutgalgen gesäumt. Ich zählte zwanzig, jeder mit einem verdorrten Ast und der zerschlissenen Fahne der Landjunker markiert, einem weißen Baum auf grünem Hintergrund. Früher war der Blutgalgen mit seinem tödlichen Mechanismus aus Windrädern und Klingen allein Menschen vorbehalten gewesen, die Magie benutzten, aber über vielen hingen Holzschilder mit dem eingebrannten Wort »Verräter«. Bei ei­nigen fehlten Schilder, doch in allen hingen Leichen in verschiedenen Stadien der Verwesung, von denen viele das Rot und Schwarz trugen, dass Rufra, wie ich wusste, zu seinen Farben erkoren hatte. Wie es schien, hatte der Krieg den Landjunkern bei ihrer grausamen Bestrafung freie Hand gelassen, und sie waren nicht mehr nur auf der Suche nach Zauberern. So nah am faulen Land war der Gestank des Todes kaum wahrzunehmen.

Im letzten Blutgalgen hing ein Mann, jung, ausgemergelt, mit aufgesprungener Haut. Er krächzte etwas – allerdings, ob er nach Wasser oder Essen flehte, konnte ich nicht verstehen. Er trug das Gelb und Schwarz, das ihn als einen von Aydors Männern erkennbar machte. Ich war früher mit Aydor aneinandergeraten und hatte maßgeblich dazu beigetragen, Rufra auf den Thron zu setzen. Er war ein grausamer, dummer Junge gewesen, der nur aus Spaß tötete. Ich hatte nichts als Hass für den Erben des alten Königs in mir. Zweifellos war er zu einem grausamen und dummen Anführer herangewachsen. Ich ging weiter und überließ den Mann seinem Schicksal.

Ein Fuß vor den anderen.

Ich hielt die Augen nach Anzeichen von Assassinen offen, den raf­finierten Spuren des Offenen Zirkels – das konnten verknotete Grasbüschel sein, Kerben in einem Pfosten oder ein Muster aus Blütenblättern. Aber obwohl der Tod allgegenwärtig war, fehlte sonderbarerweise jedes Zeichen von Assassinen. Gelegentlich fand ich ein paar Kratzspuren, aber die Anfragen waren entweder als erledigt durchgestrichen oder so verschlissen, dass sie offensichtlich viele Jahre alt waren. Mein Meister hatte mir erklärt, dass der Offene Zirkel gewöhnlich jedwedem Krieg aus dem Weg ging; unsere Fähigkeiten wären im Schildwall vergeudet. Als ich meinen Meister fragte, warum wir dennoch in einem kämpften, gab sie nie eine Antwort. Dennoch hatte es den Anschein, als würde sich der Offene Zirkel aus den Angelegenheiten in Maniyadoc heraushalten, weshalb ich mich ein kleines bisschen sicherer fühlte.

Nachdem die Mittagssonne die letzten Reste der Morgenkühle weggebrannt hatte, schlugen die Glynti zu. Ich bahnte mir gerade einen Weg durch eine enge, steile Schlucht, einen Ort, der aussah, als hätte eine riesige Axt eine tiefe Kerbe mitten in ein Gehölz geschlagen. Hier bildeten die Äste, längst ihrer Blätter beraubt, ein skelettartiges Muster aus Schwarz gegen den blauen Himmel. Eine Stimme ertönte, die das Singen der geflügelten Eidechsen zum Verstummen brachte.

»Bleib stehen, Junge. Bleib stehen oder wir schießen!«

Das war die Stimme der Frau, die wir verschont hatten. Ich legte die Schlepptrage nieder und schnallte ganz langsam den Kriegshammer von meiner Hüfte. Es war eine grobe, brutale Waffe, ein Hartholzstab, an dessen Spitze ein glitzernder Stein befestigt war. Eine Seite war wie ein Schnabel gespitzt, um Rüstungen zu durchdringen, die andere abgerundet, zum Brechen von Gliedmaßen. Am liebsten hätte ich mir meinen Schild geschnappt, aber er war zu fest in die Schlepptrage gearbeitet, als dass ich ihn hätte erreichen können.

»Ich wusste, ich hätte dich töten sollen«, rief ich in den Wald hinein, ermutigt vom Gewicht des Hammers in meiner Hand.

»Das hättest du tun sollen«, kam die Antwort, hüpfte von Baum zu Baum und entledigte sich jeglicher Richtung und Entfernung, während sie den steilen, moosigen Abhang hinunterhallte. »Aber da du mein Leben verschont hast, werde auch ich dir eine Chance geben. Die Frau ist bereits tot, das weißt du gewiss. Dem Gift kann nicht Einhalt geboten werden. Lass sie zurück und verschwinde von hier. Tu es, und wir werden dich nicht jagen.«

»Ich wollte dich töten, Frau – du schuldest mir nichts«, rief ich zurück. »Ich glaube, du bluffst, ich glaube, da ist außer dir niemand und du willst nur, dass ich weggehe, damit du es nicht mit mir aufnehmen musst.«

Die Frau lachte, ein tiefes und herzhaftes Grollen, und dann stieß sie einen ohrenbetäubenden Pfiff aus. Glynti tauchten hinter Bäumen auf – für den Bruchteil einer Sekunde. Ich zählte fünf, hörte aber noch mehr hinter mir. Ich verspürte keine Angst, nur einen dumpfen Schmerz im Arm – vom Gewicht des Kriegshammers.

»Wir sind dir zahlenmäßig überlegen, Junge.«

»Warum lasst ihr mich dann leben?«

Eine Pause. Fast lang genug, dass die scheuen geflügelten Eidechsen ihr verstörendes Lied erneut anstimmten.

»Du hast meinen Mann umgebracht, vielleicht wünsche ich mir dich als Ersatz, hm? Ich gebe dir die Chance zu leben, Zauberkrüppel. Ergreif sie.«

Aufgrund meiner Körpergröße hielt sie mich für einen Jungen. Viele begehen diesen Fehler, und dann ist er ihr letzter.

»Ich werde meinen Meister nicht im Stich lassen.« Ich breitete die Arme aus. »Schießt eure Pfeile ab, solltet ihr welche haben.«

Mein Atem kam langsam, und die Welt war von einer seltenen Klarheit durchdrungen: Äste wiegten sich, das weiche Versprechen von Leben in ihren Knospen, Gras winkte und die Sonne wärmte meine Haut.

Kein Pfeil sirrte durch die Luft.

Im Wald hallte erneut das Lachen der Frau wider.

»Du bist ein mutiges Kerlchen, das muss man dir lassen.« Sie stieß einen durchdringenden Pfiff aus, und damit traten die Glynti hinter den Bäumen hervor. Zwölf von ihnen, acht Männer und vier Frauen, sie selbst eingeschlossen. »Du kannst es nicht mit uns allen aufnehmen, Kind.« Sie bahnten sich einen Weg durch kniehohes Farnkraut, während sie den steilen Abhang bedächtig hinunterkletterten. Acht blieben vor mir stehen, der Rest bezog in meinem Rücken Stellung. Eine sonderbare Ruhe befiel mich. So geschah es vor den meisten Kämpfen – eine kurze Zeit, um sich zu sammeln, Waffen und Rüstung zu überprüfen, den Geist auf den Zeitpunkt vorzubereiten, an dem ein Leben genommen oder sein eigenes verloren wurde. Die Glynti hoben ihre Waffen. Die acht würden sich gleich auf mich stürzen, die anderen vier waren allein aus dem Grund da, um sicherzu­gehen, dass ich nicht entkam.

»Komm schon, Junge«, sagte die Frau. »Das ist deine letzte Chance. Deine Herrin ist so gut wie tot. Verschwinde. Ich werde es dir immer noch gestatten.« Sie zupfte ein Stück Kruste von einer ihrer Verbrennungen im Gesicht ab und schnippte es fort. »Wir sind kein raffsüch­tiges Volk, ein anderer kann dein Kopfgeld haben.«

»Nein.«

»Verschwinde, Junge.«

»Nein!«

»Ich werde dich nicht noch einmal bitten.«

»Gut. Ich habe auch keine Lust mehr zu reden.«

Sie zuckte die Schultern, und die Männer um sie herum bauten sich blitzschnell zu einem Schildwall auf. Ihre kreisrunden Schilde, in denen sich verzerrte Bäume widerspiegelten, waren auf Hochglanz poliert. Während ich mich bereitmachte und mir überlegte, wie ich bei ihrem Angriff sterben und welchen Glynti ich mit zu Xus’ dunklem Palast nähme, brach ein Streit aus. Ein hochgewachsener Krieger mit langen, rot gefärbten Zöpfen schrie die Frau auf Glynti an, einer Sprache, die ich nicht verstand. Sie brüllte zurück, und dann zeigten sie gelegentlich mit dem Finger auf mich.

»Brank will seinen Bruder rächen, Junge.« Sie zuckte die Achseln. »Aber ich habe dich kämpfen sehen und möchte keinen weiteren Bettgefährten verlieren.«

»Dann solltet ihr lieber verschwinden, du und deine Leute«, sagte ich. Dann fügte ich noch hinzu: »Ich werde es euch gestatten.«

Kopfschüttelnd kicherte sie und blickte zu Boden.

»Es ist eine Schande, dass du sterben wirst, ich hätte mich gern mit dir vergnügt. In dir steckt Feuer.« Sie winkte Brank nach vorn.

Der Krieger schob sich geduckt vor, den Schild erhoben, das ge­schwungene Schwert hoch in die Luft gereckt. Ich wartete ab, dass er näherkam, und dachte mir im Stillen, dass wenn er kein so großer Narr wäre, er einen Speer gewählt hätte. Er holte mit dem Schwert nach mir aus, und ich machte einen Satz nach hinten, wich seiner Klinge aus. Im nächsten Augenblick riss er das Schwert nach oben, ein instinktiver Reflex zwar, aber der falsche. Mit aller Kraft, die mir noch blieb, sauste der Hammer herab, mitten auf den Schild – und wie jeder Glynti-­Schild war er ein windiges Ding, dünnes Metall über Holz, und zersplitterte tatsächlich, ebenso wie die Knochen in dem Arm, der ihn hielt. Mit einem lauten Schrei stürzte sich Brank auf mich und schwang das Schwert von oben nach unten. Ich packte das Heft des Kriegshammers, eine Hand am Holzgriff, die andere knapp unter dem Stein, und blockte seine Klinge ab.

Obwohl er nun einhändig war und Schmerzen litt, war es ein mark­erschütternder Schlag, dem er eine Reihe an Hieben folgen ließ und mich rückwärts drängte, bis ich taumelnd über eine Furche im Weg stolperte. Brank versuchte einen letzten gezielten Hieb, und ich drehte blitzschnell meine Waffe zur Seite, sodass seine Klinge auf das steinerne Ende des Kriegshammers traf und das minderwertige Metall des Schwerts barst. Dann riss ich den Knauf meiner Waffe herum, die mit der Klaue eines Furcht einflößenden Tiers bewehrt war, und schlitzte dem Mann den Bauch auf. Ich stemmte mich bereits auf die Beine, fest überzeugt, ihn besiegt zu haben, doch da warf er sich erneut auf mich. Seine Eingeweide quollen hervor und wanden sich um mich, während er mich erneut zu Boden schleuderte. Als wir uns im Dreck seines Bluts und Kots wälzten, gelang es ihm tatsächlich, seine riesige Hand um meine Kehle zu legen und mir das Leben aus dem Leib zu pressen, während sein eigenes bereits aus ihm entwich.

Atem zischte zwischen seinen Zähnen. Ich roch den penetranten Gestank seiner letzten Mahlzeit und die schlecht gegerbten Tierhäute, die er als Rüstung trug. Durch die Bäume hinter ihm glaubte ich, Xus, den Ungesehenen, zu erspähen, der durch die Sonnenstrahlen flatterte. Mit den Händen packte ich Branks Kopf, bohrte die Daumen in seine Augenhöhlen und entriss seinem Mund einen ohrenbetäubenden Schrei. Selbst geblendet wurde seine Hand noch zu einem Schraubstock um meine Kehle, sein Schmerz schien durch seine Rachsucht wie weggeblasen.

Meine Hand wühlte blind an meiner Seite, suchte verzweifelt nach meiner Stichwaffe. Mein Augenlicht begann zu verschwimmen, und jetzt verlor ich jegliches Gefühl in Armen und Beinen. Hatte ich die Klinge noch? Ich wusste es nicht. Mir lief die Zeit davon. Über den Glynti erhob sich eine Gestalt der Dunkelheit und Trauer. Ich nahm all meine verbliebene Kraft zusammen und stieß den Arm vor. Jede Narbe, die in meine Brust geritzt war, schien zu krampfen, zerdrückte meinen Körper noch heftiger als Branks Hand um meinen Hals und bohrte Klingen in mein Fleisch. Und dann bekam ich wieder Luft, hustete und keuchte und würgte – und das Gewicht des Glynti war plötzlich von meiner Brust verschwunden.

Ich war am Leben, was auch immer mir das nützen sollte.

Die restlichen Glynti hatten sich um uns geschart, während wir kämpften. Sie hatten sich in einem Ring um uns herum aufgestellt, Schwerter und Speere auf mich gerichtet, die Gesichter vor Ekel und Entsetzen verzerrt. Der Leichnam vor mir offenbarte ein rauchendes Loch an der Stelle, wo eigentlich seine Kehle hätte sein müssen, und mein Blut rauschte wie ein süßliches, kränkliches Lied in meinen Ohren.

»Zauberer«, zischte die Frau. »Maniyadocs Abschaum.« Für den Todesstoß holte sie mit ihrer Klinge aus, und ich hatte keine Kraft mehr, mich zu wehren.

Der Pfeil traf sie mitten in die Kehle, und so ging sie röchelnd in die Knie. Die restlichen Glynti drehten sich um, als Bogenschützen aus dem Unterholz auftauchten und das Donnern von berittenen Truppen die Luft erfüllte. Eine zweite Salve an Pfeilen brachte weitere Glynti zu Fall, dann preschten drei riesige Reittiere herbei, die Köpfe gesenkt, tödliche Geweihstangen von einer Seite zur anderen sausend, um jeden, der ihnen im Weg stand, mit ihren rasiermesserscharfen Vergoldungen niederzustrecken. Innerhalb kürzester Zeit waren die Glynti tot und ich von bewaffneten Soldaten umzingelt. Sie trugen keine Farben und auch keinerlei Flaggen, die ihre Königstreue bewiesen hätten, sondern starrten nur auf mich herab – argwöhnische Augen hinter Gesichtspanzern, die Grimassen schnitten.

»Wer bist du?«, fragte ihr Anführer, ein dünner Mann. Er kam mir irgendwie bekannt vor, aber ich konnte ihn nirgendwo einordnen. Mein Verstand schien von dem, was geschehen war, zertrümmert, verzerrt und verwirrt. Ich hatte Magie benutzt – war es schon so lange her, dass die Peitsche der Landjunker in mein Fleisch geschlagen worden war, um die Magie in Schach zu halten?

»Girton ap Gwynr«, erwiderte ich. Wie ein Einfaltspinsel verwendete ich den Namen, unter dem man mich in Maniyadoc kannte, seit mein Meister und ich Königin Adran und ihren abscheulichen Sohn Aydor zu Fall gebracht hatten. Sämtliche Königsanwärter von Maniyadoc mussten diesen Namen kennen, und nur einer würde ihn mit Freuden hören.

»Girton ap Gwynr, hä?«, sagte der Reiter. »Nun, mein König wird dich treffen wollen.« Er holte mit dem Stiefel aus und traf mich an der Schläfe, woraufhin ich in eine Dunkelheit fiel, nach der ich mich ins­geheim gesehnt hatte.

3

Eine Kapuze aus Sackleinen bildete die Wände meines Gefängnisses. Mein Kopf pochte, und ich stank nach altem Blut. Als ich mich zu bewegen versuchte, erkannte ich, dass ich wie ein Mastschwein an einen Bratspieß gefesselt war und meine Muskeln ohne Schmerzen kaum anspannen konnte.

Neben dem Gestank von Blut an meiner Kleidung war die Luft von anderen Gerüchen erfüllt: Schlamm, Reittieren, verfaultem Gras und ranzigem Fett, das zum Einschmieren von Rüstungen verwendet wurde. Wind strich flüsternd über Segeltuch, der kalte Atem einer Brise be­­rührte meine Haut.

Das hier war ein Kriegslager und noch dazu ein schlecht geführtes. Ich erstarrte, damit das Rascheln meiner Kleidung gegen die Bodenplane mein Gehör nicht trübte. Atem. Ein weiterer Mensch befand sich mit mir im Zelt.

»Meister?« Das Kratzen von Leder gegen Segeltuch, als ich mich rührte. »Meister?«

Keine Antwort, aber wer auch immer hier sein mochte, drehte sich in meine Richtung. Ich hörte das Knarzen von Leder und seinen Atem, der kaum wahrnehmbar lauter wurde.

»Mein Meister, wo ist sie?«

Keine Antwort.

»Bitte, sie lag im Sterben. Ist sie noch am Leben?«

Immer noch keine Antwort, und bei dem flehentlichen Ton in meiner Stimme stieg ein Gefühl von Wut, Scham und Schwäche in mir auf. Ich entschied, nichts weiter zu sagen. Stattdessen zählte ich wieder die Sekunden.

Eins, mein Meister.

Zwei, mein Meister.

Und jede Sekunde, die ich zählte, war eine Erinnerung an ihr Schwitzen und Stöhnen, als ihr das Glynti-Gift das Leben aus dem Leib gesogen hatte. Ich kam bis zum fünfzehnten »Mein-Meister«, bevor derjenige, der das Zelt mit mir teilte – wer auch immer es war – verschwand.

Stunden später wurde ich aus dem Zelt geholt. Sie zerschnitten die Fesseln um meine Beine und zerrten mich hoch, während mir das Blut in einer schmerzhaften Woge zurück in die Füße rauschte. Ich hätte fliehen können, doch der Gedanke, der Welt ohne meinen Meister entgegentreten zu müssen, erschreckte mich. Die schützenden Schnitte, die sie mir beibrachte, waren alles, was zwischen mir und der Magie stand, und alles, was Magie jemals mit sich brachte, war Zerstörung und Tod.

»Komm!« Ich kannte die Stimme nicht, sie mochte zu einem Mann unbestimmten Alters gehören, und es lag weder Freundlichkeit noch Verachtung in ihr. Er führte mich am Ellbogen über glitschigen Schlamm.

Er war nicht grob – vielleicht wollte mich jemand unversehrt haben, damit ich die Folter besser ertrug. Ein Teil von mir hoffte, dass dies eines von Rufras Lagern wäre, doch ich wusste, dies war unwahrscheinlich. In Anbetracht der Art, wie ich behandelt wurde, schien es viel wahrscheinlicher, dass es Tomas gehörte oder noch schlimmer, Aydor, der sich schon immer an jedweder Grausamkeit ergötzt und nichts mehr geliebt hatte, als sich wichtigzumachen. Wer auch immer hier das Sagen hatte, so war ich überzeugt, mein Hals würde bestenfalls vor Ende des Tages auf einem Holzblock landen. Doch wenn es Aydor war, der mich gefangen hielt, war es törichtes Wunschdenken, denn dann würde er jede Sekunde meines langen, qualvollen Todes genüsslich auskosten.

Ich machte mir nicht die Mühe, die Schritte zu zählen, oder die Richtung, in die wir gingen, anhand der Intensität der Jahreserwachenssonne zu bestimmen. Was sollte es auch nützen? Ich war in allen Ecken der Welt gewesen, um dem Tod zu entrinnen, und dennoch an diesem Ort gelandet, mit meinem Meister, vergiftet, und ich selbst, gefangen genommen von schwer bewaffneten Männern, auf dem Weg, meinem Schicksal entgegenzutreten. Ich hatte alles satt, das Kämpfen, den Schmerz, und ich gestattete ihnen, mich wie einen preisgekrönten Eber vor sich herzutreiben, bereit für die Schlachtbank.

Wir betraten ein großes Zelt, und die glühende Hitze der Feuerschalen wärmte mein Gesicht selbst noch durch das Sackleinen. Eine Hand auf meiner Schulter zwang mich in die Knie. »Der Gefangene, Majestät.«

Eine stille Botschaft musste gegeben worden sein, denn nun wurde mir die Kapuze vom Kopf gezogen. Meine Sicht verschwamm. So viele Kerzen waren entzündet, dass ihre gleißende Helligkeit mich blendete, eintausend Sterne, die am raucherfüllten Firmament schimmerten.

Der Nebel lichtete sich. Mein Blick schärfte sich. Eiseskälte krallte sich in meinen Magen.

Vorgebeugt, um mich von einem erhöhten Stuhl aus genau in Augenschein zu nehmen, saß dort Aydor ap Mennix, der frühere Erbe von Maniyadoc und den Langen Flüssen. Er war größer als noch vor fünf Jahren, und schwerer. Nur ein Narr hätte ihn fett genannt und ihn deshalb unterschätzt, doch ich hatte lange in Armeen gedient und erkannte einen Kämpfer, wenn ich einen sah. Auf dem Schlachtfeld wäre er die Sorte Krieger, vor der ich mich in Acht nähme, denn Größe bedeutete normalerweise auch Stärke, selbst wenn sie nicht zwangsläufig Können mit sich brachte.

Aydor trug seine braunen Haare lang, und so fielen sie ihm um die Schultern bis hinab zu seiner Brust, wo sie die leuchtend gelben Emaille­plättchen seiner Rüstung berührten. Die Narbe, die seine Mutter ihm beigebracht hatte, teilte sein Gesicht in zwei Hälften, und als er lächelte, bemerkte ich, dass ihm die Hälfte der Zähne fehlte.

Zumindest sein Atem wäre nun wohl nicht mehr so faulig wie früher. Selbst für kleine Gnaden der toten Götter war ich dankbar.

»Girton ap Gwynr«, sagte er, »falls das denn jemals dein echter Name gewesen ist.«

»Ist er nicht«, erwiderte ich. »Ich heiße Girton Klumpfuß.«

»Girton Klumpfuß.« Gedankenverloren ließ er sich den Namen auf der Zunge zergehen. »Ist das keine Beleidigung, Klumpfuß gerufen zu werden?«

»Nicht, wenn ich den Namen selbst ausgewählt habe.«

Er nickte bedächtig.

»Hinter meinem Rücken nennen sie mich den Fetten Bären.« Ich hörte, wie sich die Wachen versteiften – ein Klirren und Klappern von Rüstungen. »Sie glauben, ich wüsste es nicht, aber das tue ich. Wenn ich ganz ehrlich bin, gefällt er mir sogar, zumindest der Teil mit dem Bären.« Er blickte von mir zu dem Mann an meiner Seite. »Hauptmann Thian, schneid Girton Klumpfuß los. Und gib ihm seine Waffen zurück.«

»Majestät?«

»Tu, was ich dir sage«, fauchte Aydor, seine Stimme klang scharf, an das Erteilen von Befehlen gewöhnt.

Ich war zu geschockt, um auch nur ein Wort herauszubringen. Dann aber, als die Fesseln zerschnitten und mir meine Klingen samt Kriegshammer vor die Füße geworfen wurden, fragte ich mich, ob er gegen mich kämpfen wollte und ob es mich überhaupt genug kümmerte, um ihn zu schlagen. Ich starrte die Waffen auf dem Boden an, argwöhnisch, ob die Falle zuschnappen würde, wenn ich nach ihnen griff.

Aydor stand auf, leicht schwankend, und ich bemerkte, dass er betrunken war. Er machte einen Schritt nach vorn und ließ sich, eine Hand ausgestreckt, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren, auf dem niedrigen Podest nieder, auf dem sein Thron stand.

»Es ist kein Trick«, sagte er und zeigte auf die Waffen.

»Wo ist mein Meister?« Die Worte hüpften aus meinem Mund, ohne dass ich sie bewusst formuliert hatte.

»Du meinst die Frau, die bei dir war?« Er runzelte die Stirn, als wäre er verwirrt; fast wirkte es komisch. »Sie befindet sich bei meinem Heiler. Er ist Ausländer, so wie sie, und er kennt sich mit Giften aus.«

»Sie lebt also?«

»Noch. Mastal meint, er hätte dem Fortschreiten des Gifts Einhalt geboten, aber ein Gegenmittel ist ihm nicht bekannt. Er sagt, die Glynti sind clever, was Gifte angeht.« Er nickte still in sich hinein, und dann zeigte er mit einem dicken Finger auf mich. »Du hast meine Mutter umgebracht.«

»Tomas’ Urgroßvater, Daana ap Glyndier, hat deine Mutter getötet«, sagte ich. Es war die Wahrheit, aber zugegebenermaßen musste ich eingestehen, dass mein Meister und ich die Reihe der Ereignisse in Gang gesetzt hatten, die schließlich zu ihrem Tod geführt und meinen Freund Rufra auf den Thron gesetzt hatten. Sollte ich deshalb hier sterben müssen, wäre es das alles dennoch wert gewesen.

»Vielleicht stimmt das, aber du hattest die Hände mit im Spiel.« Ich nickte. Immerhin war er damals dabei gewesen. »Du hättest auch mich getötet, hätte sich dir die Chance geboten.« Ich nickte wieder. Aydor stand auf und kletterte vorsichtig auf seinen Thron zurück, den er behandelte, als wäre er ein widerspenstiges Reittier, das sich jederzeit aufbäumen und ihn bäuchlings zu Boden schleudern könnte. Nachdem er schließlich wieder saß, starrte er mich eine lange Zeit an, bevor er sagte: »Ich vergebe dir.«

Ich hätte nicht überraschter sein können, wäre ihm ein Geweih gewachsen und hätte er mich gebeten, eine Runde im Zelt auf ihm zu reiten.

»Wie bitte?«

»Ich habe jetzt ein Kind, Girton Klumpfuß.« Er versuchte zu lächeln, aber es war, als würde ihm der Gedanke an sein Kind ebenso große Schmerzen wie Freude bereiten. »Eine Tochter. Sie heißt Hessely, und gewiss hast du niemals ein Kind erblickt, das so golden und wunderschön ist wie sie.« Sein Lächeln wurde breiter, und er sah mich schon längst nicht mehr an, sein Blick ruhte auf einem Punkt weit außerhalb des Zelts.

»Glückwunsch …«, sagte ich, verwirrt und unfähig, den Mann vor mir mit dem boshaften Jungen unter einen Hut zu bringen, den ich fünf Jahre zuvor kennengelernt hatte.

»Sie haben sie mir natürlich weggenommen.« Er starrte zu Boden und hob dann den Kopf. Sein Blick bohrte sich in meinen, seine blauen Augen waren klar wie Eis. »Ich habe meine Mutter mit sieben Jahren zum ersten Mal getroffen, Girton, wusstest du das? Mit sieben. Davor kannte ich niemand anderen als meine Amme. Das Erste, was Mutter getan hat, als sie mich sah, war nicht, mich in den Arm zu nehmen oder auch nur mit mir zu sprechen. Sie entriss mir mein Lieblingsspielzeug. Sie war eine vollkommen Fremde, die mir mein Spielzeug wegnahm und mir ein Schwert in die Hand drückte. ›Könige haben keine Stoffreittiere‹, sagte sie.« Aydor schüttelte den Kopf. »Sein Name, der von meinem Kuscheltier, war Dorlay. Sie hat es verbrannt und mich gezwungen, dabei zuzusehen. Meinte, es würde mich abhärten. Meinte, Könige müssten hart sein.«

»Sie war eine strenge Frau.«

»Sie war eine grausame Frau!«, rief er, erhob sich und wischte seinen Kelch mit behandschuhter Hand von dem Tisch neben seinem Thron. Dann fuhr er leiser fort: »Und wenn wir ganz ehrlich sind, ist das Müde Land nun, da sie tot ist und ich meilenweit vom Thron entfernt, wahrscheinlich besser dran. Dennoch habe ich sie geliebt.« Flüchtig berührte seine Hand die Narbe auf seinem Gesicht, die sie ihm bei­gebracht hatte, und glitt dann zum Heft seines Dolchs. Mein Blick huschte zu den Waffen, die vor mir lagen.

»Ich kann gut verstehen, dass du Vergeltung wünschst«, erwiderte ich. Er starrte mich an, als wäre ich ein Wahnsinniger, dann zuckte er mit den Schultern, was ein Quietschen von Leder unter seiner Rüstung hervorbrachte.

»Ich habe dir von Hessely erzählt«, flüsterte er und beugte sich leicht schwankend vor, während er seinen verbeulten Kelch aufhob. »Meine Hessely … ihre Mutter hat mich gehasst. Sie ist bei der Geburt gestorben, und die Amme hat mir über ihren Leichnam hinweg verkündet, dass ich eine Tochter habe. Sie wirkte verängstigt, die Amme, klein und verängstigt, als sie mir den winzigen, blutbesudelten Körper hinhielt und sich fast dafür entschuldigt hätte, dass es kein Junge war.« Er füllte seinen Becher von einem Fass Birnenmost auf der anderen Seite seines Throns auf. »Doch als ich Hessely gehalten habe, als ihre Haut meine Haut berührt hat …« Seine Stimme verhallte wieder, dann trank er einen Schluck. »Da hat sich alles verändert. Nichts anderes war mehr von Bedeutung. Politische Intrigen? Schlachten? Der Thron? Das waren alles die Träume meiner Mutter gewesen, alles ihre Wünsche und Sehnsüchte, aber doch nicht meine. Anschließend war es der Priester Neander, der mich zu mehr Macht verleitet hat.« Bei der Erwähnung des Priesters spitzte ich leicht die Ohren. Er war der Schatten gewesen, der hinter so viel in Maniyadoc gesteckt hatte, einschließlich des Todes meiner Geliebten, und die Gedanken an Rache hatten mich durch schwere Zeiten und lange, kalte Nächte getragen.

»Neander ist hier?«

Aydor starrte mich an, als wäre ich ein Idiot, und schüttelte den Kopf.

»Ich habe erkannt, dass mir nichts weiter wichtig war, als für Hesselys Sicherheit zu sorgen, und von dem Augenblick an, in dem ich sie in den Armen gehalten habe, gab es für mich keinen anderen Gedanken. Ist das nicht sonderbar? Sie konnte nicht sprechen, nicht einmal lächeln. Aber …« Seine Stimme verlor sich, und eine Träne rann ihm die Wange hinab.

»Warum erzählst du mir all das, Aydor?«

»Ich möchte, dass du mich verstehst.« Vor Verwirrung legte sich seine Stirn wieder in Falten. »Du musst unbedingt verstehen. Ich habe nämlich ein paar sehr schlechte Entscheidungen getroffen, Girton Klumpfuß, und ich kann sie nicht wieder gutmachen, zumindest nicht allein.«

»Und das hat mit deiner Tochter zu tun?«, sagte ich zögernd. »Du meintest, sie hätten deine Tochter, aber … wer sind sie?« Er runzelte die Stirn, als wäre mir das Offensichtliche entgangen. »Tomas und Neander natürlich.«

Mit einem Mal verstand ich, worauf das alles hier abzielte.

»Du möchtest wohl, dass ich dir deine Tochter zurückbringe?«

Aydor starrte mich an.

»Bei allen Gelblingen, nein! Sie ist in Sicherheit. In ihr fließt das Blut von Königen, und sie wollen, dass sie Tomas’ Sohn Diron heiratet. Und außerdem beschützt Celot sie.«

»Celot hat dich verlassen?« Das schien mir unmöglich. Der Herzgardist war Aydor auf seine eigene kindliche Art bis aufs Blut ergeben.

»Celot? Mich verlassen? Nein, ich habe ihn zu ihr geschickt, damit er sie vor allem Übel bewahrt. Falls das irgendjemandem gelingen sollte, dann ihm.« Er setzte sich wieder, und nun legte sich Traurigkeit auf sein gezeichnetes Gesicht. »Einmal habe ich ihn weggeschickt. Ich habe ihn einen Narren genannt, verstehst du? Ich habe ihn als Narren beschimpft und ihn wegeschickt.«

»Um Hessely zu beschützen.«

»Nein, schon davor. Natürlich bin ich selbst der Narr gewesen. Ich bin ein solcher Narr gewesen. Glücklicherweise hat Celot mich nicht verlassen. Er hat sich im Wald vor dem Lager versteckt, und als Neander entschied, dass ich sterben sollte, war Celot da. Und kämpfte wie ein Gott. Er hat mich gerettet.«

»Warum wollte Neander deinen Tod?« In seinem alkoholgeschwängerten Lallen sprang Aydor von einem Thema zum nächsten, und es fiel mir schwer, seiner Geschichte zu folgen.

»Warte«, sagte er. Hastig schüttete er seinen Kelch auf den Boden aus und ging zur Wassertonne auf der anderen Seite des Zelts. Er füllte seinen Becher wieder auf und trank den Inhalt in einem Zug, und dann wiederholte er es noch mehrmals. Sobald er seinen Durst gestillt hatte, steckte er den Kopf in das kalte Wasser. Als er wieder auftauchte, strömte ihm das Wasser von den klatschnassen, verfilzten Haarsträhnen an der Rüstung hinab, doch seine Augen leuchteten ein wenig kla­rer. Er blickte zu den Wachen hinüber. »Ihr könnt gehen.« Als sie zögerten, brüllte er: »Haut ab!« Er beobachtete, wie sie aus dem Zelt huschten, dann kehrte er zu seinem Thron zurück und füllte seinen Kelch mit Birnenmost, bevor er ein leises Geräusch von sich gab, das ebenso gut ein Lachen wie ein Husten hätte sein können. »So viele Male habe ich mir ausgemalt, wie du vor mir stehst, hm? All die Dinge, die ich dir antun wollte. Und jetzt, wo du tatsächlich hier bist, möchte ich nichts weiter, als dich um Hilfe zu bitten. Wenn nötig, werde ich dich anflehen.«

»Warum, Aydor?«

Er hob seinen Kelch und starrte auf die Jagdszenen, die kunstvoll in das Gold ziseliert waren.

»Nach Hesselys Geburt, Girton, habe ich verstanden, dass es falsch war. Einfach alles. Die Art, wie ich erzogen worden bin, die Gier nach Macht. Diese ständigen Kriege. Alles falsch. Ich wollte, dass es aufhört. Ich habe es Neander erklärt, und wir haben uns mit Tomas getroffen, um ein Bündnis zu besprechen, das Rufra und dem Krieg ein Ende setzen sollte.«

»Aber?«

»Neander sollte sich auch mit Rufra treffen. Das wollte er aber nicht. Ich habe ihn gedrängt. Irgendwann, glaube ich, ist ihm klargeworden, dass seinem Streben nach Macht eher mit Tomas als mit mir gedient wäre.«

»Was ist mit Neanders Zauberern?« Ich flüsterte die Worte, unsicher, wer von der Verschwörung wusste, die Aydors Mutter zu Fall gebracht hatte.

»Er hat mir versichert, sie seien tot.«

»Und du hast ihm geglaubt.«

»Girton«, seufzte er, »vor Hesselys Geburt habe ich keine Sekunde an ihm gezweifelt. Aber nach ihrer Geburt habe ich kein einziges Wort mehr von dem geglaubt, was er sagte. Ein Graben ist zwischen uns ge­­wachsen, und als ich darauf beharrt habe, Rufra zu treffen, muss das wohl der Tropfen gewesen sein, der das Fass zum Überlaufen brachte. Wäre Celot mir nicht so treu ergeben wie ein Jagdhund, wäre ich jetzt tot und Neander könnte ungehindert mit seinen Plänen fortfahren.« Er stellte seinen Kelch ab. »Aber ich bin nicht tot.«

»Warum wolltest du dich mit Rufra treffen? Du hasst ihn doch.«

»Ja. Das stimmt. Vielleicht habe ich etwas in ihm gesehen, das ich selber niemals sein könnte, und das war der Grund, weshalb ich diese abgrundtiefe Verachtung für ihn empfunden habe.« Er nahm wieder seinen Kelch und lachte leise in sich hinein. »Manchmal erkennt man die Wahrheit leider erst im Nachhinein.« Er starrte zu Boden, und dann hoben und senkten sich seine riesigen Schultern bei jedem Atemzug. Als er wieder zu sprechen ansetzte, war seine Stimme ein leises Flüstern. »Jeder kann König sein, Girton, einfach jeder. Und jeder kann Anhänger um sich scharen, wenn man das nötige Geld und genügend Macht besitzt, aber es gibt nur wenige Menschen, denen Truppen tatsächlich folgen wollen.« Er blickte auf, ich sah die feuchten Lippen über seinen wenigen verbliebenen Zähnen. »Ich habe Rufra in ganz Maniyadoc bekämpft.« Er sog an seinen Lippen. »Manchmal habe ich sogar gewonnen.« Aydor lehnte sich in seinem Thron zurück und trank einen Schluck aus seinem Kelch, bevor er ein Lachen ausstieß. »Meistens habe ich allerdings verloren.« Er beugte sich vor. »Ich habe selbst verloren, wenn ich eigentlich hätte gewinnen müssen, Girton. Seine Leute haben mit einer Entschlossenheit gekämpft, die den meinen fehlte, und Rufra war immer da, wenn ich verloren habe, immer mitten drin, immer.«

»Und du?«

»Ich habe von meinem Reittier aus zugesehen. Viel zu kostbar, um mein Leben aufs Spiel zu setzen, wie Neander sich gerne auszudrücken pflegte. Ich habe natürlich gekämpft – ich habe meine Kavallerie angeführt –, aber Rufra hat hauptsächlich im Schildwall gestanden.«

»Er ist schon immer leichtsinnig gewesen.«

»Verrückt, hat Neander gesagt, an der Seite der Dankbaren zu kämpfen, doch wenn er dabei war, kämpften diese Dankbaren wie königliche Reiter.« Er nahm einen weiteren Schluck. »Wie Reiter! Er hat sie inspiriert, verstehst du? Selbst wenn wir ihnen zahlenmäßig überlegen waren, hat das nichts bedeutet. Also dachte ich, ich sollte ebenfalls versuchen, Seite an Seite mit den Gewöhnlichen zu kämpfen. Aber Neander hat mir nicht erlaubt, im Schildwall zu stehen, gleichgültig wie sehr ich es versucht habe, ihn zu überzeugen. Eines Tages hat er mir immerhin gestattet, eine Patrouille anzuführen, eine Patrouille aus Gewöhnlichen natürlich, aus Männern und Frauen – in unserer Armee gab es keine Dankbaren.«

»Wie ist es ausgegangen? Schlecht?« Ich konnte ein höhnisches Feixen nicht unterdrücken. Ich konnte mir bildlich vorstellen, wie der selbstherrliche, arrogante Thronerbe, den ich gekannt hatte, seine Truppen gegen sich aufbrachte.

»Ja, es ist schlecht ausgegangen, aber nicht auf die Art, die du dir vorstellen magst.«

»Hast du viele in den Tod geführt?«

Er zeigte mit der Hand, die sein Getränk hielt, lässig auf mich, als hätte ich nichts gesagt. »Ich mochte die Truppen. Bin gut mit ihnen ausgekommen. Hatte zehn bei mir, gute Männer und Frauen. Aber …« Er ließ das Wort verhallen und starrte in die Luft. Draußen hörte ich ein Reittier wiehern und das Gelächter von Männern und Frauen.

»Aber?«

»Ich habe die Karte falsch gelesen, hatte solchen Dingen im Unterricht wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Welcher König muss schon Karten lesen können, hm?« Er nahm einen weiteren Schluck. »Wir haben uns verlaufen, sind in die falsche Richtung marschiert. Zu nah an Rufras Frontlinien gekommen. Als ich meinen Fehler endlich bemerkt hatte, war es längst zu spät. Er hatte uns bereits.«

»Rufra?«

»Höchstpersönlich, ja. Hat uns in einem Tal aufgelauert. Mein Herz setzt immer noch aus bei der Erinnerung an ihn auf diesem ausgemergelten weißen Reittier.« Aydor blinzelte mich an, als bereitete es ihm Schwierigkeiten, mich deutlich zu erkennen – es mochte am Alkohol liegen, doch sein Augenlicht war schon immer schlecht gewesen. »Er hatte zwanzig dieser verfluchten berittenen Bogenschützen bei sich. Auf dem anderen Hügel vierzig Mann schwere Kavallerie, und da war ich, mit zehn Soldaten, allesamt zu Fuß. Nun, Aydor, dachte ich bei mir, das war’s. Deine Zeit ist abgelaufen und du wirst deine Tochter nie wiedersehen, aber weißt du was?« Er trank einen weiteren Schluck, verschüttete die Hälfte auf seiner Rüstung. »Ein Teil von mir war froh, dass das Kämpfen nun ein Ende hatte. Ich hatte den Krieg satt.«

»Aber er hat dich nicht getötet.«

»Nein.« Aydor schüttelte den feuchten Kopf. »Hat er nicht. Tomas hätte es getan. Tomas hätte gelacht und seine schwere Kavallerie auf mich gehetzt. Wahrscheinlich hätte er mich gefangen genommen, um mich höchstpersönlich hinzurichten.«

»Aber nicht Rufra.«

»Nein.« Er stellte seinen Kelch ab. »Nicht Rufra. Weißt du, was er getan hat, Girton?« Ich zuckte mit den Schultern, auch wenn ich es mir gut vorstellen konnte. »Er hat sein Schwert gezückt und vor mir salutiert. Er hat vor mir salutiert, und dann hat er seine Kavallerie weggeschickt, damit wir an unsere Frontlinie zurückkehren konnten. Er hätte mich dort umbringen können – hat er aber nicht. Seine Ehre wäre nicht einmal angekratzt gewesen. Er hatte seinen Feind auf dem Schlachtfeld getroffen, er hätte mich nur in ein Scharmützel verwickeln müssen.«

»Rufra kümmert sich nicht um Ehre«, erwiderte ich, »es interessiert ihn nur, was …«

»Was das Richtige ist.« Aydor nickte bedächtig. »Es interessiert ihn nur, was das Richtige ist.« Er hob den Kopf und strich sich den strähnigen Pony aus der Stirn, damit ich seine Augen sehen konnte. »Als ich zurück in mein Lager marschiert bin, dachte ich mir im Stillen: ›Einem solchen Mann könnte ich dienen.‹ Was für eine Art Gedanke ist das … für einen König, hm?« Er lachte leise in sich hinein. »Doch der Gedanke ließ mich nicht mehr los. Das war übrigens lange, bevor mir Neander meine Hessely weggenommen hat. Vielleicht war das der Augenblick, als der Riss zwischen uns einsetzte. Keine Ahnung. Aber ich konnte diesen Gedanken nicht mehr abschütteln. Auf einmal erkannte ich, dass ich mein ganzes Leben lang nichts weiter getan hatte, als zu gehorchen, von dem Augenblick an, als meine Mutter Dorlay verbrannt hatte. Habe getan, was meine Mutter in der Burg von mir wollte, dann an­schließend das, was Neander von mir verlangt hat. Bei den toten Göttern, Girton!« Er lehnte sich in seinem Thron zurück. »Ich würde einen schrecklichen König abgeben, einfach schrecklich. Aber das wissen wir beide ja ohnehin.« Dann starrte er mich an, seine Augen scharf wie die einer fliegenden Eidechse. »Ich möchte, dass du für mich zu Rufra gehst und …«

»Ein Bündnis anbiete?« Ich schnaubte höhnisch. »Von dir? Das würde er niemals akzeptieren.«

Aydor starrte mich eine Weile an. Seine Hand tastete scheinbar wie von selbst nach seinem Kelch. Der Thronfolger hob das Getränk hoch und blickte es dann an, als wäre er überrascht von dem, was er sah. Hastig stellte er den Kelch wieder ab.

»Girton«, sagte er leise, »ich glaube, wir beide kennen Rufra besser.«

Er hatte recht: Ich kannte Rufra gut genug. Er war ein Idealist. Wenn er glaubte, ein Bündnis könnte den Krieg verkürzen, würde er seinen eigenen Hass auf Aydor beiseiteschieben. Zumindest der Rufra, den ich gekannt hatte, würde das tun, und angesichts seiner Taten auf dem Schlachtfeld schien er sich nicht besonders verändert zu haben. Ich blickte weg.

Aydor kicherte. »Ich bin kein Narr, Girton. Rufras Dreiecksrat würde mich niemals akzeptieren, allein aufgrund meiner Worte nicht. Das ist der Grund, weshalb ich dir all das erzähle – über meine Tochter, über meine Schwäche. Aber da gibt es noch etwas. Etwas, das er unbedingt erfahren muss, egal ob sein Rat mich nun aufnimmt oder nicht.«

»Und das wäre?«

»Genau deshalb bin ich froh, dich gefunden zu haben, Girton Klumpfuß.« Er lehnte sich vor. »Du deckst Geheimnisse auf und siehst mehr als andere. Es gibt ein Rätsel in Rufras Lager, das gelöst werden muss.«

»Welches?«