Die Reisegesellschaft - Elizabeth von Arnim - E-Book

Die Reisegesellschaft E-Book

Elizabeth von Arnim

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Beschreibung

Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen – und sein blaues Wunder erleben. So ergeht es auch Baron Otto von Ottringel, als er seine anstehende Silberhochzeit mit einer Auslandsreise zelebriert. Dass er die fünfundzwanzig Ehejahre nicht mit seiner derzeitigen Angetrauten verbracht hat, ist für ihn dabei ebenso unerheblich wie das stramme Budget der Reisekasse – im Hause des Barons herrscht schließlich eiserne Sparsamkeit. Da kommt die Einladung, das englische Sussex kostengünstig mit Pferd und Wohnwagen zu erkunden, wie gerufen. Was Ottringel hier jedoch erlebt, erscheint ihm unerhört! Dünkelhaft, borniert, demokratie- und frauenfeindlich mokiert er sich über nahezu alles, was ihm vor den Wagen kommt. Und tappt dabei so selbst- wie trittsicher in jedes noch so kleine Fettnäpfchen …
Mit Otto von Ottringel erschuf Elizabeth von Arnim ein Prachtexemplar des male chauvinism der Jahrhundertwende – und sorgt mit ihrem zeitlosen Humor und ihrer schonungslosen Ironie noch heute für beste Unterhaltung.

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Seitenzahl: 449

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen – und sein blaues Wunder erleben. So ergeht es auch Baron Otto von Ottringel, als er seine anstehende Silberhochzeit mit einer Auslandsreise zelebriert. Daß er die fünfundzwanzig Ehejahre nicht mit seiner derzeitigen Angetrauten verbracht hat, ist für ihn dabei ebenso unerheblich wie das stramme Budget der Reisekasse – im Hause des Barons herrscht schließlich eiserne Sparsamkeit. Da kommt die Einladung, das englische Sussex kostengünstig mit Pferd und Wohnwagen zu erkunden, wie gerufen. Was Ottringel hier jedoch erlebt, erscheint ihm unerhört! Dünkelhaft, borniert, demokratie- und frauenfeindlich mokiert er sich über nahezu alles, was ihm vor den Wagen kommt. Und tappt dabei so selbst- wie trittsicher in jedes noch so kleine Fettnäpfchen …

Mit Otto von Ottringel erschuf Elizabeth von Arnim ein Prachtexemplar des male chauvinism der Jahrhundertwende – und sorgt mit ihrem zeitlosen Humor und ihrer schonungslosen Ironie noch heute für beste Unterhaltung.

Elizabeth von Arnim, 1866 als Mary Anette Beauchamp in Australien geboren, wuchs in England auf. Sie heiratete in die preußische Familie von Arnim und verbrachte einige Jahre auf dem pommerschen Gut Nassenheide, wo ihr erster Roman Elizabeth und ihr Garten (1898) entstand. Ihm folgten 21 weitere Romane und eine zweite Ehe. Sie starb 1941 in den USA.

Elizabeth von Arnim

Die Reisegesellschaft

Roman

Aus dem Englischen von Angelika Beck

Insel Verlag

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel The Caravaners erstmals 1909 in London.

eBook Insel Verlag Berlin 2016

Der vorliegende Text folgt der 1. Auflage der Ausgabe des insel taschenbuchs 4466.

© der deutschen Übersetzung Insel Verlag Frankfurt am Main und Leipzig 1994

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags sowie

der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.

Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

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Umschlagabbildung: Henry George Gawthorn/Corbis

Umschlaggestaltung: hißmann, heilmann, hamburg

eISBN 978-3-458-74413-9

www.insel-verlag.de

I

Im Juni dieses Jahres gab es ein paar schöne Tage, und wir meinten, der Sommer sei nun endlich gekommen. Das hatte zur Folge, daß es uns in unserer Wohnung (eine wirklich sehr hübsch geschnittene Eckwohnung im zweiten Stock mit Blick auf den Friedhof und überhaupt nicht stickig) schließlich doch etwas langweilig wurde und uns eine gewisse Sehnsucht nach ländlicher Umgebung erfaßte. Es war das Jahr unseres fünften Hochzeitstages, und da wir beschlossen hatten, diesen Anlaß mit einer Auslandsreise im eigentlichen Ferienmonat August zu begehen, konnten und wollten wir es uns nicht leisten, Geld für Landpartien im Juni auszugeben. Meine Frau schlug daher vor, daß wir ein paar Nachmittage einer Reihe kurzer Ausflüge im Umkreis von sagen wir mal fünf bis zehn Meilen widmen und nacheinander jene unserer Bekannten besuchen sollten, die nahe genug bei Storchwerder leben und ihre Güter bewirtschaften. ›Auf diese Weise‹, sagte sie, ›kriegen wir viel frische Luft für wenig Geld.‹

Nach einer Weile stimmte ich zu. Nicht sofort, natürlich, denn ein vernünftiger Mann wird sich bemühen, die Vorschläge seiner Frau unter jedem Gesichtspunkt zu betrachten, ehe er ihnen zustimmt oder ihr erlaubt, sie zu befolgen. Frauen können nicht logisch denken; sie haben Instinkte, und diese Instinkte würden sie manchmal in Teufels Küche bringen, wären da nicht ihre Ehemänner, die ihnen wie eine Art hilfsbereiter und gewitzter Glühwürmchen, wenn ich mich so ausdrücken darf, auf ihrem Weg leuchten. Was nun diejenigen betrifft, die keine Ehemänner kriegen konnten, die Sitzengebliebenen, das Strandgut ihres Geschlechts gewissermaßen, so kann ich nur sagen, Gott steh’ ihnen bei.

In diesem Fall allerdings war gegen Edelgards Idee nichts einzuwenden; im Gegenteil, es gab viel, was für sie sprach. Wir würden frische Luft schnappen; wir würden verpflegt werden (gut verpflegt, und wenn wir wollten, bis zum Übermaß, aber natürlich wissen wir Maß zu halten); und wir würden nichts dafür bezahlen müssen. Als Major des in Storchwerder stationierten Artillerieregiments bin ich ohnehin verpflichtet, zwei Pferde zu halten (sie werden auf Kosten des Regiments gefüttert), und wie es sich gehört, habe ich einen Mann aus meinem Batallion als Diener und Kutscher in meiner Wohnung, der mich wenig mehr als seinen Unterhalt kostet und der nicht kündigen kann. Also brauchten wir nur noch ein Fahrzeug, und wir konnten uns, wie Edelgard bemerkte, ohne weiteres den offenen Wagen des Obersten für ein paar Nachmittage ausleihen, so daß unsere Ausrüstung komplett war, ohne daß wir einen Pfennig ausgegeben hätten.

Die Güter um Storchwerder sind groß, und als wir sie aufzählten, stellten wir fest, daß fünf Besuche unseren gesamten Bekanntenkreis auf dem Lande abdecken würden. Es wäre wohl noch ein sechster möglich gewesen, aber aus Gründen, mit denen ich vollkommen übereinstimmte, wollte ihn meine liebe Gattin nicht mit einbeziehen. Man muß schließlich auch nein sagen können, und ich halte es durchaus für keine schlechte Definition eines Herrn beziehungsweise einer Dame, wenn er beziehungsweise sie es kann. Ja, Edelgard hatte sogar ihre Zweifel, ob es fünf werden sollten, da ein Mitglied der fünften Familie – in diesem Fall nicht einmal der Gutsbesitzer, sondern der Bruder der verwitweten Gutsherrin, der bei ihr lebt und sich um ihre geschäftlichen Belange kümmert – ein Mensch ist, den keiner von uns beiden besonders schätzt. Nicht nur deshalb, weil er ein politischer Wirrkopf ist, mit einer entschiedenen und bei einem Mann seiner Herkunft schmachvollen Vorliebe, die er nicht einmal zu verbergen versucht, für jene Ansichten, die die Mittelschicht und sozialistisch angehauchte Leute (Gott schütze die Mark Brandenburg) aufgeklärt nennen, sondern auch weil er nicht in der Lage oder willens ist – Edelgard und ich konnten uns nie entscheiden, was nun –, auf seine Schwester aufzupassen. Doch auf die Frau aufzupassen, für die man Verantwortung trägt, ob es sich dabei um die Schwester oder Frau oder Mutter oder Tochter oder auch nur unter gewissen günstigen Bedingungen um die Tante handelt – ein schwieriges Unterfangen zuweilen, wie man an Edelgards Tante Bockhügel sieht, von der vielleicht später noch die Rede sein wird –, ist wirklich ganz einfach. Man muß nur rechtzeitig damit anfangen, wenn man wirklich Fortschritte erzielen möchte, und immer dann besondere Entschiedenheit an den Tag legen, wenn es einem gar nicht danach zumute ist. Es ist so einfach, daß ich, als mir meine Frau an dieser Stelle mein zweites Frühstück, bestehend aus Brot, Speck und Butter, brachte und mich durch einen Blick über meine Schulter unterbrach, lächelnd zu ihr aufschaute, in Gedanken immer noch bei diesem Thema, und die Hand, die den Teller absetzte, ergriff und sagte: »Ist es das etwa nicht, liebe Frau?«

»Ist was nicht?« fragte sie – ziemlich einfältig, fand ich, denn sie hatte meine Aufzeichnungen schließlich ganz gelesen; dann, ohne mir Zeit für eine Antwort zu lassen, sagte sie: »Willst du nun doch nicht die Geschichte unserer Erlebnisse in England niederschreiben, Otto?«

»Doch gewiß«, sagte ich.

»Um sie unseren Verwandten im nächsten Winter reihum auszuleihen?«

»Gewiß.«

»Solltest du dann nicht besser damit anfangen?«

»Liebe Frau«, sagte ich, »das tue ich ja gerade.«

»Dann«, sagte sie, »vergeude die Zeit nicht mit Nebensächlichkeiten.«

Und sie setzte sich in die Fensternische und nahm ihre Arbeit wieder auf, die darin bestand, die Armlöcher meiner Hemden zu vergrößern.

Das, darf ich bemerken, war eine bissige Antwort. Bevor sie nach England ging, war sie niemals bissig. Doch lassen Sie mich fortfahren.

Ich frage mich, was sie mit Nebensächlichkeiten meint. (Ich werde das alles natürlich überarbeiten und vermutlich bestimmte Partien streichen.) Ich frage mich, ob sie meint, ich sollte mit Namen und Adresse beginnen. Das erscheint mir unnötig, denn ich bin natürlich den Leuten in Storchwerder ebensogut bekannt wie der Briefträger. Andererseits ist das mein erster Versuch (was erklärt, warum ich mich immerzu frage, was Edelgard vielleicht dazu meint oder nicht, Anfänger tun gut daran, denke ich, sich in Demut zu üben), wobei, glaube ich, Dichter und Literaten und andere fragwürdige Leute die Muse anrufen. Was für ein Ausdruck! Und ich frage mich, welche Muse. Ich würde gern Edelgard fragen, ob sie – aber nein, das sähe ja fast so aus, als suchte ich ihren Rat, was die geziemende Rollenverteilung zwischen Mann und Frau geradezu umkehren würde. Anstatt einen Weg einzuschlagen, der so leicht ins Verderben führen könnte, wandte ich also den Kopf und sagte seelenruhig:

»Liebe Frau, unsere englischen Erfahrungen fingen ja schließlich mit unseren Besuchen bei den Nachbarn an. Ohne sie hätten wir wahrscheinlich Frau von Eckthum letzten Sommer überhaupt nicht zu Gesicht gekriegt, und wenn wir nicht in Reichweite ihrer Überredungskünste gekommen wären, hätten wir uns auf unserer Silberhochzeitsreise nach Italien oder in die Schweiz begeben, wie wir so oft vorgehabt hatten, und diese verfluchte Insel jenseits des Kanals links liegengelassen.«

Ich wartete einen Moment; und als Edelgard nichts sagte, was sie immer dann tut, wenn sie nicht überzeugt ist, erläuterte ich ihr so geduldig, wie ich ihr gegenüber stets so lange bin, bis aus Geduld Schwäche zu werden droht, den Unterschied zwischen den methodischen und gründlichen Vorgehensweisen der Männer, ihrer Vorliebe, der Sache auf den Grund zu gehen und ganz von vorne anzufangen, und der sprunghaften Art der Frauen, die sich auf eine Sache stürzen und voreilige Schlüsse ziehen, ohne all die wichtigen Stationen auch nur im geringsten zu beachten, über die sie hinwegflogen, als sie sich sozusagen in der Luft befanden.

»Aber wir sind als erste dort«, sagte Edelgard.

Ich zog die Stirn etwas in Falten. Vor ein paar Monaten – das heißt vor unserer Zeit auf britischem Boden – hätte sie mir keine derart schnippische Antwort gegeben. Nie pflegte sie, schnippisch zu antworten, und die Harmonie unseres Ehelebens war daher ungetrübt. Ich glaube, sie sah mein Stirnrunzeln, aber sie nahm keine Notiz davon – auch das war neu an ihrem Verhalten; und so beschloß ich, nachdem ich einen Augenblick gewartet hatte, mit meinem Bericht fortzufahren.

Aber ehe ich ohne weitere Abschweifungen damit weitermache, würde ich doch gern erläutern, warum wir, ein Offizier und seine Frau, die von Natur aus nicht gern Geld ausgeben, einen so kostspieligen Urlaub wie eine Auslandsreise ins Auge gefaßt hatten. Tatsache ist, daß wir schon vor langem beschlossen hatten, im fünften Jahr unserer Eheschließung eine solche zu machen, und zwar aus folgendem Grund. Bevor ich Edelgard heiratete, war ich ein Jahr lang Witwer und davor nicht weniger als zwanzig Jahre verheiratet gewesen. Das klingt, als müsse ich schon sehr alt sein, aber meinen Lesern, die mich ja fortwährend sehen, brauche ich wohl nicht zu sagen, daß ich es nicht bin. Die Augen sind schließlich die untrüglichsten Zeugen; zudem habe ich mit dem Heiraten ungewöhnlich früh angefangen. Meine erste Frau war eine Mecklenburg-Lünewitz, die ältere (und unendlich vornehmere) Linie. Wenn sie noch am Leben gewesen wäre, hätte ich letztes Jahr am ersten August unsere Silberhochzeit gefeiert, und es wären für uns eine Menge Schmausereien und Lustbarkeiten arrangiert worden, und von unseren Verwandten, Freunden und Bekannten hätten wir viele willkommene Geschenke aus Silber bekommen. Das Regiment wäre verpflichtet gewesen, sich erkenntlich zu zeigen, und unsere beiden Dienstboten hätten sich vielleicht zusammengetan und ihre Verehrung in Gestalt eines metallenen Gefäßes zum Ausdruck gebracht. All dies ist mir nun entgangen, und zwar ohne jede eigene Schuld. Ich kann nicht einsehen, warum ich um alle mit einem solchen Jahrestag verbundenen Vorteile gebracht werden sollte, denn war ich etwa nicht, mit einer mir aufgezwungenen Unterbrechung von zwölf Monaten, tatsächlich fünfundzwanzig Jahre verheiratet? Und warum sollte ich, nur weil meine arme Marie-Luise nicht in der Lage war, weiterzuleben, die enorme Zahl von (praktisch) fünfundzwanzig Jahren Ehe erreichen, ohne daß davon die geringste Notiz genommen würde? Lange Zeit hatte ich dies Edelgard klarzumachen versucht, und je näher der Termin rückte, an dem ich bei normalem Verlauf der Dinge eine silberne Ernte in die Scheuer hätte fahren und so auch die Hochschätzung taxieren können, die ich genoß, desto nachdrücklicher wurde ich. Edelgard schien anfangs nicht verstehen zu können, aber sie war sehr gelehrig, und allmählich fand sie die Logik meiner Argumentation unwiderstehlich. Ja, nachdem sie erst einmal den springenden Punkt erfaßt hatte, war sie sogar noch mehr als ich der Meinung, daß zur Feier des Tages etwas getan werden müsse, und sie sah vollkommen ein, daß ich ja nichts dafür konnte, wenn Marie-Luise mich im Stich ließ, und daß zumindest ich meine Schuldigkeit getan hatte und seither ohne Unterbrechung verheiratet war. Von dieser Einsicht zur Empörung, daß unsere Freunde von dem Hochzeitstag wahrscheinlich keine Notiz nehmen würden, war für sie nur ein Schritt; und wir führten zusammen viele Gespräche über das Thema, und zahlreich waren die Vorschläge, die jeder von uns machte, um unsere Freunde zu unserer Sicht der Dinge zu bekehren. Wie sehr sie den Tag auch ignorieren mochten, wir jedenfalls beschlossen endlich, daß wir tun würden, was recht und billig ist, und so planten wir eine Silberhochzeitsreise in das Land, dem Romantik eigentümlich ist, nach Italien. Beginnen sollte sie am 1. August, dem Tag, an dem ich vor fünfundzwanzig Jahren Marie-Luise geheiratet hatte.

Ich bin auf diese Angelegenheit ziemlich ausführlich eingegangen, weil ich denjenigen unserer Verwandten, denen ich diesen Bericht aushändigen werde, genau erklären wollte, warum wir eine im landläufigen Sinne so ausgefallene Reise unternahmen; und da ich dies, wie ich hoffe, hiermit hinreichend getan habe, will ich mit dem Bericht fortfahren.

Wir liehen uns also den Jagdwagen des Obersten; ich schrieb fünf Briefe, in denen ich unseren Besuch ankündigte und fragte (eine bloße Formalität selbstverständlich), ob er genehm sei; die Antwortschreiben trafen ein und versicherten uns in allen Tönen gesitteter Begeisterung, daß er es sei; ich zog meine Paradeuniform an; Edelgard legte ihren neuen Sommerstaat an; wir gaben Clothilde, unserer Köchin, genaue Anweisungen, und halfen ihr, sie zu befolgen, indem wir alles wegsperrten; und in Ferienlaune brachen wir auf, kutschiert von meinem braven Hermann und begafft von der ganzen Straße.

In jedem Haus wurden wir mit geziemender Gastfreundschaft aufgenommen. Es handelte sich sämtlich um Familien unseres Standes, Mitglieder jener tapferen, gottesfürchtigen und edlen Schar, die die besten Traditionen des Vaterlandes aufrechterhält und sich im Geiste, wenn auch (aufgrund der Umstände) nicht leibhaftig, wie eine schützende Phalanx um den Thron unseres Kaisers versammelt. Zuerst bekamen wir immer Kaffee und Kuchen und eine Auswahl belegter Brötchen vorgesetzt (in einem der Häuser gab es keine belegten Brötchen, nur Kuchen, und wir besprachen diese unbegreifliche Unterlassung während der Heimfahrt); dann wurde ich vom Gastgeber entführt, um mir die Schweine anzuschauen oder die Kühe oder was immer zufällig sein besonderer Stolz war, aber in vier von fünf Fällen waren es Schweine, und während meiner Abwesenheit saß Edelgard auf dem Rasen oder der Terrasse oder wo immer die Familie gewöhnlich saß (nur eine verfügte über eine Terrasse), und konversierte über Dinge, die das Weibervolk interessierten, wie zum Beispiel über Clothilde und Hermann, und ich weiß nicht, was; dann, nachdem ich das Thema »Schweine« erschöpfend behandelt und dieses wiederum mich völlig erschöpft hatte, denn freilich kann man von einem preußischen Offizier im aktiven Dienst nicht erwarten, daß er sich für diese Geschöpfe – zumindest solange sie noch nicht zubereitet sind– ebenso interessiert wie ein Mann, der ihnen sein Leben widmet, gesellten wir uns wieder zu den Damen und schlenderten, mit Rücksicht auf unsere Zuhörerinnen anspruchslosere Gesprächsthemen aufgreifend, durch die Gartenanlagen und bemühten uns nach Kräften, mit unseren Taschentüchern die Stechmücken zu vertreiben, bis wir zum Abendessen gerufen wurden; und nach dem Abendessen, das gewöhnlich aus einem ausgezeichneten warmen und einer Reihe kalter Gerichte bestand, denen Bouillon in Tassen voranging und einige erlesene Süßigkeiten nebst schönem Obst folgten (außer bei Frau von Eckthum, unserer hiesigen Witwe, wo es ein regelrechtes Dinner mit sechs oder sieben Gängen gab, da sie das ist, was man als hypermodern bezeichnet, und ihre Schwester einen Engländer geheiratet hat), nach dem Abendessen, wie gesagt, nachdem wir eine Weile rauchend auf dem Rasen oder der Terrasse gesessen, Kaffee und Liköre getrunken und uns insgeheim beglückwünscht hatten, in unserer Stadt nicht mit so vielen und so hungrigen Stechmücken zusammenleben zu müssen, verabschiedeten wir uns und fuhren nach Storchwerder zurück, stets erholt und manchmal auch gutgelaunt.

Der letzte dieser Besuche galt Frau von Eckthum und ihrem Bruder Graf Flitz von Flitzburg. Da dieser, wie man weiß, unverheiratet ist, lebt er bei ihr und kümmert sich um den vom verstorbenen Eckthum hinterlassenen Besitz, wodurch er in Schuhe schlüpfte, die so bequem sind, daß man sie wohl treffender als Pantoffeln bezeichnen darf. Bis dahin war alles gutgegangen, und erst viel später wurde mir bewußt, daß auch das nicht gutgegangen war: denn erst im Rückblick sehen wir die Strecke, die wir hinter uns haben, und wie uns die Straße, die zuerst so vielversprechend wirkte, ehe wir uns versahen, in eine Wüstenei voller Steine führte. Während unserer ersten vier Besuche hatten wir natürlich über unseren Plan gesprochen, im August eine Reise nach Italien zu machen. Unsere Freunde, offensichtlich überrascht, und mit einem Gesichtsausdruck, der von Erbschaftsüberlegungen herrühren mochte, zollten anfangs begeistert Beifall und wiesen uns sodann darauf hin, daß es dort heiß sein werde. Der August, sagten sie, sei ein unmöglicher Monat in Italien: wo wir auch hingingen, wir würden keinem einzigen Deutschen begegnen. Das war uns noch gar nicht in den Sinn gekommen, und nach unserer ersten Enttäuschung hörten wir uns bereitwillig ihren Rat an, lieber die Schweiz zu wählen mit ihren erstklassigen Hotels und den dort massenhaft anzutreffenden Landsleuten. Mehrmals versuchten wir im Verlauf dieser Gespräche darauf hinzuweisen, daß es sich bei der Reise um eine Art Flitterwochen handele, aber man begegnete uns mit so viel – den starken Verdacht hatte ich jedenfalls – mutwilliger Beschränktheit, daß wir zu unserer Enttäuschung die Vergeblichkeit unseres Bemühens allmählich einsehen mußten. Wenn sie uns schon aufgrund der ungewöhnlichen Umstände keine anständigen Rauchgarnituren schenken wollten, meinte Edelgard, so könnten sie doch wenigstens auf den Gedanken kommen, zusammenzulegen und die Kosten der Hochzeitsreise solch ehrenwerter Silberflitterwöchner zu tragen; aber ich glaube nicht, daß sie zu irgendeinem Zeitpunkt auch nur die geringste Absicht hatten, überhaupt irgend etwas für uns zu tun – im Gegenteil, sie versetzten uns in ziemliche Unruhe durch die Summen, die wir, wie sie erklärten, zu berappen hätten; und als wir während unseres letzten Besuchs (bei Frau von Eckthum) zufällig das viele gute deutsche Geld beklagten, das uns die niederträchtige Schweiz aus den Taschen ziehen würde, sagte sie – Frau von Eckthum –: »Warum kommen Sie nicht nach England?«

In diesem Augenblick war ich innerlich so damit beschäftigt zu tadeln, wie sie sich in dem niedrigen Gartenstuhl zurücklehnte, einen Fuß über den anderen gekreuzt und beide Füße umhüllt von Strümpfen, die man eigentlich nicht als solche bezeichnen konnte, so dünn waren sie, wie gesagt, ich war so beschäftigt damit, daß mir das ungewöhnliche Verb »kommen« nicht sogleich auffiel. »Fahren« wäre natürlich das gebräuchliche und zu erwartende Verb gewesen; aber der Ersatz desselben entging mir, wie gesagt momentan, weil meine Aufmerksamkeit anderweitig in Anspruch genommen war. Nie sah ich derartig kleine Schuhe. Hat eine Frau das Recht, die Aufmerksamkeit so auf ihre Extremitäten zu lenken? So sehr – Frau von Eckthums Hände zogen einen ebenso leicht in ihren Bann –, daß man dem Gespräch einfach nicht mehr folgen konnte? Ich bezweifle das: aber sie ist eine attraktive Dame. Dort saß Edelgard, aufrecht und sittsam, die vollkommene Blume eines strengeren Typs tugendhaften deutschen Frauentums, die Füße schicklich nebeneinander auf das Gras gesetzt und, wie ich wußte, in anständige Wolle gehüllt, mit den flachen Stiefeln der ehrbaren Christin, und ich muß sagen, dieser Typ ist – das heißt, bei der eigenen Frau – vorzuziehen. Ich fragte mich eigentlich, ob Flitz den Gegensatz zwischen den beiden Damen bemerkte. Ich warf einen Blick auf ihn, aber sein Gesicht war, wie gewöhnlich, völlig ausdruckslos. Ich fragte mich, ob er seine Schwester dazu hätte bringen können, sich aufrecht hinzusetzen, wenn er gewollt hätte; und zum hundertsten Mal spürte ich, daß ich den Mann nie richtig würde mögen können, denn vom Gesichtspunkt eines Bruders aus sollte die Schwester zweifellos aufrecht sitzen. Sie ist freilich eine attraktive Dame: nur leider sind ihre Strümpfe so unverschämt dünn.

»England«, hörte ich Edelgard sagen, »ist, glaube ich, nicht der richtige Ort.«

Da fiel mir bewußt auf, daß Frau von Eckthum gesagt hatte »Kommen Sie.«

»Warum nicht?« fragte sie; und ihre schlichte Art, Fragen zu stellen oder sie mit eigenen zu beantworten, ohne sich Zeit zu nehmen, sie in schmückende Worte zu kleiden oder sie mit dem Titel der angesprochenen Person abzurunden, hatte, wie ich weiß, dazu beigetragen, sie in der Storchwerder Gesellschaft unbeliebt zu machen.

»Ich habe gehört«, sagte Edelgard vorsichtig, da sie bestimmt nicht vergaß, daß man zu Gastgebern, deren Schwester einen Engländer geheiratet hatte und noch immer bei ihm lebte, nicht all das sagen konnte, was man eigentlich gern gesagt hätte, »ich habe gehört, daß man nicht gerade dort hinfährt, wenn es einem um Landschaft geht.«

»Oh?« sagte Frau von Eckthum. Dann fügte sie – geistreich, wie ich fand – hinzu: »Aber Landschaft gibt es überall.«

»Edelgard meint erhabene Landschaft«, sagte ich sanft, denn beide hielten wir gerade Tassen mit Eckthumschem Tee (das war das einzige Haus, in dem man uns Tee vorsetzte anstatt unseres aromatischen und weitaus sättigenderen Nationalgetränks) in den Händen hielten, und ich war stets der Meinung, daß man den Leuten um den Bart gehen sollte, deren Gastfreundschaft man zufällig gerade genoß – »Oder ertrug«, sagte Edelgard gewitzt, als ich auf unserer Heimfahrt die Rede darauf brachte.

»Oder erträgt«, stimmte ich nach einer kurzen Pause zu, genötigt von der Überlegung einzusehen, daß es nicht wahre Gastfreundschaft ist, wenn man seine Besucher dazu zwingt, ohne ihren gewohnten Kaffee zu gehen, indem man das unwürdige und barbarische Mittel anwendet, ihn nicht auftauchen zu lassen. Aber das war natürlich Flitz. Er benimmt sich, finde ich, allzusehr, als gehöre das Anwesen ihm.

Flitz, der England gut kennt, da er etliche Jahre dort an unserer Botschaft verbracht hat, sagte, es sei das wundervollste Land der Welt. Der unpatriotische Geist, der in dieser Behauptung steckte, veranlaßte Edelgard und mich, Blicke zu tauschen, und zweifellos dachte sie ebenso wie ich, daß es ein trauriger und schlimmer Tag für Preußen wäre, wenn viele seiner Besten Schwestern hätten, die fehlgeleitete Ehen mit Ausländern eingingen, ist doch der ausländische Schwager so oft das dünne Ende jenes Keils, an dessen anderem uns das Recht abgesprochen wird, als vom Allmächtigen auserwähltes Volk den ersten Platz unter den Nationen einzunehmen; und der glorreiche Mörtel aus Blut und Eisen, mittels dessen wir uns dort zu behaupten gedenken, wird von solchen Leuten (wie ich mit eigenen Ohren bei einer Versammlung gehört habe), auf geradezu schändliche Weise verächtlich gemacht.

»Aber ich habe dabei vor allem an das gedacht«, sagte Frau von Eckthum, den Kopf in die Kissen zurückgelegt und die Augen gedankenverloren auf die Sommerwolken geheftet, die über unseren Köpfen dahinzogen, »was Sie über die Reisekosten sagten.«

»Liebe gnädige Frau«, sagte ich, »von allen, die selbst dort waren, habe ich gehört, daß Reisen in England der teuerste Urlaub ist, den man sich vorstellen kann. Die Hotels sind ebenso baufällig wie schlecht, die Mahlzeiten ebenso ungenießbar wie teuer, die Taxen kosten ein Vermögen, und die Einwohner sind ungehobelt.«

Ich sprach hitzig, weil ich (zu Recht) erregt war wegen Flitzens unpatriotischer Haltung, aber es war eine gedämpfte Hitzigkeit, zurückzuführen auf die unbestreitbare (Storchwerder kann es nicht leugnen) äußere Attraktivität unserer Gastgeberin. Warum sind nicht alle Frauen attraktiv? Unser Geschlecht bestünde nur noch aus wahren Lämmern, wenn sie es wären.

»Lieber Baron«, sagte sie mit ihrer sanften Stimme, »kommen Sie doch her und sehen Sie selbst. Ich würde Sie wirklich gern bekehren. Schauen Sie sich das hier an –«, sie hob ein paar Zeitungen vom Gras neben ihrem Stuhl auf, breitete sie aus und zeigte mir eine Abbildung, »finden Sie das nicht hübsch? Und wenn Sie sparen möchten, er kostet nur vierzehn Pfund für den ganzen Monat.«

Die Abbildung, die sie mir hinhielt, hatte starke Ähnlichkeit mit den Zigeunerkarren, die von unserer örtlichen Polizei dauernd (und sehr zu Recht) irgendwo anders hingeschickt werden; vielleicht ein bißchen weniger geschmacklos, etwas breiter und solider, aber unzweifelhaft sehr verwandt damit.

»Es ist ein Wohnwagen«, sagte Frau von Eckthum zur Antwort auf die Frage, die aus meinen Augenbrauen sprach; und sie drehte das Blatt herum und zeigte mir ein anderes Bild, das das Innere desselben Fahrzeugs darstellte.

Edelgard stand auf und guckte mir über die Schulter.

Was wir da sahen, war wirklich sehr nett. Edelgard sagte das sofort. Es gab darin geblümte Vorhänge und ein Brett mit Büchern und einen bequemen Stuhl mit einem Kissen neben einem großen Fenster, und am Ende zwei hübsche Betten, die wie in einem Schiff übereinander standen.

»Mit einem solchen Ding«, sagte Frau von Eckthum, »ist man mit einem Mal Hotels, Kellner und Kosten los. Es kostet für zwei Personen vierzehn Pfund für einen ganzen Monat, und alle Ihre Tage verbringen Sie in der Sonne.«

Sodann erläuterte sie ihren Plan, der darin bestand, eines dieser Fahrzeuge für den Monat August zu mieten und während dieser Zeit ein völlig freies bohemienhaftes Leben zu führen, über die englischen Feldwege zu ziehen, die sie als blütenbesetzt beschrieb, und für die Nacht an einer abgelegenen Stelle in der Nähe eines Bächleins anzuhalten, von dessen leisen Plätschern, wie Edelgard, die immer schon zur Gefühlsduselei neigte, meinte, sie wahrscheinlich in den Schlaf gelullt werde.

»Kommen Sie doch auch«, sagte sie und lächelte zu uns empor, als wir ihr über die Schulter blickten.

»Vierzehn Pfund sind zweihundertachtzig Mark«, sagte ich, indem ich Kopfrechnungen anstellte.

»Für zwei Leute«, sagte Edelgard, die offensichtlich dasselbe tat.

»Keine Hotels«, sagte unsere Gastgeberin.

»Keine Hotels«, wiederholte Edelgard wie ein Echo.

»Nur liebliche grüne Felder«, sagte unsere Gastgeberin.

»Und keine Kellner«, sagte Edelgard.

»Ja, keine gräßlichen Kellner«, sagte unsere Gastgeberin.

»Kellner sind so teuer«, sagte Edelgard.

»Sie würden keinen einzigen zu Gesicht bekommen«, sagte unsere Gastgeberin. »Nur ein niedliches Kind in einer sauberen Schürze von einem Bauernhof, das Eier und Rahm bringt. Und Sie fahren die ganze Zeit über umher und erleben das Land auf eine Weise, wie Sie es nie erleben würden, wenn sie mit dem Zug von Ort zu Ort führen.«

»Aber«, sagte ich gewitzt, »wenn wir umherfahren, muß uns doch irgend etwas ziehen oder schieben, und dieses Etwas muß ja ebenso bezahlt werden.«

»O ja, man braucht ein Pferd. Aber bedenken Sie all die Eisenbahnfahrscheine, die Sie nicht kaufen werden, und all die Träger, denen Sie kein Trinkgeld geben werden«, sagte Frau von Eckthum.

Edelgard war unverkennbar beeindruckt. Ja, wir beide waren beeindruckt. Wenn die Frage lautete, in England für wenig Geld oder in der Schweiz für viel zu sein, waren wir einmütig der Meinung, daß es besser sei, nach England zu fahren. Und dann dort in einem dieser Fortbewegungsmittel zu reisen, war so ungemein originell, daß wir während der nachfolgenden Winterlustbarkeiten in Storchwerder das lebhafteste Interesse auf uns ziehen würden. »Die von Ottringels sind wirklich der Inbegriff allermodernster Lebensart«, hörten wir bereits unsere Freunde zueinander sagen, und konnten schon vor unserem geistigen Auge sehen, wie sie sich bei Soireen um uns drängen und uns mit Fragen bombardieren würden. Wir stünden dann im Mittelpunkt des Interesses.

»Und denk nur an die Nachtigallen!« rief Edelgard, der urplötzlich diese poetischen Vögel einfielen.

»Im August sind sie wie Deutsche in Italien«, sagte Flitz, dem gegenüber ich den Grund erwähnt hatte, warum wir die Idee, in dieses Land zu reisen, aufgegeben hätten.

»Wie das?« sagte Edelgard und wandte sich ihm mit jener leichten instinktiven inneren Versteifung zu, die jede wirklich tugendhafte deutsche Frau erfaßt, wenn sie zu einem Mann spricht, der nicht mit ihr blutsverwandt ist.

»Sie sind nicht da«, sagte Flitz.

Nun ja, sobald wir zu Hause in unsere Enzyklopädie schauen konnten, wußten wir natürlich so gut wie er, daß sie im August nicht singen, aber ich sehe nicht ein, warum Stadtleute solchen Krimskrams an Information ständig abrufbereit in ihren Köpfen herumtragen sollten. In Storchwerder haben wir den Vogel nicht und sind daher, anders als Flitz, nicht in der Lage, seine Gewohnheiten aus erster Hand zu studieren, aber ich weiß, daß alle Gedichte, die mir untergekommen sind, Nachtigallen erwähnen, ehe sie enden, und infolgedessen blieb der vollkommen natürliche Eindruck in meinem Gedächtnis zurück, daß sie immer irgendwie da sind. Aber Flitzens Ton gefällt mir nicht und wird mir nie gefallen. Zwar habe ich ihn nicht wirklich dabei ertappt, aber man hat instinktiv das Gefühl, daß er über einen lacht; und es gibt verschiedene Arten des Lachens, und nicht alle machen sich auf dem Gesicht bemerkbar. Was die Politik betrifft, so würde, wenn mir nicht als Offizier jegliche Stellungnahme untersagt wäre, und ich mit ihm darüber diskutieren dürfte, bestimmt jede Diskussion in einem Duell enden. Das heißt, wenn er kämpfen würde. Gerade ist mir der entsetzliche Verdacht gekommen, daß er es nicht tun würde. Er gehört zu jenen schrecklichen Leuten, die ihre Feigheit hinter dem Mantel der Philosophie verbergen. Schön, schön, ich merke, ich werde wütend auf einen Mann, der zehn Meilen weg ist, den ich seit Monaten nicht gesehen habe – ich, ein Mann von Welt, in der Stille meiner Wohnung sitzend, umgeben von häuslichen Dingen wie meiner Frau, meinem Hemd und meiner kleinen Mahlzeit aus Brot und Schinken. Ist das etwa vernünftig? Gewiß nicht. Ich will das Thema wechseln.

Kurz und gut, das wesentliche Ergebnis unseres Besuchs bei Graf Flitz und seiner Schwester im letzten Juni bestand darin, daß wir mit dem Entschluß nach Hause zurückkehrten, uns Frau von Eckthums Gesellschaft anzuschließen, und nicht wenig erfüllt von angenehmen Vorahnungen. Wenn sie redet, vermag sie zu überzeugen. Sie redete dieses Mal mehr als je zuvor, aber natürlich gab es dafür Gründe, die ich enthüllen darf oder auch nicht. Geradezu hingerissen lauschte Edelgard ihren wirklich malerischen Beschreibungen oder Prophezeiungen – denn sie selbst hatte es ja noch nicht gemacht – der Freuden des Campinglebens; und ich möchte deutlich machen, daß Edelgard, die seitdem den Leuten zu erzählen pflegt, ich sei es gewesen, diejenige war, die ihre sonstige Vorsicht über Bord warf und die, ohne auf meine Reaktion zu warten, Frau von Eckthum bat, einen dieser Karren für uns zu mieten.

Frau von Eckthum lachte und sagte, sie sei sicher, es werde uns gefallen. Flitz rauchte schweigend vor sich hin. Und Edelgard entwickelte eine plötzliche Beredsamkeit im Hinblick auf Naturerscheinungen wie Mond und Mohnblumen, die einem jungen und sentimentalen Mädchen Ehre gemacht hätte. »Stell dir vor, im Schatten einer mächtigen Buche zu sitzen«, sagte sie zum Beispiel (sie schlug sogar die Hände zusammen), »und die Strahlen der untergehenden Sonne fallen schräg durch ihre Zweige, und man macht Handarbeiten dabei.«

Und sie sagte noch anderes dieser Art, woraufhin ich sie, der ich doch wußte, daß sie am nächsten Geburtstag dreißig werden würde, höchst erstaunt anschaute.

II

Ich habe beschlossen, Edelgard mein Manuskript nicht mehr zu zeigen, weil ich so ungezwungener schreiben kann. Aus demselben Grund will ich es nicht, wie wir anfangs vorhatten, kommentarlos reihum an unsere Verwandten verschicken, sondern es ihnen entweder selbst übergeben oder sie zu einem gemütlichen Bierabend mit etwas Kaltem hinterher einladen und die Passagen daraus vorlesen, die ich für geeignet halte, und dabei natürlich viel von dem auslassen, was ich über Edelgard schreibe und wahrscheinlich auch eine ganze Menge von dem, was ich über andere schreibe. Ein vernünftiger Mann ist ja schließlich keine Frau und leistet nicht gern der Klatschsucht Vorschub. Außerdem ist, wie ich bereits angedeutet habe, die Edelgard, die aus England zurückkam, keineswegs mehr die Edelgard, die dorthin fuhr. Ich bin zuversichtlich, daß es mit der Zeit wieder vergeht und wir zu dem – (wie selbstverständlich mir das aus der Feder floß: es befriedigt mich, daß ich es noch nicht vergessen habe) – zurückkehren werden, ein voller Vertrauen und Gehorsam auf der einen Seite und kluger Führung auf der anderen. Habe ich etwa nicht das Recht, mich einer Gängelung zu widersetzen, es sei denn einer solchen mittels eines silbernen Fadens? Da ich an Edelgard eine Neigung bemerkte, diesen durch, wenn ich mich so ausdrücken darf, einen Lederriemen zu ersetzen, stellte ich ihr die obige Frage, und man höre und staune, das einzige, was sie darauf antwortete, war: »Quatsch«.

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