Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Beim Leaky-Gut-Syndrom wird der Darm durchlässig, die Schutzfunktion der Darmschleimhaut ist empfindlich gestört. Krankheitserreger und Toxine können Folgeerkrankung verursachen. Die Ernährungswissenschaftlerin Anne Iburg geht auf typische Beschwerden sowie auf den erwiesenermaßen heilsamsten Therapieansatz ein: eine Ernährung ohne Zucker, Pestizide und künstliche Zusatzstoffe, die Gift für unseren Darm sind. Der Ratgeber zeigt, wie man der Fastfood- und Fertiggerichte-Falle entkommt, sich von zuckerhaltigen und ungesunden Lebensmitteln entwöhnt und wie eine darmschmeichelnde Ernährung den löchrigen Darm wieder schließen kann. Die 77 Rezepte sind lecker, alltagstauglich und lassen sich ohne großen Aufwand nachkochen.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 150
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Morgens
Haferflocken, Hirseflocken oder Buchweizenflocken mit Sauermilchprodukt (eventuell laktosefrei) und eine Portion Obst, z. B. Blaubeeren
Mittags
Warmes Essen mit viel frischem Gemüse, Kartoffeln und wenig Fleisch
Abends
VORWORT
LEAKY GUT: DAS SOLLTEN SIE WISSEN
Der Darm – König unter den Organen
Verdauung: Weg der Nahrung
Darmbarriere: schützendes Dreigespann
Typische Beschwerden und Folgeerkrankungen
Hashimoto-Thyreoiditis
Adipositas und Diabetes mellitus
Nahrungsmittelunverträglichkeiten
Reizdarmsyndrom
Chronisch entzündliche Darmerkrankungen
Lebererkrankungen
Rheuma und Arthrose
Kopfschmerzen und Migräne
Depressive Verstimmungen
Hautprobleme von Akne bis Schuppenflechte
Chronisches Fatiguesyndrom
Diagnostische und therapeutische Möglichkeiten
Laborwerte abklären und verstehen
Grundlagen eines individuellen Behandlungskonzeptes
Clevere Hausapotheke: Was Sie noch tun können
RICHTIG ESSEN: NATÜRLICH AUSGEWOGEN
Möglichst am Zucker sparen
Wenig Zucker, und doch Obst
So funktioniert der Zuckerverzicht
Verträglicher Umgang mit Fruktose
Superfoods Milchprodukte und Fermentiertes
Laktoseintoleranz und Leaky Gut
Vorteil laktosefreier Milchprodukte
Klebereiweiß und andere Reizstoffe
Glutensensitivität und Leaky Gut
Ein guter Teig muss gehen
Ballaststoffe sind Trumpf
Lösliche Ballaststoffe und Leaky Gut
Schutz durch resistente Stärke
Nicht histaminarm, aber histaminbewusst
Hauptnahrungsquellen besser weglassen
Vorsicht histaminreiche Lebensmittel!
Pflanzliche Öle sind Balsam für den Darm
Omega-3-Fette bevorzugen
Auch Seefisch kommt eine wichtige Rolle zu
So klappt die Umstellung im Alltag
Mein individueller Ernährungsplan
Ernährung leicht gemacht: Allgemeine Empfehlungen
REZEPTE FÜR EINEN GESUNDEN DARM
Bunte Frühstücke: warm und kalt
Hauptgerichte: Fleisch, Fisch und vegetarisch
Leichte Minigerichte: Suppen, Salate und Aufstriche
Raffinierte Backideen: Brot, Kuchen und Kekse
Liebe Leserinnen und Leser,
es ist noch gar nicht lange her, da war Darmgesundheit ein Tabuthema. Obwohl viele Menschen immer wieder unter Bauchweh, Verdauungsproblemen oder Blähungen litten, wurden diese Beschwerden in der Regel bei der Ärztin oder dem Arzt nicht angesprochen. Doch diese Scheu hat sich heute zum Glück gelegt.
Schon in der Antike vermutete der griechische Arzt Hippokrates, dass alle Erkrankungen ihre Ursache im Darm haben. Sowohl die Schulmedizin als auch ganzheitliche Heilmethoden der Komplementärmedizin sind sich inzwischen einig, dass der Darm und sein Mikrobiom – auch als Darmflora bekannt – eine entscheidende Rolle hinsichtlich der Gesundheit des Menschen spielen. Der Leaky Gut, die gestörte Darmbarriere, steht immer mehr im Fokus von Darmerkrankungen und Krankheiten generell.
Lange Zeit wurden die Funktionen unseres Verdauungstraktes geradezu sträflich unterschätzt und der Darm als simpler Gewebeschlauch angesehen. Inzwischen sind sich Mediziner und Medizinerinnen einig, dass der Darm nicht nur alleine der Nahrungsverwertung dient, sondern eine viel größere Rolle als bisher angenommen spielt. Er hat maßgeblichen Einfluss auf unsere Immunabwehr, unser Körpergewicht und sogar die Psyche.
In diesem Buch erfahren Sie, neben den medizinischen Fakten und therapeutischen Möglichkeiten beim Leaky Gut, sehr viel über Wege der Eigentherapie mit Pro- und Präbiotika, Heilpflanzen und insbesondere über eine darmgesunde Ernährung. Schwerpunkte sind dabei eine allgemeine Ernährung, die vorrangig auf pflanzliche Lebensmittel ausgerichtet ist, sowie die Betrachtung von Nahrungsmittelunverträglichkeiten wie Fruktose-, Laktose-, Gluten- oder Histaminunverträglichkeit.
In einem sind sich alle Experten und Expertinnen einig: Eine abwechslungsreiche Ernährung und ein gesunder Lebensstil, mit regelmäßiger Bewegung und ausreichend Entspannung im Alltag, sind entscheidend für die Linderung der durch den Leaky Gut ausgelösten Beschwerden.
Neben vielen allgemeinen Tipps und Tricks finden Sie für Ihre darmgesunde Ernährung auf den folgenden Seiten 77 Leaky-Gut- Rezepte mit einem hohen Anteil an pflanzlichen Lebensmitteln. Alle Rezepte habe ich für Sie in meiner Versuchsküche entwickelt. Probieren Sie aus, was Ihnen davon besonders guttut. Gehen Sie dabei immer achtsam mit sich um und beobachten Sie, nach welchen Gerichten und Lebensmitteln Sie sich besonders gut fühlen.
Aus meiner Praxis weiß ich, dass allein eine ausgewogene und darmfreundliche Ernährung nicht in allen Fällen den gewünschten durchschlagenden Erfolg bringt. Daher finden Sie in diesem Ratgeber auch eine kleine Hausapotheke mit naturheilkundlichen Maßnahmen und ganzheitlichen Methoden, die sich ergänzend bewährt haben.
Viel Spaß beim Lesen, Ausprobieren und Genießen der Rezepte wünscht Ihnen
Anne Iburg
Unser Darm beherbergt unzählige Mikroorganismen, die von Mensch zu Mensch in ihrer Zusammensetzung variieren. Sie unterstützen die Verdauung, bekämpfen Entzündungen und stimulieren das Immunsystem, damit Krankheitserreger keine Chance haben. Das Leaky-Gut- Syndrom beschreibt das Phänomen einer erhöhten Durchlässigkeit der Darmwand. Darauf lassen sich viele Erkrankungen zurückführen, die den Darm und den gesamten Organismus betreffen.
Das Leaky-Gut- Syndrom wird häufig verkürzt als Leaky Gut bezeichnet. Die deutsche Übersetzung lautet “durchlässiger Darm“.
Das Leaky-Gut-Syndrom macht seit Längerem als mögliche Ursache für viele verschiedene Erkrankungen sowie auch als eigenständiges Krankheitsbild von sich reden. Die Schutzfunktion der Darmschleimhaut (siehe Seite 18) gegen Krankheitserreger und Toxine ist dabei empfindlich gestört. Bevor ich näher darauf eingehe, möchte ich Ihnen die allgemeine Bedeutung unseres Darms verständlich machen, denn er ist ein Organ der Superlative.
Als größte Grenzfläche zur Außenwelt hat er die beeindruckende Größe eines Fußballfeldes, also von rund 400 Quadratmetern. Darin beherbergen wir mehr Bakterienzellen als wir Körperzellen haben: 100 Billionen Bakterien innerhalb des Verdauungstraktes entscheiden jeden Tag über Gesundheit und Krankheit, unser Körpergewicht und sogar über unsere Laune oder Konzentrationsfähigkeit. Der Darm kann also sehr viel mehr als „nur“ verdauen.
Vor allem in den letzten 20 Jahren hat die Darmforschung viele Erkenntnisse über das Darmmikrobiom gewonnen. Gemeint sind neben Bakterien auch Viren und Pilze – die Zusammensetzung ist bei jedem Menschen so individuell wie der persönliche Fingerabdruck. Inzwischen werden dafür die Begriffe Darmmikrobiota oder Darmmikrobiom zunehmend synonym verwendet. Oft ist auch noch der Begriff Darmflora geläufig.
Die Darmforschung hat herausgefunden, dass unser Darm mit über 100 Millionen Nervenzellen verknüpft ist.
Besonders spannend: Der Darm ist auch mit über 100 Millionen Nervenzellen verknüpft. Fachleute sprechen vom enterischen Nervensystem (ENS). Die früher nur vermutete Verknüpfung zwischen Darm und Gehirn, auch Darm-Hirn-Achse genannt, ist heute wissenschaftlich sicher bestätigt.
Das ENS stellt die größte Ansammlung von Nervenzellen außerhalb des Gehirns dar und befindet sich in der Darmwand unterhalb der Schleimhaut. Das heißt auch: Zwischen Darm und Gehirn findet stets ein reger Austausch statt. Dies erklärt, warum Darmerkrankungen wie ein Leaky Gut in Zusammenhang mit der Gehirnfunktion und mit neurologischen oder psychiatrischen Erkrankungen stehen. Depressive Verstimmungen (siehe Seite 29) sind da nur eines von vielen Beispielen. Auch hinsichtlich Parkinson oder Alzheimerdemenz gilt ein kranker Darm als möglicher Risikofaktor.
Immer mehr Studien deuten darauf hin, dass im Darm die Ursachen für viele unterschiedliche Erkrankungen liegen. Mediziner und Naturwissenschaftlerinnen suchen nach immer neuen Beweisen für den Einfluss des Darms beziehungsweise des Darmmikrobioms auch auf Erkrankungen wie Diabetes, Leberleiden, Neurodermitis, Rheuma bis hin zu Herzinfarkt und Schlaganfall. Viele Autoimmunerkrankungen wie eine chronische Entzündung der Schilddrüse (Hashimoto-Thyreoiditis) oder Multiple Sklerose sollen ebenfalls ihre Ursache unter anderem im Darm haben.
Eines ist klar: Wir selbst können unseren Darm durch die richtige Ernährung sowie ausreichend Schlaf und Bewegung (mehr als 10.000 Schritte pro Tag) optimal unterstützen, damit es erst gar nicht zu Schäden des Darmmikrobioms kommt.
Jeder Mensch beherbergt im Darm eine individuelle Zusammensetzung verschiedener Mikroorganismen – das Darmmikrobiom.
Schauen wir zunächst auf die Aufnahme und Verteilung von Nährstoffen durch den Darm, die für den Organismus und die verschiedenen Organsysteme notwendig sind. Wie bedeutsam diese Funktion ist, veranschaulicht auch der Umfang des menschlichen Verdauungsapparates, der einen großen Teil des Körpers einnimmt.
Der Verdauungsapparat beginnt im Mund, verläuft über die Speiseröhre, Magen, Dünndarm und Dickdarm bis hin zum After. Aufgenommene Nahrung wird auf dieser Reise in ihre einzelnen Bestandteile zerlegt, um in alle Bereiche des Organismus zu gelangen, Energie bereitzustellen oder als Baustoff zu dienen: Fette werden zu Fettsäuren und Glycerin zerlegt, Proteine in Aminosäuren und kurze Aminosäureketten, Kohlenhydrate in Stärke, Zweifachzucker und letztlich Einfachzucker.
Gut gekaut: Mund und Speiseröhre
Die Kohlenhydratverdauung beginnt bereits im Mund: Die Zähne zerkleinern zunächst mithilfe der Zunge die Nahrung. Es bildet sich Speichel, der die Nahrungsbestandteile breiiger und somit schluckfähig macht. Zudem werden durch den Speichel Verdauungsenzyme beigemischt.
Tipp: Gutes Kauen vergrößert die Oberfläche der zugeführten Nahrung, sodass die Verdauungsenzyme leichter und nachhaltiger wirken können.
Etwa 1,5 Liter Speichel produzieren unsere Speicheldrüsen pro Tag. Das enthaltene Enzym heißt Alpha-Amylase. Es spaltet bestimmte Bindungen, sodass aus dem Makromolekül Stärke kleinere Kohlenhydrateinheiten wie Maltose entstehen können. Die Amylase macht also verzehrte Kohlenhydrate überhaupt erst für den Körper verwertbar. Nachdem der Speisebrei die Speiseröhre passiert hat, gelangt er weiter in den Magen.
Der Verdauungsprozess
Gut vermischt: Magenpassage
Der Magen dient quasi als Auffangbehältnis. Durch seine Bewegungen (Peristaltik) vermengt sich der Speisebrei mit dem Magensaft, der von der Magenwand abgesondert wird: Zwei bis drei Liter werden täglich produziert.
Der Magensaft besteht im Wesentlichen aus Salzsäure, Schleim und Pepsinogen. Letzteres ist eine inaktive Vorstufe des Enzyms Pepsin, das Eiweiße (Proteine) in kleinere Einheiten, die Polypeptide, aufspaltet. Die Salzsäure des Magens hat mehrere Funktionen: Sie tötet auch mit den Lebensmitteln aufgenommene Giftstoffe und Bakterien ab, aktiviert das Pepsinogen und bricht die Eiweiße auf.
Wie lange Speisen im Magen bleiben, hängt dabei von unterschiedlichen Faktoren ab. Ein hoher Fettgehalt verlangsamt beispielsweise die Magenentleerung, während stark zerkleinerte, zuckerreiche und flüssige Lebensmittel den Magen schneller passieren. Durchschnittlich verweilt die Nahrung hier vier bis sechs Stunden.
Die Nahrung verweilt durchschnittlich vier bis sechs Stunden im Magen.
Wichtig: Damit sich der Magen durch die gebildete Salzsäure nicht selbst angreift, wird er durch eine dicke Schicht zähen Schleims geschützt, der durch Schleimhautzellen produziert wird.
Gut zerlegt: Dünndarm
Danach geht die Reise weiter in den drei bis vier Meter langen Dünndarm. Er verläuft gewunden in sogenannten Darmschlingen und gliedert sich in den 30 Zentimeter langen Zwölffingerdarm, den Leerdarm und den Krummdarm. In den Zwölffingerdarm münden Ausführungsgänge der Bauchspeicheldrüse und der Gallenblase. Deren Sekrete sowie das eigens von den Dünndarmzellen produzierte Sekret werden benötigt, um den Speisebrei mit weiteren Enzymen sorgfältig zu durchmischen und bis ins Kleinste aufzuspalten.
Nur wenn die Hauptnährstoffe – Eiweiß, Fett, Kohlenhydrate sowie verschiedene Zucker – gut zerlegt sind, können die Bausteine auch optimal resorbiert, also über die Zellen der Darmschleimhaut aufgenommen und mit dem Blut dorthin transportiert werden, wo sie gerade am nötigsten sind.
Die Dünndarmwand zeichnet sich durch unzählige Darmzotten aus, die man sich im Aufbau wie die Schlingen einer Badematte vorstellen kann.
Für die Fettverdauung und anschließende Aufnahme ist z. B. die von der Leber gebildete und in der Gallenblase gespeicherte Gallensäure unabdingbar. Damit die Resorption optimal funktionieren kann, besteht die innere Oberfläche des Dünndarms aus unzähligen Falten, Ausstülpungen und Millionen von Darmzotten. Ausgebreitet würde diese Struktur eine Oberfläche von mehreren Hundert Quadratmetern ergeben.
Die Darmzotten bewegen sich aktiv, indem sie sich zusammenziehen und erschlaffen. Es entsteht eine Pumpsaugwirkung, die den Transport der Nährstoffe in das Blut und die Lymphe erleichtert. Alles, was im Dünndarm nicht verarbeitet werden kann, wandert schließlich weiter in den Dickdarm.
Gut besiedelt: Dickdarm
Etwa 0,5 bis 1,5 Liter Darminhalt gelangen jeden Tag in den Dickdarm. Auch er durchmischt die Reste des Nahrungsbreis und entzieht dem Brei Wasser. Auf diese Weise dickt der Stuhl ein. Parallel wird dem Darminhalt Schleim beigemengt, um den Kot gut gleitfähig zu machen. Im letzten Abschnitt des Dickdarms – dem Mastdarm – wird der Kot bis zu seiner Ausscheidung gelagert.
Übrigens: Weit verbreitet ist die Meinung, dass man täglich Stuhlgang haben muss. In der Realität ist dies nur bei 40 Prozent aller Menschen der Fall. Laut einer Studie, die im American Journal of Gastroenterology veröffentlicht wurde, haben 95,5 Prozent Stuhlgang nach der sogenannten Dreierregel: Stuhlgang sowohl dreimal täglich ist normal als auch dreimal wöchentlich.
Der Dickdarm gilt auch als der bakterienreichste Darmabschnitt. Hier leben vermutlich mehrere Hundert Bakterienarten zusammen. In Kilogramm ausgedrückt entspricht die Gesamtheit des Darmmikrobioms etwa 1,5 bis zwei Kilogramm, die dieses hochkomplexe Ökosystem ausmachen.
Die Darmbarriere insgesamt besteht bei genauer Betrachtung aus drei Einheiten: neben dem Darmmikrobiom aus der Darmschleimhaut und dem Darmepithel mit dem Immunsystem des Darms. Diese drei Einheiten sind eng miteinander verbunden und arbeiten bei einem gesunden Darm reibungslos zusammen.
Aufbau der Darmbarriere
Das Leaky Gut Syndrom ist als eigenes Krankheitsbild bislang nicht einheitlich definiert.
Auch wenn das Phänomen der Tight Junctions wissenschaftlich intensiv erforscht wird, ist es dennoch wichtig zu wissen, dass das Leaky Gut als eigenes Krankheitsbild beziehungsweise das Leaky Gut Syndrom bisher nicht einheitlich definiert beziehungsweise akzeptiert ist.
Auch gibt es keine Klassifikation der Symptome in der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD 10).
Im klinischen Alltag ist es zudem oft schwierig nachzuweisen, ob tatsächlich defekte Tight Junctions für die Beschwerden der Patienten und Patientinnen verantwortlich sind. Um zu überprüfen, ob die Schleusenwächter möglicherweise nicht richtig schließen, kann im Stuhl z. B. das Calprotectin, ein körpereigenes Eiweiß, untersucht werden (siehe Seite 36).
Komplexe Aufgaben: Darmmikrobiom
In unzähligen Studien arbeiten Forscher und Wissenschaftlerinnen vor allem daran, die direkten Zusammenhänge zwischen dem menschlichen Darmmikrobiom als wichtige Einheit der Darmbarriere und weitverbreiteten Zivilisationsleiden zu erforschen. Einfach ist diese Spurensuche nicht, denn bei rund 100 Billionen Bakterien im Darm und einer extrem großen Vielfalt an verschiedenen Bakterienstämmen und Arten lässt sich bisher noch kein eindeutiges System erkennen.
Das Mikrobiom des Darms ist ein sehr komplexes System aus Kleinstlebewesen – vor allem guten, aber auch schädlichen Bakterien. Im gesunden Darm liegen diese Mikroorganismen in einer ausgeglichenen Balance vor. Man könnte auch sagen: Wir leben mit ihnen in einem symbiotischen Gleichgewicht – und genau das ist notwendig, um gesund leben und bleiben zu können.
Die genetische Information der Darmbakterien ist sogar hundertmal höher als der genetische menschliche Code. Das bedeutet: Diese vielfältige Lebensgemeinschaft umfasst zehn- bis hundertmal mehr Gene, als im gesamten menschlichen Erbgut vorhanden sind(!). Dieser große genetische Pool weist auf die weitreichenden Funktionen des Darmmikrobioms hin beziehungsweise auf die Tragweite, die sein durch den Lebensstil geprägter Zustand für Vitalität und Wohlbefinden hat.
Darmbakterien haben viele Aufgaben
• Sie unterstützen die Verdauung und fördern die Darmperistaltik.
• Sie bilden kurzkettige Fettsäuren (z. B. Buttersäure), die als Energiequelle der Darmschleimhautzellen dienen.
• Sie bekämpfen Entzündungen und schützen die Darmschleimhaut.
• Sie stimulieren das darmassoziierte Immunsystem, verdrängen Krankheitserreger und schützen uns vor Krankheiten.
• Sie produzieren verschiedene Vitamine (B1, B2, Niacin, B6, Pantothensäure, Biotin und B12 sowie Vitamin K), die sie jeweils auch für ihren eigenen Stoffwechsel brauchen.
Die bekanntesten Darmbakterien sehen Sie in der Tabelle auf Seite 16, geläufig ist Ihnen wahrscheinlich der Escherichia coli – ein natürlich vorkommender Keim, der sich normalerweise in jedem menschlichen Darm tummelt. Escherichia coli, oft einfach als Kolibakterien bezeichnet, haben durchaus wichtige Aufgaben, z. B. bei der Nährstoffaufnahme oder der Produktion von Vitamin K, das für den Knochenstoffwechsel und die Blutgerinnung eine wichtige Rolle spielt.
Das Darmmikrobiom hat mehr Einfluss auf unsere Gesundheit als bisher angenommen.
Einige wichtige Bakterienarten des Darmmikrobioms
BAKTERIENSTAMM
GATTUNGEN
ARTEN
Firmicutes(ca. 50 Prozent aller Darmbakterien)
ClostridienLaktobazillen (Milchsäurebakterien)EubakterienFaecalibakterienRuminokokkenRoseburia intestinalisEnterokokkenStreptokokkenStaphylokokken
Clostridium difficileClostridium clostridioformeLactobacillus caseiLactobacillus reuteriEubacterium rectaleFaecalibacterium prausnitzii
Bacteroidetes(ca. 40 Prozent aller Darmbakterien)
BacteroidesPrevotellaAlistipes
Bacteroides uniformisBacteroides fragilisBacteroides ruminicolaBacteroides vulgatus
Actinobakterien
Bifidobakterien
Bifidobacterium animalisBifidobacterium adolescentisBifidobacterium bifidumBifidobacterium breveBifidobacterium infantisBifidobacterium longum
Proteobakterien
EscherichiaEnterobacterProteus
Escherichia coliProteus mirabilis
Verrucomikrobien
Akkermansia
Akkermansia muciniphila
Bestimmte Kolibakterien können dagegen schwerwiegende Erkrankungen bei Mensch und Tier hervorrufen. Selbst innerhalb einer einzelnen Bakterienfamilie muss also im Einzelfall genau differenziert werden, da sowohl gesundheitsfördernde als auch krank machende Varianten vorkommen können. Grundsätzlich gilt: Einer bestimmten Bakteriengattung werden verschiedene Arten untergeordnet, die miteinander über ähnliche Merkmale verfügen.
Der menschliche Darm ist vor der Geburt völlig keimfrei. Doch schon während des natürlichen Geburtsvorgangs und unmittelbar nach der Geburt erfolgt in Windeseile die Besiedlung des Darms mit den viel zitierten „guten“ sowie „schlechten“ Bakterien. Beim Neugeborenen ist die Vielfalt noch eher gering; mit dem ersten Lebensjahr ist die Bildung des Mikrobioms dann weitgehend abgeschlossen und unterliegt kaum Schwankungen.
Der menschliche Darm ist vor der Geburt absolut keimfrei, sofort danach erfolgt seine Besiedelung.
Das Darmmikrobiom bei Erwachsenen beinhaltet vor allem die beiden dominierenden Bakterienstämme Firmicutes und Bacteroidetes. Verschiebungen der Bakterienbalance innerhalb des Darmmikrobioms in einen ungünstigen Bereich sind möglich. Mediziner und Medizinerinnen sprechen dann von einer Dysbiose. Zu den Verursachern zählen neben einer unausgewogenen Ernährung und zu wenig Bewegung auch Schlafmangel, sehr hohe Hygienestandards beziehungsweise übertriebene Hygiene, aber vor allem auch die Einnahme von Antibiotika.
Eine Antibiotikaeinnahme von nur sieben Tagen (z. B. bei einem bakteriellen Infekt) kann wichtige Darmbakterien stark reduzieren, das sensible System des Mikrobioms wird angegriffen. Um den Schaden möglichst kleinzuhalten, sollten Sie z. B. noch stärker darauf achten, täglich Sauermilchprodukte, viel Gemüse und Vollkorn zu essen, um das Darmmikrobiom wieder zu stärken.
Schutz: Darmschleimhaut
Darmmikrobiom, Darmschleimhaut und das darmassoziierte Immunsystem arbeiten eng zusammen.
Die zweite Einheit der Darmbarriere ist die Darmschleimhaut (Darmmukosa). Diese innere Auskleidung des Darmes stellt eine unlösliche schleimige Schicht dar, die verschiedenste Zelltypen enthält. Sie schützt den Darm vor chemischen, enzymatischen und mechanischen Einwirkungen. Nicht zuletzt schützt sie vor unerwünschten Eindringlingen aus der Nahrung und der Umwelt. Eine gesunde Darmschleimhaut ist deshalb immer komplett mit einer dicken Schleimschicht überzogen.
In der Darmschleimhaut sind aber auch Drüsen eingebettet, die Darmsaft bilden und bestimmte Enzyme zur Aufspaltung der Nahrung abgeben. Ferner finden sich Zellen zur Aufnahme der aufbereiteten Nährstoffe aus dem Darm ins Blut.
Die Darmschleimhaut ist das tragende Fundament der Darmbarriere: Nützliche Darmbakterien regen immer wieder zur Regeneration der Schleimhaut an und halten sie auf diese Weise stabil und gesund.
Übrigens: Unsere Darmschleimhautzellen werden innerhalb von jeweils drei Tagen vollständig erneuert. Diese Selbstregeneration kostet natürlich viel Energie: Dafür werden mithilfe bestimmter Darmbakterien aus löslichen Ballaststoffen kurzkettige Fettsäuren wie die Buttersäure (Butyrat) gebildet. Butyrat hat zusätzlich eine antientzündliche Wirkung.
Abwehr: Darmassoziiertes Immunsystem (GALT)