Die Sängerin des Königs - Rebecca Michéle - E-Book
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Die Sängerin des Königs E-Book

Rebecca Michéle

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Beschreibung

Sie folgt ihren Träumen: der fesselnde historische Roman »Die Sängerin des Königs« von Rebecca Michéle jetzt als eBook bei dotbooks. England im 17. Jahrhundert: Nach Jahren der Schreckensherrschaft unter Oliver Cromwell blühen die schönen Künste gerade wieder auf. Auch die junge Patricia Wilborough, behütet aufgewachsen im Norden des Landes, schließt sich einer Truppe Schauspieler an und sucht ihr Glück im aufregenden London. Als Sängerin feiert Patricia dort schon bald große Erfolge … und weckt schließlich sogar das Interesse König Charles II! Als sie seine Geliebte wird, ahnt sie bereits, dass sie sich auf ein gefährliches Spiel einlässt. Dolch welche Rolle hat darin Martin, ihre Jugendliebe, der nun plötzlich wieder in Patricias Leben tritt? Er scheint ganz und gar nicht mehr der Mann zu sein, in den sie sich einst verliebt hatte … Jetzt als eBook kaufen und genießen: der historische Roman »Die Sängerin des Königs« von Bestsellerautorin Rebecca Michéle. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 360

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Über dieses Buch:

England im 17. Jahrhundert: Nach Jahren der Schreckensherrschaft unter Oliver Cromwell blühen die schönen Künste gerade wieder auf. Auch die junge Patricia Wilborough, behütet aufgewachsen im Norden des Landes, schließt sich einer Truppe Schauspieler an und sucht ihr Glück im aufregenden London. Als Sängerin feiert Patricia dort schon bald große Erfolge … und weckt schließlich sogar das Interesse König Charles II! Als sie seine Geliebte wird, ahnt sie bereits, dass sie sich auf ein gefährliches Spiel einlässt. Dolch welche Rolle hat darin Martin, ihre Jugendliebe, der nun plötzlich wieder in Patricias Leben tritt? Er scheint ganz und gar nicht mehr der Mann zu sein, in den sie sich einst verliebt hatte …

Über die Autorin:

Rebecca Michéle, geboren 1963 in Rottweil in Baden-Württemberg, lebt ihrem Mann in der Nähe von Stuttgart. Seit dem Jahr 2000 widmet sie sich ausschließlich dem Schreiben. Bisher sind mehr als 40 Romane und zahlreiche Kurzgeschichten in verschiedenen Genres erschienen. Rebecca Michéle erobert besonders mit ihren historischen Romanen und Krimis eine große Leserschaft.

Bei dotbooks erschienen bereits Rebecca Michéles historische Romane

»Die zweite Königin«

»Die Sängerin des Königs«

»Die Melodie der Insel«

und die historischen Liebesromane

»In den Armen des Fürsten«

»In den Fesseln des Freibeuters«

»In der Gewalt des Ritters«

sowie die zeitgenössischen Romane

»Irrwege ins Glück«

»Heiße Küsse im kalten Schnee«

»Rhythmus der Leidenschaft«

»Heiße Küsse im kalten Schnee«

Darüber hinaus veröffentlichte Rebecca Michéle bei dotbooks den Kriminalroman»Narrensterben«

Die Website der Autorin: www.rebecca-michele.de

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Aktualisierte eBook-Neuausgabe November 2020

Dieses Buch erschien bereits 2003 unter dem Titel »Kapriolen des Schicksals« im area verlag und 2014 unter dem Titel »Der Ruf des Schicksals« bei dotbooks.

Copyright © der Originalausgabe 2003 area verlag gmbh, Erftstadt

Copyright © der aktualisierten Neuausgabe 2020 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Sundrav Photography

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ae)

ISBN 978-3-95520-685-7

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Rebecca Michéle

Die Sängerin des Königs

Historischer Roman

dotbooks.

Violet's Abbey

Die Sonne kitzelte mit ihren vorwitzigen Strahlen an meiner Nase und brachte mich zum Erwachen. Erfrischt nach erholsamem Schlaf sprang ich rasch aus dem Bett und lief zum Fenster. Ich öffnete beide Flügel, lehnte mich über die Brüstung und sog tief die kühle Morgenluft ein. Chöre von Vogelstimmen drangen an mein Ohr, und sanft wogten die Äste der uralten Bäume im Wind. Die heitere Morgenstimmung versprach einen schönen Augusttag im Jahre 1648. Um diese frühe Stunde konnte ich noch nicht ahnen, was dieser Tag in meinem bisher behüteten, friedlichen Leben bedeuten sollte.

Ich sah zu dem Bett auf der anderen Seite des Zimmers. Dorothy schlief noch fest, ein Lächeln lag auf ihren Zügen. Eine Welle der Zärtlichkeit durchflutete mich, wenn ich meine Freundin betrachtete. Dorothy sah wahrlich wie ein Engel aus mit dem weichen, welligen Blondhaar, das ihr bis auf die Hüften reichte, dem zarten Gesicht mit milchig weißer Haut und den blauen, unschuldig blickenden Augen, deren Lider jetzt noch fest geschlossen waren.

Mein erster Tag hier in Violet's Abbey wurde in meiner Erinnerung wieder lebendig. Ich dachte oft daran, was wohl aus mir geworden wäre, wenn Dorothy damals nicht gewesen wäre. Vor nunmehr fünf Jahren kam ich hierher, in die Schule der Schwestern Coke. Bertha und Mathilda Coke waren zwei ältere, reizende, unverheiratete Damen. Nachdem sie ihre kranken Eltern bis zu deren Tod gepflegt hatten, erbten sie als einzige Angehörige den prachtvollen Besitz mit Namen Violet's Abbey. Ursprünglich war das mittelalterliche Gebäude ein Kloster gewesen. Unter König Heinrich dem Achten wurde der Orden aufgelöst und die Kirche zerstört. Die Legende erzählt, die Nonnen hätten mit ihren Körpern die Kostbarkeiten des Altars vor den Schergen des Königs geschützt, die, die Kirchenschätze plündernd, durch das ganze Land zogen. Dabei verlor eine Novizin mit Namen Violet ihr Leben. Belper Coke, ein Mitglied des Kronrats, erwarb das Kloster für einen Spottpreis. Den neuen Besitzer aber plagte das schlechte Gewissen, und so nannte er das Gebäude Violet's Abbey. Im folgenden Jahrhundert wurde der Familie Coke ein Adelstitel zwar verwehrt, dennoch wurden Mathilda und Bertha als Damen erzogen. Obwohl die beiden viel Herzensgüte besaßen, so fehlte ihnen doch das Wesentlichste, was für eine vorteilhafte Heirat nötig gewesen wäre: Schönheit. Als dann die Familie in finanzielle Schwierigkeiten geriet und beinahe den ganzen Landbesitz von Violet's ‘Abbey veräußern musste, war es ohne Mitgift unmöglich geworden, Ehemänner für Bertha und Mathilda zu finden. Das störte die Schwestern jedoch nicht. Bertha, ein knappes Jahr älter als Mathilda, hing mit zärtlicher Liebe an der Jüngeren, und die beiden Frauen wurden in der Gegend geachtet. Nach dem Tod der Eltern war es ihnen nicht möglich, den Besitz alleine zu halten. Selbst von angesehenen Geistlichen und erstklassigen Erzieherinnen unterrichtet, kamen sie auf die Idee, in Violet's Abbey eine Schule für Mädchen aus der Gesellschaft zu gründen. Das war damals ein gewagtes Unternehmen und sehr ungewöhnlich. Es gab natürlich Militärschulen für Jungen, doch eine Schule, in der junge Damen erzogen wurden, suchte in ganz England ihresgleichen. Binnen weniger Jahre sprach sich der Erfolg der Schwestern Coke herum, und längst konnten sie nicht alle Schülerinnen, deren Eltern anfragten, aufnehmen.

Auch mein Vater hatte von der Einrichtung gehört und teilte mir an einem Abend seinen Entschluss, mich nach Violet's Abbey zu schicken, mit. Ob seines Ansinnens geriet mein Herz in Zorn, und meine Augen sprühten Funken vor Wut. Auf keinen Fall wollte ich meinen Vater und unser elegantes Haus am Nordufer der Themse in Westminster verlassen. Nicht einmal seine schönen Worte konnten mich besänftigen.

»Patricia«, sagte er eindringlich, »du hast nun ein Alter erreicht, in dem ich als Vater deine weitere Erziehung nicht mehr übernehmen kann.«

Ich barg mein Gesicht an seinem Bart und rief:

»Von dir lerne ich alles, was ich im Leben brauche!«

Er lachte.

»Ja, ja, mein Schatz. Ein Sohn könnte mir nicht ähnlicher sein als du. Aber du wirst langsam, aber sicher eine Frau, und jeder merkt an deinem Verhalten, dass in deiner Erziehung die weibliche Hand fehlt. Es ist ein Jammer, dass deine Mutter so früh sterben musste. Pat, du reitest wie der Teufel, und keine Katze ist schneller auf den Bäumen als du. Aber das genügt nicht, um einen passenden Ehemann zu finden.«

Ich lachte. Ehemann! Daran wollte ich noch lange nicht denken, ich war doch erst zehn Jahre alt.

»Papa, ich werde niemals heiraten. Ich verlasse dich nicht!«

Mein Vater drückte mich fest an seine Brust. Sein Bart kitzelte an meiner Stirn, und ich fühlte mich unendlich geborgen.

»Ich möchte doch nur dein Bestes, Kind«, sagte er zärtlich. »Außerdem – wer weiß, was die Zukunft bringt. Ich werde nicht mehr lange bei dir sein können.«

Erschrocken blickte ich auf.

»Was meinst du damit? Du willst mich doch nicht etwa verlassen?«

»Der König braucht mich, ich werde zu ihm gehen. Die Zeiten ändern sich, aber das verstehst du nicht.«

»Erkläre es mir.«

»Ach Kind, was soll ich dir berichten von den politischen Intrigen, die unser Land erschüttern? Menschen werden rücksichtslos der Politik geopfert. So wie unser guter Earl von Stafford. Er hat England in Irland eine sichere Position beschert, und dann kommen irgendwelche Puritaner und fordern seinen Kopf.« Ich merkte, wie Vater meine Anwesenheit vergaß und zu sich selbst sprach. Ich blieb stumm, um ihn nicht zu unterbrechen. Auch wenn ich von den politischen Ereignissen nicht viel wusste, war ich begierig, so viel wie möglich zu erfahren. »Wir steuern auf einen Bürgerkrieg zu«, fuhr Vater fort. »Ein Bürgerkrieg! Das ist das Furchtbarste, was einem Volk zustoßen kann. Bruder gegen Bruder! Vater gegen Sohn! Es wird schlimm werden, sehr schlimm. Der König befindet sich gerade an der schottischen Grenze. Er wollte mit den Schotten verhandeln, doch das Parlament denkt, der König will mit Truppen zurückkehren. Es könnte zu einem Zusammenstoß kommen, darum muss ich zu ihm. Dieser Cromwell wird nicht nachgeben.«

Cromwell? An diesem friedvollen Abend, in die Arme meines Vaters gekuschelt, hörte ich den Namen zum ersten Mal.

»Wer ist der Mann?«, fragte ich nun doch dazwischen.

Vater seufzte und strich mir übers Haar.

»Patricia, es ist nicht nötig, ein Kind mit all dem zu belasten. Oliver Cromwell ist ein Parlamentsmitglied aus Huntington, einer kleinen Stadt im Osten. Er vertritt diesen und den Wahlkreis von Cambridge. In meinen Augen ist Cromwell ein Fanatiker. Er hängt dem Glauben der Puritaner an.«

»Puritaner?«, fragte ich. »Es gibt in England doch nur eine Kirche!«

Vater nickte.

»Sicher, die Puritaner sind überzeugte Anhänger unserer anglikanischen Kirche. Nur sind sie radikaler. Sie betrachten sich als Auserwählte Gottes mit der Aufgabe, die Menschheit zu retten und auf den rechten Weg zu führen. In ihren Augen ist Musik, Gesang, Tanz, ja sogar das Lesen anderer Bücher als der Bibel eine Sünde, die mit ewiger Verdammnis bestraft wird. Die Puritaner betonen Selbstdisziplin, Verzicht und Armut. Ihre fanatische Überzeugung, alle Menschen seien Sünder, machen sie sehr gefährlich, denn in der Meinung, von Gott auserwählt worden zu sein, fürchten sie keinen Kampf.

Oliver Cromwell hat sich zu ihrem Anführer aufgeschwungen. Anscheinend fühlt er sich zu Höherem berufen, denn er hat öffentlich erklärt: ›England muss vor dem Zugriff der Royalisten, und ganz besonderes vor dem König, geschützt werden.‹«

»Vor dem König!«, rief ich aus. »Aber der König ist der mächtigste Mann im Land. Ja, er ist doch England! Wie kann Cromwell es wagen, so etwas zu behaupten?«

Vater lächelte und sah mich bewundernd an.

»Ich sehe, meine Erziehung ist nicht ohne Erfolg geblieben. Sicher, des Königs Würde ist unantastbar, dennoch haben sich einige Männer in den Kopf gesetzt, das Land ohne König Charles zu regieren.« Ich schüttelte den Kopf. Das war undenkbar! »Deshalb ist es notwendig, dass ich an der Seite des Königs bin«, fuhr Vater fort. »Ich bin sicher, du wirst in der Schule bald viele Freundinnen finden und dich unter Gleichaltrigen sehr wohl fühlen.«

In dieser Nacht lag ich lange wach und dachte darüber nach, was ich über König Charles, den Mann, der seit nunmehr siebzehn Jahren über England herrschte, wusste. Als er als zweiter Sohn von James, dem König, der England und Schottland unter einer Flagge vereinigt hatte, geboren wurde, dachte niemand daran, dass Charles eines Tages auf dem Thron sitzen würde. Zudem war Charles von Geburt an ein schwächliches Kind, das obendrein statt zu sprechen nur zu stottern begann. Selbst seine Eltern wandten sich von ihm ab, und es schien, als gäbe es für Charles keine andere Laufbahn als die eines kirchlichen Würdenträgers. Doch das Schicksal meinte es anders mit dem kleinen, schwachen Jungen. Sein Bruder Henry starb, und so wurde Charles Thronfolger. Die junge Hofdame Lady Carey kümmerte sich liebevoll um den kleinen Prinzen von Wales. Unter ihrer Erziehung, die von Wärme und Zärtlichkeit geprägt war, lernte Charles das fehlerfreie Sprechen. Auch seine spätere Würde, Ernst und Selbstvertrauen verdankte er mehr seiner Erzieherin als seinen Eltern.

Im Jahr 1623, zwei Jahre vor seiner Thronbesteigung, stattete Charles Spanien einen Besuch ab, um über seine geplante Vermählung mit der spanischen Infantin zu verhandeln. Sein Vater wünschte, durch die Heirat ein Bündnis zwischen Spanien und England herzustellen. Es wurde jedoch bald offensichtlich, dass die Spanier keineswegs die Absicht hatten, ein solches Bündnis zu schließen. So reiste Charles unverrichteter Dinge wieder ab und machte Station am französischen Hof in Paris. Hier traf er die Prinzessin Henriette Maria. Die beiden jungen Menschen entbrannten in Liebe zueinander und, kurz nachdem Charles den englischen Thron bestiegen hatte, folgte ihm Henriette Maria als seine Frau nach London. Außenpolitisch war diese Vermählung ein guter Schachzug. Frankreich und England bildeten in Europa nun ein Bündnis gegen Spanien. Einzig die Tatsache, dass die neue Königin katholisch war, erregte das Missfallen vieler protestantischer Untertanen in England. Zu deutlich war vielen noch die Erinnerung an Mary Tudor, auch »Bloody Mary« genannt, im Gedächtnis, die im Jahrhundert zuvor Tausende von Protestanten hatte hinrichten lassen, um England wieder dem katholischen Glauben zuzuführen. Niemals wieder sollte ein katholischer Herrscher auf Englands Thron sitzen! Doch Charles glaubte an das Gottesgnadentum der britischen Könige und die Autorität der anglikanischen Kirche.

Ich hatte den König ein- oder zweimal in den Straßen von London gesehen. Er war auch als erwachsener Mann von kleiner, schmächtiger Statur. Besonders in Erinnerung sind mir seine Waden geblieben, die mir so dünn wie zwei Holzstecken erschienen. Doch blickte man Charles ins Gesicht, so zweifelte niemand daran, dass er der wahre König war. Von Vater hatte ich stets nur Gutes über ihn gehört, und ich verehrte Charles seit meiner Kindheit.

So war es beschlossene Sache, dass ich meine weitere Erziehung in Violet's Abbey erhalten sollte. Auch wenn ich bis zu diesem Tag bei Vater fast immer meinen Willen durchsetzen konnte, in diesem Punkt blieb er unnachgiebig. Mutter war kurz nach meiner Geburt gestorben, und er hatte nie wieder geheiratet. In unserem großen Haus in Westminster verbrachte ich eine wunderschöne Kindheit. Vater lehrte mich nicht nur das Reiten, sondern auch Rechnen, Schreiben und Lesen. Meines Erachtens war das genug, was ich zum Leben brauchte.

»Der König hat mir die Befehlsgewalt über eine Truppe erteilt, Patricia«, sagte Vater. »Wenn in einigen Monaten die Streitigkeiten beendet sind, werde ich regelmäßig am Hof verkehren müssen. Und wenn du alt genug bist, wirst du bei Hof ebenfalls gebührend eingeführt. Da ist es erforderlich, dass du lernst, dich wie eine Dame zu benehmen.«

Pah, dachte ich, Dame! Nie würde ich still dasitzen, affektiert und mit abgespreiztem kleinem Finger die zierliche Teetasse zum Mund führen. Weshalb sollte ich tanzen lernen? Ich beherrschte die Tänze des einfachen Volkes, die bei Hochzeiten und auf der Kirmes getanzt wurden. Ich konnte Ale trinken wie ein Stallbursche und fluchen wie ein Kutscher. Warum sollte ich mehr lernen?

Wenn ich mich heute an diese Gedanken erinnere, muss ich lächeln. Wie naiv war ich doch! Und wie voller Zorn, als ich bei den Schwestern Coke in Violet's Abbey eintraf. Dabei war es ein schönes Gebäude mit seinen roten, efeuumrankten Ziegelmauern und den Butzenglasscheiben im Tudorstil, viel schöner als unser Stadthaus! Doch mein Herz war voller Trotz. Stumm stieg ich neben Vater aus der Kutsche und starrte auf den Boden. Scheinbar ohne Interesse folgte ich Bertha Coke ins Haus und schenkte den Mädchen, die neugierig und flüsternd in der Halle standen, keinen Blick. Stolz warf ich den Kopf in den Nacken. Hier würde ich nicht lange bleiben, schwor ich mir. Bei der nächsten Gelegenheit würde ich fortlaufen. Ich würde zum König gehen und ihm mein Leid klagen. Sicher würde König Charles für meinen Kummer Verständnis haben und Vater das Kommando wieder entziehen. Dann bestünde keine Notwendigkeit mehr, mich von zu Hause fortzuschicken.

So stand ich also trotzig in dem gemütlichen Arbeitszimmer mit den alten, schweren Eichenmöbeln und der niedrigen, dunklen Balkendecke und erwiderte lustlos den herzlichen und warmen Händedruck von Bertha Coke.

»Patricia Wilborough! Es freut mich, dich in unserer Schule zu begrüßen«, sagte sie freundlich und lächelte mich an. Sie schien meine abwehrende Haltung nicht zur Kenntnis zu nehmen. »Patricia ist ein schöner Name.«

»Vater nennt mich Pat«, stieß ich hastig hervor.

»Nun, dann Pat, zumindest so lange, bis du eine junge Dame geworden bist. Sicher bist du schon sehr gespannt, wer deine Zimmergenossin sein wird. Ich bin überzeugt, ihr werdet gute Freundinnen werden.«

Sicher nicht, dachte ich, schwieg aber.

Bertha Coke griff nach einer Glocke, die auf dem Schreibtisch stand, und klingelte kurz. Einen Augenblick später öffnete sich die Tür, und das hübscheste Mädchen, das ich jemals gesehen hatte, trat ins Zimmer.

»Das ist Dorothy Blickland. Sie wird dir alles zeigen und erklären, Pat.«

Ich wich ein paar Schritte zurück und wollte gerade herausschreien, dass ich sofort wieder nach Hause möchte. Doch Dorothy nahm mich einfach bei der Hand, sah mir in die Augen und sagte:

»Es ist schön, dass du hier bist, Patricia. Du wirkst so stark! Du bist ein Mensch, zu dem ich Vertrauen haben kann.«

Mit diesen einfachen Worten hatte Dorothy auf der Stelle mein Herz gewonnen. Sie war so zierlich und zerbrechlich, ein Mensch, der in mir sofort den Beschützerinstinkt auslöste. Und so war es auch. Dorothy fürchtete sich vor allem, ob es eine kleine Spinne an der Zimmerdecke oder ein Gewitter in der Nacht war. Sie zitterte, wenn der Wind heulend um das alte Mauerwerk strich und das Gebälk zum Ächzen brachte. Dorothy war ein knappes Jahr in der Schule und kannte sich gut aus, doch innerhalb welliger Wochen wurde ich zu ihrer Beschützerin und Leitfigur. Sie lief mir wie ein kleines Hündchen nach, und mir tat es gut. Auf der anderen Seite bewunderte auch ich die Freundin. Ich war noch nie besonders eitel gewesen, doch neben Dorothy kam ich mir unscheinbar und wie ein richtiger Trampel vor. Alles an Dorothy war zierlich und elegant. Ich bewunderte ihr goldblondes Haar, das in sanften Wellen bis auf die Hüften fiel und in der Sonne leuchtete. Dagegen fand ich mein glattes, kräftiges, rotblondes Haar, das sich widerspenstig um mein, wie ich fand, zu langes Gesicht legte, hässlich. Dorothys unschuldigem Blick aus den großen blauen Augen konnte niemand widerstehen. Ihre Kleider waren von erlesener Eleganz, dabei aber für den Aufenthalt in der Schule praktisch. Nie sah ich einen Schmutzfleck auf ihrer Schürze, obwohl sie die gleichen Aufgaben wie ich erledigte. Wenn ich im Garten arbeitete, war ich binnen Minuten von Kopf bis Fuß mit Erde bedeckt, und ich brauchte Stunden, um die Fingernägel zu reinigen. Ich hatte keine Ahnung, wie Dorothy es schaffte, immer sauber und adrett auszusehen. Aber nach kurzer Zeit wusste ich: Ich wollte so werden wie sie! Nach wenigen Wochen begann ich wirklich, mich in Violet's Abbey zu Hause zu fühlen. Das Essen war gut und reichhaltig, und die Schwestern Coke nicht allzu streng. Ich teilte mit Dorothy einen kleinen Raum unter dem Dach. Unsere Betten standen links und rechts an den Wänden, daneben hatte jede einen kleinen Schrank und eine Kommode. Blickten wir aus dem Fenster, erstreckte sich vor unseren Augen ein großzügiger Landschaftspark mit alten, mächtigen Bäumen. Im Hintergrund glitzerte das Wasser eines Teichs in der Sonne, und oft hörten wir das Schnattern der Enten, die das Wasser bevölkerten. Die anderen Mädchen, alle im Alter zwischen zehn und sechzehn Jahren, waren freundlich und besaßen gute Manieren. Bereits am zweiten Tag merkte ich, dass meine sprachliche Ausdrucksweise nicht nach Violet's Abbey passte. Ich redete in der Art und Weise, wie mein Vater mit seinen Soldaten umging, nicht wie eine junge Dame aus adliger Familie. Auch meine Tischmanieren ließen zu wünschen übrig, und ich bewunderte Dorothy, wie elegant und aufrecht sie bei Tisch saß und langsam ihre Mahlzeit aß, derweil ich das Fleisch regelrecht in mich hineinschlang. Nur wenige Tage reichten, um mich zu überzeugen, dass ich auch so wie die anderen werden wollte. Mein Heimweh, meine stetigen Gedanken an Vater schwanden, und ich begann, mich in Violet's Abbey wohl zu fühlen. Nur wenn die Sonne schien und wir über einer Stickarbeit im Zimmer sitzen mussten, konnte ich meine sehnsuchtsvollen Blicke nach draußen vor den Schwestern nicht verbergen. Dagegen genoss ich die Stunden bei der Gartenarbeit. Ich lernte, welch wunderbare Kräuter Mutter Natur gedeihen ließ und für welche Unpässlichkeiten man sie verwendete. Am meisten Spaß machten mir die Gesangsstunden und der Sonntagmorgen, wenn wir nach der Messe geistliche Lieder in der Halle sangen. Solange ich denken konnte, hatte ich immer Lieder vor mich hin gesummt und auch oft mit Vater laut gesungen.

»Du hast eine sehr schöne Stimme«, lobte Mathilda Coke mich, und ich wurde rot über das Kompliment. »Wir sollten sie weiter ausbilden lassen. Wenn du willst, Patricia, gebe ich dir jeden Sonntagnachmittag eine extra Stunde.«

Glücklich stimmte ich zu. Wenn ich sang, vergaß ich manchmal alles um mich herum und ging völlig in der Melodie auf.

Vater schrieb mir lange, ausführliche Briefe. Er berichtete über seine Arbeit, die ihm viel Freude machte, und schilderte mir den König als gerechten Herrscher. Einmal im Jahr kam er mich besuchen, und zweimal hatte ich die Gelegenheit, Weihnachten bei ihm in London zu verbringen. Einige Monate nach meiner Ankunft in Violet's Abbey erhielt mein Vater einen Lohn, den er sich nie erhofft hatte: Für seine Verdienste bei der Schlacht bei Edgehill, aus der die Royalisten als Sieger hervorgegangen waren, erteilte ihm der König den Ritterschlag. Er war nun Sir Wilborough.

So vergingen die Jahre, und langsam, aber stetig wurde eine Dame aus mir. Doch je mehr Dorothy und ich über Nähen, Sticken, Tanzen und Anmutigkeit lernten, desto weniger konnten wir die Augen vor der Lage im Land verschließen. Obwohl Market Harborough, das Städtchen, das an Violet's Abbey grenzte, weit von London entfernt lag, drangen oft beängstigende Nachrichten aus der Hauptstadt zu uns. Das Volk wurde unzufrieden mit Charles, angeblich wollte der König England wieder dem Katholizismus zuführen. Daran schuld war seine Frau Henriette Maria, die französische Papistin, wie sie gehässig genannt wurde. Der König beteuerte immer wieder, er habe einen Schwur auf die anglikanische Kirche abgelegt und würde diesen niemals brechen, auch wenn er seiner Frau erlaubte, die Riten der römischen Kirche in ihren Privatkapellen auszuüben. Doch der Druck wurde immer stärker, das Parlament verweigerte ihm Gelder, die für den Krieg gegen Schottland nötig waren. Schließlich löste der König kurzerhand das Parlament auf und bediente sich selbst aus der Staatskasse.

»König von Gottes Gnaden« – so nannte er sich, und niemand durfte ihm Vorschriften machen, wie er zu regieren hatte. Bald spaltete sich das Land in zwei Lager – die einen hielten fest und treu zum König, die anderen forderten die Wiedereinsetzung des Parlaments und größere Machtbefugnis für dieses. Und schließlich drang auch nach Violet's Abbey das fürchterliche Wort Bürgerkrieg.

Ich erinnerte mich daran, was mein Vater gesagt hatte. Seine schlimmsten Befürchtungen wurden wahr. Familien wurden gespalten: Man war entweder für oder gegen den König. Dazwischen gab es nichts. Immer häufiger hörte man nun den Namen Oliver Cromwell. Nachdem im Jahr 1643 der König einen Sieg nach dem anderen errungen hatte, folgte am 2. Juli 1644 seine bisher größte Niederlage: Die verbündeten Armeen der Schotten und des Parlaments waren mit den königlichen Truppen, unter Führung von Prinz Rupert, des Königs Neffen, bei Marston Moor in der Nähe der Stadt York aufeinander getroffen. Die Schlacht verlief blutig und erbittert. Trotz der zahlenmäßigen Überlegenheit der Parlamentarier schien ihre Niederlage besiegelt. Dann wurde Oliver Cromwell durch einen Pistolenschuss verletzt und in die Enge gedrängt. Er richtete sich aber wieder auf und erzwang mit seinen Reitern die Wende der Schlacht, die mit der völligen Niederlage des königlichen Heeres endete.

Wir saßen alle in der Halle zusammen, als die schrecklichen Nachrichten uns erreichten.

»Mein Vater!«, schrie ich entsetzt. »Er war bestimmt dabei! O mein Gott, hoffentlich ist ihm nichts passiert!«

Dorothy nahm mich beruhigend in die Arme.

»Es wird ihm nichts geschehen sein, da bin ich sicher. Ich bin nur froh, dass sich weder mein Vater noch mein Bruder in diesen Krieg einmischen.«

Dorothy hatte mir bereits viel von ihrem Bruder Martin erzählt. Er war sechs Jahre älter und in den Augen meiner Freundin ein wahrer Held. Dotty vergötterte ihn regelrecht, und ich war gespannt, ob ich dieses Wunder von einem Mann eines Tages wohl kennen lernen würde.

Als nach endlosen Wochen des Wartens endlich einen Brief von meinem Vater eintraf, war ich grenzenlos erleichtert. Ihm war nichts geschehen. Er hielt sich in dem Brief jedoch bedeckt, was den Krieg anging. Wahrscheinlich fürchtete er eine Zensur, so dass ich nicht wirklich erfuhr, was im Land vor sich ging. Aufs Neue betonte er, er sei sehr froh, mich in Sicherheit zu wissen, und ich solle unter allen Umständen in Violet's Abbey bleiben.

Hatten wir bisher die Kriegsereignisse nur am Rande mitbekommen, so wurden wir im Juni 1645 mitten in das Geschehen hineingezogen. Nur wenige Meilen von der Schule entfernt, bei der kleinen Stadt Naseby, standen sich die verfeindeten Heere erneut gegenüber. Es war eine furchtbare Schlacht, in der der König unterlag. Hatte er ein Jahr zuvor bei Marston Moor nur seine Armee verloren, bei Naseby verlor er den Krieg. Zwar hielten sich im Westen noch royalistische Anhänger, vor allem in Wales und Cornwall, doch sie waren zerstreut und entmutigt. Zudem war den Parlamentariern umfangreiche Korrespondenz des Königs, die seinem Ansehen weiter schadete, in die Hände gefallen. König Charles hatte geplant, das Ausland in den Bürgerkrieg zu verwickeln. Seine Kontakte zu den aufständischen Katholiken in Irland bestärkten das Parlament in seinen Bemühungen, England von den Papisten freizuhalten. Dem König gelang die Flucht, und ich bangte erneut um meinen Vater.

Einen Tag nach der verheerenden Schlacht traf ein Trupp Rundköpfe, wie die Armee von Oliver Cromwell auf Grund ihres Haarschnitts genannt wurde, in Violet's Abbey ein. Wir Schülerinnen zogen uns sicherheitshalber in die Zimmer zurück und harrten der Dinge, die da kommen sollten.

»Was werden sie mit uns tun?«, fragte Mary ängstlich.

Ihre Angst war nur zu verständlich, waren wir doch alle Töchter aus adligen Häusern. Unsere Väter standen auf der Seite des Königs, hatten teilweise, so wie mein Vater, neben ihm gekämpft.

»Wir sind ja noch Kinder«, sagte ich und bemühte mich um einen beherzten Tonfall. »Man wird uns nichts tun!«

Tatsächlich hatten die Rundköpfe kein Interesse an den Schülerinnen. Ihnen ging es vielmehr darum, in Violet's Abbey eine Unterkunft für die Verwundeten einzurichten.

»Es ist Eure christliche Pflicht, den Männern zu helfen«, sagte der Anführer der Truppe zu Bertha und Mathilda Coke, die aufrecht und stolz vor ihm standen.

»Ihr scheint zu vergessen, Oberst, dass wir ausschließlich junge Mädchen, beinahe noch Kinder, im Haus haben«, antwortete Mathilda Coke mit fester Stimme. »Der Anblick von verwundeten Männern ist wohl nicht gerade das, was man jungen Damen zumuten sollte.«

Der Oberst lachte laut auf.

»Junge Damen? Ach, die Zeiten sind vorbei. Keines Eurer Mädchen wird am Hof des Königs tanzen! Je eher sie mit dem wahren Leben konfrontiert werden, desto besser!«

»Aber die Bekleidung der Männer lässt sicherlich zu wünschen übrig! Wir können das nicht verantworten«, warf Bertha ein.

»Hier hat nur einer etwas zu verantworten, Miss!«, polterte Oberst Templeton los. »Ich habe es auf die freundliche Art versucht. Wenn Ihr jedoch Widerstand leistet, sehe ich mich leider gezwungen, das Haus zu beschlagnahmen! Das Recht dazu ist auf unserer Seite.«

Bertha Coke war keinen Schritt zurückgewichen. Fest blickte sie dem Mann in die Augen.

»Tut, was Ihr tun müsst«, sagte sie leise. »Aber wir werden unsere Schülerinnen vor eventuellen Zugriffen Eurer Männer zu schützen wissen.«

Die Schwestern wandten sich hocherhobenen Kopfes um und verließen die Halle. Dorothy, Mary und ich hatten uns hinter der Balustrade im ersten Stock versteckt und das Gespräch mit angehört. Dorothy zitterte vor Angst.

»Was wird nun geschehen?«, flüsterte sie.

Ich versuchte ihr beruhigend übers Haar zu streichen, konnte jedoch das Zittern meiner Hände nicht verbergen.

»Pst, es wird schon alles gut werden.«

Innerhalb der nächsten Stunden herrschte ein unbeschreibliches Durcheinander in den alten Mauern. Im Speisesaal mussten wir die Tische und Stühle forträumen. Bereits am Abend trafen die ersten Verwundeten ein, und bald reihte sich eine Trage an die andere. Der Oberst sprach in der Halle zu allen Mädchen:

»Jeder von euch werden Aufgaben zugeteilt. Es gilt, zuerst die Verwundeten zu versorgen und ihre Schmerzen zu lindern. Wir werden dann die Verletzten nach und nach abtransportieren.«

Entsetzt sahen wir uns an. Bisher hatte es in unserem Leben nur erfreuliche Dinge gegeben. Mit Schmerzen, Wunden und sogar Toten waren wir alle noch nie konfrontiert worden.

»Ich will nach Hause«, weinte Catharine, die vierzehnjährige Tochter eines Landedelmannes aus Yorkshire. »Wenn meine Eltern wüssten, welchen Zumutungen wir hier ausgesetzt sind, würden sie mich sofort abholen kommen!«

Doch Oberst Templeton hatte jeglichen Briefverkehr untersagt.

»Wir befinden uns im Krieg«, brüllte er laut und vernehmlich.

Wir drückten uns an die Wände des Speisesaals. Keine von uns war ohne Angst. Einzig die Schwestern Coke schienen über den Dingen zu stehen. Mit ruhigen und ausdruckslosen Gesichtern erteilten sie ihre Anweisungen. Sie hatten sich in die Situation gefügt, und ich wusste, wir mussten es ihnen gleichtun. Es blieb uns keine andere Wahl.

Erschüttert gingen Dorothy und ich durch die Reihen der Verwundeten. Dorothy klammerte sich an meinen Arm. Sie war schneeweiß im Gesicht.

»Ich kann das nicht«, stammelte sie und übergab sich im nächsten Augenblick in eine Ecke. Ich hielt ihren Kopf.

»Wir müssen da durch, Dotty! Ich finde es auch schrecklich. Aber am schlimmsten ist es, dass die Männer hier unsere Feinde sind. Ich weiß nicht, wie es meinem Vater geht, ob er überhaupt noch lebt. Vielleicht hat ihn einer dieser Soldaten sogar getötet!

Eine unbändige Wut stieg in mir hoch. Was hatte ich, verdammt noch mal, mit diesem Krieg zu tun? Ich war ein Mädchen von gerade dreizehn Jahren, das auf ihre Rolle in der Gesellschaft vorbereitet wurde. Ich hatte keine Lust auf Eiter und Blut. Ach Vater, betete ich stumm, bitte, komm bald und hol mich hier raus!

Ich biss die Zähne zusammen und machte mich an die Arbeit. Wir wuschen Wunden aus, die eiterten und von dicken, schwarzen Fliegen besetzt waren, und legten notdürftige Verbände an. Bereits nach zwei Tagen war der gesamte Vorrat der Schule an Leintüchern und Handtüchern, die zu Binden zerrissen wurden, aufgebraucht. Dorothy hielt die Köpfe der stinkenden Männer, damit die verdorrten Lippen trinken konnten. Sie goss Wasser über fiebrige heiße Stirnen und in offene Wunden, um den Eiter herauszuspülen. Angespannt beobachtete ich Dorothy. Meine Sorge, sie würde jeden Moment umkippen, erwies sich jedoch als unbegründet. Zwar schüttelte sie sich vor Ekel, doch in ihrem weichen Herz regte sich mit jeder Stunde mehr Mitleid für die Männer.

»Es ist ganz egal, auf welcher Seite sie stehen. Es sind Menschen, denen wir helfen können, ihre Schmerzen ein wenig zu lindern.«

Ich konnte ihre Meinung nicht teilen. Für mich waren die Männer Feinde, und ich sah in den Wunden und Verletzungen die gerechte Strafe für ihr Handeln.

Meine Freundin wuchs in diesen Tagen über sich hinaus. Wir arbeiteten von Sonnenaufgang bis spät in die Nacht. In den wenigen Stunden, in denen wir ruhen durften, weinte Dorothy sich in den Schlaf.

Täglich hallte der Ruf: »Der hier ist tot, schafft ihn hinaus!« durch die Halle.

Im Obstgarten wurde ein Friedhof angelegt, wo sich bald ein namenloses Grab an das nächste reihte. Eine gespenstische Stille legte sich über diesen Teil des Parks. Nie wieder würden wir in den Nachmittagsstunden hier unbeschwert herumtollen und Fangen spielen.

Überhaupt hatte sich ganz Violet's Abbey verändert. Alle Kühe, Schweine und Hühner wurden von Oberst Templeton geschlachtet. Die Männer brauchten etwas zu essen. Die Gesunden der Truppe kampierten in den Gärten und verwandelten den Rasen in ein einziges Schlachtfeld. Der Oberst selbst inspizierte die Räume und eignete sich alles Wertvolle an.

»Das ist eine Schule für Mädchen aus verräterischen Familien«, sagte er kalt. »Die Zeiten des Luxus und des Prunks sind vorbei. Statt die Kinder von kostbaren Tellern essen zu lassen, tätet Ihr besser daran, ihnen Gottesfürchtigkeit und Gehorsam zu lehren.«

Bertha Coke senkte stumm den Kopf. Was sollte sie auch sagen oder tun? Die Parlamentarier waren eindeutig am längeren Hebel. Wir wollten nur, dass die Männer so schnell wie möglich wieder abzogen.

Vier Wochen mussten wir warten. Vier lange, endlose und qualvolle Wochen. Wir Mädchen waren alle am Rande unserer Kräfte. Es erschreckte mich, dass sich mit der Zeit eine Art Abstumpfung bemerkbar machte. Es war zur Routine geworden, Menschen sterben zu sehen. Ich war erschüttert, als ich dachte: Gut so, wieder ein hungriges Maul weniger.

Dann trafen Wagen ein, und die Verwundeten wurden nach und nach abtransportiert. Wohin, sagte man uns nicht. Es interessierte uns auch nicht. Wir wollten nur wieder Ruhe haben. Dennoch wussten wir, nach diesen Wochen würde unser Leben niemals wieder so unbeschwert sein wie zuvor.

Als endlich alle weg waren und der letzte Wagen Violet's Abbey verlassen hatte, starrten wir auf die Verwüstungen, die die Soldaten hinterlassen hatten. Plötzlich ergriff Mary meine und Dorothys Hand, sie juchzte befreit auf, und wir tanzten ausgelassen durch die Halle.

Bertha Coke klatschte in die Hände und rief:

»Jetzt machen wir hier sauber, und heute Abend gibt es ein Festmahl. Ein wenig haben die Barbaren uns ja noch übrig gelassen!«

Dorothys Eltern hatten von den Ereignissen in Violet's Abbey erfahren. Sie schrieben, Dotty solle sofort für einige Wochen nach Hause kommen. Ihre Augen leuchteten, als sie den Brief las.

»Und du kommst mit, Pat!«, rief sie.

Ich nahm dankbar an. Noch immer hatte ich keine Nachricht von meinem Vater erhalten. Ja, es war wirklich das Beste, die Schule für einige Zeit zu verlassen. Vielleicht würden wir dann alles vergessen können.

Der Landsitz Blickland Hall lag idyllisch vor den Toren Oxfords. Ich mochte das alte große Fachwerkhaus sofort. Es strahlte eine heimelige Atmosphäre aus. Hier war von den schrecklichen Kriegsereignissen weit und breit nichts zu bemerken.

Lady Elisabeth und Sir William Blickland begrüßten mich wie eine eigene Tochter und taten alles, damit wir uns erholen konnten. Hätte mich nicht die Sorge um meinen Vater beunruhigt, wäre ich richtig glücklich gewesen.

»Es ist so schön, dass Dorothy eine Freundin gefunden hat«, sagte Dorothys Mutter. »Betrachte bitte unser Haus von heute ab auch als dein Heim, Patricia. Du bist uns immer willkommen!«

Wir verlebten wundervolle Wochen. Bereits am ersten Abend konnte ich Dottys Begeisterung für ihren Bruder Martin teilen. Er war groß und schlank. Sein muskulöser Körper bewies, dass er sich viel zu Pferd und im Freien aufhielt. Dementsprechend gebräunt war sein Gesicht, das manchmal einen ernsten, nachdenklichen Ausdruck zeigte, der nicht ganz zu einem erst Zwanzigjährigen passte. Er trug sein blondes Haar recht kurz geschnitten, und in den grünen Augen funkelten goldene Sprenkel. Um es kurz zu sagen: Nach einer Woche hatte ich mich in Martin Blickland verliebt. Sicher, ich war eigentlich noch ein Kind, aber nur beinahe! Martin behandelte mich nicht als solches.

Das Wetter meinte es gut mit uns, und so ritten wir drei täglich zusammen aus. Martin war ein großartiger Reiter, er beherrschte das Pferd mit leichtem Schenkeldruck. Nun, ich konnte es ihm fast gleichtun. So kam es, dass wir Dotty regelmäßig abhängten.

»Auf! Wir galoppieren um die Wette!«, rief Martin. »Wer zuerst bei der alten Kate ist, hat gewonnen!« Und schon preschte er los.

Aber ich hielt mit. Wir kamen fast gleichzeitig bei der Hütte an, und Martin wischte sich lachend über die schweißnasse Stirn.

»Du reitest sehr gut, Patricia«, bemerkte er anerkennend. »Kaum zu glauben, dass du erst dreizehn bist!«

»Mein Vater hat es mir beigebracht. Wir sind früher immer zusammen ausgeritten. Außerdem ...«, auf meiner Stirn bildete sich eine Falte, ich schluckte und fuhr fort: »... die Schlacht von Naseby ist weder an Dotty noch an mir spurlos vorübergegangen. Manchmal habe ich das Gefühl, als sei ich in den Wochen um Jahre gealtert.«

Natürlich hatten wir mit der Familie über alles gesprochen. Während Lady Elisabeth entsetzt aufstöhnte und immer wieder: »Oh, mein Gott, wie schrecklich!«, jammerte, war Martin stumm geblieben. Jetzt griff er nach meiner Hand.

»Es ist schlimm, was ihr erlebt habt. Aber ich denke, man kann nicht früh genug auch die Schattenseiten des Lebens kennen lernen. Es ist nicht gut, wenn man sich zu lange Illusionen hingibt. Irgendwann muss nämlich jeder erwachen, je früher, desto besser.«

Verwirrt starrte ich Martin an. Mir kam es vor, als habe er gar nicht zu mir gesprochen. Sein Blick ging in die Ferne, und um seinen Mund lag ein missbilligender Zug.

»Martin?«, flüsterte ich.

Er wandte sich mir zu. Sein Gesichtsausdruck wurde wieder freundlich, der nachdenkliche Ausdruck war verschwunden, und er lächelte mich an.

»Du bist wirklich ein besonderes Mädchen, Patricia. Und ein sehr hübsches dazu.«

Ja, das war der Martin, den ich kannte. Kein Schatten lag mehr zwischen uns.

Er hielt Ausschau nach seiner Schwester. Dorothy trabte auf ihrer Stute langsam auf uns zu.

»Sie braucht noch etwas Übung«, lachte er. »Komm, wir wollen ihr entgegenreiten.«

So verliefen die Tage in völliger Harmonie. Der August verwöhnte uns mit Sonne und hohen Temperaturen. An den Wochenenden veranstalteten Lord und Lady Blickland Gartenpartys, an denen wir, obwohl noch so jung, teilnehmen durften. Martin tanzte regelmäßig mit mir. Unnötig zu sagen, dass er auch hier eine glänzende Figur machte. jetzt wusste ich, warum ich in den letzten Jahren Tanzstunden genommen hatte. Vater hatte Recht gehabt: Man konnte einem Mann zwar imponieren, wenn man eine gute Reiterin war. Beim Tanzen jedoch kam ich Martin viel, viel näher. Danke, Papa, sagte ich insgeheim und wünschte mir, er könnte jetzt bei mir sein und an meinem Glück teilhaben.

In der Nacht nach dem letzten Fest kam Dotty in mein Zimmer geschlichen. Sie setzte sich auf mein Bett und nahm meine Hand.

»Pat, weißt du, dass ich sehr glücklich bin?«

Ich drückte ihre Hand.

»Ich hoffe es!«

»Ach, Pat, Martin mag dich, da bin ich ganz sicher! So wie dich hat er noch nie ein Mädchen behandelt!« Mein Herz schlug heftig. Gut, dass es im Zimmer dunkel war, sonst hätte Dotty sehen können, wie mir die Röte in die Wangen stieg. Wollte meine Freundin das Gleiche andeuten, an das ich in den letzten Tagen auch gedacht, nein, gehofft hatte. »Wäre es nicht schön, wenn du immer in Blickland Hall leben würdest?«, fuhr Dotty fort.

»Daran zu denken, ist es wohl noch etwas früh«, wandte ich ein. »Wir werden noch einige Jahre zur Schule gehen.«

»Ich mache mir da keine Sorgen. Mein Bruder hat dich wirklich gern, Pat. Stell dir vor, wenn du ihn heiratest, werden wir richtige Schwestern!«

Mein Herz schlug einen Trommelwirbel nach dem anderen. Ja, ich war verliebt in Martin Blickland, und die Vorstellung, ihn zu heiraten, war verlockender als alles andere auf der Welt. Hatte ich wirklich erst vor kurzer Zeit gedacht, meinen Vater niemals verlassen zu können? Die Liebe veränderte alles.

Wir blieben bis Ende September. Dann waren die unbeschwerten Sommermonate zu Ende, und wir kehrten nach Violet's Abbey zurück.

Die schrecklichen Wochen der Besetzung würden wir alle niemals vergessen, doch das Leben ging weiter. Wir setzten unseren Unterricht fort, und mit den Monaten zog auch das Lachen wieder in der Schule ein. Nach der Schlacht bei Naseby schien der Bürgerkrieg vorbei zu sein, zumindest die Kämpfe hatten ein Ende gefunden. Der König war zuerst nach Oxford, dann in den Norden nach York geflüchtet. Seine Gattin, Königin Henriette Maria, verließ England mit ihrem Sohn Charles, dem Prinzen von Wales. Sie setzten in die Niederlande über, um dort finanzielle und militärische Hilfe für die Sache des Königs zu erbitten. Der Neffe des Königs, Prinz Rupert von der Pfalz, erlitt eine vernichtende Niederlage in Bristol und musste die Stadt nach einer Belagerung beinahe kampflos den Feinden überlassen. Prinz Rupert gelang die Flucht zu seinem Onkel, der inzwischen in York eingetroffen war. Es hieß, er stehe in Verhandlungen mit den Schotten. Diese sollten ihn mit einem riesigen Heer unterstützen, dafür würde der König Zugeständnisse gegenüber der schottischen katholischen Kirche machen. Außerdem knüpfte König Charles Kontakte zu Irland und bat auch dort um Unterstützung durch ein Heer. Besonders die Zugeständnisse an die katholische Kirche machten Oliver Cromwell in höchstem Maße wütend. Das war in den Augen der Parlamentarier Verrat an der anglikanischen Kirche, hatte der König bei seiner Krönung doch geschworen, die Grundsätze und Regeln der englischen Kirche immer zu respektieren.

Dies alles erfuhren wir meistens erst mit wochenlanger Verzögerung. Natürlich harrten wir der Dinge, die in England geschahen.

Aber eigentlich waren wir glücklich und zufrieden, solange nicht wieder eine Schlacht in der Nähe von Violet's Abbey stattfand.

Der glücklichste Moment für mich war, als ich endlich einen Brief von meinem Vater erhielt:

Sorge dich nicht um mich, mein Kind, schrieb er. Ich bin an der Seite des Königs. Er braucht jetzt jede Unterstützung. Ich weiß nicht, wann wir uns wieder sehen können. Zu meinem großen Entsetzen musste ich erfahren, dass die Parlamentarier unser Haus in London konfisziert haben. Aber sobald der König seine Macht wiedererlangt hat, wird alles in Ordnung kommen.

Patricia, mein Mädchen, sollte mir etwas geschehen, wende dich bitte an deinen Onkel Jonathan Hughes. Er ist der Bruder deiner Mutter und, soweit mir bekannt, dein einziger Verwandter. Zuletzt lebte er in der Stadt Lostwithiel in Cornwall.

Ich schrie auf und presste den Brief an meine Brust. Sollte mir etwas geschehen ... Nein, daran durfte mein Vater nicht einmal denken, geschweige denn diese Worte zu Papier bringen!

»Du wirst zurückkommen, Papa«, flüsterte ich und wischte mir eine Träne aus dem Augenwinkel. Zum ersten Mal hörte ich von der Existenz eines Onkels, wollte das aber sofort wieder vergessen. Sicher würde es niemals nötig sein, ihn aufzusuchen, denn mein Vater käme bestimmt bald zu mir zurück.

Im Sommer 1646 begleitete ich Dorothy wieder nach Blickland Hall. Voller Freude begrüßte ich Martin, den ich im letzten Jahr nicht vergessen hatte. Doch bereits am ersten Abend fiel mir auf, dass der angespannte Gesichtsausdruck sich vertieft hatte. Auch schien Martin viel von seiner Fröhlichkeit eingebüßt zu haben.

»Was ist denn mit deinem Bruder los?«, fragte ich Dorothy, als wir uns zurückgezogen hatten.

Sie sah mich mit ihren großen blauen Augen unschuldig an.

»Warum?«

»Nun, ich finde, er hat sich seit letztem Jahr verändert. Beim Abendessen schien er mir etwas bedrückt zu sein.«

Dorothy schüttelte den Kopf.

»Ach nein, das meinst du nur, weil wir ihn so lange nicht mehr gesehen haben. Aber sieht er denn nicht göttlich aus?«

Ich lachte und umarmte die Freundin. Dorothy bewunderte nicht nur ihren großen Bruder, sie betete ihn regelrecht an.

Wir verlebten erneut schöne Tage mit langen Ausritten und Picknicks unter schattigen Bäumen. Martin war stets höflich und zuvorkommend. Doch ich war nicht davon abzubringen: Irgendetwas hatte ihn verändert.

Ich war ungefähr drei Wochen in Blickland Hall, als es zum Eklat kam. Wir hatten Martin den ganzen Tag über nicht gesehen. Als wir uns zum Dinner setzten, blickte Sir William vorwurfsvoll auf die Uhr.

»Wo ist denn der Junge?«, fragte er barsch.

Seine Frau zuckte die Schultern. Im selben Moment wurde die Tür aufgerissen, und Martin stürmte erhitzt herein.

»Entschuldigung«, murmelte er und setzte sich auf seinen Platz.

»Wie siehst du denn aus?«, herrschte sein Vater ihn an. Tatsächlich trug Martin noch Reitkleidung, sein Gesicht war ungewaschen, und das Haar hing ihm wirr in die Stirn.

Martin griff ungerührt nach der Schüssel mit den Kartoffeln und häufte sie sich auf den Teller.

»Ich war bei einer Versammlung in Oxford«, sagte er. »Es hat etwas länger gedauert. Ich habe mich bereits entschuldigt.«