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Eine Welt voller Glamour und Gefahr: Die große Familiensaga »Die Santangelos: Freundinnen und Feinde« von Jackie Collins jetzt als eBook bei dotbooks. Der betörende Glanz falscher Versprechen … Viele haben schon versucht, diese Raubkatze zu zähmen – doch bisher ist es niemandem gelungen: Mit größter Leidenschaft und einem kühlen Lächeln führt Lucky Santangelo das Las-Vegas-Imperium ihres Vaters. Sie liebt Geld, Champagner, knackige Kerle … und weiß nur zu gut, dass es Menschen gibt, die sie beneiden und viel dafür geben würden, um den Stern des Hauses Santangelo sinken zu sehen. Aber droht Lucky womöglich auch Gefahr, mit der sie niemals rechnen würde: aus den Reihen ihrer eigenen Familie … und vor allem von den Männern, denen sie ihr Herz schenkt? Der zweite Band der mitreißenden Saga über Machthunger, Verbrechen und die Hoffnung auf das große Glück: »Es ist unmöglich, dieses Buch zur Seite zu legen!« Wall Street Journal Jetzt als eBook kaufen und genießen: »Freundinnen und Feinde« aus der großen Familiensaga »Die Santangelos« von New-York-Times-Bestsellerautorin Jackie Collins – ein Lesevergnügen für alle Fans von Louise Bay, der »Bourbon Kings«-Reihe von J.R. Ward und der TV-Serie »Dynasty«. Wer liest, hat mehr vom Leben! dotbooks – der eBook-Verlag.
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Seitenzahl: 604
Über dieses Buch:
Der betörende Glanz falscher Versprechen … Viele haben schon versucht, diese Raubkatze zu zähmen – doch bisher ist es niemandem gelungen: Mit größter Leidenschaft und einem kühlen Lächeln führt Lucky Santangelo das Las-Vegas-Imperium ihres Vaters. Sie liebt Geld, Champagner, knackige Kerle … und weiß nur zu gut, dass es Menschen gibt, die sie beneiden und viel dafür geben würden, um den Stern des Hauses Santangelo sinken zu sehen. Aber droht Lucky womöglich auch Gefahr, mit der sie niemals rechnen würde: aus den Reihen ihrer eigenen Familie … und vor allem von den Männern, denen sie ihr Herz schenkt?
Der zweite Band der mitreißenden Saga über Machthunger, Verbrechen und die Hoffnung auf das große Glück: »Es ist unmöglich, dieses Buch zur Seite zu legen!« Wall Street Journal
Über die Autorin:
Jackie Collins (1937–2015) wurde in London als Tochter eines bekannten Theateragenten geboren; ihre Schwester ist die Schauspielerin Joan Collins. Jackie flog als Teenager von der Schule, gerüchteweise, weil sie eine kurze Affäre mit dem doppelt so alten – und weltberühmten – Marlon Brando hatte. Nach einem kurzen Ausflug in die Filmindustrie, bei dem sie in England und Amerika für Kinofilme und Fernsehserien vor der Kamera stand, fand sie ihre wahre Passion – und begann zu schreiben. Jackie Collins‘ Debüt wurde 1968 sowohl ein internationaler Bestseller als auch ein Skandal, weil sie ohne falsche Scham über starke Frauen und deren Liebesleben schrieb. Zahlreiche ihrer mehr als 30 Romane, die sich weltweit über 500 Millionen Mal verkauften, wurden verfilmt. Jackie Collins war zweimal verheiratet und die Mutter von drei Töchtern.
Mehr Informationen über die Autorin auf ihrer Website: www.jackiecollins.com
Bei dotbooks erschien Jackie Collins große Familiensaga rund um die ebenso leidenschaftliche wie skrupellose Lucky Santangelo: »Die Santangelos: Der Weg nach oben«, »Die Santangelos: Freundinnen und Feinde«, »Die Santangelos: Der Traum von Hollywood«, »Die Santangelos: Eiskalte Rache« und »Die Santangelos: Träume und Intrigen«.
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eBook-Neuausgabe August 2022
Die englische Originalausgabe erschien erstmals 1985 unter dem Originaltitel »Lucky« bei Pan Macmillan, London. Die deutsche Erstausgabe erschien 1998 unter dem Titel »Lucky Boss« im Knaur-Verlag.
Copyright © der englischen Originalausgabe 1985 by Jackie Collins
Copyright © der deutschen Erstausgabe 1998 Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München
Copyright © der Neuausgabe 2022 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von shutterstock.com
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ts)
ISBN 978-3-98690-257-5
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Jackie Collins
DIE SANTANGELOS:Freundinnen und Feinde
Roman
Aus dem Englischen von Christine Frauendorf-Mössel
dotbooks.
Im Gedenken an Kimberley.
Wir haben dich nicht vergessen.
Mai 1984, Los Angeles
Die Geschworenen betraten in stummer Reihe den Gerichtssaal. Sekunden später, als der Richter erschien, ging ein erwartungsvolles Raunen durch die vollbesetzten Zuschauerreihen.
Lucky Santangelo stand aufrecht und unbewegt in der Anklagebank. Sie hatte den Blick starr und ausdruckslos nach vorn gerichtet ... eine wilde, dunkle Schönheit ... trotz allem.
Der Richter nahm auf seinem Sessel Platz, setzte seine große Hornbrille auf und räusperte sich geräuschvoll. »Meine Damen und Herren Geschworenen, haben Sie ein Urteil gefällt?«
Der Sprecher der Geschworenen trat vor. Er war ein bläßlicher Mann mit einem störend zuckenden Gesichtsnerv. »Ja, Euer Ehren«, nuschelte er kaum vernehmbar und reizte damit den Richter zu der ärgerlichen Aufforderung: »Sprechen Sie bitte lauter!«
»Ja, wir sind zu einem Urteil gelangt, Euer Ehren«, wiederholte der Sprecher der Geschworenen, dessen Gesichtsnerv nun stärker und damit deutlich sichtbar zu zucken begann.
»Dann übergeben Sie bitte Ihr Urteil dem Gerichtsdiener«, fuhr der Richter ihn giftig an.
Der Sprecher der Geschworenen entsprach der Aufforderung. Der Gerichtsdiener nahm das gefaltete Urteilsformular entgegen und brachte es sofort dem Richter, der es aufmerksam betrachtete.
Im Gerichtssaal herrschte gespannte Stille ... eine Stille, die so schwer über dem Raum zu lasten schien, daß Lucky sie wie eine Woge der Anklage empfand.
Obwohl sie den Richter nicht ansah, beobachtete sie aus den Augenwinkeln, wie er das Urteil las und das Formular dem Gerichtsdiener zurückgab. Sie schloß für einen Moment ihre opalfarbenen Augen und sandte ein Stoßgebet zum Himmel. Sie, Lucky Santangelo, war des Mordes angeklagt, und der nächste Augenblick sollte über ihr weiteres Schicksal entscheiden.
Sie versuchte, tief und gleichmäßig zu atmen; versuchte ruhig zu bleiben, sich zu konzentrieren und optimistisch zu sein.
Der Gerichtsdiener erhob die Stimme.
O, Gott! Das konnte doch gar nicht sie sein, der das alles geschah! Nicht ihr, Lucky Santangelo. Nicht ihr!
Sie hielt den Kopf hoch erhoben. Immerhin war sie eine echte Santangelo. Nichts konnte sie erschüttern. Absolut nichts!
Schließlich war sie unschuldig.
War sie es denn nicht?
War sie es nicht ...?
Lennie Golden war ganze dreizehn Jahre lang nicht mehr in Vegas gewesen, obwohl er in dieser Stadt gezeugt und geboren worden war und die ersten siebzehn Jahre seines Lebens hier verbracht hatte.
Als er aus dem Flugzeug stieg, sah er sich kurz um, hob die Nase und atmete tief durch. Die Stadt roch noch genau wie früher.
Auf dem Flugplatz herrschte die übliche, hektische Menschenansammlung aus leidenschaftlichen Spielern, Touristen und jenem Durchschnitts-Amerika, das hier etwas erleben wollte. Männer mit breiten Hintern schoben sich neben molligen Wasserstoffblondinen in Hosenanzügen aus Synthetikstoffen und behängt mit falschem Schmuck durch die Menge. Zwischendrin hörte man das Wimmern von Kindern, während mobil arbeitende Angehörige des horizontalen Gewerbes daherschlenderten in Bikinioberteil und hautengen Hot pants, unter denen sich scharf ihr Schoß abzeichnete, um Geschäfte zu machen. Dunkelhäutige Ausländer mischten sich darunter, die den Aktenkoffer fest in der Hand hielten und in Begleitung ihrer strohblonden Mätressen Knoblauchdunst verbreiteten.
Jess war gekommen, um ihn abzuholen. Nur einen Meter sechzig groß und mit dem erstaunlich hübschen Gesicht hatte sie etwas von einem Lausbuben an sich ... und genau das war sie in der Schule auch gewesen. Sie hatte von jeher die Gesellschaft von Jungen vorgezogen ... und ganz besonders die von Lennie. Seit der ersten Klasse waren sie unzertrennliche Freunde, und ihre erstaunlicherweise platonische Beziehung hatte die Jahre überdauert und, im Gegenteil, sich eher noch gefestigt; und das, obwohl sie sich nur selten sahen, seit Lennie von Las Vegas nach New York gegangen war.
Sie gaben ein ungleiches Paar ab, Lennie, der hochgewachsene, schlanke Mann mit dem aschblonden Haar und den meergrünen Augen, eine größere Ausgabe von Robert Redford, mit einem Touch von Chevy Chase, und die kleine Jess, mit den großen Kulleraugen, dichtem rotem Haar, Sommersprossen und dem Körper einer Miniaturausgabe eines Playboy-Playmates.
Sie warf sich in seine Arme. »Schön, daß du wieder da bist! Du siehst phantastisch aus für einen Kerl, der hauptberuflich durch die Betten der Damenwelt wandert. Wie machst du das nur?«
»He!« Er schwenkte sie wie eine Stoffpuppe durch die Luft. »Und das fragst ausgerechnet du?«
Sie kicherte und schmiegte sich kurz an ihn. »Ich mag dich rasend gern, Lennie Golden. Willkommen zu Hause!«
»Ich mag dich auch, Äffchen!«
»Nenn mich gefälligst nicht so!« protestierte sie. »Ich bin eine respektable, verheiratete Frau mit einem Kind und allem Drum und Dran. Behandle mich also gefälligst wie eine Lady, Lennie!«
Lennie brach in schallendes Gelächter aus. »Wenn du eine Lady bist, bin ich Raquel Welch.«
Sie packte ihn beim Arm. »Also dein Busen ist wirklich toll!«
Lachend schlenderten sie dem Ausgang zu.
»Na, wie war der Flug?« erkundigte sie sich schließlich und versuchte, ihm seinen verbeulten Koffer abzunehmen.
Lennie behielt das Gepäckstück entschlossen in der Hand. »Lang und langweilig. Wenn der liebe Gott wirklich gewollt hätte, daß wir fliegen, hätte er sicher für mehr Stewardessen gesorgt.«
»Hast du’s mit einer gemacht?« Sie zwinkerte ihm wissend zu.
»Aber und wie!«
»Wirklich?«
»Glaubst du, ich könnte dich belügen?« konterte er.
Jess lachte. Sie hatte eine Mimik, die die Leute veranlaßte, stehenzubleiben und sie verwundert anzustarren. »Du würdest sogar den Papst belügen, wenn du dadurch die Chance hättest, über die Runden zu kommen.«
»Und dort geht sie hin ...«, sang er leise.
»Wo? Wer?« Jess drehte sich automatisch nach Lennies vermeintlicher Eroberung um und sah lediglich eine Nonne.
»Ich hab dir doch gesagt, daß sich mein Geschmack geändert hat«, behauptete er ernst.
»Wirklich, sehr witzig!« Sie zielte mit der Faust auf seine Magengegend.
Lennie hob abwehrend die Hand. »Halt, nicht doch! Mir haben Sie gerade die Zunge operiert!«
»Wie bitte?«
»Erinnerst du dich an die Aufnahmen zur ›Lee Bryant Show‹? Ich hab dir doch von meiner Nummer darin erzählt.«
»Ja.«
»Sie haben meinen 4-Minuten-Spot auf dreißig Sekunden zusammengeschnitten. Wenn du gerade rülpst, verpaßt du mich glatt.«
Jess runzelte die Stirn. »Idioten. Die wissen gar nicht, was gut ist. Aber jetzt bist du erst mal wieder in Vegas. Mit deinem Humor und den witzigen Sketchen wirst du hier der Renner der Saison.«
»Na klar. In der Bar des Magiriano-Hotels mache ich bestimmt Furore.«
»Es ist eben mal was anderes. Vielleicht brauchst du genau das. Wer weiß, wozu’s gut ist?«
»Ach komm, Jess! Du quatschst ja schon wie mein Agent. Mach diesen und jenen Mist, und bevor du so recht weißt, wie’s dir geschieht, kriegst du eine Stammnummer in der Carson Show!«
»Dein sogenannter Agent ist ein Idiot!« Jess rümpfte die Nase. »Du bist ein großartiger Komiker. Ich sollte dich managen! Ich meine, immerhin habe ich dir dieses Engagement hier verschafft, stimmt’s?«
»Wieviel willst du ... zehn Prozent?«
Jess lachte übermütig. »Glaubst du, ich gebe wegen dir den Titel, die beste Geberin beim Blackjack von Vegas zu sein, auf? Hältst du mich für verrückt? Du kannst dir deine zehn Prozent sonstwohin stecken, mein Lieber!«
Sie kamen an einer Damentoilette vorbei. »Warte einen Augenblick«, bat Jess Lennie. »Ich bin so aufgeregt, weil du da bist, daß ich mal muß.«
Lennie lachte und lehnte sich gegen die Wand, während Jess in der Toilette verschwand. Jess war wirklich eine echte Freundin. Er hatte sie erst zwei Wochen zuvor angerufen und ihr gesagt, daß er um jeden Preis aus New York heraus müsse.
»Kein Problem«, hatte sie ohne Zögern geantwortet. »Matt Traynor, der Unterhaltungschef des Hotels, in dem ich arbeite, ist ganz scharf auf mich. Schick mir ein Videoband von dir, dann bringe ich ihn dazu, dich zu engagieren.«
Er hatte das Band geschickt, und Jess hatte ihm das Engagement verschafft. Sie war wirklich ein wahrer Freund.
Träge beobachtete er ein dunkelhaariges Mädchen, das in kurzen Ledershorts und roter Bluse vorbeiging. Sie marschierte durch die Menschenmenge, als gehöre der Flugplatz ihr allein. Lennie gefiel ihre Aufmachung, ganz zu schweigen von ihrer Figur.
Mein Gott, war er wirklich noch nicht frei davon? Er und Eden hatten sich ein halbes Jahr zuvor getrennt, und noch immer verglich er jede attraktive Frau, die ihm über den Weg lief, mit ihr. Auch jetzt passierte ihm das. Die Affäre mit Eden Antonio war noch nicht überstanden. Darüber mußte er sich endlich klarwerden.
In diesem Moment trat Jess aus der Damentoilette und drückte seine Hand. »Es ist herrlich, daß du da bist«, seufzte sie. »Du mußt mir einfach alles erzählen.«
»Alles? In meinem Fall ist das eine Karriere, die keine zu werden scheint, und ein verkorkstes Liebesleben.«
»Klingt aufregend. Was gibt’s sonst noch Neues?«
Sie hatten inzwischen die Flughafenhalle verlassen, und die Hitze der Wüste schlug ihnen wie eine Welle entgegen.
»Mann!« entfuhr es ihm unwillkürlich. »Ich hatte ganz vergessen, was für ein Backofen diese Stadt ist.«
»Ach was! Hör auf zu meckern! Ein bißchen Farbe im Gesicht kann dir nicht schaden. Du bist ja ganz käsig.«
Sie gingen zu einem verbeulten, roten Camaro auf dem Parkplatz.
»Wie ich sehe, bist du noch immer die rasante Fahrerin wie früher«, bemerkte Lennie humorlos und warf seinen Koffer auf den Rücksitz.
»Das war ich nicht!« empörte sich Jess. »Mein Alter kann nicht mal um den Block fahren, ohne irgendwo anzustoßen.«
Lennie fragte sich insgeheim, was für ein Mann wohl die verrückte Jess zur Frau genommen hatte. Er konnte nur hoffen, daß er etwas Besonderes war.
»Steig ein!« forderte sie ihn auf und setzte sich hinters Steuer. »Wayland hat uns was zu essen gemacht ... das Baby macht Krach, und du, Lennie, dir wird’s hier gefallen. Vegas ist von jeher die Stadt für uns gewesen.«
Lennie nickte grimmig. »Ja, und genau davor habe ich Angst.«
Lucky Santangelo war eine ausgesprochen auffällige Erscheinung, wie sie durch die Menge auf dem Flughafen schritt. Sie war eine faszinierende Schönheit von achtundzwanzig Jahren mit pechschwarzer Haarmähne, zigeunerhaften Augen, einem breiten, sinnlichen Mund, sonnengebräunter Haut und einem schlanken, langgliedrigen Körper. An diesem Tag trug sie Shorts aus weichem schwarzem Leder, eine rote Seidenbluse, die sie fast bis zur Taille aufgeknöpft hatte, und einen breiten, silberbeschlagenen Gürtel. An ihren Ohrläppchen baumelten einfache Silberringe, und an ihrer rechten Hand glitzerte ein Brillant von solcher Größe und Reinheit, daß man es niemandem übelnehmen konnte, wenn er ihn für falsch hielt. Er war es aber nicht. Er war wirklich echt.
Obwohl keine Schönheit im herkömmlichen Sinn, hatte sie einen sehr individuellen Stil und eine faszinierende Ausstrahlung. Das Selbstbewußtsein, das sie ausströmte, war ebenso deutlich spürbar wie das exotische Parfüm, das sie benutzte.
»Hallo, Boogie.« Sie begrüßte den hageren, langmähnigen jungen Mann im militärischen Drillichanzug, der auf sie zutrat, herzlich. »Wie geht’s zu Hause?«
»Alles beim alten«, erwiderte er mit leiser Stimme, während seine Augen rastlos über die Menschenmenge schweiften. Ihm schien nichts zu entgehen. Schließlich griff er nach Luckys schwarzer Lederreisetasche und nach dem Gepäckschein für die übrigen Sachen.
»Keine aufregende Neuigkeit? Keinen Klatsch?« fragte sie lächelnd. Sie war froh, wieder zu Hause zu sein.
Klatsch gab es durchaus, aber er wollte auf keinen Fall derjenige sein, von dem sie es erfuhr.
Lucky erzählte begeistert, während sie auf die schnittige Mercedes-Limousine zugingen, die im Halteverbot parkte.
»Ich glaub’, ich hab’s geschafft, Boog. Das Atlantic-City-Projekt ist perfekt. Und das ist auf meinem Mist gewachsen! Auf meinem ganz allein. Ich brauche jetzt nur noch Ginos Okay, dann kann’s losgehen. Ich fühle mich großartig!«
Er freute sich, sie in so guter Stimmung zu sehen, und nickte: »Wenn Sie was wollen, dann kriegen Sie’s auch. In der Beziehung habe ich nie an Ihnen gezweifelt.«
Luckys Augen glänzten vor innerer Erregung. »Atlantic City«, murmelte sie. »Wir bauen ein Hotel, das alle anderen in den Schatten stellt!«
»Ja, das schaffen Sie!« Er öffnete die Tür zum Rücksitz des Wagens.
»He, Moment mal!« protestierte sie. »Du weißt doch, daß ich immer vorn bei dir sitze.«
Er riß den vorderen Wagenschlag auf, half ihr auf den Beifahrersitz und ging dann mit elastischen Schritten davon, um das restliche Gepäck zu holen.
Gino Santangelo fuhr abrupt aus dem Schlaf. Im ersten Augenblick wußte er nicht, wo er sich befand, aber das gab sich schnell. Er mochte zwar nicht mehr der Jüngste sein, aber senil war er zum Glück noch nicht. Außerdem gehörte man heutzutage mit zweiundsiebzig noch nicht gerade zum alten Eisen. Und in der vergangenen Nacht im Bett hatte er sich offengestanden wieder wie ein Jüngling gefühlt. Warum auch nicht? Vor allem mit einer Susan Martino als Partnerin.
Susan Martino, Witwe des verstorbenen großen Tiny Martino, einem Allroundtalent beim Film und Fernsehen; ein Komiker, dessen Name in einem Atemzug mit Keaton, Chaplin und Benny genannt wurde. Tiny war zwei Jahre zuvor einem Herzinfarkt erlegen. Gino hatte an der Beerdigung in Los Angeles teilgenommen, der Witwe bei diesem Anlaß sein Beileid ausgedrückt ... und sie dann bis zu einer Wohltätigkeitsveranstaltung in Vegas drei Wochen zuvor nicht wiedergesehen. Jetzt allerdings wachte er den fünften Morgen hintereinander in ihrem Bett auf und fühlte keinerlei Bedauern.
Als habe sie seine liebevollen Gedanken erahnt, kam Susan in diesem Augenblick ins Schlafzimmer. Susan war eine attraktive Frau von neunundvierzig Jahren, die mindestens zehn Jahre jünger aussah. Sie hatte porzellanblaue Augen, hohe Wangenknochen und eine weiße, zarte Haut. Obwohl es erst neun Uhr morgens war, hatte sie ihr silberblondes Haar bereits sorgfältig im Nacken zu einem Knoten aufgesteckt. Sie trug ein weißes Seidennegligé über ihrem zierlichen, makellosen Körper und balancierte ein Tablett in der Hand, auf dem ein Glas frisch gepreßter Orangensaft, ein weichgekochtes Ei und ein Teller mit zwei dünnen Scheiben Toast mit Butter standen.
»Guten Morgen, Gino«, sagte sie.
Gino setzte sich im Bett auf und fuhr sich mit beiden Händen durch das wirre schwarze Haar, das an den Schläfen zwar schon ergraut war, das sonst jedoch so dicht und lockig war wie in seiner Jugend. Er war eben noch immer ein Mann, mit dem man rechnen mußte. Das Alter hatte seiner Vitalität und unerschöpflichen Energie keinen Abbruch getan. Lediglich der Herzinfarkt vom Vorjahr mit beinahe tödlichem Ausgang hatte ihn etwas ruhiger werden lassen. Wie bei Susan sah man ihm jedoch seine Jahre nicht an.
»Wie ist denn das zu verstehen?« fragte er und deutete auf das Tablett.
»Oh, das ist Frühstück im Bett.«
»Hm, und womit habe ich das verdient?«
Susan lächelte. »Die Frage müßte lauten, womit hast du es nicht verdient.«
Gino grinste bei der Erinnerung an die vergangene Nacht. »Yeah! Nicht schlecht für einen alten Herrn wie mich, was?«
Susan stellte das Tablett vor ihm ab und setzte sich auf die Bettkante. »Du bist der beste Liebhaber, den ich je gehabt habe«, erklärte sie ernst.
So etwas hörte er gern; sehr gern sogar. Susan Martino war keine leichtlebige Frau, aber sie hatte vor ihrer Ehe mit Tiny Martino fünfundzwanzig Jahre zuvor einen gewissen Ruf genossen. Ali Khan, Rubirosa und selbst Sinatra sollten in ihrer Vergangenheit eine Rolle gespielt haben. Das war für Gino schon genug, um sich durch ihr Kompliment mehr als geschmeichelt zu fühlen.
Allerdings hatte er sie nie über ihre Vergangenheit befragt, wie sie auch nie versucht hatte, mehr über die seine zu erfahren.
»Eines würde mich interessieren«, begann er nun, da seine Neugier geweckt war.
»Und das wäre?« erwiderte sie und schälte sorgfältig sein Ei.
»Während deiner Ehe mit Tino ... hast du ihn je betrogen?«
»Nein, nie«, antwortete sie ohne Zögern. »Aber warum sollte ich dir das erzählen ...?«
In Gino regten sich plötzlich Besitzansprüche gegenüber dieser Frau, dieser blonden Lady mit Klasse und Rasse. Persönlichkeiten wie sie waren selten geworden.
Frauen, überlegte er. Liebe ohne Verpflichtungen war stets sein Motto gewesen. Mit seltenen Ausnahmen. Im vergangenen Jahr hatte es ihn zunehmend gelangweilt, mit Frauen ins Bett zu gehen. Sie waren für ihn nichts weiter als ein neuer Körper, ein neues hübsches Gesicht und ein weiterer Tausenddollarschein für irgendein Schmuckstück gewesen, denn er haßte es, sie mit leeren Händen gehen zu lassen. Wenn sie Gino Santangelos Bett verließen, dann sollten sie wissen, wo sie gewesen waren. Nicht, daß er es nötig gehabt hätte, sie zu entlohnen. Niemals! Allein der Gedanke war absurd.
»Was ist? Können wir den Tag nicht miteinander verbringen?« schlug Susan vor, tauchte ein Stück Toast ins Eigelb und steckte es ihm in den Mund.
Er wollte schon zusagen, als ihm etwas einfiel. Lucky sollte an diesem Tag zurückkommen. Lucky, seine Tochter. Die schöne, unzähmbare Lucky, wie er ... mit seinen Augen, seiner bräunlichen Haut, seinem rabenschwarzen Haar und seiner Lebensgier. Wie hatte er das nur vergessen können? Sie war drei Wochen lang auf Geschäftsreise im Osten gewesen. Wäre Susan nicht gewesen, er hätte sie schrecklich vermißt.
»Warum nicht morgen?« entgegnete er. »Ich habe heute ziemlich viel zu tun.« Damit legte er die Gabel beiseite.
»Oh!« Susan wirkte enttäuscht.
Gino überlegte insgeheim, was Lucky wohl dazu sagen würde, wenn er Susan zum gemeinsamen Abendessen einlud, und er ahnte instinktiv, daß sie alles andere als begeistert sein würde. Und er konnte seine Tochter verstehen. Schließlich war es ihr erster Abend zu Hause, und sie hatten sich eine Menge zu erzählen.
Es blieb noch Zeit genug, Susan in ihr Leben einzuführen, und er hatte auch die feste Absicht, das zu tun. Susan Martino war viel zu sehr Dame, um ein einwöchiges Abenteuer zu bleiben.
Während der Fahrt vom Flugplatz nach Hause erzählte Lucky Boogie weiter von ihrer Reise. Er war für sie mehr als nur ihr Chauffeur und gelegentlich auch ihr Leibwächter, wenn sie persönlichen Schutz brauchte. Er war ihr Freund, und sie vertraute ihm blind. In schwierigen Zeiten war auf Boogie Verlaß. Wie er in der Vergangenheit bewiesen hatte, war er loyal, klug und ungewöhnlich schweigsam, es sei denn, er hatte Wichtiges zu sagen.
Er fuhr sie zum Vordereingang des Magiriano-Hotels am Strip. Lucky stieg aus, blieb einen Augenblick am Wagen stehen und genoß wie so oft das Gefühl, nach Hause in ihr Hotel zu kommen.
Das »Magiriano« ... eine Kombination der Namen ihrer Eltern ... Maria und Gino. Ginos Traum, den sie in die Wirklichkeit umgesetzt hatte, während er aus Steuergründen ein siebenjähriges Exil in Israel durchzustehen hatte. Sie würde stets stolz auf das von ihr Erreichte sein. Das Magiriano war ein ganz besonderes Hotel.
In der Empfangshalle herrschte die übliche Betriebsamkeit mit der entsprechenden Geräuschkulisse. Im Casino drängten sich bereits die morgendlichen Spieler. Dort gab es vierundzwanzig Stunden rund um die Uhr Vergnügen.
Lucky spielte nicht. Wer brauchte sein Glück schon an den Spieltischen zu versuchen, wenn alles sowieso ihr und Gino gehörte? Sie durchquerte die Lobby und ging zu ihrem Privatlift, dessen Eingang versteckt hinter einigen Pflanzenkübeln mit Palmen lag, und steckte die Computerkarte in den Schlitz. Die Tür öffnete sich.
Es war herrlich, zu Hause zu sein.
Sie konnte es kaum erwarten, Gino wiederzusehen. So viel hatte sie ihm zu erzählen.
Jess lebte nicht im Luxus. Trotzdem gehörte zu dem kleinen Reihenhaus, vor dem der Wagen schließlich anhielt, ein eigener Swimmingpool. »Das Haus ist schon in Ordnung«, erklärte Jess. »Trotzdem ziehen wir bald aus.« Sie machte die Haustür auf. »Wir haben ein Projekt am Lake Tahoe gesehen, in das wir uns gern einkaufen möchten.«
»So?« Lennie fragte sich, wer das wohl finanzieren sollte. Aus dem wenigen, das Jess über ihren Mann erzählte, war hervorgegangen, daß er kaum viel mehr tat, als sich um das zehn Monate alte Baby zu kümmern, während sie das Geld für die Familie verdiente.
»Hallo! Jemand da?« rief Jess, als eine struppige Promenadenmischung von Hund auftauchte und mit seinem erbärmlichen Schwanz wedelte. Jess bückte sich, um das Tier zu streicheln. »Das ist Grass«, erklärte sie. »Jemand hatte den Welpen einfach in die Mülltonne geworfen. Wir haben ihn gefunden. Ist er nicht lieb, hm?«
Dann erschien Wayland. Das hieß, Lennie nahm an, daß er Jess’ Mann war. Vom Aussehen her konnte man meinen, Jess habe einen weiteren Streuner aufgegabelt. Er hatte ein lose besticktes Hemd über schmuddelig weißen Jeans an, unter denen schmutzige nackte Füße hervorsahen. Das schulterlange, strohblonde Haar trug er in der Mitte gescheitelt. Sein Gesicht war lang und blaß. Jess, die wundervolle Briefe schreiben konnte, hatte erwähnt, daß er malte. Darüber, was er nun konkret machte, hatte sie sich jedoch nicht weiter ausgelassen.
»Hallo, Freund«, grüßte Wayland, der offenbar mit Drogen vollgepumpt war, wie seine Pupillen verrieten. »Willkommen in unserem Heim.« Er streckte Lennie eine magere, zitternde Hand entgegen.
»Wo ist das Baby?« erkundigte sich Jess.
»Schläft.«
»Bist du sicher?«
»Sieh selbst nach.«
Einen Augenblick lang verdüsterte sich Jess’ hübsches Gesicht, und Lennie spürte, daß es mit der jungen Ehe nicht zum besten stand. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Szenen waren das letzte, wonach er sich jetzt sehnte. Er hatte selbst genug Probleme.
Das angekündigte Mittagessen bestand aus einer großen Schüssel Wildreis und labbrigem Salat mit einer abgestandenen Joghurtsoße. Jess gelang es nur mühsam, ihre Enttäuschung zu verbergen. Sie hatte die ganze Nacht gearbeitet und Wayland daher gebeten, etwas Besonderes zum Mittagessen zu machen. Lennie kannte Jess zu gut, um nicht zu erkennen, was in ihr vorging.
Zwischendurch wachte das Baby – ein Junge namens Simon – kurz auf und bekam die Flasche.
»Ich fahre Lennie noch ins Hotel rüber«, verkündete Jess nervös, nachdem das Baby wieder eingeschlafen war.
Wayland nickte. Er hatte offenbar nie viel zu sagen.
Draußen im Wagen zündete Jess sich einen Joint an, blies den Rauch Lennie ins Gesicht und sagte aggressiv: »Ich möchte nicht darüber sprechen, okay?«
»Ich habe auch nicht gefragt«, entgegnete er ruhig.
Jess ließ den Motor des Wagens aufheulen, gab Vollgas und raste zum Magiriano, wo sie anhielt, ohne die Zündung abzustellen. »Wir treffen uns hier in zwei Stunden«, sagte sie. »Frag nach Matt Traynor. Er hat dich engagiert. Sicher hat er jemanden, der dir alles zeigen kann.«
»Wo willst du hin?«
»Ich ... ich habe ... eine ... eine Verabredung.«
»Suchst du dir jetzt schon deine Vergnügen anderswo?«
»Kannst du mir einen Grund sagen, weshalb ich’s nicht tun sollte?«
Seit er Wayland kennengelernt hatte, fiel auch Lennie keiner mehr ein.
Matt Traynor entpuppte sich als ein fünfundfünfzigjähriger Mann mit silbergrauem Haar, schlauen Gesichtszügen und in einem beigen Anzug mit Weste. Abgesehen davon, daß Traynor der beste Unterhaltungsdirektor in Las Vegas war, besaß er auch Anteile am Hotel selbst. Lucky Santangelo persönlich hatte ihn überredet, den Job anzunehmen, und den Ausschlag für die Zusage hatte schließlich die Aussicht gegeben, daß er mit einem Stück am Kuchen beteiligt wurde.
Er sagte Lennie, daß ihm das Videotape seiner Arbeit, das er von Jess bekommen hatte, gefallen habe, und begann ihn dann haarklein nach Jess und ihren Lebensumständen auszufragen.
Lennie versuchte, ein paar Antworten zu geben, doch als Matt zielsicher auf Jess’ Ehe zu sprechen kam, hatte Lennie das Gefühl, es sei an der Zeit, das Thema zu wechseln. Hastig äußerte er den Wunsch, sich die Bar ansehen zu dürfen, in der er auftreten sollte, um sich mit der Atmosphäre des Raumes vertraut machen zu können. Matt Traynor war sofort einverstanden, erklärte ihm den Weg und verabschiedete sich.
Las Vegas. Die Hitze. Der besondere Geruch. Die hektische Betriebsamkeit.
Las Vegas. Sein Zuhause. Die ersten siebzehn Jahre seines Lebens.
Las Vegas. Er hatte den Kopf voller Jugenderinnerungen. Hier war er das erste Mal verführt worden, war das erste Mal betrunken gewesen, hatte das erste Mal Drogen genommen, war das erste Mal damit aufgeflogen. Las Vegas, Ort seiner ersten Liebe. Hier war er von zu Hause weggelaufen und hatte den Wagen seiner Eltern gestohlen.
Mom und Pop. Das seltsamste Elternpaar, das man sich vorstellen konnte.
Pop war der altmodische Situationskomiker Jack Golden gewesen. Ein verläßlicher Mann, ein echtes Arbeitstier. Jeder im Showbusiness kannte seinen Namen. Nur dem großen Publikum blieb er ewig ein Fremder. Mittlerweile war er seit dreizehn Jahren tot. Gallenblasenkrebs.
Und dann Mom. Alice Golden, früher bekannt als die »Swizzle«, eine der heißesten Stripperinnen in der Stadt. Die gute alte Mom lebte heute mit neunundfünfzig Jahren in Kalifornien. Von Las Vegas war sie blind vor Liebe einem Gebrauchtwagenhändler aus Sausalito nach Marina del Rey gefolgt. Alice war alles andere als eine jüdische Durchschnittsehefrau und Mutter. Sie trug stets Shorts und trägerlose Bikinioberteile, färbte sich das Haar, rasierte sich die Beine und hatte einen ungeheuren Männerverschleiß, nachdem der Autohändler aus Sausalito mit einem Teil ihres Schmucks im Wert von zehntausend Dollar aus der Stadt verschwunden war.
Alice ... sie war einfach anders. Nie hatte er ein enges Verhältnis zu ihr gehabt. Als Kind hatte sie ihn nur herumkommandiert, ihm endlose Besorgungen aufgetragen und ihn für ihre Zwecke herumgeschickt. Sie hatte nie eine normale Mahlzeit zubereitet. Während die anderen Kinder saubere braune Tüten mit Broten mit hausgemachtem Hackbraten, Crackern und Käse in die Schule mitgebracht hatten, war er schon froh gewesen, wenn er einen Apfel aus dem Garten erwischen konnte.
»Du mußt lernen, selbständig zu werden«, hatte die Mutter dem siebenjährigen Lennie erklärt.
Allerdings war das Leben mit Alice und Jack auch aufregend und faszinierend gewesen. In ihrer unordentlichen Wohnung herrschte ein ständiges Kommen und Gehen von Tänzern, Sängern, Leuten aus dem Casino und dem Showbusiness. Wenn man vergaß, was man normalerweise von einer Kindheit erwartete, dann waren diese Jahre durchaus voller Spaß gewesen.
Alice. Eine echte Individualistin. Er hatte gelernt, sie so zu nehmen, wie sie war.
Las Vegas. Warum war er zurückgekommen?
Weil ein Job eben ein Job war. Und wie er Jess bereits gesagt hatte, mußte er einfach raus aus New York. Nachdem er einen fetten Betrunkenen niedergeschlagen hatte, der ihn bei seinem Auftritt in einem Club in Soho ständig gestört hatte, war die Polizei hinter ihm her gewesen. Der fette Betrunkene hatte sich als ein Halbweltanwalt entpuppt, der, als er am Morgen mit einem blauen Auge und einer geplatzten Lippe aufgewacht war, beschlossen hatte, Lennie Golden zur Strafe aus dem Verkehr ziehen zu lassen. Und einen Prozeß konnte Lennie in seiner Lage am allerwenigsten brauchen. Die beste Lösung war ihm erschienen, die Stadt zu verlassen. Außerdem war Eden an der Westküste, und er hatte seit Monaten mit dem Gedanken gespielt, ihr zu folgen. Als Freunde allerdings hatten sie sich nicht gerade getrennt.
Er hatte vor, von Las Vegas aus nach Los Angeles weiterzuziehen.
Und das nicht nur, um Eden wiederzusehen.
Doch natürlich... eben gerade wegen Eden.
Gesteh’s dir doch endlich ein, du Idiot, du bist noch immer nicht von ihr losgekommen!
Lucky trat hinaus an den Swimmingpool und blieb einen Augenblick stehen, bis sie Bertil, den Schweden, entdeckt hatte, der die Oberaufsicht über den Pool hatte.
Bertil hatte Lucky sofort erspäht. Sie war in ihrem schwarzen Einteiler und mit ihrer bronzefarbenen Haut und den längsten Beinen der Stadt auch kaum zu übersehen. Er sprang sofort auf, lief zu ihr und begrüßte sie genau mit dem richtigen Maß an Begeisterung, denn immerhin war sie hier der Boss. »Willkommen zu Hause, Miss Santangelo!«
Sie nickte ihm kurz zu, dann ließ sie den Blick über die zahllosen gebräunten Körper schweifen. »Danke, Bertil. Gab’s irgendwelche Probleme während meiner Abwesenheit?«
»Nein, keine, mit denen Sie sich auseinandersetzen müßten.«
»Ich setze mich gern mit allem auseinander«, erwiderte sie leise. »Ich weiß gern, was los ist.«
Nach kurzem Zögern berichtete Bertil ihr von zwei Bademeistern, die sich an weibliche Gäste herangemacht hatten.
»Haben Sie sie entlassen?« erkundigte sich Lucky.
»Ja, aber sie wollen gerichtliche Schritte gegen uns einleiten.«
»Haben Sie schon mit unseren Anwälten darüber gesprochen?«
»Ja.«
»Dann ist die Sache ja in den besten Händen«, bemerkte sie zufrieden.
Bertil begleitete Lucky zu einem Liegestuhl am Pool, und sie lehnte sich entspannt zurück, um das Treiben dort zu beobachten.
»Bringen Sie mir bitte ein Telefon.«
Bertil tat, worum sie ihn gebeten hatte, und ließ sie dann diskret allein.
Lucky versuchte bereits zum drittenmal, Gino anzurufen. Er war noch immer nicht zu Hause. Wo, zum Teufel, trieb er sich herum? Weshalb hatte er sie bei ihrer Rückkehr nicht erwartet?
»Ahhh, Olympia! Du bist eine Prinzessin, eine Göttin ... eine Königin!«
Olympia Stanislopoulos’ üppiger Körper bebte vor Entzücken. »Mehr, Jeremy... erzähl mir mehr!«
Der englische Lord änderte vorsichtig die Position über der nackten, reichen Reederstochter und fuhr mit seinen Lobeshymnen fort: »Deine Augen sind das Mittelmeer, deine Lippen wie glänzende Rubine, deine Haut ist weich wie Samt ... deine ...«
»Ahhh ...«, kam es langgezogen von Olympia, und ihr ekstatischer Schrei brachte ihn abrupt zum Verstummen. Sie spreizte ihre Beine weit, preßte im nächsten Augenblick ihre Schenkel fest zusammen, so daß sich ihr Fleisch scherengleich und schmerzhaft um ihn schloß. Gleichzeitig gruben sich Olympias lange, krallenartige Nägel scharf in seinen Rücken, wo sie lange, blutige Spuren hinterließen.
Sein Schmerzensschrei mischte sich mit Olympias orgastischem Stöhnen. »Um Himmels willen, Olympia!«
Die Klagen des Lords jedoch interessierten Olympia nicht im mindesten. Gleichmütig schob sie ihn von sich.
»Ich bin noch nicht soweit!« protestierte er.
»Pech für dich«, entgegnete sie spitz und rollte vom Bett.
Für menschliche Wärme und Mitgefühl war Olympia nie bekannt gewesen. Sie lief hastig ins Badezimmer, schlug die Tür hinter sich zu und betrachtete sich eingehend im hohen Wandspiegel.
Fett! Nichts als Massen von unerwünschtem, cellulitischem Fett! Wütend zwickte sie sich in eine Speckfalte an ihrer Taille. Dieser verdammte Nichtskönner von einem französischen Arzt, der sie drei Monate behandelte, ihr ein paar lausige Orgasmen verschafft und ihr schließlich dreißigtausend Dollar abgeknöpft hatte. Olympia streckte ihrem Spiegelbild die Zunge raus.
Vor sich sah sie eine Achtundzwanzigjährige, einen Meter fünfundsechzig groß, mit rubenshaften Kurven, großen schweren Brüsten, einer Masse dichten, blonden Lokkenhaars und einem hübschen Gesicht. Ihre Augen waren klein und blau, ihre Nase undefinierbar, ihr Mund voll und herzförmig. Männer liebten sie. Sie hatte eine Menge Sexappeal ... war eine echte Sexbombe ... allerdings mit einem kleinen Unterschied.
An ihrem einundzwanzigsten Geburtstag hatte Olympia Stanislopoulos siebzig Millionen Dollar geerbt. Und eine kluge Investitionspolitik hatte ihr Vermögen im Lauf der Jahre noch verdoppelt.
Dreimal war sie verheiratet gewesen. Zuerst mit einem kaum der Pubertät entwachsenen griechischen Playboy aus guter, aber verarmter Familie. Sie waren auf der Yacht ihres Vaters Dimitri getraut worden, die neben der Privatinsel der Familie vor Anker gelegen hatte. Der Anlaß war mehr als gebührend gefeiert worden. Unter den Hochzeitsgästen waren zwei Prinzen, zahllose Prinzessinnen, ein abgedankter König und ein Großteil des europäischen Jet-set gewesen. Das glückliche Paar verbrachte die Flitterwochen in Indien, lebte drei Monate in Athen und wurde in Paris geschieden, nachdem Olympia ihren Mann auf allen vieren in eindeutiger Stellung mit dem Butler ertappt hatte. Olympia war nicht prüde, aber auch für sie gab es Grenzen des Anstandes. Dimitri tröstete seine Tochter mit einem luxuriösen Apartment in der Avenue Foch, das nur zwei Blocks vom Palais der Familie entfernt lag.
Nicht lange nach diesem Fiasko lernte Olympia einen italienischen Industriemagnaten kennen ... oder wenigstens behauptete er, das zu sein. Er war ein fünfundvierzigjähriger Mann mit bestechendem Charme und dem Ruf, ein Frauenheld zu sein, und mit einer großartigen Garderobe. Er warb um Olympia in sämtlichen Diskotheken Europas und heiratete sie an ihrem neunzehnten Geburtstag. Olympia gebar ihm eine Tochter Brigette, während er soviel von ihrem Geld ausgab wie nur möglich. Seine Affären füllten schließlich die Zeitungen und Illustrierten etwas zu häufig. Und Olympia war wütend und empört, als sie erfuhr, daß er die Nacht durchtanzt hatte, die sie im Kreißsaal durchwacht hatte.
Dimitri regelte die Scheidung. Ihr zweiter Fehler kostete sie zwei Ferraris und drei Millionen Dollar. Dem Ex-Mann allerdings blieb kaum Zeit, das alles zu genießen. Drei Monate nach der Scheidung kam er in Paris bei einem Terroranschlag ums Leben. Zeit zu trauern hatte Olympia nicht ... sie war zu sehr damit beschäftigt, Fehler Nummer drei mit einem verarmten polnischen Grafen zu machen. Diese Ehe dauerte sechzehn Wochen. Das, was ihr davon blieb, waren sein Titel und seine Schulden.
Danach war für Olympia das Thema Ehe erst einmal gestorben. Sie stürzte sich von einer Affäre in die andere, pendelte ständig zwischen ihren Wohnungen in Paris und Rom und dem Connaught in London hin und her, sammelte Männer wie Briefmarken und erkannte, daß diese sie zunehmend langweilten. Olympia brauchte mehr als nur Sex, ihre Reizschwelle kletterte immer höher.
Begehrenswert waren für sie verheiratete Männer, berühmte und mächtige Männer. Je unerreichbarer sie zu sein schienen, desto besser.
Diese Männer zu verführen, verschaffte ihr die Befriedigung, die sie suchte. Aber was blieb nach der ersten Begegnung? Schließlich mußte sie sich ehrlich eingestehen, was sie längst gewußt hatte: nämlich, daß die meisten Männer nur allzu leicht zu haben waren. Und wem machte der Weg des geringsten Widerstandes schon Spaß?
Olympias erster Liebhaber hatte ihren Körper genommen, als sie gerade sechzehn gewesen war. Es war in Südfrankreich in einer Villa geschehen, die sich Olympia und ihre Freundin Lucky Santangelo von Olympias Tante »geborgt« hatten. Die zwei abenteuerlustigen Mädchen waren aus dem Internat entflohen. Sie hatten Zeit, unbegrenzt viel Geld, einen weißen Mercedes und eine Menge ungestillter Neugier. Olympia empfand rückblickend jene verbotenen, sorglosen Tage als die glücklichsten ihres bisherigen Lebens. Damals hatte es noch keine Fotografen hinter jedem Busch und keine allzu großen Erwartungen gegeben.
Warris Charters. Sie erinnerte sich noch gut an ihn. Ein gutaussehender Mann mit hellblondem Haar und schmalen grünen Augen. Ein älterer Mann. Ein Filmproduzent. Ein bankrotter Geschäftemacher mit einem ungewöhnlich aktiven Sexualtrieb.
Gelegentlich fragte sie sich, was wohl aus ihm geworden sein mochte, nachdem ihr Vater und Luckys Vater, die auf der Suche nach ihren Töchtern nach Südfrankreich gereist waren, die sechzehnjährige Olympia mit ihrem goldenen Lockenkopf zwischen seinen Lenden bei eindeutiger Tätigkeit erwischt hatten.
Das letzte, was sie von Warris gesehen hatte, war seine nervöse Gestalt, die mit zwei Gucci-Koffern vor Dimitris Drohungen in die stürmische Nacht geflüchtet war.
Verständlicherweise hatte sie nie wieder etwas von ihm gehört.
Von ihrer Freundin Lucky Santangelo hatte sie, und das war weit weniger verständlich, ebenfalls nichts mehr gehört. Nach all den gemeinsamen Erlebnissen hätte Olympia mindestens einen Telefonanruf erwartet. Dabei war ihr allerdings nie in den Sinn gekommen, daß man Lucky, wie auch ihr selbst, jeden weiteren Kontakt verboten haben könnte. Statt dessen hatte sich in ihr lediglich der Verdacht geregt, Lucky könnte sie damals verraten und damit die beiden Väter nach Frankreich geholt haben, weil sie, Olympia, sich am besten amüsierte.
»Olympiaaa!« Dem quengelnden Ruf folgte ein lautes Klopfen an der Badezimmertür. »Meine Schöne! Was machst du denn da drin?«
Was, zum Teufel, glaubte der Idiot von ihr? Daß sie es sich selbst beibrachte?
Sie riß ärgerlich die Tür auf.
Vor ihr stand Lord Jeremy mit einem deutlichen Zeichen seiner Erregtheit.
Sie seufzte.
Es war ein regnerischer Nachmittag in Paris.
Und was sollte man an einem solchen trüben Tag in Paris schon anderes tun?
Vor Öl glänzende Körper in Bikinis lagen am Rand des Magiriano-Swimmingpools. Lennie schlenderte ziellos zwischen ihnen hindurch und erinnerte sich an die zahllosen Tage, da Jess und er die Schule geschwänzt und die Zeit statt dessen an den Swimmingpools der besseren Hotels verbracht hatten. Neben ausgedehnten Streifzügen durch die Casinos, Spielhallen und Shows war das eines ihrer Lieblingsspiele gewesen, denn es kam dabei vor allem darauf an, sich nicht erwischen zu lassen. Zum Schluß hatte jeder Aufsichtsbeamte der Stadt ihre Gesichter gekannt, was zwar die Art ihres Vorgehens, aber niemals ihre rastlose Energie beeinträchtigt hatte.
Es war ihm leichtgefallen, Las Vegas mit siebzehn zu verlassen und nach New York zu gehen. Der Abschied von Jess allerdings war schon schwerer gewesen. Aber New York lockte, und wer konnte dem schon widerstehen. Er sah mindestens wie zwanzig aus, war einen Meter zweiundachtzig groß, hatte eine ausgezeichnete Figur und sah gut aus. Zuerst nahm er die unterschiedlichsten Jobs an, um sich allmählich klar darüber zu werden, was er wirklich wollte, und hatte stets sein Auskommen. Er fand ein Zimmer in Greenwich Village, und es mangelte ihm in jenen Jahren, in denen er einfach seine Freiheit in der großen Stadt genoß, nie an Mädchen. Er arbeitete in einem Delikatessenladen in der Sixth Avenue, verkaufte Uhren bei Bloomingdale und war Page und Mädchen für alles in einem der größeren Hotels. Vor allem bei letzterem Job lernte er, daß das Komiker-Dasein aus mehr bestand als aus den Slap-stick-Gags eines Jack Golden. Er entdeckte für sich die Platten des verstorbenen großen Lenny Bruce, fand Gefallen an politischem Kabarett, respektlosem Humor und witzigen Monologen. Schließlich wurde ihm klar, was er aus seinem Leben machen wollte, und er ging voller Energie an die Arbeit.
Zuerst schrieb er Conferencen und kurze Sketche. Dann suchte er sich einen Agenten, der einige seiner Produkte zu verkaufen begann. Damit verdiente er zwar nicht genug, um seine Jobs aufgeben zu können, doch es war immerhin ein Anfang.
Er besaß ein Gespür für markante, originelle Themen, und sein Agent erschloß mit der Zeit einen bestimmten Kundenkreis, der alles kaufte, was aus seiner Feder stammte. Mit vierundzwanzig war er in der Lage, allein von seiner künstlerischen Arbeit zu leben. Er verdiente zwar kein Vermögen, aber das Geschäft florierte, Frauen umschwärmten ihn, und er genoß das Leben.
Es war ein merkwürdiges Gefühl, wieder in Las Vegas zu sein.
Lennie kam an einer Blondine mit hohen slawischen Wangenknochen vorbei, die ihm einen langen Blick zuwarf, während sie sich anzüglich die Oberschenkel mit Sonnenöl einrieb. Doch Lennie war für einen Flirt nicht in Stimmung. Mit dreißig brauchte er mehr als nur Sex. Trotzdem erinnerte das Mädchen ihn an Eden. Dieselben hohen Wangenknochen, das hellblonde Haar, die kalten, schmalen Augen ... Katzenaugen.
Eden Antonio. Seine damalige Freundin Victoria, ein Fotomodell, hatte ihm ihre Kollegin Eden vorgestellt.
Und danach hatte Lennie begriffen, daß Victoria nur das Hors d’œuvre gewesen war. Eden war der Hauptgang. Sie war damals gerade von einer erfolgreichen Fototournee durch Europa zurückgekehrt und wirkte so verschlagen und anschmiegsam wie eine Katze. Eden war eine blasse, exotisch aussehende Schönheit mit feingeschnittenen Zügen und einer großartigen Figur. Sie verdiente mehr Geld als er, aber seine Aussichten waren durchaus optimistisch zu beurteilen. Er hatte ein Engagement bei einer Fernsehshow, die neue Wege der Unterhaltung beschreiten sollte, trat zum erstenmal öffentlich auf und war begeistert. Der Applaus des Publikums war etwas völlig Neues für ihn und gab ihm ungewohnten Auftrieb. Lennie war siebenundzwanzig und arbeitete auf Hochtouren.
Eden war neurotisch, ehrgeizig und die aufregendste Frau, die ihm bis dahin begegnet war. Sie war vier Jahre älter als er und schien viel mehr vom Leben zu verstehen. Sie hatte die ganze Welt bereist, zahllose Liebhaber gehabt und kam Lennie unglaublich erfahren und intellektuell vor. Aber dieser Eindruck dauerte nicht lange. Nachdem die Haßliebe ein halbes Jahr gedauert hatte, wußte er, was er von ihrer angeblichen intellektuellen Überlegenheit zu halten hatte. Eden Antonio war im Grunde Ihres Wesens ein zutiefst unsicherer Mensch. Manchmal tat sie ihm sogar leid, manchmal trieb sie ihn zu geradezu mörderischer Eifersucht.
Eden! Was hatte er wegen ihr durchgemacht! Die intensive, launische Affäre mit ihr hatte bei ihm sowohl physische als auch psychische Narben hinterlassen. Und trotzdem hatte er noch immer nicht genug von ihr. Sie hätten ständig gestritten, wäre die Versöhnung nicht stets den Aufwand wert gewesen.
Freunde hatten ihn stets gewarnt, Eden sei eine Frau, die Männer nur benutzte. Lennie wußte, daß das stimmte, kam jedoch nie von ihr los.
Eden war eine Exhibitionistin. Sie liebte es, gesehen zu werden, jeden Abend auszugehen. An Wochenenden besuchte sie eine private Schauspielschule. Sie wollte nichts sehnlicher, als entdeckt und ein Filmstar werden. Schon jetzt hielt sie sich für eine Art Star. Als Lennies Fernsehshow nach einem halben Jahr wieder abgesetzt wurde, lautete ihr einziger Kommentar: »Mist! Und ich hatte schon einen Gastauftritt bei euch geplant!«
Ihrer Ansicht nach war Lennies Karriere damit zu Ende, und sie machte keinen Hehl daraus. Nicht, daß ihr das etwas ausgemacht hätte. Eden sorgte sich stets nur um sich selbst.
Sie war eine furchtbar schlechte Schauspielerin. Lennie hatte sie in mehreren Aufführungen der Schauspielschule erlebt und sie als geradezu peinlich unbegabt empfunden. Als Fotomodell allerdings war sie unschlagbar. Als Lennie ihr schließlich seine Meinung sagte, kam es zu einem wütenden, bösen Streit.
Zwei Monate und viele Kräche später war Eden mit einem Kollegen aus der Schauspielschule, einem langhaarigen Typen namens Tim Wealth, nach Kalifornien abgereist.
Lennie vermißte sie. Und das, obwohl er Engagements in kleinen, guten Clubs bekam, obwohl ihm jede Minute dieser Arbeit Freude machte, obwohl die Reaktion des Publikums mehr als positiv war und er sich langsam, aber sicher eine Stammanhängerschaft aufbaute.
Falls er Kritiken bekam, waren sie stets ausgezeichnet. Die Gage war zwar nicht der Rede wert, doch er besserte sie durch Arbeiten als Texter für andere Künstler auf. Das, was er schrieb, war stets gefragt.
Im Unterbewußtsein wußte er immer, daß er Eden eines Tages nach Kalifornien folgen würde. Las Vegas war nur der Anfang. Wenn er hier Erfolg hatte, konnte er sich mit einer guten Show nach Los Angeles wagen. Eden beeindruckte nichts so sehr wie Erfolg. Wenn er es je schaffen sollte, dann würde sie als erste zu ihm gerannt kommen ...
Die Blondine mit den slawischen Zügen zwinkerte ihm auffordernd zu, und Lennie merkte, daß er sie unentwegt angestarrt haben mußte. Hastig ging er weiter, schlenderte einmal um den Pool herum und entdeckte schließlich ein Mädchen in einem schwarzen Einteiler in einem Liegestuhl. Er erinnerte sich sofort, sie bereits auf dem Flugplatz gesehen zu haben. Seit Eden hatte es für ihn viele Frauen gegeben, aber keine hatte ihm Vergessen gebracht. Jedesmal glaubte er, bei der nächsten müsse es anders sein, doch dieser Fall trat nie ein.
Im nächsten Moment stand er neben dem Mädchen im schwarzen Badeanzug und überlegte, wie er sie ansprechen sollte. Er hatte mehrere Methoden parat, die sich stets als sehr erfolgreich erwiesen hatten. So etwas wie Körbe kannte Lennie Golden kaum.
»Sie sind viel zu schön, um allein zu sein«, begann er ungeniert. »Also, was darf’s sein? Ein Drink? Ein Frühstück? Oder wie wär’s mit Diamanten? Meine Raubüberfälle klappen immer und ich gebe mit vollen Händen.«
Normalerweise reagierten die Mädchen auf die eine oder andere Weise, jedenfalls entwickelte sich ein Gespräch, und dann war alles Weitere ganz einfach. Wenn sie erst mal lachen, hast du ein leichtes Spiel, hieß Lennies Devise.
Lucky schlug langsam die Augen auf und musterte ihn kalt.
Er glaubte, in ihren schwarzen, opalglänzenden Augen zu versinken und vergaß Blondinen für immer.
»Sie müssen mir versprechen, mich auch morgens zu respektieren«, fuhr er hastig fort. »Ich bin sehr sensibel.« Er verzog seinen Mund zu jenem Grinsen, das angeblich so unwiderstehlich sein sollte, und wartete auf ihren Kommentar.
Doch bevor er erneut etwas sagen konnte, legte sich eine Hand auf seine Schulter und ein muskulöser Schwede in blauer Badehose forderte ihn auf: »Bitte lassen Sie die Dame sofort in Ruhe.«
Lennie versuchte die Hand abzuschütteln, doch der Griff war eisenhart. »Hände weg, Mann! Ich bin hier Gast!« protestierte er.
»Zeigen Sie mir Ihren Zimmerschlüssel!« verlangte Bertil und schob ihn von Lucky fort.
Lennie hatte es nicht gern, wenn man ihn auf diese Weise behandelte. »Sie tun sich nur einen Gefallen, wenn Sie mich loslassen!« konterte er verächtlich. »Ich trete hier in der Bahia Lounge auf. Mein Name ist Lennie Golden. Ich bin ein talentierter Künstler, Sie Idiot!«
In diesem Augenblick ertönte der Angstschrei einer Mutter. »Meine kleine Tochter ... sie kann nicht schwimmen!« kreischte sie hysterisch.
Bertil lies Lennie los. Zwei Bademeister und Lennie sprangen gleichzeitig in den Pool. Lennie erreichte das ertrinkende Kind als erster, packte es bei den Haaren, zog es aus dem Wasser und hob es zum Beckenrand hinauf, wo Bertil es zwar weinend, aber unversehrt in Empfang nahm und seiner dankbaren Mutter übergab. Lennie stemmte sich aus dem Pool und blieb triefend vor Nässe am Rand stehen: Seine weiße Hose war ruiniert, der Pullover schien um einige Nummern geschrumpft zu sein, und mit den Turnschuhen war auch nicht mehr viel los. Die zwei Bademeister warfen ihm spöttische Blicke zu, Bertil ignorierte ihn völlig, und die Mutter war viel zu sehr mit ihrer geretteten kleinen Tochter beschäftigt, um ihm weitere Beachtung zu schenken.
Lennie sah sich nach dem Mädchen im schwarzen Einteiler um. Wie konnte sie ihm jetzt noch widerstehen?
Doch sie war längst verschwunden.
Selbst Helden schienen gerade keine Saison zu haben.
»Ich dachte, ich komme rüber und berichte das Allerneueste«, sagte Lucky. »Ich habe dir so viel zu erzählen.«
Es war inzwischen früher Nachmittag, und sie hatte Gino endlich telefonisch erreicht.
»Ich bin verdammt müde, Kindchen«, wehrte Gino ab. »Ich brauche ein bißchen Schlaf, um wieder in Form zu kommen.«
Sie war drei Wochen fort gewesen, und er fühlte sich jetzt zu müde, um sie wiederzusehen! Was ist los, überlegte Lucky.
»Wo bist du gewesen? Ich hab schon viermal bei dir angerufen«, fuhr sie wie nebenbei fort. Sie wußte schließlich, daß man Gino nicht bedrängen durfte.
»Unterwegs«, antwortete er einsilbig.
Vermutlich hat er sich irgendwo mit einem attraktiven Showgirl verschanzt, dachte Lucky. Zweiundsiebzig, und noch immer hinter den Frauen her.
»Ich hol’ dich heute abend ab«, schlug Gino vor. »Was hältst du von einem gemütlichen Abendessen zu zweit? Paßt es dir um acht?«
»Und dazu bist du wirklich nicht zu müde?« fragte sie nicht ohne Sarkasmus.
»Unsinn, Kindchen! Wann bin ich für dich schon je zu müde?«
Jetzt zum Beispiel, hätte sie am liebsten gesagt, doch sie hielt lieber den Mund. Sie verabredete sich mit Gino für acht Uhr und wartete einen Nachmittag ungeduldig darauf, ihm endlich von ihrer Reise und den Abschlüssen erzählen zu können, die sie vorbereitet hatte. Er würde stolz auf sie sein. Sie konnte es kaum erwarten!
»Was ist denn mit dir passiert?« fragte Jess.
»Ich wollte nur mal prüfen, ob der Pullover bei der Wäsche eingeht«, erwiderte Lennie sarkastisch.
»Er geht ein«, stellte Jess gelassen fest. Sie hatte ihn im Hotel abgeholt, und nun fuhren sie gemeinsam zu ihr nach Hause. Als sie dort ankamen, trieb Wayland auf einer Luftmatratze im Pool und rauchte einen Joint.
Simon schrie auf einer schmutzigen Decke wie am Spieß.
»Scheiße«, murmelte Jess.
Lennie fragte sich, ob er nicht gut daran getan hätte, ein Zimmer in einem Hotel zu nehmen. Offenbar hatte Jess auch ohne einen Hausgast schon genug Probleme.
»He, du siehst gut aus, Kleines. Atlantic City scheint dir gut bekommen zu sein, was?« Gino zwinkerte seiner Tochter zu.
»Soll ich dir was sagen, Gino? Für einen alten Herrn hast du dich verdammt gut gehalten.«
Lucky nannte ihn nie Daddy. Das passierte nur manchmal, in ihren Gedanken, nachts, wenn sie müde war und Erinnerungen sie quälten ...
»Das ›alt‹ kannst du dir sparen!« entgegnete Gino bissig.
Sie sahen sich lächelnd an, hakten sich ein und gingen so zu ihrem privaten Lift.
Wie ähnlich sich die beiden waren. Sie hatten dieselben glühenden Augen, die bronzefarbene Haut, das pechschwarze Haar und den sinnlichen Mund.
Vater und Tochter verband eine ideale Beziehung. Vom Essen bis zu Filmen, Büchern und Menschen, in allem hatten sie denselben Geschmack.
Sie unterhielten getrennte Penthousewohnungen über ihren beiden Hotels. Während Gino im Mirage lebte, residierte Lucky im Magiriano. Gemeinsam besaßen sie allerdings ein Haus außerhalb New Yorks in East Hampton, ein altmodisches, weißes Herrenhaus, voller Erinnerungen ... einem Großteil ihrer Vergangenheit ...
Früher einmal hatten sie dort als eine Familie gelebt: Gino und seine Frau Maria mit ihren beiden Kindern, der schönen, dunkelhaarigen Lucky und dem blonden Bruder Dario.
Mittlerweile gab es nur noch Gino und Lucky ... zwei, allein gegen die ganze Welt. Sie verband etwas, das niemand zu trennen vermochte.
Aber so war es nicht immer gewesen ...
Gino Santangelo, 1909 in Italien geboren, kam als Dreijähriger mit seinen Eltern nach Amerika, um den großen amerikanischen Traum Wirklichkeit werden zu lassen. Aber Arbeit war damals nicht leicht zu bekommen. Es gab zu viele Einwanderer, die alle energisch und voller Enthusiasmus dasselbe Ziel zu verfolgen suchten.
Als Gino sechs Jahre alt war, war der große Traum seiner Eltern wie eine Seifenblase zerplatzt, und Gino geriet in das Fahrwasser eines Straßenjungen mit später kriminellem Hintergrund.
Gino jedoch war willensstark genug, sich durchzusetzen.
Gino sah. Gino wollte. Gino bekam.
Sein Aufstieg war lange und hart, doch lohnenswert. Nachdem er klein angefangen hatte, gründete er einen florierenden Schwarzhandel mit Alkohol, dessen Erlös er ganz legal an der Börse investierte. Dank guter Freunde überstand er sogar Weltwirtschaftskrise und Krieg unversehrt, beteiligte sich mit seinem Partner Enzio Bonnatti an Spielhöllen, Kreditgesellschaften, weigerte sich jedoch stets, in Geschäfte mit Drogen und Prostitution einzusteigen. Letztere Einstellung führte schließlich zur Trennung von Enzio.
1949 schließlich entschloß sich Gino, von New York nach Las Vegas überzusiedeln, wo ihn ein Freund zu Investitionen überredete. Gemeinsam finanzierten sie den Bau des Mirage-Hotels. Las Vegas stand damals ganz am Anfang. Männer wie Bugsy Siegel hatten bereits das Flamingo-Hotel mit Casino gebaut, und Meyer Lansky gehörte das Thunderbird. Es war eine aufregende Zeit.
Und in Las Vegas lernte Gino seine spätere Frau Maria kennen. Maria war jung, noch unschuldig, erst zwanzig Jahre alt ... mit hellblondem Haar und dem Gesicht einer zierlichen Madonna. Sie heirateten bereits nach kurzer Zeit. 1950 wurde Lucky und achtzehn Monate später der Sohn Dario geboren. Lucky war von Anfang an das Ebenbild des Vaters, während Dario ganz nach der Mutter geriet.
Die beiden Geschwister waren unzertrennlich, doch Lucky, die kräftigere und energischere von beiden, hatte von jeher das Sagen.
Maria war eine wunderbare Mutter. Gino verwöhnte sie nach Strich und Faden. Für die Kinder bestand das Leben nur aus Zärtlichkeiten und Geschenken.
Für Lucky, die mehr als Dario am Vater hing, waren dies die glücklichsten Jahre ihrer Kindheit. Diese allerdings fand ein jähes Ende mit der brutalen Ermordung der Mutter, die Lucky eines Morgens, als Gino auf Geschäftsreise war, nackt und tot auf einer Luftmatratze im Swimmingpool treibend fand.
Die Erinnerung an die unmittelbare Zeit nach dem grausigen Vorfall war verschwommen. Polizei, Fotografen, Leibwächter und ein neues Haus in Kalifornien mit Gittern vor den Fenstern, Alarmanlagen und Wächtern mit Hunden spielten darin eine Rolle. Gelächter, Spiele, Zärtlichkeiten... damit war es nun vorbei. Gino, der sich völlig zurückgezogen und verändert hatte, war kaum noch zu Hause. Er hielt sich entweder in seinem New Yorker Apartment oder in seinem Hotel in Vegas auf Um die Kinder kümmerten sich Kindermädchen, Gouvernanten und Hausangestellte.
Lucky fraß all ihren Schmerz in sich hinein, während Dario sich in eine Phantasiewelt zurückzog. Sie hatten alles, was man mit Geld kaufen konnte, doch in Wirklichkeit hatten sie nur einander.
Mit fünfzehn wurde Lucky in ein teures Internat in der Schweiz geschickt, das sich als eine strenge Privatschule entpuppte, die von einer schmallippigen Frau geführt wurde, die von ihren Schülerinnen »Respekt und Gehorsam« verlangte. Wäre ihre Zimmerkameradin Olympia Stanislopoulos nicht gewesen, Lucky hätte die Schule gehaßt. Olympia pfiff auf die Schule und Anstandsregeln, und gemeinsam kletterte man nachts aus einem geeigneten Fenster und fuhr in das zehn Minuten entfernte nächste Dorf, wo Jungen, Alkohol und das Vergnügen warteten. Nach genau einem Schuljahr wurden sie von der Schule gewiesen.
Gino schickte Lucky in seiner Wut daraufhin auf ein noch strengeres Internat in Connecticut. Von dort brauchte Lucky nicht lange, um mit Olympia in Paris Kontakt aufzunehmen, und gemeinsam plante man die Flucht. Lucky flog nach Frankreich, wo Olympia sie bereits erwartete. Gemeinsam fuhr man dann mit dem Mercedes-Kabriolett in den Süden, wo sie in die Villa von Olympias Tante einbrachen. Dort verbrachte man eine herrliche Zeit. Die Tatsache, daß Olympia auch eines Tages ihren Freund »Warris« einquartierte, tat dem keinen Abbruch.
Das Vergnügen fand allerdings ein jähes Ende mit der Ankunft der Väter Gino Santangelo und Dimitri Stanislopoulos. Danach kehrte Lucky in das Haus in Bel Air zurück. Dario war mittlerweile ebenfalls in einem Internat.
Damals gab es Zeiten, da haßte Lucky ihren Vater mit jeder Faser ihres Wesens. Dann wiederum liebte sie ihn wie keinen anderen Menschen auf der Welt. Und stets wünschte sie, es würde eines Tages wieder so wie früher werden. Verzweifelt versuchte sie, seine Aufmerksamkeit zu erringen, doch das schien das einzige zu sein, das er ihr zu geben nicht bereit war.
An ihrem sechzehnten Geburtstag flog er überraschenderweise mit ihr nach Las Vegas, brachte sie zu einem bekannten Friseur, kaufte ihr ein exquisites Modellkleid, schenkte ihr Brillantohrringe und eröffnete ihr, daß sie ihn zu einer wichtigen Wohltätigkeitsveranstaltung begleiten sollte, die er zu Ehren von Mrs. Peter Richmond, der Frau des Senators Richmond, geben wollte. Lucky war begeistert. Auf dem Ball jedoch placierte Gino sie an einem anderen Tisch neben Mrs. Richmonds schrecklichem Sohn Craven und kümmerte sich den ganzen Abend nicht mehr um sie.
Später erklärte Gino ihr unverblümt, daß er ihrem sorglosen Lebenswandel ein Ende zu machen und sie zu verheiraten gedenke.
Wenn ihr das nicht gefiel ... nun ...
Für Lucky war das ein Schlag.
Der Lift hielt an, und Lucky trat hinaus in die Menge, die ins Casino zu strömen begann.
Gino blieb ein paar Schritte hinter ihr und beobachtete mit wachsamem Blick das Treiben. Einmal ein Straßenjunge, immer ein Straßenjunge, hieß es, und Gino hatte diese Jugend geprägt. Selbst wenn man alle Macht der Welt besaß, bedeutete dies nie hundertprozentige Sicherheit.
Er fühlte den Druck seiner Waffe im sorgfältig verborgenen Schulterhalfter und trat beruhigt an Luckys Seite.
Lucky wandte sich lächelnd zu ihm um. »Das Geschäft blüht, was, Gino?«
»Ja, Kleines.«
In Las Vegas hatte die Spielleidenschaft stets Hochkonjunktur.
Vater und Tochter aßen im intimen, kleinen Restaurant des Casinos. Lucky erzählte mit glänzenden Augen und geröteten Wangen von ihrer Geschäftsreise.
»Ich habe alles für den Abschluß vorbereitet, auf den wir scharf waren«, erklärte sie. »Das perfekte Grundstück direkt an der Uferpromenade, die richtigen Finanziers. Ich habe auch schon Architekten und Bauunternehmer an der Hand. Wenn wir uns beeilen, können wir in zwei Monaten anfangen. Es ist alles geklärt. Du brauchst nur noch deine Zustimmung zu geben.« Sie hielt inne, um Luft zu holen. »Natürlich brauchen wir noch die Baugenehmigung und Lizenzen. Aber den Weg dazu habe ich geebnet. Es dürfte nichts mehr schiefgehen.«
Gino hörte Lucky aufmerksam zu. Seine Tochter war intelligent und hatte eine schnelle Auffassungsgabe. Eine schöne und kluge, harte und wilde Frau. Daddys kleines Mädchen. Sie machte ihn stolz. Sie hatte denselben wachen Geschäftssinn wie er.
Er hatte nie gedacht, daß eine Frau ihm ebenbürtig sein könnte ... doch seine Tochter hatte es geschafft ... seine Lucky.
Gino Santangelo hatte den ganzen Abend nicht an Susan Martino gedacht, und es hatte sich auch keine günstige Gelegenheit ergeben, Lucky über seine neue Liaison aufzuklären. Er fuhr daher erschrocken zusammen, als Susan in Begleitung eines Mannes das Restaurant betrat, lächelte, ihm zuwinkte und sich an einen Tisch in der Nähe setzte.
»Wer ist das?« fragte Lucky.
»He ...« Er versuchte einen Moment Zeit zu gewinnen. Hatte man es ihr vielleicht längst gesagt? »Kennst du sie denn nicht? Das ist Tiny Martinos Witwe.«
»Ich meine nicht die Frau«, entgegnete Lucky, »sondern den Mann in ihrer Begleitung. Er kommt mir irgendwie bekannt vor.«
Gino blinzelte angestrengt. Sein Sehvermögen war nicht mehr das beste, doch er war zu stolz, um eine Brille zu tragen. »Hm, stimmt«, murmelte er. »Ich glaube, ich kenne das Gesicht.«
In Gino begann es zu rumoren. Der Mann war über einen Meter achtzig groß, mit weißem, dichtem, tadellos frisiertem Haar und harten, gutgeschnittenen Zügen und einer etwas zu markanten Nase. Und der Dreckskerl ließ sich tatsächlich neben Susan am Tisch nieder.
Ginos Miene wurde düster.
Sie konnte doch nichts mit ihm haben, oder?
Wut packte ihn, und er winkte dem Oberkellner. »Wer sind die Herrschaften dort drüben am Tisch?« wollte er wissen.
»Gäste von Mr. Traynor«, erwiderte der Oberkellner.
»Und wo, zum Teufel, ist Mr. Traynor?«
»Er kommt gerade, Mr. Santangelo.« Der Oberkellner trat nervös den Rückzug an.
»Was ist los?« fragte Lucky gelassen. Sie war an die Ausbrüche ihres Vaters gewöhnt. »Ist es ein Mann, der nicht hier sein sollte?«
»Das wird sich gleich rausstellen«, antwortete Gino grimmig. »He ... Matt! Komm mal her!« rief er quer durchs Lokal, daß die übrigen Gäste sich erstaunt umdrehten.
Matt Traynor trat lächelnd an ihren Tisch. Sein silbergraues Haar schimmerte im Kerzenschein. »Lucky, willkommen zu Hause. Sie sehen bezaubernd aus. Hallo, Gino, schön dich zu sehen!«
»Wer zum Teufel ist das Arschloch neben Susan Martino?«
Matt Traynor runzelte die Stirn, während er hastig überlegte, was er falsch gemacht haben könnte. Er hatte gerüchteweise gehört, daß Gino Santangelo sich für Tinys Witwe interessierte, jedoch nicht angenommen, daß es sich um eine ernste Angelegenheit handeln könnte. Weshalb gebärdete sich Gino also wie ein betrogener Liebhaber?
»Susan ist ohne Begleitung hier«, erklärte er hastig. »Ich habe sie lediglich eingeladen, den Abend mit mir und Freunden zu verbringen.« Und die Pointe schließlich brachte er mit ernstem Bedauern: »Immerhin ist Tiny wie ein Bruder für mich gewesen, wie du weißt.«