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Die gefährlichste Waffe ist die Wut einer Frau: Die große Familiensaga »Die Santangelos: Eiskalte Rache« von Jackie Collins als eBook bei dotbooks. Das dunkle Glitzern des Verrats … Ihr Leben lang hat Lucky Santangelo ihre Ziele mit einem kühnen Lächeln und harten Bandagen verfolgt – doch nun wird sie von einer Gegnerin angegriffen, die nicht ruhen wird, bis die Santangelos vernichtet sind: Donna Landsman, die Witwe eines Verbrecherfürsten, bringt mit heimtückischer Zielstrebigkeit Luckys Filmstudio unter ihre Kontrolle. Steckt sie auch hinter dem Verschwinden von Lennie Golden, dem einzigen Mann, den Lucky je geliebt hat? Plötzlich steht die Königin von Hollywood mit dem Rücken zur Wand. Aber das macht einer Frau wie Lucky keine Angst, ganz im Gegenteil – es zwingt sie nur, noch härter für das Glück ihrer Familie zu kämpfen, als je zuvor! Der vierte Band der rasanten Saga über Machtspiele, Gewalt und verbotene Küsse: »Wenn man einen Lucky-Roman zum Sonnen mit an den Strand nimmt, kann es passieren, dass man bei Mondaufgang immer noch dort liegt und liest.« Cosmopolitan Jetzt als eBook kaufen und genießen: »Eiskalte Rache« aus der großen Familiensaga »Die Santangelos« von New-York-Times-Bestsellerautorin Jackie Collins – ein Lesevergnügen für alle Fans von Louise Bay und der TV-Serie »Dynasty«. Wer liest, hat mehr vom Leben! dotbooks – der eBook-Verlag.
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Seitenzahl: 683
Über dieses Buch:
Das dunkle Glitzern des Verrats … Ihr Leben lang hat Lucky Santangelo ihre Ziele mit einem kühnen Lächeln und harten Bandagen verfolgt – doch nun wird sie von einer Gegnerin angegriffen, die nicht ruhen wird, bis die Santangelos vernichtet sind: Donna Landsman, die Witwe eines Verbrecherfürsten, bringt mit heimtückischer Zielstrebigkeit Luckys Filmstudio unter ihre Kontrolle. Steckt sie auch hinter dem Verschwinden von Lennie Golden, dem einzigen Mann, den Lucky je geliebt hat? Plötzlich steht die Königin von Hollywood mit dem Rücken zur Wand. Aber das macht einer Frau wie Lucky keine Angst, ganz im Gegenteil – es zwingt sie nur, noch härter für das Glück ihrer Familie zu kämpfen, als je zuvor!
Der vierte Band der rasanten Saga über Machtspiele, Gewalt und verbotene Küsse: »Wenn man einen Lucky-Roman zum Sonnen mit an den Strand nimmt, kann es passieren, dass man bei Mondaufgang immer noch dort liegt und liest.« Cosmopolitan
Über die Autorin:
Jackie Collins (1937–2015) wurde in London als Tochter eines bekannten Theateragenten geboren; ihre Schwester ist die Schauspielerin Joan Collins. Jackie flog als Teenager von der Schule, gerüchteweise, weil sie eine kurze Affäre mit dem doppelt so alten – und weltberühmten – Marlon Brando hatte. Nach einem kurzen Ausflug in die Filmindustrie, bei dem sie in England und Amerika für Kinofilme und Fernsehserien vor der Kamera stand, fand sie ihre wahre Passion – und begann zu schreiben. Jackie Collins‘ Debüt wurde 1968 sowohl ein internationaler Bestseller als auch ein Skandal, weil sie ohne falsche Scham über starke Frauen und deren Liebesleben schrieb. Zahlreiche ihrer mehr als 30 Romane, die sich weltweit über 500 Millionen Mal verkauften, wurden verfilmt. Jackie Collins war zweimal verheiratet und die Mutter von drei Töchtern.
Mehr Informationen über die Autorin auf ihrer Website: www.jackiecollins.com
Bei dotbooks erschien Jackie Collins große Familiensaga rund um die ebenso leidenschaftliche wie skrupellose Lucky Santangelo: »Die Santangelos: Der Weg nach oben«, »Die Santangelos: Freundinnen und Feinde«, »Die Santangelos: Der Traum von Hollywood«, »Die Santangelos: Eiskalte Rache« und »Die Santangelos: Träume und Intrigen«.
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eBook-Neuausgabe September 2022
Die amerikanische Originalausgabe erschien 1996 unter dem Titel »Vendetta – Luckys Revenge« bei MacMillan, New York. Die deutsche Erstausgabe erschien 1998 unter dem Titel »Lucky Player« im Knaur Taschenbuch Verlag.
Copyright © der Originalausgabe 1996 by Jackie Collins
Copyright © der deutschen Erstausgabe 1998 bei Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München
Copyright © der Neuausgabe 2022 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von shutterstock.com
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ts)
ISBN 978-3-98690-263-6
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Jackie Collins
DIE SANTANGELOS:Eiskalte Rache
Roman
Aus dem Englischen von Ingeborg Ebel
dotbooks.
Für meinen italienischen Helden
Ti amo, Jake
Los Angeles, 1987
Donna Landsmans eisiger Blick aus schiefergrauen Augen schweifte über den teuren Konferenztisch aus Mahagoni und blieb an ihren drei einflussreichen Anwälten und ihrem sanften Ehemann George hängen. »Wie viel Zeit brauchen wir noch, um genug Anteile zu erwerben, damit wir die Panther Studios übernehmen können?«, fragte sie ungeduldig. »Das dauert mir zu lange.«
Einer ihrer Anwälte antwortete, ein Mann mit kräftigen Gesichtszügen, buschigen Brauen und einer Knollennase. »Stimmt, Donna, die Geschichte dauert länger, als wir angenommen hatten. Sie wissen jedoch, dass ich dieses Projekt nie favorisiert habe ...«
»Haben Sie mich nicht verstanden, Finley?«, unterbrach sie ihn und bedachte ihn mit einem verächtlichen Blick. »Falls Sie das nicht tun, gehen Sie mir aus den Augen. Negative Einstellungen interessieren mich nicht. Wenn ich etwas will, kommt mir niemand mit einem Nein. Und ... ich ... will ... Panther.«
Finley nickte, sich ärgernd, dass er den Mund aufgemacht hatte. Donna Landsman befolgte nie den Rat anderer. Sie war die Königin feindlicher Übernahmen; jede Firma, die sie sich einverleibte, brachte ihr ein Vermögen ein. Das war einer der Gründe, warum Finley nicht begriff, dass sie die Kontrolle über Panther an sich reißen wollte, denn es handelte sich dabei um ein Filmstudio, das in Schwierigkeiten steckte. Es hatte beträchtliche Schulden und konnte seinen Zahlungsverpflichtungen kaum nachkommen – nicht gerade eine sprudelnde Geldquelle.
»Ja, Donna. Wir alle wissen, was Sie haben wollen. Und glauben Sie mir, wir arbeiten hart daran«, versicherte ihr Finley.
»Das hoffe ich doch«, entgegnete Donna und nahm sich vor, ihrem Mann George zu sagen, dass es bald an der Zeit sei, wenigstens zwei ihrer Anwälte auszutauschen. Und Finley würde der Erste sein, der gehen musste.
Sie stand auf, ein Zeichen, dass die Konferenz zu Ende war. George erhob sich ebenfalls. Er war ein durchschnittlich aussehender Mann um die Fünfzig mit alltäglichem Gesicht und anliegendem braunem Haar, das zu kurz geschnitten war. Alle wussten, dass er das Finanzgenie in Donnas Reich war, das im Hintergrund die Fäden zog. Sie war der Held, er war das Geld. Die beiden waren eine phantastische Kombination.
»Bis später«, sagte Donna zu ihrem Mann und entließ ihn mit einer Handbewegung.
»Ja, Liebes«, entgegnete er. Ihre brüske Art störte ihn nicht.
Donna begab sich vom Konferenzzimmer in ihre Büros – eine prunkvolle Suite miteinander verbundener Räume mit einer atemberaubenden Sicht auf Century City. Einen Moment blieb sie im Türrahmen stehen und registrierte das alles.
Anwälte! Was wussten die schon? Nichts. Das Einzige, was sie wirklich konnten, war, enorm hohe Rechnungen zu stellen. Glücklicherweise hatte sie jemanden am richtigen Platz, der in der Lage war, genau das zu tun, was sie wollte. Ihr Anwaltsteam hatte keine Ahnung, wie sie diesen Mann bearbeitet hatte – nicht einmal George wusste davon.
Donna lächelte.
Jeder hat eine schwache Stelle.
Man braucht nur zu suchen, um sie herauszufinden. Sie hatte die Stelle gefunden.
Sie ging in ihr privates Badezimmer, blieb vor dem antiken Spiegel mit dem Zierrahmen stehen und betrachtete sich prüfend.
Was sie sah, war eine dreiundvierzigjährige Frau mit gesträhntem blondem Haar, das zu einem eleganten Knoten frisiert war, eine Frau mit gemeißelten Zügen – der Stolz ihres Arztes für plastische Chirurgie –, eine schlanke Frau im Chanel-Kostüm und mit Winston-Diamanten.
Sie war attraktiv, doch auf die harte, künstliche Weise. Sie war attraktiv, weil sie sich gezwungen hatte, so zu werden.
Donna Landsman.
Donatella Bonnatti.
O ja, es war ein langer Weg gewesen von ihrem bescheidenen Anfang in einem staubigen, kleinen Nest im Südosten Siziliens. Ein langer, langer Weg ...
Und wenn Lucky Santangelo erst einmal vor ihr auf den Knien lag, würde sie der Schlampe schon beibringen, mit wem sie es zu tun hatte.
Lucky Santangelo Golden steuerte ihren roten Ferrari durch das prunkvoll geschmiedete Tor der Panther Studios, winkte dem Wächter freundlich grüßend zu und fuhr dann über das Gelände direkt zu ihrem Privatparkplatz, der vor ihren luxuriös ausgestatteten Büroräumen lag. Lucky war eine Frau von wilder Schönheit, Ende dreißig, und hatte jettschwarzes dichtes Haar, das ihr in Locken herabfiel, eine dunkelolivfarbene Haut, einen sinnlichen Mund, mandelförmige schwarze Augen und einen schlanken, durchtrainierten Körper.
1985 hatte sie das Filmstudio gekauft, und seitdem leitete sie es. Nach zwei hektischen Jahren war diese Aufgabe noch immer aufregend, denn sie genoss nichts mehr als Herausforderungen, und die Leitung eines Hollywood-Filmstudios war die größte Herausforderung. Es war sogar noch spannender, als ein Casino-Hotel in Las Vegas zu errichten, was sie zweimal getan hatte, oder das Reederei-Imperium ihres verstorbenen Mannes zu managen, eine Aufgabe, die sie jetzt an Treuhänder delegiert hatte.
Lucky liebte es, Filme zu machen – über Amerika hinaus Bilder mittels der Leinwand in die Welt zu schicken, die Menschen auf die vielfältigste Weise global beeinflussen konnten.
Doch das war nicht einfach. Der Widerstand, den man einer Frau entgegengebracht hatte, die die Leitung eines der bedeutendsten Filmstudios übernahm, war enorm gewesen. Vor allem einer Frau, die wie Lucky aussah. Vor allem einer Frau, die alles im Leben zu haben schien, auch drei Kinder und einen Ehemann, der Filmstar war. Jedermann weiß, dass Hollywood nichts als ein Club für große Jungen ist, in dem weibliche Wesen als Mitglieder nicht gerade willkommen sind.
Der legendäre Filmmogul Abe Panther hatte ihr das Studio erst verkauft, nachdem sie bewiesen hatte, dass sie es leiten konnte. Er hatte sie herausgefordert und ihr vorgeschlagen, ohne preiszugeben, wer sie war, als Sekretärin für Mickey Stolli zu arbeiten, den hinterhältigen Mann seiner Enkelin, der damals die Panther Studios leitete. Sein Hintergedanke dabei war, dass Lucky herausfinden sollte, ob Mickey in irgendwelche Machenschaften verwickelt war. Deckte sie die auf, würde er ihr die Studios verkaufen.
Und Lucky hatte mehr als genug herausgefunden, um die Bedingungen zu erfüllen. Mickey hatte auf jede nur erdenkliche Weise bedeutende Summen unterschlagen; sein Produktionsstab schnupfte Koks und machte teure Callgirls und VIPs zu Filmstars; der Vertriebsleiter schmuggelte mit den regulären Produktionen Pornokurzfilme ins Ausland, die unter dem Ladentisch verkauft wurden; die Panther-Filme waren nichts als heruntergekommene Softpornos, voller schmierigem Sex und empörender Gewalt; die Produzenten bereicherten sich an Nebeneinnahmen, während die Frauen, die für das Studio arbeiteten, wie Menschen zweiter Klasse behandelt wurden, ganz gleich, ob es sich dabei um Stars oder Sekretärinnen handelte – überall hatte sich männlicher Chauvinismus breit gemacht.
Lucky bot Abe eine Menge Geld an und die Rettung seines Studios, das langsam ruiniert wurde.
Abe Panther gefiel Luckys Spiel.
Er verkaufte.
Lucky übernahm das Ganze.
Abe hatte sie gewarnt, dass es schwierig sein würde, Panther in früherem Glanz wiedererstrahlen zu lassen.
Wie Recht er gehabt hatte.
Als Erstes hatte sie sich geweigert, weiterhin diesen billigen Mist zu drehen, den Panther am laufenden Band produziert hatte. Dann hatte sie die meisten Angestellten von Mickey in leitenden Positionen gefeuert und sie durch ein erstklassiges Team ersetzt. Und sie musste neue Projekte entwickeln – ein langsamer Prozess, der Zeit und Geduld erforderte.
Das Studio hatte jahrelang Verluste eingebracht, astronomische Summen, die sie als Kredite bei Banken aufnehmen musste. Lucky und ihr Finanzberater Morton Sharkey waren gezwungen gewesen, wieder einen großen Kredit aufzunehmen, nur um die laufenden Unkosten decken zu können. Dann, nach dem ersten Jahresabschluss, einem enttäuschenden Verlust von fast siebzig Millionen Dollar, hatte Lucky Bilanz gezogen und entschieden, dass es an der Zeit sei, einige ihrer ursprünglichen Investitionen umzugruppieren und zu diversifizieren. Morton hatte vorgeschlagen, Aktienpakete an verschiedene Gesellschaften und ein paar private Investoren zu verkaufen. Das schien eine ausgezeichnete Idee zu sein.
Morton hatte sich um alles gekümmert – die richtigen Investoren aufgetrieben, die sich nicht in ihre Geschäftsführung einmischten, einen Vorstand mit Leuten besetzt, die sich ebenfalls nicht einmischten, und schließlich dafür gesorgt, dass ihr noch immer vierzig Prozent der Anteile blieben.
Die gute Nachricht war, dass Panther zwei Filme herausgebracht hatte, die beide nicht schlecht liefen: Finder, eine bombastische Inszenierung für den umstrittenen Superstar Venus Maria, die außerdem eine von Luckys besten Freundinnen war, und River Storm, einen scharfen Thriller mit Charlie Dollar – dem Helden mittleren Alters im total weggetretenen Amerika – in der Hauptrolle. Lucky freute sich besonders, da beide Filme unter ihrer Leitung des Studios entstanden waren. Sie hoffte, dass dies der Anfang des Umschwungs war, auf den sie hingearbeitet hatte. Präsentiere dem Publikum gute, interessante Filme, dann geht es auch ins Kino – das war ihr Motto.
Sie eilte in ihr Büro, wo Kyoko, ihr ergebener japanischer Assistent, sie mit einer längeren getippten Telefonliste und einem verdrießlichen Kopfschütteln begrüßte. Er war ein zierlicher Mann um die Dreißig und trug ein Joseph-Aboud-Jackett und graue Hosen mit scharfen Bügelfalten. Er hatte glänzendes schwarzes Haar, das er zu einem straffen Pferdeschwanz gebunden hatte, und einen undurchdringlichen Gesichtsausdruck. Kyoko kannte jedes Detail des Filmgeschäfts, da er bereits als persönlicher Assistent für mehrere Filmbosse nach dem Abschluss seines Studiums gearbeitet hatte.
»Was gibt’s, Ky?«, fragte Lucky, zog ihre Armani-Jacke aus und setzte sich in ihren bequemen Ledersessel hinter ihrem übergroßen Art-déco-Schreibtisch.
Kyoko rasselte die Termine runter. »Sie müssen fünfzehn Anrufe beantworten, haben um halb elf eine Verabredung mit den japanischen Bankern und danach eine Produktionskonferenz für Gangsters, dann eine Besprechung mit Alex Woods und Freddie Leon, Lunch mit Venus Maria, wieder eine Produktionskonferenz um drei, das Interview mit einem Reporter von Newstime, um sechs ein Treffen mit Morton Sharkey, und ...«
»Dinner zu Hause, hoffe ich doch«, unterbrach sie ihn und wünschte, der Tag hätte mehr Stunden.
Kyoko schüttelte den Kopf. »Ihr Flugzeug nach Europa startet um zwanzig Uhr. Der Chauffeur holt sie um neunzehn Uhr zu Hause ab. Keine Minute später.«
Lucky lächelte gequält. »Hm, zwanzig Minuten fürs Dinner! Sie haben sich wohl vertan.«
»Jeden anderen würde ein solcher Terminkalender umbringen«, sagte Kyoko.
Lucky zuckte mit den Schultern. »Wenn wir tot sind, haben wir Zeit genug, Kyoko. Jetzt kann ich sie nicht verschwenden.«
Kyoko überraschte Luckys Entgegnung nicht. Seit sie das Studio übernommen hatte, arbeitete er als persönlicher Assistent für sie. Sie war eine eingeschworene Workaholic, deren Energie unerschöpflich war. Und sie war die intelligenteste und bestaussehende Frau, die er je kennen gelernt hatte. Smart und schön – eine verheerende Kombination. Überwältigend. Kyoko arbeitete gern für Lucky. Sie war das Gegenteil seines letzten Chefs, eines nervösen Mannes mit einem ständigen Kokainproblem und einem kleinen Schwanz.
»Probieren Sie mal, ob Sie Lennie über sein Handy erreichen können«, sagte Lucky. »Er hat mich heute früh über mein Autotelefon angerufen, aber die Verbindung war gestört. Ich konnte kein Wort verstehen.«
Lennie Golden, die Liebe ihres Lebens. Sie waren jetzt vier Jahre verheiratet, und jeden Tag schien ihre Ehe besser zu gehen.
Lennie war ihr dritter Mann. Im Moment war er bei Außenaufnahmen auf Korsika und drehte dort einen Abenteuerfilm. Drei Wochen ohne ihn waren tödlich, und sie konnte es kaum erwarten, ihn übers Wochenende zu sehen. Sie würden nur faulenzen und nichts anderes tun, als sich ausgiebig zu lieben.
Kyoko hatte das Produktionsbüro auf Korsika am Apparat. »Lennie dreht draußen am Strand«, informierte er sie und bedeckte die Muschel mit der Hand. »Soll ich eine Nachricht hinterlassen?«
»Sagen Sie denen, er soll sofort seine Frau anrufen. Mrs. Golden darf überall gestört werden.« Lucky grinste, als sie Mrs. Golden sagte – am meisten Spaß machte es ihr, Lennies Frau zu sein.
Bedauerlicherweise war Lennies Film keine Panther-Produktion. Sie hielten es beide für nicht opportun, dass er für seine Frau arbeitete. Er war aus eigener Kraft zum Star geworden, und wenn er nun für Panther drehte, hätte man das als Nepotismus auslegen können.
»Verbinden Sie mich mit Abe Panther«, bat sie Kyoko.
Gelegentlich rief sie Abe an und fragte um Rat. Er war jetzt neunzig und zählte zu Hollywoods Legenden. Der alte Mann hatte alles gesehen, das meiste getan und war noch immer so schlau und besaß einen so scharfen und schnellen Verstand wie jemand, der nur halb so alt war wie er. Er ermutigte sie immer und gab ihr gute Ratschläge, und da die Banken ihr im Nacken saßen, brauchte sie seine Versicherung, dass sich deren Einstellung wegen der beiden erfolgreichen Filme bald ändern würde.
Von Zeit zu Zeit fuhr sie zu Abes großer alter Villa, die über der Stadt thronte. Dann saßen sie auf der Terrasse und betrachteten den Sonnenuntergang, während Abe sie mit haarsträubenden Geschichten aus Hollywoods goldenen Zeiten ergötzte. Abe hatte sie alle gekannt, von Charlie Chaplin bis hin zu Marilyn Monroe, und er liebte es, faszinierende Geschichten zu erzählen.
Lucky hätte ihn gern heute besucht, aber sie hatte einfach nicht die Zeit dazu. Wie die Dinge lagen, hatte sie auch kaum Zeit für ihre Kinder – die zweijährige Maria und das Baby Gino, das sechs Monate alt war. Bobby, ihr neunjähriger Sohn aus ihrer Ehe mit dem verstorbenen Reeder und Milliardär Dimitri Stanislopoulos, verbrachte den Sommer bei Verwandten in Griechenland.
»Mr. Panther ist nicht zu erreichen«, sagte Kyoko.
»Okay. Dann probieren wir es später noch einmal.«
Sie warf einen Blick auf die Fotografien ihrer Kinder in den Silberrahmen auf ihrem Schreibtisch, auf die sie so stolz war. Bobby, der so intelligent und hübsch war, Maria mit ihren großen grünen Augen und dem schönsten Lächeln auf der Welt und das Baby Gino, das nach seinem Großvater benannt worden war. Maria hatte sie nach ihrer Mutter benannt.
Einen Moment ließ sie ihre Gedanken wandern und dachte an ihre schöne Mutter. Würde sie jemals den Tag vergessen können, als sie sie im Swimmingpool treibend aufgefunden hatte, von dem lebenslangen Feind ihres Vaters, Enzio Bonnatti, ermordet? Damals war sie fünf Jahre alt gewesen, und es war ihr vorgekommen, als wäre ihre Welt untergegangen.
Zwanzig Jahre später hatte sie Rache geübt und den Abschaum getötet, der den Mord an ihrer Mutter befohlen hatte. Auf diese Weise hatte sie Vergeltung für ihre Familie geübt, denn Bonnatti hatte ebenfalls ihren Bruder Dario und die erste große Liebe ihres Lebens, Marco, umbringen lassen.
Sie hatte Enzio Bonnatti mit seiner eigenen Waffe erschossen und behauptet, es sei aus Notwehr geschehen. »Er wollte mich vergewaltigen«, hatte sie der Polizei mit steinernem Gesicht erzählt. Und man hatte ihr geglaubt, denn ihr Vater war Gino Santangelo, und er hatte Geld und hinter den Kulissen die richtigen Fäden gezogen, so dass der Fall nicht einmal vor Gericht kam.
Ja, sie hatte alle diese Menschen gerächt und es nie bedauert.
»Sollen wir mit den Anrufen beginnen?«, fragte Kyoko und unterbrach ihren Ausflug in die Vergangenheit.
Sie schaute auf ihre Armbanduhr. Es war bereits nach zehn, der Morgen war schon fast vorüber, obwohl sie um sechs Uhr aufgestanden war. Sie griff nach ihrer Telefonliste. Kyoko hatte die Namen nach ihrer Bedeutung aufgeschrieben, einer Rangfolge, mit der sie nicht einverstanden war. »Ich rede eher mit einem Schauspieler als mit einem Agenten«, schalt sie ihren Assistenten. »Verbinden Sie mich mit Charlie Dollar.«
»Er möchte sich mit Ihnen treffen.«
»Weswegen?«
»Das Europa-Plakat für seinen Film River Storm gefällt ihm nicht.«
»Warum nicht?«
»Er sagt, er sehe darauf zu dick aus.«
Lucky seufzte. Schauspieler und ihre Egos. Eine nie endende Geschichte. »Ist es zu spät, um das noch zu ändern?«
»Ich habe mit der künstlerischen Abteilung gesprochen. Man kann es ändern. Aber das wird teuer.«
»Wenn es unseren Superstar glücklich macht, müssen wir eben was springen lassen«, sagte sie mit einem Anflug von Sarkasmus.
»Wie Sie meinen.«
»Sie kennen meine Philosophie, Ky. Wenn sie guter Laune sind, tun sie alles, um dem Film zum Erfolg zu verhelfen.«
Kyoko nickte. Um nichts in der Welt würde er mit Lucky streiten.
Lennie Golden hasste Scheiße, doch wenn man ein Filmstar war, steckte man die Hälfte seiner Zeit knöcheltief da drin. Das war das Schlimmste an seinem Beruf. Die Leute reagierten sonderbar auf Ruhm – entweder überschlugen sie sich in seiner Gegenwart, oder sie beschimpften ihn. Frauen waren am übelsten. Von dem Moment an, in dem sie ihn zum ersten Mal sahen, wollten sie mit ihm schlafen. Das beschränkte sich nicht nur auf seine Person, es betraf jeden Filmstar, sei es Kevin Costner, Robert Redford oder Bruce Willis. Frauen machen da keinen Unterschied, Hauptsache, der Mann ist berühmt.
Lennie hatte gelernt, solche Avancen zu ignorieren – er brauchte diese ständigen Eroberungen zur Aufwertung seines Selbstwertgefühls nicht. Er hatte Lucky, und sie war einzigartig.
Lennie war neununddreißig und ein attraktiver, etwas rastloser Mann, der Charisma besaß. Er war groß, sonnengebräunt und fit und nicht auf konventionelle Weise gut aussehend. Sein dunkelblondes Haar trug er halblang, und er hatte meergrüne Augen, die einen sehr direkt ansahen. Er trieb jeden Tag Sport, so dass sein Körper in ausgezeichneter Verfassung war.
Schon seit ein paar Jahren war er ein Filmstar – was ihn mehr als jeden anderen Menschen überraschte. Noch vor sechs Jahren war er Komiker gewesen und hatte danach getrachtet, einen neuen Gag zu landen, ein paar Dollar zu verdienen, irgendwie die Rädchen am Laufen zu halten. Und jetzt besaß er alles, wovon er jemals geträumt hatte.
Lennie Golden. Sohn des barschen alten Jack Golden, eines abgehalfterten Alleinunterhalters in Las Vegas, und von Alice, »Alice der Swizzle«, wie seine Mutter in ihrer Glanzzeit genannt wurde, als sie eine der berühmtesten Stripperinnen von Las Vegas gewesen war.
Mit siebzehn war er nach New York gegangen und hatte es ganz allein ohne die Unterstützung seiner Familie geschafft. Sein Vater war schon seit langem tot, aber Alice machte noch immer überall Ärger. Sie war jetzt sechsundsiebzig und albern wie ein blondiertes Starlet; nie hatte sie das Älterwerden in den Griff bekommen, und sie akzeptierte Lennie als ihren Sohn nur aus einem einzigen Grund – weil er berühmt war. »Ich war eine Kindsbraut«, pflegte sie jedem, der es hören wollte, affektiert zu erzählen, wobei sie mit ihren falschen Wimpern klimperte und ihre grell geschminkten Lippen zu einem schlüpfrigen Lächeln verzog. »Ich habe Lennie geboren, als ich zwölf war!«
Lennie hatte ihr ein kleines Haus in Sherman Oaks gekauft, wo sie über ihre Nachbarschaft herrschte. Da sie es nie mehr zu Starruhm bringen würde, hatte sie beschlossen, übersinnliche Kräfte zu haben. Ein kluger Schritt, denn nun trat sie regelmäßig im Kabelfernsehen auf und tat zu allem ihre Meinung kund, was Lennie ziemlich peinlich war. Insgeheim hatte er sie »Meine Mutter, das Schandmaul« getauft.
Manchmal kam ihm das alles irreal vor – seine Ehe mit Lucky, seine brillante Karriere, alles.
Er lehnte sich in seinem Regiestuhl zurück, kniff die Augen zusammen und musterte den Drehort am Strand. Eine Blondine im Bikini stolzierte vorbei und präsentierte ihre Rundungen. Sie hatte das schon ein paarmal getan, natürlich, um von ihm bemerkt zu werden. Er hatte sie bemerkt, okay. Er war verheiratet und nicht tot, und für Aufsehen erregende Blondinen hatte er früher einmal eine Schwäche gehabt. Vorhin hatte sie ihn gefragt, ob er sich mit ihr fotografieren lasse. Höflich hatte er die Bitte abgelehnt. Fotos mit Fans, vor allem mit attraktiven, hatten die hässliche Angewohnheit, in der Boulevardpresse zu landen.
Sie hatte die Botschaft kapiert und war kurz darauf mit einem Bodybuilder-Typ aufgekreuzt. »Mein Verlobter«, hatte sie mit strahlendem Lächeln erklärt. »Bitte!«
Er hatte sich mit den beiden fotografieren lassen.
Jetzt kurvte die Blondine wieder um ihn herum. Lange Beine, runder Hintern in einem kaum existierenden Tanga, feste Titten und harte Brustwarzen, die sich unter dem hauchdünnen Stoff scharf abzeichneten.
Hinschauen war okay.
Mehr war nicht drin.
Die Ehe war für sie beide eine gegenseitige Verpflichtung. Sollte Lucky ihn jemals betrügen, würde er ihr nie verzeihen. Er war überzeugt, dass sie genauso fühlte.
Schließlich setzte die Blondine zur Landung an. »Mr. Golden«, säuselte sie sinnlich mit leichtem französischem Akzent. »Ich liebe Ihre Filme. Es ist eine große Ehre für mich, mit Ihnen in diesem Film mitspielen zu dürfen.« Tiefes Einatmen. Die Brustwarzen drohten den Stoff zu zerreißen.
»Danke«, murmelte Lennie und fragte sich, wo der Verlobte jetzt war. Schmeichelndes Gekicher. »Ich sollte Ihnen danken.« Eine kleine rosa Zunge fuhr über ihren Schmollmund. Die Einladung zum Ficken leuchtete aus ihren gierigen Augen.
Da tauchte Hilfe wie aus dem Nichts auf – Jennifer, die hübsche zweite Produktionsassistentin. Sie trug Shorts, ein enganliegendes T-Shirt und eine Lakers-Baseball-Mütze. Überall lauerte die Versuchung.
»Mac ist für die Probe fertig, Lennie.«
Er stemmte seinen schlaksigen Körper aus dem Regiestuhl und streckte sich.
Jennifer bedachte die Blondine mit einem verächtlichen Blick. »Sie bleiben besser bei den anderen, meine Liebe«, sagte sie knapp. »Sie können doch nie wissen, wann Sie gebraucht werden.«
Die Blondine trat nicht gerade glücklich den Rückzug an. »Nichts als Silikon!«, murmelte Jennifer.
»Woher weißt du das?«, fragte Lennie. Er wunderte sich darüber, dass Frauen immer falsche Busen erkannten, Männer so gut wie nie.
»Das ist doch offensichtlich«, antwortete Jennifer geringschätzig. »Ihr Männer fallt auf alles rein.«
»Wer fällt rein?«, fragte Lennie amüsiert.
»Du nicht«, sagte Jennifer und schenkte ihm ein freundliches Lächeln. »Es ist ein Vergnügen, mit einem Star zu arbeiten, der nicht erwartet, dass man ihm zum Frühstück einen bläst.«
Jennifer gehört zu der Art Frau, wie Lucky eine ist, ging es Lennie durch den Kopf.
Er musste lächeln, als er an Lucky dachte. Außen hart, innen weich. Einfach hinreißend. Stark, dickköpfig, sinnlich, clever, verletzlich und verrückt. Die Mischung, aus der Lucky bestand, war wirklich einzigartig.
Lennie war davor einmal verheiratet gewesen. Eine überstürzte Eheschließung in Las Vegas mit Olympia Stanislopoulos, der eigensinnigen Tochter von Dimitri Stanislopoulos, der zur selben Zeit mit Lucky verheiratet gewesen war.
Olympia war einen tragischen Tod gestorben, an einer Überdosis in einem Hotelzimmer mit Flash, einem drogenabhängigen Rockstar.
Dimitri hatte einen Herzinfarkt nicht überlebt.
Und bald waren Lucky und Lennie ein Paar. Sie gehörten zusammen.
Olympia hatte eine Tochter hinterlassen, Brigette, die nun neunzehn und eines der reichsten Mädchen auf der Welt war. Lennie mochte sie, obwohl er sie nicht so oft sah, wie er das gerne getan hätte.
»Ich möchte, dass du Lucky kennen lernst, wenn sie hier ist«, sagte er zu Jennifer. »Ihr werdet euch mögen. Davon bin ich überzeugt.«
»Es wird deine Frau nicht interessieren, mich kennen zu lernen«, sagte Jennifer. »Sie leitet ein Filmstudio. Ich bin nur eine zweite Produktionsassistentin.«
»Das ist Lucky völlig egal. Sie mag Menschen um ihrer selbst willen, nicht deswegen, was sie machen.«
»Wenn du meinst.«
»Und he«, sagte er, um ihr Auftrieb zu geben, »da ist doch nichts Verkehrtes dran, wenn man zweite Produktionsassistentin ist. Du arbeitest dich schon noch hoch. Eines Tages wirst du Regie führen. Ist das dein Lebensplan?«
Jennifer nickte. »Ich habe dafür gesorgt, dass deine Frau morgen am Flughafen Poretta mit dem Auto abgeholt wird«, sagte sie rein geschäftsmäßig.
»In dem Auto sitze ich«, erklärte Lennie.
»Vielleicht musst du dann gerade drehen.«
»Lass eine andere Szene drehen.«
»Du bist in jeder Szene.«
»Trickse doch.«
»Ich trickse nie.«
Ja, diese Frau würde Lucky wirklich gefallen.
Alex Woods lächelte wie ein Krokodil – breit, bezaubernd und absolut tödlich. Das kam ihm sehr zustatten, denn täglich hatte er es mit allen möglichen wichtigen Leuten aus der Filmbranche zu tun. Sie waren dann nicht auf der Hut, und so gelang es ihm, die sensiblen Machtverhältnisse, die zwischen Autor, Produzent, Regisseur und Studio-Boss herrschen, der normalerweise jeden Filmemacher fördern oder vernichten kann, ganz gleich, wie berühmt oder talentiert dieser auch ist, zu zerstören. Alex strahlte Macht aus und konnte bei einer Menge Leute bewirken, dass die nervös wurden.
Alex Woods mit dem tödlichen Lächeln hatte innerhalb von zehn Jahren sechs teure und erfolgreiche Filme geschrieben, produziert und in Szene gesetzt. Sechs umstrittene Meisterwerke voller Sex und Gewalt. Alex nannte sie Meisterwerke, was jedoch nicht die Meinung aller Leute war, und jeder seiner Filme war für einen Oscar nominiert worden, doch er hatte nie einen bekommen, was ihn ankotzte. Alex wollte Anerkennung, eine mickrige Nominierung reichte ihm nicht. Er wollte, dass diese beschissene vergoldete Statue auf dem Kaminsims seines von Richard Meir erbauten Strandhauses stand, damit er sie jedem in den Arsch stecken konnte – natürlich bildlich gesprochen.
Obwohl Alex schon siebenundvierzig war und auf eine finstere, gefährliche Weise gut aussah – er hatte bezwingende Augen, starke Brauen und eine ausgeprägte Kinnpartie –, war er nicht verheiratet. Keine Frau hatte es geschafft, ihn festzunageln. Amerikanische Frauen gefielen ihm nicht, er bevorzugte Orientalinnen, möglichst unterwürfige Frauen, damit er sich im Bett mit ihnen wie ein Eroberer und Held fühlen konnte. Denn in Wahrheit hatte Alex Angst vor allen Frauen, die er auf irgendeine Weise als gleichwertig erachtete, was er sich natürlich nicht eingestand. Diese Angst rührte von seiner Mutter Dominique her, einer Französin mit heftigem Temperament, die seinen Vater Gordon Woods, einen mäßig erfolgreichen Filmschauspieler, der auf die Rolle des »besten Freundes« spezialisiert war, in einen frühen Tod getrieben hatte, als Alex erst elf war. Es hieß, sein Vater sei an einem Herzinfarkt gestorben, doch Alex wusste – da er ein stummer Zeuge vieler heftiger Auseinandersetzungen gewesen war –, dass seine Mutter den armen Mann mit ihrer bösen Zunge buchstäblich erschlagen hatte. Dominique war eine böse und berechnende Frau, die ihren Mann zum Alkoholiker gemacht hatte; wann immer er konnte, hatte er sich in den Rausch geflüchtet, und schließlich war er in den Tod geflohen.
Kurz nach der Beerdigung seines Vaters hatte Madame Woods ihren einzigen Sohn auf eine Militärakademie geschickt. »Du bist dumm, genau wie dein Vater«, hatte sie in keinen Widerspruch duldendem Ton erklärt. »Vielleicht wird dich der Aufenthalt dort intelligenter machen.«
Die Militärakademie war ein gelebter Alptraum gewesen. Alex hatte jede Minute dort gehasst, die erbarmungslose Disziplin und die unfairen Regeln. Doch wenn er sich bei seiner Mutter über Schläge und Einzelarrest beklagt hatte, hatte sie nur erwidert, er solle mit dem Jammern aufhören und ein Mann werden. Fünf Jahre hatte er dort bleiben müssen. Die Ferien verbrachte er bei seinen Großeltern in Pacific Palisades, während seine Mutter eine ganze Reihe unpassender Männer frequentierte. Seine Existenz ignorierte sie einfach. Einmal hatte er sie mit einem Mann im Bett überrascht, den er auf ihr Geheiß Onkel Willy nennen musste. Onkel Willy hatte mit einem riesigen Steifen auf dem Bett gelegen, und seine Mutter, vollkommen nackt, neben dem Bett gekniet. Diese Szene blieb ihm für immer im Gedächtnis haften.
Als Alex schließlich die Akademie verließ und seine Freiheit kostete, war sein Zorn ins Unermessliche gewachsen. Während seine Altersgenossen auf der High-School Spaß gehabt, mit den Mädchen geschlafen hatten und betrunken oder high gewesen waren, hatte man ihn wegen eines unbedeutenden Vergehens in eine fensterlose Zelle gesperrt oder ihm auf den nackten Hintern geschlagen, nur weil sein Benehmen Anstoß erregte. Manchmal dauerte eine solche Strafe zehn Stunden. Dann hatte er auf einer harten Holzbank gesessen und ins Nichts gestarrt. Torturen für Kinder reicher Leute, die sich nicht mit ihren Sprösslingen abgeben wollten.
Alex hatte oft über seine verlorenen Jugendjahre nachgedacht, und diese Gedanken erfüllten ihn jedes Mal mit Wut. Erst auf dem College hatte er seine erste sexuelle Erfahrung gemacht, keine erinnerungswürdige – eine fette, schmierige Hure in Tijuana, die nach ranzigen Tacos und Schlimmerem gestunken hatte. Er hatte diese Art Sex derart gehasst, dass er es ein ganzes Jahr lang nicht wieder probiert hatte.
Doch das zweite Mal war besser gewesen. Da war er bereits Filmstudent an der University of South California, und eine seriöse Blondine, die sein keimendes Talent bewunderte, hatte ihm zweimal am Tag sechs Monate lang einen geblasen. Ganz nett, aber richtig befriedigte ihn das auch nicht. Schließlich war er immer rastloser geworden und hatte sich zur Army gemeldet. Die hatte ihn nach Vietnam geschickt, wo er zwei niederschmetternde Jahre verbrachte und Dinge zu Gesicht bekam, die ihn sein Leben lang quälen würden. Als er nach Los Angeles zurückgekommen war, war er ein anderer Mann, unstet und nervös, jeden Moment bereit zu explodieren. Nach zwei Wochen hatte er die Stadt wieder verlassen. Er schrieb seiner Mutter, dass er sich melden würde, und trampte nach New York.
Oh ... Rache ... Fünf Jahre ließ er nichts von sich hören, und so viel er wusste, hatte sie sich nie bemüht, in irgendeiner Form Kontakt mit ihm aufzunehmen. Als er sie schließlich anrief, benahm sie sich so, als hätten sie vergangene Woche miteinander gesprochen. Sentimentale Scheiße gab es in Madame Woods’ Leben nicht.
»Ich hoffe, du arbeitest«, hatte sie mit eiskalter Stimme gesagt, »weil ich dich finanziell nicht unterstützen kann.«
Was für eine Überraschung!
Ja, Mom, ich habe gearbeitet. Ich habe mir monatelang den Arsch aufgerissen, nur damit ich was zu essen hatte. War Türsteher in einem miesen Strip-Lokal. Habe eine fleißige Hure beschützt und abkassiert. Bin Taxi gefahren. War Chauffeur eines degenerierten Theaterdirektors. War Bodyguard eines Gangsters. Habe mit einer älteren reichen Frau zusammengelebt, die mich an dich erinnert hat. Habe Drogen für ihre Freunde beschafft. War Manager eines verbotenen Spielclubs. Arbeitete als Assistent für einen Lektor, der eine Reihe mit billigen Mord-/Horror-Storys redigierte. Und schließlich der große Durchbruch – ich schrieb das Drehbuch und war der Regisseur eines Pornofilms für einen geilen alten Mafiacapo. Scharfe Muschis. Große Schwänze. Pornografie. Von der Sorte, die die Leute richtig anturnt. Und eine Story. Als Nächstes winkt Hollywood. Die erkennen gute Pornografie sofort, wenn sie welche sehen.
»Ich komme bald an die Westküste«, hatte er erwidert. »Ich habe einen Vertrag mit Universal, schreibe das Buch und führe bei dem Film Regie.«
Das alles beeindruckte Dominique nicht. Natürlich. Es folgte eine lange Pause. »Ruf mich an, wenn du hier bist.« Und das war’s dann.
Ein Miststück, das war sie, seine Mutter. Kein Wunder, dass er Frauen nicht traute.
Das war nun achtzehn Jahre her. Jetzt lagen die Dinge anders. Madame Woods war älter und weiser geworden. Er auch. Die beiden hatten eine Hass-Liebe-Beziehung. Er hasste sie, weil sie noch immer ein gemeines Miststück war. Und er liebte sie, weil sie seine Mutter war. Manchmal ging er mit ihr zum Dinner. Eine strenge Strafe.
In den vergangenen achtzehn Jahren hatte seine Karriere einen steilen Aufschwung genommen. Aus einem schlecht bezahlten Nichts war er zur Spitze aufgestiegen und hatte sich einen Ruf als innovativer, risikofreudiger und origineller Filmemacher erworben. Das war nicht leicht gewesen, aber er hatte es geschafft, und er war auf seinen Erfolg stolz.
Schön wäre gewesen, hätte seine Mutter diesen Stolz geteilt. Doch sie lobte ihn nie, sondern formulierte eher kritische Worte, die von ihren dünnen scharlachroten Lippen perlten. Alex wusste, dass sein Vater, hätte er noch gelebt, über den Erfolg seines Sohnes glücklich gewesen wäre und ihn auf jede Weise unterstützt hätte.
Nun hatte er eine Verabredung mit Lucky Santangelo, der derzeitigen Chefin der Panther Studios, und es passte ihm nicht, dass er sein neuestes Projekt, den Film Gangsters, einer Frau schmackhaft machen musste. Himmel noch mal, schließlich war er Alex Woods! Er hatte es nicht nötig, irgendjemandem in den Arsch zu kriechen, vor allem nicht so einer Tussi, die in dem Ruf stand, alles nach ihrem Kopf zu machen.
Niemand setzte seinen Kopf durch, wenn es um einen Film von Alex Woods ging.
Er brauchte nur ihre Investition, denn Paramount hatte das Projekt im letzten Moment fallen lassen, mit der Begründung, in Gangsters gebe es zu viel Gewalt. Aber er wollte einen Film über Las Vegas in den fünfziger Jahren drehen – Ganoven, Nutten und Spieler. Damals hatte Gewalt zum Lebensstil gehört.
Das Problem mit den Studios bestand darin, dass die Bosse die Kritik all dieser braven Politiker fürchteten, die heimlich Huren fickten, während ihre Ehefrauen mit einem gefrorenen Lächeln und einer trockenen Muschi daneben standen. Diese verdammte heuchlerische Doppelmoral!
Alex hasste Scheinheiligkeit. Sag die Wahrheit und nichts als die Wahrheit, war sein Motto, und genau das tat er in jedem seiner Filme. Er war ein umstrittener Filmemacher – entweder wurde er mit bitterer Kritik oder mit brillanten Rezensionen überhäuft. Seine Filme brachten die Leute zum Nachdenken, und das konnte manchmal gefährlich werden.
Als Paramount den Film ablehnte, hatte Alex’ Agent Freddie Leon vorgeschlagen, Gangsters Panther anzubieten. »Lucky Santangelo macht ihn«, hatte Freddie ihm versichert. »Ich kenne Lucky. Auf diese Art Story fährt sie ab. Außerdem braucht sie einen Topfilm.«
Alex hoffte, dass Freddie Recht hatte, denn wenn Alex eins hasste, so war es warten. Er war nur glücklich, wenn er bis zum Hals in der Arbeit an einem Film steckte. Für ihn war Erfüllung Action.
Freddie hatte vorgeschlagen, dass sie sich vor ihrem Treffen mit Lucky noch einmal zusammensetzten. Deshalb hatte er Alex zu einem späten Frühstück ins Four Seasons gebeten.
Alex kleidete sich ganz in Schwarz, von seinen Sportschuhen bis zum T-Shirt, und fuhr in seinem schwarzen Porsche Carrera zum Hotel. Als er kam, war Freddie bereits da und blätterte im Wall Street Journal. Er sah nicht wie ein Agent, sondern eher wie ein Banker aus.
Freddie Leon war ein Mann Anfang vierzig, mit angenehmen, aber undurchdringlichen Gesichtszügen und einem verbindlichen Lächeln. Er war nicht irgendein Agent, er war der Agent. Mister Super-Power. Er machte Karrieren und konnte sie ebenso leicht zerstören. Für dieses Privileg hatte er hart gearbeitet. Sein Spitzname in der Stadt war »Die Schlange«, weil er jeden Vertrag abschließen, aber auch ganz einfach wieder stornieren konnte.
Alex setzte sich zu ihm in die Nische. Eine Kellnerin schenkte ihm starken schwarzen Kaffee ein. Er trank davon und verbrannte sich die Zunge. »Scheiße!«, fluchte er.
»Morgen.« Freddie ließ das Wall Street Journal sinken.
»Warum glaubst du, dass Panther Gangsters realisieren wird?«, fragte Alex ungeduldig.
»Ich habe dir doch gesagt, dass Panther Topfilme braucht«, antwortete Freddie gelassen. »Und das ist genau die Art Drehbuch, die Lucky mag.«
»Wieso?«
»Wegen ihrer Vergangenheit«, erklärte Freddie und trank von seinem Kräutertee. »Ihr Vater war einer der Ersten, der in Las Vegas ein Hotel gebaut hat. Gino Santangelo – wie es heißt, war er ein ziemlich außergewöhnlicher Mann.«
Überrascht beugte sich Alex vor. »Ihr Vater ist Gino Santangelo?«
»Ganz richtig. Einer von den Jungs. Machte ein Vermögen und hat sich dann anderen Geschäften zugewandt. Lucky hat später ihre eigenen Hotels in Vegas gebaut – das Magiriano und das Santangelo. Sie wird dein Drehbuch begreifen.«
Alex hatte von Gino Santangelo gehört. Er war kein so hochkarätiger Gangster wie Bugsy Siegel gewesen oder einer der alten Mafiosi, aber zu seiner Zeit hatte er wohl mehr als einmal am Rande der Legalität gelebt.
»Wie es heißt, hat Gino seine Tochter nach Lucky Luciano benannt«, fügte Freddie hinzu. »Sie hat schon einiges im Leben hinter sich.«
Widerwillig musste sich Alex eingestehen, dass seine Neugierde geweckt war. Also war Lucky nicht irgendeine couragierte Lady, die aus dem Nichts kam. Sie hatte eine Geschichte – sie war eine Santangelo. Warum war er nicht früher darauf gekommen?
Er trank den starken schwarzen Kaffee in drei großen Schlucken und fand, dass sich dieses Geschäft als weitaus interessanter herausstellen könnte, als er gedacht hatte.
Drei sehr konventionelle, sehr korrekte japanische Banker – das Treffen verlief positiv, obwohl Lucky spürte, dass die Asiaten nicht gern mit einer Frau verhandelten.
Nun ja, ihr ganzes Leben war es ihr so ergangen. Wann begriffen Männer endlich, dass man sich bei Verhandlungen auch entspannen konnte und nicht alles ein beschissener Kampf war?
Sie brauchte die japanischen Banker, weil sie eine globale Kette von Panther-Läden aufziehen wollte. Vermarktung war das Gebot der Stunde, und Lucky wusste, dass sie von Anfang an dabei sein musste.
Die Banker schienen dem Kredit positiv gegenüberzustehen, als sie gingen. Gleich nachdem die drei ihr Büro verlassen hatten, rief sie ihren Vater auf dessen Besitz in Palm Springs an. Gino ging es gut, und das nicht ohne Grund. Mit einundachtzig war er – wie Abe Panther – mit einer Frau verheiratet, die nur etwas mehr als halb so alt war wie er. Paige Wheeler war eine rothaarige, attraktive Innenarchitektin, die sich in vorbildlicher Weise um ihn kümmerte. Nicht dass Gino das nötig gehabt hätte, er war aktiver als die meisten viel jüngeren Männer, voller Elan und Lebenskraft. Momentan spielte er an der Börse, ein Hobby, bei dem er überschüssige Energien abbauen konnte und das ihn fit hielt, weil er jeden Morgen um sechs Uhr aufstand.
Lucky beendete ihr Gespräch mit dem Versprechen, ihn bald zu besuchen.
»Aber wirklich«, brummte Gino. »Und komm mit den bambini – ich will ihnen ein paar Sachen beibringen.«
»Was denn?«, fragte sie neugierig.
»Das geht dich gar nichts an.«
Lucky lächelte. Ihr Vater war etwas Besonderes. Während der schlechten Zeiten, als sie nicht einmal miteinander geredet hatten, hatte sie ihn mit glühender Leidenschaft gehasst. Und jetzt liebte sie ihn mit ebensolcher Leidenschaft. Sie hatten viel zusammen er- und überlebt. Glücklicherweise hatte es sie beide stärker gemacht.
Lucky musste an die Zeit denken, als er sie ins Exil geschickt hatte, in ein strenges Internat in der Schweiz. Damals war sie sechzehn gewesen. Als sie aus dem Internat davonlief, hatte er sie zu einer Ehe mit Craven Richmond, dem langweiligen Sohn von Senator Peter Richmond, gezwungen. Was für ein Alptraum! Doch sie ließ sich nicht auf Dauer einsperren. Als Gino aus den Staaten fliehen musste, weil er Steuern hinterzogen hatte und ihm deswegen Gefängnis drohte, hatte sie ihre Chance ergriffen und das Familienunternehmen geleitet, obwohl Gino erwartet hatte, dass ihr Bruder Dario die Geschäfte übernehmen würde. Aber Dario war kein Geschäftsmann gewesen, und so hatte Lucky Ginos neues Hotel in Las Vegas fertig gebaut und sich in jeder Hinsicht als kompetent erwiesen.
Als Gino dann zurückgekehrt war, hatte sie um die Vormachtstellung gekämpft – ein Krieg, den keiner gewonnen hatte. Es hatte nur zu einem Waffenstillstand gereicht.
Doch das alles war Vergangenheit. Sie waren sich zu ähnlich, um auf Dauer Feinde zu sein.
Vor der Verabredung mit Freddie Leon und Alex Woods eilte Lucky ins Konferenzzimmer zu einer kurzen Produktionsbesprechung. Sie wusste bereits, dass sie für Gangsters grünes Licht geben würde, denn sie hatte das Drehbuch gelesen und fand es brillant. Alex Woods war ein guter Autor.
Nachdem sie mit ihrem Team gesprochen hatte, war sie zufrieden, da alle ihre Entscheidung billigten. Sie brauchte die Gewissheit, dass die anderen ebenfalls der Meinung waren, dieser Film würde viel Geld einbringen. Das verlieh ihr Sicherheit. Alex Woods war ein umstrittener und gefährlicher Filmemacher, doch wenn die Dreharbeiten abgeschlossen waren, wussten alle, dass er den ganzen Ärger wert gewesen war.
Sie kehrte in ihr Büro zurück und wollte gerade ihren Halbbruder Steven in England anrufen – er war mit seiner Familie vor kurzem dorthin gezogen –, als Kyoko den Kopf zur Tür hereinsteckte. »Alex Woods und Freddie Leon sind da«, verkündete er. »Soll ich sie warten lassen?«
Sie warf einen Blick auf die Cartier-Uhr auf ihrem Schreibtisch, ein Geschenk von Lennie. Punkt zwölf Uhr mittags. Sie legte den Hörer auf; Steven würde sie später anrufen. »Bitten Sie sie herein«, sagte Lucky, denn sie wusste, dass die Mächtigen dieser Welt niemals jemanden warten ließen.
Freddie betrat mit seinem verbindlichen Lächeln und seinen ausdruckslosen grauen Augen als Erster ihr Büro.
Lucky stand zu seiner Begrüßung auf. Sie mochte an ihm, dass er ein Profi war. Mit Freddie gab es keine faulen Absprachen; er wusste, was er wollte, und war direkt.
Alex Woods folgte ihm. Lucky hatte ihn noch nicht persönlich kennen gelernt, aber viel über ihn gelesen und sein Foto oft in Zeitungen und Magazinen gesehen.
Doch die Fotos vermittelten nur einen schwachen Eindruck von seiner wahren Persönlichkeit. Er war groß und hatte eine gute Figur, einen zwingenden Blick und ein Killerlächeln, mit dem er sie sofort bedachte.
Ganz kurz verschlug es ihr den Atem – sie fühlte sich verwundbar, fast wie ein kleines Mädchen, was sehr selten vorkam.
Freddie stellte sie einander vor. Sie gab Alex die Hand. Sein Händedruck war fest und stark, ein Mann, auf den man sich verlassen konnte.
Sie zog ihre Hand zurück, strich ihr langes dunkles Haar aus der Stirn und redete eine Spur zu schnell. »Ich freue mich, Mr. Woods, dass ich Sie endlich kennen lerne. Ich bin eine große Bewunderin Ihrer Filme.«
O Gott, sie redete wie ein dämlicher Fan. Was war nur mit ihr los? Warum reagierte sie so?
Alex knipste wieder sein Lächeln an, was ihm Zeit gab, die außerordentliche Schönheit dieser Frau zu verdauen. Sie war auf ausgefallene Weise verwirrend schön. Alles an ihr strahlte eine unglaubliche Sinnlichkeit aus, vom lockeren Fall ihres schwarzen Haars bis zu ihren wachsamen dunklen Augen und ihrem vollen weichen Mund.
Er ließ den Blick zu ihren Brüsten unter der weißen Seidenbluse wandern. Sie hatte keinen Büstenhalter an, und er konnte unter dem Stoff andeutungsweise ihre Brustwarzen sehen. Er fragte sich, ob sie überhaupt Unterwäsche trug.
Herrgott, was war mit ihm los? Er hatte schon fast einen Steifen. Warum hatte Freddie ihn nicht gewarnt?
Freddie nahm die sexuell aufgeladene Atmosphäre, die in dem Raum herrschte, gar nicht wahr. Er hatte sein Programm, und daran hielt er sich. Wie Nektar perlte Agentengesäusel von seinen Lippen. »Panther braucht einen Regisseur wie Alex Woods«, sagte er. »Es ist wohl nicht nötig, aufzuzählen, wie oft seine Filme schon nominiert worden sind.«
»Ich weiß Mr. Woods’ exzellente Arbeit zu schätzen«, entgegnete Lucky. »Und wir würden gern mit ihm ins Geschäft kommen. Wie ich jedoch erfahren habe, werden die Produktionskosten von Gangsters auf fast zweiundzwanzig Millionen Dollar veranschlagt. Das ist eine enorme Summe.«
Freddie blieb eine Erwiderung nicht schuldig. »Nicht für einen Alex-Woods-Film«, sagte er unbeeindruckt. »Seine Filme bringen immer Geld.«
»Mit der richtigen Besetzung«, meinte Lucky.
»Alex’ Besetzungen sind stets brillant. Er braucht keine Stars, denn die Leute sehen sich seine Filme seinetwegen an.«
Alex beugte sich vor. »Haben Sie mein Drehbuch gelesen?«, fragte er und beobachtete sie genau.
Lucky begegnete seinem Blick kühl. Sie wusste, dass er auf Komplimente wartete. Und sie wusste auch, dass es besser war, ihn etwas aus dem Gleichgewicht zu bringen – jetzt jedenfalls. »Ja, das habe ich«, sagte sie, ohne mit der Wimper zu zucken. »Es kommt ziemlich viel Gewalt darin vor, aber das entspricht der Wahrheit.« Sie machte eine Pause. »Gino, mein Vater, war zu der Zeit in Las Vegas. Er hat das Mirage gebaut. Vielleicht würden Sie ihn gern kennen lernen?«
Er starrte sie noch immer an. »Sehr gern.«
Sie wollte nicht als Erste den Blick senken. »Dann arrangiere ich das«, sagte sie und tat so, als würden sie nicht gerade einen raffinierten Machtkampf mit Blicken austragen. »Er lebt in Palm Springs.«
»Ich kann jederzeit dorthin fahren.«
»Also, was ist?«, fragte Freddie. Er spürte, dass sie zum Schluss des Gesprächs kamen. »Machen wir den Deal?«
»Mehr oder weniger«, antwortete Lucky, jetzt Freddie ihre Aufmerksamkeit schenkend, doch schon in der nächsten Sekunde war sie wütend, weil sie als Erste den Blick abgewandt hatte.
Freddie ignorierte die Zweideutigkeit ihrer Antwort. »Diese Kombination kann nur gewinnen«, prophezeite er enthusiastisch. »Panther Studios zeigt Alex Woods’ Gangsters. Ich rieche den Oscar schon!«
»Nur noch eine Kleinigkeit«, sagte Lucky, griff nach ihrem Lieblingsstift aus massivem Silber und klopfte damit ungeduldig auf ihren Schreibtisch. »Paramount hat dieses Projekt abgelehnt, weil zu viel Gewalt darin ist. Von mir aus können Sie diese Szenen beibehalten. Aber ... was die Sexszenen angeht ...«
»Was ist damit?«, fragte Alex herausfordernd.
»Aus dem Drehbuch konnte ich entnehmen, dass mehrere Darstellerinnen in gewissen Szenen völlig nackt sind, während der Held und seine Freunde immer noch bekleidet sind, wenn auch spärlich.«
»Ja. Und wo liegt das Problem?«, fragte Alex, der nicht begriff, worauf Lucky hinauswollte.
»Nun«, sagte Lucky langsam, »in unserem Studio gilt die Gleichberechtigung. Wenn die Frauen sich ausziehen, ziehen sich die Männer auch aus.«
»Wie?«, fragte Alex verblüfft.
Lucky hatte sich mittlerweile wieder ganz unter Kontrolle. »Lassen Sie es mich so ausdrücken, Mr. Woods. Wenn wir Titten und Ärsche sehen, dann sehen wir auch Schwänze.« Sie musste lächeln, als sie bemerkte, dass Freddie und Alex von dieser Vorstellung ziemlich erschüttert waren. »Und wenn wir das realisieren, Gentlemen, dann sind wir im Geschäft.«
»Wie alt bist du, Süße?«, fragte der fünfundfünfzigjährige Lüstling die außerordentlich hübsche Honigblonde mit dem frischen Gesicht, die vor seinem Schreibtisch saß.
»Neunzehn«, antwortete sie wahrheitsgemäß, obwohl sie, was ihren Namen betraf, bereits gelogen hatte. Sie hatte anstatt Stanislopoulos Brown angegeben. Brigette Stanislopoulos war ein Zungenbrecher, während Brigette Brown einen gewissen Klang hatte. Außerdem war Brown ein anonymer Name, und Brigette wollte nicht, dass jemand herausfand, wer sie war.
»Nun ja.« Mr. Fünfundfünfzig räusperte sich und fragte sich, ob jemand schon dieses köstliche Stück weiblichen Fleisches flachgelegt hatte. »Du hast sicher alle Attribute, um eine sehr erfolgreiche Karriere als Model zu machen.« Sein Blick ruhte auf ihrem Busen. »Du bist groß genug, hübsch genug, und wenn du zehn Pfund abnimmst, bist du auch dünn genug. Werde deinen Babyspeck los, und ich lasse Probeaufnahmen von dir machen. Inzwischen lade ich dich heute Abend zum Essen ein, und da reden wir über deine Zukunft.«
Brigette erhob sich. »Ich habe heute Abend leider zu tun.« Sie blieb an der Tür stehen. »Aber ich danke Ihnen für Ihren Ratschlag.«
Mr. Lüstling sprang auf. Er war überrascht, dass sie seine Einladung nicht angenommen hatte – normalerweise klappte das. Die Mädchen, die Models werden wollten, waren immer hungrig – meistens hatten sie kein Geld, und ein Dinner mit ihm wurde als Erfolg betrachtet.
»Wie wär’s denn mit morgen Abend?«, schlug er vor und grinste einladend.
Brigette lächelte süß. Sie hatte ein hübsches Lächeln, so unschuldig wie Frühlingsblumen. »Wollen Sie mich ficken oder mich als Model rausbringen?«, fragte sie. Mister Lüstling war zutiefst schockiert. Er war es nicht gewohnt, dass ein so junges Ding in diesem Ton mit ihm redete.
»Du hast ein dreckiges Mundwerk, kleines Mädchen«, sagte er verärgert.
»Umso besser, wenn ich mich sofort verabschiede«, entgegnete sie, öffnete die Tür und rief zum Schluss: »Bis dann, wenn ich die Titelseite von Glamour schmücke!«
Wieder auf der Straße, kochte sie vor Wut, weil der Typ so herablassend gewesen war. Männer! Was für Schweine! Zehn Pfund solle sie abnehmen! Sie war nicht fett – tatsächlich war sie so schlank wie noch nie zuvor. Und bildete der sich wirklich ein, sie würde sich von einem alten Kretin, wie er es war, zum Dinner einladen lassen? Das war absurd. »Hör mir gut zu, alter Mann«, sagte sie, als sie die Madison Avenue entlangschlenderte. »Du hast keine Chance!«
Niemand achtete auf sie. Das war New York, und hier konnte man sich alles erlauben.
Brigette war einsachtzig groß und wog fünfundfünfzig Kilo. Sie hatte von der Sonne gebleichtes honigblondes Haar, das sie schulterlang und gerade herabfallend trug. Ihr Mund war voll, ihre Augen waren blau und wissend, und ihre Haut schimmerte wie Samt. Sie strahlte Gesundheit und Energie aus. Die meisten Männer fanden ihren unschuldig-frischen Sexappeal unwiderstehlich.
Brigette liebte diese Stadt. Sie war verrückt nach den heißen, dreckigen Bürgersteigen, weil man sich dort in der Menge verlieren konnte. In New York war sie nicht Brigette Stanislopoulos, eines der reichsten Mädchen der Welt. In New York war sie nichts als noch ein hübsches Gesicht, das verzweifelt versuchte, auf der Karriereleiter nach oben zu klettern.
Zum Glück hatten Lucky und Lennie sie verstanden, als sie den beiden erklärt hatte, dass sie nicht mehr aufs College, sondern in New York versuchen wolle, als Model Erfolg zu haben. Die beiden hatten nichts dagegen gehabt, ja sogar noch ihre Großmutter mütterlicherseits von Brigettes Vorhaben überzeugt, doch unter einer Bedingung: Sollten sich ihre Pläne nicht innerhalb von sechs Monaten realisieren, müsse sie aufs College zurück.
Doch das kam für Brigette überhaupt nicht in Frage. Sie würde es schaffen, da war sie ganz sicher.
Bisher hatte sie nicht viel Glück gehabt. Okay, sie war reich, aber was bedeutete das schon? Dieses Geld hatte sie nicht selbst verdient. Das war ererbtes Vermögen – von ihrem Großvater Dimitri, der Milliardär gewesen war, und von ihrer Mutter Olympia. Viel Gutes hatte den beiden das Geld nicht gebracht; sie waren tot und begraben.
Auch ihr leiblicher Vater, Claudio Caducci, war bereits gestorben. Das war nicht weiter schlimm, denn sie hatte ihn nicht gekannt. Kurz nach Brigettes Geburt hatte sich ihre Mutter wegen seiner ständigen Affären von ihm scheiden lassen. Olympia hatte Claudio geheiratet, als sie neunzehn und er fünfundvierzig gewesen war. Claudio war ein gut aussehender italienischer Geschäftsmann mit immensem Charme und einer teuren Garderobe gewesen. Als Abfindung hatte er nach der Scheidung zwei Ferrari und drei Millionen Dollar bekommen. Leider hatte Claudio nicht die Zeit gehabt, seine Autos und sein Geld zu genießen, denn ein paar Monate nach der Scheidung war er zufällig in Paris durch eine Bombe von Terroristen ums Leben gekommen.
Olympia hatte sofort wieder geheiratet. Dieses Mal einen polnischen Grafen. Diese Ehe hatte genau vier Monate gedauert. Brigette konnte sich an den Grafen überhaupt nicht erinnern. Der einzige Stiefvater, den sie kannte, war Lennie, und ihn liebte sie.
Manchmal vermisste sie ihre Mutter zutiefst. Als Olympia starb, war sie zwölf gewesen, und niemand hatte ihren Platz einnehmen können außer ihrer Großmutter Charlotte, einer Angehörigen der New Yorker Schickeria, die viele gesellschaftliche Verpflichtungen hatte, und Lucky und Lennie, die beide arbeiteten und sich um ihre Kinder kümmerten, so dass sie für Brigette nicht viel Zeit hatten.
Und so musste sie etwas finden, um die Leere, die in ihr war, zu füllen.
Auf keinen Fall würde das ein Mann sein. Männern konnte man nicht trauen. Männer waren nur auf eins aus – auf Sex.
Sie hatte Sex gehabt und wollte keinen mehr. Zumindest nicht, bis sie das berühmteste Model auf der Welt war.
Letztes Jahr war sie etwa zehn Minuten lang mit dem Enkel eines Konkurrenten ihres Großvaters verlobt gewesen. Sie hatten viel Spaß zusammen gehabt, bis Brigette feststellte, dass der Typ kokainsüchtig war. Sie nahm keine Drogen. Sofort hatte sie die Verlobung gelöst und war nach Griechenland zu den Verwandten ihres Großvaters gefahren.
Sie ging zu Bloomingdale’s in die Kosmetikabteilung und kaufte einen bronzefarbenen Lippenstift und Lipgloss. Sie liebte Make-up, wenn es natürlich wirkte. Damit experimentierte sie gern. Wenn sie erst einmal ein Star war, würde sie ihre eigene Make-up-Palette kreieren. O ja, sie würde selbst zu Reichtum kommen – das war nur eine Frage der Zeit.
Sie war jetzt seit sieben Wochen in New York, und Mr. Lüstling war der dritte Agent, den sie aufgesucht hatte. Es war ziemlich schwierig, Termine bei diesen Leuten zu bekommen, und da sie ihre Beziehungen nicht spielen lassen wollte, musste sie sich eben abplagen. Ein ärgerlicher Gedanke, denn Brigette war ungeduldig. Wäre es nach ihr gegangen, ihre Karriere hätte bereits gestern angefangen.
Zu ihrem Apartment in SoHo nahm sie ein Taxi. Sie teilte die Wohnung mit einem anderen Mädchen. Darauf hatten Charlotte und Lucky bestanden, obwohl Brigette der Ansicht war, dass sie auch gut allein zurechtgekommen wäre.
Lucky hatte Anna höchstpersönlich ausgewählt, und Brigette hegte den Verdacht, dass Anna eine Art bezahlte Spionin war, die ein Auge auf sie haben sollte. Aber das ärgerte sie nicht, denn sie hatte nichts zu verbergen.
Anna war Ende zwanzig, eine schlanke junge Frau mit langem braunem Haar und verträumten Augen. Sie schrieb Gedichte, blieb die meiste Zeit zu Hause und war immer verfügbar, wenn Brigette etwas von ihr wollte.
Sie machte gerade Rührei, als Brigette zurückkam. »Wie ist es heute gelaufen?«, fragte sie und gab zu viel Pfeffer an die Eier.
»Ganz gut«, antwortete Brigette, obwohl sie das Gegenteil dachte. Es lief nie gut. Mein Gott! Vielleicht war sie zum Misserfolg verdammt.
Anna strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Wollen sie dich haben?«
»Ha!«, rief Brigette verärgert aus. »Ich soll zehn Pfund Gewicht verlieren.«
»Du bist nicht dick.«
Brigette verzog das Gesicht. »Ich weiß nicht«, erwiderte sie und glättete ihren superkurzen Rock. »Der Typ hat gesagt, ich hätte Babyspeck.«
»Babyspeck!«
»Ja. Idiot!«
Anna rührte noch immer in den Eiern. »Und jetzt?«
Brigette zuckte mit den Schultern. »Ich probier’s weiter.«
Später bestellte sie Pizza und setzte sich draußen auf die Feuerleiter zum Essen, weil es in dem Apartment so heiß war. Sie hätte im Luxus in einem Penthouse mit Klimaanlage in der Park Avenue wohnen können, doch das wollte sie nicht. Sie zog den Kampf vor.
Als sie auf einem Stück Pizza kaute, dachte sie über ihr Leben und die seltsamen Wendungen, die es genommen hatte, nach.
Manchmal konnte sie es kaum fassen.
Manchmal fing sie grundlos zu weinen an.
Manchmal quälte sie die Erinnerung an Tim Wealth. Dann ließ sie der Gedanke an ihn einfach nicht mehr los.
Tim Wealth. Der umwerfende junge Filmschauspieler.
Er hatte sie entjungfert, als sie fünfzehn war, und war ermordet worden, weil er seine Nase in Dinge gesteckt hatte, die ihn nichts angingen.
Wie gut sie sich an ihn erinnerte. Wie viele Nächte sie dann schaudernd wach lag.
Der arme Tim war Santino Bonnatti, einem Erzfeind der Santangelos, in die Quere gekommen, gerade in dem Moment, als Santino versuchte, Brigette und ihren jüngeren Stiefbruder Bobby zu kidnappen.
Santinos Männer hatten Tim brutal ermordet und die Leiche in seinem Apartment liegen lassen, während sie und Bobby in Santinos Haus gebracht und sexuell missbraucht wurden. Sie konnte sich noch immer an jede Ekel erregende Einzelheit erinnern – wie sie nackt und total verängstigt auf Santinos Bett saß, während der perverse Santino, nur mit seiner Unterhose bekleidet, ihren kleinen Stiefbruder auszog und sich über ihn hermachen wollte.
Da hatte sie den Revolver auf dem Nachttisch entdeckt. Bobby schrie entsetzlich, und sie wusste, dass sie etwas tun musste. Sie kroch über das Bett und griff nach der Waffe.
Santino war so mit Bobby beschäftigt, dass er nichts merkte.
Mit zitternden Händen hob sie den Revolver, zielte auf das Monster und drückte ab.
Einmal.
Zweimal.
Dreimal.
Goodbye, Santino.
Brigette schüttelte vehement den Kopf; verzweifelt versuchte sie zu vergessen.
Verschließe dich vor deinen Erinnerungen, Brigette. Vergiss die Vergangenheit.
Konzentriere dich auf das Jetzt.
»Sie ist ein verrücktes Weib«, sagte Alex verärgert.
»Sie finanziert deinen Film«, entgegnete Freddie beschwichtigend.
»Was für ein beschissenes Problem hat sie eigentlich?«
»Ich wüsste nicht, dass sie eins hätte.«
»Himmel noch mal! Du hast sie doch gehört.«
Freddie seufzte geduldig. »Was?«
»Sie will, dass die Schauspieler ihre Schwänze raushängen lassen. Was soll diese Scheiße? Weiß sie denn nicht, dass mit zweierlei Maß gemessen wird?«
»Das braucht dich doch nicht zu kümmern.«
»Aber das tut es, verdammt noch mal!«, sagte Alex wütend, als die beiden bei ihren Autos angekommen waren.
»Warum?«, fragte Freddie, die Hand an der Tür seines glänzenden Bentley Continental. »Du drehst solche Szenen und schneidest sie hinterher einfach wieder raus. Pornografie kann sie sich nicht leisten, das wäre tödlich für die Einnahmen. Und außerdem würden sich die Kinos weigern, einen solchen Film zu zeigen. Das weiß sie.«
»Irgendwie muss sie krank sein«, murmelte Alex.
Freddie lachte. »Jedenfalls hat sie dich auf die Palme gebracht. In diesem Zustand habe ich dich noch nie erlebt.«
»Weil sie eine dumme Kuh ist.«
»Nein«, entgegnete Freddie, »das ist Lucky nun wirklich nicht. Vor zwei Jahren hat sie die Leitung von Panther übernommen und arbeitet ausgezeichnet. Sie hatte keine Erfahrung im Filmgeschäft, und trotzdem bringt sie die Dinge ins Rollen.«
»Okay, okay, sie ist ein beschissenes Genie. Aber ich weigere mich, meinen Schauspielern zu sagen, sie sollen ihre Eier auf einem silbernen Tablett präsentieren.«
»Das hast du nett ausgedrückt. Ich ruf dich später an.«
Freddie stieg in seinen Bentley und fuhr davon.
Alex stand neben seinem schwarzen Porsche und kochte noch immer vor Wut über Luckys Forderung. Wusste sie denn nicht, dass nackte Männer auf Frauen nicht erotisch wirkten? Das war eine allgemein bekannte Tatsache.
Er stieg in seinen Wagen und fuhr zu seinem Produktionsbüro am Pico Boulevard. Seine Produktionsfirma hatte er Woodsan Productions genannt, weil es friedlich klang und sein Familienname darin enthalten war. Ihm gehörte das Gebäude – eine seiner besseren Investitionen.
Alex hatte zwei Assistentinnen – Lili, eine hübsche, sanfte, etwa vierzigjährige Chinesin, ohne die er nicht funktionieren konnte, was jedenfalls Alex behauptete, und France, eine exquisite fünfundzwanzigjährige Vietnamesin, die früher Barmädchen in Saigon gewesen war, ehe Alex sie ritterlich gerettet und nach Amerika gebracht hatte. Mit beiden Frauen hatte er geschlafen, aber das war Vergangenheit. Jetzt waren sie nur mehr seine getreuen Assistentinnen.
»Wie ist die Unterredung verlaufen?«, fragte Lili gespannt.
Er ließ sich in den abgenutzten Ledersessel hinter seinem mit Papieren übersäten riesigen Schreibtisch fallen. »Gut«, sagte er. »Gangsters wird gedreht.«
Lili klatschte in die Hände. »Ich wusste es!«
France brachte ihm einen Becher heißen schwarzen Tee, stellte sich hinter ihn und massierte seine Schultern. »Du bist ganz verspannt«, schalt sie ihn. »Das ist nicht gut.«
Er spürte den Druck ihrer kleinen festen Brüste an seinem Rücken, während sie ihn mit ihren überraschend starken Händen durchknetete. Das tat gut.
»Ich möchte euch etwas fragen«, sagte er, noch immer über Luckys Forderung verärgert.
»Ja?«, kam es von beiden zugleich.