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Beelitz Heilstätten, 1938. Die junge Friederike ist hier, um ihre Tuberkulose auszukurieren. Doch nicht nur ihre Krankheit macht ihr zu schaffen, sondern auch die mysteriösen Schatten auf dem Gelände, die niemand außer ihr zu sehen scheint ...
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Heilstätte nennen sie es. Eine Stätte, die heilen soll. Eine Stätte voll Kranker, zusammengepfercht in hellen Räumen, die nicht darüber hinwegtäuschen können, dass manche, wenn nicht sogar viele von uns diese sogenannten Heilstätten nicht überleben werden.
Kalte Bäder, frische Luft, ausruhen auf dem Sonnenbalkon und Bettruhe verordnen sie uns hier. Ruhe. Wie soll man zur Ruhe kommen, wenn jeder um dich herum den ganzen Tag hustet? Ein schweres, röchelndes, rasselndes Husten, das die Heilstätten Tag und Nacht beherrscht, dazu der Gestank von Blut, Auflösung, Tod. Die Krankenschwestern geben sich Mühe, alles sauber zu halten, aber sie können nicht überall zur gleichen Zeit sein, dazu sind es viel zu wenige.
Ich liege wach. Es wird bereits hell draußen. Klara neben mir hustet nicht mehr. Schläft sie? Und wenn ja – wacht sie wieder auf? Ich mag sie, sie lächelt immer, wenn auch auf diese traurige Weise. Auf der anderen Seite liegt Gerda. Sie pfeift leise. Besonders dieses Geräusch lässt mich nicht schlafen. Ein scharfer, dennoch irgendwie hohl klingender Pfeifton, der immer leiser wird, nur um erneut wieder anzuschwellen. Ich weiß, dass Gerda nichts dafürkann. Die Ärzte haben einen chirurgischen Eingriff an ihr vorgenommen und einen ihrer Lungenflügel kollabieren lassen. Alle paar Wochen leiten sie Gas hinein, warum, habe ich nicht genau verstanden. Ich weiß, dass Gerda nichts kann für dieses Pfeifen, aber es hält mich wach und lässt mich nicht schlafen.
Endlich lugt die Sonne über die Fensterbank und hangelt mit ihren warmen Strahlen nach uns. Die Schwester kommt herein, wünscht laut in grimmigem Ton „Guten Morgen!“, geht durch die Reihen. An Klaras Bett bleibt sie länger stehen als bei den anderen, dann zieht sie das Bettlaken über ihr Gesicht.
Es fühlt sich an wie ein Faustschlag in meinen Magen. Ich drehe den Kopf. Jetzt habe ich das Bild vom Führer im Blick. Meine Augen sind schlecht, deswegen kann ich sein Gesicht nicht erkennen. Vielleicht fühle ich mich deswegen ständig von ihm beobachtet. Ich weiß ja nicht, wohin er blickt. Sicher auf mich.
Ich kann mir vorstellen, wie er finster die Brauen runzelt. Leider bin ich nicht das deutsche Mädel, das er sich gewünscht hat. Klein, dunkle Haare, blind wie ein Maulwurf. Beim BDM war ich immer die letzte und schwächste, egal, ob wir wandern gingen oder im See schwammen, und wenn wir antreten mussten, war immer ich es, die es schaffte, einen Fleck auf der Bluse zu haben oder ein Loch im Strumpf. Und kaum war ich achtzehn Jahre alt, alt genug, um der Pflichtmitgliedschaft zu entfliehen, musste ich natürlich krank werden.
Eigentlich ist es hier nicht so schlecht, wenn nur der schreckliche Husten und das Röcheln und Pfeifen nicht wären. Und die Toten. Und die Schatten.
Schon gibt es Frühstück. Nie habe ich besseres Frühstück gegessen als hier. Seit ich denken kann, gab es im Hause meiner Eltern nur ein Schälchen faden Haferschleim. Hier bekommen wir weiches, frisches Brot, süße Marmelade und würzigen Käse.
Nach dem Frühstück werden wir auf den Sonnenbalkon gescheucht, wo wir in eng aneinandergestellten Betten liegen und uns die Sonne ins Gesicht scheinen lassen. Reden ist verboten. Husten nicht. Dennoch ist es besser, als in der Fabrik zu schuften. Es ist auch besser, als in unsere feuchte, enge Wohnung zurückzukehren, zu Papa, Mama und meinen jüngeren Geschwistern. Gut, dass Klaus, mein älterer Bruder, endlich ausgezogen ist. Er hat dank der Partei einen Job bekommen. Jedes Mal, wenn er zuhause ist, beschwört er meinen Vater, auch beizutreten, doch der weigert sich noch immer hartnäckig, vor allem deswegen, weil sein Jugendfeind jetzt der Blockleiter ist, und das auch nur, weil er seine arische Abstammung bis 1800 lückenlos nachweisen kann.