Die schmerzlose Geburt - Viola Messingschlager - E-Book

Die schmerzlose Geburt E-Book

Viola Messingschlager

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Beschreibung

Eine schmerzlose Geburt? Wie geht denn das? Wie ist das möglich? Ist das überhaupt möglich? Ist das von der Natur überhaupt so vorgesehen? Eigentlich nicht. ABER (!) der Körper der Frau schüttet im Moment der Geburt einen Mix an Hormonen aus, der die Geburt schmerzlos erscheinen lässt. So schafft es die Natur, die Geburt eben doch schmerzlos erscheinen zu lassen. Warum wird aber dann die Geburt von so vielen Frauen doch als schmerzhaft empfunden? Wie kam es überhaupt zu dem Zusammenhang zwischen Schmerz und Geburt, der in so vielen Köpfen herrscht? Was kann die Frau tun, um eine schmerzlose Geburt wahrscheinlicher zu machen? Anworten auf all diese Fragen und noch mehr findest du in diesem Buch. Das Buch wird abgerundet mit Geburtsberichten von Frauen, die eine schmerzlose Geburt hatten. Nicht zuletzt sind auch die beiden Geburten der Autorin Teil dieses Buches.

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Wichtiger Hinweis:

Die Autorin hat bei der Erstellung dieses Buches Informationen und Ratschläge mit Sorgfalt recherchiert und geprüft, dennoch erfolgen alle Angaben ohne Gewähr. Verlag und Autorin können keinerlei Haftung für etwaige Schäden oder Nachteile übernehmen, die sich aus der praktischen Umsetzung der in diesem Buch vorgestellten Anwendungen und Rezepte ergeben. Bitte respektieren Sie die Grenzen der Selbstbehandlung und suchen Sie bei Erkrankungen einen erfahrenen Arzt oder Heilpraktiker auf.

Inhaltsverzeichnis

Danksagung

Einleitung

1 Die Geschichte der Geburten

1.1 Warum dieser Ausflug in die Geschichte?

1.2 Das mit der Geschichte ist aber schon lange her!

2 Die schmerzlose Geburt

2.1 Meine erste Geburt

2.2 Meine zweite Geburt

2.3 Ein Einzelfall?

3 Während der Schwangerschaft

3.1 Die Logik

3.2 Das Internet

3.3 Filme und Werbung

3.4 Dein Umfeld

3.5 Fachpersonal

3.6 Vorherige Geburten

3.7 Angst vor den Wehen

4 Bei der Geburt

4.1 Die Rolle des Partners

4.2 Betreuung

4.3 Angst-Verspannungs-Schmerz-Syndrom

5 Deine schmerzlose Geburt

5.1

Vertraue deinem Körper

5.2 Akzeptanz

5.3 Sicherheit

5.4 Während der Schwangerschaft

5.4.1 Meditation und Hypnose

5.4.2 Lass es dir gut gehen

5.4.3 Anker setzen

5.4.4 Es sind Geschwister da

5.4.5 Den Körper vorbereiten

5.5 Während der Geburt

5.5.1 Die Hormone machen das schon

5.5.2 Dein Gehirn ist bei der Geburt offline

5.5.3 Dein Körper kommuniziert mit dem Baby

5.5.4 Bewegung, wenn dir danach ist

5.5.5 Genieße die Pause

5.5.6 Die Kraft der Vorstellung

5.5.7 Der Mund

5.6 Nach der Geburt

5.7 Geburtsort

6 Naturheilkundliche Mittel

6.1 Schnell, einfach, kostenlos

6.2 Phytotherapie / Pflanzenheilkunde

6.3 Anstatt des langweiligen Tees

6.4 Homöopathie

6.5 Vitalstoffe

6.6 Bachblüten

6.7 Schüssler Salze

6.8 Akupunktur

6.9 Zusammenfassung

7 Risikoschwangerschaft und Risikogeburt

8 Positive Geburtsberichte

8.1 Geburtsberichte aus Sicht der Frau

8.2 Ein Geburtsbericht von der anderen Seite

9 Mit der Geburt geht es erst los…

Schlusswort

Quellen

Danksagung

Ich danke meiner Mutter von ganzem Herzen, dass sie sich auch um mein viertes Buch angenommen und die Mühe auf sich genommen hat, den Text gegenzulesen. Vielen Dank auch an meinen Partner und meine beiden Kinder, die dieses Buch erst ermöglichten.

Das größte Lob habe ich mir aber für den Schluss aufgehoben. Es geht an die Oma und den Opa meiner Kinder, die nicht müde werden, jeden Tag ein paar Stunden auf mein älteres Kind aufzupassen. Dieses Buch wäre ohne euch wohl nie fertig geworden. Vielen Dank für eure Zeit und euer Engagement.

Einleitung

Ich schreibe dieses Buch, weil ich zutiefst der Überzeugung war und bin, dass Geburten schmerzlos sind. Die Geburt ist ein physiologischer Prozess und schon allein deswegen macht es meiner Meinung nach keinen Sinn, Schmerzen dabei zu verspüren. Meine Überzeugung bestätigte sich dann bereits bei meiner ersten Geburt und auch die zweite Geburt war schmerzlos. Deshalb möchte ich anderen Frauen zu einer ähnlichen Geburt verhelfen. Ich hoffe, dieses Buch wird dir gefallen.

Ich bin Heilpraktikerin und Osteopathin. Ich bin weder Hebamme, Krankenschwester, Frauenärztin noch in Geburtsabteilungen tätig.

Mir ist bewusst, dass dieses Buch auf Widerstand, Ablehnung, Geringschätzung und Unverständnis treffen wird. Geburten werden in den Köpfen der Menschen so sehr mit Schmerzen verbunden, dass es nur verständlich ist, wenn jemand mit der Auffassung, Geburten seien schmerzlos, auf Ablehnung stößt.

Je höher entwickelt eine Gesellschaft ist, desto selbstverständlicher wird die Zusammengehörigkeit von Schmerz und Geburt angesehen. So jedenfalls Dr. Grantly Dick-Read. Die Überzeugung, dass Geburten schmerzhaft seien, ist völlig unabhängig von Bildungsstand und Geschlecht [DiGr]. Auch Männer sind fest davon überzeugt, dass Geburten schmerzhaft seien, obwohl sie selbst wohl in den seltensten Fällen eine Geburt erlebt haben dürften. Viele Männer haben jedoch ihre Frauen bei der Geburt beobachtet und schlussfolgern direkt aus dem Geschehen, aus den Geschichten der Frauen oder aus den Geschichten von Fremden, dass Geburten immer und grundsätzlich mit Schmerzen verbunden seien. Ein Bekannter von uns beteuerte: „Eins sag ich dir, ein Mann könnte sowas wie eine Entbindung niemals aushalten!“

Ich selbst kenne nur sehr wenig Leute, die von der schmerzlosen Geburt überzeugt sind. Es gibt aber durchaus Menschen, die mir zustimmen. „Mehr als fünfundneunzig Prozent aller Frauen können ihre Kinder gefahrlos und ohne unerträgliche Schmerzen zur Welt bringen. […] [Die Geburt] ist das wichtigste Ereignis im Leben der Frau“ [DiGrDe, S. 7].

Und (ich widerspreche mir jetzt ein bisschen) es ist in der Tat so, dass Geburten schmerzhaft sind, immer. ABER (ein großes ABER!) der Körper der Frau schüttet im Moment der Geburt einen Mix an Hormonen aus, der die Geburt schmerzlos erscheinen lässt. Dieser Schmerz wird dann vom physiologischen Schutzsystem kontrolliert und lässt die Geburt schmerzlos erscheinen [OdMi].

Da mir der Begriff „die Geburt, die schmerzlos erscheint“ zu lange ist und er meinen Satzbau nur unnötig verkomplizieren würde, schreibe ich im Folgenden nur von der „schmerzlosen Geburt“.

Ich verzichte in diesem Buch bewusst auf die Beschreibung der vermeintlichen Vorteile und Nachteile einer PDA (Periduralanästhesie). Kaiserschnitte, Kaisergeburten und die anschließende Notwendigkeit des Vaginal Seedings sind ebenfalls nicht Thema dieses Buches. Unter „Vaginal Seeding“ versteht man das Einreiben des Neugeborenen mit Scheidensekret nach einem Kaiserschnitt, um die Scheidenflora zu übertragen. Ich schreibe hier bewusst „Einreiben“. Das vorsichtige Betupfen der Augen mit Scheidensekret, wie man es oft auf Bildern [ArtN] sieht, ist eigentlich zu wenig.

Ebenfalls unerwähnt lasse ich Frühgeburten und künstliche Befruchtungen. Die Themen „Risikoschwangerschaft“ und „Risikogeburt“ seien nur kurz erwähnt, weil ich der Meinung bin, dass auch jene Frauen schmerzlos gebären können.

Kurz nachdem ich meinen ersten Entwurf zum Gegenlesen ausgedruckt hatte, erschien im Februar 2023 ein weiteres, sehr schönes Buch über die schmerzlose Geburt von Nina Anin [AnNi]. Ich kenne die Autorin nicht persönlich, mir liegt lediglich ein Exemplar ihres Buches vor. Es liegt in der Natur der Sache, dass es in diesem Buch einige Parallelen zu ihrem Buch gibt.

Und dann kam mir mein zweites Kind „dazwischen“. Die Veröffentlichung verschob sich also nochmal um ungefähr ein Jahr, denn selbstverständlich sollte auch der Erfahrungsbericht meiner zweiten Geburt Teil dieses Buches werden.

Hinweis: Aus Gründen der Lesbarkeit wurde im Text entweder die weibliche oder männliche Form gewählt, nichtsdestoweniger beziehen sich die Angaben auf Angehörige beider Geschlechter.

1 Die Geschichte der Geburten

Ich möchte mit der Geschichte der Geburten beginnen. Es ist meiner Meinung nach wichtig zu wissen, wie sich die Geburten und der Stand der Frau grundsätzlich entwickelten, um zu verstehen, wie es zu den heutigen Ansichten über die Geburten kam.

Dachte ich, als ich anfing, dieses Buch zu schreiben. Also begann ich mit meiner Recherche. In meiner Ausbildung zur HypnoBirthing-Kursleiterin ging es unter anderem auch um die Geschichte der Menschheit, der Frau und natürlich um die Geschichte der Geburt. Wir lernten etwas über Geburten vor 5000 Jahren (also im Jahre 3000 v. Chr.), über Geburten im Jahre 200 n. Chr., im Jahre 1500 und so weiter. Wir lernten, dass die Frauen im Jahre 3000 v. Chr. verehrt und als Schöpferin neuen Lebens gefeiert wurden. Ab 200 n. Chr. ging es dann mit der Stellung der Frau bergab, sie wurde verachtet und hatte den Preis der Erbsünde zu bezahlen. Ich erkläre später in diesem Kapitel, was es damit genau auf sich hat. Um 1800 stieg das Ansehen der Frau dann wieder. Die Stellung der Frau, der Schwangeren und der Ablauf der Geburten selbst veränderten sich also im Laufe der Jahre [Hybirth, MoMa].

Bei der Recherche für dieses Buch stellte ich aber zunehmend fest, dass es erstens wenig Aufzeichnungen über Geburten und Schwangerschaften aus der weiter entfernten Vergangenheit gibt und zweitens, dass sehr unterschiedliche Berichte über Schwangerschaften, Geburten und die Rolle der Frau zu bestimmten Zeiten existieren. Dass zum Beispiel die Frauen von 200 n. Chr. bis ungefähr 1800, also 1600 Jahre lang, nur verachtet wurden, kann ich so nicht bestätigen.

Dass es wenig Aufzeichnungen über die Geburten in der entfernten Vergangenheit gibt, war mir klar, denn Geburten waren sogar bis vor 50 Jahren mehr oder weniger reine Frauensache. Ärzte und Forscher waren früher meist männlich. Es liegt also in der Natur der Sache, dass es nur recht wenig Aufzeichnungen über Geburten aus dieser Zeit gibt. Ärzte wurden damals (und auch heute noch) nur bei Komplikationen dazu geholt, meistens jedenfalls. Chancen, einer völlig natürlichen Geburt beizuwohnen und diese auch noch dokumentiern zu können, dürfte damals eine Seltenheit gewesen sein [vgl. Oeaw]. Das schlägt sich auch in der Literatur nieder.

Wie bereits erwähnt, war die Rolle der Frau nicht immer konsistent. Es traten selbstverständlich immer wieder frauenfeindliche Ansichten auf. Zwischendurch waren Frauen aber auch immer mal gleichberechtigt oder fast gleichberechtigt. Auch Frauen und Mütter des Mittelalters wurden nicht generell verteufelt, so wie man es oft in den meisten Quellen liest. Die Frau des Mittelalters hatte durchaus eine Stimme in der Öffentlichkeit und genoss teilweise hohes Ansehen. Die Quellen sind sich diesbezüglich nicht immer einig [vgl. DhmHe, Oeaw, SchPe, MoMa, HyBirth, KrEv, Anon].

Ich möchte trotzdem mit den Geburten unserer Vergangenheit beginnen. Geburten waren nämlich nicht immer ein gefürchtetes Ereignis, so viel steht fest. Ganz früher waren die Geburten ein Freudenfest, man feierte den Beginn eines neuen Lebens. Die Geburten selbst dauerten nur wenige Stunden. Aus diesem Grund möchte ich mit unserer sehr frühen Vergangenheit starten. Gehen wir also zurück, weit zurück und schauen wir uns die Geburten von damals an. Ich starte vor ungefähr 5000 Jahren, also im Jahre 3000 v. Chr. und möchte die Zeit bis etwa 200 n. Chr. als erstes beleuchten. Um 500 n. Chr. begann dann das Mittelalter, mit dem ich mich im Anschluss beschäftigen werde.

Antike: 3000 v. Chr. bis 200 n. Chr.

Die Menschen wurden nach und nach sesshaft. Zu dieser Zeit waren Geburten heilig, schließlich markierten sie den Beginn eines neuen Lebens. Man kannte den Zusammenhang zwischen Geschlechtsverkehr und Geburten noch nicht so ganz, also ging man davon aus, dass die Frau „einfach so“ Kinder hervorbrachte. Sie galt als Schöpferin neuen Lebens und stand in Verbindung mit dem Göttlichen. Man bezeichnete sie als Heilende und als Lebensspenderin. Sie wurde geachtet und verehrt, denn sie war als einzige in der Lage, Kinder zur Welt zu bringen und so die Art zu erhalten.

Die Geburten selbst waren ebenfalls heilig und ein äußerst freudiges Ereignis. „Wenn eine Frau gebar, versammelte sich jeder im Tempel um sie, um das Leben zu feiern“ [MoMa, S. 62]. Es gibt Aufzeichnungen darüber, dass die Geburten häufig ohne Komplikationen und in weniger als drei Stunden abgeschlossen waren [MoMa]. Diese oder ähnliche Geburten gibt es natürlich auch heute noch, sie werden aber eher als eine Ausnahme angesehen, leider. Warum das so ist, erkläre ich in verschiedenen Kapiteln dieses Buches.

Hippokrates und Aristoteles, welche ungefähr um 300 v. Chr. lebten, etablierten den ersten formalen Unterricht für Hebammen. Man erkannte langsam den Zusammenhang zwischen Geschlechtsverkehr und Geburten. Es gab damals verschiedene Theorien über die Entstehung von Kindern. Die meisten waren aber der Meinung, dass Kinder ausschließlich vom Mann kommen würden. Man ging davon aus, dass der Mann in der Lage sei, sein Blut in Sperma zu verwandeln und es der Frau dann zur Aufbewahrung geben würde. Die Frau sei deshalb nur passiv an der Entstehung des Kindes beteiligt. Es wurde die Ansicht vertreten, dass die Gebärmutter nur den Embryo versorgen würde und nicht aktiv am Zeugungsprozess beteiligt sei [KrEv]. Man war der Meinung, die Frau würde das Spermium ausbrüten. Daher kommen auch die Begriffe „Brut“ und „brüten“, welche damals, beim Menschen angewendet, keineswegs abwertend gemeint waren.

Natürlich gab es neben dieser „Bluttheorie“ auch noch andere Theorien, wie Kinder entstehen, welche die Frau nicht so passiv erscheinen lassen. Dennoch glaubten die meisten an die Bluttheorie [KrEv].

Weiter in der Geschichte und der Stellung der Frau. Es lässt sich langsam erahnen, dass sich für die Frau das Blatt zu wenden begann: Kinder kamen anscheinend nur vom Mann, die Frau war nicht aktiv an der Entstehung der Kinder beteiligt, denn sie brütete das Kind nur aus. Allerdings wurde damals dem Menstrualblut eine wesentliche Bedeutung zugesprochen. Aristoteles war der Meinung, dass nur das Menstrualblut der Frau zur Zeugung nötig sei [KrEv].

Aber auch zu dieser Zeit galten Geburten noch als heiliges und freudiges Ereignis, „obwohl“ die Frau jetzt nicht mehr die alleinige Schöpferin neuen Lebens war, sondern mehr oder weniger ein Brutkasten.

Damals war es nur Frauen gestattet, Geburten beizuwohnen. Die Frau, die als Hebamme fungierte, hatte selbst bereits mindestens eine Geburt hinter sich und konnte aufgrund des Alters nicht mehr schwanger werden. Der Grund dafür war einfach: die Frau wusste aus ihrer eigenen Erfahrung heraus, wie Geburten ablaufen und stand immer zur Verfügung, weil sie selbst nicht mehr schwanger werden konnte. Das Honorar, das die Hebamme für ihre Tätigkeiten erhielt, war damals sogar staatlich geregelt. Diese Regelung spricht dafür, dass die Hebamme eine angesehene Stellung in der Gesellschaft besaß. Es gab damals keine Krankenhäuser, Kinder wurden also Zuhause geboren [KrEv].

Wir halten also fest: damals, in der Antike, die eigentlich von 3000 v.Chr. bis 500 n.Chr. (und nicht bis 200 n. Chr., wie ich in der Überschrift geschrieben habe,) geht, waren Geburten ein freudiges Ereignis und oft in weniger als drei Stunden abgeschlossen.

Da es in diesem Buch um die schmerzlose Geburt geht, komme ich wohl nicht umhin, auch ein Wort zu den Geburtsschmerzen da zu lassen. Es gibt in den Schriften von Aristoteles und Hippokrates Aufzeichnungen über Schmerzen bei der Geburt. Es kann also (zu meinem Bedauern – ich gebe es zu) nicht davon ausgegangen werden, dass Geburten in der Antike grundsätzlich schmerzlos gewesen waren. Allerdings waren damals die meisten Geburten ohne wirkliche physische Schmerzen. Manche Phänomene während der Geburt wurden vermutlich missdeutet und als schmerzhaft angenommen, ähnlich wie heute (siehe Kapitel 4.2 „Betreuung “). Die alten Schriften berichten aber auch, dass die natürliche Geburt weder beängstigend noch schwierig gewesen war. Nur gab es über solche einfachen, normalen Geburten keine Aufzeichnungen, es wurden nur die schwierigen Geburten aufgezeichnet oder solche, die interessant gewesen waren [GaIn].

Gehen wir in der Geschichte weiter, als sich das Blatt zu wenden begann. Das war um etwas mehr als 3000 Jahre später, nämlich um 200 n.Chr.

Mittelalter: 500 - 1500

Wir schreiben das Jahr 200 n. Chr. Die Antike ist fast vorbei, das Mittelalter hat schon fast begonnen. In der Antike wurde der „Wert“ der Frau nach ihren Fähigkeiten und ihrem Aussehen bemessen. Die Tugenden der Frau waren Bescheidenheit, Pflichtbewusstsein, Treue und Keuschheit. Wie vorher schon beschrieben, gab es in der Antike und auch im Mittelalter immer wieder Wellen von Frauenfeindlichkeit, gefolgt von Wellen der Verehrung für die Frau [AuFa].

Man kann also nicht davon ausgehen, dass die Frau im „düsteren Mittelalter“ generell verachtet und schlecht behandelt wurde, so wie es oft in der Schule gelehrt wird.

In Wirklichkeit war die Stellung der Frau im Mittelalter tatsächlich gar nicht so schlecht. Frauen hatten damals sehr wohl bestimmte Rechte und Einfluss. Auch die Aussage, dass die Frau vor allem Hausfrau und Mutter war, passt nicht so ganz ins Mittelalter. Das war eher später (also von 1800 bis 1900) der Fall. Erst ab ungefähr 1600 wurde die Frau aus dem öffentlichen Leben gedrängt [SchPe].

Beschäftigen wir uns aber vorerst mit dem Mittelalter und kurz vorher. Zu dieser Zeit, also 200 n. Chr., kam etwas auf, was heute als „Evas Fluch“ bekannt ist. Der heilige Clemens von Alexandria (150-215 n. Chr.) schrieb, dass jede Frau durch den Gedanken, dass sie eine Frau ist, mit Scham erfüllt sein sollte. Etwas später entwickelte Aurelis Augustinus (354-430 n. Chr.) die Lehre der Erbsünde.

Damit begann auch die Verteufelung der Sexualität durch die Kirchenmänner. Die Frau musste den Preis der Erbsünde bezahlen. Man war sich mittlerweile des Zusammenhangs zwischen Geschlechtsverkehr, Schwangerschaften und Geburten durchaus bewusst. Schwangerschaften und Geburten galten deshalb als „Sünde des Fleisches“. Schwangere hatten also offensichtlich gesündigt. Dabei war es übrigens egal, ob die Frau mit dem erfolgten Geschlechtsverkehr einverstanden gewesen war, oder nicht [MoMa].

Thomas von Aquin (1225-1274), ein katholischer Theologe, schloss sich der Meinung von Aristoteles, dass Kinder nur vom Mann kommen würden, an. Die Frau habe eine biogenetische Minderwertigkeit, denn sie könne ihr Blut nicht in Sperma umwandeln. Sie sei deshalb funktionell minderwertig. Er bezeichnete die Frau als „Missgriff der Natur […] eine Art verstümmelter, verfehlter, mißlungener [sic] Mann“ [WikiT]. „Die Freude bei der Geburt eines Knäbleins war weitaus größer als jene bei der eines Mädchens. Dies war begründet in der zeitgemäßen Minderachtung der Frau und in der Bedeutung männlicher Nachkommen als Arbeitskräfte und Altersversorgung, sowie für die Weiterführung des väterlichen Namens („Stammhalter"), Geschlechtes, Besitzes, Gewerbes oder einer erblichen Position. Nach Thomas von Aquin sollten eigentlich nur Jungen gezeugt werden; Mädchen - als unvollkommene Menschen - kämen nur durch widrige äußere Umstände (ungünstige Witterung) bei der Begattung zustande“ [MiaLe].

Obwohl sich diese Zeilen schon sehr frauenverachtend lesen, kann nicht generell davon ausgegangen werden, dass alle Welt dieser Ansicht war. Auch ein Thomas von Aquin hat offensichtlich nicht alle erreicht, denn sonst hätten vermutlich keine Mädchen überlebt und die Menschheit wäre schon ausgestorben. Wie vorher schon erwähnt, gab es immer wieder Wellen der Verachtung, welche von den Vertretern bestimmter Religionen geschürt wurden.

In manchen Büchern steht, dass zu dieser Zeit Geburtshilfe generell verboten war [MoMa], andere Quellen besagen, dass die Geburtshilfe zwar nicht verboten war, aber „Frauensache“ [SchPe]. Ärzte waren dabei so gut wie nie anwesend, da es kaum weibliche Ärzte gab, die einer Geburt beiwohnen hätten können. Die Hebammen unterlagen sehr strengen Regeln. Es war zum Beispiel offiziell verboten, den Frauen während der Geburt eventuell schmerzlindernde Medikamente zu verabreichen, weil sie den Preis der Erbsünde zu zahlen hatten. Die Schmerzen bei der Geburt mussten von den Frauen ausgehalten werden [SchPe]. Allein die Tatsache, dass es verboten war, schmerzlindernde Medikamente einzusetzen impliziert, dass Geburten schmerzhaft seien. Warum sollten Schmerzmittel verboten sein, wenn es doch gar keine Schmerzen gibt? Rein logisch betrachtet ergibt das keinen Sinn. Also müssen Geburten wohl schmerzhaft sein, sonst gäbe es ja kein Verbot, Schmerzmittel einzusetzen.

Langsam wuchs folglich die Annahme, dass Geburten eben doch kein so freudiges Ereignis seien und durchaus mit Schmerzen, die auf keinen Fall gelindert werden dürfen, verbunden seien. Die Schwangeren, die den Preis der Erbsünde zu zahlen hatten und ganz offensichtlich gesündigt hatten, bekamen allmählich verständlicherweise Angst vor der Geburt.

Geburten wurden jetzt zu einer angsterfüllten und je nach Quelle auch einsamen Angelegenheit, bei der man durchaus auch sterben konnte. Ungefähr 3 % der Gebärenden scheinen damals im Kindsbett verstorben zu sein. Frauen, die bei der Geburt oder im Wochenbett verstorben waren, durften damals nicht auf dem Friedhof begraben werden. Sie galten (genau wie die menstruierende Frau) als unrein [MiaLe]. Vom freudigen Ereignis der Antike war jetzt nicht mehr viel übrig.

Lassen wir die Zeit des Mittelalters hinter uns. Um 1500 galt das Mittelalter hier in Deutschland als beendet. In Italien endete das Mittelalter schon viel früher, in Russland dauerte das Mittelalter bis ins 17. Jahrhundert [KinZe].

1500 - 1700

Um 1500, also ungefähr 1000 Jahre nach dem Aufkommen von „Evas Fluch“ war die Geburtshilfe (je nach Quelle) wieder erlaubt. Allerdings galt sie als unehrenhaft. Die Geburt selbst war eine scheußliche Aufgabe. Frauen schienen damals für diese unehrenhafte Aufgabe bestens geeignet zu sein, da die Frau noch immer nichts wert war. Es gibt Quellen, die besagen, dass es für Männer ein Verbrechen war, einer Geburt beizuwohnen [DiGr].

Wer sich etwas in der Geschichte auskennt, weiß vielleicht, dass der Höhepunkt der Hexenverfolgung in diese Zeit fällt. „Gesamteuropäisch gesehen hatte sie ihren Höhepunkt zwischen 1560 und 1630“ [DwHex]. Die Zeit, in der die Geburtshilfe wieder erlaubt war, fällt also in die Zeit der Hexenverfolgung. Damals wurden aber nicht nur Hexen verfolgt und verbrannt.

Der Hamburger Arzt Dr. Wertt verkleidete sich als Frau, um einer Geburt beizuwohnen. Er wurde aber als Mann entlarvt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Auch Hebammen wurden hingerichtet. Sie waren mehr oder weniger die einzigen Menschen, die Geburten durch Empfängnisverhütung und Abtreibung kontrollieren konnten. In Köln wurde es zum Beispiel als schwarze Magie oder Schadenzauber ausgelegt, wenn das Neugeborene bei der Geburt starb oder ernsthaft krank wurde. Die Hebamme, die für das Leid verantwortlich gemacht wurde, wurde hingerichtet [DhmHe].

Die Bereitschaft, Geburten beizuwohnen, schwand also gravierend. Die Frauen, die dennoch bereit waren, Geburten beizuwohnen, mussten fürchten, verbrannt zu werden.

1750-1800

Um 1750 endete die Zeit der Hexenverbrennungen. Es wurde Ärzten wieder gestattet, Geburten beizuwohnen. Keine sehr beliebte Aufgabe, deshalb kümmerten sich vor allem schlechte oder alkoholkranke Ärzte um die Geburten, was die Lage nicht wesentlich verbesserte [MoMa].

Bis ungefähr 1750 war es üblich, auf dem Geburtshocker zu gebären. Wenn kein Geburtshocker zur Verfügung stand, stützten andere Geburtshelferinnen die Gebärende. Im 17. bis 18. Jahrhundert wandelte sich die typische Gebärposition vom Geburtshocker oder auf allen Vieren in die typische Rückenlage. Die „Vorteile“ dieser Lage liegen auf der Hand. Hebammen und Geburtshelfer können so die Gebärende besser untersuchen. Die Nachteile dieser Lage liegen aber ebenso auf der Hand. Das Kind muss bei der Geburt am Kreuzbein und am Steißbein vorbei. Liegt die Frau ungünstig auf dem Rücken, kann sich das Kreuzbein mitsamt Steißbein nur eingeschränkt bewegen. Das Kind muss außerdem „nach oben“ geboren werden, weil das Steißbein normalerweise nach vorne (bauchwärts) zeigt [OsBeck]. Weitere Nachteile dieser Rückenlage sind die Belastung der Gefäße (Stichwort „Vena Cava – Kompressionssyndrom“), die Drehung des Kindskopfes wird erschwert und die Wehen sind weniger effizient [MiaLe, Quar].

An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass aus diesen Nachteilen nicht pauschal geschlussfolgert werden kann, dass die Rückenlage bei der Geburt generell zu vermeiden sei. Heutige Geburtsvorbereitungskurse tendieren dazu, der Frau alle Freiheiten zu lassen, die sie während der Geburt braucht. Möchte die Frau aufrecht hocken, darf sie das, möchte sich die Frau aber doch auf den Rücken legen, darf sie auch das. Möchte sich die Frau gar nicht bewegen, ist auch das in Ordnung. Ich komme später noch genauer auf die Bewegungen bei der Geburt zu sprechen und ob sie wirklich sinnvoll und notwendig sind.

Werfen wir wieder einen Blick auf unsere Geschichte. Das nächste einschneidende Ereignis ereignete sich schon 50 Jahre später, nämlich um 1800 mit der Queen Victoria.

Industrialisierung: 1800 - 1900

Die Queen Victoria verlangte um 1800 Chloroform bei der Geburt und bekam dieses auch. Sie gebar ihr achtes Kind mit Chloroform-Vollnarkose. Endlich änderte sich die grundsätzliche Einstellung zur Geburt und Chloroform wurde auch für Geburten erlaubt. Zuvor war Chloroform als Betäubungsmittel zwar bekannt und wurde auch angewendet, war aber für den Einsatz zur Geburt verboten. Schließlich war man immer noch der Meinung, die Frau müsse den Preis der Erbsünde zahlen und die Schmerzen bei der Geburt aushalten [MoMa, HyBirth]. Das änderte sich mit der Queen Victoria.

Da Chloroform im Krankenhaus verabreicht werden musste, verlagerten sich die Geburten langsam ins Krankenhaus. Bis zu diesem Zeitpunkt war es üblich, die Kinder zuhause zu gebären. Die Idee, zur Geburt das Krankenhaus aufzusuchen, ist somit erst ungefähr 200 Jahre alt, also noch recht jung.

Im Krankenhaus hatten die Frauen zwar dann vielleicht eine weniger schmerzhafte Geburt, mussten aber um ihr Leben fürchten, denn Hygiene galt damals als Zeitverschwendung. Dementsprechend schlecht waren die Hygienebedingungen in Krankenhäusern, vor allem in der Geburtsabteilung. Ignatz Semmelweiß stellte fest, dass in öffentlichen Kliniken Kindbettfieber viel häufiger als bei Hausgeburten auftrat. Er führte das (zu Recht) auf die mangelnde Hygiene zurück. Ein Kind auf die Welt zu bringen war damals genauso gefährlich, wie an einer Lungenentzündung zu erkranken. Die Todesrate bei Krankenhausgeburten betrug zu dieser Zeit teilweise bis zu 30 % [WikiI].

Die meisten Geburten fanden aber zu dieser Zeit und noch lange danach im eigenen Zuhause statt. „In den USA fanden 1900 nur 5 % aller Geburten in Kliniken statt, 1939 bereits 50 %, 1960 quasi alle Geburten“ [WikiH]. In Deutschland, vor allem im ländlichen Bereich, war das etwas anders als in den USA. Denn dort waren noch länger Hausgeburten üblich.

Langsam kommen wir auch in einen Zeitraum, in dem mir persönliche Geburtsberichte vorliegen. Zum Glück, denn das erleichterte die Recherche ungemein.

1900 - 1970

Um 1900 verzichtete man aufgrund der unerwünschten Nebenwirkungen auf Chloroform und setzte wieder Äther und Lachgas ein. Man nahm an, dass alle Geburten per se schmerzhaft seien. Es begann eine Zeit, in der bei jeder Geburt Schmerzmittel verabreicht wurden, denn man ging davon aus, dass niemand solche Schmerzen ohne Betäubung ertragen könne.

Zu dieser Zeit lebten auch Andrew Taylor Still (1828-1917) und Dr. Grantly Dick-Read (1890-1959). Andrew Taylor Still, der Begründer der Osteopathie, galt als Verfechter der Rechte der Frauen. „Still bewunderte und respektierte alle Frauen aus seiner Familie“ [RiKa, S. 7]. Er bildete Frauen und Männer gleichermaßen in seiner Schule für Osteopathie aus. Still machte keinen Unterschied zwischen den beiden Geschlechtern. „Er war davon überzeugt, dass das medizinische Establishment Frauen brutal, rücksichtslos und respektlos behandelte“ [RiKa, S. 7]. Still begleitete regelmäßig Geburten. Damit war er aber nicht der einzige bekannte Arzt, der zu dieser Zeit regelmäßig Geburten begleitete.

Auch Dr. Grantly Dick-Read wohnte regelmäßig Geburten bei. „Wenn man einstmals Ignatz Semmelweis den Ehrentitel „Retter der Mütter“ zuerkannt hat, so wird man heute mit Recht Grantly Dick-Read als „Helfer der Mütter“ bezeichnen dürfen“ [DiGrRu, S. 55].

Dick-Read beobachtete die erste schmerzlose Geburt in Whitechapel, einem Elendsviertel in London. Bis dahin vertrat auch er die gängige Lehrmeinung und verabreichte den Frauen regelmäßig Chloroform zur Geburt. Diese Frau in Whitechapel verweigerte das angebotene Chloroform und gebar in einem heruntergekommenen Raum ein Kind, völlig leise und schmerzlos. Zurück in seiner alltäglichen Arbeit, änderte er seine Sichtweise und beobachtete die Frauen. Er sah, dass es Frauen gab, die bei der Geburt höllische Qualen zu leiden schienen, aber auch welche, die ihre Kinder friedlich und ohne jeden Schmerz auf die Welt brachten.

Ihm wurde damals bei der Veröffentlichung seines ersten Buches „Natural Childbirth“ 1933 unterstellt, er befürworte Gewalt an Frauen, weil er behauptete, dass die unter der Geburt verabreichten Schmerzmittel unnötig seien. Er führte damals den empfundenen Schmerz bei der Geburt auf Angst und Anspannung zurück und entdeckte das „Fear-Tension-Pain Syndrome”, welches heutzutage in vielen Büchern über die Geburt erwähnt wird. Was es damit genau auf sich hat, erkläre ich in Kapitel 4.3 „Angst-Verspannungs-Schmerz-Syndrom“ noch genauer.

Dr. Grantly Dick-Read war einer der ersten, die nicht der Meinung waren, man müsse das Neugeborene zuerst baden und waschen, bevor es die Mutter zu Gesicht bekäme. Man nahm damals an, dass die Mutter einen Schock erleiden würde, wenn man ihr das ungewaschene Kind zeige. Das Gegenteil ist aber der Fall. Der erste Haut-zu-Haut-Kontakt und der erste Schrei des Kindes bleiben der Mutter für immer in wunderschöner Erinnerung [DiGr].

Damals war es die gängige Praxis, die Frauen auf den Rücken zu legen, die Kinder sofort nach der Geburt den Frauen wegzunehmen, zu waschen und zu baden und dann erst in eine Decke gewickelt den Frauen wieder zu bringen. Oftmals mussten die Frauen lange warten, bis sie ihr Kind das erste Mal zu Gesicht bekamen. Das hatte teilweise verheerende Auswirkungen auf die Stillbeziehung, denn eigentlich sollten Frau und Kind die „erste goldene Stunde“ gemeinsam und vor allem ungestört verbringen dürfen. Dabei handelt es sich zwar nicht unbedingt um eine zwingende Voraussetzung, um eine gute Stillbeziehung aufzubauen, jedoch um einen großen Vorteil. Der Stillbeginn ist häufig erschwert, wenn Mutter und Baby die erste Zeit nach der Geburt nicht gemeinsam verbringen dürfen oder können.

Während der Geburtsphase warteten die Frauen oft nur darauf, wie sie sich als nächstes zu bewegen hatten. Es wurde von den Frauen erwartet, nicht selbst gebären zu können, sondern sich ganz an die Anweisungen des Pflegepersonals zu halten.

Aber sogar unter diesen Bedingungen schafften es einige Frauen, schmerzlos zu gebären. Eine Frau B. schreibt in Helen Heardmans Buch von 1953: „Ein Arzt untersuchte mich und sagte: „Noch ein paar Stunden“. Die Schwestern fragten mich ab und an, ob es weh täte. Ich konnte nur immer antworten: Nein. Rückblickend erscheint es mir beinahe komisch, daß [sic] ich nicht gewahr wurde, daß [sic] die Kontraktionen, dich ich erlebte, die sogenannten „Wehen“ waren!“ [HeHe, S. 85]. Eine andere Frau schreibt: „Die Eröffnungsperiode bereitete mir keinen Kummer, und an der Ausstoßungsperiode hatte ich richtige Freude. Alles war ein wahrhaft beglückendes Erleben“ [HeHe, S. 90]. Eine dritte berichtet: „Das Herauspressen war sehr erschöpfend und ermüdend, recht unbequem, aber nicht schmerzhaft. Es war jedesmal eine so schwere Arbeit, daß [sic] ich mich fragte, ob es noch zum nächsten Mal reichen würde“ [HeHe, S. 90]. Das Buch von Helen Heardman ist voll von positiven Geburtsberichten [HeHe]. Das ist meiner Meinung nach überraschend, wenn man bedenkt, unter welchen Umständen die Frauen ihre Kinder zur Welt bringen mussten.

Es beginnt jetzt die Zeit, in der mir persönliche Geburtsberichte vorliegen. Die Geburtsberichte kommen ausschließlich aus meinem Bekannten- und Verwandtenkreis hier in der Gegend. Wir leben hier immer noch sehr ländlich. Das war natürlich auch damals, um 1970, schon so. Wenn man damals zur Geburt ins Krankenhaus wollte, brauchte man normalerweise ein Auto, welches für viele Familien nicht ohne Weiteres verfügbar war. Das ist auch heute noch so, mit dem Unterschied, dass so gut wie jede Familie mindestens ein Auto besitzt und dass wir mittlerweile auch zum Einkaufen das Auto brauchen. Einen Dorfladen oder andere Geschäfte, die zu Fuß erreichbar wären, gibt es hier schon lange nicht mehr.

Während Helen Heardman in ihrem Buch schon über Klinikgeburten berichtet, waren hierzulande noch Hausgeburten üblich, aus den gerade genannten Gründen. Mein Stiefvater und seine Geschwister waren zum Beispiel alle Hausgeburten. 1956 kam sein ältester Bruder zur Welt und 1969 seine jüngste Schwester. Er, damals zur Geburt seiner jüngsten Schwester elf Jahre alt, berichtet, dass er und seine Geschwister damals Hausverbot hatten, als die Schwester zur Welt kam. Auch der Vater war bei der Geburt nicht anwesend. Es war nur eine Hebamme da, erzählt er. Die Familie besaß damals kein Auto. Das hielt damals aber nicht zwingend alle Frauen davon ab, ins Krankenhaus zu gelangen. Manche fuhren sogar mit dem Fahrrad ins Krankenhaus, um dort das Kind auf die Welt zu bringen.

Die Kinder wurden aber (neben abenteuerlichen Ausnahmen) um diese Zeit in der Regel nicht nur im eigenen Zuhause auf die Welt gebracht, sondern auch im Zuhause der Hebammen. In manchen Gegenden war es üblich, dass die Mutter zur Hebamme gebracht wurde, dort ihr Kind bekam und nach etwa drei Tagen beide wieder abgeholt wurden. Der Einfallsreichtum kannte damals keine Grenzen. Mir wurde von meiner Schwiegermutter erzählt, dass ihr Vater ihre Mutter, die gerade Wehen hatte, mit dem Moped zur Hebamme gebracht hat. „Wie wir wieder nach Hause kamen – keine Ahnung.“, meinte sie.

Viele Freunde, Bekannte und Verwandte, welche um diese Zeit zur Welt kamen, waren Hausgeburten. Aber auch bei den Hausgeburten war es nicht üblich, dass der werdende Vater anwesend war. Geburten waren immer noch hauptsächlich Frauensache, sie wurden in der Regel nur von Hebammen begleitet. Ärzte wurden aber trotzdem hinzugerufen, wenn es Komplikationen gab, auch bei Hausgeburten.

Die Oma einer Bekannten berichtete, dass es hier auf dem bayerischen Land ab ungefähr 1962 losging mit den Krankenhausgeburten. Sie selbst hatte eine Hausgeburt, bei der zwei Ärzte anwesend waren, weil es schwere Komplikationen gab.

Der Zeitpunkt, in dem hierzulande Krankenhausgeburten üblich wurden, passt auch zur Geburt meiner Mutter, denn sie kam 1965 im Krankenhaus zur Welt. Ihr Vater (also mein Opa) hatte damals schon ein Auto. Auf dem Weg ins Krankenhaus hatte er eine Reifenpanne und musste den Reifen wechseln, während meine Oma mit ihren Wehen im Auto saß. Das war zu einer Zeit, in der man noch regulär den Ersatzreifen und Wagenheber hinten im Kofferraum hatte. Anschließend brachte er meine Oma dann ins Krankenhaus und fuhr wieder nach Hause. Er war zur Geburt meiner Mutter ebenfalls nicht anwesend.

Auch die Cousins und Cousinen meiner Mutter, welche um diese Zeit oder später zur Welt kamen, waren alle Krankenhausgeburten, die Väter waren auch bei diesen Geburten nicht dabei.

Auffällig finde ich, dass die meisten Frauen, die einmal eine Hausgeburt hatten, im Anschluss immer Hausgeburten hatten und jene, die bei der ersten Geburt ins Krankenhaus gingen, auch bei den folgenden Geburten im Krankenhaus waren. Die Väter waren in den USA und auch hierzulande bei den Geburten, egal ob im Krankenhaus oder Zuhause, nicht anwesend.

Ab den Siebzigern änderte sich einiges in der Geburtspraxis. So war es dann auch den Männern gestattet, bei der Geburt im Krankenhaus dabei zu sein [MoMa]. Theoretisch. Praktisch sah das etwas anders aus.

1970 - heute

Weil sich viele verschiedene Dinge parallel entwickelten und änderten, habe ich diesen Block nicht chronologisch, sondern themenbezogen aufgeteilt.

Männer bei der Geburt:

Nur weil es ab ungefähr 1970 erlaubt war, dass Männer bei der Geburt dabei waren, wurde das aber noch lange nicht so gelebt. Die beiden Geschwister einer guten Freundin kamen 1972 und 1973 zur Welt, beide im Krankenhaus, der Vater war bei beiden Geburten nicht anwesend. Das war damals in unserer Gegend noch nicht erlaubt, berichtet sie. Es dauerte noch ungefähr 10 Jahre, bis es die Regel war, dass die Väter bei der Geburt der Kinder anwesend waren.

Auch mein Stiefvater berichtet, dass er nur bei der Geburt seiner ersten Tochter 1983 mit im Krankenhaus dabei war. Bei den beiden jüngeren Geschwistern dann nicht mehr. Während es heute üblich ist, dass die Väter bei den Geburten anwesend sind, war es das um 1980 noch lange nicht. Es gab viele Frauen, die ihre Kinder ohne Mann auf die Welt brachten.

Ab ungefähr 1990 war es dann schon beinahe verpflichtend, dass die Männer auch zur Geburt dabei sind. Je nach Mann wird die Geburt ihrer Kinder anders erlebt. Die Süddeutsche Zeitung [SueD] berichtet sogar, dass etwa die Hälfte der Väter die Geburt weniger positiv erleben als angenommen. Ein Viertel der Männer erlebe das Geburtserlebnis als schrecklich. Weiter schreibt die Zeitung, dass es für das Erleben der Geburt egal gewesen sei, ob die Männer einen Geburtsvorbereitungskurs besucht hätten oder nicht. Leider bleibt unerwähnt, welchen Geburtsvorbereitungskurs die Männer besucht hatten. Die Väter, die zur Geburtsvorbereitung mit der werdenden Mutter einen HypnoBirthing-Kurs besucht haben, erleben die Geburten nämlich ganz anders. Sie haben das Gefühl, der Frau gut helfen zu können und die Frauen haben das Gefühl, von ihren Partnern gut unterstützt zu werden. Das „Gefühl der Ohnmacht“, wie im Artikel beschrieben wird, ist den HypnoBirthing-Vätern fremd [SueD].

Viele Mütter in meinem Alter (inkl. mir), aber nicht alle, bestehen darauf, dass auch die Väter bei der Geburt anwesend sind. Das ist verständlich, aber trotz allem eine relativ neue Entwicklung, wenn man bedenkt, dass die Geburt bis vor etwa 30 oder 40 Jahren reine Frauensache war. Ich finde, diese Tatsache sollte zu denken geben.

Die Geburtsposition

Die Geburten in den Siebzigern fanden, genau wie im 18. Jahrhundert, immer noch ausschließlich auf dem Rücken statt, das änderte sich jedoch langsam.

Ab 1990 begann wieder eine Zeit, in der man für Mutter und Kind einen möglichst natürlichen Geburtsverlauf sichern wollte [RiKa]. Man musste während der Geburt nicht mehr auf dem Rücken liegen bleiben, sondern durfte sich bewegen, wenn man das wollte.

Heute gibt es in fast jedem Krankenhaus ein Einzelzimmer, mit diversen Hilfsmitteln wie Seilen und Gebärhockern. Manche Zimmer haben auch einen Pool. Die Mutter darf sich während der Geburt in der Regel so bewegen, wie sie möchte und wie es ihr angenehm ist.

Umgang mit dem Neugeborenen

In den Siebzigern und teilweise auch weit darüber hinaus war es außerdem üblich, das Kind vor der natürlichen Hautflora der Mutter zu schützen. Man rasierte die Mutter vor der Geburt, entleerte den Darm mithilfe eines Einlaufs und behandelte die Brust mit einer antiseptischen Lösung, da man annahm, das Mikrobiom (also die Flora) der Mutter sei schädlich für das Kind. Heute weiß man aber, dass genau dieses Mikrobiom essenziell für unsere Gesundheit ist [OdMi].