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Die große Geschichte einer der faszinierendsten Familien des 19. und 20. Jahrhunderts Ein Leiterwagen und die Untreue einer schönen Buchhändlers Tochter setzten ihn in Bewegung: Jutta Jacobi erzählt von Johann Schnitzler, dem begabten Sohn eines armen jüdischen Tischlers aus Nagykanizsa, der ein berühmter Arzt in Wien wurde. Von seinem Sohn Arthur, der sich vom Erotomanen zum Moralisten wandelte. Von dessen Frau Olga, der reuevollsten Geschiedenen aller Zeiten. Von Lili, die an der Seite eines faschistischen Offiziers ihr Glück nicht fand. Von Heinrich, der 1938 nach Amerika emigrieren musste. Von Arthurs Enkeln Peter und Michael, die sich von den Lasten der Vergangenheit befreiten. Von der Urenkelin Giuliana, die auf dem Zentralfriedhof die Gräber mit Steinchen schmückt. Es ist die Geschichte von Sehnsucht, dem Geschenk des Humors und dem Wandel der Perspektiven im Verlauf der Geschichte.
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Seitenzahl: 465
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Jutta Jacobi
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www.residenzverlag.at
© 2014 Residenz Verlagim Niederösterreichischen PressehausDruck- und Verlagsgesellschaft mbHSt. Pölten – Salzburg – Wien
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ISBN eBook:978-3-7017-4484-8
ISBN Printausgabe:978-3-7017-3279-1
Prolog: Diesmal die praktischen Schuhe
Erster TeilNagykanizsa, Pest, Wien 1858–1893
Die Fahrt auf dem Leiterwagen
Woher die Schnitzlers kamen
Die Reformer aus Nagykanizsa
Johann Schnitzler kommt in eine gute Familie
Ein unschuldiger Engel
Medizin und Journalismus
Zum ersten Mal der Tod
Zum zweiten Mal der Tod
Die Liebe der Louise
Der große Krach und was ihm vorausging
Arthurs Metamorphosen
Böse Zungen
Direktor der Poliklinik
Der gute Sohn und das schwarze Schaf
Prinzipien eines Arrivierten
Allerlei Süchte
Allerlei Listen
Triumph, Enttäuschung und Abschied
Zweiter TeilWien, Berlin, Venedig 1893–1931
Der Reigen zu Rad
Wie ein Dichter lebt
Die Liebe zu den beiden Mizis
Wie Schnitzler den Offiziersrang verlor
Ein Mädchen, das ungehindert »Ich« sein will
Sie lieben und zerfleischen sich
Zeit des Ruhms
Olgas Ambitionen
Sterben im Familienkreis
Ein früher Hypochonder
»Der Weltkrieg. Der Weltruin.«
Rosenkrieg im Hause Schnitzler
Eine Bühne für die großen Gefühle
Lili erfindet Geschichten
Die treueste Geschiedene aller Zeiten
Ein Dichterkind in Berlin
Liebe und Tod in Venedig
Schnitzlers letzte Liebe, Teil 1
Dritter TeilWien, Cambridge, Zürich, New York, Berkeley, Los Angeles, Wien 1931–1982
Wien trauert
Die andere Lilly aus der Sternwartestraße
Hochzeitsreise mit einem Schwierigen
Ein Schnitzler wird getauft
Flüchten ist nichts für Kinder
Wie Olga Schnitzler den Nachlass rettete
Nervenkrieg in der Wartehalle Schweiz
Neue Heimat Amerika
Wem gehört der Nachlass?
Schlimme Nachrichten aus der Alten Welt
Frankfurt on the Hudson
Kriegszeit in Kalifornien
Ist die Menschheit lernfähig?
Europäische Verlockungen und amerikanische Desillusionierungen
»Schnickelfritz«
Rückkehr nach Demelland
Hochzeit in San Bernardino
Michael lässt die Pubertät ausfallen
Was die Rückkehr kostet
Peters Metamorphosen
Scheidung im Quartett
Schnitzler-Renaissance
Schnitzlers letzte Liebe, Teil 2
Vierter TeilWien, Los Angeles, Costa Rica 1982–2014
Die Freiheit der Lilly Schnitzler
»Wir sind Künstler«
Den Regenwald retten
Epilog: Giuliana hört eine vertraute Stimme
Dank
Anmerkungen
Literatur
Personenregister
Für Tilmann, Philipp und Carlotta undmeine ganze große Familie
»Lebendige Stunden? Sie leben doch nichtlänger als der Letzte, der sich ihrer erinnert.Es ist nicht der schlechteste Beruf, solchen StundenDauer zu verleihen über ihre Zeit hinaus.«
Arthur Schnitzler
STAMMTAFEL DER FAMILIE SCHNITZLER
Zentralfriedhof, Tor I. Giuliana Schnitzler trägt einen grünen Mantel an diesem kühlen Vorfrühlingstag, apfelgrün. Das passt zu ihren rotblonden Haaren, die vielleicht ein Erbteil ihrer irischen Vorfahren sind, der mütterlichen Vorfahren. Die väterlichen liegen hier. Links der schnurgeraden Hauptallee sind die Gräber mit den christlichen Symbolen, rechts davon die riesige jüdische Totenstadt: »Bet Kevarot«, der Ort der Gräber. Wir halten uns rechts, spazieren vorbei an den prunkvollen Grabmälern im Geschmack der Gründerzeit – verwittert, bemoost, von Baumwurzeln in Schiefstand gebracht. Manche der Inschriften sind in hebräischen Buchstaben abgefasst, die meisten aber auf Deutsch. Hier liegt das assimilierte jüdische Wien des 19. Jahrhunderts. Die Gräber zeigen, wie sie gesehen werden wollten: tatkräftige Männer, tugendsame Gattinnen, »beweint von ihren untröstlichen Söhnen und Töchtern«. Ihre Verdienste sind in Stein gemeißelt, die Kehrseite hat Arthur Schnitzler beschrieben. Giulianas Urgroßvater.
Ich schiele auf ihre Schuhe: Sie hat natürlich praktische Schuhe an den Füßen, wie jeder vernünftige Mensch für einen Spaziergang über den Zentralfriedhof. Ich auch. Die Frage der angemessenen Fußbekleidung für diesen Anlass beschäftigt mich, seitdem ich vor Jahrzehnten zum ersten Mal zu Schnitzlers Grab gepilgert bin. Eine Wiener Kaffeehausbekanntschaft hatte mich und meine karierten Wollstrümpfe ungnädig gemustert: »Wenn du zu Arthur Schnitzler gehst, zieh dir andere Strümpfe an.« Der Mann meinte wohl, diese Geste sei ich dem Frauenliebhaber Schnitzler selbst posthum noch schuldig.
Damals war ich Studentin der Germanistik in München. Bei den ersten Schnitzler-Lektüren – Liebelei, Reigen, Anatol – hatte es mich erwischt. Dieser federleichte beunruhigende Ton. Etwas an seiner Art, die Welt zu sehen und zu beschreiben, leuchtete mir unmittelbar ein. Seine Skepsis, seine Wahrheitsliebe, seine analytische Schärfe, seine Melancholie, seine permanent fehlschlagende, aber umso beharrlichere Sinnsuche im Sinnlichen. Und sein Humor! Jedenfalls durch diesen unterschied er sich von Freud, der ihn als seinen Doppelgänger betrachtete. Ich fuhr damals mit der Straßenbahn zum Zentralfriedhof, kaufte eine gelbe Rose und legte sie auf das Grab. Zwei Namen standen auf dem schlichten dunklen Stein, nicht drei, wie heute: Arthur Schnitzler (1862–1931) und Dr. Julius Schnitzler (1865–1939), dazu etwas Hebräisches, das ich nicht lesen konnte. Arthurs Sohn Heinrich lebte noch und war in Germanistenkreisen für die unermüdliche Freundlichkeit bekannt, mit der er Fragen zu seinem Vater und dessen Werk beantwortete. Trotzdem, ich hätte mich nie getraut, ihn zu behelligen, auch als ich später eine Magisterarbeit schrieb, in der es um Arthur Schnitzlers Sprachskepsis ging. Manchmal dauert es Jahrzehnte, bis man Fragen stellen kann.
Giuliana Schnitzler ist in den USA geboren. Ihr Vater Peter war ein Jahr alt, als die Familie aus Österreich vertrieben wurde, und er blieb in Los Angeles, auch als seine Eltern Heinrich und Lilly nach Wien zurückkehrten und den jüngeren Bruder Michael mitnahmen. Für das Experiment Europa entschied er sich erst später. Europa oder Amerika? Giuliana fühlt sich auf beiden Kontinenten zu Hause. Als Kind hat sie viel Zeit im großelterlichen Haus in Wien verbracht. Für sie gab es kein Entweder-oder, sondern immer nur ein Sowohl-als-auch. Gleichwohl, sie hat eine Entscheidung getroffen. Anfang der Neunzigerjahre verließ sie New York und ihren Job in der Filmbranche, um in jener Stadt zu leben, die wie ein Magnet auf sie wirkte: Wien und Schnitzler, das passt gut zusammen. In Wien hat kein Mensch ein Problem damit, diesen Namen auszusprechen, ohne sich dabei die Zunge zu verrenken.
Giuliana Schnitzler mag Friedhöfe, genauso wie ich. Manchmal zieht sie mit Eimern, Bürsten und Schwämmen los und pflegt die Gräber der Verwandtschaft. Die ist zahlreich vertreten auf dem Israelitischen Teil des Zentralfriedhofs, mehr oder weniger versammelt an einer Stelle: die Schnitzlers und Markbreiters, die Mandls, Jellineks, Frids und Scheys. Sie schrubbt die Grabsteine, kratzt den moosigen Belag ab, der die Schrift unleserlich macht, hält das wuchernde Grün im Zaum. Wenn alles getan ist, sammelt sie Steinchen und schmückt damit die Gräber – statt mit Blumen. In der Wüste gab es keine Blumen. »Mit einem Stein sagt man: Ich war hier.« Giulianas Wienerisch ist der amerikanische Hintergrund in Akzent und Wortwahl anzuhören. »Ich erinnere an diese Personen. Solange sich jemand erinnert, sind sie nicht gestorben. Manche sagen: Die Steine stehen für die Last, die das Volk Israel trägt. Aber ich hab’ die Schmuckversion gern.«
Weil Erinnerung Leben bedeutet, freut sie sich über jedes Zeichen gelebter Erinnerung. Jedes renovierte Grab ist ein Hoffnungszeichen. Es ist Sache der Angehörigen, sich darum zu kümmern. »Bet Kevarot« ist nicht mehr die malerische Wildnis wie vor zwanzig, dreißig Jahren, als dieser Teil des Zentralfriedhofs den Rehen, Füchsen und Dachsen, den Spaziergängern und Fotografen gehörte. Der Zerfall ist gestoppt, und zwischen den Reihen leuchten frisch vergoldete Buchstaben auf einzelnen kürzlich renovierten Monumenten. »Moriz Szeps. 1834–1902.« Ein Journalist und Verleger, natürlich ein Bekannter. Seine Tochter, die Salonière Berta Zuckerkandl, war Arthur Schnitzlers gute Freundin. Viele der Namen hier sind mit der Geschichte der Schnitzlers verknüpft.
Dennoch wird Giuliana selbst hier keinen Platz finden. Sie ist Vizepräsidentin der reformjüdischen Gemeinde »Or Chadasch«, und die wird von der Wiener Israelitischen Kultusgemeinde nicht anerkannt. Die Israelitische Kultusgemeinde bestimmt, wer jüdisch ist in Österreich und wer nicht. Die nach den Regeln von »Or Chadasch« konvertierten Gemeindemitglieder sind es in ihren Augen nicht. Und sie würde auch auf ihrem Terrain kein Gemeinschaftsgrab von jüdischen und nicht-jüdischen Ehepartnern akzeptieren. Deswegen hat »Or Chadasch« nun ein eigenes Areal erworben: entlang der Hauptallee, wenn auch rive gauche. Giuliana bückt sich, hebt einen Kiesel auf und legt ihn auf ein Grab. »Da liegt der Berti. Er war der nicht-jüdische Ehemann von einem Gemeindemitglied. Sehr involviert in die Gemeindearbeit. Er war wichtig.« Wik-tick, sagt sie mit ihrer warmen, klingenden Stimme.
Ebenfalls direkt an der Hauptallee, aber rechts vom Weg befindet sich das Grabmal ihrer Ururgroßeltern Johann und Louise Schnitzler, ein schwarzer Obelisk. Obenauf fehlt ein Element, »eine Kugel vielleicht oder so ein kleiner Spitz«. Sie hat schon recherchiert. Auch hier wäre mal eine Renovierung fällig. Die weiße Schrift ist verblasst und nur mit Mühe zu lesen: »K.K. Regierungsrat, K.K. Universitätsprofessor, Mitbegründer und Direktor der Poliklinik. Geboren 10. April 1835, gestorben 2. Mai 1893.« Und unten auf dem Sockel der Satz: »Alle, die ihn geliebt haben, beweinen ihn und alle, die ihn kannten, haben ihn geliebt.« Da bleibt nicht viel Platz für Louise. »Geboren 8. Juli 1840, gestorben 9. September 1911.« Aber die Ururenkelin beschäftigt gerade etwas anderes.
»Streng genommen« zeigt das Grab in die falsche Richtung, sinniert Giuliana. Die Füße sollten Richtung Osten weisen. Nach traditionellen Maßstäben ist es auch zu pompös. »Die Gräber in der Mitte da, das sind typisch jüdische Gräber.« Sie deutet auf die schlichten Steine mit den hebräischen Inschriften, die halb versunken im hohen Gras kauern. Aber mit der Assimilation habe man eben begonnen, sich an den prunkvollen christlichen Grabmälern zu orientieren. »Streng genommen« – sie genießt den Ausdruck – »waren die doch alle Reform«, das ganze liberale Wiener Bürgertum des 19. Jahrhunderts samt ihrem Rabbiner Jellinek. Solche wie sie. Auf dem Flyer von »Or Chadasch« steht der programmatische Satz: »Als progressiver religiöser Jude oder progressive religiöse Jüdin zu leben heißt, in der im Schrifttum überlieferten Lehre ein jüdisches Leben zu führen, das den sozialen, kulturellen und ethischen Herausforderungen der Moderne entspricht.« Sie stellen sich damit in die Tradition derjenigen, die in Gehrock und Zylinder Wien und das ganze Land in die Moderne bugsierten.
Gibt es das, diese verbindende Klammer zwischen den Generationen? Eine Art dominantes Schnitzler-Gen? Lassen sich tatsächlich Gemeinsamkeiten feststellen – Selbstbilder, Ideen, Schuhgrößen, Begabungen, Laster, Handlungsweisen, Prinzipien, Gewohnheiten, Vorlieben, Aversionen, Marotten – die, transformiert, in einer Familie durch die letzten hundertfünfzig Jahre gewandert sind? Welchen Platz nimmt Arthur Schnitzler in diesem familiären Geflecht ein? Was macht eine Familie mit dem Erbe einer solch herausragenden Gestalt? Ist man mit diesem Erbe in New York oder Los Angeles weniger stark konfrontiert als in Wien? Giuliana Schnitzler nickt zustimmend. Natürlich hat auch sie schon, oft genug, über solche Fragen nachgedacht. Familiengeschichte, ein faszinierendes Thema! Besonders das Kapitel Frauen. Sie lacht, erzählt dann von ihrer Großmutter Lilly, die an jenem Silvesterabend, als sie ihren späteren Mann Heinrich traf, ein schönes neues grünes Kleid trug. »Ich hasse Grün«, sagte Heinrich Schnitzler. Und Lilly? Sie trug nie wieder Grün, kam aber mit den Jahren zu der Ansicht: Jeder, der in die Familie Schnitzler einheiratet, »is eh oahm«.
Die Reise in die Vergangenheit beginnt mit Johann Schnitzler, der im März 1858 in viertägiger Fahrt mit dem Leiterwagen von Pest nach Wien kam.
Wien, den 4. April 1858: »Geliebte Eltern«. Seit zehn Tagen ist Johann Schnitzler in der Stadt und schreibt nun einen ersten Brief nach Hause. Er schreibt auf Deutsch. Deutsch ist die Muttersprache der Juden im westlichen Ungarn. Johann ist knapp 23 Jahre alt und Student der Medizin. Nach einigen Semestern in Pest will er sein Studium in Wien fortsetzen, dem Mekka aller Mediziner. Seine Eltern und seine beiden jüngeren Schwestern leben in Nagykanizsa südwestlich des Balaton im Komitat Zala. Hätte er seine Ankunft nicht früher melden können? Nein, erst wollte er seine Angelegenheiten geregelt wissen, um dann Beruhigendes schreiben zu können. Für seinen Lebensunterhalt muss der junge Mann selber aufkommen. »Am 24. des Abends kam ich hier an, und am 25. hatte ich bereits eine gute Lektion und am darauffolgenden Tag war ich bereits infolge meines Empfehlungsschreibens und glänzenden Zeugnissen zu zwei Knaben als Erzieher akzeptiert, wo ich neben eleganter Wohnung, Kost etc. 40 fl. monatlich (…) habe und das Beste ist, daß ich den ganzen Tag zu meinen Studien habe und nur die Abendstunden meinen Zöglingen zu widmen habe.«1 Ihm sei bloß »der Unterricht in den Realgegenständen« sowie in französischer und ungarischer Sprache überlassen. Vierzig Gulden, das ist nicht schlecht. Es ist mehr, als ein Sekundararzt am Allgemeinen Krankenhaus verdient. Aber er hat sich noch eine zweite Geldquelle gesucht. Seit dem 31. März arbeitet er als Redakteur bei einer Wiener medizinischen Zeitung. Das Studium? Noch hat das Semester nicht begonnen, aber Johann Schnitzler lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass er allen diesen Aufgaben gleichzeitig gewachsen ist. Voller Vorfreude verspricht er, in seinem nächsten Brief über »die Kliniken der Prof. Oppolzer, Škoda, Scholz, Dumreicher etc.« zu berichten. Ein Optimist. Um ihn muss man sich keine Sorgen machen, das ist die Botschaft nach Hause. Er verabschiedet sich zärtlich und ehrerbietig: »Ihr Sie liebender Sohn Johann«, fügt dann noch Küsse für »die lieben Hani und Lotti« hinzu. Ein guter Sohn.
Nur ein Satz, der erste, sticht heraus aus der Liste der Erfolgsmeldungen, bietet einen Kontrapunkt zu dem auftrumpfenden Grundton. »Mit welchen Gefühlen ich Pest, den Ort, wo ich so glücklich war, wo ich die ersten Jugendträume verlebte, verließ, wäre mir unmöglich zu schreiben.« Er benutzt den Unsagbarkeitstopos, um an etwas zu erinnern, eine Dimension des Lebens, die eingestandenermaßen existiert, über die er aber nicht sprechen kann oder will. Kann er über seine Gefühle nicht schreiben, weil er die Worte dazu nicht hat; will er sich die Zeit dazu nicht nehmen – oder ist es ihm generell peinlich, etwas Derartiges zu bereden? Fürchtet er, dass seine Tatkraft geschwächt werden könnte, wenn er sich dem Abschiedsschmerz noch einmal nacherzählend aussetzt? Oder hat er womöglich schon früh gelernt, das, was ihn bedrückt, mit sich selbst auszumachen? So wird er es auch in Zukunft halten. Über Herzensangelegenheiten, schreibt Arthur Schnitzler in seiner Fragment gebliebenen Autobiographie Jugend in Wien, pflegte sein Vater zu schweigen.2 Er hat auch für sich behalten, was der eigentliche Anlass für seinen Umzug nach Wien war. Sein minder diskreter Sohn hat es ausgeplaudert:
»Nicht nur der Wunsch, eine andere bedeutendere und deutschsprachige Hochschule zu besuchen, sondern auch eine Herzensgeschichte war die Ursache, daß er Budapest vor Vollendung seiner medizinischen Studien verließ. Er war Hauslehrer bei den Söhnen eines sehr bekannten Buchhändlers, der außer diesen Söhnen zwei schöne, aber leichtsinnige Töchter hatte. Mein Vater verliebte sich in die jüngere, sie ließ sich die Schwärmerei des mittellosen Studiosus gefallen, ohne sie ernst zu nehmen; er warb um sie in aller Form, sie zog ihn hin, ohne ihn aber gänzlich zu entmutigen. Zu dieser Zeit geschah es, daß sie auf einer Tanzunterhaltung, wie sie solche auch manchmal insgeheim zu besuchen pflegte, einen Hauptmann kennenlernte und bald dessen Geliebte wurde. Dem Buchhändler blieb diese Verbindung kein Geheimnis, er wies die Tochter zwar nicht, wie er anfangs willens gewesen war, aus dem Hause, vermied es aber von Stund ab, das Wort an sie zu richten. Mein Vater, sobald er klar zu sehen begonnen, betrat die Schwelle des Hauses nicht mehr, auch der weitere Aufenthalt in der Stadt war ihm verleidet, und in viertägiger Reise fuhr er, wie er mir später oft erzählte (ohne des Anlasses zu erwähnen) auf einem Leiterwagen nach Wien. (…) Die ganze Geschichte wurde mir erst viele Jahre nach seinem Tod auf einem Spaziergang im Dornbacher Park von einem Freund erzählt, dessen Mutter als junges Mädchen im Hause jenes Buchhändlers verkehrt (…) hatte (…)«.3
Worüber wird in einer Familie gesprochen und worüber nicht? Johann Schnitzler weiß, was seine Eltern hören wollen. Sein Brief ist knapp und schnörkellos. Es geht um Existenzsicherung, alles andere ist unwichtig. Das, was er später seinen Kindern abverlangt – detaillierte Schilderungen von fremden Ländern und Städten –, all dieser bildungsbürgerliche Luxus spielt noch keine Rolle. Er schreibt nichts über die Leute, bei denen er jetzt wohnt und deren Kinder er unterrichten wird, nichts über die Stadt, in der er gelandet ist, nichts über das Spektakel, das dieser Tage so viele Schaulustige anzieht.
Dass er Wien in einem historisch bedeutsamen Moment betreten hat, weiß er damals wahrscheinlich selbst nicht so genau. Er hat ihn punktgenau erwischt. Vor vier Tagen hat der Umbau Wiens begonnen. Was Kaiser Franz Joseph im Dezember letzten Jahres hat verkünden lassen, der Abriss der Stadtbefestigung und der Beginn des Ringstraßenprojekts, ist nun in Angriff genommen worden. Ein gewaltiges Projekt. In der Presse vom 30. März 1858 konnte man lesen: »Die Demolirung der Basteien hat heute mit Tagesanbruch begonnen; etwa 150 Arbeiter verschiedener Nationalitäten schaufeln und hacken auf der Bastei zum Rothenturmthor bis zur Gonzaga-Bastei mit einem Eifer an dem alten Gemäuer, als hätten sie die Demolirung selbst in Accord genommen. Schon um die Mittagsstunde war die ganze Mauer, welche auf der genannten Strecke die Verschanzung bildet, niedergeworfen, und eine Stelle an der Gonzaga-Bastei behufs Abfuhr des Materials bis auf den Grund durchbrochen. Im Bereiche der Kasematten wird man jedoch bis zu deren Räumung keine weiteren Fortschritte machen können. Bei der Ferdinands-Brücke und auf der Gonzaga-Bastei erlustigten sich Hunderte von Zuschauern an jeder Schaufel Sand und Steine, welche am Schanzel in die Tiefe hinabrollt.«4 Das alte, das mittelalterliche Wien wird abgerissen. Wien hört auf, eine Festung zu sein. Die Bewohner der Stadt verlieren ihren geliebten Spazierweg über die Basteien, aber für Juden wie Johann Schnitzler fällt ein Symbol der Diskriminierung. Noch vor Kurzem, als er ein Kind war, hatte jeder Jude, der in die Stadt wollte, am Stadttor einen »Silberzwanziger« zu entrichten und bekam dann einen Passierschein. In der Stadt leben konnten nur die wenigen reichen jüdischen Familien, die in der Lage waren, die hohe »Toleranztaxe« zu bezahlen. Das ist seit 1848 vorbei. Nun soll man auch sehen, wie Wien sich öffnet. Über all das schreibt Johann Schnitzler seinen Eltern nicht, auch nichts über die Umstände seiner Reise von Pest nach Wien. Die werden ihm erst später wichtig, Lehrstoff für seine verwöhnten Kinder, die gar nicht wissen, wie gut sie es haben. Die Reise mit dem Leiterwagen beendet das Kapitel der armen Schnitzlers, und das ihres rasanten Aufstiegs beginnt.
Wann fängt eine Geschichte an, wie weit muss man zurückgehen, damit sie verständlich wird? Unter welchen Umständen wird Familiengeschichte gepflegt als ein Schatz, den es zu hüten gilt, und wann vergisst man lieber? Das biographische oder historische Interesse ist nicht automatisch identisch mit der internen familiären Erinnerungskultur. Arthur Schnitzler bringt in all seiner Unerschrockenheit und Wahrheitsliebe als autobiographisch Schreibender beide Perspektiven weitgehend in Deckung. Die familiäre Dynamik von Sprechen und Verschweigen, mit der er aufgewachsen ist, hat aber auch seine Sichtweise geprägt. Er interessierte sich nur mäßig für seine Familiengeschichte und grenzte sich spöttisch von dem rückwärtsgerichteten Wissensdrang anderer Leute ab: »Seit wann meine Voreltern in Groß-Kanizsa, seit wann sie sich in Ungarn ansässig gemacht haben, in welchen Gegenden sie vorher umhergewandert und wo sie überall für kürzere oder längere Dauer heimisch gewesen sind, nachdem sie, wie wohl anzunehmen ist, vor zweitausend Jahren ihre Urheimat Palästina verlassen hatten, das alles ist mir vollkommen unbekannt.«5 Seine Aufmerksamkeit galt der Gegenwart, nicht der Vergangenheit, und wenn schon der Vergangenheit, dann der selbst erlebten. Immerhin, ein paar Dinge über die Herkunft seines Vaters teilt er mit: »Die Familie meines Vaters war in Groß-Kanizsa, einer ungarischen Mittelstadt, zu Hause, soll ursprünglich Zimmermann geheißen und erst zu Lebzeiten meines Großvaters den Namen Schnitzler angenommen oder ihn von einer hohen Behörde zugewiesen erhalten haben. Meine Großmutter, Rosalie, war die Tochter eines gewissen David Klein aus Puszta Kovacsi im Zalaer Komitat und seiner Gattin Marie, geborener Rechnitz. Weiter vermag ich meine Abstammung väterlicherseits nicht zu verfolgen. Mein Großvater, Tischler wie angeblich auch seine nächsten Vorfahren, befand sich mit den Seinen zeitlebens in beschränkten, ja dürftigen Verhältnissen (…). Er soll des Lesens und des Schreibens unkundig, in seinem Handwerk aber beinahe ein Künstler gewesen sein; ob er es war oder mein Vater, der als Knabe für durchziehende Komödianten Theaterzettel in den Häusern austrug, ist mir nicht erinnerlich; was mir jedoch mein Vater in kindlicher Pietät verschwieg und ich erst lange nach seinem Tod aus dem Mund eines entfernten Verwandten erfuhr, ist der Umstand, daß mein Großvater Quartaltrinker war, welche, bei Juden im allgemeinen so selten vorkommende Anlage an den stets zerrütteten Vermögensverhältnissen der Familie wahrscheinlich die Hauptschuld trug.«6 Wie es aussieht, hatte Johann Schnitzler keinen Grund zur Nostalgie. Die gute alte Zeit gab es nicht. Umso mehr musste er auf die Zukunft setzen.
Der Leiterwagen, dieses bäuerliche Fuhrwerk, ist nicht in erster Linie zur Personenbeförderung gemacht, schon gar nicht über lange Strecken. Er hat vier Räder, eine Deichsel, manchmal ziehen zwei Pferde statt einem. Die Seitenwände bestehen aus zwei Leitern, die man bei Bedarf herausnehmen und gegen feste Bretter austauschen kann, wenn Mist transportiert und aufs Feld ausgebracht werden soll. Nach ein paar Stunden auf der Chaussee ist jedes körpereigene Molekül durchgerüttelt. Die Postkutsche wäre bequemer gewesen, aber auch teurer. Sie hätte weniger Erzählstoff für die Nachfahren geliefert und auch nicht … – nein, das wissen wir nicht, ob sich Johann Schnitzler irgendwann in diesen vier Tagen der Symbolcharakter des gewählten Transportmittels aufgedrängt hat. Die Jakobs-leiter! Als weniger frommer denn wohlunterrichteter Jude könnte ihm die Geschichte schon in den Sinn gekommen sein. In reformorientierten jüdischen Gemeinden im deutschsprachigen Raum – wozu auch die ungarischen Gemeinden als Teil des Habsburgerreichs gehörten – war um die Mitte des 19. Jahrhunderts Leopold Zunz’ Bibelübersetzung gebräuchlich. Danach klang die berühmte Stelle so: »Und Jaakob zog aus Beerschaba und ging gen Charan. Und traf auf einen Ort und übernachtete allda, weil die Sonne untergegangen war, und nahm einen von den Steinen des Ortes und machte ihn zu seinem Kopflager und legte sich hin an demselben Orte. Da träumte er und siehe, eine Leiter war gestellt auf die Erde und die Spitze reichte an den Himmel und siehe, Engel Gottes stiegen auf und ab an ihr. Und siehe, der Ewige stand über ihr und sprach: Ich bin der Ewige, Gott Abraham’s, deines Vaters, und Gott Jizchak’s; das Land, auf dem du liegst, dir werde ich es geben und deinem Samen. Und dein Same wird sein wie Staub der Erde, und du wirst dich ausbreiten nach Abend und Morgen, und Mitternacht und Mittag; und mit dir werden sich segnen alle Geschlechter der Erde, und mit deinem Samen. Und siehe, ich bin mit dir, und werde dich behüten, wo du auch immer gehest, und dich zurückführen in dieses Land; denn ich werde dich nicht verlassen, bis daß ich getan, was ich geredet habe zu dir.«7
Laut den Immatrikulationsunterlagen der Wiener Medizinischen Fakultät wurde Johann Schnitzler am 10. April 1835 in Nagybajom geboren, nicht in Nagykanizsa, wo er dann aufwuchs. Schon viele Generationen vor ihm hatte der Traum von einer besseren Zukunft in Gang gesetzt – auch seine Eltern.
Wien, Seitenstettengasse 4. Die Synagoge in der dicht bebauten Innenstadt stand schon an ihrem Platz, als Johann Schnitzler nach Wien kam, und da steht sie heute noch. 1825, als sie errichtet wurde, besagte eine Vorschrift, dass nur katholische Kirchen freistehen durften. Eingefügt in die Häuserzeile der Seitenstettengasse, hat sie die Novemberpogrome von 1938 überstanden, jedenfalls das Gebäude – von 94 Synagogen und Bethäusern in Wien das einzige. Seit dem Anschlag vom 29. August 1981, als bewaffnete palästinensische Terroristen am Schabbat in den Gottesdienst eindrangen, zwei Menschen töteten und viele verletzten, ist es ein sehr gut bewachtes Haus. Heute gelangt man nur mit Ausweis und durch die übliche Sicherheitsschleuse hinein. Das bringt eine gewisse Enge mit sich, aber den Platzbedarf konnte der Architekt von damals, Josef Kornhäusel, unmöglich voraussehen. Das Matrikenamt ist in zwei winzigen, ineinander übergehenden Zimmern des Hochparterres untergebracht. Die alten Bände mit den handgeschriebenen Einträgen der Geburtsund Sterbedaten, der Eheschließungen sowie der Aus- und Übertritte befinden sich im Eingangsraum. An der Wand hängen: eine historische Karte der Donaumonarchie, ein paar vergrößerte Kleinanzeigen aus der Neuen Freien Presse, ebenfalls historisch, sowie der Hinweis auf Georg Gauguschs monumentales Nachschlagewerk Wer einmal war, Band 1, A–K. Wer eine jüdische Familie hat, die einmal in Wien ansässig war, und nach Querverbindungen und Zusammenhängen sucht, könnte darin fündig werden, vorausgesetzt: Die Familie gehörte zum Großbürgertum. M wie Markbreiter und S wie Schnitzler und Schey kommen erst im nächsten Band an die Reihe.
Also ist Wolf-Erich Eckstein zuständig, der Herrscher des Matrikenamts. Er ist ein gebürtiger Berliner – wie Fanny von Arnstein, die in Wien einen legendären Salon führte und, observiert von der Geheimpolizei, den Weihnachtsbaum nach Österreich brachte. Vielleicht kann Eckstein Licht in das Dunkel der Schnitzlerschen Herkunft auf der väterlichen Seite bringen. Warum dieser Namenswechsel von Zimmermann zu Schnitzler? Ist es wahr, dass Arthur Schnitzlers Großmutter Rosalie – die er übrigens nicht ausstehen konnte – mit den reichen Gutmann de Gelses verwandt war, wie der Schnitzler-Biograph Giuseppe Farese behauptet?8
Der zweite Raum ist mit Zigarettenrauch und einem großen Schreibtisch mehr oder weniger ausgefüllt. Eine fast leere Schachtel der Marke »Eckstein« dient nur noch Dekorationszwecken. »Die gibt es schon lange nicht mehr«, sagt der Familienforscher, so musste er leider auf eine andere Marke umsteigen. Auf den Bildschirmen vor sich hat er zwei verschiedene Genealogieprogramme, die er virtuos handhabt wie ein DJ seine Plattenteller. Aber vieles hat er auch so im Kopf. Er ist eben mit vielen verwandt, da sein eigener Stammbaum sich laut Aussage seines Vaters bis auf König David zurückführen lässt. In die Auskünfte zu mutmaßlichen Vorfahren, die seine Besucher aus aller Welt von ihm bekommen, lässt er auch kleine Anekdoten in eigener Sache einfließen. »Kennen Sie Jesus?«, wurde er einmal auf der Straße von den Angehörigen einer christlichen Sekte gefragt, und er freut sich noch heute der eigenen Geistesgegenwart, mit der er antwortete: »Ja. Wir sind weitläufig verwandt.« Das ist die eine Seite des Magisters Eckstein, mit der er sich und seine Besucher belustigt, mitten im Arbeitsfuror innehält für einen kurzen Moment der Erholung.
Er gibt Namen ein, findet andere Namen, kombiniert, spekuliert, macht einen Witz, raucht, verwirft, warnt vor voreiligen Rückschlüssen, fährt sich mit der Hand, die gerade keine Zigarette hält, durch den grauen Haarschopf, stöhnt, schimpft über Leute, die Ungenaues schreiben, klagt über Umstände, die das Recherchieren schwierig machen, deutet an, dass es mit dem Informations- und Datenaustausch zwischen Österreich, Israel und Ungarn auch nicht immer völlig störungsfrei klappt. Und schüttelt schließlich den Kopf. Nein, die Verwandtschaft mit den reichen Gutmanns lässt sich nicht nachweisen. Und auch andere Annahmen sind mit Vorsicht zu genießen.
Johann Schnitzlers Mutter Rosalie, geborene Klein. Da gibt es eine Todesanzeige aus der Neuen Freien Presse: gestorben 8. 11. 1878, »im 66. Lebensjahr«, begraben ist sie in Budapest, ein Geburtsort ist nicht angegeben. Der Kaufmann David Klein und seine Frau Marie, geborene Rechnitz, sollen laut Arthur Schnitzler ihre Eltern gewesen sein. Die Matriken wissen aber nur von einem Kind dieser beiden: Johann, geboren 1838. Der gehörte tatsächlich zur Familie, zog später nach Wien und taucht als »entfernter Verwandter« gelegentlich in Arthur Schnitzlers Tagebuch auf. Gesetzt den Fall, die Geburt eines älteren Kindes wäre aus welchen Gründen auch immer nicht aktenkundig geworden, dann wäre dieser Johann 23 Jahre jünger gewesen als seine Schwester. Möglich, aber unwahrscheinlich. Oder könnte es sein, dass David Klein nicht der Vater, sondern der Bruder von Rosalie war? Die Matriken schweigen. Sie schweigen auch zu der Frage nach Josef Schnitzlers Herkunft, Johanns Vater. Die Sache mit dem Namenswechsel macht es nicht einfacher. Wann und wo geboren? Eine Antwort will sich nicht finden lassen.
Manche Rätsel lassen sich nicht mehr lösen. Aber es gibt eine mögliche Erklärung dafür, warum sie sich nicht lösen lassen. Man müsse fragen, sagt Wolf-Erich Eckstein, warum denn überhaupt so viele Juden in das westliche Ungarn kamen und woher sie kamen. Und er gibt die Antwort mit einem Begriff: die Familiantengesetze. Diese galten ab 1726 in Böhmen und Mähren und besagten im Prinzip, dass nur der älteste Sohn einer jüdischen Familie heiraten und seinerseits eine Familie gründen durfte. Wer es dennoch tat, ohne offizielle Bewilligung oder »Rischojin«, wie es im Schtetl hieß, dessen Kinder wurden als unehelich betrachtet und bekamen den Namen der Mutter. Diese Schande! Der Journalist Leopold Gompert, ein Zeitgenosse Johann Schnitzlers, hat die Dramen beschrieben, die sich aus der strengen Gesetzeslage für unzählige böhmische und mährische Juden ergaben. Der Berliner in Eckstein liebt das Pathos nicht; er formuliert salopp, so wie es eben seine Art ist, über die Grausamkeiten, an denen die jüdische Geschichte, auch die seiner Familie, reich ist, zu reden: »Also machten sie sich auf die Strümpfe.« Auf nach Ungarn, wo es ein solches Gesetz nicht gab.
Nagybajom, wo Johann Schnitzler geboren wurde, war nur eine Zwischenstation. Der Name bedeutet so viel wie: »mein großes Problem« – und ein Problem hatten die jüdischen Familien tatsächlich, die in den ländlichen Orten des südlichen Ungarn verstreut und relativ isoliert lebten.9 Wie sollte da ein funktionierendes Gemeindeleben entstehen? In welche Schulen sollten sie ihre Kinder schicken? Josef und Rosalie Schnitzler entschieden sich, weiter westlich nach Nagykanizsa zu ziehen. In Nagykanizsa sah die Sache ganz anders aus. Die Stadt war seit der Römerzeit ein Knotenpunkt verschiedener Handelswege und erlebte im 19. Jahrhundert einen großen Aufschwung, den sie nicht zuletzt der dynamisch wachsenden jüdischen Gemeinde verdankte. Nagykanizsa war ein Ort, wo ein geschickter Tischler Arbeit finden konnte.
Ich mache mich auf den Weg in die Stadt mit dem unaussprechlichen Namen, heute ein verschlafenes Nest nahe der kroatischen Grenze. Viereinhalb Stunden dauert die Zugreise von Wien-Meidling nach Nagykanizsa über Hegyeshalom. In Győr und Szombathely muss ich umsteigen. Die Mitpassagiere sind auffallend höflich. Ein junger Mann hilft in Gyõr den Koffer auf die Ablage heben – erst dann holt er seinen Laptop aus dem Rucksack – und wieder hinunter, als wir in Szombathely angelangt sind. Eine schwer bepackte Frau mit Rucksack, Wanderstiefeln und Spinnrad zum Klappen steigt mit um, eine Deutsche, wie sich herausstellt, sie wohnt in Buczuzentlaszlo in einer alternativen Landkommune, sagt »ooch« statt auch, und wenn sie nicht Schafe hütet oder Gedichte schreibt, fährt sie in die Schweiz zum Geldverdienen bei einer alten Dame – 24-Stunden-Pflege. Ein Monat hier, ein Monat dort. Jetzt ist die Stimmung in der Kommune gerade ein bisschen angespannt, weil die eine Hälfte der Bewohner einem russischen Schriftsteller verfallen ist und dessen Ideen vom Landleben imitieren will. Der Sächsin gefällt das nicht, sie will lieber ihrer eigenen Nase als den Rezepten anderer folgen. Was wird sie nun, nach vier Wochen Abwesenheit, als Erstes in ihrem sonnenkollektorversorgten Niedrigenergielehmhaus tun? »Ein Feuer machen«, sagt sie, »das ist lebendig.«
Drei Stationen hinter Buczuzentlaszlo ist Nagykanizsa, oder jedenfalls der Bahnhof von Nagykanizsa. Ich sehe nur Schienen, die in die Weite der flachen Landschaft führen. Aber Eszter Lesták ist da, wie verabredet: eine Studentin der Judaistik, die für ihre Magisterarbeit die übrig gebliebenen sakralen Gegenstände aus der örtlichen Synagoge erforscht. Deshalb verbringt sie gerade viel Zeit in ihrer Heimatstadt, wohnt bei ihrer Mutter und ist eigentlich ganz froh über die Distanz zu dem lauten Budapest. Vom Bahnhof aus dauert es zehn Minuten zu Fuß, dann sind wir bei der Synagoge. Das große, streng klassizistische Gebäude liegt versteckt in einem Hinterhof. Aber die Fenster sind vergittert, und der Zugang zum Portikus ist durch Schilfmatten versperrt. Auf der Höhe der unteren Fensterreihen ist der umbrafarbene Fassadenputz ganz abgefallen, gemauerte Ziegelwände leuchten rot, wie rohes Fleisch. Hinein können wir nicht, bei dem baufälligen Zustand. Das Haus gehört jetzt der Stadt, und die lässt es verfallen. Es gibt drinnen aber auch wenig zu sehen, sagt Eszter. Die wenigen Mitglieder der jüdischen Gemeinde feiern ihre Gottesdienste anderswo.
Als die Synagoge 1821 eröffnet wurde, hatte sie mehr als tausend Mitglieder. Die meisten von ihnen waren erst in den vorangegangenen Jahrzehnten dazugekommen. Eine Zeit lang hatten in Nagykanizsa keine Juden gelebt, im Jahr 1735 wurde ihre Zahl mit 13 angegeben, 1785 waren es schon 420. Und die Gemeinde wuchs weiter – offenbar zu ihrer eigenen Überraschung. Die Pläne des deutschen Architekten waren schon bei Baubeginn der Synagoge überholt und mussten mehrmals geändert werden, weil der Platzbedarf zunahm. Noch während ich mich frage, worin denn die Anziehungskraft dieser Gemeinde gelegen haben mag, gibt Eszter das Stichwort. Sie spricht von der Orgel, die in Ermangelung eines eigenen Kantors zunächst von einem Christen gespielt wurde. Eine Orgel! Damit wird klar, wohin sich Josef und Rosalie Schnitzler begeben hatten: in die Gesellschaft entschlossener Reformer. Nach den Vorstellungen orthodoxer Juden sind Instrumente in der Synagoge nicht erlaubt. Die Orgel bedeutete das Bekenntnis zur Haskalah, der jüdischen Aufklärung, die Anfang des 19. Jahrhunderts von Deutschland ausgegangen war. Umso mehr, wenn ein Christ sie spielte! Keine Berührungsängste mit Andersgläubigen, lautet ein Prinzip des Reformjudentums, das aus der Haskalah hervorgegangen ist.
Und außerdem, fügt Eszter mit ihrer leisen Stimme hinzu und streicht sich eine Strähne ihrer Schneewittchenhaare aus dem Gesicht, gab es den Rabbiner Löw. Leopold Löw, der eigentlich aus Mähren kam und zum glühenden ungarischen Patrioten wurde. Ein berühmter Mann. 1841 wurde er von der Gemeinde installiert, auf seine erste Stelle. Obwohl er aus einer angesehenen Rabbinerfamilie stammte, hätte er als Anhänger der Haskalah in seiner Heimat kaum Chancen gehabt. Es war hier, in der Synagoge von Nagykanizsa, wo er begann, auf Ungarisch zu predigen. »Lasst uns nicht ungarische Juden sein, sondern jüdische Ungarn!«, appellierte er an die Gemeinde und sprach sich gegen die Idee einer eigenen jüdischen Nation aus. Den Gottesdienst nicht komplett auf Hebräisch, sondern zumindest teilweise in der jeweiligen Landessprache abzuhalten, gehörte zu den Ideen der Haskalah. Löw riskierte damit, von den meisten Zuhörern nicht verstanden zu werden, denn die waren ja Untertanen des Hauses Habsburg und sprachen deutsch. Aber das war ihm egal. Das Bekenntnis zur ungarischen Sprache bedeutete, sich auf die Seite der ungarischen Nationalisten zu stellen und deren Autonomiebestrebungen zu unterstützen – weg von Österreich. Von der Allianz mit der ungarischen Aristokratie erhofften die Juden sich das, was ihnen bisher verwehrt geblieben war: die Emanzipation mit allen staatsbürgerlichen Rechten. Im Gegenzug setzte die ungarische Aristokratie auf die Juden, weil sie Unterstützer suchte, um dem Magyarentum im Vielvölkerstaat Ungarn zur Vorherrschaft zu verhelfen. Eszter erzählt dann auch noch, dass die jüdische Gemeinde von Nagykanizsa für den Befreiungskampf der Ungarn im Winter 1848/49 einiges Ritualsilber spendete, wofür sie dann nach der Niederschlagung der Revolution eine hohe Strafe auferlegt bekam.
Revolution! Ich stehe vor der baufälligen Hülle der Synagoge, es ist wieder März, und ich stelle mir vor, wie der 13-jährige Johann Schnitzler, vor den Augen der Gemeinde schon ein Mann, drinnen sitzt und mit klopfendem Herzen den Freiheitsparolen des Rabbiners lauscht. Wie er Janós heißen will statt Johann, und wie er später davon träumt, an der Seite des ungarischen Adels in der Honvéd-Armee zu kämpfen. Er kennt ja einige erwachsene Männer, die das tun: Leopold Löw, der nun als Kaplan die Truppen befeuert, und den jungen Dr. Wittelshöfer, der als Stabsarzt mit dabei ist. War es nicht ganz natürlich, sich als Jude der liberalen Bewegung anzuschließen? Dem Pathos zeitgenössischer Revolutionsrhetorik wird sich ein phantasievoller und begeisterungsfähiger Jugendlicher kaum entzogen haben: »Es galt doch, die Ketten der Tyrannenwillkür zu brechen, in wessen Fleisch hatten sie tiefer eingeschnitten als in das seine! Es galt, den Absolutismus zu stürzen; auf wem hatte dessen erdrückende Wucht schwerer als auf dem Juden gelastet? Es galt, Freiheit und Gleichheit zu erringen; wer konnte diese Güter heißer wünschen als der Jude, der ihren Abgang Jahrhunderte hinweg so schmerzlich empfunden?«10
Johann Schnitzler war ein guter Schüler, der das Familienbudget mit Nachhilfestunden aufbesserte. Seine Aufsätze brachten ihm die Bewunderung der Lehrer ein: »Ein ungarischer Shakespeare!« Nachwuchstalente waren gesucht, schließlich sollte mit den Magyarisierungsbestrebungen auch die Nationalliteratur gefördert werden. So ermutigt, versuchte sich Johann als Dramatiker. Vielleicht hat er damit den gescheiterten Aufstand auf seine Weise verarbeitet. »Bar Kochba« hieß das Stück, dessen ersten Akt er aufbewahrt und später seinem Ältesten zu lesen gegeben hat. Leider ist es später verloren gegangen. Den Stoff hatte Johann aus der jüdischen Geschichte genommen. Simon bar Kochba – »Sternensohn« – war der Anführer des jüdischen Aufstands gegen die Römer im zweiten Jahrhundert n. Chr. Auf beiden Seiten gab es viele Opfer, am Ende war bar Kochba tot, viele seiner Anhänger hingerichtet, und den Juden wurde verboten, in Jerusalem wie in der ganzen römischen Provinz Judäa zu leben. Das war der Beginn der Diaspora. Vielleicht ist es kein Zufall, dass Johann über den ersten Akt nicht hinausgekommen ist. Er war ein Optimist. Das dicke Ende hat er sich gespart.
Für die Juden in Ungarn bedeuteten die Ereignisse von 1848/49 eine bittere Enttäuschung. Und trotzdem hatte sich Johann einen guten Zeitpunkt ausgesucht, diese Welt zu betreten. In der Gemeinde von Nagykanizsa gab es Vorbilder – Menschen, die ihn gelehrt haben müssen, trotz aller Widerstände und Rückschläge die Hoffnung und den Kampfgeist nicht aufzugeben. Wer der Spur des Rabbiners Leopold Löw folgt, stößt auf viele Zeugnisse dieses Zukunftsoptimismus. Darunter ist auch sein Buch Zur neueren Geschichte der Juden in Ungarn aus dem Jahr 1874.11 Sieben Jahre, nachdem die bürgerliche Gleichstellung der Juden endlich erreicht worden war, erzählte Löw, inzwischen Rabbiner von Szeged, die Geschichte der überstandenen Kämpfe – unzähliger Petitionen, die die ungarischen Juden eingebracht hatten, um auf ihre missliche Lage aufmerksam zu machen. In seiner Version war es jedoch nicht das Klagen, das schließlich geholfen hatte. Für ihn hieß das Mittel der Wahl: Bildung. Er war selbst ein umfassend gebildeter Mann, war mit Hebräisch, Tschechisch und Deutsch aufgewachsen, hatte in Pest, Pressburg und Wien die klassischen Sprachen, Philosophie, Theologie und Geschichte studiert und bei dem liberalen Lehrer Löw Schwab das Rabbinerseminar in Prossnitz besucht.
Um an das alte Bildungselend zu erinnern, bezog sich Löw auf einen anonymen Verfasser, dessen Aufruf 1810 in der jüdischen Gemeinde von Pressburg für Unruhe gesorgt hatte: »O ihr Väter! Werfet euern Blick auf die jetzige Generation; sehet, wie notwendig Bildung, Wissenschaft und Kenntnisse in der Welt geworden sind; welchen Werth die Großen der Erde darauf setzen, in ihren Ländern gute Lehranstalten zu haben, worin die Jugend zu nützlichen und brauchbaren Menschen gebildet wird, und welcher Eifer überall herrscht, um zu einer höhern Stufe der Bildung und Erkenntniß zu gelangen. Betrachtet sodann den Zustand eurer eigenen Kinder! Sehet, wie vernachlässigt und verwahrlost sie aufwachsen! Sehet, wie unwissend sie sind! Bedenket, welche üble Folgen dies haben wird! Werden eure Kinder sich nicht selbst dereinst über euch beklagen, wenn sie überall gebildete und kenntnisvolle Menschen sehen werden, und sich durch die Schuld ihrer Eltern unwissend und verwahrlost, verachtet und geringgeschätzt sehen, und allen übrigen Menschen nachstehen müssen? Gewiß ist nicht ein Einziger unter euch, der nicht wünscht, das künftige Wohl seiner Kinder zu begründen. Wodurch aber kann er dies thun? Sind nicht Bildung und Erziehung das höchste Gut, welches Eltern ihren Kindern geben können?«12
Bildung und Erziehung, damit war – und das war neu! – nicht nur religiöse, sondern auch säkulare Bildung gemeint. Joseph II., der habsburgische Reformkaiser, hatte sie seinen jüdischen Untertanen verordnet. Er war kein Antisemit wie seine Mutter Maria Theresia. Mit dem »Toleranzpatent« von 1782 hatte er eine Reihe von Gesetzen erlassen, die erklärtermaßen aus den Juden nützliche Bürger machen sollten. Es war eine durchaus eingeschränkte Toleranz nach dem Motto: Toleriert wird, was Kaiser und Staat für richtig befinden. Die Juden waren nun aufgerufen, die »landesübliche Sprache« zu sprechen, hebräisch nur noch in der Synagoge. Seitdem durften (und mussten) sie ihre Kinder in öffentliche Schulen schicken, sofern sie keine eigenen Schulen hatten; sie Rechnen, Schreiben, Lesen lernen lassen. Seitdem durften sie »bey christlichen Meistern« Handwerksberufe erlernen und sogar das Meisterrecht erwerben. Seitdem standen ihnen Gymnasien und Universitäten offen. Seitdem konnten sie Land pachten, Unternehmen gründen, Ärzte werden. Und einer wie Joseph Manes Österreicher, der als erster Jude in Ungarn sein medizinisches Diplom erhalten hatte, konnte als Leibarzt am Hof in Wien zeigen, wie weise der Kaiser entschieden hatte. Den alten Judenhass, die Vorurteile und den Konkurrenzneid hatte Joseph II. allerdings nicht per Dekret abschaffen können. Seit seinem frühen Tod stagnierte der Reformprozess, und auch die diversen Petitionen, in denen die ungarischen Juden ihre bedrängte Lage vor den Reichstag brachten, halfen nicht wirklich. Immer noch musste die Toleranztaxe gezahlt werden; immer noch durften Juden weder wählen noch sich wählen lassen; immer noch durften sie sich nicht niederlassen, wo sie wollten; immer noch wurden jüdische Lehrbuben schikaniert und jüdischen Handwerksmeistern verboten, einen Auslagekasten aufzustellen oder ihre Werkstatt zur Gasse hin zu öffnen.
Rabbiner Löw war die im unterwürfigen Ton vorgetragenen Klagen leid. Als Volkserzieher suchte er einen anderen Weg und fand in Nagykanizsa die passenden Mitstreiter – solche wie Moritz Horschetzky. Der war nicht nur Arzt, sondern schaffte es auch noch jahrzehntelang, nebenher die Schule zu leiten. Neben Medizin hatte er Mathematik und Philosophie studiert. Als Freizeitvergnügen schrieb er Bücher und übersetzte das Werk seines Lieblingsautors Flavius Josephus ins Deutsche. Viele Jahre später, als Leopold Löw Nagykanizsa längst den Rücken gekehrt hatte, gewann er seinen alten Freund als Mitarbeiter für seine Zeitschrift Ben Chananja. Dr. Horschetzky war für seinen Humor berühmt und als Arzt außerordentlich beliebt. So jedenfalls steht es in dem Nachruf zu lesen, der 1859 in Ben Chananja auf ihn, diese »Zierde des heutigen Israel«, erschien. So sollte ein Mann sein: umfassend gebildet, »auf verschiedenen Gebieten Treffliches und Gemeinnütziges leistend«, anhaltend fleißig, ein liebevoller Familienvater und Gatte.13 Die Armen behandelte er selbstverständlich unentgeltlich. Er konnte es sich allerdings auch leisten, denn er hatte die Tochter des reichen Hirsch Lackenbacher geheiratet. So weit das Ideal. Und dann gab es noch Johann Schnitzlers Vater, der zwar ungebildet, in seinem Handwerk aber fast ein Künstler war.
Wir spazieren durch Eszter Lestáks Heimatstadt, die sie wegen ihrer Stille liebt. Über den Erzsébet tér im Zentrum, der halb so groß ist wie der Markusplatz in Venedig, und völlig menschenleer an diesem hellen Nachmittag im März. Durch die gründerzeitliche Ladenpassage im Dornröschenschlaf. Vorbei an dem palastartigen Gebäude, das einmal das Casino war und in dem ungarische Adelige mit reichen Juden um hohe Summen spielten. Die Architektur erzählt etwas über die Sehnsucht der einstigen Bewohner von Nagykanizsa, sich ein Stück Budapest, Nizza oder Mailand in die Puszta zu holen. Mesdames et Messieurs, machen Sie Ihr Spiel! Der arme Tischler Josef Schnitzler ging wohl eher ins Wirtshaus, um sein Glück herauszufordern, bestellte sich einen Branntwein, und noch einen, und gesellte sich dann zu den Kartenspielern. Aber das Glück wollte sich nicht einstellen, er sah sich als einen ewig zu kurz Gekommenen. Und seine Frau Rosalie? Die Nachwelt hat ihr kein freundliches Zeugnis ausgestellt: hager, hässlich, krankhaft geizig fand Arthur Schnitzler seine Großmutter.14 Und auch andere Familienmitglieder erinnerten sich ihrer als einer widerwärtigen, prätentiösen Frau. Prätentiös, das ist immerhin ein Anhaltspunkt. Eine, die vorgibt, mehr zu sein, als sie ist. Denkbar, dass sie ihrem Sohn die Leiter hingehalten hat: Da oben musst du hinauf!
Johann, der gute Sohn, tat, wie ihm geheißen, ging nach Wien, nutzte die Gunst der Stunde und liebte die Seinen auf Abstand.
Johann Schnitzler ist einer von vielen, die in diesen Jahren in die Kaiserstadt kommen, um ihr Glück zu versuchen. Zwischen 1850 und 1890 steigt die Einwohnerzahl Wiens um fast das Dreifache – von 551 300 auf 1 430 000. Darunter sind viele Juden. Allein der Anteil der jüdischen Bevölkerung wächst in den Jahren zwischen 1857 und 1869 von 6217 auf 40 227. Seit 1848 fallen nach und nach alle Beschränkungen, die Juden daran gehindert haben, sich frei zu bewegen und Grundbesitz zu erwerben. Endlich garantiert das Staatsgrundgesetz vom 21. Dezember 1867 den österreichischen Juden die Gleichheit vor dem Gesetz.
Die Konkurrenz unter den neu Zugezogenen ist groß. Man kann dabei auch unter die Räder geraten. Aber das passiert Johann Schnitzler nicht. Er braucht nur drei Jahre. Drei Jahre nach seinem fulminanten Start hat er sich aus der Masse der namenlosen Habenichtse herausgearbeitet, die in Elendsquartieren wohnen, sich zu mehreren ein Bett teilen und umschichtig schlafen. »Mit-Redakteur: Dr. J. Schnitzler« kann er seit Beginn des Jahres 1861 auf dem Titelblatt der Wiener Medizinal-Halle lesen, jeden Sonntag wieder. Sein Name kommt gleich nach dem des »Eigenthümers und verantwortlichen Redakteurs« Dr. Philipp Markbreiter. Alle können es lesen, die gesamte k.k. Ärzteschaft bis in die abgelegensten Winkel Galiziens, und natürlich auch in Nagykanizsa: Johann Schnitzler, der Sohn des Tischlers, ist Doktor der Medizin. Am 30. Oktober 1860 hat er das erste Rigorosum abgelegt, am 21. Dezember das zweite, und am 29. Dezember ist er zum Dr. med. promoviert worden.
Doktor der Medizin, Absolvent der berühmten und hochangesehenen Wiener Medizinischen Schule, ein sprichwörtlicher Traum jüdischer Mütter für ihre Söhne, seit Joseph Manes Österreicher, der allererste Jude, der in Ungarn sein medizinisches Examen ablegen durfte, es bis zum Leibarzt am kaiserlichen Hofe gebracht hatte. Man erzählt sich schon Witze darüber: Dorli Grün kommt in den Himmel und wird der Mutter Jesu Maria vorgestellt. »Ach«, sagt Dorli, »die Maria, die von den Christen so verehrt wird? Es muss ein schönes Gefühl sein, einen so berühmten Sohn zu haben.« »Ja, schon«, seufzt Maria. »Aber eigentlich haben der Jossele und ich uns immer gewünscht, dass er Arzt wird.«
In den vergangenen drei Jahren ist Johann ziemlich herumgekommen in der Stadt, hat mal in der Leopoldstadt (Nr. 682 nach der damaligen Zählweise), dann in der Inneren Stadt Nr. 505 und schließlich am Alserglacis gewohnt, bei wechselnden Familien. Hat faule und fleißige, begabte und unbegabte Schüler unterrichtet, hat an wechselnden Tischen gegessen, hat Umgangsweisen von Ehepaaren miteinander, von Eltern mit ihren Kindern, von Herrschaft mit den Dienstboten studieren können. Seine Weltklugheit und Menschenkenntnis hat das zweifellos gefördert, aber man gehört eben doch zum Personal und muss sich unterordnen. Also Schluss mit der Hauslehrerexistenz. Junge Talente brauchen Unterstützer und Mentoren. Es ist sicher kein Zufall, dass Johann Schnitzler seinen in der Person des Professor Oppolzer gefunden hat. Der berühmte Oppolzer, aus bescheidenen Verhältnissen stammend und früh zur Waise geworden, hat sich ebenso wie er das Studium als Hauslehrer verdienen müssen. Schnitzler, zu dieser Zeit noch mager wie ein Hering, trägt die Haare lang wie sein Idol. Sein Ziel ist klar: Er möchte eine Stelle als Sekundararzt bei Oppolzer. Schlecht bezahlt, aber zukunftsträchtig. Bevor er jedoch darauf hoffen kann, muss er dessen Station am Universitätsklinikum eine Weile als Aspirant zur Verfügung stehen. Unbezahlt. Aber zukunftsträchtig. So sind die Spielregeln. Er braucht also wieder einmal eine Einkunftsquelle.
Da bietet sich ihm der Redakteursposten bei der Medizinal-Halle. Das Ärzteblatt ist erst im Vorjahr gegründet worden; seine ersten journalistischen Erfahrungen, von denen er 1857 im Brief an die Eltern spricht, muss sich Johann Schnitzler also anderswo verschafft haben. Vielleicht bei der Wiener Medizinischen Wochenschrift? Die erscheint seit 1851 jeden Sonnabend und hat nun unliebsame Konkurrenz bekommen. Ihr Herausgeber, Dr. Leopold Wittelshöfer, kommt – aus Nagykanizsa. Aus irgendwelchen Gründen ist er auf den jungen Kollegen gar nicht gut zu sprechen. In den ersten drei Jahren seiner Wiener Existenz hat sich Johann Schnitzler bereits haltbare Freundschaften und Feindschaften erworben.
Schon Dürer wusste, was Blicke über Menschen verraten. Alles. Wenn man Porträtfotos aus späterer Zeit von Johann Schnitzler betrachtet, sieht man einen Mann mit Augen, die sich zu widersprechen scheinen und den Ausdruck der jeweiligen Gesichtshälfte prägen. Das linke ist weit geöffnet, scheint alles hineinzulassen, was das Leben zu bieten hat. Es sitzt eine Spur höher im Gesicht als das rechte, scheint auf ein fernes Ziel gerichtet, spricht von Ideen und Visionen und dem Mut, sie in Angriff zu nehmen, drückt auch Spottlust und Humor aus. Das andere, vom herabhängenden Lid leicht verschattete Auge weiß von Dingen, die es lieber nicht gesehen hätte. Das rechte, das melancholische, das warnende Auge. Vielleicht ist es dieser Zug an ihm, der ihm das Mitgefühl eingibt und den guten Arzt ausmacht. Aber das linke, das Siegerauge, dominiert das Gesicht und verleiht ihm die Aura von Lebensfreude und Schaffenskraft.
Dem 25-Jährigen fliegen die Sympathien zu. Er hat einen schnellen Verstand und kann sich hemmungslos begeistern. Er ist zu Bewunderung und anhänglicher Liebe fähig, aber auch zu den entgegengesetzten Gefühlen, wenn ihm Ignoranz, geistige Trägheit oder Böswilligkeit begegnen. Ein Kämpfer, der nicht daran zweifelt, dass er sich auf der richtigen Seite befindet: des Lichts, der Aufklärung und des Humanismus gegen die finsteren Mächte der Dummheit und der Reaktion. Als Redakteur der Medizinal-Halle kann er schreiben, was er denkt, denn er genießt das Vertrauen seines Chefs.
Das Jahr 1861 fängt gut an für den Berichterstatter. Einer der ersten Termine im Jänner, die Johann Schnitzler wahrzunehmen hat, ist zufälligerweise die Amtseinführung seines verehrten Professors Oppolzer als Rektor der Universität. Und der trifft mit seiner Antrittsrede – mitten in Johanns Herz: »Am 16. d. M. Abends 6 Uhr fand die Installation des Prof. Oppolzer als Rector magnificus der Universität statt. Der Festsaal der k.k. Akademie der Wissenschaften war in allen seinen Räumen gedrängt voll. Studirende und Doktoren sämmtlicher Fakultäten waren in ungewöhnlicher Zahl versammelt, wenngleich selbstverständlich die medizinische am stärksten vertreten war. War es doch der geliebte klinische Lehrer, dem die Studirenden; der allgemein geachtete und verehrte Kollege, dem die Aerzte; der berühmte Gelehrte, dem die Mitglieder der übrigen Fakultäten an diesem Tage, wo ihm die höchste Ehre, die höchste Würde, zu Theil wurde, ihre Huldigung darbringen wollten. Selten dürfte noch die Wahl des Professoren-Kollegiums so allgemeine, so ungetheilte Anerkennung gefunden haben. Das Thema der mit enthusiastischem Beifall aufgenommenen Festrede bildete die Lehr- und Lernfreiheit, deren günstigen Einfluss auf die Wissenschaft, das Universitätsleben, die Wohlfahrt der Gesellschaft der Redner unwiderleglich nachzuweisen, und die Einwendungen gegen dieselbe zu entkräften wusste. Die Rede wurde durch öfteren Applaus unterbrochen, die Stelle aber, wo er sich an die Studentenschaft wendet, ihr Eintracht empfiehlt und ihnen zuruft: ›SIE SIND JA GLEICHBERECHTIGTE AKADEMISCHE BÜRGER, WEDER NATIONALITÄT NOCH GLAUBENSBEKENNTNIS DARF EINEN UNTERSCHIED UNTER IHNEN FINDEN‹ wurde mit stürmischem, nicht endenwollenden Beifallruf aufgenommen; fühlte doch jeder die Bedeutung dieser Worte, und, wer den Redner kannte, der wusste auch – dass dies die Sprache des Herzens war, umso leichter widerhallte sie in den Herzen der Jugend.«15
Dies ist ein magischer Moment. Für einen Augenblick sieht es so aus, als könnte nun doch noch Wirklichkeit werden, was die Revolutionäre von 1848 sich erhofft hatten: eine geeinte Gesellschaft. Der Paragraph 17 der Verfassung vom 25. April 1848 – »Allen Staatsbürgern ist die volle Glaubens- und Gewissensfreiheit sowie die persönliche Freiheit gewährleistet.« – ist nach dem Rückfall in spätabsolutistische Regierungspraxis ein uneingelöstes Projekt. Die volle rechtliche Gleichstellung der Juden steht immer noch aus. Aber es kann nicht mehr lange dauern. »Judenfresser« wie der Herausgeber der Wiener Kirchenzeitung Sebastian Brunner haben gerade keine gute Presse. Dieser hatte den liberalen Politiker Ignaz Kuranda verklagt, weil der die antisemitische Tendenz der Kirchenzeitung kritisiert hatte. In dem darauffolgenden Verleumdungsprozess hat Kuranda Recht bekommen. Der Fall hat großes Aufsehen erregt, die Prozessakten sind sogar ins Französische und Italienische übersetzt worden. Antisemitismus darf man jetzt beim Namen nennen. Für die klerikalen Kreise war das die große Schlappe des Jahres 1860.
Es ist die Stunde der Optimisten – und der liberalen Pragmatiker wie des jüdischen Rechtsanwalts und Publizisten Heinrich Jaques, dessen Denkschrift über die Stellung der Juden in Österreich 1859 erschienen war und »innerhalb weniger Wochen vier Auflagen« erlebt hatte.16 Jaques hatte argumentiert: »Österreich läßt einen namhaften Theil seines materiellen und seines geistigen National-Capitals unbenützt und brach liegen, wenn es fortfährt, seine israelitische Einwohnerschaft von Freizügigkeit und Grundbesitz, von bürgerlichen und politischen Ämtern auszuschließen (…).«17 Die Einigkeit wird kommen, das fühlen alle an diesem Tag im Jänner 1861, als der Freidenker und Humanist Oppolzer seine Antrittsrede hält und die Zylinder der Studenten zum Zeichen des Einverständnisses in die Luft fliegen.
Die feierliche Stimmung, in der Johann Schnitzler sich dieser Tage befindet, hat aber auch noch einen anderen Grund: ein süßes Geheimnis, das er bald zu lüften gedenkt. Sie heißt Louise und ist zwanzig Jahre alt. Die »Bureauadresse« der Wiener Medizinal-Zeitung lautet: Jägerzeile Nr. 511, das liegt genau vis-à-vis dem Carltheater-Gebäude in der Leopoldstadt. Über dem Theater wohnt Dr. Markbreiter mit seiner Frau Amalia und den acht Kindern. Louise ist die Älteste. Wenn Schnitzler mit seinen Druckfahnen vor das Haus tritt, steht sie vielleicht am Fenster. Sie kann ja immer behaupten, dass es der Nestroy war, nach dem sie Ausschau gehalten hat, der Komponist Franz von Suppé oder sonst eine der Bühnengrößen, die im Carltheater ein- und ausgehen, und vergibt sich damit nichts. Überhaupt haben die Markbreiter-Kinder einen Logenplatz. Die Jägerzeile verbindet den Prater mit der Inneren Stadt. Sie können beobachten, wie in »Equipagen und Fiakern die große, die elegante, die leichtlebige Welt von den Pferderennen oder von Blumenfesten aus der ›Hauptallee‹ zurückgesaust« kommt.18 Die Leopoldstadt ist der Bezirk, in dem die meisten Juden wohnen. Aber dies ist der vornehme und angesehene Teil der Leopoldstadt, weit weg von den ärmlichen Quartieren, in denen sich die Neuankömmlinge aus dem Osten den knappen Raum teilen müssen. Weder Philipp Markbreiter noch seine Frau Amalia sind in Wien geboren, nicht einmal Louise. Wie ihre Mutter ist sie in Kőszeg zur Welt gekommen, zu Deutsch: Güns. Und doch gehören sie schon zu den Arrivierten. So arriviert sind sie, dass bereits die nächste Generation an lange, tiefe Wiener Wurzeln glauben wird.
»Meine Großmutter«, schreibt Arthur Schnitzler über Amalia Markbreiter, »entstammte der ansehnlichen Familie Schey, die sich bis auf einen Ahnen namens Israel zurückverfolgen läßt, dessen Sohn Lipmann im Jahre 1776 starb. Dieses Lipmann Urenkel, Markus, verehelicht mit Sossel Strauß, war mein Urgroßvater, und seiner vermag ich mich noch heute als eines gelähmten, im Krankenstuhl sitzenden, auch der Sprache nicht mehr mächtigen Greises deutlich zu entsinnen. Er starb 1869, sein Bruder Josef war ihm 1849 vorangegangen, der jüngere, Philipp, als der erste baronisierte Schey, lebte bis zum Jahre 1880. (…) Die Wohlhabenheit der Familie Schey reicht weit zurück; im Beginn des vorigen (19.) Jahrhunderts wächst sie durch Tätigkeit und höchst geschickte Geldgebarung im Verkehr mit verschuldeten ungarischen Adeligen zu Reichtum an; eine teilweise Übersiedelung in die Großstadt erfolgt, das Geschlecht verzweigt sich weiter, verschwägert sich vielfach in oft vorteilhafter Weise; Bankiers, Offiziere, Gelehrte, Landwirte gehen aus ihm hervor; auch an Originalen fehlt es nicht, in denen der Typus des jüdischen Patriarchen und des Aristokraten, des Agenten und des Kavaliers sich eigenartig vermischen; manche der jüngeren und jüngsten Sprosse unterscheiden sich von den Abkömmlingen altadeliger Geschlechter höchstens durch ein Mehr an Witz und die rasseneigentümliche Neigung zur Selbstironie; auch unter den Frauen und Mädchen (…).«19 In diese illustre Familie hat Philipp Markbreiter eingeheiratet. Auch er ist im westlichen Ungarn knapp hinter der Grenze geboren, in dem Ort Ragendorf, wo die mütterliche Familie ansässig war. Philipps Großvater Moses Markbreiter hatte als Juwelenhändler und Juwelier um 1710 die Toleranz für Wien erhalten. Diese ging dann auf den Sohn Adam über, während Philipps Vater Joseph, ebenfalls Juwelier von Beruf, als Geschäftsführer des Bruders in Wien nur »geduldet« wurde. Er hatte mit seiner Frau Katharina Strasser zehn Kinder und hinterließ bei seinem Tod 1829 nichts als Schulden. Sein Sohn Philipp hat Medizin und Philologie studiert und entspricht damit dem zeitgenössischen Ideal eines umfassend gebildeten Mannes. In Wien hat er bald eine gutgehende Arztpraxis. Leider ist die finanzielle Ausstattung seiner Frau nicht ganz so wie erhofft, hat sich doch sein Schwager Anton Schey den größten Teil des väterlichen Vermögens unter den Nagel gerissen, was ihm seine Schwestern nachhaltig übel nehmen.20 Etwas hat dieser Onkel Toni, Jahrgang 1818, den nachfolgenden Generationen allerdings vermacht, und das reicht ohne Unterbrechung bis zum heutigen Tag: Fast zweihundert Jahre später ist die Passion für das Pfeiferauchen ein Erbteil der Familie.
Zu ihnen wird Johann Schnitzler nun bald gehören, zu den Arrivierten. In die Mitte der bürgerlichen Gesellschaft wird ihn die Heirat versetzen, die er zu machen gedenkt. Heißt das, er schließt eine Vernunftehe? Im zweiten erhaltenen Brief an die Eltern vom 10. Februar 1861 ist vom Gegenteil die Rede. »Geliebte Eltern«, beginnt er und teilt dann ohne Umschweife mit: »Ich werde mich in den nächsten Tagen mit einem Mädchen, das ich liebe, und von dessen Liebe ich ebenfalls überzeugt zu sein glaube, verloben.« In der Formulierung schwingt, was Louises Gefühle angeht, noch ein Hauch von Vorsicht mit. Bei den Frauen weiß man ja nie. An der Solidität der eigenen Gefühle lässt er aber keine Zweifel aufkommen. »Meine Liebe ist keine plötzlich auftauchende Leidenschaft, die gewöhnlich bald erlischt, (…) meine Liebe entwickelte sich allmälig.« Und wie ist sie nun, die Auserwählte? »Louisens Liebenswürdigkeit und Anmuth fesselten mich, ihr Geist wußte meine Bewunderung zu erringen; und ich gelangte bald zu der Überzeugung, daß das Mädchen geschaffen sei, einen Mann auf die Dauer glücklich zu machen.«21