Die Schönheit unserer Welt entdecken - Anselm Grün - E-Book

Die Schönheit unserer Welt entdecken E-Book

Anselm Grün

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Beschreibung

Grün inspiriert dazu, mit neuen Augen auf die Schönheit unserer Welt zu schauen, offen, dankbar und staunend. Wenn wir das tun, werden wir überall, in den Menschen, in der Natur und auch in uns selbst eine tiefe Freude entdecken. In dieser Schöpfungsfreude erleben wir den Zusammenhang mit dem Ganzen der Wirklichkeit, erfahren Verbundenheit und Vertrauen, entdecken eine tiefere Dimension unseres Daseins. Anselm Grün bringt alte und neue Texte auf faszinierende Weise zum Leuchten: Franziskus, Hildegard von Bingen, Gottfried Keller, Friedrich Hölderlin, Christine Busta, Armin Juhre, Albrecht Goes, Johannes Poethen, Friederike Mayröcker u.v.a.

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Seitenzahl: 112

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Ein einfach-leben-Buch

Herausgegeben von Rudolf Walter

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2023

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Umschlaggestaltung: Gestaltungssaal, Sabine Hanel

Umschlagmotiv und Illustrationen im Innenteil:

© anitapol - shutterstock,

ArtKio - shutterstock, Irtsya - shutterstock

Innenlayout und Satz: Gestaltungssaal, Sabine Hanel

Herstellung: GGP Media GmbH, Pößneck

Konvertierung: Newgen Publishing Europe

ISBN: 978-3-451-00885-6

ISBN E-Book (epub): 978-3-451-82965-9

Inhalt

Mit neuen Augen sehen.Einleitung

Präludium

1. Kapitel: Wem gehört die Erde?

2. Kapitel: Morgendlicher Lobgesang

3. Kapitel: Elementare Freude

4. Kapitel: Durch das ganze Jahr

5. Kapitel: Wenn der Tag und das Leben sich neigt

Postludium

Auf die Stimme der Schöpfung hören.Nachwort

Zu den Autoren

Quellenhinweise

Mit neuen Augen sehen – Einleitung

Der Klimawandel macht sich in den letzten Jahren schmerzlich bemerkbar: Überschwemmungen, Waldbrände, Wasserknappheit, übergroße Hitze, die nicht nur den Menschen, sondern auch den Fischen und den Pflanzen zu schaffen macht, ja die ganze Vielfalt des Lebens auf unserem Planeten bedroht. Vernünftige Gründe allein überzeugen offensichtlich die Menschen nicht, dass sie die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um dieser Gefahr zu begegnen und die Erwärmung der Erde zu stoppen. Da braucht es eine tiefer begründete, eine spirituelle Beziehung zur Schöpfung. Ich bin überzeugt: Wenn wir die Schönheit der Natur wahrnehmen und in der Schönheit die Spur Gottes erkennen, dann werden wir auch achtsamer mit der Schöpfung umgehen.

Einen Weg zum spirituellen Umgang mit der Schöpfung weist uns die Dichtung. Dichter hatten seit jeher die Aufgabe, den Sinn der Menschen, das heißt ihre Wahrnehmung und ihre Sinne zu schärfen, damit sie in der Lage sind, die Welt mit neuen Augen anzuschauen: nicht mit einem Blick, der besitzen und beherrschen will, sondern mit Augen, die bestaunen und bewundern, die immer wieder das Neue und Schöne in unserer Welt wahrnehmen.

Das Schöne braucht Schonung, wenn es bewahrt werden soll. Das Wort „schön“ hängt mit dem Wort „schonen“ zusammen. Die Dichtung beschreibt die Schönheit der Natur, die uns an Leib und Seele wohltut: die Schönheit eines Morgens und eines Abends, die Schönheit der Sonne und des Mondes, die Schönheit der Sterne, die in der Nacht leuchten, die Schönheit der Felder und Wälder oder die Schönheit der Berge.

Die Dichter sprechen in ihren Schöpfungsgedichten selten ausdrücklich von Gott. Dennoch singen sie mit ihrem Lied der Erde das Lob Gottes. So hat es schon der Psalm 104 getan. Er beschreibt einfach die Schönheit der Schöpfung. Er erzählt von den Quellen, die allen Tieren des Feldes Trank spenden und aus denen die Wildesel ihren Durst stillen (vgl. Ps 104,11). Doch dem Psalmisten ist klar, dass Gott selber es ist, der die Quellen hervorsprudeln lässt. Gott selber lässt das Gras wachsen für das Vieh und Pflanzen für den Menschen, „die er anbaut, damit er Brot gewinnt von der Erde und Wein, der das Herz des Menschen erfreut“ (Ps 104,14f). Dichter können so von der Welt sprechen, dass ihre Sprache offen ist für das Geheimnis der Erde: für den Schöpfer, der all das Wunderbare geschaffen hat. Sie beschreiben die Schönheit der Erde und zeigen, dass darin die Urschönheit Gottes aufleuchtet. So kann die Erde und alles, was sie in der Natur beobachten, zum Symbol für Gott werden, der für die Menschen sorgt und der sie erfreut mit der Schönheit der Natur.

Die Dichter haben aber auch ein Auge für die Gefährdung dieser Schönheit, und ihr Lied der Erde gibt auch dem Schmerz darüber einen Ausdruck.

Für Martin Heidegger ist die Sprache immer auch Gesang. So singen die Dichter das Lied der Erde. Heidegger zitiert die Verse aus der Hymne „Friedensfeier“ von Friedrich Hölderlin in der folgenden Fassung:

„Viel hat von Morgen an,

Seit ein Gespräch wir sind und hören voneinander,

Erfahren der Mensch; bald sind aber Gesang (wir).“

Und er interpretiert diese Verse so: „Der Gesang ist die Feier der Ankunft der Götter – in welcher Ankunft alles still wird. Der Gesang ist nicht der Gegensatz zum Gespräch, sondern die innigste Verwandtschaft mit ihm; denn auch der Gesang ist Sprache“ (Martin Heidegger, Unterwegs zur Sprache, 182).

So können wir die Schöpfungsgedichte verstehen als Lieder der Erde, die die Dichter singen. Sie lassen die Erde selbst erklingen. Mit ihren Gedichten entsprechen sie einer Spiritualität, wie sie die Traditionen indigener Völker, etwa der Indianer in Nordamerika, vertreten haben. Es ist eine Spiritualität, die nicht von Gott als einem Gegenüber spricht, sondern von der Natur als einer Wirklichkeit, die ganz und gar von Gottes Geist durchdrungen ist. Indem diese Texte also angemessen von der Erde und ihren Wundern sprechen, sprechen sie auch von Gott; in ihrer Sprache wird Gott selbst anwesend.

Wir haben für dieses Buch Schöpfungsgedichte ausgesucht, die uns einen solchen betrachtenden und nicht vereinnahmenden Blick auf die Natur und das Geheimnis der Schöpfung lehren wollen. In der spirituellen Tradition sprechen wir von der „Mutter Erde“. Es ist daher nicht verwunderlich, dass in der katholischen Spiritualität auch Maria oft mit der Natur zusammengesehen wird. Diese bildhafte Rede verweist uns auf die Mütterlichkeit der Erde, die uns trägt und bedingungslos annimmt, die uns nährt und hegt und pflegt. Auch die Sprache selbst hat etwas Mütterliches. Nicht umsonst sprechen wir von der „Muttersprache“. Die Erde ist unsere Heimat, genauso wie die Sprache für uns Heimat bedeutet, wie Hilde Domin immer wieder betont hat: „Die Sprache, in der ich die Welt gewissenhaft benenne, gewissenhaft mitteilbar mache (und auch so mitteile, dass ich gehört werde), die kann nicht wegnehmbar sein, sie ist die äußerste Zuflucht. Dieses Zuhause verteidige ich bis zu meinem letzten Atemzug. Wie früher ein Bauer seine Scholle.“ Ähnlich sieht es Peter Handke. Er ist überzeugt: indem er über einen Ort schreibt, macht er ihn betretbar: „Man erlebt ein Beheimaten, oder man fühlt sich beheimatet.“

Die so verstandene Sprache der Dichter will also die Schöpfung nicht besitzen, sondern sie darstellen und sie so zur Sprache kommen lassen, dass die Dinge zu leuchten beginnen. Wenn die Natur uns in diesen Gedichten aufleuchtet, dann werden wir auch behutsam mit ihr umgehen. Aber die Dichter beschreiben nicht nur die Schönheit der Natur. In manchen Gedichten beklagen sie nicht nur den Verfall der Sprache, sondern auch die Ausbeutung der Natur. Sie wollen den Leser aufwecken, ihn schockieren, damit er sich nicht zufrieden gibt mit der Beziehung, die er zur Natur hat. Sie wollen ihn zur Verantwortung ziehen, damit er verantwortlich mit der Schöpfung umgeht.

Dichter sind keine Moralisten, die ethische Gebote oder Imperative verkünden oder bestimmte Handlungsprinzipien einfordern. Doch sie wollen mit der Sprache auch unser Empfinden schärfen, damit wir nicht emotionslos an der Natur vorbeigehen oder sie nur beherrschen wollen. Sie wollen uns zum Mitgefühl anregen. Wer mit der Natur fühlt, der wird auch behutsam und achtsam mit ihr umgehen. So können gerade die hier vorgestellten Texte uns einladen, die Natur bewusst wahrzunehmen als das, was sie ist: Schöpfung Gottes, Nährboden für unseren Leib und unsere Seele, Lehrmeisterin, wie Leben gelingt, und heiliger Boden, den wir heiligen sollen. Heilig ist das, was der Welt und ihrer Herrschaft entzogen ist. Die Dichter laden uns ein, in diesem Sinn die Natur heilig zu halten, anstatt sie zu beherrschen, sie zu hegen und zu pflegen als etwas Kostbares, das uns Gott anvertraut hat.

Wundern, Staunen, Ehrfurcht

Ein Mensch, der sich nicht wundern kann,

der nicht ständig staunt

oder nicht ständig anbetet –

und wäre er auch Präsident zahlreicher

königlicher Akademien

und hätte er die großen Entdeckungen aller

Laboratorien

und Observatorien in seinem Kopfe gespeichert –

ist nichts anderes als ein paar Brillengläser,

hinter denen sich keine Augen befinden.

THOMAS CARLYLE (1795–1881)

Thomas Carlyle, der schottische Essayist aus der Epoche der Romantik, verlangt vom Menschen drei Haltungen, damit er sich wirklich als Mensch verstehen kann: sich wundern, staunen und anbeten. Die Schöpfung zeigt uns so viele Wunder der Schönheit. Doch wir nehmen sie für selbstverständlich.

Da braucht es die Haltung, sich wundern können über die vielen Wunder, die Gott uns in der Natur immer wieder erleben lässt: das Wunder der Schönheit einer Blume, das Wunder der Fülle und zugleich Kraft eines Wasserfalls, das Wunder eines hohen Berges mit seiner einmaligen Gestalt, die sich jetzt schon über Jahrtausende den Menschen zeigt.

Die zweite Haltung ist das Staunen. Das Wort „staunen“ hängt mit „stauen“ zusammen. Stauen bedeutet: den Fluss hemmen, stehen bleiben. Staunen kann man nicht im Vorbeigehen. Da muss man stehen bleiben, still werden, um das zu bestaunen, was sich uns in der Natur anbietet. Wir staunen über den Fleiß der Ameise, über das Zusammenwirken der Bienen, aber auch über die Kraft eines Stieres.

Die dritte Haltung ist die Anbetung. Das ist ein religiöser Ausdruck. Wir beten Gott an, der so groß und allmächtig ist, vor dem wir anbetend schweigen, weil uns die Worte fehlen, das Unbegreifliche zu beschreiben. Anbeten heißt: ganz und gar auf Gott schauen und sich selbst dabei vergessen.

Wenn wir aufhören, um uns selbst zu kreisen, ständig unsere Befindlichkeit zu beobachten, sondern uns vergessen, dann erleben wir uns wahrhaft frei. Für Georges Bernanos besteht die Gnade aller Gnaden darin, sich selbst vergessen zu können. Das Paradox besteht darin, dass wir gerade dann, wenn wir uns selbst vergessen, ganz wir selbst sind. In der achtsamen, staunenden Begegnung mit der unbegreiflichen Dimension der Schöpfung kann dies gelingen.

Sinnvoll und schön

Gott,

du nimmst den Zeichenstift – und die Linien

tanzen.

Du spielst die Flöte – und die Töne schimmern.

Du bewegst den Pinsel – und die Farben singen.

So wird alles sinnvoll und schön jenseits

der Zeit, in dem Raum, der du bist.

Wie könnte ich irgendetwas zurückhalten

von dir?

DAG HAMMARSKJÖLD (1905–1961)

Dag Hammarskjöld war als Generalsekretär der Vereinten Nationen ein überragender Diplomat, und ein integrer Friedensbringer. Aber neben seinem politischen Handeln erkannten viele nach seinem gewaltsamen und bis heute ungeklärten Tod, dass er ein Mystiker war, der sich auch für seine persönliche Lebensgestaltung zeitlebens mit den Traditionen der Religionen auseinandersetzte. In einer oft aphoristisch verdichteten Prosa hat er in den Aufzeichnungen „Zeichen am Weg“, die 1963 veröffentlicht wurden, sein Leben als Ort der Verantwortung verstanden. Sein ganzes Streben war, sich Gott zu öffnen und sich von Gottes Geist durchdringen zu lassen. In den Zeilen über Gottes Zeichenstift wird spürbar, dass er die Welt mit anderen Augen angeschaut hat. Hinter allen schönen Farben der Natur sah er Gott, der diese Farben geschaffen hat. Hinter all den wunderbaren Tönen ist es Gott, der das Instrument spielt. Die Schöpfung ist für ihn von Gott erfüllt. Aber zugleich verweist sie ihn auf den Raum jenseits aller Zeit, auf den Raum, in den uns Gott im Tod einlädt. In diesem Raum werden wir die Schönheit der Farben und der Töne auf neue Weise erleben und in dieser Erfahrung auch unser eigenes Dasein als sinnvoll erfahren.

Wem gehört die Erde?

Wem gehört die Erde?

Wem gehören Erz und Öl?

Wer kettet die Menschen

an schwere Waffen

und handelt behende

das Gleichgewicht aus?

Die Händler haben

das Sagen. Warum?

Heilig ist ihnen nur ihre Habe,

die Macht und der Friede,

solange er nützt.

In Banken und Börsen

hört man sie beten,

in Angstträumen sprechen

die Glücksvermehrungslitanei,

das Mater Unser der Ökonomie.

Der im Himmel wohnt,

kann wunderbar spotten,

der lacht, wenn er will,

diese Weltherren kaputt.

Er weckt zum Leben, wen er will.

Er gibt zum Leben, was er will.

Die sich bergen an ihm,

können glücklich sein.

ARNIM JUHRE (1925–2015)

Für den Dichter und Verfasser geistlicher Lieder Arnim Juhre war die Bewahrung der Schöpfung ein großes Anliegen. In vielen seiner Gedichte kommt er auf dieses Thema zu sprechen. So auch in dem Gedicht, das eine ganz grundlegende Frage stellt: „Wem gehört die Erde?“ Der Autor kennt die Bedrohung unserer Welt, er weiß um die Erkenntnisse der Ökologie und ist doch ganz in der christlichen Tradition beheimatet. So erkennen wir auch in diesem Gedicht Anklänge an die Sprache der Psalmen. Schon die erste Frage erinnert an Psalm 24,1: „Dem Herrn gehört die Erde und was sie erfüllt.“ Nachdem Juhre die Herrschaft der Händler beschrieben hat, die die Erde ausbeuten und nur auf ökonomischen Gewinn aus sind, und von ihrer „Glücksvermehrungslitanei“ als ihrer einzigen Form zu beten gesprochen hat, spricht er vom Lachen und Spotten Gottes über diese Menschen, die meinen, sie hätten alles in der Hand. Hier steht Psalm 2,4 im Hintergrund: „Doch er, der im Himmel thront, lacht, der Herr verspottet sie.“ Und dann schildert er Gott als den, dem die Erde gehört. Gott weckt zum Leben, wen er will. Das Leben ist in der Hand Gottes und nicht in der Hand der Händler. Juhre schließt mit dem trostvollen Wort: „Die sich bergen bei ihm, können glücklich sein.“

Arnim Juhre hat viele seiner Gedichte auch für den Gemeindegesang geschrieben. Aber seine Lieder sind keine Triumphlieder, sondern Lieder des Suchens inmitten einer Welt, in der Gott immer weniger vorkommt. So mahnt er die, die seine Lieder im Gottesdienst singen; „Sing nicht so schnell dein Glaubenslied. Sing nicht so laut, so grell.“ Wir sollen in aller Ehrlichkeit und Offenheit die Welt anschauen, so wie sie ist. Und wir dürfen uns unsere eigenen Zweifel eingestehen. Erst dann können wir unsere Glaubenslieder singen und unser Vertrauen ausdrücken, dass wir angesichts dieser von bloß ökonomischen Maßstäben beherrschten Welt bei Gott geborgen sind. Und dann geben das Gedicht und das Lied uns die Hoffnung: dass diese Welt auch für künftige Generationen Heimat sein wird.

Wir stehn auf dünner Erdenhaut

Wer hat den Mond gemacht, das Jahr?

Wer gab der Sonne Glut und Licht?

Wer träufte Wasser auf den Staub?

Wer hält die Welt im Gleichgewicht?

Wir stehn auf dünner Erdenhaut

und gucken in die Luft.