Die Schriften über den Heiligen Martinus - Sulpicius Severus - E-Book

Die Schriften über den Heiligen Martinus E-Book

Sulpicius Severus

0,0
6,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Sulpicius Severus war ein kirchlicher Schreiber, geboren von adligen Eltern in Aquitanien um 360; gestorben um 420-25. Die spärlichen Informationen, die wir über sein Leben besitzen, stammen hauptsächlich aus den Schriften seiner Freunde Paulinus von Nola und Gennadius. Er genoss eine ausgezeichnete Ausbildung, studierte Rechtswissenschaften und war als wortgewandter Jurist bekannt. Im Mittelalter sehr populär waren seine "Schriften über den Heiligen Martinus." Dieses Werk trug viel zu dem großen Ansehen bei, das dieser wundertätige Heilige während dieses gesamten Zeitalters genoss. Das Buch ist eigentlich keine Biographie, sondern ein Katalog von Wundern, die in der ganzen Einfachheit des absoluten Glaubens erzählt werden. Die Fähigkeit, Wunder zu vollbringen, steht in direktem Verhältnis zur Heiligkeit und wird von Severus lediglich als Beweis für die Heiligkeit gewertet, die seiner Überzeugung nach nur durch ein Leben in Abgeschiedenheit von der Welt erreicht werden kann.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 195

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



 

 

 

Die Schriften über den Heiligen Martinus

 

SULPICIUS SEVERUS

 

DIE SCHRIFTEN DER KIRCHENVÄTER

 

 

 

 

 

 

Die Schriften über den Heiligen Martinus, S. Severus

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783849660871

 

Cover Design: Basierend auf einem Werk von Andreas F. Borchert, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=35892522

 

Der Text dieses Werkes wurde der "Bibliothek der Kirchenväter" entnommen, einem Projekt der Universität Fribourg/CH, die diese gemeinfreien Texte der Allgemeinheit zur Verfügung stellt. Die Bibliothek ist zu finden unter http://www.unifr.ch/bkv/index.htm.

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

 

INHALT:

Leben des heiligen Bekennerbischofs Martinus von Tours. 2

Drei Dialoge (Dialogi; über den hl. Martinus)33

1. Dialog. 33

2. Dialog. 57

3. Dialog. 72

Drei Briefe (Epistulae; über den hl. Martinus)96

Erster Brief. An Eusebius.96

Zweiter Brief. An den Diakon Aurelius.1198

Dritter Brief.101

 

 

Die Schriften über den Heiligen Martinus

 

Bibliographische Angaben:

 

Titel Version: Leben des heiligen Bekennerbischofs Martinus von Tours (BKV) Sprache: deutsch Bibliographie: Leben des hl. Bekennerbischofs Martinus von Tours (Vita sancti Martini) In: Des Sulpicius Severus Schriften über den hl. Martinus. Des heiligen Vinzenz von Lerin Commonitorium. Des heiligen Benediktus Mönchsregel. (Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 20) Kempten; München : J. Kösel, 1914.

 

Titel Version: Drei Dialoge; über den hl. Martinus (BKV) Sprache: deutsch Bibliographie: Drei Dialoge (Dialogi; über den hl. Martinus) In: Des Sulpicius Severus Schriften über den hl. Martinus. Des heiligen Vinzenz von Lerin Commonitorium. Des heiligen Benediktus Mönchsregel. (Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 20) Kempten; München : J. Kösel, 1914.

 

Titel Version: Drei Briefe; über den hl. Martinus (BKV) Sprache: deutsch Bibliographie: Drei Briefe (Epistulae; über den hl. Martinus) In: Des Sulpicius Severus Schriften über den hl. Martinus. Des heiligen Vinzenz von Lerin Commonitorium. Des heiligen Benediktus Mönchsregel. (Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 20) Kempten; München : J. Kösel, 1914.

 

 

 

 

Leben des heiligen Bekennerbischofs Martinus von Tours (Vita sancti Martini)

 

Prolog

An Desiderius, meinen geliebten Bruder, Severus.

Liebtrauter Bruder, ich hatte mir allerdings vorgenommen, mein Büchlein über das Leben des hl. Martinus in der ersten Niederschrift zu belassen und innerhalb der vier Wände meines Hauses zu behalten. Bei meinem etwas empfindsamen Gemüte wollte ich dem Urteile der Menschen aus dem Wege gehen, wollte nicht, wie ich es befürchten mußte, durch meine weniger feine Ausdrucksweise das Mißbehagen der Leser wachrufen und mir von allen berechtigten Tadel zuziehen, daß ich mich allzu kühn an einen Stoff gemacht habe, an den sich eigentlich nur gewandte Schriftsteller wagen dürften. Allein ich konnte deiner so oft wiederholten Bitte nicht widerstehen. Welches Opfer würde ich nicht der Liebe zu dir bringen, selbst auf die Gefahr hin, meiner Ehre nahezutreten? Ich liefere dir nun das Büchlein aus in der festen Zuversicht, du werdest keinem Menschen etwas davon verlauten lassen. So hast du es ja feierlich versprochen. Allein ich fürchte, du möchtest dem Buche zur Türe werden, und ist es einmal draußen, so kann man es nicht mehr zurückrufen1 . Kommt es so und solltest du sehen, daß das Buch manche Leser findet, so tu mir den Gefallen und bitte sie, sie möchten mehr auf den Inhalt als auf die Form achten; sie möchten es mit Gleichmut über sich ergehen lassen, wenn etwa ein fehlerhafter Ausdruck an ihr Ohr dringen sollte. Das Reich Gottes besteht ja doch nicht in schön gefeilter Rede2 , sondern im Glauben. Sie sollten auch bedenken, daß schlichte Fischer3 der Welt das Evangelium verkündet haben, nicht geschulte Redner, wenngleich es Gott, wäre es von Nutzen gewesen, auch so hätte fügen können. Ich hielt es eben für unrecht, die Tugenden eines solchen Mannes im verborgenen zu lassen. Deshalb war ich mir, sobald ich mich zum Schreiben entschlossen hatte4 , darüber klar, selbst vor Verstößen gegen die Grammatik dürfe ich nicht zurückschrecken. Ich habe mir ja in dieser Kunst nie besondere Fertigkeit erworben. Was ich mir aber vielleicht durch derlei Studien dereinst notdürftig angeeignet, das habe ich während so langer Zeit aus Mangel an Übung gänzlich verlernt. Damit uns jedoch eine so lästige Rechtfertigung erspart bleibe, soll das Büchlein, wenn du damit einverstanden bist, ohne Namen des Verfassers erscheinen. Um das zu ermöglichen, tilge den Titel an der Spitze. Das Titelblatt soll stumm bleiben, oder doch nur vom Inhalte — das genügt —, nicht aber vom Verfasser reden.

 

1.

Manche5 , die ganz in Wissenschaft und eitlem Weltruhm aufgingen, vermeinten dadurch, daß sie das Leben berühmter Männer mit ihrer Feder verherrlichten, unvergängliches Andenken für ihren Namen zu erringen. Dieses Bestreben brachte ihnen aber die erwarteten Lorbeeren nicht dauernd, sondern nur für kurze Zeit. Allerdings sorgten sie so, wenn auch nicht bleibend, für ihren Nachruhm und riefen damit auch bei den Lesern durch das Beispiel der großen Männer nicht geringen Wetteifer wach. Indes diese ihre geschäftige Sorge trug nichts ein für das selige Leben in der Ewigkeit. Was nützte ihnen denn auch der Ruhm, den sie mit ihren Schriften ernteten, da er ja mit der Welt vergehen wird? Was hat die Nachwelt davon, wenn sie von den Kämpfen Hektors und den philosophischen Disputationen des Sokrates liest? Ist es doch nicht bloß Torheit, sie nachzuahmen, sondern schon ein Zeichen von Unverstand, ihre entschiedene Bekämpfung zu unterlassen. Sie messen ja das menschliche Leben nur mit dem Maßstab der Gegenwart, setzen ihre Hoffnung auf Trugbilder und stürzen ihre Seele ins Grab. Sie vermeinten sich bloß im Andenken der Menschen verewigen zu müssen, und doch ist es Aufgabe des Menschen, eher ewiges Leben als ewiges Andenken zu erstreben, nicht durch Schriftstellern oder durch Heldenkämpfe oder Philosophenunterredungen, sondern durch ein frommes, heiliges, gottgefälliges Leben. Dieser menschliche Irrtum hat, einmal zu Papier gekommen, mächtig um sich gegriffen, und jetzt gibt es gar viele leidenschaftliche Anhänger der eitlen Philosophie oder dieses törichten Heldentums. Darum glaube ich ein lohnendes Werk6 in Angriff zu nehmen, wenn ich das Leben des gar heiligen Mannes beschreibe, das andern bald zum Vorbild dienen soll. Die Leser sollen dadurch zu weiser Lebensführung, zu himmlischem Kriegsdienst und göttlichem Tugendstreben kräftig angespornt werden. Hierbei rechne ich auch auf meinen eigenen Vorteil7 ; ich erwarte aber nicht vergängliches Andenken bei den Menschen, sondern ewige Belohnung bei Gott. Denn wenn ich gleich selbst kein vorbildliches Leben geführt habe, trug ich doch Sorge, daß ein nachahmenswertes Leben nicht im verborgenen blieb. So will ich damit beginnen, das Leben des hl. Martinus zu erzählen, sein Leben vor seiner Erwählung zum Bischof, wie als Bischof zu beschreiben. Allerdings konnte ich nicht alle Einzelheiten aus seinem Leben in Erfahrung bringen; denn das, wobei er allein Zeuge war, entzieht sich unserer Kenntnis; er suchte ja nie Menschenlob; und, wäre es auf ihn angekommen, er hätte alle seine Wunderwerke verborgen. Indes, ich habe auch von dem, was zu meiner Kenntnis gekommen ist, manches übergangen, da ich glaubte, es sei genug, wenn nur das Wichtigere aufgezeichnet werde. Ich mußte zugleich auch auf die Leser Rücksicht nehmen, damit sie die Stoffülle nicht langweile. An meine Leser richte ich aber die Bitte, sie möchten meiner Erzählung Glauben schenken und davon überzeugt sein, daß ich nur Sicheres und Zuverlässiges niedergeschrieben habe; andernfalls hätte ich es vorgezogen, zu schweigen, statt Unsicheres zu berichten.

 

2.

Martinus stammte aus Sabaria8 , einer Stadt in Pannonien. Er wuchs in Italien zu Ticinum9 auf. Seine Eltern waren nach ihrer Stellung in der Welt von nicht geringem Rang, aber Heiden. Sein Vater war zuerst gewöhnlicher Soldat, dann Militärtribun. Martinus selbst ergriff in seiner Jugend das Waffenhandwerk und diente in der Gardereiterei10 unter Kaiser Constantius, dann unter Kaiser Julian. Jedoch nicht aus eigenem Antrieb. Denn schon von früh auf sehnte sich der edle Knabe in seiner Kindesunschuld mehr darnach, Gott allein zu dienen. Zehn Jahre alt, flüchtete er sich gegen den Willen der Eltern in die Kirche und verlangte Aufnahme unter die Katechumenen. In ganz wunderbarer Weise war er dem Dienste Gottes ergeben, und als er zwölf Jahre alt war, sehnte er sich nach der Einöde. Er hätte seinen Herzenswunsch auch ausgeführt, hätte es ihm die Zartheit seines Alters nicht unmöglich gemacht. Doch beschäftigte er sich immerfort mit dem Kloster oder mit der Kirche und sann schon im Knabenalter über das nach, was er später in heiligem Eifer zur Ausführung brachte.

Nach einer kaiserlichen Verordnung11 mußten die Söhne der Veteranen zum Kriegsdienst herangezogen werden. Deshalb meldete ihn, da er fünfzehn Jahre alt war, sein Vater an; denn es mißfiel diesem ein so glücklicher Wandel12 . Martinus wurde festgenommen, gefesselt und zum Fahneneid13 gezwungen. Er gab sich zufrieden mit einem Diener14 als Begleitung. Indes gar oft vertauschte er die Rollen, und der Herr bediente seinen Diener; er zog ihm nämlich meist selbst die Schuhe aus und reinigte sie; sie aßen miteinander, wobei Martinus jedoch des öfteren aufwartete.

Etwa drei Jahre lang diente er vor seiner Taufe beim Militär. Er hielt sich frei von den Lastern, in die sich die Soldatenwelt gewöhnlich verstricken läßt. Seine Güte gegen die Kameraden war groß, seine Liebe erstaunenswert, seine Geduld und Demut überstiegen alles Maß. Die Genügsamkeit braucht an ihm nicht gerühmt zu werden; sie war ihm in dem Maße eigen, daß man ihn schon damals eher für einen Mönch denn für einen Soldaten hätte halten können. Um dieser Eigenschaften willen hatte er sich die Herzen aller seiner Kameraden gewonnen, so daß sie ihn mit seltener Hochachtung verehrten. Obwohl er in Christus noch nicht wiedergeboren war, ließ sein edles Wirken doch darauf schließen, daß er vor der Taufe stehe. Er half bei schwerer Arbeit mit, unterstützte Arme, speiste Hungernde, kleidete Nackte, von seinem Kriegersold15 behielt er nur das für sich, was er für den täglichen Unterhalt brauchte. Er machte sich keine Sorge um den kommenden Tag16 , er war ja schon damals nicht taub gegen die Stimme des Evangeliums17 .

 

3.

Einmal, er besaß schon nichts mehr als seine Waffen und ein einziges Soldatengewand, da begegnete ihm im Winter, der ungewöhnlich rauh war, so daß viele der eisigen Kälte erlagen, am Stadttor von Amiens18 ein notdürftig bekleideter Armer. Der flehte die Vorübergehenden um Erbarmen an. Aber alle gingen an dem Unglücklichen vorbei. Da erkannte der Mann voll des Geistes Gottes, daß jener für ihn vorbehalten sei, weil die andern kein Erbarmen übten. Doch was tun? Er trug nichts als den Soldatenmantel, den er umgeworfen, alles Übrige hatte er ja für ähnliche Zwecke verwendet. Er zog also das Schwert, mit dem er umgürtet war, schnitt den Mantel mitten durch und gab die eine Hälfte dem Armen, die andere legte er sich selbst wieder um. Da fingen manche der Umstehenden an zu lachen, weil er im halben Mantel ihnen verunstaltet vorkam. Viele aber, die mehr Einsicht besaßen, seufzten tief, daß sie es ihm nicht gleich getan und den Armen nicht bekleidet hatten, zumal sie bei ihrem Reichtum keine Blöße befürchten mußten. In der folgenden Nacht nun erschien Christus mit jenem Mantelstück, womit der Heilige den Armen bekleidet hatte, dem Martinus im Schlafe. Er wurde aufgefordert, den Herrn genau zu betrachten und das Gewand, das er verschenkt hatte, wieder zu erkennen. Dann hörte er Jesus laut zu der Engelschar, die ihn umgab, sagen: „Martinus, obwohl erst Katechumen, hat mich mit diesem Mantel bekleidet“. Eingedenk der Worte, die er einst gesprochen: „Was immer ihr einem meiner Geringsten getan, habt ihr mir getan“19 , erklärte der Herr, daß er im Armen das Gewand bekommen habe. Um das Zeugnis eines so guten Werkes zu bekräftigen, würdigte er sich in dem Gewände, das der Arme empfangen hatte, zu erscheinen. Trotz dieser Erscheinung verfiel der selige Mann doch nicht menschlicher Ruhmsucht, vielmehr erkannte er in seiner Tat das gütige Walten Gottes und beeilte sich, achtzehnjährig, die Taufe zu empfangen. Er entsagte jedoch dem Heeresdienst noch nicht sogleich, da er den Bitten seines Tribuns nachgab, mit dem er in vertrauter Kameradschaft zusammenlebte. Denn jener versprach, nach Ablauf seiner Dienstzeit als Tribun der Welt den Rücken zu kehren. Durch diese Zusage ließ sich Martinus bestimmen, noch ungefähr zwei Jahre20 lang nach seiner Taufe, freilich nur dem Namen nach, zu dienen.

 

4.

Unterdessen waren Barbaren in Gallien21 eingebrochen. Kaiser Julian zog bei der Stadt der Vangionen22 ein Heer zusammen und begann damit, Geldgeschenke unter die Soldaten zu verteilen. Dabei wurde nach der Gewohnheit jeder Soldat einzeln vorgerufen. So kam die Reihe auch an Martinus. Jetzt hielt dieser den Zeitpunkt für günstig, seine Entlassung zu erbitten. Er war nämlich der Ansicht, er habe keine freie Hand mehr, falls er das Geschenk in Empfang nehme, ohne weiter dienen zu wollen. Deshalb sprach er zum Kaiser: „Bis heute habe ich dir gedient; gestatte nun, daß ich jetzt Gott diene. Dein Geschenk mag in Empfang nehmen, wer in die Schlacht ziehen will. Ich bin ein Soldat Christi, es ist mir nicht erlaubt, zu kämpfen“23 . Wutschnaubend ob dieser Rede, gab der Tyrann zur Antwort, er wolle sich nur aus Angst vor der Schlacht, die für den andern Tag zu erwarten war, nicht um seines Glaubens willen dem Kriegsdienst entziehen. Doch Martinus blieb unerschrocken, ja der Versuch, ihn einzuschüchtern, machte ihn nur noch fester. So sprach er: „Will man meinen Entschluß der Feigheit und nicht der Glaubenstreue zuschreiben, dann bin ich bereit, mich morgen ohne Waffen vor die Schlachtreihe zu stellen und im Namen des Herrn Jesus mit dem Zeichen des Kreuzes, ohne Schild und Helm, furchtlos die feindlichen Reihen zu durchbrechen“. Man ließ ihn also in Gewahrsam halten, damit er sein Wort wahr mache und sich waffenlos den Barbaren entgegenstelle. Am nächsten Tage schickten die Feinde Gesandte zu Friedensverhandlungen und ergaben sich mit Hab und Gut. Zweifellos war dieser Sieg dem heiligen Mann zu verdanken. Die Gnade verhütete, daß er sich wehrlos zum Kampfe stellen mußte. Gott hätte in seiner Güte seinen Streiter freilich auch inmitten der feindlichen Schwerter und Geschosse unversehrt erhalten können. Aber um das Auge des Heiligen auch nicht durch den Tod anderer zu verletzen, ließ Gott es nicht zum Kampfe kommen. Wenn die Feinde sich ohne Blutvergießen unterwarfen und so kein Menschenleben verloren ging, so hatte Christus es nicht notwendig, für seinen Streiter einen anderen Sieg zu wirken.

 

5.

Martinus nahm also seinen Abschied und ging hernach zum heiligen Hilarius24 , Bischof von Poitiers, der damals, wie allgemein bekannt, für die Sache Gottes mit bewährter, erprobter Glaubensfestigkeit eintrat. Martinus hielt sich bei ihm einige Zeit auf. Hilarius versuchte, ihn durch die Diakonatsweihe enger an sich zu ziehen und dauernd für den kirchlichen Dienst zu gewinnen. Allein Martinus sträubte sich immer aufs neue dagegen, da er unwürdig sei. So erkannte der Bischof mit seinem klaren Blick, es bleibe nur ein Mittel übrig, Martinus festzuhalten, wenn man ihm nämlich ein Amt übertrage, das etwa als eine Beleidigung für ihn gelten konnte. Deshalb legte er ihm nahe, sich zum Exorzist weihen zu lassen. Diese Weihe wies Martinus nicht zurück, um nicht den Anschein zu erwecken, als ob er sie ihres niederen Grades wegen verachte.

Bald darauf wurde er im Traum ermahnt, wieder in sein Vaterland zurückzukehren und in frommem Eifer seine immer noch heidnischen Eltern zu besuchen. Er machte sich mit Einwilligung des hl. Hilarius auf den Weg. Dieser nötigte ihm durch Bitten und Tränen das Versprechen ab, daß er wieder zurückkehren werde. Es wird erzählt, Martinus habe mit kummervollem Herzen diese Reise angetreten; denn es werde ihm viel Leid begegnen, so habe er seinen Brüdern versichert. Es kam dann auch wirklich so. Zunächst verirrte er sich in den Alpen und fiel Räubern in die Hände. Schon schwang einer von ihnen ein Beil, um mit wuchtigem Schlag sein Haupt zu treffen; doch ein anderer hielt den Todesstreich auf. Man band Martinus die Hände auf den Rücken und übergab ihn einem zur Bewachung und Ausplünderung. Dieser führte ihn beiseite und erkundigte sich, wer er sei. Seine Antwort lautete, er sei Christ. Er fragte ihn dann, ob er Angst habe. Da erklärte Martinus voll Festigkeit, er habe sich nie so sicher gefühlt; er wisse ja, daß Gottes Barmherzigkeit vor allem in Heimsuchungen helfend nahe sei; über den Räuber müsse er sich mehr betrüben, da er seines Räuberhandwerkes wegen kein Anrecht auf die Barmherzigkeit Christi habe. Martinus knüpfte daran ein Gespräch über das Evangelium und verkündete dem Räuber das Wort Gottes. Kurzum, der Räuber wurde gläubig und gab Martinus das Geleit, führte ihn auf den rechten Weg zurück und bat ihn auch, er möge für ihn zu Gott flehen. Später sah man denselben Mann ein frommes Leben führen. So soll denn, was ich soeben erzählt habe, aus seinem eigenen Munde stammen.

 

6.

Auf der Weiterreise kam Martinus an Mailand vorbei. Dort machte sich unterwegs der Teufel in Menschengestalt an ihn heran und fragte, wohin er gehe. Martinus gab zur Antwort, dorthin, wohin ihn der Herr rufe. Darauf jener: „Du magst gehen, wohin du willst, magst unternehmen, was du willst, immer wird der Teufel dir übel mitspielen“. Da erwiderte ihm Martinus mit den Worten des Propheten: „Der Herr ist mein Beistand, ich fürchte nicht der Menschen Anschläge wider mich“25 . Im selben Augenblick verschwand der Feind aus seinen Augen. Martinus konnte seine Mutter, was er so sehnlich wünschte, vom Wahne des Heidentums befreien. Der Vater verharrte im Unglauben. Hingegen bekehrte Martinus manche andere durch sein Beispiel.

Inzwischen hatte sich die Irrlehre der Arianer allüberall, namentlich in Illyrien26 ausgebreitet. Martinus war fast der einzige, der den treulosen Bischöfen entschiedenen Widerstand entgegensetzte. Er mußte deshalb manche harte Strafe über sich ergehen lassen. So wurde er öffentlich mit Ruten gepeitscht und schließlich aus der Stadt27 verwiesen. Er wandte sich jetzt nach Italien. Er hatte erfahren, daß auch in Gallien seit dem Weggang des hl. Hilarius die Kirche in Verwirrung geraten sei; die Häretiker hatten jenen mit Gewalt in die Verbannung getrieben. Deshalb baute sich Martinus zu Mailand eine Zelle. Aber auch hier ward er von Auxentius28 , dem tonangebenden Führer der Arianer, aufs heftigste angefeindet. Dieser überhäufte ihn mit Kränkungen und verjagte ihn aus der Stadt. Martinus glaubte nun bei den ungünstigen Verhältnissen nachgeben zu müssen und zog sich auf die Gallinaria-Insel29 zurück. Ein Priester begleitete ihn, ein wundertätiger Mann. Hier fristete Martinus eine Zeitlang sein Leben mit Kräuterwurzeln. Damals aß er ein Gericht von Nieswurz, die für giftig gilt. Er spürte schon in seinem Leibe die Wirkung des Giftes; er war schon am Rande des Grabes, da wehrte er der drohenden Gefahr durch sein Gebet, und sogleich verlor sich aller Schmerz.

Bald darauf erfuhr Martinus, der Kaiser habe seine Gesinnung geändert30 und dem hl. Hilarius wieder die Rückkehr erlaubt. Er versuchte darum in Rom mit Hilarius zusammenzutreffen und machte sich auf den Weg dorthin.

 

7.

Hilarius war aber schon weitergereist. Martinus folgte deshalb eilends31 seinen Spuren. Er wurde von ihm äußerst liebevoll aufgenommen und baute sich unfern der Stadt eine Zelle32 . Damals schloß sich ihm ein Katechumene an, der den Wunsch hatte, bei dem heiligen Manne die Schule der Vollkommenheit durchzumachen. Er erkrankte aber nach wenigen Tagen und wurde von heftigem Fieber gequält. Martinus war gerade nun nicht da. Drei Tage blieb er aus. Als er zurückkehrte, fand er ihn schon tot. Der Mann war ohne Taufe aus dem Leben geschieden, so unversehens war der Tod eingetreten. Die Leiche war aufgebahrt; die Brüder umstanden sie in trauernder Liebe. Da kam Martinus, weinend und seufzend. Er spürte in seinem Innersten das Wehen des Heiligen Geistes. Er gebot den andern, die Totenzelle zu verlassen und verriegelte die Türe. Dann legte er sich über die starren Glieder des Verstorbenen und betete eine Zeitlang voll Inbrunst. Jetzt fühlte er, wie der Geist des Herrn ihm die Wunderkraft zuströmen ließ; er richtete sich etwas auf, schaute dem Toten unverwandten Blickes ins Antlitz und harrte voll fester Zuversicht auf die Wirkung seines Gebetes und den Erweis der göttlichen Barmherzigkeit. Noch waren kaum ungefähr zwei Stunden verflossen, da sah er, wie nach und nach alle Glieder des Toten erzitterten, und die Augen zuckend sich dem Lichte wieder erschlossen. Der glückliche Mann wandte sich jetzt zu Gott, dankte mit lauter Stimme und erfüllte die Zelle mit seinen Freudenrufen. Da eilten die außenstehenden Brüder allsogleich herein. Welch’ Wunder! Sie erblickten den am Leben, den sie als Leiche verlassen hatten. So dem Leben zurückgegeben, empfing dieser sofort die Taufe. Er lebte nachher noch mehrere Jahre; er war der erste bei uns, der die Wunderkraft des Martinus am eigenen Leibe erfahren hatte und zugleich auch selbst dafür Zeugnis geben konnte. Der gleiche Mann erzählte öfter, daß er nach seinem Hinscheiden vor den Richterstuhl Gottes geführt wurde; er habe da den niederschmetternden Urteilsspruch vernommen, er sei dem Ort der Finsternis und der Rotte der Verdammten verfallen. Da hätten zwei Engel den Richter darauf aufmerksam gemacht, er sei derjenige, für den Martinus bete. Deshalb sei der Befehl ergangen, daß er durch die gleichen Engel zurückgebracht, dem Martinus wiedergeschenkt und dem früheren Leben zurückgegeben werde. Von nun an begann der Name des Heiligen berühmt zu werden; denn galt er vordem allgemein schon als Heiliger, so kam er jetzt in den Ruf eines Wundertäters und wahrhaft apostolischen Mannes.

 

8.

Nicht lange nachher kam er am Landgut eines gewissen Lupicinus33 vorüber, der eine angesehene Stellung innehatte. Da drang lautes Wehklagen trauernder Leute an sein Ohr. Bekümmert trat er näher und erkundigte sich nach dem Grunde ihres Jammers. Man sagte ihm, einer aus dem Gesinde habe mit der Schlinge seinem Leben ein Ende gemacht. Daraufhin ging Martinus in die Kammer, wo die Leiche lag. Er wies alle Leute hinaus, legte sich über die Leiche und betete eine Weile. Bald färbte sich das Gesicht des Toten mit frischer Lebensfarbe, er richtete sein Auge noch müde34 auf das Angesicht des Heiligen und versuchte langsam, sich zu erheben. Dann ergriff er die Rechte des Heiligen, stellte sich fest auf die Füße und ging so mit Martinus bis zur Hausflur, wo alles Volk ihn sah.

 

9.

Ungefähr zur selben Zeit wurde er auf den bischöflichen Stuhl von Tours35 verlangt. Allein es war kein Leichtes, ihn seinem Kloster zu entreißen. Rusticius, einer der Bürger, warf sich ihm daher bittend zu Füßen; er gab vor, seine Frau sei krank, So vermochte er ihn zum Fortgehen zu bewegen. Scharen von Bürgern hatten sich unterwegs aufgestellt; wie unter Ehrengeleite wurde Martinus so nach der Stadt geführt. Eine unglaublich große Menge hatte sich aus dieser Stadt wie auch aus den benachbarten Ortschaften zur Bischofswahl36 eingefunden. Ein Verlangen, ein Wunsch, eine Überzeugung beseelte sie alle, Martinus verdiene am meisten die bischöfliche Würde; glücklich sei die Kirche, die einen solchen Oberhirten erhalte. Doch einige Laien und besonders mehrere Bischöfe, die zur Einsetzung des Oberhirten herbeigerufen waren, widersetzten sich gewissenlos. Sie sagten, Martinus sei eine verächtliche Persönlichkeit, der bischöflichen Würde sei nicht wert ein Mann von so unansehnlichem Äußern, mit so armseligen Kleidern und ungepflegtem Haar. Indes das Volk bekundete gesünderen Sinn und lachte über ihre Torheit; denn während jene einen Tadel gegen den ruhmwürdigen Mann aussprechen wollten, verkündeten sie ja doch nur sein Lob. Sie konnten nichts anderes bewirken, als was das Volk nach dem Willen Gottes im Sinne hatte. Man erzählt sich, daß unter den anwesenden Bischöfen besonders einer namens Defensor37 Widerstand erhoben habe. Es fiel allgemein auf, wie dieser in der Lesung aus dem Propheten38 deutlich getroffen wurde. Zufällig war nämlich der Lektor, der an diesem Tage hätte lesen sollen, nicht da, weil er im Gedränge des Volkes eingekeilt war. Die Altardiener kamen in peinliche Verlegenheit. Während man noch auf den Abwesenden wartete, ergriff einer der Umstehenden das Psalmenbuch und begann mit dem nächsten besten Vers, auf den sein Auge fiel. Der Vers lautete: „Aus dem Munde von Kindern und Säuglingen hast du das Lob bereitet wegen deiner Feinde, um den Feind und den Defensor39 [Rächer] zu beschämen“40 . Kaum hatte er so gelesen, da begann das Volk ein Beifallsrufen, die Gegenpartei war zuschanden geworden. Man war davon überzeugt, daß dieser Psalm auf Antrieb Gottes gelesen worden war, damit Defensor ein Urteil über seine Handlungsweise zu hören bekäme. Gott hatte durch den Mund von Kindern und Säuglingen für Martinus Lob bereitet, sein Feind aber war mit einem Schlag gebrandmarkt und überwunden41 .

 

10.

Es übersteigt mein Können, sein Leben und seine Bedeutung als Bischof zu schildern. Nicht die geringste Änderung gegen früher ließ sich an ihm wahrnehmen. Dieselbe Demut wohnte in seinem Herzen, dieselbe Ärmlichkeit zeigte er in seiner Kleidung. Im Vollbesitz seiner Macht und Weihegnade, ward er der Stellung eines Bischofs durchaus gerecht, verlor aber dabei das Tugendstreben eines Mönches nicht aus dem Auge. Eine Zeitlang bewohnte er eine Zelle, die an die Kirche stieß. Indes, er konnte die Belästigung durch die häufigen Besuche nicht ertragen; deshalb erbaute er sich etwa zwei Meilen42 außerhalb der Stadt ein Klösterlein43