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Der Gewinner des Lovelybooks Community Award in der Kategorie Unterhaltung! »Dieser hinreißende Roman erweckt die Marilyn Monroe und Elizabeth Taylor in uns allen.« Kirkus Review Eine Liebe, die heller strahlt als die Sterne über Hollywood Die einstige Hollywood-Filmikone Evelyn Hugo ist endlich bereit auszupacken und die Wahrheit über ihr schillerndes Leben und ihre skandalösen sieben Ehen zu erzählen. Sie fragt die Lokaljournalistin Monique Grant als Ghostwriterin an. Monique ist darüber mehr als erstaunt, schließlich hat sie seit Jahren keinen großen Artikel mehr geschrieben. Könnte das ihre Chance sein? In ihrem luxuriösen Apartment über den Dächern Manhattans beginnt Evelyn Monique ihre Geschichte zu erzählen: vom Aufstieg in der Männerwelt Hollywoods, den goldenen Jahren der Filmbranche und einer geheimen großen Liebe, deren Scheitern der Preis für ihren Erfolg war. Als sich die Geschichte dem Ende nähert, begreift Monique schließlich, auf welch schmerzhafte Weise ihr Leben mit dem des Hollywoodstars verbunden ist ... »Kommen Sie wegen der glamourösen Atmosphäre des alten Hollywoods, bleiben Sie wegen der berührenden Geschichte einer jungen Reporterin und einer Hollywoodlegende.« – Cosmopolitan *** Ein Muss für alle Taylor Jenkins Reid Fans! ***
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Seitenzahl: 555
Die sieben Männer der Evelyn Hugo
Taylor Jenkins Reid wurde in Massachusetts geboren, studierte am Emerson College in Boston und lebt heute mit ihrem Mann in Los Angeles. Bevor sie ihr erstes Buch Neun Tage und ein Jahr schrieb, war sie für verschiedene Zeitungen tätig. Ihre Romane Die sieben Männer der Evelyn Hugo und Daisy Jones & The Six verhalfen ihr zu internationalem Durchbruch, wurden in über zwanzig Sprachen übersetzt und standen auf zahlreichen Bestsellerlisten.Von Taylor Jenkins Reid ist in unserem Hause bereits erschienen:Daisy Jones & The Six
»Dieser hinreißende Roman erweckt die Marilyn Monroe und Elizabeth Taylor in uns allen.«KIRKUS REVIEWSDie Filmikone Evelyn Hugo ist endlich bereit, auszupacken und die Wahrheit über ihre skandalösen sieben Ehen zu erzählen. Sie fragt zu aller Erstaunen die Lokaljournalistin Monique Grant als Ghostwriterin an. Könnte das endlich Moniques Durchbruch werden? Evelyn beginnt, ihr von ihrem schillernden Leben zu erzählen: von ihrem Aufstieg in der Männerwelt Hollywoods, den goldenen Fünfzigerjahren der Filmbranche und ihrer geheimen großen Liebe, deren Scheitern der Preis für ihren Erfolg war. Monique lauscht gebannt. Erst gegen Ende der Geschichte wird ihr klar, dass sie dem Hollywoodstar schmerzlicher verbunden ist, als sie es je für möglich gehalten hätte …»Voller Glamour, Liebe und schockierender Geheimnisse.« PEOPLE
Taylor Jenkins Reid
Roman
Aus dem Amerikanischen
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Deutsche Erstausgabe im Ullstein Taschenbuch1. Auflage April 2022© für die deutsche Ausgabe Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2022© 2017 by Rabbit Reids, Inc Die amerikanische Originalausgabe erschien 2017 unter dem Titel The Seven Husbands of Evelyn Hugo bei Atria Books (Simon & Schuster, New York)Wir behalten uns die Nutzung unserer Inhalte für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.Umschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenTitelabbildung: © Ilina Simeonova / Trevillion ImagesFoto der Autorin: © Scott WitterE-Book Konvertierung powered by pepyrusISBN 978-3-8437-2753-2
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Titelei
Das Buch
Titelseite
Impressum
Die sieben Männer der Evelyn Hugo
1
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Der arme Ernie Diaz
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Der verdammte Don Adler
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Der leichtgläubige Mick Riva
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Der gerissene Rex North
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Der brillante, gutherzige, gequälte Harry Cameron
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Der enttäuschende Max Girard
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Der liebenswerte Robert Jamison
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Anhang
Dank
Social Media
Vorablesen.de
Cover
Titelseite
Inhalt
Die sieben Männer der Evelyn Hugo
von Priya Amrit, 2. März 2017
Filmlegende und 60er-Jahre-It-Girl Evelyn Hugo hat gerade angekündigt, zwölf ihrer unvergesslichen Kleider bei Christie’s versteigern zu lassen und das Geld der Brustkrebsforschung zu spenden.
Die neunundsiebzigjährige Glamour-Ikone ist bekannt für ihren sinnlichen und zugleich zurückhaltenden Stil. Viele von Hugos bekanntesten Looks haben Maßstäbe in der Mode gesetzt und gelten als Meilensteine in der Geschichte Hollywoods.
Wer ein Stück Hugo-Geschichte besitzen möchte, ist sicher nicht nur von den Kleidern fasziniert, sondern auch davon, in welchem Kontext sie getragen wurden. In den Verkauf eingeschlossen sind das smaragdgrüne Miranda-La-Conda-Kleid, das Hugo bei der Oscarverleihung 1959 getragen hat, das violette Kleid mit U-Boot-Ausschnitt aus Organdy und Soufflé, in dem sie bei der Premiere von Anna Karenina 1962 aufgetreten ist, und das marineblaue Michael-Maddax-Seidenkleid, in dem sie 1982 den Oscar für Alle für uns entgegengenommen hat.
Hugo hat schon einige Hollywood-Skandale überstanden, nicht zuletzt wegen ihrer sieben Ehen, darunter eine jahrzehntelange Beziehung zu dem Filmproduzenten Harry Cameron. Die beiden Hollywoodsternchen haben eine gemeinsame Tochter, Connor Cameron, die zweifelsohne der Auslöser für die Auktion ist. Ms Cameron starb im letzten Jahr kurz nach ihrem 41. Geburtstag an Brustkrebs.
1938 als Evelyn Elena Herrera geboren, wuchs Hugo als Tochter kubanischer Einwanderer im Viertel Hell’s Kitchen in New York City auf. Bis 1955 hatte sie es nach Hollywood geschafft, war blond geworden und hatte sich in Evelyn Hugo umbenannt. Fast über Nacht wurde Hugo Teil der Hollywood-Elite. Sie stand mehr als drei Jahrzehnte im Rampenlicht, bevor sie Ende der 1980er-Jahre in den Ruhestand ging und Finanzier Robert Jamison, den älteren Bruder der Schauspielerin und dreimaligen Oscargewinnerin Celia St. James, heiratete. Nach dem Tod ihres siebten Ehemanns lebt Hugo in Manhattan.
Überirdisch schön, ein Inbegriff von Glamour und kühner Sexualität, hat Hugo lange Zeit Kinobesucher auf der ganzen Welt fasziniert. Es wird damit gerechnet, dass die Auktion mehr als zwei Millionen Dollar einbringen wird.
»Könnten Sie in mein Büro kommen?«
Ich werfe einen Blick zu den Tischen neben mir und dann wieder zu Frankie, um herauszufinden, mit wem genau sie spricht. Schließlich zeige ich auf mich. »Meinen Sie mich?«
Frankie wirkt ziemlich ungeduldig. »Ja, Monique. Darum habe ich gesagt: ›Monique, könnten Sie in mein Büro kommen?‹«
»Tut mir leid, ich habe nur den letzten Teil gehört.«
Frankie dreht sich um, und ich folge ihr mit meinem Notizblock.
Frankie ist eine bemerkenswerte Person. Ich weiß nicht, ob man sie als attraktiv im herkömmlichen Sinne bezeichnen würde – sie hat strenge Gesichtszüge und weit auseinanderstehende Augen –, aber man muss sie unwillkürlich ansehen und bewundern. Schlank und einen Meter achtzig groß, mit ihrem kurzen Afro und einer Vorliebe für leuchtende Farben und auffälligen Schmuck zieht sie alle Blicke auf sich, wenn sie einen Raum betritt.
Sie war einer der Gründe, warum ich die Stelle hier angenommen habe. Seit meiner Zeit auf der Journalistenschule habe ich zu ihr aufgeschaut und ihre Artikel in genau der Zeitschrift gelesen, die sie jetzt leitet und für die ich heute arbeite. Ich finde es ermutigend, dass eine schwarze Frau den Laden schmeißt. Als Frau mit hellbrauner Haut und dunkelbraunen Augen von meinem Schwarzen Vater und reichlich Sommersprossen von meiner weißen Mutter – stärkt Frankie meine Zuversicht, dass ich eines Tages auch Chefin sein kann.
»Setzen Sie sich«, sagt Frankie, während sie selbst Platz nimmt, und deutet auf einen orangefarbenen Stuhl vor ihrem Lucite-Schreibtisch.
Schweigend setze ich mich, schlage die Beine übereinander und lasse Frankie zuerst reden.
»Eine mysteriöse Wendung der Ereignisse«, sagt sie und schaut auf ihren Computer. »Evelyn Hugos Leute erkundigen sich nach einem Feature. Einem Exklusivinterview.«
Mein Bauchgefühl sagt mir: Heilige Scheiße, aber auch: Warum erzählst du mir das? »Zu welchem Thema genau?«, frage ich.
»Ich denke, es hat mit der Kleiderauktion zu tun, die sie veranstaltet«, sagt Frankie. »Vermutlich hofft sie darauf, so mehr Geld für die amerikanische Brustkrebsstiftung einzunehmen.«
»Aber das haben sie nicht bestätigt?«
Frankie schüttelt den Kopf. »Alles, was sie bestätigen, ist, dass Evelyn etwas zu sagen hat.«
Evelyn Hugo ist einer der größten Filmstars aller Zeiten. Sie muss noch nicht einmal etwas zu sagen haben, damit die Leute ihr zuhören.
»Das könnte eine große Titelgeschichte für uns sein, oder? Ich meine, sie ist eine lebende Legende. War sie nicht achtmal verheiratet oder so?«
»Siebenmal«, korrigiert Frankie. »Und ja. Das hat großes Potenzial. Deshalb hoffe ich für den nächsten Teil der Geschichte auf Ihr Verständnis.«
»Wie meinen Sie das?«
Frankie atmet tief durch und sieht aus, als wollte sie mich gleich feuern. Doch dann sagt sie: »Evelyn hat ganz konkret nach Ihnen verlangt.«
»Nach mir?« Schon das zweite Mal innerhalb von fünf Minuten bin ich überrascht, dass jemand mit mir sprechen will. Ich muss an meinem Selbstvertrauen arbeiten. Man könnte sagen, dass es in letzter Zeit stark gelitten hat. Aber warum sollte ich so tun, als sei es jemals wirklich stark gewesen?
»Um ehrlich zu sein, war das auch meine Reaktion«, sagt Frankie.
Nun will ich ehrlich sein, ich bin etwas beleidigt. Obwohl ich ihren Standpunkt natürlich nachvollziehen kann. Ich bin noch nicht einmal ein Jahr bei Vivant und habe überwiegend Lobeshymnen auf mittelmäßige Bücher oder Filme verfasst. Davor habe ich für den Diskurs gebloggt, eine Event- und Kulturseite, die sich selbst als Nachrichtenmagazin versteht, in Wirklichkeit aber ein Blog mit reißerischen Überschriften ist. Ich habe hauptsächlich für die Rubrik Modern Life kleinere Kolumnen über aktuelle Lifestyletrends geschrieben.
Nachdem ich jahrelang freiberuflich gearbeitet hatte, war der Job bei Diskurs meine Rettung. Aber als Vivant mir eine Stelle anbot, konnte ich nicht widerstehen. Ich ergriff die Chance, zu einer Institution zu gehören und unter Legenden zu arbeiten.
An meinem ersten Arbeitstag ging ich an Wänden vorbei, an denen kultige Titelbilder hingen, die die Öffentlichkeit verändert haben – das der Frauenaktivistin Debbie Palmer, die 1984 nackt und sorgfältig in Szene gesetzt auf dem Dach eines Wolkenkratzers steht und auf Manhattan blickt. Das Bild des Künstlers Robert Turner aus dem Jahr 1991, das ihn beim Malen vor einer Leinwand zeigt, während der Text erklärt, dass er Aids hat. Es fühlte sich surreal an, ein Teil der Vivant-Welt zu sein. Ich habe schon immer davon geträumt, irgendwann meinen Namen auf diesen Hochglanzseiten zu sehen.
Aber leider habe ich in den letzten zwölf Ausgaben nichts anderes getan, als Leuten mit altem Geld altbackene Fragen zu stellen, während meine Kollegen beim Diskurs versuchen, die Welt zu verändern, und mit ihren Meldungen viral gehen. Kurz gesagt: Ich bin nicht gerade beeindruckt von mir selbst.
»Hören Sie, es ist nicht so, dass wir Sie nicht mögen, ganz und gar nicht«, sagt Frankie. »Wir denken, dass Sie bei Vivant Großes erreichen können, aber ich hatte gehofft, eine unserer erfahreneren Autorinnen auf diese Sache anzusetzen. Deshalb möchte ich Ihnen ganz offen sagen, dass wir Sie Evelyns Team nicht vorgeschlagen hatten. Wir haben denen fünf große Namen geschickt und diese Antwort hier zurückerhalten.«
Frankie dreht ihren Computerbildschirm zu mir und zeigt mir eine E-Mail von einem Thomas Welch, der wohl Evelyn Hugos Pressebetreuer ist.
Von: Thomas WelchAn: Troupe, FrankieCc: Stamey, Jason; Powers, RyanEntweder Monique Grant oder Evelyn ist raus.
Verblüfft sehe ich wieder zu Frankie hoch. Ich kann ehrlich gesagt kaum glauben, dass Evelyn Hugo etwas mit mir zu tun haben will.
»Kennen Sie Evelyn Hugo? Steckt das dahinter?«, fragt Frankie mich, während sie den Computer wieder auf ihre Seite des Schreibtischs dreht.
»Nein«, sage ich, überrascht, dass sie mich das überhaupt fragt. »Ich habe nur ein paar ihrer Filme gesehen.«
»Sie stehen in keiner persönlichen Beziehung zu ihr?«
Ich schüttle den Kopf. »Ganz sicher nicht.«
»Kommen Sie nicht aus Los Angeles?«
»Ja, aber die einzige Verbindung, die ich zu Evelyn Hugo haben könnte, ist wohl, dass mein Vater möglicherweise an einem ihrer Filme mitgearbeitet hat. Er war Standfotograf beim Film. Ich kann meine Mutter fragen.«
»Großartig. Ich danke Ihnen.« Frankie sieht mich erwartungsvoll an.
»Soll ich sie jetzt fragen?«
»Ginge das?«
Ich ziehe mein Handy aus der Tasche und schreibe meiner Mutter eine Nachricht: Hat Dad jemals bei einem Evelyn-Hugo-Film mitgearbeitet?
Ich sehe drei Punkte auftauchen und schaue nach oben, um festzustellen, dass Frankie versucht, einen Blick auf mein Display zu erhaschen. Sie scheint zu merken, dass das etwas aufdringlich ist, und lehnt sich zurück.
Mein Telefon meldet den Eingang einer Nachricht von meiner Mutter.
Vielleicht? Es waren so viele, es ist schwer, den Überblick zu behalten. Warum?
Lange Geschichte, antworte ich, aber ich versuche herauszufinden, ob ich irgendeine Verbindung zu Evelyn Hugo habe. Glaubst du, Dad hat sie gekannt?
Mum antwortet: Ha! Nein. Dein Vater hat sich nie mit Berühmtheiten am Set angefreundet. Egal, wie sehr ich ihn dazu bringen wollte, ein paar prominente Freunde für uns zu gewinnen.
Ich lache. »Sieht nicht so aus. Keine Verbindung zu Evelyn Hugo.«
Frankie nickt. »Okay. Die andere Theorie ist, dass ihre Leute jemanden weniger Erfahrenen gewählt haben, in der Hoffnung, mehr Einfluss auf ihn und damit auf die Geschichte haben zu können.«
Ich spüre, wie mein Handy erneut vibriert. Das erinnert mich daran, dass ich dir einen Karton mit den alten Arbeiten deines Dads schicken wollte. Wunderschöne Sachen. Ich habe sie gerne hier, aber ich glaube, dir würde es noch mehr bedeuten. Ich schicke ihn dir diese Woche.
»Sie denken, die suchen jemand Schwaches«, sage ich zu Frankie.
Frankie lächelt milde. »Irgendwie schon.«
»Evelyns Leute sehen sich also das Impressum an, finden meinen Namen in der unteren Zeile und denken, dass sie mich herumkommandieren können. Ist das ihre Theorie?«
»Ich fürchte, ja.«
»Und Sie erzählen mir das, weil …«
Frankie wägt ihre Worte sorgfältig ab. »Weil ich nicht glaube, dass Sie sich herumkommandieren lassen. Ich glaube, man unterschätzt Sie. Und ich will diesen Titel haben. Ich will, dass er Schlagzeilen macht.«
»Was wollen Sie damit sagen?«, frage ich und verändere leicht meine Haltung.
Frankie faltet die Hände vor sich, stützt sich auf den Tisch und lehnt sich zu mir vor. »Ich frage Sie, ob Sie den Mumm haben, sich mit Evelyn Hugo anzulegen.«
Von allen Fragen, mit denen ich heute gerechnet habe, wäre diese wahrscheinlich auf Platz neun Millionen gekommen. Habe ich den Mumm, mich mit Evelyn Hugo anzulegen? Ich habe keine Ahnung.
»Ja«, sage ich schließlich.
»Das ist alles? Nur ja?«
Ich muss diese Chance nutzen, ich will diese Geschichte schreiben. Ich bin es leid, vollkommen unbedeutend zu sein. Und ich brauche einen Sieg, verdammt noch mal. »Zum Teufel, ja?«
Frankie nickt nachdenklich. »Besser, aber ich bin noch nicht überzeugt.«
Ich bin fünfunddreißig Jahre alt und schreibe seit mehr als einem Jahrzehnt. Eines Tages will ich einen Buchvertrag haben. Ich möchte mir meine Geschichten aussuchen können. Ich möchte, dass man als Erstes an mich denkt, wenn jemand wie Evelyn Hugo anruft. Und ich werde hier bei Vivant zu wenig eingesetzt. Wenn ich mein Ziel erreichen will, muss sich etwas ändern. Jemand muss mir Platz machen. Und zwar schnell, denn diese verdammte Karriere ist alles, was ich im Moment noch habe. Wenn ich will, dass sich etwas ändert, muss ich meine Einstellung ändern. Um hundertachtzig Grad.
»Evelyn will mich haben«, sage ich. »Sie wollen Evelyn. Es klingt nicht so, als ob ich Sie überzeugen müsste, Frankie. Es klingt, als müssten Sie mich überzeugen.«
Frankie ist mucksmäuschenstill und starrt mich über ihre verschränkten Finger hinweg an. Vielleicht habe ich etwas übertrieben. Ich fühle mich so wie damals, als ich Krafttraining ausprobiert und mit den Vierzig-Pfund-Gewichten angefangen habe. Zu viel zu früh wollen zeigt, dass man nicht weiß, was man tut.
Es kostet mich meine gesamte Willenskraft, es nicht zurückzunehmen, mich nicht überschwänglich zu entschuldigen. Meine Mutter hat mich dazu erzogen, höflich und zurückhaltend zu sein. Ich habe Höflichkeit lange mit Unterwürfigkeit verwechselt, und man sieht, wohin es mich gebracht hat. In dieser Welt kommen nur die Menschen weiter, die überzeugt sind, dass sie das Sagen haben sollten. Das habe ich zwar nie verstanden, aber ich kämpfe nicht mehr dagegen an. Ich bin hier, um eines Tages Frankie zu sein, vielleicht sogar größer als Frankie. Um große wichtige Arbeit zu leisten, auf die ich stolz bin. Um ein Zeichen zu setzen. Und da bin ich noch lange nicht.
Die Stille dehnt sich derart, dass ich denke, ich gebe doch nach, die Spannung steigt mit jeder Sekunde. Schließlich knickt Frankie ein.
»Okay«, sagt sie, streckt mir die Hand hin und steht auf.
Fassungslos und voller Stolz ergreife ich sie. Ich achte auf einen festen Händedruck. Der von Frankie fühlt sich an wie ein Schraubstock.
»Machen Sie das Beste daraus, Monique. Für uns und für Sie, bitte.«
»Das mach ich.«
Wir lösen uns voneinander, und ich gehe zur Tür. »Vielleicht hat sie Ihren Artikel über ärztlich begleiteten Suizid für den Diskurs gelesen«, sagt Frankie, kurz bevor ich den Raum verlasse.
»Wie bitte?«
»Der war beeindruckend. Vielleicht will sie Sie deshalb. So sind wir auf Sie aufmerksam geworden. Das war eine großartige Geschichte. Nicht nur, weil sie viele Klicks bekommen hat, sondern auch, weil es eine schöne Arbeit war.«
Das war eine der ersten wirklich bedeutungsvollen Geschichten, die ich aus eigenem Antrieb geschrieben habe. Ich schlug sie vor, nachdem ich einen Beitrag über die zunehmende Beliebtheit von Keimpflanzen, insbesondere in der Restaurantszene von Brooklyn, recherchieren sollte. Ich war auf dem Park Slope Markt, um einen Bauern zu interviewen, doch als ich ihm gestand, dass ich nicht verstehen könne, was an Senfgras so reizvoll sei, sagte er, ich klänge wie seine Schwester. Sie war ihr Leben lang eine große Fleischesserin gewesen, ist dann aber auf vegane Biokost umgestiegen, weil sie gegen einen Hirntumor ankämpfte.
Als wir uns weiter unterhielten, erzählte er mir, dass er und seine Schwester einer Selbsthilfegruppe beigetreten seien, die sich für aktive Sterbehilfe für Menschen am Ende ihres Lebens und deren Angehörigen einsetzte. Viele in der Gruppe kämpften um das Recht, in Würde zu gehen. Gesunde Ernährung würde das Leben seiner Schwester nicht retten können, und keiner von ihnen wollte, dass sie länger litt als nötig.
Damals spürte ich tief in meinem Inneren, dass ich den Menschen dieser Gruppe eine Stimme geben wollte.
Zurück im Büro von Diskurs, schlug ich die Geschichte vor. Angesichts meiner jüngsten Artikel über Hipster-Trends und Promi-Glossen rechnete ich mit einer Ablehnung, doch zu meiner Überraschung erhielt ich grünes Licht.
Ich arbeitete unermüdlich daran, nahm an Sitzungen in Kirchenkellern teil, führte Interviews mit den Mitgliedern, schrieb und überarbeitete den Text, bis ich sicher war, dass der Artikel die Komplexität des Themas umfassend wiedergab – sowohl die barmherzige als auch die moralische Seite, die es bedeutet, leidenden Menschen zu helfen, ihr Leben zu beenden.
Auf diese Geschichte bin ich wirklich stolz. Mehr als einmal habe ich den Artikel nach Feierabend hervorgeholt, um mich daran zu erinnern, wozu ich fähig bin und wie befriedigend es war, etwas Wahrhaftiges zu sagen, auch wenn es schwer zu verdauen sein mag.
»Danke«, sage ich jetzt zu Frankie.
»Ich will damit nur sagen, dass Sie Talent haben. Vielleicht hat es damit zu tun.«
»Wahrscheinlich aber nicht.«
»Nein«, sagt sie. »Wahrscheinlich nicht. Aber schreiben Sie einen guten Artikel, und das nächste Mal wird es so sein.«
von Julia Santos, 4. März 2017
Man munkelt, dass die Sirene / die lebende Legende / die schönste Blondine der Welt, Evelyn Hugo, Kleidungsstücke versteigert und sich bereit erklärt hat, ein Interview zu geben, was sie seit Jahrzehnten nicht mehr getan hat.
BITTE sagt mir, dass sie endlich bereit ist, über diese verdammten Ehemänner zu reden. (Vier kann ich ja verstehen, vielleicht auch noch fünf, sechs, wenn man es wirklich weit treibt, aber sieben? Sieben Ehemänner? Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass wir alle wissen, dass sie Anfang der 80er eine Affäre mit dem Kongressabgeordneten Jack Easton hatte. Das Mädchen ist ordentlich herumgekommen.)
Sollte sie über die Sache mit den Männern nichts preisgeben wollen, lasst uns beten, dass sie zumindest verrät, woher sie diese Augenbrauen hat. Ich meine, LASSEN SIE UNS TEILHABEN, EVELYN.
Wenn man Bilder von E aus der Zeit sieht, als sie noch messingblondes Haar hatte, diese dunklen pfeilgeraden Augenbrauen, die tief gebräunte Haut und die goldbraunen Augen, muss man unwillkürlich innehalten und sie anstarren.
Und ich will gar nicht erst von dieser Figur anfangen.
Kein Hintern, keine Hüften – nur riesige Brüste an einem schlanken Körper.
Ich habe im Grunde mein ganzes Erwachsenenleben lang daran gearbeitet, einen solchen Körper zu bekommen. (Anmerkung: Bin weit entfernt davon. Könnte an den Spaghetti Bucatini liegen, die ich diese Woche jeden Tag zu Mittag gegessen habe.)
Das ist der einzige Teil, der mich wütend macht: Evelyn könnte jeden dafür ausgewählt haben. (Ähem, mich?) Aber stattdessen hat sie sich für irgendeinen Neuling von Vivant entschieden? Sie hätte jede haben können. (Ähem, mich?) Warum diese Monique Grant (und nicht mich)?
Na, schön. Ich bin nur verbittert, dass ich es nicht bin, die sie interviewen darf.
Ich sollte mir unbedingt einen Job bei Vivant besorgen. Die bekommen das ganze gute Zeug.
Hihello565: Selbst die Leute bei Vivant wollen nicht mehr bei Vivant arbeiten. Die Konzernchefs produzieren zensierten werbefinanzierten Mist.
Ppppppppppps Antwort auf Hihello565: Ja, klar. Irgendetwas sagt mir, dass du, wenn das angesehenste, anspruchsvollste Magazin des Landes dir einen Job anbieten würde, ihn annehmen würdest.
EChristine999: Ist Evelyns Tochter nicht kürzlich an Krebs gestorben? Ich glaube, ich habe etwas darüber gelesen. So traurig. Apropos, das Bild von Evelyn am Grab von Harry Cameron? Hat mich total umgehauen. Schöne Familie. So traurig, dass sie sie verloren hat.
MrsJeanineGrambs: Mir ist Evelyn Hugo VOLLKOMMEN EGAL. HÖR AUF, ÜBER DIESE LEUTE ZU SCHREIBEN. Ihre Ehen, ihre Affären und die meisten ihrer Filme beweisen nur eins: Sie ist eine Schlampe. Drei Uhr morgens war eine Schande für die Frauen. Konzentrier dich auf Menschen, die es verdienen.
SexyLexi89: Evelyn Hugo ist vielleicht die schönste Frau aller Zeiten. Die Aufnahme aus Boute-en-Train, wo sie nackt aus dem Wasser kommt und das Bild schwarz wird, kurz bevor man ihre Brustwarzen sieht? Einfach toll.
PennyDriverKLM: Ein Hoch auf Evelyn Hugo dafür, dass sie blondes Haar und dunkle Augenbrauen zu DEM LOOK gemacht hat. Alle Achtung, Evelyn.
YuppiePigs3: Zu dünn! Nicht mein Fall.
EvelynHugoIstEineHeilige: Diese Frau hat MILLIONEN VON DOLLAR an Wohltätigkeitsorganisationen für misshandelte Frauen und LGBTQ+-Gruppen gespendet, und jetzt versteigert sie Kleider für die Krebsforschung, und ihr redet nur über ihre Augenbrauen? Im Ernst?
JuliaSantos@TheSpills Antwort auf EvelynHugoIstEineHeilige: Da hast du wohl recht. SORRY. Zu meiner Verteidigung: Sie hat als knallharte Geschäftsfrau in den 1960er-Jahren Millionen verdient. Und ohne ihr Talent und ihre Schönheit hätte sie nie die Macht dazu gehabt, und sie wäre nie so schön gewesen ohne DIESE AUGENBRAUEN. Aber okay, gutes Argument.
EvelynHugoIstEineHeiliges Antwort auf JuliaSantos@TheSpill: Tut mir leid, dass ich so zickig war. Ich hab das Mittagessen ausfallen lassen. Mea culpa. Wenn du mich fragst, wird Vivant nicht etwas halb so Gutes aus der Geschichte machen, wie du es getan hättest. Evelyn hätte dich nehmen sollen.
JuliaSantos@TheSpills Antwort auf EvelynHugoIstEineHeilige: Klar????? Wer ist überhaupt Monique Grant? LANGWEILIG. Die schnapp ich mir …
Die letzten Tage habe ich alles über Evelyn Hugo gelesen, was ich in die Finger bekommen konnte. Ich war nie ein großer Filmfan, geschweige denn an irgendwelchen alten Hollywoodstars interessiert. Aber Evelyns Leben – zumindest das, was man darüber finden kann – reicht für zehn Seifenopern.
Da ist die frühe Ehe, die geschieden wurde, als sie achtzehn war. Dann die vom Studio arrangierte Verlobung und die turbulente Ehe mit Hollywood-König Don Adler. Die Gerüchte, dass sie ihn verlassen hat, weil er sie geschlagen hat. Ihr Comeback in einem französischen Nouvelle-Vague-Film. Das Durchbrennen nach Vegas mit dem Sänger Mick Riva. Ihre glamouröse Ehe mit dem eleganten Rex North, die damit endete, dass beide eine Affäre hatten. Die schönste Liebesgeschichte ihres Lebens mit Harry Cameron und die Geburt ihrer Tochter Connor. Ihre herzzerreißende Scheidung und kurz darauf ihre Hochzeit mit ihrem alten Regisseur Max Girard. Ihre angebliche Affäre mit dem deutlich jüngeren Kongressabgeordneten Jack Easton, die ihre Beziehung zu Girard beendete. Und schließlich ihre Ehe mit dem Finanzier Robert Jamison, die Gerüchten zufolge unter anderem Evelyns Wunsch entsprungen sein soll, ihre ehemalige Filmpartnerin und Roberts Schwester Celia St. James zu ärgern. Alle ihre Ehemänner sind verstorben, sodass Evelyn die Einzige ist, die noch einen Einblick in diese Beziehungen gewähren kann.
Es wird viel Arbeit, wenn ich sie dazu bringen will, etwas darüber preiszugeben.
Lange nach Feierabend mache ich mich um kurz vor neun endlich auf den Heimweg. Meine Wohnung ist klein. Ich glaube, die richtige Bezeichnung lautet winzig kleine Sardinenbüchse. Aber es ist erstaunlich, wie groß sich eine kleine Wohnung anfühlen kann, wenn die Hälfte der Einrichtung fehlt.
David ist vor fünf Wochen ausgezogen, und ich habe es immer noch nicht geschafft, das Geschirr, das er mitgenommen hat, oder den Couchtisch, den seine Mutter uns letztes Jahr zur Hochzeit geschenkt hatte, zu ersetzen. Herrgott. Wir haben es nicht einmal bis zum ersten Hochzeitstag geschafft.
Als ich zur Haustür hereinkomme und meine Tasche auf dem Sofa abstelle, fällt mir wieder einmal auf, wie unnötig kleinlich es von ihm war, den Tisch mitzunehmen. Seine neue Wohnung in San Francisco ist komplett eingerichtet, das war Teil des großzügigen Umzugspakets, das mit seiner Beförderung einherging. Vermutlich hat er den Tisch eingelagert, zusammen mit dem einen Nachttisch, auf dem er bestand, weil er rechtmäßig ihm gehöre, und all unseren Kochbüchern. Die Kochbücher vermisse ich nicht. Ich koche nicht. Aber wenn auf etwas »Für Monique und David, für eure vielen glücklichen Jahre« steht, denkt man, es wäre ein Geschenk für uns beide gewesen.
Ich hänge meinen Mantel auf und frage mich, nicht zum ersten Mal, welche Frage der Wahrheit näher kommt: Hat David den neuen Job angenommen und ist ohne mich nach San Francisco gegangen? Oder habe ich mich geweigert, New York für ihn zu verlassen? Als ich die Schuhe ausziehe, beschließe ich einmal mehr, dass die Antwort irgendwo in der Mitte liegt. Doch dann lande ich wieder bei dem Gedanken, der mir immer wieder einen Stich versetzt: Er ist tatsächlich gegangen.
Ich bestelle mir Pad Thai und steige unter die Dusche. Ich mag es, wenn das Wasser so heiß ist, dass man sich fast verbrennt, und ich liebe den Duft von Shampoo. Vielleicht ist die Dusche für mich der schönste Ort. Hier im Dampf, den Körper voller Schaum, fühle ich mich nicht wie Monique Grant, eine verlassene Frau. Oder auch Monique Grant, die Autorin, die nicht vorankommt. Ich bin nur Monique Grant, Eigentümerin von Luxus-Badeprodukten.
Erst als meine Haut schon längst schrumpelig ist, trockne ich mich ab, ziehe mir eine Jogginghose an und binde mir die Haare aus dem Gesicht, gerade noch rechtzeitig, bevor der Lieferservice an meiner Tür klingelt.
Mit dem Plastikbehälter auf dem Schoß versuche ich fernzusehen. Ich möchte mein Gehirn dazu bringen, etwas anderes zu tun, als über die Arbeit oder David nachzudenken. Doch sobald ich aufgegessen habe, wird mir klar, dass das sinnlos ist. Ich kann genauso gut arbeiten.
Es ist alles ziemlich einschüchternd – die Vorstellung, ein Interview mit Evelyn Hugo zu führen, und dafür zu sorgen, dass sie meine Geschichte nicht vereinnahmt. Ich neige dazu, mich zu genau vorzubereiten. Und eigentlich war ich immer ein bisschen wie ein Strauß, der den Kopf tief in den Sand steckt, um nicht zu sehen, was er nicht sehen will.
Die nächsten drei Tage tue ich also nichts anderes, als über Evelyn Hugo zu recherchieren. Tagsüber lese ich alte Artikel über ihre Ehen und Skandale, abends sehe ich mir ihre alten Filme an.
Ich schaue mir Ausschnitte von ihr in Sonnenuntergang in Carolina, Anna Karenina, Diamantenweib, und Alles für uns an. Das GIF, wie sie in Boute-en-Train aus dem Wasser steigt, spiele ich so oft ab, dass ich es in meinen Träumen immer wieder vor mir sehe.
Und während ich ihre Filme schaue, verliebe ich mich ein kleines bisschen in sie. Zwischen elf Uhr abends und zwei Uhr morgens, während der Rest der Welt schläft, flackern Bilder von ihr über meinen Laptop, und der Klang ihrer Stimme füllt mein Wohnzimmer.
Es ist nicht zu leugnen, dass sie eine umwerfend schöne Frau ist. Die Leute sprechen oft von ihren geraden dichten Augenbrauen und ihrem blonden Haar, aber ich kann den Blick nicht von ihrer Physiognomie abwenden. Ihre Kieferpartie ist kräftig, sie hat hohe Wangenknochen, und beides betont ihre vollen Lippen. Sie hat große Augen, die eher mandelförmig als rund sind. Ihre gebräunte Haut wirkt neben ihrem hellen Haar sandfarben und elegant. Ich weiß, dass das nicht natürlich ist – blondes Haar und bronzefarbene Haut – und dennoch werde ich das Gefühl nicht los, dass es so sein sollte, dass Menschen mit diesem Aussehen auf die Welt kommen sollten.
Ganz bestimmt ist das einer der Gründe, warum der Filmhistoriker Charles Redding einmal gesagt hat, Evelyns Gesicht sei »unausweichlich. Nahezu perfekt. So exquisit, dass man bei ihrem Anblick das Gefühl hat, dass ihre Gesichtszüge in dieser Kombination, in diesem Verhältnis so sein mussten.«
Ich hefte Bilder von Evelyn in den 50er-Jahren an die Wand, in engen Pullovern und BHs mit spitzen Körbchen. Pressefotos von ihr und Don Adler auf dem Gelände der Sunset Studios kurz nach ihrer Heirat, Aufnahmen von ihr aus den frühen 60er-Jahren in knappen Shorts, mit langem glattem Haar und einem weichen, dichten Pony.
Es gibt ein Foto von ihr in einem weißen Einteiler, auf dem sie an einem unberührten Strand sitzt, auf dem Kopf einen großen schwarzen Schlapphut, der einen Teil ihres Gesichts verdeckt, sodass die Sonne nur auf ihr weißblondes Haar und die rechte Gesichtshälfte fällt.
Zu meinen persönlichen Lieblingsbildern zählt eine Schwarz-Weiß-Aufnahme von den Golden Globes aus dem Jahr 1967. Das Haar ist locker hochgesteckt, sie sitzt in einem hellen Spitzenkleid mit tiefem Ausschnitt, das ihr üppiges Dekolleté zur Geltung bringt, auf einem Platz am Gang und streckt das rechte Bein, das unter dem hochgeschlitzten Rock hervorlugt, elegant zur Seite.
Links von ihr sitzen zwei Männer, an deren Namen sich heute niemand mehr erinnert, und starren sie an, während sie nach vorne auf die Bühne blickt. Der Mann neben ihr schaut auf ihre Brust, sein Nachbar auf ihren Oberschenkel. Beide scheinen wie verzaubert zu sein und zu hoffen, noch ein kleines Stückchen mehr zu sehen.
Vielleicht deute ich zu viel in dieses Foto hinein, aber ich fange an, ein Muster zu erkennen: Evelyn lässt einen immer in der Hoffnung zurück, dass man noch ein bisschen mehr bekommt. Doch man bekommt es nie.
Sogar in der viel diskutierten Sexszene in Drei Uhr morgens aus dem Jahr 1977, in der sie sich im umgekehrten Cowboysitz auf Don Adler rekelt, sind ihre vollen Brüste noch nicht einmal drei Sekunden lang zu sehen. Es wurde jahrelang gemunkelt, die unglaublichen Einspielergebnisse des Films seien darauf zurückzuführen, dass vor allem Paare ihn wieder und wieder sehen wollten.
Woher weiß sie, wie viel sie von sich preisgeben und wie viel sie verbergen muss?
Und wird sie es anders machen, jetzt wo sie etwas zu sagen hat? Oder wird sie mit mir genauso spielen, wie sie jahrelang mit dem Publikum gespielt hat?
Wird Evelyn Hugo mir gerade genug erzählen, dass ich es vor Spannung kaum aushalte, aber nie so viel, um wirklich etwas zu enthüllen?
Ich wache eine halbe Stunde vor meinem Wecker auf und lese meine E-Mails, darunter eine von Frankie. Der in Großbuchstaben verfasste Betreff »HALT MICH AUF DEM LAUFENDEN« scheint mich geradezu anzuschreien, woraufhin ich mir erst einmal einen Kaffee und ein kleines Frühstück mache.
Ich ziehe eine schwarze Hose und ein weißes T-Shirt mit meinem Lieblingsblazer mit Fischgrätmuster an, binde meine langen, dichten Locken auf dem Kopf zu einem Dutt zusammen, verzichte auf Kontaktlinsen und setze stattdessen meine dicke, schwarz gerahmte Brille auf.
Bei einem Blick in den Spiegel stelle ich fest, dass mein Gesicht schmaler geworden ist, seit David weg ist. Ich hatte zwar schon immer eine schlanke Figur, aber wenn ich zunehme, dann immer zuerst am Hintern und im Gesicht. Und in der Zeit mit David – in den zwei Jahren, die wir zusammen waren, und in den elf Monaten, seit wir geheiratet haben – ist genau das passiert. David isst gerne. Doch während er frühmorgens aufsteht, um sich die Pfunde abzulaufen, schlafe ich lieber aus.
Als ich mich jetzt ansehe, zurechtgemacht und schlanker, spüre ich, wie mein Selbstvertrauen wächst. Ich sehe gut aus. Ich fühle mich gut.
Bevor ich zur Tür hinausgehe, schnappe ich mir den kamelfarbenen Kaschmirschal, den meine Mutter mir letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt hat. Dann setze ich einen Fuß vor den anderen, hinunter zur U-Bahn, nach Manhattan und Uptown.
Evelyns Wohnung liegt direkt an der Fifth Avenue mit Blick auf den Central Park. Ich habe genug Internet-Stalking betrieben, um zu wissen, dass sie diese Wohnung und eine Villa am Strand in der Nähe von Málaga besitzt. Die Wohnung hat sie Ende der 60er-Jahre zusammen mit Harry Cameron gekauft, die Villa hat sie geerbt, als Robert Jamison vor fast fünf Jahren starb. Erinnert mich bitte daran, dass ich in meinem nächsten Leben als Filmstar zurückkehre, der auch an den Erlösen seiner Filme beteiligt ist.
Das Gebäude, in dem Evelyn wohnt – Kalkstein, Vorkriegszeit, Beaux-Arts-Stil –, ist außergewöhnlich, zumindest von außen. Noch bevor ich eintrete, werde ich von einem älteren, gut aussehenden Pförtner mit sanften Augen und einem freundlichen Lächeln begrüßt.
»Wie kann ich Ihnen helfen?«, fragt er.
Ich bringe es kaum über die Lippen. »Ich möchte zu Evelyn Hugo. Mein Name ist Monique Grant.«
Er lächelt und öffnet mir die Tür. Ganz offensichtlich hat er mich erwartet. Er begleitet mich zum Aufzug und drückt den Knopf für die oberste Etage.
»Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag, Ms. Grant«, sagt er und verschwindet, während die Aufzugtüren zugleiten.
Um Punkt elf Uhr morgens klingle ich an Evelyns Wohnungstür. Eine Frau in Jeans und einer marineblauen Bluse öffnet mir. Sie ist um die fünfzig, vielleicht ein paar Jahre älter, eine Amerikanerin mit asiatischen Wurzeln und glatten tiefschwarzen Haaren, die sie zu einem Pferdeschwanz gebunden hat. In der Hand hält sie einen Stapel halb geöffneter Post.
Sie lächelt und streckt mir die Hand hin. »Sie müssen Monique sein«, sagt sie, während ich sie ergreife. Sie scheint sich aufrichtig zu freuen, andere Menschen kennenzulernen, und ich mag sie bereits, obwohl ich mir geschworen habe, mich heute nicht so schnell beeindrucken zu lassen.
»Ich bin Grace.«
»Hallo, Grace«, sage ich. »Freut mich, Sie kennenzulernen.«
»Gleichfalls. Kommen Sie rein.«
Grace tritt zur Seite und winkt mich herein. Ich stelle meine Tasche auf den Boden und ziehe meinen Mantel aus.
»Den können Sie gleich hier aufhängen«, sagt sie, öffnet einen Schrank in der Halle und reicht mir einen Holzkleiderbügel.
Dieser Garderobenschrank ist so groß wie mein Badezimmer. Es ist kein Geheimnis, dass Evelyn mehr Geld als Gott besitzt. Aber ich darf mich davon nicht einschüchtern lassen. Sie ist schön, reich und mächtig, sexy und charmant. Und ich bin ein normales menschliches Wesen. Irgendwie muss ich mir einreden, dass sie und ich gleichberechtigt sind, sonst funktioniert das nicht.
»Toll, danke«, sage ich mit einem Lächeln, hänge meinen Mantel auf und lasse Grace die Schranktür schließen.
»Evelyn ist oben und macht sich fertig. Kann ich Ihnen etwas bringen? Wasser, Kaffee, Tee?«
»Kaffee wäre wunderbar«, sage ich.
Grace führt mich in einen hellen luftigen Raum mit deckenhohen weißen Bücherregalen und zwei gepolsterten cremefarbenen Sesseln.
»Nehmen Sie Platz«, sagt sie. »Wie mögen Sie ihn?«
»Meinen Kaffee?«, frage ich etwas verunsichert. »Mit Sahne? Ich meine, Milch ist auch gut. Aber Sahne wäre toll. Oder was immer Sie haben.« Ich nehme mich zusammen. »Was ich eigentlich sagen wollte, ist, dass ich gerne einen Spritzer Sahne hätte, wenn Sie welche haben. Sieht man mir an, dass ich nervös bin?«
Grace lächelt. »Ein wenig. Aber Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Evelyn ist nett. Sie ist speziell und eigen, daran muss man sich vielleicht erst gewöhnen. Aber ich habe für viele Menschen gearbeitet, und glauben Sie mir, Evelyn ist besser als alle anderen.«
»Hat sie Sie dafür bezahlt, das zu sagen?«, frage ich in dem Bemühen, einen Witz zu machen, aber es klingt schärfer und anklagender, als beabsichtigt.
Zum Glück lacht Grace. »Sie hat meinen Mann und mich letztes Jahr als Weihnachtsbonus nach London und Paris geschickt. Also indirekt, ja, vermutlich schon.«
Herrgott. »Alles klar. Wenn Sie kündigen, möchte ich bitte Ihren Job haben.«
Grace lacht wieder. »Abgemacht. Und der Kaffee mit einem Spritzer Sahne kommt sofort.«
Ich setze mich und schaue auf mein Handy. Eine Nachricht von meiner Mutter, die mir Glück wünscht. Als ich auf Antworten gehe und versuche, das Wort »eher« zu tippen, ohne dass die Autokorrektur »Eheringe« daraus macht, höre ich Schritte auf der Treppe. Ich drehe mich um und sehe die neunundsiebzigjährige Evelyn Hugo auf mich zukommen.
Sie ist genauso atemberaubend wie auf jedem ihrer Fotos.
Sie trägt eine schmale schwarze Stretchhose, einen langen grau-blau gestreiften Pullover und hat die Haltung einer Ballerina. Sie ist so schlank wie auf den Bildern, und dass sie etwas an ihrem Gesicht hat machen lassen, weiß ich nur, weil niemand in ihrem Alter ohne die Hilfe eines Arztes so aussehen kann.
Ihre Haut leuchtet und ist nur ein klein wenig gerötet, als wäre sie geschrubbt worden. Entweder trägt sie falsche Wimpern, oder sie hat sie sich verlängern lassen. Wo ihre Wangen früher kantig waren, sind sie jetzt ein wenig eingefallen, aber auf ihnen liegt ein Hauch von zartem Rouge, und ihre Lippen sind in einem dunklen Nude-Ton gehalten.
Das Haar reicht ihr bis über die Schultern – eine wunderschöne Mischung aus Weiß, Grau und Blond –, wobei die hellsten Strähnen ihr Gesicht umrahmen. Ich bin mir sicher, ihr Haar ist dreifach gefärbt, aber sie wirkt dadurch wie eine anmutig alternde Frau, die sich in der Sonne aufgehalten hat.
Ihre Augenbrauen – diese dunklen, dichten, geraden Linien, die ihr Markenzeichen waren – sind im Laufe der Jahre ausgedünnt und haben jetzt die gleiche Farbe wie ihr Haar.
Als sie näher kommt, fällt mir auf, dass sie keine Schuhe trägt, sondern dicke grob gestrickte Socken.
»Monique, hallo«, sagt Evelyn.
Einen Moment bin ich überrascht, wie locker und vertraut es klingt, wenn sie meinen Namen ausspricht, als würde sie mich schon seit Jahren kennen. »Hallo«, sage ich.
»Ich bin Evelyn.« Sie ergreift meine Hand und schüttelt sie. Ich empfinde es als eine ganz besondere Form von Stärke, den eigenen Namen zu nennen, wenn man weiß, dass jeder im Raum, jeder auf der Welt ihn bereits kennt.
Grace kommt mit einer weißen Kaffeetasse auf einer weißen Untertasse herein. »Bitte. Mit ein bisschen Sahne.«
»Vielen Dank«, sage ich und nehme sie ihr ab.
»Genau so mag ich ihn auch«, erklärt Evelyn, und es ist mir peinlich zuzugeben, dass mich das freut. Ich habe das Gefühl, etwas richtig gemacht zu haben.
»Kann ich Ihnen noch etwas bringen?«, erkundigt sich Grace.
Ich schüttle den Kopf, und Evelyn schweigt, woraufhin Grace den Raum verlässt.
»Kommen Sie«, sagt Evelyn. »Gehen wir ins Wohnzimmer und machen es uns bequem.«
Als ich nach meiner Tasche greife, nimmt mir Evelyn den Kaffee aus der Hand und trägt ihn für mich. Ich habe einmal gelesen, dass Charisma »Charme ist, der zur Hingabe anregt«. Und ich muss unwillkürlich daran denken, als sie jetzt den Kaffee für mich trägt.
Eine so mächtige Frau und eine so kleine bescheidene Geste würden jeden hinreißen.
Wir betreten einen großen Raum mit deckenhohen Fenstern. Austerngraue Sessel stehen einem weichen schieferblauen Sofa gegenüber. Der dicke Teppich unter unseren Füßen hat einen hellen Elfenbeinton, und als ich ihm mit dem Blick folge, bin ich von dem schwarzen Flügel beeindruckt, der geöffnet im Licht der Fenster steht. An den Wänden hängen zwei vergrößerte Schwarz-Weiß-Aufnahmen.
Über dem Sofa ist Harry Cameron bei Dreharbeiten zu sehen.
Über dem Kamin hängt das Plakat von Evelyns Fassung von Little Women aus dem Jahr 1959. Es zeigt die Gesichter von Evelyn, Celia St. James und zwei weiteren Schauspielerinnen. In den 50er-Jahren waren vielleicht alle vier Namen bekannt, aber nur Evelyns und Celias haben sich über die Jahre gehalten. Wenn ich es mir jetzt ansehe, scheinen Evelyn und Celia heller zu leuchten als die anderen. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es nur aus dem Rückblick so erscheint. Ich sehe, was ich sehen will, weil ich weiß, wie es ausgegangen ist.
Evelyn stellt meine Tasse auf einem schwarz lackierten Couchtisch ab. »Setzen Sie sich«, sagt sie, nimmt selbst in einem der Plüschsessel Platz und zieht die Füße unter sich hoch. »Wohin Sie möchten.«
Ich nicke und stelle meine Tasche ab. Als ich mich auf die Couch setze, hole ich meinen Notizblock hervor.
»Sie bieten also Ihre Kleider zur Versteigerung an.« Ich setze mich, mache meinen Stift bereit und höre zu.
Da sagt Evelyn: »Eigentlich habe ich Sie unter einem Vorwand herbestellt.«
Ich sehe sie an und bin mir sicher, dass ich sie falsch verstanden haben muss. »Wie bitte?«
Evelyn richtet sich im Sessel auf und sieht mich an. »Es gibt nicht viel darüber zu erzählen, dass ich einen Haufen Kleider bei Christie’s abgegeben habe.«
»Nun, dann …«
»Ich habe Sie hergebeten, um etwas anderes mit Ihnen zu besprechen.«
»Worum geht es?«
»Um meine Lebensgeschichte.«
»Ihre Lebensgeschichte?«, wiederhole ich verblüfft und bemühe mich, ihr zu folgen.
»Eine Enthüllungsgeschichte.«
Eine Enthüllungsgeschichte von Evelyn Hugo wäre … ich weiß nicht. So etwas wie die Geschichte des Jahres. »Wollen Sie eine Enthüllungsgeschichte bei Vivant veröffentlichen?«
»Nein«, sagt sie.
»Sie wollen keine Enthüllungsgeschichte veröffentlichen?«
»Nicht bei Vivant.«
»Warum bin ich dann hier?« Ich bin noch verwirrter als vorher.
»Sie sind diejenige, der ich die Geschichte erzähle.«
Ich schaue sie an und versuche zu begreifen, was sie sagt.
»Sie wollen offen über Ihr Leben sprechen, und das möchten Sie mit mir tun, aber nicht mit Vivant?«
Evelyn nickt. »Jetzt haben Sie es kapiert.«
»Was genau schlagen Sie vor?« Es kann doch wohl nicht sein, dass mir eine der faszinierendsten Frauen der Welt völlig grundlos ihre Lebensgeschichte anbietet. Mir muss etwas entgangen sein.
»Ich erzähle Ihnen meine Lebensgeschichte auf eine Weise, von der wir beide profitieren. Wobei, um ehrlich zu sein, hauptsächlich Sie.«
»Wie ausführlich soll die Geschichte denn werden?« Vielleicht will sie eine kurze Retrospektive? Eine seichte Geschichte, die sie in einem guten Licht erscheinen lässt?
»Das volle Programm. Das Gute, das Schlechte und das Hässliche. Welches Klischee Sie auch immer bemühen möchten, das so viel bedeutet wie: Ich werde Ihnen die Wahrheit über absolut alles erzählen, was ich je getan habe.«
Wow.
Ich komme mir plötzlich dumm vor, dass ich in der Annahme hergekommen bin, sie würde mir Fragen über ihre Kleider beantworten. Ich lege das Notizbuch vor mir auf den Tisch und den Stift obenauf. Ich will das hier perfekt machen. Es kommt mir vor, als wäre ein wunderschöner zarter Vogel gerade zu mir geflogen und hätte sich auf meine Schulter gesetzt. Wenn ich eine falsche Bewegung mache, fliegt er vielleicht davon.
»Okay, wenn ich Sie richtig verstehe, wollen Sie damit sagen, dass Sie diverse Sünden beichten möchten …«
Evelyns Körperhaltung, die bis zu diesem Zeitpunkt sehr entspannt und lässig war, verändert sich, und sie beugt sich zu mir vor. »Ich habe kein Wort über das Beichten von Sünden gesagt. Von Sünden habe ich überhaupt gar nicht gesprochen.«
Ich weiche leicht zurück. Jetzt habe ich es verbockt. »Bitte entschuldigen Sie«, sage ich. »Ich habe mich schlecht ausgedrückt.«
Evelyn sagt kein Wort.
»Es tut mir leid, Mrs Hugo. Das ist alles ein bisschen surreal für mich.«
»Sie können mich Evelyn nennen.«
»Okay, Evelyn, was ist der nächste Schritt? Was, genau, werden wir zusammen machen?« Ich nehme die Kaffeetasse, führe sie an meine Lippen und nehme einen winzigen Schluck.
»Wir machen keine Titelstory für Vivant«, erklärt sie.
»Gut, so viel habe ich verstanden«, sage ich und stelle die Tasse ab.
»Wir schreiben ein Buch.«
»Ach?«
Evelyn nickt. »Sie und ich«, sagt sie. »Ich habe Ihre Artikel gelesen. Ich mag die Art und Weise, wie Sie kommunizieren – klar und deutlich. Ihr Schreiben hat eine sachliche Qualität, die ich bewundere und die mein Buch meines Erachtens gebrauchen kann.«
»Sie bitten mich, als Ghostwriter Ihre Autobiografie zu schreiben?« Das ist einfach absolut unglaublich. Das ist ein guter Grund, in New York zu bleiben. Ein toller Grund. Solche Dinge passieren in San Francisco nicht.
Wieder schüttelt Evelyn den Kopf. »Ich erzähle Ihnen meine Lebensgeschichte, Monique. Ich sage Ihnen die ganze Wahrheit. Und Sie schreiben darüber ein Buch.«
»Und wir schreiben Ihren Namen darauf und sagen allen, dass Sie es geschrieben haben. Das ist Ghostwriting.« Ich nehme wieder meine Tasse in die Hand.
»Mein Name wird nicht darauf stehen. Ich werde tot sein.«
Ich verschlucke mich an dem Kaffee und mache umbrafarbene Flecken auf den weißen Teppich.
»Oh, mein Gott«, sage ich vielleicht ein bisschen zu laut und stelle die Tasse ab. »Ich habe Kaffee auf Ihrem Teppich verschüttet.«
Evelyn winkt ab, aber Grace klopft an die Tür, öffnet sie nur einen Spaltbreit und steckt den Kopf herein.
»Alles in Ordnung?«
»Ich habe etwas verschüttet, fürchte ich«, sage ich.
Grace öffnet die Tür vollständig und kommt herein, um sich die Sache anzusehen.
»Es tut mir wirklich leid. Ich habe mich nur etwas erschrocken, das ist alles.«
Ich fange Evelyns Blick auf. Ich kenne sie zwar nicht sehr gut, aber ich weiß, dass sie sagt, ich soll still sein.
»Kein Problem«, sagt Grace. »Ich kümmere mich darum.«
»Haben Sie Hunger, Monique?«, fragt Evelyn und steht auf.
»Wie bitte?«
»Es gibt einen Laden gleich um die Ecke, die machen da tolle Salate. Ich lade Sie ein.«
Es ist kaum Mittag, und wenn ich nervös bin, verliere ich als Erstes den Appetit, aber ich sage trotzdem Ja, denn ich habe den deutlichen Eindruck, dass das eigentlich keine Frage ist.
»Großartig«, sagt Evelyn. »Grace, rufen Sie bitte im Trambino’s an?«
Evelyn packt mich an der Schulter, und keine zehn Minuten später spazieren wir über die gepflegten Bürgersteige der Upper East Side.
Die beißende Kälte überrascht mich, und ich merke, wie Evelyn ihren Mantel fest um ihre schmale Taille zieht.
Im Sonnenlicht sind die Zeichen des Alterns leichter zu erkennen. Das Weiß ihrer Augen ist trübe, und die Haut an ihren Händen wirkt durchscheinend. Das klare Blau ihrer Adern erinnert mich an meine Großmutter. Ich mochte die weiche papierene Zartheit ihrer Haut, die mit den Jahren an Dehnbarkeit verloren hatte.
»Evelyn, was meinen Sie damit, dass Sie dann tot sind?«
Evelyn lacht. »Ich meine, dass Sie das Buch als autorisierte Biografie unter Ihrem Namen veröffentlichen sollen, wenn ich tot bin.«
»Okay«, sage ich, als wäre es völlig normal, dass jemand so etwas sagt. Und dann merke ich: Nein, das ist verrückt. »Ich möchte ja nicht taktlos sein, aber wollen Sie mir sagen, dass Sie sterben?«
»Alle sterben, Herzchen. Sie, ich, dieser Kerl da.«
Sie zeigt auf einen Mann mittleren Alters, der mit einem flauschigen schwarzen Hund spazieren geht. Er hört, was sie sagt, sieht, dass sie mit dem Finger auf ihn zeigt, und erkennt, wer da spricht. Daraufhin macht er große Augen.
Wir wenden uns dem Restaurant zu und gehen zwei Stufen hinunter zur Tür. Evelyn setzt sich an einen Tisch im hinteren Bereich. Niemand hat ihr den Platz zugewiesen. Sie weiß einfach, wohin sie muss, und sie geht davon aus, dass alle anderen hinterherkommen. Ein Kellner in schwarzen Hosen, weißem Hemd und schwarzer Krawatte kommt an unseren Tisch und stellt uns zwei Gläser Wasser hin. In Evelyns ist kein Eis.
»Danke, Troy«, sagt Evelyn.
»Gezupfter Salat?«, fragt er.
»Nun, für mich natürlich, aber bei meiner Freundin hier bin ich mir nicht sicher«, erwidert Evelyn.
Ich nehme die Serviette vom Tisch und lege sie auf meinen Schoß. »Gezupfter Salat klingt toll, danke.«
Troy lächelt und geht.
»Der Salat wird Ihnen schmecken«, sagt Evelyn, als wären wir Freundinnen und führten ein ganz normales Gespräch.
»Okay«, sage ich und versuche, wieder zum Thema zu kommen. »Erzählen Sie mir mehr über das Buch, das wir schreiben.«
»Ich habe Ihnen alles gesagt, was Sie wissen müssen.«
»Sie haben mir gesagt, dass ich es schreibe und Sie sterben.«
»Sie müssen mehr auf Ihre Wortwahl achten.«
Ich fühle mich hier vielleicht ein wenig überfordert – und ich bin vielleicht auch nicht gerade auf dem Höhepunkt meines Lebens –, aber ich weiß doch ein oder zwei Dinge über die richtige Wortwahl.
»Ich muss Sie missverstanden haben. Ich versichere Ihnen, dass ich sehr sorgfältig mit meinen Worten bin.«
Evelyn zuckt mit den Schultern. Für sie steht bei diesem Gespräch nicht viel auf dem Spiel. »Sie sind jung, und Ihre ganze Generation geht zu nachlässig mit Worten um, die eine große Bedeutung haben.«
»Verstehe.«
»Und ich habe nicht gesagt, dass ich irgendwelche Sünden bekenne. Zu sagen, dass das, was ich zu erzählen habe, eine Sünde ist, ist irreführend und verletzend. Ich bereue die Dinge nicht, die ich getan habe – zumindest nicht die, von denen man es erwarten würde –, egal wie hart sie auch gewesen sind oder wie abstoßend sie im kalten Tageslicht erscheinen mögen.«
»Je ne regrette rien«, sage ich, hebe mein Wasserglas und nippe daran.
»Genau«, sagt Evelyn. »Obwohl das Lied mehr davon handelt, dass man nichts bereut, weil man die Vergangenheit hinter sich lässt. Was ich meine, ist, dass ich viele Entscheidungen heute wieder genauso treffen würde. Um es klar zu sagen: Es gibt Dinge, die ich bedaure. Es sind nur … nicht die schäbigen. Ich bedaure nicht viele Lügen, die ich erzählt habe, oder dass ich Menschen verletzt habe. Ich komme damit klar, dass es manchmal unschön ist, das Richtige zu tun. Und ich habe auch Erbarmen mit mir. Ich vertraue mir. Zum Beispiel, vorhin in der Wohnung, als ich Sie angefahren habe, weil Sie von Sünden sprachen. Das war nicht nett, und ich bin mir nicht sicher, ob Sie es verdient haben. Aber das bereue ich nicht. Weil ich meine Gründe hatte und wenn man alle Gedanken und Gefühle zusammennimmt, die dazu geführt haben, habe ich mein Bestmögliches getan.
»Sie mögen das Wort Sünde nicht, weil es impliziert, dass es Ihnen leidtut.«
Unser Essen kommt, und Troy mahlt wortlos Pfeffer auf Evelyns Salat, bis sie lächelnd die Hand hebt. Ich lehne ab.
»Es kann einem etwas leidtun, obwohl man es nicht bereut«, sagt Evelyn.
»Auf jeden Fall«, sage ich. »Das verstehe ich. Ich hoffe, Sie können mir einen Vertrauensbonus gewähren, wenn wir künftig an einem Strang ziehen. Auch wenn der Inhalt Spielraum für verschiedene Interpretationen lässt.«
Evelyn nimmt ihre Gabel in die Hand, beginnt aber nicht zu essen. »Ich finde es sehr wichtig, bei einer Journalistin, die mein Erbe in Händen hält, genau zu sagen, was ich meine und zu meinen, was ich sage«, erklärt Evelyn. »Wenn ich Ihnen mein Leben erzähle, wenn ich Ihnen erzähle, was wirklich passiert ist, die Wahrheit über all meine Ehen, die Filme, die ich gedreht habe, wen ich geliebt, mit wem ich geschlafen, wen ich verletzt habe, wie ich mich selbst gefährdet habe und wo ich gelandet bin, dann muss ich wissen, dass Sie mich verstehen. Ich muss wissen, dass Sie genau zuhören, was ich Ihnen zu sagen versuche, und Sie nicht Ihre eigenen Annahmen in meine Geschichte einfließen lassen.«
Ich habe mich geirrt. Für Evelyn steht nicht wenig auf dem Spiel. Evelyn kann locker über Dinge von großer Bedeutung sprechen. Aber genau jetzt, in diesem Moment, wo sie sich so viel Zeit nimmt, um spezifische Punkte anzusprechen, merke ich, dass das hier real ist. Es passiert wirklich. Sie hat tatsächlich vor, mir ihre Lebensgeschichte zu erzählen – eine Geschichte, zu der zweifellos auch die düstere Wahrheit hinter ihrer Karriere, ihren Ehen und ihrem Image gehört. Sie bringt sich dadurch in eine unglaublich verletzliche Position und gibt mir eine Menge Macht. Ich weiß nicht, warum sie es tut. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass sie es tut. Und es ist jetzt meine Aufgabe, ihr zu zeigen, dass ich es wert bin und dass ich sorgfältig damit umgehen werde.
Ich lege meine Gabel weg. »Das ist absolut nachvollziehbar, und es tut mir leid, wenn ich oberflächlich war.«
Evelyn winkt ab. »Die ganze Kultur ist heutzutage oberflächlich. Das ist der neue Trend.«
»Darf ich Ihnen noch ein paar Fragen stellen? Sobald ich die Lage begriffen habe, verspreche ich, dass ich mich ausschließlich auf das konzentrieren werde, was Sie sagen und was Sie meinen. Sie werden sich keine bessere Geheimniswahrerin mehr vorstellen können.«
Meine Aufrichtigkeit entwaffnet sie nur einen kurzen Moment. »Sie können anfangen«, sagt sie und nimmt einen Happen von ihrem Salat.
»Wenn ich dieses Buch nach Ihrem Tod veröffentliche, welchen wirtschaftlichen Gewinn versprechen Sie sich davon?«
»Für mich oder für Sie?«
»Fangen wir mit Ihnen an.«
»Für mich keinen. Denken Sie daran, ich werde tot sein.«
»Das erwähnten Sie bereits.«
»Nächste Frage.«
Ich beuge mich vor. »Es widerstrebt mir zutiefst, so etwas Geschmackloses zu fragen, aber welche Art von Zeitplan haben Sie im Kopf? Soll ich dieses Buch jahrelang zurückhalten, bis Sie …«
»Sterben?«
»Nun … ja«, sage ich.
»Nächste Frage.«
»Wie bitte?«
»Nächste Frage, bitte.«
»Sie haben die letzte noch nicht beantwortet.«
Evelyn schweigt.
»Also gut, welcher finanzielle Vorteil ergibt sich für mich?«
»Eine viel interessantere Frage, und ich habe mich gefragt, warum Sie sie erst jetzt stellen.«
»Jetzt habe ich sie gestellt.«
»Sie und ich werden uns in den nächsten Tagen treffen, so lange, wie es eben dauert, und ich werde Ihnen absolut alles erzählen. Und dann ist unsere Beziehung zu Ende und Sie sind frei – oder vielleicht sollte ich sagen, verpflichtet –, daraus ein Buch zu machen und es an den Meistbietenden zu verkaufen. Und ich meine wirklich den Meistbietenden. Ich bestehe darauf, dass Sie gnadenlos verhandeln, Monique. Lassen Sie sie bezahlen, was sie einem weißen Mann zahlen würden. Und dann, wenn Sie das getan haben, gehört jeder Penny davon Ihnen.«
»Mir?«, frage ich fassungslos.
»Sie sollten einen Schluck Wasser trinken. Sie sehen aus, als würden Sie gleich in Ohnmacht fallen.«
»Evelyn, eine autorisierte Biografie über Ihr Leben, in der Sie über Ihr Leben, in der Sie über Ihre sieben Ehem…«
»Ja?«
»Ein Buch wie dieses kann Millionen von Dollar einbringen, auch wenn ich nicht verhandle.«
»Aber das werden Sie«, sagt Evelyn, nimmt einen Schluck von ihrem Wasser und wirkt zufrieden.
Die Frage muss gestellt werden. Wir tanzen schon viel zu lange um sie herum. »Warum in aller Welt tun Sie das für mich?«
Evelyn nickt. Mit dieser Frage hat sie gerechnet. »Fürs Erste nehmen Sie es als Geschenk.«
»Aber warum?«
»Nächste Frage.«
»Im Ernst.«
»Im Ernst, Monique, nächste Frage.«
Ich lasse aus Versehen meine Gabel auf das elfenbeinfarbene Tischtuch fallen. Das Öl vom Dressing sickert in den Stoff und macht ihn dunkel und durchscheinend. Der Salat ist köstlich, aber mit viel Zwiebeln, und ich kann meinen brennenden Atem spüren, der den Raum um mich durchdringt. Was zum Teufel ist hier los?
»Ich will nicht undankbar sein, aber ich denke, ich sollte schon wissen, warum eine der berühmtesten Schauspielerinnen aller Zeiten mich unbedeutende Person als ihre Biografin auswählt und mir die Möglichkeit gibt, Millionen von Dollar mit ihrer Geschichte zu verdienen.«
»Die Huffington Post berichtet, dass ich meine Autobiografie für zwölf Millionen Dollar verkaufen könnte.«
»Meine Güte.«
»Ich denke, das würde neugierige Menschen interessieren.«
Die Art und Weise, wie Evelyn sich amüsiert, wie viel Spaß sie daran hat, mich zu schockieren, sagt mir, dass das hier auch ein kleines Machtspiel ist. Sie gibt sich gern lässig, wenn es darum geht, das Leben anderer Menschen zu verändern. Ist das nicht die eigentliche Definition von Macht? Zu beobachten, wie sich Menschen wegen etwas umbringen, das einem selbst nichts bedeutet?
»Zwölf Millionen sind eine Menge, verstehen Sie mich nicht falsch …«, sagt sie, und sie muss den Satz nicht zu Ende führen, damit ich ihn in meinem Kopf vollenden kann. Aber nicht für mich.
»Aber trotzdem, Evelyn, warum? Warum ich?«
Evelyn sieht mit stoischer Miene zu mir hoch. »Nächste Frage.«
»Bei allem Respekt, Sie sind nicht besonders fair.«
»Ich biete Ihnen die Chance, ein Vermögen zu machen und mit einem Schlag zu einer Topjournalistin aufzusteigen. Ich muss nicht fair sein. Zumindest nicht so, wie Sie es definieren.«
Auf der einen Seite scheint das ein Sechser im Lotto zu sein. Doch zugleich hat Evelyn mir absolut nichts Konkretes geliefert. Und ich könnte meinen Job verlieren, indem ich eine Geschichte wie diese für mich behalte. Dieser Job ist alles, was ich im Moment habe. »Habe ich etwas Zeit, darüber nachzudenken?«
»Worüber nachzudenken?«
»Über das hier.«
Evelyns Augen verengen sich ein wenig. »Was um alles in der Welt gibt es da nachzudenken?«
»Es tut mir leid, wenn ich Sie beleidigt habe«, sage ich.
Evelyn unterbricht mich. »Sie haben mich nicht beleidigt.« Allein schon die Andeutung, ich könnte sie gereizt haben, macht sie gereizt.
»Es gibt vieles zu bedenken«, sage ich. Ich könnte gefeuert werden. Sie könnte einen Rückzieher machen. Ich könnte beim Schreiben dieses Buches spektakulär scheitern.
Evelyn beugt sich vor und versucht, mir zuzuhören. »Zum Beispiel?«
»Wie soll ich das zum Beispiel mit Vivant handhaben? Die gehen davon aus, dass sie ein Exklusivinterview von Ihnen bekommen. Sie telefonieren in diesem Moment mit Fotografen.«
»Ich habe Thomas Welch gesagt, dass er nichts versprechen soll. Wenn sie wilde Spekulationen über eine Titelstory angestellt haben, ist das ihre Sache.«
»Aber jetzt betrifft das auch mich. Denn jetzt weiß ich, dass Sie nicht die Absicht haben, mit denen zusammenzuarbeiten.«
»Und?«
»Was soll ich also tun? Zurück in mein Büro gehen und meiner Chefin sagen, dass Sie nicht mit Vivant sprechen, sondern wir stattdessen ein Buch schreiben? Das sieht so aus, als hätte ich sie hintergangen, in meiner Arbeitszeit wohlgemerkt, und ihnen die Geschichte gestohlen.«
»Das ist eigentlich nicht mein Problem«, sagt Evelyn.
»Aber deshalb muss ich darüber nachdenken. Weil es mein Problem ist.«
Evelyn versteht. An der Art, wie sie ihr Wasserglas abstellt, mich ansieht und sich mit den Unterarmen auf dem Tisch abstützt, erkenne ich, dass sie mich ernst nimmt. »Sie haben hier eine einmalige Gelegenheit, Monique. Das verstehen Sie doch, oder?«
»Natürlich.«
»Also tun Sie sich selbst einen Gefallen und lernen, das Leben bei den Eiern zu packen, Herzchen. Versuchen Sie nicht so sehr, das Richtige zu tun, wenn so klar ist, was das Klügste ist.«
»Sie meinen, dass ich meiner Chefin nichts davon sagen sollte? Sie werden denken, ich hätte das ausgeheckt, um sie zu hintergehen.«
Evelyn schüttelt den Kopf. »Als mein Team ausdrücklich Sie angefordert hat, hat Ihr Unternehmen mit jemandem auf höherer Ebene zurückgeschossen. Man hat nur zugestimmt, Sie zu schicken, nachdem ich klargestellt habe, dass ich Sie möchte oder niemanden. Wissen Sie, warum sie das getan haben?«
»Weil sie denken, dass ich nicht …«
»Weil sie ein Unternehmen führen. Und das tun Sie auch. Und jetzt wird Ihr Geschäft durch die Decke gehen. Sie müssen eine Entscheidung treffen. Schreiben wir ein Buch zusammen oder nicht? Sie sollten wissen, wenn Sie es nicht schreiben wollen, gebe ich es niemand anderem. In diesem Fall stirbt es mit mir.«
»Warum sollten Sie nur mir Ihre Lebensgeschichte erzählen? Sie kennen mich nicht einmal. Das ergibt doch keinen Sinn.«
»Ich bin absolut nicht verpflichtet, Ihnen etwas zu erklären.«
»Was haben Sie davon, Evelyn?«
»Sie stellen zu viele Fragen.«
»Ich bin hier, um Sie zu interviewen.«
»Trotzdem.« Sie trinkt von ihrem Wasser, schluckt und sieht mir in die Augen. »Wenn wir fertig sind, werden Sie keine Fragen mehr haben«, sagt sie. »Ich verspreche Ihnen, dass sie am Ende alles, was Sie so unbedingt wissen wollen, erfahren. Aber ich werde ihre Fragen nicht eine Minute früher beantworten, als ich will. Ich habe das Sagen. So läuft das.«
Ich höre ihr zu und denke darüber nach, und mir wird klar, dass ich eine absolute Idiotin wäre, mir das entgehen zu lassen, ganz gleich, was ihre Bedingungen sind. Ich bin nicht in New York geblieben und habe David nach San Francisco gehen lassen, weil ich die Freiheitsstatue so sehr mag. Ich habe es getan, weil ich die Leiter so weit wie möglich nach oben klettern möchte. Und weil ich meinen Namen, den Namen, den mein Vater mir gegeben hat, eines Tages in großen fetten Lettern sehen möchte. Das ist meine Chance.
»Okay«, sage ich.
»Also gut. Freut mich zu hören.« Evelyns Schultern entspannen sich, sie nimmt wieder ihr Wasserglas und lächelt. »Monique, Sie gefallen mir«, sagt sie.
Ich hole tief Luft und merke erst jetzt, wie flach ich geatmet habe.
»Danke, Evelyn. Das bedeutet mir sehr viel.«