Die so unvollkommen menschliche Welt der Mina Bashri - Yassamin Boussaoud - E-Book

Die so unvollkommen menschliche Welt der Mina Bashri E-Book

Yassamin Boussaoud

4,4

Beschreibung

Schicksal. Synchronisation. Simultanität. Wir lernen nicht rein zufällig einen Menschen kennen, weil wir uns in ihn verliebt haben. Die Gefühle, die wir in der Kontaktphase erleben, sind lediglich Mittel zum Zweck. Das Leben schickt uns genau die Menschen und die Situationen, die es uns ermöglichen, uns selbst zu begegnen. Jeder der beiden Menschen könnte vom anderen lernen, um so seinen Weg zur inneren Harmonie zu finden. So etwas ist mir passiert. Und so ist unsere Geschichte unglaublich grausam und doch wunderbar zugleich. Wunderbar, weil sie mir geholfen hat, mich zu erkennen. Es ist eine Liebesgeschichte. Keine Klassische. Es ist eine Geschichte über die Selbstliebe. - Die junge Autorin erzählt in einer Liebesgeschichte über das Leben der 26-jährigen Mina Bashri und ihren extremen Erfahrungen mit dem Erwachsenwerden -

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Die so unvollkommen menschliche Welt der Mina Bashri

Die so unvollkommen menschliche Welt der Mina BashriPrologSchwarz und WeißKartoffeln und DattelnEinhörner und KameleWüste und MärchenwaldAli Baba und GoetheSteine und SandNarziss und EchoEr und ich – Ich und ErWas der Verstand nicht zu verstehen vermagDunkelheit und LichtEpilogImpressum

Die so unvollkommen menschliche Welt der Mina Bashri

     Für  - Nein. Wegen R.G.K

Diese Geschichte entstand, als du den Jakobsweg gingst.

Ich habe sie jedoch nicht für dich geschrieben.

Es ist meine Geschichte.

Sie gehört mir.

Ohne deine Rolle in meinem Leben,

wäre ich jedoch noch nicht an diesem Punkt angelangt.

Danke.

Für Alles?

Für nichts?

Wer dieses Buch in seinen Händen hält, der hält gleichsam  mein Herz in seinen Händen.  Das hier, ist alles was ich war. Alles was ich bin. Alles was ich sein werde. Es ist ein Roman   und zugleich ein einziger Gedankenstrom mit vielen kleinen Zweigen. Diese Geschichte ist   wie ein Magnolienbaum. Das Sinnbild menschlicher Gedanken, wie ein Gehirn. Jeder Ast ein Gedankenstrom und jeder Zweig ein weiterer Gedanke.  Jede Blüte ein Mensch oder ein Ding welche zu dem Gedankenstrom dazu gehören.Es ist eine Geschichte, die frei erfunden und zugleich genau so passiert sein könnte. Wo hört die Realität auf? Wo beginnt die Fiktion. Ich weiß es nicht. Ich will es nicht wissen. Das eine fließt in das andere über und es entsteht eine völlig neue Welt. Meine Welt.  Ich habe diese Geschichte für mich und für all die Mädchen und Frauen verfasst, die sich nicht trauen, ihre Träume zu verwirklichen. Für jeden Menschen, der sich allein und verlassen fühlt und denkt, dass es nicht mehr weiter geht. Dieses Buch ist nicht nur ihm sondern jedem einzelnen Menschen gewidmet, der auf der Suche nach sich selbst ist. Auf der Suche nach dem „großen Ganzen“.

Nein, gerade Tatsachen gibt es nicht.  Nur Interpretationen.

Friedrich Wilhelm Nietzsche

Prolog

Ich bin zuweilen eine wirklich unmögliche Person! Ich halte mich selber für etwas „Besonderes“, gehe davon aus, die Gefühlswelt anderer genau erfassen zu können und labe mich nur allzu gerne in Selbstmitleid und Melancholie. Von Kindesbeinen an hatte ich das Gefühl „Ich bin anders“. Ich war neidisch ohne es zu bemerken. Ich war eine Träumerin. Das Abwesende erschien mir so viel angenehmer als die Realität. Ich bin kleiner als diese Welt, ich verneige mich in Demut vor ihr und ihrer vollkommenen Schöpfung. Vollkommen bin ich wahrlich nicht. Davon war ich überzeugt.

Schicksal. Synchronisation. Simultanität.

Wir sind uns begegnet aus einem ganz bestimmten Grund, das weiß ich. Du und ich. Wir sind so unterschiedlich und doch so gleich, dass ich mich frage, warum es so lange gedauert hat bis es mir auffallen konnte. In meinen Freundschaften und Beziehungen zeigt sich oft, dass meine Beziehungsenergie geprägt ist von Grundannahmen wie „ aufeinander zu gehen, miteinander sein, einander verstehen, sich einfühlen können und sich nahe sein“. Ich bin ein sehr feinfühliger, empathischer Mensch. Ich ertrage diese Feinfühligkeit selbst kaum. Du spiegelst in weiten Teilen genau das Gegenteil meiner Grundannahmen wider. Für dich ist es wichtig, voneinander weg gehen zu können, distanziert zu sein, für dich sein zu können. Während ich künstlerisch sublimiere und Erfüllung in der Sehnsucht suche, findest du völlig rationalisiert Alternativen in der Realität. Mein Selbstbild ist geprägt von der Annahme, ich sei gut wenn ich originell, sensibel und gut bin. Deines ist geprägt von Optimismus, Fröhlichkeit und Nettigkeit. Während ich ewig nach der blauen Blume, dem heiligen Gral suche und wohl zugeben muss, dass ich wie eine Disney Prinzessin darauf warte, dass ein Prinz mich aus meinem Elend rettet und die große Liebe endlich die Erlösung bringt, willst du dich auf keinen Fall festlegen. Du bist rationell. Du hast Angst vor seelischer und körperlicher Nähe. Wer zu viel fühlt kann auch Schmerz fühlen. Du willst keinen Schmerz fühlen. Für mich ist Schmerz genau das, was Potential des Erschaffens in sich trägt. Ich habe dich geliebt und wollte dir helfen, deinen Schmerz zu essen, zu kauen, zu schlucken und zu verdauen. Ich wollte dir dabei helfen, deine dunkle Seite genauso lieben zu lernen wie deine hellen. Du hast auf mich stets gewirkt wie jemand der mehr und mehr und noch mehr will. Für den das Jetzt nie genug zu sein scheint weil er etwas noch besseres will. Ich dachte, ich könnte dir zeigen, dass es helfen kann, das Leben zu verlangsamen, das ständige Geschwätz einzustellen und auch den Teil des Lebens zu akzeptieren, der unschön und schwierig ist. Dafür hast du mich zuletzt gehasst. Anfangs dachte ich, dein Hass sei berechtigt. Ganz meinem Wesen entsprechend habe ich die Schuld nur in meiner Unvollkommenheit gesucht und nicht bemerkt, dass du eigentlich wütend auf dich selbst bist. Auf deine Unvollkommenheit und deine fehlende Empathie. Ich glaube, du bist wie einer der Jungen aus Peter Pans Nimmerland. „Niemals erwachsen werden“. Ein ewiges Kind. Vielleicht ist es deine Lebensaufgabe, noch ein zweites Mal zur Welt zu kommen und erwachsen zu werden. Ich weiß es nicht. Meine ist es, einen gesunden Realismus zu entwickeln. Ich muss lernen, meine Sehnsucht auf die Wirklichkeit zu begrenzen und meine Füße auf dem Boden zu halten. Balance finden. Ohne dich wäre ich dieser Erkenntnis noch so unendlich fern! Ich danke dir von Herzen. Für die Freude und den Schmerz die ich durch dich empfinden konnte. Für das Lachen und das Weinen, dass du in mir ausgelöst hast. Für die hellen und die dunklen Momente. Es wird nie wieder so sein wie vorher. Ich werde nie wieder so sein wie vorher. Auch wenn unsere Geschichte vermutlich an diesem Punkt zu Ende geht, so möchte ich sie nicht missen. Ich habe mich dir gegenüber von meiner dunkelsten Sete gezeigt und ebenso hast du mir deine offenbart. So sind wir. Menschlich. Unvollkommen.

Mit meinen leuchtenden Blitzen kann ich sehen, wo meine Reise hinführt wenn der Sensenmann mich erreicht und meine Hand berührt.

Arcade Fire – Wake up

Ich sitze in dieser merkwürdigen Dachgeschosswohnung mit etwa zehn anderen. Es gibt eine kleine Couch und einen Sessel und ganz viele Sitzsäcke. Wir sitzen im Kreis und unterhalten uns während ein Joint nach dem anderen herumgereicht wird. Ich weiß nicht mehr, was geredet wurde oder mit wem ich geredet habe. Ich erinnere mich tatsächlich nur daran, dass dieser Joint das einzige zu sein schien, was diese wirr zusammengewürfelte Gruppe wirklich verband. Ich hab überhaupt nichts gegen Gras. Ich rauche selber gerne. Jedoch eher gezielt. Ich schreibe gern während ich high bin und höre dabei tatsächlich die „Doors“ – ja Klischee pur. Mein Problem war, dass in dieser Runde dieser verdammte Joint wie ein religiöser Kelch herumgereicht wurde. Er bildete das Zentrum jeglicher Konversation. Ich war mir sicher, dass die meisten in der Runde sich nüchtern, nicht mal wirklich mochten. Ein Haufen Anfang zwanzig Jähriger, die allesamt das System kritisieren und „ihr eigenes Ding“ machen wollen aber tatsächlich überhaupt nichts tun. Menschen die kritisieren, wie dramatisch die „Ellenbogenmentalität“ sich auf die Entwicklung des Individuums auswirkt und wie traurig der fehlende Zusammenhalt in der Gesellschaft ist und paradoxerweise zeitgleich ihren Egozentrismus zelebrieren. Von Zusammenhalt war dort nämlich nichts zu spüren. Der Eine war, dem Anderen scheißegal. Tausend unausgesprochene Worte. Keiner sagte tatsächlich, was er wirklich dachte. Und während wir so dasaßen und heuchlerisch über „das große Ganze“ philosophierten, bemerkte ich nur ihn. Er schien der Einzige zu sein, dem all dies auch bewusst zu sein schien. Er kam mir vor wie jemand, dem meine Gedanken nicht fremd waren und der ebenso mehr sieht, als das Offensichtliche. Ich dachte bis zu diesem Zeitpunkt, mich könne man nicht mehr täuschen…

Schicksal. Synchronisation. Simultanität.

Wir lernen nicht rein zufällig einen Menschen kennen, weil wir uns in ihn verliebt haben. Die Lustgefühle, die wir in der Kontaktphase erleben, sind lediglich Mittel zum Zweck. Das Leben schickt uns genau die Menschen und die Situationen, die es uns ermöglichen, uns selbst zu begegnen. Das egoistische, männliche Prinzip auf der einen und das altruistische, weibliche Prinzip auf der anderen Seite könnten sich ergänzen und jeder der beiden Menschen könnte vom anderen lernen, um so seinen Weg zur inneren Harmonie zu finden.

Ähnliches ist mir passiert. Und so ist unsere Geschichte unglaublich grausam und doch wunderbar zugleich. Wunderbar, weil sie mir geholfen hat, mich zu erkennen. Es ist eine Liebesgeschichte. Keine Klassische. Es ist eine Geschichte über die Selbstliebe.

Ein Narzisst lebt in Extremen. Mittelmaß wiederstrebt ihm zutiefst. In einer Beziehung oder engen Freundschaft mit einem Narzissten kann keine dauerhafte Harmonie entstehen. Immer wieder treibt es ihn dazu, aus gewohnten Verhältnissen auszubrechen. Es mag Augenblicke der Eintracht geben, doch er wird diesen Zustand früher oder später zerstören. Wenn alles harmonisch und gleichmäßig verläuft, spürt er sich selbst nicht mehr. Was dann bleibt, ist eine Art innere Leere. Er fürchtet sich vor  Eintönigkeit und genau dieser, seiner eigenen inneren Leere. Daher flüchtet er in extreme Reize als Ersatz für diese unerträgliche Leere und jagt ständig dem „ultimativen Kick“ hinterher. Er ist niemals zufrieden. Aus diesem Grund kann er auch überhaupt  keine beständige Liebe geben. Er ist selbst nicht erfüllt von echter Liebe und kann daher, seiner Wesensart entsprechend, einfach nur übertriebene Liebe vortäuschen. Er weiß nicht, was wahre Liebe ist und wie sie sich anfühlt. Er hat sie niemals gefühlt. Die Hoffnung, ein Narzisst könnte jemanden wie mich auf tiefe und ehrliche Weise berühren, wird  glücklicherweise ein unerfüllbares Hirngespinst bleiben. Meine Erwartungen diesbezüglich haben ihn lediglich überfordert denn sie hielten ihm einen Spiegel vors Gesicht.

 Im Volksmund gelten Narzissten als selbstverliebt. Dabei sind sie einfach nur selbstbezogen. Echte Liebe vermag der Narzisst weder für sich noch für andere zu empfinden. Er war nicht menschlich. Denn was macht uns denn menschlich? Die Empathie! In mir sah er die Dinge, die er nicht zu fühlen fähig ist. Genau das konnte er nicht ertragen.

Ein Narzisst kann anderen Menschen jedoch als Leuchtturm für deren eigenes Leben dienen. Meistens leben die Partner von Narzissten nämlich in dem anderen Extrem: Sie sind bescheiden, zurückhaltend, opfern sich für andere auf. Eines haben diese beiden Typen gemeinsam. Auch hier fehlt die Selbstliebe.

Wahre, echte Liebe beginnt immer bei sich selbst. Wer sich nicht selbst annehmen, achten, schätzen und für seine eigenen Überzeugungen, seine eigenen Werte einstehen kann, der liebt sich nicht. Wer nicht bereit ist, sich selbst zu akzeptieren, sich selbst zu gefallen und auf sich selbst zu hören, der kann es schlecht von anderen erwarten und darf sich nicht wundern, wenn er entsprechend behandelt wird. Wer sich selbst kennenlernen will, der muss nach innen schauen und seine tiefere, unbewusste Welt ergründen. Liebe bedeutet, sich selbst kennenzulernen und anzunehmen. Liebe bedeutet aber vor Allem auch, alles anzunehmen, was sich in jedem einzelnen Augenblick des Lebens manifestiert, jeden Menschen, jede Situation, jeden Gedanken und jedes Gefühl. Positive und negative Facetten. Echte Liebe befindet sich weder in dem Extrem von Macht und Herrschaft auf der einen Seite noch in dem von Unterwerfung und Aufopferung auf der anderen Seite. Wahre und aufrichtige Liebe liegt im Ausgleich genau dieser beiden Pole, im ganzheitlichen, wechselseitigen Einklang dieser beiden Extreme. Macht- und Herrschaftsansprüche wandeln sich so im Zustand der Harmonie in Solidarität, Unterwerfung und Aufopferung in Selbstbestimmung um. Der Narzisst kann seinem Gegenüber zeigen, was es bedeutet, mehr auf sich selbst zu achten, für seine Bedürfnisse einzustehen und für seine Ideale zu kämpfen. Auf der anderen Seite kann dem Narzissten gezeigt werden, was es bedeutet, liebevoll für andere Menschen zu sorgen, sich in andere Menschen hineinzuversetzen, geduldig zu sein und nicht immer im Vordergrund stehen zu müssen.

 Und so begegnete mir jemand, mit dem genau dies geschah – auf meiner Seite zumindest. Und so schreibe ich diese Geschichte, meine Geschichte trotz Allem voller Dankbarkeit für das, was du mir gezeigt hast.

Idealisierung – Entwertung – Wegwerfen. Dies sind jene Dinge, die ich habe mit mir geschehen lassen. Du hast mich weggeworfen, als wäre ich nichts. Weil ich nichts für dich war. Du hast dich nie um mich geschert und du wirst es auch nie tun. Ich war Mittel zum Zweck. Das ist in Ordnung. Ich verstehe dich. Und ich weiß, wie sehr dich dieser Satz trifft. Ich verstehe dich. Du und ich. Es gab genau eine Sache, die wir wirklich gemeinsam hatten.

Schwarz und Weiß

Ich stehe am Bahngleis und betrachte die Schienen. Es ist kalt. Ich habe keine Schuhe. Ich habe nichts in meinen Taschen außer dem Schlüssel zu einem Friseursalon, den ich putze und meinem Handy. Mir laufen unentwegt Tränen die Wangen herunter. Ich friere aber ich bemerke es nicht. Meine Hände schmerzen – er hat sie so fest gehalten. Ich habe blaue Flecken an den Armen und Beinen. Von ihm. Ich weiß nichts mehr. Ich bin so unglaublich müde. Ich will nicht mehr. Es gibt keinen Ort auf dieser Welt, zu dem ich gehen kann. Ich habe keine Familie, keine Freunde – niemanden, der mir heute Nacht hilft. Es ist zu viel. Ich kann nicht mehr. Ich schäme mich.

Wie lange ich so dastand weiß ich nicht. An diesem Tag fehlte mir jedes Gespür. Irgendwann kam sie vorbei. Zufällig. Sie war gerade auf dem Nachhauseweg von der Arbeit. Myriam. Wir haben uns kennengelernt, als ich ein Jahr zuvor an der österreichischen Grenze die neu ankommenden Flüchtlinge versorgt habe. Seit ein paar Monaten hatte sie ein Zimmer in einem Flüchtlingsheim in meiner Stadt. Ich war ein paar Mal mit ihr Kaffee trinken, habe ihr geholfen einen Job zu finden. Sie ist Ende zwanzig. Christin. Aus Afghanistan. Sie ist klug und witzig, sehr hübsch. Sie hat unerträgliches Leid erfahren müssen. Ich unterhalte mich gerne mit ihr. In dieser Nacht nahm sie mich mit zu sich. Sie machte mir Tee und hörte mir zu. Eine Ewigkeit. Ich weinte. Sie nahm mich in den Arm und sagte mir, dass alles gut werden würde. Das wurde es tatsächlich. Nachdem ich für die Dinge, die mir in dieser Nacht und auch in den Wochen davor zugemutet wurden finanziell entschädigt wurde, gab ich ihr einen Teil davon. Sie wollte es nicht annehmen aber ich bestand darauf. Ich sagte ihr, sie solle es für ihre Zukunft verwenden die gut werden würde. Eine Woche später erhielt sie den Bescheid. Sie darf hier bleiben. Wir treffen uns jetzt öfter. Ohne sie hätte ich in dieser Nacht vermutlich entschieden, dass mein Leben nicht weitergelebt werden kann. Sie kam zum genau richtigen Zeitpunkt. Myriam. Synchronisation.

Ich schreibe dieses Buch im April und Mai 2017. Es ist mein zweiter Anlauf. Wenige Wochen zuvor habe ich bereits das erste Mal damit angefangen meine Geschichte aufzuschreiben. Eine ganze Nacht und einen ganzen Tag lang habe ich geschrieben. Am nächsten Tag, war nichts mehr davon auf meinem Computer zu finden. Im Nachhinein weiß ich, dass das gut war denn ich hätte die Wahrheit noch nicht so darstellen können, wie ich es jetzt kann. Ich bin 26 Jahre alt und lebe in einer spießigen Kleinstadt im Süden Bayerns. Ich habe zwei Kinder. Einen Sohn der 9 Jahre alt ist und eine fast fünfjährige Tochter. Während ich dieses Buch schreibe habe ich die hoffentlich schlimmste Zeit meines Lebens hinter mir. Ich bin seit 6 Jahren in Therapie, habe mich vor eineinhalb Jahren von dem Vater meiner Kinder getrennt und bis vor kurzem, musste ich mich mit ihm rumschlagen, da er mich einfach nicht losgelassen hat. Er hat versucht mir unsere Kinder wegzunehmen und mir unglaubliches Leid zugefügt. Weil er mich festhalten wollte. Ich verzeihe ihm. Er wusste es nicht besser.  Mein Vater ist vor kurzem erst verstorben. Ich konnte mich nicht von ihm verabschieden. Ich weiß nicht einmal ob ich dies gewollt hätte. Ich vergebe ihm jedoch. Er konnte nicht anders.  Ich musste den Kontakt zu meiner Mutter, meinem Bruder, unserer Familie komplett abbrechen. Ich verzeihe ihnen ihre Taten denn sie rühren daher, dass sie sich nicht selbst annehmen können. Ich vergebe mir selbst für die Dinge, die ich getan habe. Für das Leid, das ich Menschen zugefügt habe. Ich bin voller Fehler. Ich hab unglaublich oft die falsche Entscheidung getroffen. Dieses Buch ist meine Art mit der Vergangenheit abzuschließen. Ich hab zu lange nicht erkannt, dass nur ich allein den Schlüssel hierfür in mir trage. Ich war naiv und jung und habe darauf gewartet, dass jemand kommen wird um mich aus diesem Schlamassel zu retten. Es kam jemand – ich selbst. Es scheint mir, als wäre ich mein halbes Leben in einer dunklen, feuchten Grube gesessen, umringt von Moos und hätte endlich erkannt, dass ich nur aufstehen muss um hinauszuklettern und das Licht zu sehen. Hier bin ich nun – im Licht. Einer meiner Füße steht noch im Schatten. Das ist in Ordnung. Ich lerne. Jeden Tag.

 Im Dezember letzten Jahres lernte ich durch Zufall jemanden kennen, der mir meine Fehler wie kein anderer aufzeigen konnte. Jemanden den mir, davon bin ich überzeugt, das Schicksal zugespielt hat. Es ist gut möglich, dass wir nie wieder ein Wort miteinander wechseln werden. Ich hab mich zuletzt nicht von meiner besten Seite gezeigt. Er jedoch auch nicht. Das macht aber nichts. Ohne ihn wäre ich niemals an dem Punkt, an dem ich jetzt bin. Freier als jemals zuvor. Wer dieser jemand ist? Dazu kommen wir auf jeden Fall noch. Der allesverändernde Anstoß begann mit dieser Nachricht an ihn:

Bevor ich nun auch versuche zu schlafen, möchte ich diese Zeilen noch loswerden. Ich wünsch´ dir von ganzem Herzen, dass du findest wonach du suchst. Dass du herausfindest warum dich diese immerwährende Sehnsucht quält und dass du es schaffst der Mensch zu werden, der du wirklich sein möchtest, sein kannst, der deinem Innersten entspricht. Ich wünsche dir von ganzem Herzen, dass du deine Träume wahr werden lassen kannst und dass du jemanden findest, der dich auf genau die Art und Weise ergänzt, die du brauchst und die dich vollkommen werden lässt. Ich wünsch dir Freundschaften und Beziehungen, die dich wachsen lassen und dir Nähe, Geborgenheit und Sicherheit schenken können. Ich wünsch´ dir so viel Gutes, dass es sich selbst für mich schwer in Worte fassen lässt. Du hast nichts anderes als das Beste für dich verdient – gib dich nicht mit etwas anderem zufrieden. Ich wünsch´ dir, dass deine Zweifel immer leiser werden und irgendwann verstummen. Ich wünsch´ dir, dass du Freude, Glück und Liebe empfindest, dass dein Licht deinen Schatten trotzt und du erkennst, dass du alles sein kannst weil in dir diese unglaubliche Kraft ist, die nur darauf wartet genutzt werden zu können. Ich wünsch´ dir, dass all die Dämonen aus deiner Vergangenheit hinweg ziehen an den Ort der so weit wie nur möglich weg liegt von der Zukunft sodass diese in all´ ihrer Herrlichkeit geschehen kann. Ich hab´ gesehen wer du bist und ich wünsch´ dir mit allem Guten, das in mir steckt, dass du es auch siehst. Es dauert noch und du brauchst Geduld und Ruhe, Mut und Stärke und diese Prise Humor an der richtigen Stelle, die ich so sehr an dir schätze. Wenn dich in Zukunft Zweifel plagen, dann vergiss nicht, dass es jemanden gibt, der ganz fest an dich glaubt – immer und glaub an dich, jeden Tag.  Ich wünsch´ dir nur das Allerbeste für dich und die Menschen die dir wichtig sind und in Zukunft wichtig sein werden. Vor dir liegt ein Leben, das unglaublich lebenswert ist und du darfst jede Sekunde davon genießen. Du bist wertvoll. Ich wünsch´ dir, dass auf deinem Weg für dich mit jedem Schritt ein Stein von deinem Herzen fällt, soange bis keine mehr übrig sind und du frei bist. Ich denk an dich und ich vergess dich niemals. Dir gehört immer dieses kleine Stück von meinem Herzen und wenn du nicht weiter weißt, dann scheu dich nicht zu mir zu kommen ich werd da sein wenn ich kann – Immer. Danke für jeden Moment mit dir, du hast mir so viel Gutes getan. Ich bewahre jede Erinnerung auf weil sie unendlich kostbar sind. Irgendwann, wenn es  nicht mehr weh tut, werde ich drüber schreiben, über dich und mich und diese Magie zwischen uns, ein ganzes Buch voll und ich weiß bereits jetzt, dass genau das mein Buch sein wird, dass mich weiterbringt. Ich bin so froh, dass es dich gibt und ich ein Stückchen auf deinem Weg mitgehen durfte und ich will keine Sekunde davon missen. Es war die allerschönste Zeit. Danke! Ich liebe dich, so wie du bist ohne Bedingung, ohne Erwartung einfach nur dafür, dass es dich gibt.

„Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar“

Antoine de Saint Exupery

Pass auf dich auf!

Während ich diese Zeilen schrieb, wusste ich bereits, dass sie für mich selbst der Beginn einer monumentalen Veränderung sein würden. Der Beginn eines Wandels, von dem ich niemals zuvor gedacht hätte, ihn vollziehen zu können. Für manch einen mag dieser so banal sein, für mich jedoch ist es genau der Schritt gewesen, der alles verändert hat. Ich habe in der Vergangenheit bereits Bücher geschrieben über andere. Ich habe Welten erfunden, Beziehungen dargestellt und andere Menschen wichtig werden lassen. Auch er, dem diese Zeilen gewidmet sind ist wichtig. Ich bin gerade jetzt im Moment für mich jedoch wichtiger deshalb kommen wir erst später zu ihm und all den anderen wichtigen Menschen in meinem Leben. Ehrlich gesagt, habe ich noch nie jemanden getroffen, der nicht wichtig gewesen wäre.  Das hier jedoch, das ist etwas ganz Neues für mich. Etwas anderes, das ich zuvor niemals gewagt hätte. Das ist meine Geschichte. Das bin ich. Ungeschönt und voller Fehler. Ehrlich, aufrichtig und unvollkommen. Das hier ist meine Geschichte.

Kartoffeln und Datteln

Manchmal, da sitzt man einfach nur da. Man sieht aus dem Fenster und fragt sich wann das Leben wohl endlich so werden kann, wie man es sich vorgestellt hat. Wann...wann…? Wann!

Nur allzu oft sind wir das, was wir niemals sein wollten und haben vergessen, wer wir wirklich sind. Niemand, der keine klare Vorstellung von uns hat. Wie wir waren. Wie wir sind. Wie wir zu sein haben.

Der Tag zieht an einem vorbei. Regen, Sonne, Wind, Schnee. Hell. Dunkel. Man kommt nicht umhin sich zu fragen „War ich immer wer ich sein wollte? Bin ich, wer ich sein will?“ Es ist viel zu oft nicht erwünscht. Passen sollen wir und was nicht passt, wird passend gemacht. Uns ist oft viel zu wichtig, was andere von uns denken. Wir hören auf die Meinung von Menschen, die uns nicht einmal wirklich kennen anstatt unserem Herzen zu folgen. Dabei braucht es nicht viel: Ein kleines bisschen Ehrlichkeit, eine Prise Humor, einige Schöpfer Mut und ein ganz kleines bisschen Liebe – für sich selbst.

Ich wurde in einer stürmischen Novembernacht 1990 geboren. An einem Sonntag. Meine Mutter ist Deutsche, mein Vater war Tunesier. Sie hatten mir oft gesagt, dass ich wie ein Sturm über sie hereingebrochen sei. Intensiv und ohne Vorwarnung. Auch später haben mich Menschen des Öfteren als Naturgewalt beschrieben. Ich sehe mich selbst eher nicht so. Lange habe ich überhaupt nicht gewusst wie ich mich sehe, nun weiß ich es vielleicht. Bis dahin war es ein unglaublich langer, mühsamer und steiniger Weg. Ich bin durch Wüsten und Meere gewandert. Hab gefroren und mich in wilder Hitze versengt. Ich hab tausend Tränen geweint und von Herzen gelacht. Ich hab halbherzig gehasst und intensiv geliebt. An jedem Tag.  Ich hab jedes einzelne Gefühl sich wie eine Welle über mir ergießen lassen. Jedes einzelne davon unendlich genossen. Ich war nie vorsichtig, nie bedacht. Ich bin stets mit dem Kopf voraus ins Wasser gesprungen ohne zu wissen, wie tief es tatsächlich war. Mir hat jemand, der mir in der Vergangenheit einmal unendlich viel bedeutet hat gesagt, dass er wenn er Menschlichkeit beschreiben müsste, meinen Namen nennen würde. Das bin ich wohl – völlig unvollkommen menschlich.