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Wie kommt man besten unter die Haube? Der humorvolle Liebesroman »Die Sterne stehen auf Hochzeit« von Kavita Daswani jetzt als eBook bei dotbooks. Anju ist jung, schön und erfolgreiche Moderedakteurin in New York. Zum vollkommenen Glück fehlt ihr nur noch eines: der perfekte Ehemann. Zur Verblüffung ihrer New Yorker Freunde geht sie die Suche ganz ihren indischen Wurzeln entsprechend an. Etliche Heiratsmakler, Gurus und Astrologen werden befragt, reihenweise junge Männer müssen sich dem kritischen Blick ihrer Eltern stellen, hochoffizielle Rendezvous werden im großen Familienkreis arrangiert – doch der Richtige ist nicht dabei ... Anjus Mutter kommt mit immer verrückteren Ideen daher, um ihrer Tochter zu helfen und treibt sie damit beinahe in den Wahnsinn. Aber vielleicht kann Anju ihr Glück ja auf eigene Faust finden? »Gehen Sie mit diesem Buch nur an einen LEEREN Strand. Denn Sie werden brüllen vor Lachen.« USA Today Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der Liebesroman »Die Sterne stehen auf Hochzeit« von Kavita Daswani wird Fans von Mhairi McFarlane und der Netflix-Erfolge »Never have I ever« und »Indian Matchmaking« begeistern. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 372
Über dieses Buch:
Anju ist jung, schön und erfolgreiche Moderedakteurin in New York. Zum vollkommenen Glück fehlt ihr nur noch eines: der perfekte Ehemann. Zur Verblüffung ihrer New Yorker Freunde geht sie die Suche ganz ihren indischen Wurzeln entsprechend an. Etliche Heiratsmakler, Gurus und Astrologen werden befragt, reihenweise junge Männer müssen sich dem kritischen Blick ihrer Eltern stellen, hochoffizielle Rendezvous werden im großen Familienkreis arrangiert – doch der Richtige ist nicht dabei ... Anjus Mutter kommt mit immer verrückteren Ideen daher, um ihrer Tochter zu helfen und treibt sie damit beinahe in den Wahnsinn. Aber vielleicht kann Anju ihr Glück ja auf eigene Faust finden?
Über die Autorin:
Kavita Daswani wurde in Bombay geboren. Sie arbeitete als Moderedakteurin für CNN und CNBC Asia, schrieb außerdem für »Women’s Wear Daily«, die »Los Angeles Times« und »The International Herold Tribune«. Heute lebt Kavita Daswani in Los Angeles.
Von Kavita Daswani erscheint bei dotbooks auch »Flieg mit mir zur Wolke Sieben«.
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eBook-Neuausgabe April 2023
Die amerikanische Originalausgabe erschien erstmals 2003 unter dem Originaltitel »For Matrimonial Purposes« bei G. P. Putnam’s Sons, New York. Die deutsche Erstausgabe erschien 2003 unter dem Titel »Love Happens, oder: Heirat auf Indisch« im Europa Verlag
Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 2003 by Kavita Daswani
Copyright © der deutschen Erstausgabe Europa Verlag GmbH, Juli 2003
Copyright © der Neuausgabe 2023 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Kristin Pang, unter Verwendung eines Motives von girafchik / AdobeStock
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ae)
ISBN 978-3-98690-512-5
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Kavita Daswani
Die Sterne stehen auf Hochzeit
Roman
Aus dem Amerikanischen von Claudia Wuttke
dotbooks.
»Die gewöhnliche religiöse Hochzeit wurde und wird noch immer nach langen Beratungen, der Auswertung von Horoskopen, dem Zusammentragen günstiger Vorzeichen sowie der Übereinstimmung gewisser vielversprechender körperlicher Eigenschaften von den Eltern der Brautleute arrangiert … Während der Mann mindestens zwanzig Jahre alt sein sollte, sollte die Frau kurz vor ihrer Pubertät verheiratet werden.«
A. L. Basham in: The Wonder that was India
Meine Großmutter wurde zwei Tage vor ihrem zehnten Geburtstag verheiratet. Meine Mutter fand ihren Mann mit zwanzig. Wenn ich also davon ausging, daß sich das akzeptable Alter zum Heiraten mit jeder Generation um zehn Jahre nach hinten verschob, dann hätte ich mein Jawort spätestens mit dreißig geben müssen.
Inzwischen war ich aber schon dreiunddreißig und weit davon entfernt, in den heiligen Stand der Ehe zu treten. Genau dieser Umstand, über den niemand in meiner Familie besonders glücklich war, trübte die Freude ausgerechnet auf der Hochzeit meiner zweiundzwanzigjährigen Cousine Nina und führte dazu, daß sich der bis dahin zurückgehaltene Unmut schließlich Bahn brach.
Nina war, wie man bei uns sagte, »über das Seil gesprungen«. Sie war bedeutend jünger als ich, und doch heiratete sie vor mir. Andererseits, hob Ninas Mutter bei der Gelegenheit hervor, wie lange glaubte eine Frau denn auch, warten zu können?
Ich bemühte mich, zu lächeln und ein glückliches Gesicht zu machen. Nicht daß ich unglücklich gewesen wäre. Lediglich die Hitze machte mir an diesem schwülen Maiabend zu schaffen, und ich war ein wenig nervös, zumal ich bemerkte, wie sich unter meinen Achseln auf dem Stoff meines Sari feuchte, silbergraue Halbkreise abzuzeichnen begannen. Ich hätte mir doch das Deo besorgen sollen, das mir mein Hautarzt empfohlen hatte ‒ es hätte die Schweißbildung mindestens um die Hälfte reduziert, wenn nicht ganz unterdrückt. Statt dessen mußte ich nun die Oberarme an meinen Körper pressen, um die verräterischen Flecken zu verstecken. Mein Sari und die dazu passende Bluse waren in einem Blaßrosa gehalten ‒ nicht gerade eine Farbe, um Schweiß zu kaschieren. Es war ein cremiges, zartes Rosa, das an den perlmuttenen Schimmer von Muscheln erinnerte oder an die Haarbänder kleiner Mädchen. Knapp sechs Meter Stoff waren um meinen fitneßstudiogestählten Körper gewickelt, geheftet und gekräuselt, was mich nach meinem Dafürhalten wie ein rotleuchtendes, gefülltes Omelett aussehen ließ. Das zumindest gab ich jedem zur Antwort, der mir vorschwärmte: »Wie hübsch du heute bist, Anju!«
Den ganzen Abend war ich hektisch damit beschäftigt gewesen, den Sitz der Blumen in meinem Haar zu kontrollieren. Sie waren nicht echt, sondern aus Papier, erstanden in einer dieser Bretterbuden, die es in Bombay an jeder Straßenecke gab, und die einzelnen Blüten waren kaum halb so groß wie ein Fingernagel. In meiner aufwendigen Hochfrisur steckte mindestens ein Dutzend davon. Das war nicht gerade meine Vorstellung von dezentem Chic. Aber mein Friseur hatte darauf bestanden: »Deine Cousine heiratet. Da brauchst du etwas Schmuck.«
Zum Glück war dezenter Chic auch nicht das Gebot der Stunde im Jhulelal-Tempel, in dem Nina in Anwesenheit von dreihundert Menschen ‒ die meisten von ihnen hatte sie nie zuvor gesehen ‒ ihrem Zukünftigen in Kürze das Jawort geben sollte. Ich fühlte mich unwohl, exponiert mit den anderen Angehörigen vorn bei der Braut zu stehen, ich, die ältere, unverheiratete Cousine, und ich war mir der neugierigen Blicke der Leute durchaus bewußt ‒ sicher, sie wollten sehen, was ich anhatte, mehr noch aber wollten sie herausfinden, ob sich in meinem Gesicht ein Anflug von Schmerz oder Eifersucht abzeichnete, wo doch schon wieder eine jüngere Verwandte von mir heiratete. Ich schloß meine Augen für einen Moment, atmete tief ein und fand meine Mitte, wie man es mir jeden Mittwoch in meinem Hatha-Yoga-Kurs zeigte. Darauf wurde mein Lächeln ein wenig breiter und blieb es auch während der ganzen Zeremonie.
»Du bist die nächste«, flüsterte meine Tante Mona, die zweite Cousine meiner Mutter, mir ins Ohr. Sie grinste mich an und offenbarte dabei zwischen den Schneidezähnen eine Lücke in der Größe Ost-Timors. So unattraktiv der Anblick auch war, galt dieser Spalt doch als Symbol des Glücks. Jeder Gesichtsleser, der sein Chapatti-Brot wert war, wußte, daß je breiter die Lücke, desto großzügiger Fortuna. »Mach dir keine Gedanken, Beti, es wird nicht mehr lange dauern, und dann bist du an der Reihe«, sagte sie und klopfte mir dabei tröstend auf den Rücken. »Armes Mädchen. Jetzt heiratet schon wieder eine deiner Cousinen vor dir. Aber mach die bloß keine Sorgen, Gott wird deine Gebete erhören. Es ist alles nur eine Frage des Karmas. Ts, ts, ts.« Ich lächelte höflich, wie ich es in all den Jahren gelernt hatte, und wunderte mich insgeheim, daß sich mein Selbstbewußtsein in den vergangenen Tagen noch nicht vollständig in Luft aufgelöst hatte. Seitdem ich vor einer Woche in Bombay angekommen war, war mir vieles zuteil geworden: Rat, Zuneigung, Mitgefühl, am häufigsten aber Mitleid und Trost. So wie jetzt von Tante Mona, die mir ihren Zuspruch mit einer solchen Grabesstimme zuraunte, als hätte man soeben Multiple Sklerose bei mir diagnostiziert. Meine Verwandtschaft kam keine Sekunde auf die Idee, mich nach meinem spannenden, unabhängigen Leben in New York zu fragen, was ich dort tat, wer meine Freunde waren, ob ich ein Ticket für das Broadway-Stück »The Producers« erstanden hatte, als Matthew Broderick und Nathan Lane noch mitspielten.
Statt dessen wurde ich unablässig gefragt, warum ich noch nicht verheiratet war.
Ich wandte mich wieder Nina zu, die in ihrem Traum von Hochzeitssari wirklich hinreißend aussah. Er war ebenfalls rosafarben, aber ihr Rosa war ein viel festlicheres: satter, kräftiger, dunkler, aufwendig mit Gold bedruckt ‒ es war das Gewand einer Braut. Um ihr in der Mitte gescheiteltes, glänzendes schwarzes Haar hatte sie ein Tuch aus dem gleichen Stoff gelegt, und ihre makellose weiße Stirn war mit winzigen roten Punkten bemalt, die sich in Bögen um ein aus Gold und Diamanten gefertigtes Bindi schmiegten. Mit einer ihrer großzügig mit Henna gefärbten Hände strich sie sich eine Strähne zur Seite, die ihr über die halbgeschlossenen Augen gefallen war. Nina betete, benommen von der Hitze und dunkelrot im Gesicht. Sie und ihr Bräutigam saßen ‒ ihre Eltern jeweils neben sich ‒ vor einem hellen, orangezüngelnden Feuer, beide tief in Gedanken versunken, während der Priester unserer Familie, der Maharischi Girdhar, einen Endlosmonolog auf Sanskrit vor sich hin murmelte, den außer ihm niemand verstand.
Die Zeremonie war fast vollzogen, und was jetzt noch folgte, war seit jeher mein absolutes Lieblingsritual: Der Bräutigam tauchte seinen Finger in eine Schale mit Sindoor, rotem Zinnoberpulver, und strich damit den Scheitel seiner Braut entlang, als wollte er sagen: »Du gehörst jetzt mir. Wir sind füreinander bestimmt.« Dabei sah er sie mit einem Blick an, aus dem nicht unbedingt Liebe sprach und auch keine Ergebenheit, mir kam es eher wie eine Mischung aus Stolz und furchtsamer Scheu vor. Aber was auch immer genau es war, es wirkte aufrichtig, aus Dankbarkeit geboren. Zudem schien er erleichtert. Er hatte es geschafft, er hatte die perfekte Frau gefunden. Nun würde der Spaß losgehen, und später würden sie ihre erste gemeinsame Nacht verbringen, sich sogar zum ersten Mal küssen.
Der Bräutigam hatte Ninas Herz erobert, ohne sich wirklich darum bemüht zu haben. Sie erlag seinem Aussehen, seiner Größe (er war einen Meter achtzig), seiner umgänglichen, zuvorkommenden Art. Es war ein abgekartetes Spiel. Sie haben sich zweimal getroffen und verlobten sich. Das war vor fünf Wochen.
Das Paar stand auf, bereit, sich zu umarmen und die Ringe auszutauschen. Nina senkte den Kopf vor ihrem frischangetrauten Ehemann, der sie aufgeregt wie ein Archäologe betrachtete, der soeben über einen besonders seltenen Fund gestolpert war, den er kaum abwarten konnte zu untersuchen. Innerhalb von Sekunden waren die beiden von einer Traube Gratulanten umringt, die sie herzten, küssten, ihnen die Hände schüttelten, in erster Linie jedoch, um aus der Nähe einen Blick auf die Kette zu erhaschen, die Ninas Eltern ihr geschenkt hatten, und die genaue Anzahl Karat des Diamantrings abzuschätzen, den Ninas Bräutigam ihr auf den schlanken Finger ihrer linken Hand geschoben hatte.
Auch für mich war es an der Zeit, mir den Weg durch die Menge zu dem Paar zu bahnen. Die Gerüche vermischten sich, und ich hatte das Gefühl, mich in einer Wolke aus Schweiß, Kurkuma, Paan-Blättern und Pantene-Haaröl zu bewegen, hier und da glaubte ich auch einen Hauch des einst beliebten Parfüms »Charlie« wahrzunehmen, das jemand fünfzehn Jahre in seinem metallenen Küchenschrank der Marke Godrej aufbewahrt hatte. Ich schüttelte mich kurz, ging dann weiter, und als ich bei den Eheleuten ankam, nahm ich all meine Sympathie und meinen guten Willen zusammen und umarmte sie.
»Du siehst großartig aus, Liebes. Ich freue mich so für dich. Gott schütze dich«, sagte ich und küsste Nina auf die warme, weiche Wange.
»Didi Anju«, flüsterte sie und nahm meine Hand. Ich liebte es, wenn sie mich »Didi« ‒ große Schwester ‒ nannte. »Als ich um das Feuer lief und mein Gelöbnis ablegte, habe ich auch für dich gebetet. Du bist die nächste. Ich habe Gott angerufen, und Gott erhört die Gebete einer Braut.«
Die liebenswerte Unschuld ihrer Worte hätte mich fast zum Weinen gebracht, aber Tränen hätten an dieser Stelle als ein Zeichen der Sehnsucht und Trauer mißverstanden werden können, also unterdrückte ich sie. Ich wandte mich dem Bräutigam zu und sah zu ihm auf. »Herzlichen Glückwunsch, mein Guter.« Ich streckte mich, um ihn zu umarmen. »Paß gut auf sie auf!«
Da war sie wieder: Die großzügige, verläßliche, alleinlebende ältere Schwester, genau wie das Wort Didi besagte.
Als ich meine Pflicht bei den Brautleuten erfüllt hatte, wandte ich mich ab und kämpfte mich durch die Grüppchen plaudernder Gäste, die nunmehr dem Ausgang in Richtung des unterhalb der Tempelhalle liegenden, weitläufigen Eßbereichs zustrebten. In einer Ecke machte ich meine Eltern aus und tapste, noch immer barfuß, zu ihnen hinüber. Als nächstes stand mir der Horror bevor, draußen in dem Haufen von Schuhen meine eigenen wiederzufinden. Hochzeiten in Bombay waren ein Fest für Schuhdiebe, und ich fragte mich ‒ bedauerlicherweise ein wenig zu spät ‒ ob es wirklich eine gute Idee gewesen war, mich ausgerechnet für meine sechshundert Dollar teuren, bestickten Dolce-&-Gabbana-Sandalen zu entscheiden.
»Also gut, laßt uns runtergehen und essen«, sagte meine Mutter und zupfte automatisch den Teil meines Saris zurecht, der etwas durcheinandergeraten war.
Mein Vater wischte sich den Schweiß mit einem Taschentuch von der Stirn.
»Was für eine Hitze«, sagte er. »Wir sollten wirklich gehen. Vielleicht ist es unten etwas kühler.«
Aus den großen, scheppernden Kästen der Klimaanlage wurde eiskalte Luft in den Raum hinüber zu den langen Schlangen von Menschen geblasen, die sich vor dem Büffet gebildet hatten.
»Und?« fragte meine Mutter erwartungsvoll. »Hast du jemanden entdeckt, der dir gefällt? Irgendein hübscher Junge?«
»Mum, ich habe wirklich nicht darauf geachtet«, antwortete ich. »Ich wollte mich auf die Zeremonie konzentrieren. Und sollte hier wirklich ein gutaussehender, interessanter Mann rumlaufen, hätte er doch wohl schon versucht, Blickkontakt mit mir aufzunehmen, meinst du nicht?«
Meine Mutter seufzte zum wiederholten Mal und sah sich um. Menschen, deren Teller mit scharf gebratenen Auberginen und Gemüse-Biryani beladen waren, begannen, sich auf den zahllosen Reihen von Plastikstühlen niederzulassen, die zu diesem Anlaß aufgestellt worden waren.
Und in dem Moment hat sie ihn entdeckt.
»Wer ist das?« fragte meine Mutter und zeigte auf einen schwarzgekleideten Unbekannten auf der anderen Seite des Raumes. »Der Junge, der mit Maharischi Girdhar spricht.«
»Mum, hör auf, mit dem Finger auf ihn zu zeigen. Woher soll ich denn das wissen?« Ich wurde langsam gereizt. Sie war einfach unvermeidlich, diese Suche nach einem geeigneten Mann auf einer Familienhochzeit. Aber mir war heiß, und ich war müde, mein Sari fühlte sich an, als ob er sich wieder zu dem einen, langen Stück Stoff entfalten wollte, das er war, und einen Tag vor meiner Regel war ich einfach nicht in der Stimmung. Wäre mein Therapeut jetzt hier, würde er sagen, daß ich innerlich eine leichte Abwehrhaltung gegen Ninas neuen Familienstand als Ehefrau entwickelte, daß er die schlimmsten Ängste, was meine eigene Zukunft betrifft, in mir wachrufen würde. Da er mit dieser Vermutung in der Vergangenheit häufig richtiggelegen hat, hatte ich beschlossen, daß ich ihn nicht mehr mochte, und die hundertfünfundzwanzig Dollar, die er mich pro Stunde kostete, wollte ich künftig jede Woche lieber in ein neues Paar Schuhe investieren.
Aber die große, hochoffizielle Ehemann-Suchmaschine, wie ich es insgeheim nannte, lief bereits auf vollen Touren. Ich war vor ein paar Tagen gekommen und hatte schon von diesem und jenem Mann gehört, was meine Mutter jedoch soeben entdeckt hatte, schien alle zu toppen und die Perspektive meines Lebens zu sein.
Ich drehte mich zu dem Mann um, den meine Mutter im Visier hatte. Als erstes fiel mir sein extrem glänzendes Haar ins Auge, das gerade so aussah, als hätte er eine ganze Flasche Vitalis-Öl hineingekippt. Außerdem hatte er nur eine Augenbraue. Na ja, strenggenommen hatte er vielleicht doch zwei, aber sie waren zu einer zusammengewachsen. Eine Monoaugenbraue. Für einen Moment spürte ich den starken Drang, nach Hause zu laufen und mein Zupfbesteck zu holen. Er trug ein schwarzes Shirt mit feinen, eingewobenen Lurexstreifen, unter dem ein weißes Unterhemd mit kurzem Arm hindurchschimmerte, dazu schwarze Hosen. Den ultimativen modischen Flop erlaubte er sich jedoch bei den Socken: Sie waren weiß. Außerdem baumelte an der Kette, die er um den Hals trug, ein fetter Goldanhänger, ganz zu schweigen von seinem glänzenden Armband und der diamantbesetzten Uhr. Bei seinem Anblick fühlte ich mich in die achtziger Jahre zurückversetzt. Stand er am Ende auf Retro-Schick? Nein. Ich verwarf die Möglichkeit zugunsten der Annahme, daß er schlicht und ergreifend keine Ahnung hatte. Zudem kaute er so demonstrativ auf einem Kaugummi herum, daß man meinen könnte, er imitiere den Kuh-Stil. Warum sonst sollte jemand mit einem Wrigley’s im Mund auf eine Hochzeit kommen?
»Warte mal eine Minute«, ordnete meine Mutter an und marschierte los, um sich mit Ninas neuer Schwiegermutter zu beratschlagen, da sie offensichtlich zu dem Schluß gekommen war, daß, wenn der Unbekannte nicht zu unserer Seite der Familie gehörte, er wohl Teil der anderen sein mußte.
Just in dem Moment drehte sich der Monoaugenbrauen-Typ zu mir um und sagte etwas zu Maharischi Girdhar, der daraufhin meine Mutter abfing. Die beiden sprachen eine Weile flüsternd miteinander, während ich als Komposition in Blaßrosa allein in der Menge stand und unbeholfen von rechts nach links sah. Ich weiß, daß ich mich längst hätte ins Getümmel stürzen sollen, um noch mit dem entferntesten Verwandten ein paar leere Sätze auszutauschen, aber ich war inzwischen so genervt, daß ich der nächsten Person, die mich fragen würde, wann ich denn nun an der Reihe sei, ganz sicher mein mit Swarovski-Glas besetztes Judith-Lieber-Täschchen auf den Kopf gehauen hätte.
Ich entdeckte meine beiden Brüder umringt von einer Horde Mädchen, die wunderhübsch und strahlend aussahen in ihren Saris, mit großen, herabbaumelnden Ohrringen und bunten Armreifen. Ich muß dazu sagen, daß meine Brüder in ihrer Nachbarschaft so etwas waren wie Prinz William und Prinz Harry, wenn sie auch etwas älter waren als die beiden adligen Briten. Anil war neunundzwanzig, Anand zwei Jahre jünger, und die beiden waren die schärfsten und begehrtesten Jungs weit und breit. In ihrem indischen Seidenoutfit sahen sie umwerfend aus, beide waren frisch rasiert, hatten das Haar glatt nach hinten gekämmt, wenn sie lächelten, zeigten sich ihre perfekt weißen Zähne, und mit ihrer sorglosen Haltung, die hierzulande gern mit »genieße den Tag, es könnte dein letzter sein« umschrieben wurde, wirkten sie nachgerade wie frisch einer Werbung für Listermint-Mundwasser entsprungen. Die anderen, jüngeren Mädchen, die die große Ehemann-Suchmaschine angeschmissen hatten, waren fasziniert von den beiden ‒ ebenso wie ihre energisch drängenden Mütter. Dabei tat der Umstand, daß die beiden eines Tages ein Juweliergeschäft und einen Antiquitätenladen erben würden, ihrer Anziehungskraft als solcher sicher keinen Abbruch. Ich überlegte, zu ihnen zu gehen und ihnen Gesellschaft zu leisten, durchaus tolerierend, daß die Schar junger Frauen entsetzlich nett und zuvorkommend zu mir sein würde ‒ es war eben immer gut, einen unwiderstehlichen Bruder zu haben, oder auch zwei.
Dann aber sah ich, daß mein Vater allein auf dem Weg nach draußen war, also folgte ich ihm.
Über die Metallabsperrungen hinweg, die den Tempel umgaben, sah er hinaus auf den Indischen Ozean. Er wirkte wehmütig, als dächte er an all die Familienhochzeiten, denen er beigewohnt hatte, hier, in genau diesem Tempel ‒ allein im vergangenen Jahr waren es drei gewesen ‒ und wie er jedes Mal aufs neue gebetet hatte, daß er bei der nächsten seine eigene Tochter hergeben würde.
Er schloß die Augen und atmete tief durch. Als er sie wieder öffnete, sah er mich auf sich zukommen, auf meinen lächerlich hohen Schuhen über das Pflaster staksend, von denen er genau wußte, daß ich ein Vermögen für sie bezahlt hatte.
»Frische Luft«, sagte er und genoß den in dieser hektischen Woche, in der sich alles nur um die Festvorbereitungen gedreht hatte, so seltenen Augenblick der Ruhe. »Alles ist gut. Gott ist groß«, seufzte er, nachdenklich und ernst.
Ich hielt einen Moment inne.
»Puh! Hier draußen stinkt’s. Die Luft ist überhaupt nicht frisch. Auf der Madison Avenue, Ecke 75. Straße, würden die Chancen besser stehen, eine saubere Brise einzuatmen. Ich kann ja förmlich sehen, wie deine Lungen schwarz werden. Komm, laß uns wieder reingehen.«
Kaum hatten wir die Tempelhalle betreten, kam meine Mutter auf uns zugeschwebt.
»Anju, Beti, er hat nach dir gefragt. Dieser Junge. Maharischi Girdhar hat gesagt, daß er dich mag und dich gern treffen würde. Was meinst du?«
Ich muß gestehen, daß sich ein Teil von mir geschmeichelt fühlte. Es kam schließlich nicht jeden Tag vor, daß mich ein Mann in einem überfüllten, heißen Raum ausmachte und stante pede entschied, mich zu heiraten. Das letzte Mal war mir das passiert, als ich mit einer Freundin in einem heruntergekommenen Salsa-Schuppen auf der 30. Straße war. Dem Geruch nach hatten sich die Stammgäste dort seit 1976 nicht mehr geduscht. Einer von ihnen, ein Typ in einem Nadelstreifenanzug aus Polyester, mit schnurgeradem Schnauzbart und fettigem Haar, meinte, er wolle mich heiraten. Direkt danach übergab er sich in einen Blumenkübel. Bedauerlicherweise war das mein letzter Antrag gewesen.
Gleichwohl gab es da doch die Sache mit den unterschiedlichen Typen und dem ersten Eindruck. Der letzte Mann, mit dem ich regelmäßig ausging, trug Klamotten von Hedi Slimane und Prada sowie eine Tag-Heuer-Uhr. Kein Gold, kein Kaugummi. Er war cool. Und er hatte klar definierte Augenbrauen. Der traurige Grund, warum wir aufhörten, uns zu sehen, war der, daß er nicht daran dachte, mir einen Antrag zu machen.
Aber hier und jetzt wollte meine Mutter nichts von wegen schlechtem Stil oder dergleichen hören. Die Kleiderfrage war für sie kein akzeptabler Grund für ein Nein.
»Was soll ich dem Maharischi sagen?« bohrte sie nach.
»Mum«, flüsterte ich. »Er sieht aus, als stünde er auf der amerikanischen Fahndungsliste ganz oben.«
»Anju, jetzt mach aber mal einen Punkt.«
»Schon gut, schon gut. Woher kommt er?«
»Accra.«
»Accra? Wie Accra in Ghana, Westafrika?« rief ich aus. »Was zum Teufel habe ich in Accra verloren?«
»Hör auf zu fluchen, Beti. Die Leute könnten dich hören. Sie werden denken, daß du keine Manieren hast.«
Mister Monobraue war ein entfernt entfernter Verwandter des Bräutigams, und er war hier, um eine Frau zu finden. Er kam aus einer anständigen Familie, die ihr Geld mit Lebensmittelläden gemacht hatte.
»Beti, der Maharischi sagt, daß er ein sehr guter Junge ist. Aus sehr gutem Hause. Wohlhabend. Triff dich doch wenigstens mit ihm, hm?«
»Ich bin sicher, daß er sehr nett ist, Mum, aber im Ernst, ich kann mir nicht vorstellen, in Accra zu leben. Ich meine, findet da nicht alle fünf Minuten ein neuer Militärputsch statt? Und er wirkt, versteh mich nicht falsch, irgendwie uninteressant. Ich glaube nicht, daß uns viel verbindet.«
Meine Mutter warf mir den für sie typischen Blick zu, die Frust-Ärger-Enttäuschungs-Combo in XL, zusätzlich gepaart mit einem Hauch von Ungeduld.
»Ehrlich, Anju, manchmal habe ich den Eindruck, daß du schon zu lange in Umrica lebst.« Seufzend machte sie kehrt und ging zurück zu dem Priester, der auf eine Antwort wartete. Sie würde ihm sagen, daß wir darüber nachdächten, was in der Sprache indischer Eltern soviel hieß wie: Sie brauchte noch ein oder zwei Tage, um mich zu überzeugen.
Mister Monobraue war in der Zwischenzeit in Begleitung einer kleinen, drallen Frau, die ich für seine Mutter hielt, zum Büffet gewechselt. Ich lief ein wenig umher und stieß schließlich auf Namrata, Ninas achtzehnjährige Schwester, die sich um den Gabentisch kümmerte.
»Hallo, Liebes, alles klar bei dir?« fragte ich.
»Soweit ja. Ich bin nur wahnsinnig müde. Und meine Füße tun weh wie sonst was«, sagte Namrata und schwenkte eine mit hübschen Umschlägen, kleinen Seidenbörsen und einem abgegriffenen Samtkistchen gefüllte Plastiktüte eines Duty-Free-Shops aus Singapur hin und her, die jeweils Bargeld, Goldmünzen oder Schmuck enthielten, den die Braut niemals tragen würde.
»Und wie geht es dir, Didi? Amüsierst du dich?«
Namrata war genau wie ihre Schwester, liebenswert und aufrecht. Sie erinnerte mich an Britney Spears vor ihrer Zeit als sexuell aufgeladenes Popsternchen, eine aufgeweckte und beliebte junge Frau, die allerdings auf nabelfreie Tops und Minirock verzichtete. Wie ihre nunmehr verheiratete Schwester konnte auch Namrata gut singen ‒ ihr Repertoire reichte von hinduistischer Filmmusik bis hin zu den religiösen Bhajans. Sie hatte gelernt, wie man Zitronen einlegt und Papads brät. In ihrem zartfliederfarbenen, reich bestickten Gagara Choli sah sie schlicht traumhaft aus. Namrata war gerüstet, und ihre Mutter hielt bereits nach Schwiegersohn Nummer zwei Ausschau. Doch Ninas Schwester war im Gegensatz zu vielen anderen Frauen hier im Raum kein kicherndes, naives Mädchen mehr; sie war klug und hatte Humor, also beschloß ich, das Monobrauen-Dilemma mit ihr zu erörtern.
»Siehst du den Typ da drüben?« Ich zeigte in seine Richtung. »Er hat Maharischi Girdhar erzählt, der das meiner Mutter erzählt hat, daß er sich für mich interessiert. Aber er kommt aus Accra. Und was, bitte schön, soll ich in Accra?«
Namrata sah zu ihm hinüber, und über ihr Gesicht huschte ein wissendes Lächeln.
»Du kannst es dir selbst schon denken, oder, Didi? In deinem babyrosa Sari siehst du aus wie ein leckeres Stück Mäusespeck. Von außen ist alles so schön weich und süß und wonnig, und drinnen ist nichts als Luft. Das ist die Art Frau, die er sich wünscht, meinst du nicht?«
Zwei Tage später verbrachte ich den Vormittag mit meiner Mutter auf dem Bhuleswar-Markt. Sollte es eine Hölle auf Erden geben, dann stellte ich sie mir so vor. Wie aufgefädelt reihten sich unzählige kleine Buden an einer Straße entlang, die nicht wirklich eine Straße war. Die Autos kamen nicht weiter, weil ein Meter vor ihnen eine tote Kuh oder ein schlafender Obdachloser im Weg lag, Hausierer schoben alte Holzwägelchen mit Plastikeimern und rostfreien Forken umher und wuselten in dem stinkenden, von Millionen von Fliegen bevölkerten Labyrinth durch die dichtgedrängte Menschenmenge.
Wir parkten unseren weißen Ambassador und verließen die ruhige und kühle Kabine, um uns unter die schätzungsweise siebzehn Millionen Fußgänger zu mischen, denn die einzige Möglichkeit, den Bhuleswar-Markt zu bewältigen, war zu Fuß. Der Gestank nach Kuhmist war überwältigend, und jedesmal, wenn sich in dem Gewühl ein durchgeschwitzter Arbeiter an mir vorbeizwängte, verzog ich das Gesicht. Dürre Männer, deren Zähne sich vom Genuß der Paan-Blätter verfärbt hatten, pfiffen hinter uns her und ließen ein paar dumme Sprüche ab, wenn wir vor einer Bude hier oder einem Laden da unvermittelt haltmachten. Meine Mutter regte sich darüber auf, daß ich mich für bestickte Caprihosen und ein knappes weißes Martin-Margiela-T-Shirt entschieden hatte. »Du hättest dir einen Salwar Kameez aus Baumwolle anziehen sollen, Beti. So sieht gleich jeder, daß du eine Ausländerin bist.«
Und dennoch, die Schnäppchen, die wir mit nach Hause brachten, waren den Horror wert gewesen. Ich hatte mir ein paar breite Kupferarmbänder gekauft, massenhaft Bindis, kleine bemalte Tonschalen, in denen indische Familien ihr heiliges Feuer aufbewahrten, die sich aber in dem Loft meiner besten Freundin Sheryl in Tribeca ganz wunderbar als schmückende Raumobjekte machen würden. Wir erstanden ferner einen ganzen Haufen Wollschals und meterweise bunte Seidenstoffe, die Marion, Erin, Kris und die anderen Mädels vom Job im Handumdrehen in schicke Kissenbezüge oder sommerliche Wickelröcke verwandeln würden. Ich fand ein Paar mit Spiegelscherben verzierte Slipper, die bei Scoop um die zweihundert Dollar kosten würden (»So eine Frechheit!« empörte sich meine Mutter, als ich sie darauf hinwies) und die ich in Bombay für umgerechnet vier Dollar bekam. Es gab viele gute Gründe, die alte Heimat zu besuchen.
Kurz vor der Mittagszeit, bevor die Hitze zu unerträglich wurde, waren wir wieder zu Hause.
In dem Apartment auf der Warden Road, in einer hübschen Wohngegend nicht weit vom Meer, bin ich aufgewachsen. Der kühle Marmorboden in unserer Diele fühlte sich herrlich unter meinen nackten Füßen an. Die Wohnung nahm die gesamte oberste Etage des siebenstöckigen Gebäudes ein. Früher war die Fläche in zwei Vier-Zimmer-Wohnungen aufgeteilt gewesen, inzwischen aber war daraus ein einziges, nicht besonders vorteilhaft geschnittenes, aber geräumiges Apartment geworden. In weiser Voraussicht hatte mein Großvater beide Einheiten gekauft, als er mit seiner Familie etwa zur Zeit der Teilung Indiens und Pakistans 1947 nach Bombay geflohen war. Es war ihm gelungen, das Land unserer Familie in Hyderabad Sind, unserer ehemaligen Heimat, zu verkaufen, und in Zügen zusammengepfercht mit Tausenden anderen Flüchtlingen kam er mit den Taschen voller alter Goldmünzen, die er über die Jahrzehnte gespart hatte, über die Grenze. Mit Hilfe von Verwandten kaufte er sich etwas Grundbesitz, eröffnete ein Juweliergeschäft und lebte mit seiner Familie in sicherem Abstand zu den Wirren des Krieges.
Als wir die Wohnung betraten, streckte meine Mutter ‒ wie jedesmal, wenn sie das Haus verließ oder zurückkam ‒ die Hand aus, um den Fuß der Statue des Gottes Ganesha zu berühren, die neben der Tür stand. Ich versuchte, es ihr gleichzutun, vergaß es aber meistens.
»Ich würde jetzt gern einen Tee trinken, Mum«, sagte ich, während ich die papiernen Einkaufstüten in meinem Zimmer deponierte. Ich sehnte mich plötzlich förmlich nach einer dieser dampfenden Tassen Chai-Tee mit dem köstlichen Kardamom-Aroma, der mit viel Milch getrunken wurde und den inzwischen auch Starbucks zu imitieren versuchte.
»Chotu, chai laikhe ao« ‒ Chotu, bring uns Tee ‒, rief meine Mutter unserem Koch zu, der emsig damit beschäftigt war, Dhal und Pulao, Linsen und Reis, sowie Pakodas, frittierte Bällchen aus Kichererbsenmehl, zuzubereiten.
Mein Vater saß auf einem burgunderroten Seidensofa und las die indische Ausgabe der Times; die ausgestreckten Beine ruhten auf einem Glastischchen.
»Hitzewelle in New York, heißt es hier.« Er sah von seiner Zeitung auf. »Warum willst du schon wieder fahren? Ich bin sicher, du kannst dein Ticket noch umbuchen und nicht morgen, sondern vielleicht erst ein paar Tage später fliegen«, sagte er.
»Dad, ich muß wieder arbeiten. Ich habe mir nur zwei Wochen Urlaub genommen. Die Hochzeit ist vorbei. Es war sehr schön hier, aber jetzt ist es Zeit zu gehen. Außerdem kriege ich lieber in New York einen Hitzschlag, als weiter hier herumzulungern. Verstehst du, was ich meine?«
Ich setzte mich zu ihm auf das Sofa und drehte mich dem Fenster zu. In den Straßen von Bombay herrschte rund um die Uhr das komplette Chaos. Etwas anderes gab es hier gar nicht. Die Autos sieben Etagen unter uns hupten unablässig wie wild, und der einzige ersichtliche Grund dafür war der, daß die Fahrer das Geräusch ihrer Hupen hören wollten. Fußgänger sprangen zwischen den Wagen und Mopeds ‒ die hier liebevoll »Scooter« genannt wurden ‒ herum, ohne auch nur eine Sekunde um ihr Leben zu bangen. Die Menschen hier hingen einem gewissen Fatalismus an: Egal, ob man überfahren wird oder einen Körperteil verliert ‒ alles kommt, wie es kommen soll, was auch immer passiert. Riesige Reklametafeln, auf die die Gesichter der gerade umschwärmtesten Schauspieler gemalt waren, Hrithik Roshan und Karisma Kapoor, ragten über den Dächern einsturzgefährdeter Gebäude hervor. In Indien schien alles im nächsten Moment kollabieren zu wollen. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite warb ein neues Fitneßstudio in riesigen Lettern um Kunden. »Geöffnet von fünf Uhr morgens bis elf Uhr abends!« hieß es dort triumphierend. »Besuchen Sie uns! Werden Sie FIT! Sehen Sie mit uns COOL aus!« Die Bilder zeigten eine offenliegende Brustmuskulatur und einen abgeschnittenen Torso. Es war nicht gerade eine Stärke meiner Heimat, sich auch in der Werbung von den schönen Künsten inspirieren zu lassen. Und doch war dies das neue Bombay, das, in dem in Frauenzeitschriften für Kondome geworben wurde, wo in »Bollywood«, dem indischen Pendant zur amerikanischen Filmindustrie, auch schlüpfrige Liebesszenen gedreht wurden, wo halbnackte MTV-Moderatorinnen und Körper wie aus »Baywatch« über die Bildschirme flimmerten und jeder Mensch eine Affäre hatte.
Und wo Eheschließungen noch immer arrangiert wurden.
Direkt vor dem Gebäude hielt nun ein dunkelgrüner Mercedes und ließ drei gutangezogene, wie aus dem Ei gepellte Frauen ‒ es waren Inderinnen, die aber ganz offensichtlich nicht hier lebten ‒ auf dem Bürgersteig aussteigen. Sie spazierten in Richtung Bencer, einem ziemlich edlen Geschäft in der Straße. Sie stolperten über den unebenen Fußweg, der mit Kuhmist und Müll übersät war. Früher mußte Bombay auch ihre Heimat gewesen sein, aber jedesmal, wenn sie jetzt zurückkamen, wurde ihnen die Stadt und ihr Rhythmus zunehmend fremder, genau wie mir.
Während das Mittagessen vorbereitet wurde, entspannte ich mich bei meiner köstlichen Tasse Chai, während meine Mutter mit ihrer Schwester Jyoti sprach, Ninas Mutter. Die Jungvermählten waren auf Hochzeitsreise nach Südostasien gefahren, und danach würden sie nach London fliegen, wo der Bräutigam wohnte.
»Ach, Leela, ich vermisse Nina«, klagte Jyoti. »Nun ist sie aus dem Haus und nicht mehr länger meine Tochter, nun gehört sie jemand anderem.«
»Aber Jyoti«, tröstete meine Mutter ihre Schwester, als wäre gerade jemand gestorben. »Das passiert uns doch allen. Die Mädchen müssen heiraten und die Eltern verlassen. Sei dankbar, daß deine Tochter einen so guten Jungen gefunden hat. Sie wird glücklich, mach dir keine Sorgen. Sieh mal, ich warte noch immer darauf, daß meine Anju jemanden findet. Sonst war doch niemand mehr von Übersee auf der Hochzeit, oder?«
»Was ist denn mit diesem Mann aus Accra?« fragte Jyoti. »Der Maharischi Girdhar hat mich heute angerufen. Er sagt, der Junge ist sehr interessiert. Ich denke, du solltest es ein bißchen vorantreiben.«
»Ha! Na warte. Wir werden beim Mittag darüber sprechen.«
Chotu, er war seit zwanzig Jahren unser Koch, kam mit einem großen Tablett aus Edelstahl aus der Küche, auf dem Näpfe und Schalen mit dampfenden, reichgewürzten Speisen standen. Immer, wenn ich nach Hause kam, war es das gute indische Essen, worauf ich mich am meisten freute. Heißer, weicher Pulao, Erbsenreis, dazu Mung Dhal, eine Linsenpaste. Spinat, der um Bröckchen von Paneer, indischem Weichkäse, gelegt war und noch in einem Sud aus einem Dutzend frischen Gewürzen schmorte. Häppchengroße Pakodas, die man in einen Dip aus Mint-Chutney stippte und mit einer dicken Scheibe Weißbrot aß. Ulrika, meine Fitnessgöttin in New York, würde mich in der Luft zerreißen, wenn sie das sähe.
»Beti«, sagte meine Mutter und tat dabei das Essen auf den Teller meines Vaters, »Der Junge aus Accra ist noch immer hier. Warum triffst du dich nicht mit ihm?«
Sie machte eine Pause und wartete auf eine Antwort. Als ich beharrlich schwieg, hakte sie nach.
»Also, was meinst du?«
Ich hatte seit der Hochzeit nicht eine einzige Sekunde an Mister Monobraue, der zudem Kaugummi kaute, weiße Socken und ein goldenes Halskettchen trug und öltriefende Haare hatte, gedacht. Ich war darauf vorbereitet, am nächsten Tag ins Flugzeug zu steigen, um nach New York zurückzukehren, der Stadt, in der ich seit sieben Jahren lebte, und mich wieder meinem ziemlich genialen Job als PR-Beraterin in der Modebranche zu widmen. Meine Eltern wußten, daß es dort nicht leichter für mich sein würde … zwar gab es unendlich viele Männer, aber keiner entsprach dem, was sie sich für mich in den Kopf gesetzt hatten. Und aufgrund einer merkwürdigen kulturellen Osmose, der ich unfreiwillig anheimfiel, kamen sie auch mir nicht richtig vor. Ich war Gast in den angesagtesten Clubs, besuchte die hippsten Restaurants der Stadt, kannte jeden, den man kennen sollte. Jobbedingt mußte ich sogar ab und an nach Europa. Aber die meisten Männer, die ich kennengelernt hatte, waren schwul oder weiß, für gewöhnlich waren sie beides. Perverserweise hatten meine Eltern nichts gegen Schwule, gegen Weiße allerdings schon. Als ich dreißig war, hatte meine Mutter mich mal mit einem netten indischen Mann aus einer netten indischen Familie bekannt gemacht. Ich habe es sofort erkannt ‒ die rote Versace-Lederhose verriet alles, ebenso wie sein liebenswürdiges, am Ende jedoch abschätziges Interesse für meine Sammlung an Manolo-Blahnik-Schuhen. Nachdem der schwule Verehrer und seine Mutter sich verabschiedet hatten, erklärte ich meiner Mutter meine Zurückhaltung, die alle Skepsis mit einer simplen Bemerkung in den Wind schoß: »Wenn sie erst verheiratet sind, ändert sich das.«
»Das bezweifle ich, Mum«, hatte ich gesagt. »Denk zum Beispiel an Elton John.«
In schöner Regelmäßigkeit wurde ich einmal im Jahr, und das jedes Jahr, seit ich in New York lebte, zwecks Ehevermittlung nach Bombay zitiert. Alle meine Cousinen haben auf die Art ihren Mann kennengelernt, für gewöhnlich auf der Hochzeit einer anderen Verwandten. Es ergab fast so etwas wie einen Domino-Effekt, wobei ich es durchaus interessant fand, daß ich das einzige weibliche, unverheiratete Mitglied der Familie war, mit Ausnahme von Namrata und einer anderen Cousine, die jedoch erst elf war, man allerdings bei dem Tempo, mit dem diese Dinge vorangetrieben wurden, gut und gern davon ausgehen konnte, daß auch sie noch vor mir unter die Haube kam. Und ich hatte gehört, daß auf Ninas Hochzeit mindestens fünf unberührte, blutjunge, attraktive Mädchen ihr Interesse an »egal welchem« meiner Brüder angemeldet hatten ‒ so funktionierte die Schnäppchenjagd nach dem künftigen Partner. Daß auch ich ein Angebot erhalten hatte, war an sich schon von unschätzbarem Wert. Schließlich war Bombay so etwas wie eine globale Eheanbahnungsbörse. Alles, was ein Single tun muß, ist, in die Stadt zu kommen, ein paar Anrufe zu tätigen, zu beten und dem Rat von Astrologen, dem Geistlichen der Familie sowie dem einen oder anderen professionellen Kuppler zu folgen. Und dann betet man noch ein bißchen mehr, daß diejenigen, in deren Hände man einen nicht unbeträchtlichen Teil seines Schicksals gelegt hat, auch wirklich wissen, was sie tun.
Das Wichtigste aber war, wie meine Mutter nie müde wurde, mich zu erinnern, daß man natürlich bereit sein mußte, Kompromisse einzugehen.
Aus der Sicht meiner Familie war Mister Monobraue eine große Sache. Jemand hatte buchstäblich »nach mir gefragt«. Egal, wie sie es auch betrachteten, es blieb eine unschätzbare Ehre. Ich hatte ihnen immer versichert, daß ich heiraten wollte. Das wollte ich wirklich. Ich wollte zurück in das traditionelle System schlüpfen. Aber ich war in der Zwischenzeit schon so lange fort von zu Hause, daß die Gesellschaft, in die ich hineingeboren war, mich vergessen hatte. Sobald ein attraktiver, verfügbarer Mann die Bühne betrat, war ich nicht mehr die erste Wahl, weil ich allein in New York lebte, weit weg von den heiratswilligen Massen.
Ich fühlte mich zu diesem jahrhundertealten Brauch der arrangierten Hochzeit eigentümlich hingezogen ‒ ihm haftete etwas Exotisches an, etwas Prächtiges und gleichzeitig Zerbrechliches, und sollte ich mich fügen, würde ich auf der sozialen Skala ganz nach oben rutschen: Eine Frau heiratet den Mann, den ihre Familie für sie aussucht. Das ist der höchste Ausdruck an Frömmigkeit, und gemäß der Tradition würde es mir großen, großen Segen einbringen.
Auf jeder meiner Reisen nach Bombay hoffte ich insgeheim, daß diese endlich die ultimative, schicksalsträchtige würde, auf der ich »ihn« fände. Daß auch ich hier, inmitten von Hochzeitsfesten, Strippenziehern und verzweifelten Müttern, die nach dem richtigen Pendant für ihre Sprößlinge suchen, den Mann treffen würde, für den ich bestimmt war.
Und nun gab es jemanden, der sich für mich interessierte.
Leider Gottes aber lebte er in Accra.
»Beti, es ist nicht der Ort, der zählt, es ist der Mensch«, sagte meine Mutter, die bedauerlicherweise auch meine geheimsten Gedanken zu lesen verstand, wie nur Mütter es können. »Wenn er ein guter Junge ist, dann wirst du überall auf der Welt glücklich werden.«
Schöner Gedanke, aber noch konnte ich ihn nicht teilen.
»Was meinst du dazu?« fragte meine Mutter meinen Vater.
Ich fand es noch immer rührend, daß meine Mutter meinen Vater auch nach fünfunddreißig Jahren Ehe nie mit seinem Vornamen ansprach. Als ich noch sehr klein war, hat sie mir mal gesagt, daß Frauen sich auf ihre Männer nur mit einem sehr großen »Er« beziehen. Alles andere würde deren Ehre besudeln. »Dein Mann ist dein Gott, und du mußt ihm mit Respekt und Würde begegnen«, hatte sie gesagt. Ich muß damals etwa fünf gewesen sein.
Mein Vater schien mit der Frage überfordert. Er war in meine Heiratsangelegenheiten längst nicht mehr so involviert wie, sagen wir mal, vor fünfzehn Jahren. Vermutlich würde er sogar sagen, daß er »aufgegeben« hat, was mein kummervolles, kontinuierlich einsames, dreiunddreißigjähriges Herz nicht gerade mit Hoffnung und Zuversicht erfüllte.
Schließlich machte mein Vater doch den Mund auf. »Wir sollten es in Betracht ziehen«, sagte er und griff ‒ einen weichen braunen Chapatti‒Fladen zwischen den Fingern ‒ nach einem Stück Paneer. »Du bist hier, also kannst du es auch versuchen. Dann ist das Geld für den Flug wenigstens nicht umsonst ausgegeben.«
Nach dem Essen rief meine Mutter den Maharischi Girdhar an.
»Ja, es geht um den Jungen aus Accra«, sagte sie, als würde sie auf eine Anzeige für einen gebrauchten VW in der Village Voice antworten. Sie griff nach einem Zettel und einem Stift und begann, Stichworte zu notieren.
»Ja … selbstverständlich … oh, gut … fast neununddreißig? … Sehr gut … gebildet … beruflich erfolgreich und … gut … ja. Ich werde mit meinem Mann sprechen und Sie wieder anrufen … Nein, Anju will morgen wieder fahren, aber wenn sich etwas ergeben sollte, wird sie natürlich bleiben. Ihr Job in New York ist da doch nicht so wichtig, was? Erst muß sie den Jungen treffen, nicht wahr?« sagte sie vorauseilend, um dem Priester zu schmeicheln, der ohne Zweifel den Schlüssel zu meinem künftigen Glück in den Händen hielt.
Sie legte auf und drehte sich zu uns um.
»Hört zu, das sind die Einzelheiten: Er ist fast neununddreißig, was ein gutes Alter ist. Einsdreiundsiebzig groß, was auch nicht schlecht ist. Sicher, er ist kein Riese, aber wenn er nicht so groß ist, hörst du vielleicht endlich auf, diese hohen Absätze zu tragen«, resümierte sie und ging dabei weiter die Angaben durch.
»Er ist der einzige Sohn, eine Schwester, verheiratet, sie sind selbständig, haben ein paar Geschäfte und sogar eine Fabrik. Reich. Eltern sind nett. Er ging auch auf eine Schule in Amerika. Reist mal hierhin, mal dorthin, und ich bin sicher, er würde dich mitnehmen.«
Der Meinung, daß sie den Kandidaten überzeugend genug angepriesen hatte, machte sie eine Pause.
»Er scheint alles mitzubringen. Was also willst du noch?« fragte sie aus nachvollziehbaren Gründen.
»Nun, zunächst einmal führe ich in New York ein ganz gutes Leben«, hob ich an. »Und ich bin sicher, daß er ein netter Kerl ist, aber ich glaube nicht, daß Accra der richtige Ort für mich ist.«
»Beti, willst du denn auf ewig allein bleiben?« entgegnete meine Mutter. »Stell dir doch einfach mal vor, du würdest jemanden treffen, ihn heiraten und mit ihm an einem Ort leben, der dir gefällt, so wie New York oder London oder Singapur, und dann würde etwas passieren, und er müßte in eine weniger attraktive Stadt ziehen, zum Beispiel nach Accra. Willst du etwa sagen, du würdest dann nicht mit ihm gehen? Das ist nun mal die Ehe: Man muß Opfer bringen und Kompromisse eingehen.«
»Durchaus, Mum, ich verstehe dich ja, aber noch bin ich nicht mit ihm verheiratet, also muß man über Opfer auch nicht weiter nachdenken. Ich habe jetzt die Wahl. Weißt du, was ich meine?«
Ich betrachtete das langsam ergrauende Haar meiner Mutter, das sie elegant nach hinten gekämmt trug und das ihr weiches, glattes Gesicht umschmeichelte, dessen betörendstes Merkmal ihre majestätische, beinahe hochmütige Nase war. Sie trug einen Kaftan aus Polyester, ähnlich den Djellabas, die Gucci vor ein paar Jahren in Anlehnung an die Mode der 70er entworfen hatte, der meiner Mutter aber war von unserem Hausschneider gefertigt. Es war das Kleidungsstück, mit dem sie sich zu Hause am wohlsten fühlte.
»Anju, du kannst nicht alles haben im Leben und immer nur auf etepetete machen. Hat dir der Maharischi nicht schon vor Jahren zu erklären versucht, daß man manchmal auch Kompromisse eingehen muß? Wo willst du denn alles, was du dir vorstellst, in einem Jungen finden? Das ist unmöglich, Beti. Du bist fast vierunddreißig. Nicht mehr lange, und niemand wird sich mehr für dich interessieren. Du solltest über alles gut nachdenken.«
Ich dachte über alles gut nach. Ich dachte darüber nach, ob ich jeden Morgen von Matt Lauers Stimme geweckt werden wollte, ich dachte über die Maniküre und die Sauerstoff-Gesichtsmaske bei Bliss nach, auch über die samstäglichen Shopping-Nachmittage in Little Italy dachte ich nach. Und über die Partys und Wohltätigkeitsveranstaltungen, auf denen ich gespannt darüber nachdachte, ob Paris Hilton und Aerin Lauder wohl auftauchen und was die fabelhaften Ex-Miller-Girls anhaben würden. Und ich probierte jede einzelne Martinisorte und jeden neuen Designerschuh, und ich kicherte mit meinen Freundinnen, wenn sie mal wieder ihre Männergeschichten zum besten gaben. Es hatte ein paar Jahre gedauert, aber inzwischen war mir dieses Leben vertraut, mehr noch, ich war glücklich damit. Und wie so viele andere Frauen in meiner Situation sehnte ich mich nun nach einem Mann, der es unhinterfragt mit mir teilen wollte. Jemanden, der so lebte wie ich, dieselben Dinge liebte, der auch äußerlich zu mir paßte. Und gleichzeitig wünschte ich mir, daß meine Eltern ihn für mich aussuchten und auch die anderen ihn für gut befanden. Das war doch nicht zuviel verlangt, oder?
Parallel dazu war mir bewußt, daß eine Frau bis zu dem Tag, an dem sie heiratete, in den Augen der indischen Gesellschaft nicht besonders viel zählte. Bis dahin blieb sie im Haus ihrer Eltern stets ein Gast; sie waren übergangsweise diejenigen, die für sie sorgten. Und wenn dann der richtige Mann kam, egal wie oder wo er lebte, dann würde diese junge, alleinstehende Frau ihr Leben nach seinem ausrichten. Es ging nicht darum, was sie wollte, es ging darum, was ER für beide wollte. Aus dieser Perspektive heraus verwundert es nicht, daß meine Mutter einst völlig verstört war, als in einem amerikanischen Film eine Frau ihren absolut reizenden Ehemann verließ, weil sie »sich finden« wollte.