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Vom Aschenputtel zur Prinzessin: Der humorvolle Liebesroman »Flieg mit mir zur Wolke Sieben« von Kavita Daswani jetzt als eBook bei dotbooks. Schicke Dinner, glamouröse Outfits und Promi-Interviews – Priya liebt ihren neuen Job als Reporterin bei einem bekannten Magazin in Los Angeles. Nur einen Haken hat ihr funkelnder Alltag: Priyas Mann und seine konservative Familie dürfen auf keinen Fall etwas davon erfahren! Für sie spielt Priya jeden Abend die stille, gehorsame Ehefrau, die ihre Schwiegereltern sich für Sanjay wünschen. Aber was ist mit Priyas Träumen und ihrer Sehnsucht nach Liebe in der arrangierten Ehe? Als sie von ihrer neuen Freundin Karishma einen Tipp bekommt, wie sie endlich das Feuer der Liebe in ihrem Mann wecken kann, stürzt sich Priya begeistert in dieses Abenteuer. Aber damit nimmt das Chaos erst recht seinen Lauf ... Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der Liebesroman »Flieg mit mir zur Wolke Sieben« von Kavita Daswani wird Fans von Mhairi McFarlane und der Netflix-Erfolge »Never have I ever« und »Indian Matchmaking« begeistern. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.
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Seitenzahl: 293
Über dieses Buch:
Schicke Dinner, glamouröse Outfits und Promi-Interviews – Priya liebt ihren neuen Job als Reporterin bei einem bekannten Magazin in Los Angeles. Nur einen Haken hat ihr funkelnder Alltag: Priyas Mann und seine konservative Familie dürfen auf keinen Fall etwas davon erfahren! Für sie spielt Priya jeden Abend die stille, gehorsame Ehefrau, die ihre Schwiegereltern sich für Sanjay wünschen. Aber was ist mit Priyas Träumen und ihrer Sehnsucht nach Liebe in der arrangierten Ehe? Als sie von ihrer neuen Freundin Karishma einen Tipp bekommt, wie sie endlich das Feuer der Liebe in ihrem Mann wecken kann, stürzt sich Priya begeistert in dieses Abenteuer. Aber damit nimmt das Chaos erst recht seinen Lauf ...
Über die Autorin:
Kavita Daswani wurde in Bombay geboren. Sie arbeitete als Moderedakteurin für CNN und CNBC Asia, schrieb außerdem für »Women’s Wear Daily«, die »Los Angeles Times« und »The International Herold Tribune«. Heute lebt Kavita Daswani in Los Angeles.
Von Kavita Daswani erscheinen bei dotbooks die humorvollen Liebesromane »Die Sterne stehen auf Hochzeit« und »Flieg mit mir zur Wolke Sieben«.
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eBook-Neuausgabe Mai 2023
Die amerikanische Originalausgabe erschien erstmals 2004 unter dem Originaltitel »The Village Bride of Beverly Hills« bei Putnam, New York. Die deutsche Erstausgabe erschien 2005 unter dem Titel »Süß wie eine Mango« bei Knaur.
Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 2004 by Kavita Daswani
Copyright © der deutschen Erstausgabe 2005 by Knaur Taschenbuch. Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München
Copyright © der Neuausgabe 2023 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Kristin Pang, unter Verwendung von Motiven von Angelina Bambina / AdobeStock und lilett / AdobeStock
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ae)
ISBN 978-3-98690-619-1
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Kavita Daswani
Flieg mit mir zur Wolke Sieben
Untertitel
Aus dem Amerikanischen von Sonja Hauser
dotbooks.
Keine Frau in meiner Familie übte je einen Beruf aus.
Und keine Frau in meinem ziemlich weitläufigen Clan blätterte meines Wissens jemals Stellenanzeigen durch oder rutschte nervös auf einem Stuhl herum, während eine ihr unbekannte Person sie nach ihrer »bisherigen Tätigkeit« befragte. Was sollte sie auch sagen? Dass ihre primäre Aufgabe darin bestand, zunächst Vater und Brüder zu versorgen und später Ehemann und Söhne?
Also war ich einigermaßen bestürzt, als meine Schwiegermutter mir einen hölzernen Kochlöffel in den Bauch drückte, sich beklagte, weil ich ihr noch keine Enkel geschenkt hatte, und schließlich meinte, ich könne mich ja auf andere Weise nützlich machen und mein Glück in der Arbeitswelt versuchen.
»Das Leben in Amerika ist teuer«, sagte sie und presste den Löffel so fest in meinen Unterleib, dass ich mich glücklich schätzen konnte, kein Kind unter dem Herzen zu tragen. »Wir sind hier nicht in Indien. In diesem Land arbeitet jeder.«
Da war es egal, dass meine Hochzeit nicht lange zurücklag und ich kaum alle Seidensaris und Silberbecher ausgepackt hatte, die zu meiner kleinen, aber achtbaren Aussteuer gehörten. Es zählte auch nicht, dass ich noch dabei war, mich an das Leben in einem fremden Land und mit einem Mann, den ich letztlich nicht kannte, sowie mit seinen Eltern und seiner jüngeren Schwester zu gewöhnen. Und genauso wenig interessierte es, dass ich, soweit ich das verstand, in dieser Familie als frisch gebackene Ehefrau und Schwiegertochter Haushälterin, Köchin und Mädchen für alles spielen sollte.
All das hatte ich erwartet.
Aber ich hätte nie gedacht, dass jemand ‒ ausgerechnet eine überzeugte Hüterin der Tradition wie meine Schwiegermutter ‒ mir sagen würde, ich solle mir einen Job suchen.
In all den Frauengenerationen meiner Familie würde ich die Erste sein.
Eigentlich hätte ich mich wie eine Pionierin des weiblichen Rechts auf Unabhängigkeit fühlen sollen.
Doch ich hatte Angst.
Ob absichtlich oder zufällig ‒ meine Eltern hatten meinen Schwestern und mir nie viel von der Welt gezeigt. Ihrer Meinung nach gab es in Indien genug zu sehen und zu erleben; man brauchte das, was jenseits der Grenzen unseres Heimatlandes lag, nicht zu erkunden. Ein wenig lässt sich diese begrenzte Weltsicht vermutlich mit der vieler Amerikaner vergleichen, die ich bald kennen lernen sollte.
Und so empfand ich meine Ankunft im Tom Bradley Terminal des Los Angeles International Airport an einem dunstigen Tag zwei Monate davor als Schock. Den ganzen Flug über hatte ich, obwohl von meiner Hochzeit ein paar Tage zuvor träumend, nur mit Mühe die Sehnsucht nach meiner Familie unterdrückt, von der ich doch gerade erst weggegangen war.
Immer wieder wurde mir gesagt, wie glücklich ich mich schätzen könne, nach Amerika überzusiedeln, und wie viele meiner Landsleute alles dafür geben würden, in ein Land zu gehen, in dem es offenbar möglich war, im Handumdrehen vom einfachen Einwanderer, der in irgendeinem Geschäft arbeitete, zum wohlhabenden Motelinhaber aufzusteigen. Sanjay hatte mir ein Verlobtenvisum besorgt, weil er von unserem ersten Telefonat an überzeugt war, dass ich die Richtige für ihn sei. In Amerika, hatte er mir erklärt, müssten wir uns nur noch standesamtlich trauen lassen.
»Eine schlichte Feier, nichts Großes«, sagte er. »Dann hat alles seine Richtigkeit, und du gehörst zur Familie.«
Jetzt saß ich eingezwängt auf dem mittleren Sitz in einem bis zum letzten Platz gefüllten Flugzeug. Die eine Armlehne hatte mein Mann mit Beschlag belegt, die andere ein kräftiger Sikh mit Turban. Noch vor der Landung fühlte ich mich eingeengt und klein.
Im Terminal war ich dann nicht nur über die Masse der Menschen erstaunt, sondern auch über ihre Verschiedenheit. Das indische Fernsehen hatte mich nicht auf ihre Vielfalt, ihre fremden Hautfarben, Kleidungsstile und Kulturen vorbereitet: die schwarze Frau mit der knallengen Hose und den langen purpurfarbenen Fingernägeln, die meine Einwanderungsunterlagen überprüfte; der kindlich kleine Chinese mit der winzigen Brille, der darauf wartete, dass seine Mutter durch den Zoll käme; der fette Weiße, der seine Kinder anbrüllte, sie sollten ihm aus dem Weg gehen, damit er das Gepäck auf einen immer wieder wegrollenden Wagen hieven könne.
Schon der Flughafen war eine Welt, die ich nicht kannte und deren Teil ich nie werden würde, das wusste ich.
Eine Woche nach unserer Hochzeit in Delhi landeten Sanjay und ich in Los Angeles, wo er seit zwei Jahrzehnten lebte. In den nächsten paar Wochen würden er und ich allein sein, weil meine Schwiegereltern und Sanjays Schwester Malini in Indien geblieben waren, um herumzureisen und vermutlich auch Ausschau nach einem Ehemann für meine Schwägerin zu halten, die gerade zwanzig geworden war.
»Willkommen«, sagte Sanjay, als er die Tür hinter uns schloss. »Dies ist dein neues Zuhause.«
Das Haus lag in einer ruhigen Straße in Northridge, in einem allgemein unter dem Namen »Valley« bekannten Viertel. Das klingt ländlich klein und ein wenig altmodisch, aber tatsächlich ist die Gegend ziemlich weitläufig. Sanjay ließ das Gepäck auf den Boden fallen und bewegte sich in Richtung Couch, während ich stehen blieb und mich umsah.
Immerhin war es ein hübsches Haus, und dafür konnte ich dankbar sein. Eine meiner Freundinnen in Delhi hatte gerade eine arrangierte Ehe mit einem Mann in Chicago geschlossen, aber, als sie mit der Vorfreude einer jungen Braut dort ankam, feststellen müssen, dass er in einer Garage lebte.
Doch hier gab es genügend Platz: einen offenbar selten benutzten großen Wohnraum mit klobigen Möbeln, Marmortischen und Kristalllüster. Dazu ein getrenntes Esszimmer mit einem langen Tisch, hochlehnigen Holzstühlen und einer Vitrine, darin schimmernde Figurinen. In Indien hätte man dieses Haus einen Palast genannt, und mich hätte man beneidet, weil ich darin leben durfte.
»Komm, ich zeig dir mein … ich meine unser Schlafzimmer«, sagte Sanjay und ergriff meine Hand.
Es handelte sich um das Zimmer eines Mannes, der dem Jungenalter noch nicht gänzlich entwachsen war. Ein Durcheinander aus Kleidungsstücken und Zeitungen bedeckte den Boden, ein Fernseher mit riesigem Bildschirm stand in einer Ecke, und Fernbedienungen für eine ganze Reihe anderer Geräte lagen auf dem Tischchen neben dem Bett.
»Toll, was?«, grinste Sanjay.
»Ein bisschen unordentlich«, erwiderte ich.
»Warum sollte ich denn aufräumen, wenn jetzt meine Frau, meine neue biwi, das für mich erledigt?«, meinte er lächelnd.
Ich hatte meine Stimme in seiner Gegenwart noch nie erhoben, deshalb überraschte es mich umso mehr, als ich plötzlich laut wurde.
»Ich bin nicht dein Dienstmädchen!«, rief ich aus und spürte, wie wochenlange Anspannung und Angst meinen erschöpften Körper überwältigten. Ich wusste, dass ich mich wieder in die sanfte, unterwürfige Hindu-Frau der letzten Woche verwandeln sollte, aber dazu war ich einfach zu übermüdet.
»Glaub bloß nicht, dass du mich behandeln kannst wie ein Dorfmädchen, weil ich aus Indien komme und du in Amerika groß geworden bist«, sagte ich verärgert.
Sanjay zuckte zusammen. Offenbar erkannte er die übellaunige Frau vor sich nicht wieder. »Es war ja nur ein Scherz«, meinte er. »Warum führst du dich so auf?«
Ich ging zurück ins Wohnzimmer, wo ich einen Stapel Zeitungen von der Couch auf den Boden schob. Sobald ich saß, kamen mir die Tränen. Ich hatte noch Ohrensausen von der Landung, und meine Lippen waren rissig von der kalten Luft im Flugzeug. Was machte wohl meine Familie zu Hause in Indien? Hatte mein Vater schon seinen morgendlichen chai getrunken? Rügte meine Mutter die dhobi, weil sie wieder einmal eines ihrer Kleider ruiniert hatte? Kämmte Radha ihr langes Haar? Kümmerte Roma sich um den Haushalt? Lag Ria, in ein Buch versunken, auf ihrem Bett? Ich wusste, dass ich mich ‒ vorausgesetzt, es gab keine unvorhergesehenen Vorfälle oder Feierlichkeiten ‒ lediglich auf einen Indienbesuch jährlich freuen konnte. Andere Menschen lebten vierzig Minuten oder drei Stunden von ihren Eltern entfernt; ich würde sie ein Jahr lang nicht sehen.
Sanjay setzte sich vorsichtig neben mich aufs Sofa.
»Warum weinst du, Priya? Es war doch nur ein Scherz.«
»Tut mir Leid«, sagte ich. »Deswegen weine ich nicht. Mir fehlt meine Familie. Ich weiß, dass ich deine Eltern als die meinen sehen soll, aber das kann ich nicht. Das hier ist nicht mein Zuhause. Was, wenn diese Entscheidung ein großer Fehler war und wir sie nicht mehr rückgängig machen können?« Ich wandte mich, immer noch weinend, von ihm ab.
Da spürte ich seine Hand auf meinem Rücken und meinem Haar, und ich hörte seinen Atem. Er schien nicht zu wissen, wie er weiter mit mir umgehen sollte.
»Roh-na«, sagte er schließlich sanft und bat mich noch einmal, nicht zu weinen. »Die Situation ist für uns beide neu. Wir schaffen das schon.«
Rückblickend halte ich das für den Beginn meines Ehelebens.
Zum ersten Mal litt ich unter Jetlag. Er war mir genauso fremd wie die Seekrankheit oder ein Kater. Und er ließ den Glauben in mir wachsen, dass es durchaus etwas für sich hatte, das ganze Leben in einer einzigen Zeitzone zu verbringen. Obwohl ich den Abend und den Schlaf kaum hatte erwarten können, endete die Nacht abrupt, bereits Stunden vor Sonnenaufgang. In diesem Augenblick fühlte ich mich am einsamsten und verletzlichsten, immer noch schockiert über die plötzliche Veränderung meines Lebens.
Später, als auch Sanjay aufwachte, erklärte er mir, wenn er mir alles zeige, helfe ihm das, Altes mit neuen Augen zu sehen. Er erfreute sich an meinem Staunen über die Billigstpreise für Batterien und Babylotion im Nur-99-Cent-Laden und über die Warenhäuser ‒ mir kamen sie so groß wie Bihar vor ‒, wo Leute Zwölferpackungen Pizza erwarben. In Indien nahmen amerikanische Supermärkte in Erzählungen fast schon mythische Dimensionen an; sie waren für sich eine Sehenswürdigkeit. Ich fühlte mich wie in einem riesigen beleuchteten Kühlschrank. Apfelmus, das es in Delhi überhaupt nicht gibt, füllte hier eine ganze Regalreihe. Nicht einmal die Hälfte dieser Gläser würde im Jagdish Platz finden, dem Lebensmittelladen in der Nähe meines Elternhauses, wo die Bediensteten Säcke mit Reis und dals und Päckchen mit hartem indischem Kaugummi kaufen.
Bei meinem ersten Besuch in unserem örtlichen Supermarkt einen Tag nach meiner Ankunft in Amerika zog ich den Pullover enger um den Leib, als ich mich der Tiefkühlabteilung näherte. Ich holte Eiscreme und Kuchen, Hühnchen und Soße, Erbsen, Kartoffeln und Mais aus den Truhen, höchst erstaunt darüber, dass alles in kleinen Pappbehältern verkauft wurde und man nichts mehr schneiden oder hacken musste.
»Rabatte, Sonderaktionen, Bonuspunkte«, sagte die Frau an der Kasse. »Füllen Sie das Formular aus, und schon sind Sie in unserer Kundenkartei.« Ich lächelte stolz, als ich meine Daten eintrug, und freute mich darauf, meinen Eltern am Telefon zu erzählen, dass ich so schnell Mitglied eines Clubs geworden war.
Am Abend demonstrierte Sanjay mir, wie man Tofu-Burger macht. Drei Stunden verbrachte er damit, mir zu erklären, wie man DVD- und CD-Spieler, Fernseher, Videorekorder und Laptop bedient, und am Ende war mir ganz schwindelig davon. Er zeigte mir alle Lichtschalter, wie man das Garagentor öffnet und was man tut, wenn die Alarmanlage versehentlich losgeht. Am Schluss machte er mich noch mit der Funktionsweise des Müllschluckers in der Küche vertraut und reagierte höchst erstaunt, als ich ihm sagte, so etwas hätte ich noch nie gesehen.
»Habt ihr in Indien denn keine Müllschlucker?«, fragte er.
»Doch«, antwortete ich, »die Straße.«
Noch immer zögerte ich, etwas anzufassen, aus Angst davor, dass das Haus explodierte. Ich fragte ihn, wo ich eine Taschenlampe finden könne.
»Wozu brauchst du die denn?«, erkundigte er sich.
»Für Black-outs.«
»Einen Black-out hast du hier nur, wenn du zu viel trinkst. Wir nennen das Stromausfall, und so etwas passiert so gut wie nie. Du vergisst, dass du nicht mehr in Indien bist«, meinte er lachend.
Als Sanjay am nächsten Morgen zur Arbeit fuhr, begann ich mein Leben als Ehefrau ernsthaft anzugehen. Ich packte meine Sachen aus, angesammelt im Verlauf von fast einem Vierteljahrhundert Leben, reduziert auf das, was sich in zwei Koffern unterbringen ließ. Sanjay hatte einen kleinen Teil seines Schranks freigeräumt, der kaum für meine Aussteuer ausreichte. Die wohlhabenden Bräute in Delhi bekamen mehr als zwanzig Abendroben, Saris und Tageskleider, während die Armen sich mit zweien zufrieden geben mussten. Obwohl es meinen Eltern nicht leicht gefallen war, hatten sie mir jeweils sechs Sets spendiert. Irgendwie musste ich das alles nun in einem Schrankteil unterbringen, der kaum breiter war als ich selbst. Als Sanjay mir stolz zeigte, wie viel Platz er für mich gemacht hatte, fragte ich ihn vorsichtig, ob er sich noch ein wenig mehr einschränken könne, doch er deutete nur stumm auf seine zahllosen Pullover, Anzüge und dicken Winterjacken und erklärte mir, fürs Erste müsse das reichen, was er mir zur Verfügung gestellt habe.
Meine Schwiegereltern würden in zwei Wochen zurückkommen, und bis dahin sollte ich dafür sorgen, dass das Haus glänzte wie Marmor im Mondlicht. Der Sitte gemäß bestand meine Aussteuer fast ausschließlich aus neuen Kleidungsstücken, doch zum Glück hatte ich daran gedacht, zwei alte Sets für »harte Putztage« einzupacken. Ich schlüpfte in einen fahlgrünen salwar kameezy ein traditionelles Hemdblusenoberteil mit weiter Hose, auf dem sich alte Maisöl- und Kurkumaflecken befanden, die die dhobi nicht hatte entfernen können.
In dieser bequemen Kleidung rückte ich Sofas, wischte und saugte Staub, schrubbte Toiletten und warf die alten Zeitungen in die Mülltonne. Sogar die Garagenböden säuberte ich. Und die ganze Zeit über fragte ich mich, wie das Haus so schmutzig hatte werden können, wenn doch zwei Frauen darin wohnten. Es war fast, als hätten sie nur auf meine Ankunft gewartet.
Das letzte Zimmer, das ich sauber machte, gehörte meiner Schwägerin Malini. Bei der sagri-Zeremonie vor der eigentlichen Hochzeit, wenn die Familie des Bräutigams feiert und die Braut willkommen heißt, hatte sie mir einen Kranz umgehängt, mir einen Kuss auf die Wange gedrückt und mich angesehen, als fände sie mich tatsächlich sympathisch. Als ich den Blick senkte, war mir etwas Glänzendes an ihrem Bauch aufgefallen. Nun, vielleicht etwas Flitter von meinem Haar, hatte ich gedacht, aber bei genauerem Hinsehen gemerkt, dass Malini einen Ring im Bauchnabel trug. Und sie hatte hastig ihren Sari darübergezogen und sich von mir entfernt.
Malini wäre es sicher nicht recht gewesen, wenn sie gewusst hätte, dass ich mich in ihrem Zimmer aufhielt, und ich muss zugeben, dass es eher meine Neugierde als ihre Schlampigkeit war, die mich hineintrieb. Während ich mich umsah, fragte ich mich, wie es wohl war, als Mädchen in Amerika aufzuwachsen. In dem Zimmer herrschte Dunkelheit; dicke gelbe Vorhänge sperrten das Sonnenlicht aus. An der Wand standen ein schmales Bett, eine dazu passende Frisierkommode und ein Nachtkästchen. Teddybären und Plüschaffen saßen auf der hellorangefarbenen Tagesdecke, und ein ordentlicher Stapel Teen-People-Zeitschriften lag auf einem Beistelltischchen. Auf der Frisierkommode entdeckte ich gerahmte Fotos: Malini mit Sanjay beziehungsweise ihren Eltern oder Malini allein in einer Gruppe amerikanischer Mädchen. So hübsch hatte ich sie nicht in Erinnerung. Ihre Haare waren modisch kurz geschnitten und ihre Zähne weiß und glänzend, zweifelsohne mit einer der zahllosen amerikanischen Zahnpastasorten gepflegt. Auf allen Bildern trug sie Jeans und dazu eine kurze Bluse ‒ eine pinkfarbene, eine weiße, eine mit Blümchenmuster. Obwohl ich wusste, dass es nicht richtig war, ihren Schrank zu öffnen und hineinzuschauen, tat ich es: Dort hingen Jeans und hübsche Tops und Jäckchen, schicke Sachen, die ich bereits an Leuten im Supermarkt und auf der Straße gesehen hatte.
Als ich wieder eine Ladung Müll hinaustrug, stopfte der Postbote gerade etwas in den Briefkasten. Ich hatte ihn früher schon durchs Fenster beobachtet; nun stand ich zum ersten Mal direkt neben ihm.
»Na, wie geht’s?«, fragte er. »Wie viele Tage die Woche arbeiten Sie hier?«
»Wie bitte?«
»Ich wusste gar nicht, dass die Sohnis ein Hausmädchen haben. Gute Idee, sie sind immer so beschäftigt. Wie oft kommen Sie?«
»Ich bin nicht das Hausmädchen«, erwiderte ich, »sondern die Ehefrau.«
Schon bald wusste ich, was Sanjay meinte, wenn er von Amerikas »Stickermentalität« sprach.
»Siehst du«, sagte er, wenige Tage nachdem wir uns bei einer kurzen, deprimierend unromantischen standesamtlichen Feier die Hochzeitsurkunde geholt hatten, und deutete auf dem Weg zur Führerscheinstelle, wo ich die Fahrerlaubnis beantragen sollte, auf Wagen, die wir passierten.
»Die Amerikaner sind geschwätzig. Sogar die Autos sprechen.« Innerhalb von zwanzig Minuten zählte ich fünfzehn Sticker mit Sprüchen ‒ der eine Fahrer prahlte mit den schulischen Leistungen seines Kindes, ein anderer brachte seinen Stolz darüber, Amerikaner zu sein, zum Ausdruck, wieder ein anderer ermahnte seine Mitmenschen, »Dem Frieden eine Chance« zu geben. Die Leute fuhren allein in riesigen Blechkisten, die die Straßen verstopften, mindestens eineinhalb Parkplätze für sich beanspruchten und deren Inneres größer war als der Lebensraum so mancher vierköpfigen Familie in Indien. Dabei aßen und tranken sie, sahen fern oder führten per Handy Gespräche.
Die Menschen in diesem Land waren alles andere als zurückhaltend und erwarteten von anderen nicht, dass sie sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmerten. Wenn ich im Postamt in der Schlange wartete, um Briefe oder Päckchen an meine Familie in Delhi aufzugeben, hätte ich nach einer Weile eine kurze Abhandlung über meinen Vordermann verfassen können. Ein »Hallo, wie geht’s?« in meine Richtung setzte eine über weite Strecken einseitige Unterhaltung in Gang, die sich um seine letzte Scheidung und seinen Leistenbruch sowie dessen Behandlung drehte und zu der ich meist nur ein höfliches Nicken beisteuerte.
Im Fitnessstudio, das ich auf Sanjays Betreiben hin besuchte, weil in Amerika alle etwas für ihren Körper tun, war »Scham« ein Fremdwort. Während ich im Schutz einer Toilettenkabine in meine Sportkleidung schlüpfte, rieben sich draußen nackte Frauen ungeniert die Beine mit Feuchtigkeitscreme ein oder kämmten sich die nassen Haare, während sie über Kardiogramme, Kohlenhydrate und Kalorien diskutierten. Ihre Körperbehaarung befand sich an den richtigen Stellen, anders als bei mir und den Frauen in Indien, die wie ich Salons zur »Ganzkörperenthaarung« besuchten. Zur Aerobicstunde trugen die Amerikanerinnen hautenge Shorts und Bustiers, während ich mich in Jogginghose und oberschenkellangem T-Shirt in der hintersten Ecke bei den Turnmatten abquälte. Ich weigerte mich, im Fitnessstudio zu duschen, weil der Vorhang dort viel zu schmal für die Kabine war.
Jeden Tag fuhr Sanjay zur Arbeit, genauer gesagt zu dem Taschenimportgeschäft, das er mit seinem Vater führte, und ich erledigte die Hausarbeit. Am Nachmittag, eine oder zwei Stunden bevor ich mit der Zubereitung des Abendessens begann, hatte ich Zeit zum Fernsehen. Das echte Amerika lebte wie in den Soaps, da war ich mir sicher, mit wahnwitzigen Zufällen, fröhlichem Lachen, charmanten, faszinierenden Menschen und interessanten Situationen.
Doch anders als die Leute im Fernsehen konnte ich meinem Dasein als frisch Verheiratete keine ekstatischen Gefühle abgewinnen und bewegte mich nicht in einem Nebel der Romantik. Allerdings hatte ich das auch nicht erwartet, also erschienen mir meine Zufriedenheit sowie meine allmähliche Anpassung an das neue Leben schon genug. Meine Großmutter hatte oft gesagt, stetes Glück sei ein Mythos und bringe letztlich Unglück.
»Je mehr du lachst, desto mehr wirst du irgendwann weinen«, erklärte sie gern. »Tragödien suchen immer die Menschen heim, die zu glücklich sind.« Es sei besser, Momente der Langeweile, ja manchmal sogar der Verzweiflung in einem ansonsten bescheidenen und zufriedenen Leben zu akzeptieren.
Und meine Großmutter hat immer Recht.
Der Regen prasselte vom Himmel herab wie Glas. Sanjay hatte mich angerufen, um mir mitzuteilen, dass er eines Kunden wegen länger im Geschäft bleiben würde, sodass ich allein Tee trinken und Zeitschriften lesen musste. Auf der Titelseite einer Illustrierten prangte ein Foto von Jennifer Aniston ‒ die Namen der Akteure, die regelmäßig in Fernsehsendungen auftraten, kannte ich bereits alle. Die Schauspielerin schaute mit laszivem Blick in die Kamera; eine knallenge Jeans umfasste ihre schmalen Hüften. Ich wusste, dass sie mit dem sogar in Indien berühmten Brad Pitt verheiratet war.
Eigentlich hätte ich im Fitnessstudio sein sollen, aber mir war nicht nach den gebrüllten Anweisungen der Trainer: »Auf Oberschenkel- und Bauchmuskulatur achten! Anspannen! Lockern! Anspannen!« Und ich wollte auch andere Muskeln nicht betätigen, deren genaue Lage ich trotz der zwei Jahre Biologieunterricht in der Schule noch immer nicht ergründet hatte.
Also verbrachte ich den Nachmittag auf dem moosgrünen Ledersofa im Wohnzimmer, trank den letzten Schluck von meinem chai und genehmigte mir noch einen Haferflocken-Rosinen-Keks von dem Teller auf dem niedrigen Glastischchen.
Von draußen war lediglich das Geräusch des Regens zu hören. Bald würde ich mit den Essensvorbereitungen beginnen müssen, dachte ich träge. Vielleicht würde ich nur die Auberginenreste vom Vorabend aufwärmen, dazu Kartoffeln kochen und das Ganze mit Kreuzkümmel würzen, um den Geschmack zu verändern. Einer müden Hindu-Braut mangelt es nie an Einfällen. Dies war der letzte Tag, an dem ich schalten und walten konnte, wie ich wollte, denn am nächsten würden meine Schwiegereltern zurückkommen. Von da an war keine Resteküche mehr erlaubt, und meine Schwiegermutter würde es mir bestimmt nicht gestatten, einfach die Füße hochzulegen. Auch Malini würde mit Sicherheit ihren Senf dazugeben.
Und so beschloss ich, mir ein letztes Nachmittagsschläfchen zu gönnen.
Ich schlummerte so fest, dass ich nicht einmal Sanjay nach Hause kommen hörte. Als ich benommen die Augen aufschlug, merkte ich, dass etwas Speichel aus meinem Mund auf die Armlehne der Couch getropft war, auf der mein Kopf geruht hatte. Wie peinlich, dass Sanjay mich so sah! Ich sperrte ja immer noch die Badtür ab und konnte mich nur über die Leute im Fernsehen wundern, die in Gegenwart des Partners wirklich alles taten.
»Ach, du bist da«, begrüßte ich Sanjay. »Tut mir Leid, ich muss eingenickt sein. Wie spät ist es? Ich mache gleich das Essen fertig.« Noch ein wenig schläfrig schwang ich die Beine über die Sofakante und setzte mich in Richtung Küche in Bewegung.
»Ach was«, meinte Sanjay und ergriff meinen Arm.
»Vergiss es. Wir gehen aus.«
»Aber warum? Es hat doch niemand Geburtstag.«
»Egal«, antwortete Sanjay. »Heute Abend lassen wir es uns gut gehen. Morgen sind alle wieder da. Das ist unser letzter Abend allein.«
So kam es zu meiner ersten Begegnung mit einem amerikanischen Büfett. Wenn Freunde oder Verwandte aus den Staaten nach Indien zurückkehrten, erzählten sie immer vom Essen. »Riesige Teller«, sagten sie. »Riesige Portionen. Da wird man leicht dick.« Auf den an einer Wand des Restaurants arrangierten Tabletts lagen feucht schimmernde gelbe Maiskörner neben glänzenden grünen Erbsen. Rote-Bete-Scheiben ruhten neben wie Minibäume zugeschnittenen Brokkolistrünken. Dazu kamen Kidney-, Schwarzauge- und Limabohnen.
»Schau, da drüben geht’s weiter«, sagte Sanjay. Plastiktabletts in der Hand, wechselten wir in einen Bereich, in dem große Edelstahlbehälter mit dampfender Minestrone, Erbsen-, Fisch- oder Hühnernudelsuppe warteten. Weiter unten gab es Käsesandwiches und Knoblauchbaguettes, Pizzaschnitten und mit Marmelade gefüllte Muffins. Dahinter entdeckte ich die Nachspeisen: wabbelnde Götterspeise, Kuchen und weiße Creme. Nach all den Keksen zu Hause hatte ich eigentlich keinen großen Hunger, aber diesem Angebot konnte ich nicht widerstehen.
»Erzähl, was hast du heute gemacht?«, fragte Sanjay, während er Tomatenscheiben auf seinen Teller lud. »Gewöhnst du dich allmählich an das Leben hier?«
Nun wäre ich gern die clevere Lady mit dem noblen englischen Akzent aus der Serie Cheers gewesen, der immer eine witzige Antwort einfiel, oder die fröhliche rothaarige Mutter aus Happy Days. Da ich weder die eine noch die andere war, begnügte ich mich damit, Sanjay vom Highlight meines Tages, dem telefonischen Kreditkartenangebot einer Dame, zu berichten, die dieses Angebot jedoch hastig zurückzog, als sie hörte, dass ich noch nie eine besessen hatte.
»Ich glaube, ich bin ein bisschen nervös«, gestand ich Sanjay und merkte, dass mir das gerade erst selbst klar zu werden begann. »Ich mache mir Gedanken, weil deine Familie morgen zurückkehrt, und frage mich, ob wir alle … miteinander auskommen werden.«
»Das verstehe ich«, meinte Sanjay mit einem Nicken.
»Aber das klappt schon. Sie werden lernen, dich zu lieben«, versuchte er mich zu beruhigen, während er abgepackten Senf auf seine Pommes drückte. Dann sah er mich mit einem aufrichtigen Blick an. »Mach, was sie von dir verlangen, sprich nicht zu viel und lächle, dann wird alles gut.«
Plötzlich bewegte sich der Löffel Erbsensuppe, den ich gerade zum Mund hatte führen wollen, nicht mehr weiter. Theoretisch wusste ich Bescheid über das Verhalten guter Schwiegertöchter, aber dass die Empfehlung meines Ehemannes mit genau dieser Theorie übereinstimmen würde, hatte ich nicht erwartet.
»Und was ist, wenn sie mir etwas auftragen, das ich nicht kann?«, fragte ich ihn voller Angst. »Was ist, wenn sie, egal was ich mache, nie zufrieden sind?«
»Meine Eltern sind vernünftige Menschen«, erklärte Sanjay. »Solange du dich nicht mit ihnen anlegst, ist alles in Ordnung. Und dafür wird es keinen Grund geben, weil sie, wie gesagt, vernünftige Menschen sind. Halt einfach den Mund und tu, was sie dir auftragen. Bist du fertig? Dann lass uns nach Hause gehen.«
Am nächsten Tag hielt ich am Flughafen bei der Begrüßung von Sanjays Eltern artig den Kopf gesenkt, eine Geste, die sie auch mindestens im ersten Jahr meiner Ehe am Morgen nach dem Aufstehen und am Abend vor dem Schlafengehen von mir erwarten würden.
Meinen Schwiegervater hatten sie in Indien im Rollstuhl herumgeschoben. Normalerweise konnte er sich mithilfe eines Stocks fortbewegen, den er nach einem Sturz in der Badewanne benötigte. (Amerikanischer Sitte folgend hatte er den Bauunternehmer verklagt.) Aber da er Gratisfahrten nie verachtete, nahm er das Angebot mit dem Rollstuhl gern an. Malini und ich umarmten uns verlegen; sie starrte dabei meinen narzissengelben Sari an und ich ihren engen Samtjogginganzug.
Auf dem Parkplatz gegenüber vom Terminal begannen wir die zahllosen Gepäckstücke in den Wagen zu laden. In den Koffern befanden sich Dutzende von Paketen masala und chevda, ohne die die indische Küche nicht auskommt, sowie Seiden- und Brokatstoffe, die meine Schwiegereltern in Delhi für sich oder als Teil meiner Mitgift erworben hatten.
Ich half meinem Schwiegervater auf den Beifahrer- und meiner Schwiegermutter auf den Rücksitz. Malini stieg auf der anderen Seite ein. Sanjay ließ den Motor an, als ich die letzte Tüte in den Kofferraum quetschte und den Deckel zuschlug. Sobald er geschlossen war, fuhr mein Mann, der wohl dachte, alle seien im Auto, los. Erst als er den Wagen um die Ecke lenken wollte, merkte er, dass ich nicht dabei war, und kehrte um.
»Tut mir Leid, mein Fehler«, sagte er, als ich die Tür öffnete und einstieg. Meine Schwiegermutter wirkte alles andere als begeistert, dass sie für mich Platz machen musste.
Zu Hause schleppte ich das Gepäck in die verschiedenen Zimmer, massierte meiner Schwiegermutter die Füße und begann das Essen aufzuwärmen, das seit acht Uhr im Ofen wartete.
»Weißt du, Ma, Priya hat sich große Mühe gegeben, alles für eure Rückkehr vorzubereiten«, sagte Sanjay, während er an seinem Tee nippte. »Sie war wirklich sehr fleißig. Das Haus ist blitzblank, und sie hat gelernt, die Lebensmitteleinkäufe und alles andere allein zu erledigen. Sie kennt die Marken, die wir verwenden, und benutzt sogar schon Coupons.«
Ich lächelte, erfreut darüber, dass ihm das aufgefallen war. »Haha, sehr gut«, meinte meine Schwiegermutter. »Was gibt’s zu essen?«
Zur Feier ihrer Rückkehr hatte ich ein südindisches Gericht zubereitet. Ich stellte die Tabletts mit gedämpftem idli und würzigem sambar auf den mit weißen Papiersetdeckchen geschmückten Tisch. Das helle Deckenlicht ließ Besteck und Würztöpfchen erstrahlen, sodass alles aussah wie auf einem Foto in einem Lifestyle-Magazin.
Das Essen dauerte nicht lange. Anders als im Fernsehen erlebte ich keine entspannten Gespräche bei Cognac und Pralinen. Der gefürchtete erste Abend mit den Schwiegereltern schien aber alles in allem gut gelaufen zu sein.
Nun musste ich mir nur noch über den Rest meines Lebens Gedanken machen.
Ich gebe den Leuten Recht, die sagen, die Ehe sei »harte Arbeit«. Immerzu muss man Böden schrubben, Regale abstauben, Spiegel wischen, Zwiebeln schneiden, Gewürze anbraten, Tee kochen. Tagtäglich sind Hunderte von Dingen zu erledigen, die alle, wie mir schon bald klar wurde, nichts mit der eigentlichen Ehe zu tun haben.
Jedenfalls war es bei mir so.
Ich wusste vor der Heirat mit Sanjay, dass wir in einer traditionellen Hindu-Familie leben würden, zwei Generationen unter einem Dach. Meine Eltern und alle anderen, die ich kannte, hatten es so gehalten. Wenn ein Sohn sein eigenes Zuhause hat, deuten viele Hindu-Familien das als Skandal, manche sogar als Tragödie. Söhne müssen ganz für ihre Eltern da sein, und irgendwann heiraten sie eine Frau, von der man erwartet, dass sie »häuslich« ist. In Amerika bedeutet das »nicht attraktiv«. In Indien heißt es, »sich um den Haushalt kümmern und immer daheim sein« ‒ kleine Ausflüge in den Lebensmittelladen ausgenommen.
In meiner Heimat, wo Arbeitskräfte billig sind, sagt man: »Mein Dienstbote holt dich ab.« Als Angehöriger der Mittelschicht kann man dort ein angenehmes Leben führen. In Amerika hingegen wirkt alles wie ein ewiger Kampf; der Staat erhebt schrecklich hohe Steuern, um die man nicht herumkommt; Auto und Strom kosten viel Geld.
Zum Glück hatte meine Mutter meine Schwestern und mich auf das vorbereitet, was sie ein »häusliches Leben« nannte.
»Mädchen, ihr müsst lernen, einen Apfel schnell zu schälen, bevor er braun wird!«, sagte sie gern während ihrer Kartoffelpell- und Petersiliehackstunden.
Was mir jetzt, das muss ich zugeben, zugute kam.
Aber niemand sagt einem, was wirklich in einer Ehe passiert, wenn die Hochzeitsfeierlichkeiten vorbei und die Geschenke weggeräumt sind und die junge Frau zu dem jungen Mann zieht ‒ in meinem Fall zu seiner ganzen Familie. Niemand bereitet einen darauf vor. Wie bei einem Hollywoodfilm weiß man nicht, was geschieht, wenn der Abspann vorbei ist und der Morgen nach dem Happy End herandämmert.
Wie bei allen Mädchen meines Alters und meiner Gesellschaftsschicht war meine Einstellung zur Ehe geprägt durch Werbespots und indische Soaps, in denen die Männer ihre Frauen nur makellos erlebten. Sie litten nie unter Akne, ihre Nase lief nicht, und sie rülpsten auch nicht. Mein Zukünftiger wäre immer sauber gewaschen und gut gelaunt und würde lächeln. Meine Beine wären stets frisch enthaart, und ich hätte makellose Haut. Wir würden uns nie anschweigen. Er würde mich mit Goldkettchen behängen, und ich würde, zerbrechlich, wie ich in seinem viel zu großen Pyjamaoberteil nun einmal wirkte, jeden Morgen sein stoppeliges Kinn küssen.
Aber meine Ehe war, auch wenn sie durchaus ihre zärtlichen Momente hatte, nicht so.
Am Ende blieben ein Mann im Unterhemd, der sich ständig kratzte, und eine junge Frau, die sich immer wieder fragte, was sie kochen sollte. Wir gingen nicht gemeinsam Mahagoni-Bücherregale aussuchen, hängten nicht zusammen Bilder auf und traten dann, die Arme umeinander gelegt, einen Schritt zurück, um unser Werk zu bewundern. Es gab auch keine Schmuseabende mit einer Flasche Wein vor dem offenen Kamin. Vielmehr ging ich ganz und gar im Leben von Sanjay und seiner Familie auf und besaß kein eigenes mehr.
Sanjay hatte mir versprochen, dass er nach der Rückkehr seiner Familie aus Indien eine große Einladung geben würde, um mich allen ihren Freunden vorzustellen. Und ich hatte bereits den Sari für dieses Fest ausgewählt, eine cremefarbene Chiffongabe meiner Tante Vimla, die sich gern in alles einmischte ‒ dieses Geschenk war so ziemlich das Einzige, was ich an ihr mochte. Dazu würde ich den Goldschmuck tragen, den ich zur Hochzeit bekommen hatte, und so anmutig und makellos wirken, dass alle Northridger Freunde meiner Schwiegereltern sich bestimmt fragten, wie es Sanjay Sohni gelungen war, eine so hübsche Frau zu finden.
Doch eine Woche nach ihrer Rückkehr erklärte meine Schwiegermutter mir, dass es kein solches Fest geben würde.
»Die Hochzeitsfeier in Indien hat genug Geld verschlungen«, sagte sie. Damit meinte sie wohl die Ausgaben, die mein Vater und ihrer Ansicht nach auch sie gehabt hatten. »Da brauchen wir nicht hier auch noch etwas zu veranstalten. Bas, du wirst die Leute schon einen nach dem anderen kennen lernen. Unsere Freunde geben hin und wieder Essens- oder Teeeinladungen. Dort wirst du sie treffen. Außerdem hast du genug mit dem Haus zu tun. Da bleibt keine Zeit zum Feiern.«
Sanjay war in seinem Freundeskreis einer der Letzten, die den Bund der Ehe eingingen, und so gehörten wir immerhin sofort zu einer Gruppe junger Paare. Gelegentlich besuchte Sanjay am Samstagabend, wenn ich das Essen für meine Schwiegereltern zubereitet und die Küche sauber gemacht hatte, mit mir und seinen Freunden laute Lokale, in denen alle jungen Männer Bier tranken. Da waren Rajesh und Naresh und Prakash, verheiratet mit jungen Frauen namens Seema und Dina und Monu, die mich jedes Mal, wenn wir uns sahen, ganz unverhohlen von oben bis unten musterten. Alle Ehefrauen arbeiteten und schienen stolz darauf zu sein. Wenn sie sich nicht gerade über launische Chefs oder Ratenzahlungen fürs Auto unterhielten, tratschten sie über ihre Kolleginnen, Sie trugen schicke westliche Kleidung und schienen die Anfänge ihrer Zeit in Amerika vergessen zu haben, als sie sich noch genauso traditionell anzogen wie ich. Ich wusste sofort, dass wir nie richtige Freunde werden würden, weil ich beim Anblick dieser Inderinnen, die jetzt Amerikanerinnen waren, Sehnsucht nach meinen Schwestern empfand.