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Dieses eBook: "Die Tante" ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Johanna Schopenhauer (1766-1838) war eine deutsche Schriftstellerin und Salonnière. Sie war die Mutter des Philosophen Arthur Schopenhauer und der Schriftstellerin Adele Schopenhauer. Aus dem Buch: "Wie oft versuchte ich es schon, sein Bild auf dem Papier festzuhalten! Aber ich ermüde im fruchtlosen Streben. Ja, wenn ich mit den Zügen seines Gesichts auch die unbeschreibliche Harmonie in seinem ganzen Wesen wiederzugeben vermöchte! Er ist immer er selbst! Ganz und ungeteilt er selbst, in jeder seiner Bewegungen, in jedem seiner Worte, im Scherz wie im Ernst! Nur er, einzig er kann so dastehen, so sprechen, so aussehen, und doch ist es nicht seine Gestalt allein, die ihn vor allen auszeichnet, es ist der Einklang, die Übereinstimmung in seiner ganzen Erscheinung. Wo lebt der Künstler, der diese darzustellen vermöchte? Ohne sie bleiben meine Bilder leblos und starr, bei aller übrigen Ähnlichkeit gleichen sie Wachsbildern, die das Leben ungeschickt nachäffen wollen, und ich muß sie vernichten, denn sie erregen mir Grauen."
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Seitenzahl: 614
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Even so it was with me, when I was young:
It is the show and seal of nature's truth,
Where love's strong passion is impress'd in youth:
By our remenbrances of days foregone,
Such were our faults; – or then we thougt them none.
SHAKESPEARES All's well that ends well.
Babet und Agathe, zwei sehr hübsche Mädchen von sechszehn und siebenzehn Jahren, saßen an einem rauhen Herbstabende, in der trübseligsten Stimmung von der Welt, ganz allein bei einander. Draußen peitschte der Sturm mit lautem Geprassel Regen und Hagel gegen das Fenster des Kabinets, und im Nebenzimmer lag ihre todtkranke Verwandte Vicktorine, die einzige Tochter des reichen Handelsherrn Kleeborn, der seit dem frühen Tode ihrer Eltern sich als der Bruder ihrer Mutter der armen verwaiseten Kinder väterlich annahm.
Wenn sie auch der Kranken wegen sich nicht hätten Zwang anthun müssen, so war doch ohnehin, den beiden Mädchen nicht so zu Muthe, daß sie wie sonst hätten mit einander um die Wette plaudern mögen; denn seit Jahr und Tag, das heißt, seit sie aus der Pensionsanstalt in das Haus ihres Oheims kamen, waren ihnen zum erstenmale zwei tödtlich lange Wochen ohne Ball, ohne Theater, ohne irgend eine Art von Gesellschaft, langsam vorüber geschlichen. Daher wußten sie auch gar nichts ordentliches zu reden; am liebsten wären sie aus lauter Langerweile gleich zu Bette gegangen, obgleich es eben erst Abend ward; aber das ging auch nicht an, denn es war an ihnen die Reihe, diese Nacht bei der kranken Kusine zu wachen. Es schämte sich nur eine vor der andern, sonst hätte jede sich gern in einen Winkel hingesetzt, und nach Herzenslust drauf los geweint, so beklommen war ihnen zu Muthe.
Nachdem sie eine feine Weile so trübseelig da gesessen hatten, begannen sie so leise als möglich auf den Fußspitzen nebeneinander in dem kleinen Zimmer umher zu schleichen, bis Babet sehr nachdenklich am Fenster stehen blieb, den zierlichen Finger an die hübsche Nase legte, und nach einer kleinen Pause mit fast heroischem Anstande ausrief: »richtig! der Schwarze!« so daß Agathe darüber, der draussen herrschenden Dunkelheit vergessend, mit dem Köpfchen neugierig gegen das Fenster fuhr. Die Scheiben klirrten, Agathe klagte weinerlich: »Das war recht maliziös von dir!« und rieb sich die schmerzende Stirn. »Ich weis gar nicht was du darunter suchst,« setzte sie hinzu. »Und ich weis gar nicht was es dich angeht,« erwiederte Babet. »So? und hast du mir nicht gesagt?« eiferte Agathe. Babet meinte, das hätte sie eben nicht, und nun gieng der Zwist wieder los, gerade wie gestern Abend, da sich beide blos für die Langeweile recht tüchtig mit einander herumgestritten hatten.
Manch heisses Thränchen war schon von beiden Seiten geflossen, als Babet endlich heraus schluchzte: »es ist doch zu arg, daß man nun nicht einmal mehr überlegen darf, was man morgen in der Kirche für einen Huth aufsetzen will« »Was? Huth aufsetzen?« fragte, schnell sich erheiternd, Agathe, »liebste Babet! ich meinte wahrhaftig, du sähest draussen den Schwarzen, ach du weist ja, wen wir so nennen; den hübschen Lieutenant meinte ich!«
Die unwiederstehlichste Lust zum Lachen hemmte jetzt aufs schnellste den Erguß der Thränen bei beiden Mädchen; vergebens tönte gleich einem nahenden Gewitter, das warnende Husten der alten französischen Mamsell aus dem Krankenzimmer zu ihnen herüber; sie waren nicht im Stande sich zu fassen. Das Lachen hörte nicht auf, selbst als die Mamsell ein sehr ernsthaftes: »fi donc, mes enfants!« zur halbgeöffneten Thüre hereinflüsterte; sie stopften sich zwar die kleinen Batisttücher in den niedlichen Mund, aber es half wenig. Endlich schmiegten sich alle beide in des Onkels großen Lehnstuhl hinein, und legten, noch immer kichernd, die Lockenköpfchen dicht aneinander.
Nach und nach war es jetzt im Zimmer beinah ganz dunkel geworden, denn man hatte vergessen ihnen Licht zu bringen; dazu orgelte der Wind im Kamin, und pfiff in schneidenden Tönen durch die langen Gänge des weitläuftigen Hauses, so daß den Mädchen, trotz dem Lachen, ein kleines Grauen anwandelte. Sie mochten sich weder regen, noch einander loslassen, und fiengen daher lieber an von ihren Herzensangelegenheiten mit einander zu plaudern; denn dieses war so recht ein Stündchen dazu.
»Sage einmal,« flüsterte Agathe, »geht er denn in die Kirche, wenn du den schwarzen Huth aufsetzest?« »Ei bewahre!« antwortete Babet, »aber er wartet ja alle Sonntage mit den Andern an der Kirchthüre, um die Damen zu sehen, die hineingehen; mich grüßt er dann immer ganz absonderlich, den schwarzen Huth kennt er aber noch gar nicht an mir, weil der noch neu ist, und er kleidet mich doch am besten, wie du weißt.« »Ach Gott! nun habe ich den armen Theodor schon seit acht Tagen nicht gesehen!« setzte Babet mit einem recht kläglichen Seufzer hinzu, »wären nur die Ferien nicht so schnell vorüber! wie lange wird es währen, so muß er wieder nach Göttingen! Das alberne Studiren! Ach und nun ist Montag die neue große Oper und Dinstag Ball im Kassino! Was hilft es mir nun, daß ich zum ersten Walzer, zur zwoten Quadrille und zum Kotillion mit ihm engagirt bin? Da haben sie nun alle mich so beneidet! und nun bin ich doch so unglücklich!«
»Ach ja! es ist eine rechte Noth,« seufzte Agathe, »und darum will ich mich auch niemals verlieben, all' mein Lebtage nicht.« »Ich dächte gar!« rief lachend Babet, »willst du eine alte Jungfer werden wie die Tante?« »Ach die adliche Tante, sprich nur nicht von der!« erwiederte Agathe ganz ärgerlich. »Ich wollte die säße wo der Pfeffer wächst, oder wo sie bis jezt gesessen hat. Der Onkel hätte auch nicht nöthig gehabt, sie Vicktorinen wegen zu verschreiben, die hätten wir wohl ohne ihre Hülfe gepflegt, und wäre auch wohl so gesund geworden. Ich kenne zwar die Tante noch gar nicht.« »Ich auch nicht,« fiel Babet ein, »aber sie ist mir doch auch eben so fatal als dir. Gieb nur Acht, wie die uns wird behofmeistern wollen, als wenn wir nicht schon mit der Mamsell Noth genug hätten. Und eigentlich ist sie nicht einmal unsere rechte Tante, denn unsere Mutter war doch die leibliche Schwester des Onkels Kleeborn, sie aber ist nur die Schwester seiner seeligen Frau, und obendrein eine Nonne oder so etwas.«
»Stiftsdame ist sie,« fiel Agathe belehrend ein, »doch wir wollen schon sehen, wie wir mit ihr fertig werden,« fuhr sie fort, »laß uns jezt nur wieder auf den Schwarzen kommen. Siehst du, ich thue nur so, als ob ich Theil an ihm nähme, denn man muß in der Welt alles mitmachen, aber ich heurathe ihn nicht, wenn er auch um mich anhält, das kann ich dir auf Ehre versichern.« Hiermit lehnte sich Agathe sehr gravitätisch in den Lehnstuhl zurück, und that dabei so ernsthaft, daß Babet wieder laut auflachen mußte. »Kennst du ihn denn so gut?« fragte diese. »Bewahre!« war die Antwort, »ich meinte nur, wenn ich ihn kennte, und eigentlich kenne ich ihn doch. Du weißt, wie oft wir mit einander getanzt haben, und er ist auch schon zweimal hier nebenan bei Obristens zum Besuch gewesen, da habe ich jedes Wort gehört was er gesagt hat, und ich kann dich versichern, es war alles sehr vernünftig, du kannst es mir glauben.« »Warst du denn bei Obristens zum Besuch? Das hast du mir ja noch gar nicht erzählt,« fragte Babet. »Ach nein,« antwortete Agathe, »ich hatte nur wegen des Geldbeutels, den ich dem Onkel zu Weihnachten häckeln will, mit Amelie nothwendig zu sprechen, und da stand ich ein wenig hinter der Thüre.« »Ja so!« erwiederte Babet bedächtig, »nun ich wollte, mein Theodor machte jezt nur auch bald ein Ende, und spräche mit dem Onkel. Eigentlich hat er auf Ostern ausstudirt, Pfingsten kann er sich examiniren lassen, dann wird er auf Johanni angestellt« – »und heurathet dich auf Michaeli, das geht ja alles Quartalweise bei dir,« fiel Babet lachend ein.
»Das Fräulein Tante kommt!« rief jezt ein vorübereilender Bediente ins Kabinet hinein, und beide Mädchen nahmen sich schnell zusammen, um der Gefürchteten entgegen zu gehen.
Sie fanden die Ankommende noch auf der, mit Marmor getäfelten Hausflur, von vorleuchtenden Bedienten umgeben, welche sie in die für sie bereiteten Zimmer führen wollten. Es war eine hohe, schlanke, Ehrfurcht gebietende Gestalt, die in dem schwarzen, knapp anschließenden Reisekleide, mit dem schwarzen Spitzenschleier über dem dicht anliegenden, weissen Häubchen wirklich ein ziemlich nonnenartiges Ansehen hatte. Die edlen, etwas scharf gezeichneten Züge des blassen Gesichts trugen noch unverkennbare Spuren ehemaliger seltner Schönheit; die leicht beweglichen feinen Lippen des noch immer schönen Mundes bezeichneten, wie bei Andern das Auge, jede vorübergehende Empfindung mit einem ganz eigenthümlichen Ausdrucke. Die großen hellblauen Augen hingegen schienen auf den ersten Anblick beinahe farblos und unbedeutend, doch wenn sie, während die Tante sprach, sich belebten, so drang eine solche innere Lebensgluth aus ihnen hervor, daß man sie für ungewöhnlich schön anerkennen mußte. Es lag etwas Südlich-schwärmendes im Aufschlage dieser, noch immer von langen dunkeln Wimpern beschatteten Augen, das an jene herrlichen Darstellungen der Mater dolorosa erinnerte, wie wir sie noch in alten Kirchen zuweilen sehen.
Uebrigens schien die Tante kaum funfzig Jahre zu zählen, obgleich sie fast zehn Jahre älter war. Die Hand der Zeit hatte die etwas stolze Haltung des hohen Wuchses nicht gebeugt, und das noch immer weiche blonde Haar zeigte nur fast unmerkbare Spuren von Reife des Alters. Die ganze Erscheinung dieser Dame stellte sich als eine jener begünstigten Ausnahmen dar, welche die Zeit zuweilen nur mit mildem schonenden Hauche zu berühren wagt, um ein seltenes Meisterwerk der Natur so spät als möglich verblühen zu lassen.
So hatten weder Agathe noch Babet sich die Tante gedacht. Sie begrüßten sie ängstlich verlegen, und zogen dann so ehrfurchtsvoll hinter ihr drein, um sie in ihre Zimmer zu begleiten, als wäre sie eine Königin. Obgleich Beide nur noch vor wenigen Minuten sehr vorlaut über sie abgesprochen hatten, so waren sie jetzt doch so befangen, daß sie nur verstohlen es wagten, den prüfenden Blick zu ihr und zu einem sehr jungen, sehr schönen und sehr bleichen Mädchen zu erheben, das, sichtbar ermattet, auf ihren Arm sich stüzte.
»Der Onkel ist nicht zu Hause, wir wollen ihn aber gleich holen lassen,« stotterte Agathe. »Er ist im Kassino, wo er alle Abend sein Parthiechen macht und gewöhnlich erst nach Mitternacht zu Hause kommt,« setzte Babet, sich ermuthigend, hinzu. »Dort laßt ihn in Ruhe, ich bitte, ich werde morgen ihn sehen, sprach die Tante sehr freundlich, »für jezt wünsche ich nun Mamsell Virnot zu sprechen, um genau zu erfahren, wie es mit unsrer Vicktorine steht. Euch aber, liebe Nichten – denn das seid ihr doch, denke ich?« »Ach ja, Babet und Agathe,« riefen beide Mädchen im Chor. »Nun denn, liebe Babet und liebe Agathe, euch beiden empfehle ich hier meine Pflegetochter, sie heißt Angelika. Ich bitte euch nicht, sie zu lieben, denn das findet sich gewiß von selbst, nehmt euch nur fürs erste ihrer freundlich an, und helft dem armen, reisemüden Kinde zur Ruhe zu kommen.«
Mitternacht war längst vorüber; Vicktorine lag leise athmend im tiefen Schlummer, von dem der noch spät sie besuchende Arzt die heilsamsten Folgen gehofft hatte. Auch Agathe und Babet waren schon vor ein paar Stunden zu Bette geschickt worden, denn die Tante, welche sich von der heutigen sehr kurzen Tagereise gar nicht ermüdet fühlte, hatte darauf bestanden, an ihrer Stelle bei der Kranken zu wachen. Die Jugend, sprach sie zu ihrer alten Freundin Virnot, indem sie für die beiden schläfrigen Kinder vorbat, die Jugend bedarf zum Gedeihen des Schlafes, wie die erblühende Pflanze den erquickenden Thau. Anders ist es mit uns, deren Lebenstag sich schon dem Untergange zuneigt, da wird die Natur selbst genügsamer, und lehrt uns, mit den Stunden haushalten, die uns vielleicht nur noch sehr sparsam zugezählt sind.
So saß sie denn jezt in dem, an das Krankenzimmer stoßenden Kabinette, in dem nehmlichen Lehnstuhle, in welchem vor ein paar Stunden Babet und Agathe einander ihren Liebeskummer geklagt hatten, und ihr gegenüber, die beim Schein der verdüsterten Lampe emsig strickende Französin. Die Thüre des Nebenzimmers stand offen, keine Bewegung der Kranken konnte ihren Wächterinnen entgehen, doch sie schlief fest und ruhig.
»Gute Virnot,« hob die Tante das leise flüsternde Gespräch an, »liebe alte treue Freundin, ich muß diese ersten Augenblicke ungestörten Beisammenseyns benutzen, um Ihnen für die unsägliche Liebe zu danken, mit der Sie meiner armen Vicktorine sich annehmen.«
»Ach das liebe Kind!« erwiederte freudig die Französin, »es ist ja, als wäre es das meine. Je l'ai vu naître; diese Arme haben sie von ihrer Kindheit an getragen; wie sollte ich sie nicht lieben? c'est un coeur excellent, ein wenig heftig, ein wenig hochfahrend zuweilen, doch das macht die Jugend; der Grund ist vortrefflich, c'est le vrai portrait de feu Madame sa mère. Wenn ich dagegen Babet und Agathe mit ihr vergleiche! ach Ihro Hochwürden! ces chers Enfants sind ein paar maliziöse kleine Kreaturen.«
»Nicht doch, gute Virnot,« fiel die Tante lächelnd ein, »unartig mögen sie wohl zuweilen seyn, das gebe ich zu, aber nicht boshaft, denn die Jugend ist dies selten oder nie. Doch lassen Sie uns jezt lieber von unsrer Vicktorine sprechen. Es sind nun zwölf Jahre, daß ich weder sie noch ihren Vater gesehen habe, und ich stehe da mitten unter den Meinen, gleich einer Fremden. Dennoch hängt jezt mein ganzes Herz an dem theuern Ebenbilde meiner früh zur Ruhe gegangenen Schwester, das ich als sechsjähriges Kind verlassen habe, und jezt als achtzehnjährige Jungfrau wieder finde.«
»Und wie sie sich entwickelt hat, cette chère petite Victorine, rief die Guvernante. Belle comme le jour, Madame, je vous assure. In gesunden Tagen war keine von unsern jungen Demoiselles ihr zu vergleichen, sie war die Krone von allen, und jezt, hélas!«
»Sie wird es wieder, gute Virnot,« tröstete die Tante; doch diese seufzte, »ah Madame! ich fürchte, der Arzt wird für unsre Vicktorine nur wenig thun können, denn was sie heilen soll, ist in keiner Apotheke zu finden. Hätte sie mir nur vertraut, aber da hat sie geschwiegen und geweint, und geweint und geschwiegen, und nun liegt sie da.«
»Liebe Virnot, wie Sie mich erschrecken!« rief die Tante, »ich beschwöre Sie, sagen Sie mir alles, was Sie von dem geliebten Kinde wissen oder vermuthen, es sei noch so wenig, noch so unbestimmt. Es ist durchaus nothwendig, daß ich einigermaßen vorbereitet sei, ehe ich es versuche, Vicktorinens Vertrauen mir zu gewinnen. Ich hoffe, sie wird zu mir ein Herz fassen, sie wird mich um ihrer Mutter willen lieben, obgleich sie mich nur aus den Briefen kennt, die wir bisher, selten genug, mit einander gewechselt haben. Leider war ich stets mit Vicktorinens Umgebungen zu wenig bekannt, um auf das Gemüth meiner Nichte entscheidend wirken zu können. Nur Sie kenne ich in diesem Hause, liebe Virnot, und die Treue, welche Sie so viele Jahre hindurch meiner Schwester und ihrem Kinde bewiesen, alle andern sind mir fremd, sogar Vicktorinens Vater; wir sind in geistiger Hinsicht einander nie näher gekommen. Liebe zu dem einzigen Kinde meiner Schwester konnte allein mich bewegen, seinen dringenden Bitten nachzugeben und die geliebte Einsamkeit meines Stiftes mit dem Leben in dieser geräuschvollen Stadt auf einige Zeit zu vertauschen.«
»Et Dieu en soit loué mille fois,« rief die ehrliche Virnot; »denn dieses haus bedarf jezt mehr als je an seiner Spitze einer Dame, wie Ihro Hochwürden Gnaden sind, und unsre junge Demoiselle einer Leitung, wie Sie allein ihr gewähren können. Ich war ja von jeher nur ihre Bonne. Zwar obgleich ich nicht in Frankreich selbst, sondern nur in der französischen Kolonie zu Berlin geboren bin, französisch hat sie dennoch von mir gelernt. Madame, elle parle comme une petite parisienne, sie hat so ganz den ächten Accent in ihrer Gewalt, eh bien, das sind Gaben von Gott. Dabei hat sie ein gewisses maintien, gewisse Manieren, wie eine kleine Prinzessin. Das alles ist aber doch nicht genug, maintenant qu'elle est une grande Demoiselle, kann ich das liebe Kind doch nicht mehr überall hinbegleiten, überdem liegt die ganze Haushaltung auf mir, und so ist es allerdings ein großes Glück, daß Ihro Hochwürden Gnaden sich der Noth annehmen wollen.«
»Lassen Sie mich vor allen Dingen Sie bitten, liebe Virnot, mich mit dem Titel zu verschonen, den ich außerhalb meines Stiftes, und besonders hier, übel angebracht finde; und nun machen Sie mich mit der Noth bekannt, welcher abzuhelfen, hier meine einzige Sorge sein soll;« sprach die Tante.
»Eh bien donc, Madame, vous le voulez,« erwiederte die Französin, nahm die Brille ab, legte ihr Strickzeug zusammen, und rückte im Sessel sich zurecht, dann fuhr sie folgendermaßen fort. »Au fond, glaube ich, liegt die Schuld wohl größtentheils am cher Papa. Herr Kleeborn ist zwar ein sehr braver Mann, der sein Kind liebt, wie ein rechtlicher Vater soll und muß. Er läßt es Vicktorinen an nichts fehlen, er hält ihr die theuersten maitres, in allem, was eine solche junge Demoiselle zu lernen hat, sein Haus ist das brillianteste in der Stadt. Ach Ihro Gnaden können gar nicht glauben, wie ich mich tummeln muß, bei den ewigen Feten, die wir geben; denn obgleich wir Bedienten die Menge haben, liegt doch alles auf der alten Virnot, mais je le fais de bon coeur. Ja, was ich sagen wollte, um wieder auf unsern Text zu kommen, ja, und eine Garderobe hat unsre jeune Demoiselle, comme une petite Reine, je vous assure, Schmuck und alles, was dazu gehört.«
»Nun das alles will indessen nicht viel sagen, Herr Kleeborn besizt ein fürstliches Vermögen, Alle an der Börse ziehen den Huth vor ihm ab, und so kann er den Aufwand wohl ertragen. Mais, Madame, entre nous soit dit, das ist nicht immer so gewesen. Es kam einmal eine Zeit, nicht lange vor dem Ableben unsrer seligen Dame, es mögen zehn Jahre und drüber sein, das war eine sehr böse Zeit, in der die Stützen von Europa wankten, wie Herr Kleeborn zu sagen pflegt, wenn jetzt die Rede darauf kommt. Ein eigener Unglücksstern muß damals über der Handelswelt aufgegangen sein, denn, figurez vous, Madame, in Amsterdam, in London, überall in den bedeutendsten Handelsstädten fielen die größten Häuser. Ueberall herrschte Mistrauen, plus de confiance, plus de crédit, nulle part. Jeder Tag brachte neue Hiobsposten, und Herr Kleeborn ward immer so bleich, wie hier mein Tuch, ehe er die Briefe, welche an ihn einliefen, im Zimmer von Madame erbrach; denn da trug er sie damals immer hin, weil er sich nicht mehr getraute, sie im Komtoir im Beisein seiner Leute zu eröffnen. Wahrscheinlich fürchtete er, sich zur Unzeit zu verrathen, wenn etwa böse Nachrichten kämen. Nun die blieben denn auch nicht aus, und Herr Kleeborn sah sich au bord d'un précipice, wie man zu sagen pflegt. Er war zwar nicht ruinirt, aber er gerieth doch, pour le moment, in sehr dringende Verlegenheit, und nur baares Geld konnte ihn retten, wenn er nicht, wie damals so viele andere, seine Zahlungen suspendiren wollte. Le pauvre homme! Der bloße Gedanke an einen solchen Schritt sezte ihn in Verzweiflung. Meine arme Dame hat in jenen Tagen recht viel mit ihm ausgestanden, denn nur ihr allein vertraute er alles. Ah! comme elle en a pleuré!«
»Meine arme Schwester! mir hat sie das alles verschwiegen!« seufzte die Tante. »Das glaube ich,« erwiederte die Bonne, »denn sie klagte nie; aber sie hat seitdem wenig frohe Stunden mehr gehabt. Um den Herrn zu trösten, bat sie ihn mit Thränen, sich an ihre reiche Verwandte zu wenden, die sollten ihm helfen. Sie schrieb selbst an den Herrn Grosonkel, der die weitläuftigen Herrschaften in Schlesien besitzt. Auch an alle andere begüterte Mitglieder der Hochadeligen Familie wandten sich beide in dieser Noth, Herr Kleeborn sowohl als Madame; Namen und Reichthümer der hohen Herrschaften sind Ihro Gnaden gewis besser bekannt als mir, mais – hier stockte die gutmüthige Erzählerin, als scheue sie sich weiter zu sprechen, doch ihre Zuhörerin lies nicht ab mit Bitten, bis sie sich entschloß weiter fortzufahren.
»Enfin, Madame, vous le voulez ainsi,« fieng sie abermals an, »und so muß ich denn leider bekennen, daß eine abschlägige Antwort der andern folgte, und waren sie auch nicht alle mit dem feinsten ménagement abgefaßt. Den Zustand meiner beklagenswerthen Dame unter diesen Umständen, mag ich Ihro Gnaden nicht beschreiben, die Verzweiflung ihres Gemals blieb indessen immer ihr größter Kummer, an sich dachte sie wenig. Leider aber verschonte sie auch Herr Kleeborn nicht mit Vorwürfen über das Benehmen ihrer Verwandten, et cependant, Dieu le sait, la pauvre chère femme n'en pouvait rien! Sie trug alles mit der größten Freundlichkeit, aber ich denke immer, jeder Tag in jener Zeit war ein Nagel zu ihrem Sarg.«
Die gute Alte brach bei diesen Worten in Thränen aus, auch ihre Zuhörerin weinte, endlich nahm die Bonne wieder das Wort. »Ah, Madame,« seufzte sie, »nous avons bien souffert. Endlich kam Hülfe, wo es der Herr am wenigsten erwartet hätte; ein reiches Amsterdammer Haus, welches schon mit seinem Vater in grossen Verbindungen gestanden hatte, an das er sich aber nicht hatte wenden mögen, weil es ebenfalls bei allen diesen Schlägen nicht verschont geblieben war, schickte Herrn Kleeborn aus eignem Antriebe grosse Summen ein, gab ihm offnen Kredit, zu einer Zeit da der Bruder dem Bruder nicht mehr vertrauen durfte. Herr Kleeborn war nun durch den Edelmuth seiner Handelsfreunde gerettet, er blieb ein wohlbehaltner Mann, und gieng wie ein König, mit erhobnem Haupte an der Börse einher, doch meine arme Dame litt darum nicht weniger, denn er warf von diesem Augenblick an einen gewaltigen Haß, nicht nur auf ihre Familie, sondern auf die ganze Noblesse. Er sprach unablässig davon, wie thöricht die Bürgerlichen wären, die sich mit Adelichen verbänden, und versicherte, daß er seine Vicktorine – lieber Gott, la pauvre petite war damals kaum sieben Jahre alt! – daß er sie, sage ich, nie einem andern als einem Kaufmann geben würde. »Der wahre Kaufmann,« pflegte er zu sagen, »hat den achtungswerthesten, nützlichsten und darum ehrenvollsten Stand erwählt. Er allein verbindet beide Hemisphären, sein scharfer Blick entdeckt jeden Mangel in den entferntesten Ländern, und auf seinen Wink eilen reichbeladene Schiffe von einem Pole zum andern, um diesem Bedürfnis abzuhelfen. Sein Wort, sein Befehl gelten in der neuen Welt wie in der alten, und ein Federzug von ihm sezt hundert Meilen von ihm Millionen Goldes und tausend fleissige Hände in Bewegung.« Ne vous étonnez pas, Madame, daß ich dies alles Ihnen so hersagen kann, ich habe die ganze Tirade so viel Hundertmal, fast immer in den nehmlichen Worten wiederholen gehört, daß ich sie endlich wohl auswendig behalten mußte. Am Ende dieser Rede sezte Herr Kleeborn gewöhnlich hinzu, »lassen Sie einmal einen Reichsgrafen, einen Freiherrn, oder welchen Ihrer edlen Verwandten Sie wollen, es versuchen, Madame, was im Auslande mehr gilt, Ihr uralter, Name, Ihr tausendjähriger Stammbaum, oder meine simple keine funfzig Jahre alte Firma, Martin Nikolaus Kleeborn, von meiner eignen Hand geschrieben. Kaiser und Könige nehmen zu uns ihre Zuflucht, wir müssen allen helfen, aber wenn wir Hülfe brauchen, und sie thörichter Weise bei andern als bei unsers gleichen suchen....« Damit ging denn das alte Lied wieder los, et Madame pleurait! Freilich kam es mir vor, als ob der Herr in der Hauptsache nicht ganz Unrecht haben mochte, aber wozu diese ewigen kränkenden Répétitions gegen meine unschuldige Dame? Aussi en avait elle le coeur navré, obgleich sie nie litt, daß ich nur ein Wort darüber sprach. Sie ward endlich dabei des Lebens immer müder und müder, bis sie nach etwa sechs Monaten sich hinlegte und entschlief. Dieu aye pitié de son ame!«
»Eh bien,« nahm nach kurzer Pause mit, vor innerer Rührung noch bebender Stimme, die Bonne wieder das Wort, »eh bien, nun war es an dem Herrn zu weinen, und das hat er denn auch redlich gethan, denn er liebte meine seelige Dame demohnerachtet. Sein Gewissen mochte ihm anfangs wohl manch böses Stündlein machen, wenn er der lezten Zeit gedachte die sie mit ihm verlebt hatte. Doch im Gewühle der Geschäfte gieng das bald vorüber. Einige glückliche Handelsconjuncturen traten bald darauf ein; so nennen sie es nehmlich an der Börse, wenn sie mit ihren Spekulationen viel Geld verdienen. Herr Kleeborn ward mit jedem Jahre immer reicher und reicher, und zulezt der Millionär der er jezt ist. Wärend Herr Kleeborn sein Hauswesen immer prächtiger einrichtete, wuchs ebenfalls unsre Vicktorine, seine einzige Erbin, zur schönsten Demoiselle in der Stadt heran. Da gab es bei uns Bälle, Concerts, Assemblées, Théatres de Société; alle angesehenen Fremde, von jedem Range und Stande, sans distinction, fanden dabei Zutritt, et notre chère petite Victorine war wie eine kleine Königin, au beau milieu de tout cela.«
»Armes Kind!« seufzte die Tante. »Ja wohl! stimmte die Bonne mit ein, so ganz allein, dans ce tourbillon, ohne eine chère Maman sie zu souteniren! Indessen muß ich ihr zum Ruhm nachsagen, daß tausend andre junge Demoiselles sich an ihrem Plätz ganz anders benommen haben würden; da ist Mademoiselle Babet par exemple, mais passons là-dessus. Unsre Vicktorine war immer artig und freundlich gegen jedermann, immer sans prétentions. Die Freier blieben denn auch nicht lange aus; manche mochten wohl les beaux yeux de la Cassette de son père mit in Anschlag bringen, enfin, das ist so der Welt Lauf. Genug Grafen und Barone haben sich um unsre petite Demoiselle beworben, man spricht sogar von einem nahen Verwandten der apanagirten Linie eines regierenden fürstlichen Hauses, mais cela reste entre nous.«
»Daß Herr Kleeborn an dem Succès seiner schönen Tochter ungemeine Freude hatte, war wohl ganz natürlich, indessen wies er doch alle die vornehmen Parthien, die sich ihr darboten, zwar sehr höflich, aber doch auch zugleich sehr bestimmt zurück.«
»Er blieb dabei, ihre Hand nur einem Kaufmanne, wie er selbst einer ist, geben zu wollen, und jezt Ihro Gnaden, nous voilà arrivé au point, jezt sind wir an dem Punkte, will ich sagen – »wie denn?« fragte ein wenig ungeduldig die Tante, »an welchem Punkte?« – »Nun an dem Punkte,« war die Antwort, »von welchem, wie ich glaube die Krankheit Vicktorinens ausgeht. Und gebe Gott, daß ich irre, daß meine Ahnung nicht in Erfüllung gehe, mais j'ai un pressentiment bien triste au fond du coeur. Ich fürchte, sie fühlt eine unglückliche Passion für einen der großen vornehmen Herrn, die sich vergeblich um ihre Hand bewarben. Und wenn der cher papa so fortfährt wie er angefangen hat, so kann sie wie ihre pauvre chère maman ...« »Fassen Sie Muth, gute Virnot, fiel die Tante ein, »fürchten Sie nicht gleich das Aergste; ein junges Herz bricht nicht so leicht, weil es immer und gern an der Hofnung hält, und die läßt uns so nicht untergehen. Sagen Sie mir nur vor allen Dingen, kennen Sie den Mann, von dem Sie glauben könnten« – »Hélas non! ich kenne niemand,« seufzte die Bonne. »Wenn Société da ist,« fuhr sie nach einem kleinen Bedenken mit ihrer gewohnten Redseeligkeit fort, »so komme ich nie in den Salon, da habe ich im Hause genug zu thun, c'est la mer à boire. Wahrhaftig, Ihro Gnaden, es thäte Noth, daß ich hundert Augen hätte und Flügel dazu. Ich glaube es wohl, liebe Virnot,« erwiederte die Tante, »doch sprechen wir von Vicktorinen.«
Ah Madame,« fieng die Bonne wieder an, »que voulez vous, que je vous en dise? Ich weis nichts weiter, als daß der Papa vor einiger Zeit sie in sein Kabinet rufen ließ. Das wunderte mich eben nicht, denn es ist so seine Gewohnheit, wenn er einen neuen Freyer abgewiesen hat, damit Vicktorine doch wisse, wie sie in Zukunft ihr Benehmen gegen den Monsieur en question einrichten soll. Sie blieben wohl eine Stunde bei einander, das war noch nie geschehen. Endlich kam sie zurück in ihr Zimmer, mais grand Dieu! dans quel état! Bleich wie eine Sterbende, sag' ich Ihnen, hélas! sie sah in dem Augenblick ihrer pauvre maman so ähnlich! Sie schlang ihre beiden lieben schönen Arme um meinen alten Nacken, und weinte so kläglich, wie noch nie seit dem Tode ihrer Mutter. Ich weinte mit, ich wußte zwar nicht, worüber? aber wie konnte ich anders? la pauvre petite me perçoit le coeur. Ich versuchte endlich ihr zuzureden, so gut ich es konnte in meiner Unwissenheit von dem, was zwischen ihr und ihrem Vater vorgegangen war, mais, du lieber Gott, was konnte das helfen? Sie hörte nicht einmal auf mich. Dabei war sie so heftig, ihre Augen blitzten so wild, ihre Bewegungen waren so égarés, ich vergieng bald vor Angst, und wußte nicht, quoi faire. Bald weinte sie, bald stieß sie Klagen und Reden aus, die ich zwar nicht verstand, die ich aber doch nicht anders auslegen kann, que comme j'ai eu l'honneur de le dire à Madame. Das währte einige Zeit, sie wankte gleich einem Schatten umher, schrieb viel, weinte noch mehr, bis ein heftiges Fieber ihr Kraft und Besinnung raubte. Seitdem liegt sie da, comme Madame l'a trouvée.«
»Heute war ein entscheidender Tag, und der Arzt zufrieden; le bon Dieu en soit béni mille fois. Ich denke, die Gegenwart der chère Tante wird das beste Cordial für die arme Kranke sein. Wenn sie nur reden wollte! Reden bleibt doch immer der beste Trost!«
Unerachtet der großen Theilnahme, mit welcher die Tante der guten alten sprachseeligen Französin zugehört hatte, konnte sie dennoch bei dieser ihrer lezten Bemerkung ein leichtes Lächeln kaum unterdrücken. Indessen brach der Tag an, die Tante gieng um auszuruhen, und Vicktorine erwachte bald darauf mit allen Anzeigen einer nahen Genesung.
Von nun an verlies die Tante Vicktorinen so wenig als möglich. Denn obgleich der Arzt diese für völlig ausser aller Gefahr erklärt hatte, so bedurfte die arme Kranke jezt dennoch einer weit aufmerksamern Pflege als damals, wo sie in dumpfer Bewußtlosigkeit am Scheidewege zwischen Tod und Leben dalag. Nach der Versicherung des Arztes konnte jede, selbst die freudigste Gemüthsbewegung ihr einen, wahrscheinlich tödtlichen Rückfall zuziehen; daher war es der Tante angelegentlichste Sorge, die ununterbrochendste Ruhe in ihrer Nähe zu erhalten und sogar jedes einigermassen interessante, oder auch nur anhaltende Gespräch mit ihr zu vermeiden.
Auch Angelika umschwebte fast unhörbar, gleich einem freundlichen Schutzgeist, das Lager der Kranken, und ohne dabei jemals durch sich übereilende polternde Hast lästig zu werden, suchte sie jeden Wunsch in ihren Augen zu lesen, um ihn gelassen und zuvorkommend zu erfüllen, ehe er noch ausgesprochen ward. Lieben und athmen waren gleichbedeutend für dieses, nur zu zart besaitete Wesen, aus dessen tiefster Brust jeder Ton des Schmerzes einen wehmüthig verhallenden Nachklang hervor rief, und der Name Angelika hätte für sie erfunden werden müssen, wenn er nicht schon da gewesen wäre, so genau stimmte er zu ihrem Aeussern wie zu ihrem Innern.
Von ihrer frühsten Kindheit an hatte der armen Angelika die Freude fast nie anders als in fremden Augen gelächelt. An ihrer Wiege wachte nicht mütterliche Liebe, denn ihr Eintritt in das Leben gab der Mutter den Tod und vereinigte diese wieder mit dem geliebten, ihr einige Wochen früher vorangegangenen Gatten. Die erste Sorge für das ganz verwaiste Kind fiel also bezahlten Aufsehern zu. Denn Angelika ward, weit entfernt von allen ihren Verwandten, in einer kleinen Stadt, in der Nähe des Rheins geboren, wo ihre Eltern sich erst wenige Monate vorher niedergelassen hatten. Niemand beinahe hatte diese dort anders als dem Namen nach gekannt, selbst der Vormund des armen Kindes wußte wenig von ihnen, und nur der allgemeine Ruf, der diesem braven Manne das Zeugniß strenger Rechtlichkeit gab, hatte Angelikas sterbende Mutter bewogen, ihr ganz verlassnes Neugebohrnes seinem Schutz zu empfehlen. Mit dem besten Willen von der Welt wußte er indessen für sein armes Mündel nichts besseres zu thun, als es für ein geringes Kostgeld der Pflege einer, ihm als redlich bekannten Frau zu übergeben, und indessen den nicht sehr bedeutenden Nachlaß der Eltern Angelikas so vortheilhaft als möglich für sie zu verwalten.
Angelika erreichte ihr achtes Jahr, ohne daß es ihr bei der Frau, der sie anvertraut war, besonders wohl oder übel ergangen wäre, und nun beschloß ihr Vormund, sie nach Frankreich in eine Erziehungsanstalt zu bringen. Denn er fühlte eine unendliche Vorliebe für dieses Land, in welchem er seine eigene Jugend verlebt hatte, und war fest überzeugt, daß ein mittelloses Fräulein wie Angelika sich nur dort die nöthigen Talente erwerben könne, um einst als Guvernante fürstlicher Kinder, oder als Gesellschafterin einer Dame von hohem Stande ihr Fortkommen in der Welt zu finden.
Die weltberühmten Erziehungsanstalten in und um Paris waren freilich für die sehr beschränkten Vermögensumstände Angelikas viel zu kostbar, doch ein in Angouleme wohnender Jugendfreund ihres Vormundes empfahl diesem ein in jener Stadt bestehendes Institut dieser Art nicht nur als sehr wohlfeil, sondern auch als ganz vorzüglich. Der Vormund freute sich hier einen so vortreflichen Ausweg für sein Mündel gefunden zu haben, und entschloß sich um so eher, es dorthin zu schicken, da sich zufälliger Weise eine vorzüglich gute Gelegenheit ihm darbot, die Kleine in sicherer Begleitung hinzuschaffen.
So mußte denn die arme Waise fern vom Vaterlande, in einer der abschreckend schmuzigsten, traurigsten Städte des südlichen Frankreichs den schönen, nie wiederkehrenden Frühling ihres Lebens unter Menschen verleben, denen sie fremd blieb, selbst nachdem sie es gelernt hatte, deren Sprache zu verstehen. In dem Hause, dem sie anvertraut wurde, war alles klösterlicher Zwang, sogar das Vergnügen. Ueber eine ziemlich bedeutende Anzahl aus allen Ecken der Welt, sogar aus Amerika dort zusammengekommner junger Mädchen, herrschten drei bis vier Unterguvernantinnen, gleich strengen Zuchtmeisterinnen, und diese selbst standen wiederum unter dem gewaltigen Scepter einer Vorgesezten, die sich fast wie eine Gottheit von ihren Untergebenen sclavisch verehren lies. Die Zöglinge waren mehrentheils alle durch Alter, Vaterland, Sprache, Talent und Gemüthsart wesentlich von einander verschieden, und wurden dennoch vollkommen gleich behandelt; alle waren strengen, ängstlichen Formen unterworfen, die einzig erdacht zu sein schienen, jede frohe Regung eines jugendlichen Gemüths zu ersticken.
Die arme Angelika glich hier vollkommen dem Epheu, der, in einen engen Scherben verpflanzt, mühseelig fortvegetirt, und vergebens die schlanken Zweige nach allen Seiten hinstreckt, um einen Gegenstand zu finden, den er liebend umfassen könnte. Ein einziges, ihr namenlos bleibendes Gefühl unendlicher Sehnsucht bemächtigte sich ihres ganzen Wesens, aber sie fand nicht einmal eine Seele, die es der Mühe werth gehalten hätte, sich von ihr lieben zu lassen. Sie hatte Jugendgenossen, aber keine Jugendfreundin, und überhaupt niemanden in der weiten Welt, zu dem sie hätte sagen können: Dir gehöre ich an; oder der auch nur theilnehmend sich ihr zugeneigt hätte.
Die Zeit vergeht indessen dem Glücklichen wie dem Unglücklichen, und so flog sie denn auch an Angelika vorüber, und nahm deren freudenarme Kindheit mit sich fort. Wie auf einsamer Alpe die, im nakten Felsen dürftig wurzelnde Pflanze oft schöner ihr Haupt erhebt, als ihre im Garten sorgsam gepflegte, glücklichere Schwester, so wuchs auch die Verlassne unter Entbehrungen aller Art und Uebung sehr herber Pflichten, mit ihrem vereinsamten Herzen, nicht minder schön zur Jungfrau heran als eine Glückliche. Sie hatte das Wort Liebe nie anders als im religiösen Sinn gehört, nie einen Roman gesehen, viel weniger gelesen; sie war nie im Theater gewesen, sah keinen Mann ausser den Lehrern in ihrem Institut, und diese waren alle in ihrem mühseeligen Berufe grau geworden, dankten Gott, wenn die Stunde schlug, die ihnen das Ende ihres peinlichen Tagewerks verkündete. Und dennoch schwebte vor dem innern Sinne der armen Angelika ein namenloses Ideal, das ihre stille Fantasie mit den herrlichsten Eigenschaften zu schmücken wußte. Es verschönte, im Wachen wie im Schlummer ihren Traum, es lieh der ihr ganz unbekannten Welt einen zauberischen Glanz und lehrte dem einsamen Mädchen mitten im Zwange seiner verarmten Jugend, alles Entzücken der ungemessensten Aufopferung, der zartesten Anhänglichkeit, ja die ganze unendliche Seeligkeit zweier, Liebe um Liebe hingebender Wesen vorahnend empfinden.
Als Angelika ihr sechzehntes Jahr erreicht hatte, entschloß sich ihr Vormund, sie selbst aus Angouleme abzuholen, um sie nach dem nördlichen Deutschland, in das Haus eines nahen Verwandten ihres verstorbenen Vaters zu geleiten, der es endlich für gut gefunden hatte, der Existenz seiner Nichte sich zu erinnern. In der Familie desselben sollte sie denn noch ein Jahr lang verweilen, um deutsche Sprache und Sitte zu lernen, ehe sie eine Hofdamenstelle bei einer einsam lebenden verwittweten Fürstin anträte, zu welcher ihre Verwandten ihr indessen die Anwartschaft zu verschaffen bemüht gewesen waren. Angelika zitterte vor banger Freude als sie das Haus betrat, in welchem sie zum erstenmal in ihrem Leben Personen finden sollte, die ihren Namen trugen, und an deren Theilnahme sie Anspruch zu haben glaubte. Sie war so fest entschlossen, sie innigst zu lieben; doch auch hier kam gleich beim Empfange ihrem, von heisser Sehnsucht erfüllten Gemüthe, die kälteste Berechnung steifer Förmlichkeiten entgegen, so daß sie davor zusammenschrack, wie die Sensitive wenn der kalte Hauch des Nordwindes über sie hinfährt.
Angelika empfand gleich in der ersten Stunde, welche sie unter ihren Verwandten verlebte, daß sie durch Sprache und Anstand, sogar durch ihre Kleidung ihnen höchstens ein Gegenstand der Duldung, doch nie der Liebe werden könne. Sie stand mitten unter ihnen wie eine Fremde, denn sie schien durch diese Aeusserlichkeiten einem Volke anzugehören, gegen dessen, alles zertretenden Uebermuth gerade in jenem Momente sich jedes deutsche Herz empörte, jeder waffenfähige Arm sich erhob.
Indessen war Angelika trotz dem äussern Scheine, den man ihr ohne ihr Zuthun aufgedrungen hatte, dennoch sehr weit davon entfernt, Frankreich zu lieben, von dem sie nichts weiter kannte, als die alte düstre Stadt, und in dieser das Haus, wo sie ihre erste Jugendzeit in trübseeliger Beschränktheit hingeschmachtet hatte. Denn alles übrige war ihr sogar bis auf den Namen davon fremd geblieben.
Sie hatte immer mit heisser Sehnsucht, diesem Grundtone ihres Daseins, an ihrem Vaterlande festgehalten, dessen Bild ihr noch aus ihren Kinderjahren vorschwebte, verherrlicht durch jenen Zauberglanz, mit welchem Entfernung und Entbehren jeden Gegenstand schmücken.
Sie war sogar heimlich bemüht gewesen, ihre Muttersprache nicht ganz zu vergessen, und hatte, gleich einem werthen Heiligthume, ein paar kleine Kinderbüchelchen sorgfältig aufbewahrt, die sie aus ihrer Geburtsstadt mit sich nach Frankreich gebracht. So lange sie in dem Erziehungsinstitute war, las sie in mancher einsamen Viertelstunde sich selbst aus diesen Büchern laut vor, um nur die süssen vaterländischen Töne zu hören, und sezte dieses sogar dann noch fort, als der Inhalt ihrer ärmlichen Bibliothek ihrem höher entwickelten Geiste schon längst nicht mehr zusagen konnte.
So vorbereitet war es ihr nicht schwer, ihrer Muttersprache bald wieder ganz mächtig zu werden. Das ihr bis jezt unbekannte Familienleben im Hause ihrer Verwandten, die herzlichere Sitte ihres Volkes, der Genuß der Natur in einer schönen Gegend, den sie seit ihrer ersten Kindheit entbehren mußte, alles dieses vereint, machte ihr Vaterland ihr unendlich theuer, aber sie mußte es auch lieben wie sie es liebte, um mit ihrem sanften weichen Gemüthe das Gefühl des Nazionalhasses zu ertragen, welches damals, unzertrennlich von der Vaterlandsliebe, neben dieser herzog, und sich in allen ihren Umgebungen auf das deutlichste aussprach.
Angelikas Rückkehr ins Vaterland fiel in jene unvergesliche Zeit, in der ein neu erwachter Heldengeist jede deutsche Brust beseelte. Ein frischer Jugendhauch wehte durch die neu belebte Welt, die so lange unter dem Druck eines Einzigen geseufzet hatte; jedes Herz klopfte in frommer Hoffnung und von allen Seiten eilte Deutschlands streitbare Jugend herbei, und fand bei der gastlichsten Aufnahme in jedem Hause die eben verlassne Heimath wieder.
Auf diese Weise kam auch Ferdinand von Klarenau in das Haus des Barons Sternwald, – so hies Angelikas Oheim, bei welchem diese jezt lebte, – und in dem einzigen Wesen, das ihr jemals beim ersten Anblicke liebend und vertrauend entgegengetreten war, glaubte das sehnsuchtsvolle Gemüth des so lange vereinsamten Mädchens jezt das Urbild ihres Jugendideals gefunden zu haben. Alles zeigte sich ihr von nun an in verschönerndem Lichte, und die Welt erblühte ihr in nie gesehener Pracht an Ferdinands Hand, denn er war Jüngling, Dichter, und Krieger für Vaterland und Recht. Der freudige Enthusiasmus, der ihn beseelte, theilte auch ihr sich mit; ihr Leben schien ihr jezt erst zu beginnen, und jeder ihrer Athemzüge war ein stilles Dankgebet für die unendliche Seeligkeit, welche ihr, der Freude ungewohntes Herz kaum zu tragen vermochte.
Da auch die äussern Verhältnisse die Liebenden begünstigten, so schied Ferdinand aus der geliebten Nähe seiner Angelika als ihr, von ihren Verwandten anerkannter, verlobter Bräutigam. Bei seiner Zurückkunft aus dem Felde sollte ihre Hand den Lohn der Tapferkeit ihm reichen, und die hohe, schöne Siegeshoffnung, die aus seinen Augen ihr entgegen stralte, erhob auch sie über den Schmerz der Scheidestunde, und führte diese linde und leise an Beiden vorüber. Ferdinand gieng nun für die Geliebte zu streiten, Angelika blieb, um für ihn zu beten.
Als er gieng, kam kein Gedanke daran in das Herz der Armen, daß er gegangen sein könne, um nie wiederzukehren, und doch war es so. Er hatte den Lützowschen Jägern sich zugesellt, und fand mit diesen seinen tapfern Gesellen im schändlichsten Verrathe den Untergang. Wie er geendet hatte? wußte keiner genau zu berichten; aber er war verschwunden, spurlos, rettungslos, wie so Viele, die mit ihm kämpften und fielen.
Gleich einer verstummten Nachtigall, wenn der Frühling dahin ist, so klagelos, so einsam blieb Angelika zurück. Ihr ganzes Dasein war von nun an nur ein leises Ach; sie gieng ganz still umher, sie war unendlich freundlich gegen Alle, sie athmete wie sonst, doch jeder Schlag ihres Herzens war ein nie endendes Sterben. Oft dünkte ihr, als müsse sie gegen einen bangen Traum ankämpfen, dann bat sie Gott mit Thränen: er möge sie erwachen lassen; denn sie konnte an die Wahrheit ihres Elends nicht glauben, bis das heftiger wiederkehrende Weh im Innersten ihrer Brust, sie von neuem fühlen ließ, daß es dennoch so sei, wie es war.
Ihre im Grunde gutmüthigen Verwandten thaten zwar nach ihrer Art alles, was sie vermochten um die Arme zu trösten, doch mit dem besten Willen von der Welt verwundeten sie oft, wo sie zu heilen gedachten. Sie führten sie endlich nach Pyrmont in der Hoffnung, daß das Gewühl des Badelebens sie zerstreuen würde, aber sie verflochten sich bald selbst so gewaltig in das allgemeine Treiben der Gesellschaft, daß sie gar nicht bemerken konnten, wie Angelika immer bleicher und stiller ward, je lauter und bunter es in ihrer Nähe zugieng.
Doch gerade hier erbarmte sich endlich ein guter Engel der Leidenden, und führte ihr in Vicktorinens Tante, der Stiftsdame Anna von Falkenhayn, den einzigen Trost zu, der auf Erden für sie noch zu finden war, den Trost einer weisen, wahrhaft theilnehmenden Freundin. Das allgemeine Mitleid, welches die interessante Erscheinung des bleichen trauernden Mädchens jedem einflößte, der es sah, lösete sich in Annas edlem Gemüthe gar bald in wahrhaft mütterliche Zuneigung auf, und Angelika erwiederte diese Liebe mit all der Innigkeit, welche von jeher die Lust und die Quaal ihres Lebens gewesen war.
Obgleich Angelika in ihrer stillen Demuth sich nie die leiseste Andeutung von Unzufriedenheit mit ihrer äussern Lage erlaubte, so sah das Fräulein Anna von Falkenhayn doch nur zu bald ein, daß die Umgebungen, in welchen ihre junge Freundin leben mußte, einem gebrochenen Herzen durchaus nicht wohlthun konnten. Schon die Art bewies dies, mit der Angelikas Verwandte sich über das harte Geschick ausliessen, welches diese zarte Pflanze so tief gebeugt hatte. Die Bereitwilligkeit, mit der sie nicht nur das Fräulein, sondern sonst auch noch jedermann, der darnach fragte, zum Vertrauten in dieser Angelegenheit machten, hatte in der That etwas beleidigendes, obgleich sie selbst dieses weder fühlten, noch wollten; denn sie waren wirklich wohlmeinend und wünschten der armen Angelika zu helfen, nur war sie ihnen von jeher zu ferne geblieben, um von ihnen verstanden zu werden. Endlich entschloß sich Anna von Falkenhayn, vom innigsten Mitleid durchdrungen, zu erbitten, was Angelikas Verwandte ihr mit tausend Freuden gewährten, um so mehr, da bei der Gemüthsstimmung des armen Mädchens und dessen mit jedem Tage tiefer sinkenden Lebenskraft, ohnehin an die Hofdamenstelle nicht mehr gedacht werden durfte. Und so zog sie denn mit ihrer älteren Freundin in deren Heimath, und ward von Letzterer als die Tochter ihres Herzens mit unaussprechlicher Zartheit gepflegt und gewartet wie eine kranke Blume, die man gern wieder aufrichten möchte.
Anna gewann, nach Art aller edlen Frauen, die Leidende immer lieber, je mehr sie für sie that, und Angelikas Leben hieng dagegen einzig an der wohlthuenden Gegenwart ihrer Beschützerin. Die Möglichkeit, auch nur wenige Monate fern von dieser leben zu können, war ihr undenkbar, und so wurde denn das geliebte Kind bei dem Besuch im Kleebornischen Hause Annas Begleiterin, und theilte freudig mit ihr die liebende Sorge für Vicktorinen.
Nicht nur Vicktorine, deren Genesung mit jedem neuen Tage neue erfreuliche Fortschritte machte, sondern auch alle übrige Mitglieder der Hausgenossenschaft, empfanden das Wohlthuende der, Ruhe und Ordnung wieder herstellenden Gegenwart der Tante. Die gute alte Virnot wanderte wieder ganz wohlgemuth in gewohnter Geschäftigkeit Trepp' auf, Treppe nieder, ihr Schlüsselkörbchen in der Hand, und führte in Küche und Speisekammer das Regiment über die zahlreiche, weibliche Dienerschaft.
Auch Babet und Agathe seegneten ihres Theils die Tante und Angelika, weil diese beiden sie der steten Gegenwart in der beengenden Luft des Krankenzimmers überhoben. Die guten Kinder durften jezt doch wenigstens am Fenster die Vorübergehenden mustern, und da gab es denn einstweilen manches zu besprechen, mitunter auch manchen interessanten Gruß zu erwiedern, denn der schwarze Lieutnant und der blonde Theodor schienen täglich in der Nähe des Kleebornschen Hauses viel zu thun zu haben. Dieser Umstand und die Ueberlegungen, welche man in Hoffnung auf nahe bessre Zeiten, hinsichtlich der Wintergarderobe anzustellen für nöthig fand, gaben unversiegbaren Stoff zur Unterhaltung, so daß fürs erste unter den Beiden von Streit oder übler Laune nicht mehr die Rede sein durfte.
Nur Herr Kleeborn selbst, der alles angewendet hatte, seiner Schwägerin Gegenwart sich zu gewinnen, nur er allein fühlte sich jezt durch dieselbe einigermaßen gedrückt, ohne dieses jedoch jemals sich selbst gestehen zu wollen. Die fast übertriebne Zartheit, mit der sie die größte Anspruchslosigkeit, die strengste Diskrezion in allen häuslichen Verhältnissen beobachtete, ihre mitunter ein wenig altmodisch sich äussernde Vorliebe für Schicklichkeit und Anstand selbst im engsten Familienleben, machten ihn oft etwas beklommen und verlegen, wenn er der Tante gegenüber sich befand. Es entgieng ihm nicht, wie sie allein durch ihre Persönlichkeit nicht nur das ganze Haus, sondern sogar ihn selbst beherrschte, ohne doch jemals irgend etwas, einem Befehl Aehnliches auszusprechen. Alles richtete sich nach ihren Blicken, und jedem, vom Herrn an bis zu dem Geringsten der Dienenden, war es so zu Muthe, als dürfte dieses gar nicht anders sein.
»Es ist das verfluchte adlige Vornehmthun,« dachte Herr Kleeborn, oder gab sich vielmehr Mühe es zu denken und im Ganzen half ihm dies wenig, denn er gewann dennoch nicht den Muth, mit ihr von Dingen zu reden, über die sie noch nicht Lust hatte ihn zu hören. Ihr Wunsch war, Vicktorinen erst genauer kennen zu lernen, ehe sie sich auf die Absichten einließ, welche ihr Vater mit dieser etwa haben mochte; Herr Kleeborn hingegen, der die Krankheit seiner Tochter für gar nicht so bedeutend hielt, hatte Vicktorinens Pflege eigentlich nur als Vorwand zur dringenden Einladung seiner Schwägerin gebraucht; seine eigentliche Absicht dabei war aber, durch die Tante auf Vicktorinen zu wirken, und sie in Güte seinem Willen geneigter zu stimmen. Indessen hielt er ihre Gegenwart nebenher für höchst nöthig, um durch dieselbe den Glanz und die Würde der vielen Feste zu erhöhen, welche Vicktorinens Genesung sowohl, als die zu hoffende Erfüllung seiner Pläne mit ihr, bald herbeiführen mußten. Denn nächst dem Gelderwerb liebte Herr Kleeborn nichts so sehr als Glanz und Pracht in seinen Umgebungen; gern wetteiferte er hierin mit den Vornehmsten, und unerachtet seiner laut erklärten Geringschätzung des angebornen Adels, that er sich dennoch in seinem Innern nicht wenig darauf zu gute, eine Dame von dem Range und Ansehen des Fräuleins von Falkenhayn unter seine nächsten Verwandten zählen zu dürfen. Er betrachtete oft mit innerm Behagen ihre majestätische Gestalt, den, jede ihrer Bewegungen bezeichnenden vornehmen Anstand und freute sich im voraus auf den Augenblick, wo sie in dem schönen Ordenskleide ihres Stiftes mit dem grossen diamantnen Kreuze, das sie als Pröbstin desselben trug, in seinem Hause die Honneurs machen würde. Uebrigens tröstete er sich mit dem Glauben, daß aufgeschoben nicht aufgehoben sei, er hoffte, daß nach Vicktorinens völliger Genesung sich schon ein günstiger Augenblick finden würde, um die Tante für sich zu gewinnen, und überließ sich täglich in vollkommner Gemüthsruhe den gewohnten Erholungen nach vollbrachter Arbeit, die er jezt ausser seinem Hause aufsuchen mußte, da ihm das Innere desselben in seinem durch Vicktorinens Krankheit verödeten Zustande wenig Freuden darbieten konnte.
Der helle Sonnenschein eines heitern klaren Herbstmorgens, an welchem Vicktorine sich auffallend wohl befand, hatte die Tante mit ihrer Angelika hinaus ins Freie gelockt. Müller, der alte Buchhalter, stand eben in der Hausthüre, als beide von ihrem Spaziergange zurückkehrten, und die Tante beeilte ihre Schritte, um dem Greise, den sie seit ihrer Ankunft im Kleebornischen Hause noch nicht gesehen, ein paar freundliche Worte sagen zu können. Sie kannte ihn schon lange und ehrte ihn als einen treuen vieljährigen Diener des Hauses ihres Schwagers, bei dessen Vater er schon in Ehre und Ansehen gestanden hatte. Als die Damen näher traten, gieng ein junger Mann mit ehrerbietigem Grüßen an ihnen vorüber, der bis dahin mit Herrn Müller in anscheinend eifrigem Gespräch begriffen gewesen war. Sein Anblick schien der Tante auf eigne Weise aufzufallen, sie sah sichtbar befangen, ihm eine Weile nach, und war sogar etwas bleicher als gewöhnlich, als sie die zum Hause führenden Stufen hinauf stieg, so daß Herr Müller sie von einem plötzlichen Unwohlsein ergriffen glaubte, und ihr entgegen eilte, um sie in das zum Empfange der Fremden bestimmte Eintrittszimmer neben dem Komtoir zu führen. Dort sezte sich die Tante zwar gleich, erklärte aber dabei, daß sie sich vollkommen wohl befinde, nur habe sie am Krankenbette ihrer Nichte sich der freien Luft entwöhnt, die heut, unerachtet des hellen Sonnenscheins, ungewöhnlich scharf sei. Beruhigt gieng Angelika zu Vicktorinen hinauf, während die Tante noch unten blieb, um mit Herrn Müller ein paar Minuten zu plaudern.
Wer war der junge Mann? fragte sie einigermassen eifrig, so wie Angelika die Thüre hinter sich angezogen hatte. Herr Müller besann sich eine Weile, denn er verstand sie nicht gleich. Der junge Holm, der eben bei mir war, meinen Ihro Gnaden den?« erwiederte er ihr endlich, »ja das ist ein recht lieber, gutherziger junger Mensch. Seit unser Fräulein Vicktorine krank ist, versäumt er nie, alle Tage zweimal zu mir in mein Kabinet zu kommen, um sich nach ihrem Befinden zu erkundigen, denn von mir erhält er doch immer umständlichern Bericht als von den Bedienten. Nun gottlob heute konnte ich ihm recht viel Gutes sagen, er war auch darüber recht erfreut.«
»Also wohl ein sehr genauer Freund des Hauses?« fragte die Tante.
»Das nun wohl nicht,« war die Antwort, »denn der junge Herr Holm ist noch gar nicht selbst etablirt, und auch sonst eben nicht von Familie, Ihro Gnaden. Niemand wußte, was man aus seinem seeligen Vater machen sollte, denn der war zwar ein Gelehrter, aber weder Jurist noch Mediziner. Er wohnte mit diesem seinem einzigen Sohne lange Jahre hindurch in der Vorstadt, niemand hat ihn sonderlich gekannt, denn er führte ein sehr eingezogenes Leben. Ja du lieber Gott, es ist hier ein sehr theuer Pflaster, und wer nicht reich ist, thut am besten sich ganz still zu verhalten.«
»Ist der Vater lange tod?« fragte die Tante wieder, mit sichtbarem Antheil.
»Seit drei Jahren ungefähr,« erwiederte Herr Müller. »Der alte Holm soll aber übrigens ein recht grundgelehrter Mann gewesen sein,« sezte er hinzu, »sehr bewandert in der Mathematik und in fremden Sprachen, auch soll er ein Lexicon oder so etwas im Druck herausgegeben haben. Nun, der Sohn artet dem Vater nach, man sagt, er habe auf der Universität seine Zeit sehr gewissenhaft angewendet. Das wird ihm denn nun auch freilich in seinem jetzigen Stande recht gut zu statten kommen, denn in unsern Tagen kann der Kaufmann nie zu viel wissen, und das Gelehrtsein, oder wenigstens Gelehrtthun ist unter unsern jungen Herrn obendrein Mode.«
»Der junge Mann war also nicht von jeher zum Kaufmann bestimmt?« fragte die Tante mit steigendem Interesse.
»Ei was wollte er!« erwiederte der Buchhalter, »nein Ihro Gnaden, der junge Holm ist Doctor Juris, er hat ordentlich studirt. Erst vor kaum anderthalb Jahren hat er umgesattelt, und was das sonderbarste ist, niemand hat früher die mindeste Neigung zum Kaufmannsstande an ihm bemerkt, das ist so ganz mit einemmal von selbst gekommen. Aber da sieht man recht, wie der Mensch alles kann, was er ernstlich will. Vor zwei Jahren wußte der junge Holm noch keinen Kurs zu berechnen, nicht einmal einen Wechsel ordentlich auszustellen, von Waarenkenntnis war bei ihm vollends gar nicht die Rede, und jezt ist er der Herren Fischer et Compagnie rechte Hand. Geben Ihro Gnaden nur Acht, der macht gewis noch sein Glück in der Welt.« Die Tante, in immer tieferes Nachdenken versinkend, schien auf die lezten Worte des freundlichen Greises kaum zu hören, weshalb dieser denn auch mit gewohnter Ehrerbietung stille schwieg, bis sie, wie aus einem Traume erwachend, die Bemerkung hinwarf, daß der junge Holm doch wohl öfters an den Gesellschaften hier im Hause Antheil nehmen müsse, da ihn die Ereignisse in demselben so zu interessiren schienen.
»Ins Komtoir kommt er zwar oft in Geschäften, seit er den Kaufmannsstand erwählt hat,« erwiederte Herr Müller, »sonst aber nie ins Haus, daß ich wüßte, ausser ein paarmal bei Konzerten, denn er singt einen herrlichen Tenor. Daß er sich aber so fleissig nach der Gesundheit unsers Fräuleins erkundigt, ist dennoch ganz natürlich, da er sie doch einigermassen kennt, die halbe Stadt thut ja dasselbe. Sehen, Ihro Gnaden, hier liegt der Zettel, mit den Namen derer, die nur diesen Morgen nachgefragt haben. Zwei volle Bogen, man kann die Hälfte kaum lesen, denn die Bedienten schreiben meistens so schlecht, daß es eine Schande ist. Aber hier sind doch einige zierliche Handschriften, denn die jungen Herren haben fast alle eigenhändig ihre Namen angeschrieben, weil sie gewöhnlich selbst kommen, sich nach des Fräuleins Befinden zu erkundigen. Sehen Ihro Gnaden, Sir Robert Beverley, John Simpson Esquire, Comte de Beauchamp, Graf Nordhausen, Baron Engeström, lauter Fremde die an uns addressirt sind.«
Angelikas blondes Lockenköpfchen, das diese, über dem langen Ausbleiben der Tante besorgt, zur Thüre herein steckte, machte jezt der Unterhaltung ein Ende.
Anna begab sich zu Vicktorinen, sie fand diese auf ihrem Sopha, von einer Schaar junger, sie besuchender Mädchen umlagert, unter denen auch Babet und Agathe nicht fehlten. Alle sprachen zugleich, denn es war von gar interessanten Gegenständen die Rede, denen aber die Tante keinen Antheil abzugewinnen wußte. Sie sezte sich daher in ihren Lehnstuhl in der fernsten Ecke des Zimmers. Ihre Gedanken flogen zurück in eine längst dahin geschwundene Vergangenheit, deren Abglanz in diesem Augenblick in ungewohnter Klarheit sie umschwebte. So zaubert ein einziger heller Sonnenblick uns oft mitten im Winter den Frühling mit allen seinen längst in Staub versunknen Blüthen herbei. Anna gab dem schmerzlich-schönen Traume mit ganzer Seele sich hin; sie forschte nicht weiter, was gerade jezt ihn herbeigerufen haben könne? sie versank immer tiefer in sich selbst, und achtete wenig auf das, was in dem jugendlichen Kreise, in ihrer Nähe laut genug abgehandelt ward.
Die Mädchen zählten indessen die Bälle, welche sie in den nächsten Wochen zu hoffen hatten, und jezt waren die Tänzer an der Reihe. »Mit denen sieht es windig aus,« seufzte Babet, »wenn nicht etwa der Himmel ein Einsehen hat und frische Zufuhr uns einsendet.« »Leider ja,« stimmte Amelie, die Tochter des benachbarten Obristen, in diese Klage ein, Theodor geht morgen fort, und auch Baron Sillborn reist nach Wien.« »Und Lieutenant Horsten hat nur noch vierzehn Tage Urlaub,« rief Lilli dazwischen. So währte das Herüber und Hinübersprechen noch eine feine Weile fort, der Gegenstand des Gesprächs beschäftigte alle, so daß keine dabei auf Vicktorinen Acht gab, bis die eben ins Zimmer tretende Angelika durch einen Schrei des Entsezens sie darauf aufmerksam machte, daß die Arme bleich und starr gleich einer Todten in ihre Kißen zurück gesunken dalag.
Der Aufruhr, der jezt entstand, ist nicht zu beschreiben. Die Mädchen liefen vor Angst wie sinnlos durch einander, der Schellenzug riß von dem gewaltigen Sturmläuten; laut schreiend, »bon Dieu! qu'est il donc arrivé à ma pauvre petite,« stürzte die Bonne herein, und dieser folgte, zum Glück bald, der schnell herbeigerufne Arzt. Vicktorinens bewußtloser Zustand, den die vielen, ohne Wahl und Zweck angewandten Mittel nur verschlimmerten, ohne daß die vor Schrecken selbst halb todte Tante dem Unheil hatte steuern können, wich endlich seinen vernünftigern Anordnungen. Jezt aber hob der wackre Mann auch eine tüchtige Strafpredigt an, während welcher sich indessen die fremden Mädchen ganz in der Stille fortschlichen; er schrieb Vicktorinens Zufall einzig dem lärmenden Besuche zu, und empfahl nochmals die ungestörteste Ruhe und Stille in der Nähe der Kranken. Babet und Agathe wurden gänzlich aus dem Zimmer derselben verbannt, jeder fremde Besuch hoch verpönt, und nur Angelika, für deren stilles Betragen sich die Tante verbürgte, erhielt die Erlaubnis nach wie vor die Sorge für Vicktorinens Pflege mit ihrer geliebten Wohlthäterin zu theilen.
Es war schon später Abend, und die Tante saß ganz allein an Vicktorinens Bette, als diese aus ihrem unruhigen Schlummer auffahrend, die Vorhänge zurückschlug, und mit ängstlicher Hast im ganzen Zimmer umher sah.
»Tante!« flüsterte sie leise und beklommen, »Tante, sind wir allein? werden wir es bleiben?« Die Tante versicherte sie dessen, und bat sie, nur ruhig sich zu verhalten. »Ruhig! ruhig!« erwiederte Vicktorine mit ungewohnter Heftigkeit, »gebieten sie doch auch dem Sturm, der eben heulend das Haus umtobt, daß er ruhig sei, oder dem Meere, oder der Flamme, die verzehrend wüthet.« »Kind, geliebtes Kind,« unterbrach die Tante sie »du richtest dich und mich und uns alle zu Grunde, wenn du so fortfährst! komm, sei mein gutes Mädchen, lege dich wieder, sei geduldig und ich verspreche dir – –« »Was? –« rief Vicktorine »was können sie mir versprechen für mein Leben, Tante, für die Ruhe meines Lebens, für all' mein Glück auf Erden, und vielleicht auch dort! Nein Sie müssen mich hören, Sie müssen jezt mich hören, in dieser Minute, wenn Sie mich nicht wollen wahnsinnig werden lassen. Sie werden mich hören, Sie werden mich retten, denn Sie sind ja die einzige Schwester meiner lieben, lieben Mutter!« Schwer und einzeln rollten große Thränen aus Vicktorinens weit offnen starren Augen über die glühenden Wangen, auf die krampfhaft zitternde Brust hinab, die Tante hielt schmeichelnd sie umfaßt und bat sie in den zärtlichsten Worten nur jetzt sich zu schonen. »Ich will dich ja hören, ich will ja alles thun, ich will dich retten, dir helfen, für dich nur leben« sprach sie, »ich bin ja nur deinetwegen hier, aber halte dich jezt nur ruhig, damit du Kräfte gewinnst, späterhin, Morgen vielleicht« – – »Späterhin ist zu spät,« rief Vicktorine mit immer steigender Heftigkeit »späterhin, wenn alles vorüber ist, was für Trost, was für Hülfe können Sie mir dann gewähren, wenn Gott selbst das Geschehene nicht mehr ungeschehen machen kann. Nein jezt, jezt in dieser Stunde.« Vergebens suchte die Tante durch Erinnerung an das Verbot des Arztes sie zum Schweigen, zur Schonung ihrer Kräfte, zu bewegen. »Was weis der Arzt, der überkluge Thor! was wissen sie Alle,« rief Vicktorine, »Sie sehen es ja Tante, sie müssen es sehen, ich habe Kraft, aber Schweigen in dieser Stunde vernichtet mich; diese gränzenlose Angst kann ich nicht verschliessen, sie zersprengt mir die Brust; Sie müssen mich hören, wenn Sie vom Untergange mich retten wollen.«
Vicktorinens immer heißeres Bitten, die zunehmende Fieberglut, die aus ihren Augen blizte, bewogen endlich die Tante, sich mit ihr auf Bedingungen einzulassen, um sie nur einigermassen zu beruhigen. »So sprich denn, meine Vicktorine,« bat sie schmeichelnd, »sage mir, was ich in diesem Augenblick thun soll um dich zu beruhigen. Ich will es vollbringen, wenn es zu vollbringen ist, doch was ich nicht jezt gleich wissen muß, das spare für eine bessre Stunde auf, wenn du ruhiger, kräftiger bist, nur unter dieser Bedingung will ich es wagen, des Arztes Gebot zu überschreiten und dich reden zu lassen.«
»Wohlan denn,« rief Vicktorine, »lassen Sie den alten Müller herauf kommen, hier herauf, ins Nebenzimmer dort, und die Thüre muß offen stehen, und flüstern Sie nicht etwa mit ihm, ich muß alles hören, jedes Wort, das Sie miteinander sprechen; ich will nicht getäuscht sein.« »Was denn Vicktorine, was willst du wissen?« fragte die Tante. »Ob er nach Odessa geht, o Gott! o Gott! er ist vielleicht schon fort!« rief laut jammernd Vicktorine.
Die Tante erschrack heftig, denn sie glaubte jezt in der That, zum wenigsten eine in fieberhaften Träumen Verlorne vor sich zu haben. »So besinne dich doch, so fasse dich doch, Liebe,« redete sie Vicktorinen begütigend zu; »was willst du mit Odessa? was soll der gute alte Müller dort?« –