Die Tochter der Kathedrale - Gerhart Hauptmann - E-Book

Die Tochter der Kathedrale E-Book

Gerhart Hauptmann

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Beschreibung

Wer Lust auf Magie, Übernatürliches und Humor hat, sollte dieses Spätwerk Hauptmanns unbedingt lesen.Zentrale Figur dieses Schauspiels ist ein Mädchen, das einst auf dem Altar einer Kathedrale abgelegt und dort als Findelkind großzogen wurde. Doch wer ist dieses mysteriöse Mädchen und woher kommt es?-

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Gerhart Hauptmann

Die Tochter der Kathedrale

Dramatische Dichtung

Saga

Die Tochter der Kathedrale

 

Coverbild/Illustration: Shutterstock

Copyright © 1939, 2021 SAGA Egmont

 

Alle Rechte vorbehalten

 

ISBN: 9788726957075

 

1. E-Book-Ausgabe

Format: EPUB 3.0

 

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.

Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.

 

www.sagaegmont.com

Saga Egmont - ein Teil von Egmont, www.egmont.com

Motto:

Eins ist sicher: daß der Mensch einer Ergänzung der Wirklichkeit durch eine von ihm selbst geschaffene Idealwelt bedarf und daß die edelsten und höchsten Funktionen seines Geistes in solchen Schöpfungen zusammenwirken.

Friedrich Albert Lange

Dramatis Personae

Herzog Otto von Andorra, etwa fünfzig Jahre alt, krankhaft-verbitterter Herrscher Heurodis, seine Gattin, hohe, edle Erscheinung, etwa fünfunddreißig Jahre alt Äbtissin Anna, ihre Schwester, einige Jahre älter Prinz Peter, Prinz Paul, Zwillingssöhne des Herzogs und der Herzogin von Andorra, achtzehnjährig, aber älter erscheinend Watriquet, Freund der Prinzen, mehr Peters als Pauls. Gleich Peter Dichter, Sänger und Harfenspieler, älter als der Prinz, aber selbst nicht über fünfundzwanzig Jahre Pater Bonifaz, ein Clericus vagabundus Trossebof, hohe, edle Erscheinung, fünfzigjährig, Kanzler des Herzogs Otto, mehr der Herzogin Abt Ugo, Beichtvater des Herzogs Otto Dombaumeister des Herzogs Olfredus, Leibarzt des Herzogs Herzog Wilhelm von Foix, schöner, heiterer Mann, noch nicht fünfzig Jahre Herzogin Ermelinda, seine Gattin Geralda, Gerlind, beider Töchter, Zwillinge. Einander ähnlich wie Doppelgänger. Gerlind ist identisch mit Frene, genannt »Tochter der Kathedrale« Afra, Hebamme und Frau des Türmers Markolf in der Kathedrale zu Andorra Pater Johannes, ein Eremit Der Wirt Zur Kanne Der Weinzapfer Der Maultiertreiber Der Arzt Fahrendes Volk, Geistliche, Nonnen, Mönche, Laien, Teilnehmer einer Prozession

Prolog

Zwei Herrscherpaare sind in Freundschaft eins

das von Andorra und das von Foix. –

Die Herzogin Heurodis von Andorra

schenkt ihrem Gatten Zwillinge: zwei Knaben.

Herolde künden es dem Hof von Foix

mit schmetternden Fanfaren und gefolgt

von Rittern auf Araberrossen, starrend

in Hermelin und Purpur.

 

Vom Altan

hernieder blickt das Herrscherpaar von Foix.

Doch Neid ergreift die Herzogin Ermlind

auf ihrer Freundin Glück, und sie erblaßt.

Bevor ihr guter Geist es hindern konnte,

entglitten laut und hämisch ihr die Worte:

ein Weib, das Zwillinge gebäre, war

dem Gatten untreu.

 

Ach, die bittre Folge

des unbedachten Wortes ist die Feindschaft

der beiden Höfe und zuletzt der Krieg.

Der Himmel aber fügt es, daß Ermlind,

die ihre einstige Freundin so geschmähet,

nun ihrerseits gebiert und Zwillinge

zur Welt bringt wie Heurodis:

zwei Mägdlein. Und der bittre Vorwurf, den

sie einst geschleudert, fällt auf sie zurück:

so unterschlägt sie eines ihrer Kinder

und setzt es aus. Nun weiß die Welt nur dies:

Ermlind gebar ein Mägdlein. –

 

Dunkel ist,

wie das verstoßene, ausgesetzte Kind

in das Bereich des Hofes von Andorra,

des feindlichen, gelangte: wo es greinend

auf dem Altar der Kathedrale lag

und dort als Findling aufgenommen wurde. –

Es ward aus ihm die schönste Mädchenblüte,

Frene mit Namen, aber zubenannt:

Tochter der Kathedrale. –

 

Zauberartig,

sagt einer von den Sieben Weisen, sei

die Welt und was wir Schicksal nennen: nun,

ihn, diesen Zauber, sucht dies Minnelied

euch darzustellen und zu zeigen, wie,

nach Herakleitos, sich Disharmonie

in Harmonie verwandelt. –

 

Öffne sich

nunmehr die sinnvoll-andere Welt der Kunst!

Erster Akt

Erste Szene

In der Hauptstadt Andorra des Herzogtums Andorra. Weinhaus Zur Kanne, nahe dem Dom. Es ist vormittags im Sommer. Starkes Glockenläuten.

Der Wirt und der Weinzapfer.

Wirt

Was haben sie heut wieder im Dom? Seit fünf Uhr früh wackeln die Türme mit dem Kopf! Die Glocken vollführen einen Höllenlärm! Wollen sie uns taub und stumm machen?

Weinzapfer

Der Bischof wird in Prozession eingeholt. Es ist große Firmelung.

Wirt

Richtig! Wir wollen ein neues Faß anstechen.

Weinzapfer

Unser Gewerbe macht sich immer noch einigermaßen, trotz der schlechten Zeit. Um ihren Kummer zu vergessen, geben die Leute ihren letzten Heller für einen Krug Manzanilla aus.

Die Glocken verstummen.

Wirt

Verfluchter Krieg! Verfluchter Krieg! Immer wieder flackert er auf! Man freut sich und denkt: jetzt haben wir Frieden, wenn eine Weile kein Brandgeruch in der Gegend zu spüren ist – und heute um Mitternacht ist doch wieder Prinz Paul mit seinen Schwadronen durch die Stadt geritten. Da färbt sich irgendwo in den Bergen von Andorra oder im Herzogtum Foix die Erde rot.

Weinzapfer

Vom Schneeberg sieht man brennende Dörfer.

Wirt

Der Bruder des Prinzen Paul ist nicht so kriegerisch.

Weinzapfer

Wie doch Zwillinge manchmal verschieden sind!

Wirt

Äußerlich nicht. Da gleichen sie sich wie ein Ei dem andern. Prinz Peter – Prinz Paul: kein Mensch hält sie auseinander. Da gibt's eine ewige Verwechselung.

Weinzapfer

Nur auf den Mund braucht man achten, Meister. Prinz Paul blickt sauer, Prinz Peter süß. Aber er hat es hinter den Ohren.

Wirt

Er ist ein Prinz! Trotzdem: der Scheiterhaufen züngelt nach ihm. Ja, wenn nicht seine Mutter Heurodis wäre – kein Stäubchen seiner Asche würde heut noch zu finden sein.

Weinzapfer

Weiß und Schwarz, Tag und Nacht – bei den Goliarden, Possenreißern und Spaßmachern heißt es, sie seien beide so viel wie ein Tag. In den Zechstuben spricht man von ihnen, als wären beide nur eins: der Vierundzwanzigstundenprinz – Peter die Tagseite, Paul die Nacht. Die Lichtseite kommt von der Mutter her, von Herzog Otto die Nachtseite.

Wirt

Süßsaure Zwillinge, ein süßsaures Elternpaar. Zu alledem noch Krieg mit Foix, Krieg mit dem Lichte selbst sozusagen, wozu Herzog Otto den Schwefel, das Pech und die Galle liefert. Sag es nicht weiter, sag es nicht laut, aber Herzog Wilhelm von Foix, gegen den wir täglich zu Felde ziehen, ist der leibhaftige Sonnengott. Sein Lachen würde den Heiland am Kreuz gesund machen. Nicht umsonst erhebt sich der goldene Tempel des Abellio auf dem Burgfelsen von Foix.

Weinzapfer

Hätten wir doch einen solchen Herrn, der mit dreißig weißen Hengsten, auf denen die schönsten Kavaliere und Damen sitzen, zum Fest reitet: zu Tanz, Gesang, Wein und Liebe. Und hier im Lande Andorra muß man winseln oder schweigen und wie sauer Bier blicken, wenn man nicht in die Halseisen kommen will.

Wirt

Und nun gar hier im Schatten des Doms! In tausend Verkleidungen schleichen die Angeber. Wehe dem Gast, den der Wein ein wenig redselig macht! Ich wollte lieber mein Wirtshaus verkaufen und halb so viele Gäste bewirten als hier, wenn ich weit draußen am Weichbild der Stadt einen Ausschank dafür eintauschen könnte. Oh, oh, oh – was ist das?!

Eine Anzahl maskierter junger Leute männlichen und weiblichen Geschlechts stürmt herein, darunter Prinz Peter, Spielmann Watriquet, der Mönch Bonifaz in der Kutte seines Ordens. Die übrigen allerhand fahrende Leute.

Wirt

Ho, he! Nicht doch, guten Leute! Was wollt ihr? Die Schenkstube ist von gestern abend noch nicht aufgeräumt.

Bonifaz

Dafür sind wir doppelt und dreifach aufgeräumt! Und zwar sind wir's geblieben seit gestern abend. Im Ernst: wir haben eine lange Reise hinter uns. Nicht gerade eine gottgefällige Pilgerfahrt. Auch eine Kriech- und Springprozession war es nicht. Immerhin sind wir nicht müßig gewesen und haben Sündenfutter zusammengetragen, damit die Beichtstühle auch künftig nicht Not leiden.

Wirt

Gelobt sei Jesus Christus, ihr Herren! Ich darf das nicht hören, wenn ich nicht köpflings in einen Brunnen geworfen und mit Steinen zugedeckt werden will.

Prinz Peter

Es wäre schade um den Brunnen und um die Steine.

Bonifaz

Nein, wir sind immer aufgeräumt, sommers und winters, abends und morgens sind wir aufgeräumt. Da, – er reißt die Maske ab, er schielt – meine Augen sind zwei gekreuzte Klingen. Hüte dich, Schmerbauch, hüte dich, du vertrocknete Reliquie von einem Weinzapfer! Bringt Xeres, Manzanilla und Oporto, oder ich spieße euch auf!

Wirt

Immer noch besser als getrillt werden. Mein Gasthaus steht im Schatten der Kirche, und heute ist große Prozession.

Bonifaz

stampft und tanzt hinkend

Der Spielmann stimmt die Pauken,

die Reifen sind gespannt,

schon hat ein jeder Lumpenhund

sein Mädel bei der Hand.

Alle tanzen und stampfen, mit Ausnahme von Prinz Peter und Watriquet.

Wirt

Ihr bringt mich um mein Brot. Ihr stoßt mich in die Keller der Inquisition. Ihr bringt mich um den Hals.

Watriquet

Ängste dich nicht! Morgen ist Jahrmarkt. Da muß selbst die Kirche, geschweige der Herzog, den Luftspringern und Possenreißern freie Hand lassen. Und übrigens haben wir einen Prinzen von Geblüt unter uns.

Wirt

Einen Hanswurst von Geblüt, willst du sagen, der du selber bist.

Watriquet

Mag sein, alter Weinpanscher. Ich habe nie viel von mir selber gehalten.

Wirt

Geht in die Schenke Zum Heiligen Geist um die Ecke herum. Hier ist zwei Stunden nach Mitternacht Prinz Paul an der Spitze von hundert Panzerreitern vorbeigeritten. Er haßt die Wirtshäuser und die Spielleute. Kehrt er zurück und wittert euch, springen wir alle über die Klinge. Und außerdem ist heute Firmelung. Jeden Augenblick kann die Prozession eintreffen, der Kardinal-Fürstbischof voran.

Prinz Peter

Was meinen Bruder, den Paul, betrifft, so seid gewiß, daß ich aus diesem Wolf ein Lamm Gottes mache. Angehend aber die Prozession – sie ist es grade, auf die ich laure.

Wirt

ironisch

Ihr seht danach aus, als ob Ihr mit einem Prinzen Paul und einem Fürstbischof Remigius gleichzeitig anbinden könntet.

Watriquet

Prinz Paul wäre durch die Stadt geritten?

Weinzapfer

Gepanzert schwarz wie die Nacht, das silberne Kreuz am Helm. Es wird ein Blutbad geben in den Grenzbergen, das Herzog Wilhelm von Foix das Lachen für ein paar Stunden verschlagen wird. Paul feiert Fronleichnam auf seine Weise.

Watriquet

zu Peter

Paul, scheint es, hat aus der linken Brust seiner Mutter Galle getrunken, du aus der rechten Milch.

Prinz Peter

Meinethalben! Mag er sich damit abfinden. Gott schenke ihm die ewige, mir die zeitliche Glückseligkeit. Ich bedaure den Paris, daß er es mit niemand Besserem und nur mit Helenen zu tun hatte.

Watriquet

singt zur Laute

Ein junger Mann, ein Prinz aus höchstem Haus,

er lebt aus Liebesnot in Saus und Braus.

Und wär' doch lieber eine Kirchenmaus,

um sich in seiner Tante Klostergängen

in jedes allerkleinste Loch zu zwängen.

Auf diese Weise hätte der Geselle

den Zugang fast zu jedes Nönnchens Zelle.

Und so auch zu der Kammer einer reinen

Heilandsgeliebten ... leider nicht der seinen!

Wir kennen deinen Namen wohl, du Schöne,

doch niemand spricht ihn aus, entweiht ihn: Frene! –

Gott strafe mich! Er ist mir nur entfahren,

erschrocken steh' ich, mit gebleichten Haaren.

Nehmt meinen Kopf, mein Prinz, für mein Verbrechen,

doch laßt mich vorher noch ein Wörtchen sprechen:

Vom Himmel stammt sie her, die Ungenannte.

Die heilige Kathedrale und die Tante

erzogen dieses Wunderkind gemeinsam,

und darum blieb es süß und schön und einsam.

Wie Sonne leuchten ihre Kupferlocken,

die holde Stimme ist ein Kind der Glocken.

Man sagt, daß deine Seele wohne, Frene,

im Haus des Sakraments, in der Patene.

Sie ist der Blumenhauch, die Frühlingsluft,

die heil'ge Kerze und der Weihrauchduft.

Doch an die Kathedrale nicht gebunden,

schwebst du umher in mondbeglänzten Stunden.

Und jeden Spielmann, dessen Herze rein,

besuchst du, Kind, im stillen Mondenschein.

Du schwebst durchs offne Fenster aus und ein,

so daß von selbst ihm seine Saiten klingen

von Äolshauchen deiner Engelsschwingen!

Zu dieser Weise tanzen die Masken einen sittigen Tanz, diese und jene bedeutsamere Stelle nachsprechend und mitsingend.

Bonifaz

Ja, die Liebe, die Liebe, Prinz! Und wenn Hunderte von weißen Tauben wie Gedanken des Heiligen Geistes um die Kathedrale herumflattern, sie erliegen dem Knäblein mit Bogen und Pfeil. Heiho, heihop, heihopsassa! Bei allen dressierten Bären, Hunden, Ziegen und Murmeltieren geschworen, bei allen Purzelbäumen der Welt, die jemals auf einem Jahrmarkt exekutiert wurden: es ist nicht anders, wie ich gesagt habe: Ihr liebt die Tochter der Kathedrale. Bei allen unkeuschen Pfaffen, die jemals eine Messe zelebriert haben, rate ich Euch: greift zu, greift zu!

Wirt

Ihr seid ein dergleichen Clericus wie der Prinz ein Prinz. Für solches Gelichter ist kein Boden bei uns. Man wird Euch das Handwerk hier gründlich legen. In weniger als drei Tagen lauft Ihr ohne Zunge herum.

Prinz Peter

umarmt Watriquet

Was tun? Ich liebe die Tochter der Kathedrale!

Watriquet

Wenn sie ist, was sie scheint, so lebt niemand auf der Erde, mein Prinz, der würdiger wäre, sie zu besitzen.

Bonifaz

Greift zu, macht's kurz, und so wahr ich die Priesterweihen erhalten habe: am nächsten besten Altar lege ich eure Hände ineinander zu unlöslichem Ehebund.

Watriquet

Halt dein Maul, Goliard! Dein ekles Gekrächze paßt nicht für uns.

Wirt

Zapfer, sie reden seltsame Dinge.

Weinzapfer

Es zielte auf Frene, das Findelkind.

Wirt

indem er die Läden vor ein großes Fenster wirft, durch das man jenseit der Straße das Hauptportal der Kathedrale erblickte.

Die Prozession! Ich höre die Litaneien der Prozession.

Bonifaz

Wie, was? Warum sollten wir uns verstecken? Die Zechstube ist die älteste Kirche der Welt. Wenn wir Sünder sind, sind wir nicht schlimmer als die andern. Sollten wir Häresie treiben und leugnen, daß der Heiland durch seinen Tod die Schuld unsrer Sünden auf sich und von uns genommen hat?

Prinz Peter

zu Watriquet

Ist es nicht sonderbar? Ich sah Frene nur einmal. Sie war noch ein kleines Kind. Seit jener Stunde bin ich verwandelt. Wenn es heißt, daß des Christen Himmelreich inwendig in ihm sei, so lebt Frene seitdem in mir wie in einem Gehäuse. Meine Seele und sie scheint ein und dasselbe zu sein.

Watriquet

Sie ist hierin gleichsam eine Heilige. Oder schwebt sie nicht unsichtbar-sichtbar im ganzen Lande Andorra und darüber hinaus umher? Spricht nicht der Bauer hinter dem Pflug, der Pfarrer in der Dorfkirche, der Kriegsmann hoch zu Roß und das gesamte fahrende Volk von der Tochter der Kathedrale? In dem Mädchen wohnt eine Wundermacht. Würden sonst sich selbst die finstren Mienen Herzog Ottos und des Prinzen Paul aufhellen, wenn man von ihr spricht?

Prinz Peter

Wie? Du meinst meinen Bruder Paul?

Watriquet

Der Heilige Vater hat über sie einen Bericht verlangt. Überallher, aus Irland, aus Britannien, ja von dem Großtürken kommen lächerliche Anträge.

Prinz Peter

Und Bruder Paul? – Und mein Bruder Paul?

Watriquet

Auch er hat ein Auge auf sie geworfen.

Prinz Peter

Dann tret' ich es aus und mache ihn einäugig! Ja, dann ist von uns Zwillingen einer zuviel auf der Welt.

Watriquet

Sorge dich nicht! Er hat es mit der Kriegsfurie. Sie hält ihn in ihren Klauen fest. Die blutige Hure frißt ihn vor Liebe. Und er? Die Brunst, der geile Kitzel nach ihr verläßt ihn keinen Augenblick. Er ist ihr hörig mit Haut und Knochen. Wäre dies aber auch nicht so: die Tochter der Kathedrale, heißt es, wurde als Säugling von einem heiligen Engel bei Nacht auf den Hauptaltar des Domes gelegt. Die Glorie, sagen die Leute, brach taghell durch die Fenster, ja durch die Mauern heraus. Paul weiß es nicht anders, er glaubt daran. Ein sündiges Gelüsten wird er ebensowenig auf sie als auf die Mutter Gottes selber richten.

Prinz Peter

Und ich? Was hätte ich mit Gelüsten zu tun? Und was, beim Kreuz, mit niedrer Minne? Habe ich nicht diese Verse gedichtet:

Geistliche Minne, hohe Minne,

ich hatte andre nie im Sinne.

Und wenn ich meine Harfe schlage,

ist immer Jesus meine Sage.

Die Seelen hören Griff und Schall,

heben sich zum Tanze all

mit Cherubim und Seraphim,

und werte Heil'ge folgen ihm.

Wirt

Schweigt! um aller Heiligen willen! Die Prozession, die Prozession!