Die Trolle - Christoph Hardebusch - E-Book

Die Trolle E-Book

Christoph Hardebusch

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Beschreibung

Nach den Bestsellern Die Orks und Die Elfen – jetzt die Trolle

Sie denken, Sie kennen alle Völker der Fantasy? Sie haben mit Stan Nicholls’ Orks Schlachten geschlagen, sind mit den Zwergen von Markus Heitz durch unterirdische Gänge gehuscht und haben mit Bernhard Hennens Elfen das Böse besiegt. Doch tief in der Dunkelheit lauert noch etwas: Wesen, die der Schrecken vieler Legenden sind, Wesen, deren Name nur geflüstert werden darf...

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Christoph Hardebusch

DIE TROLLE

Roman

Copyright

PeP eBooks erscheinen in der Verlagsgruppe Random House

Copyright © 2006 by Christoph Hardebusch

Copyright © 2006 dieser Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Karten: Andreas Hancock, Animagic

Redaktion: Angela Kuepper

ISBN 3-89480-983-3

www.pep-ebooks.de

KartenKartenDramatis PersonaeProlog123456789101112131415161718192021222324252627282930313233343536373839404142434445464748495051525354555657585960616263646566EpilogDanksagungÜber das BuchÜber den AutorCopyright

Schwarz und einsam will mein Weg mir scheinen Den nur kennt, wer selbst ihn auch bereist Schert sich der Tod, wer bald um mich wird weinen? Kalter Gräber Finger umklammern meinen Geist

SALTATIO MORTIS, SEHNSUCHT

Karten

Dramatis Personae

Trolle

Anda

Druan

Pard

Roch

Turk

Zdam

Wlachaken

Freie Wlachaken

Aurela Dan Schankmaid und Rebellin in Teremi

Cartareu Heiler in Désa, Vater von Livian

Costin Kralea Maler und Rebell in Teremi

Cron Stammesführer aus dem Mardew

Danae Späherin aus dem Mardew

Eregiu Amânas Voivode von Zalsani und Vater von Mihaleta

Flores cal Dabrân Söldnerin aus Teremi, Schwester von Sten cal Dabrân

Giorgas Schuster und Rebell in Teremi

Ionna cal Sares Herrscherin im Mardew, Sitz in Désa, auch genannt die Löwin von Désa

Istran Ohanescu Rebell in Désa

Leanna cal Pascali Rebell in Désa

Linorel cal Doleorman Hafenarbeiterin und Rebellin in Teremi

Livian Heilerin in Désa, Tochter von Cartareu

Natiole Târgusi Rebell aus dem Mardew

Neagas Rebell aus dem Mardew

Octeiu Rebell in Teremi

Reza Verwalter in Désa

Sten cal Dabrân Rebell, Bruder von Flores cal Dabrân

Tamos Späher und Rebell aus dem Mardew

Vangeliu Geistseher

Geiseln in Teremi

Cipriu Geisel an Zorpads Hof

Leica cal Poleamt Geisel an Zorpads Hof

Mihaleta Amânas Geisel an Zorpads Hof, Tochter von Eregiu Amânas

Suhai Geisel an Zorpads Hof

Viçinia cal Sares Geisel an Zorpads Hof, Schwester von Ionna cal Sares

Historische Personen und andere

Ana cal Dabrân Mutter von Sten und Flores, verstorben

Carein Ilias Majordomus in Dabrân, verstorben Historischer Held

Larea Wirt in Teremi

Léan Peres Historische Königin Historischer Held, auch genannt der Tänzer Petriu Treidler

Radu Sitei cal Dabrân Historischer erster König, auch genannt der Heilige Vater von Sten und Flores, verstorben

Tirea Traia Historischer letzter König Jägerin in Teremi

Masriden

Hof von Zorpad Dîmminu

Avram Waffenmeister in Teremi

Bàjza Majordomus in Teremi

Hernád Händler in Teremi

Imreg Kóvasz Sonnenmagier in Starig Jazek Diener von Hernád in Teremi

Lájos Matyás Pájòs Tamlós Zorpad Dîmminu Sonnenpriester in Starig Jazek, Lángor Söldling in Teremi Sonnenpriester in Starig Jazek Sonnenpriester in Starig Jazek Herrscher über den Sadat, Sitz in Teremi

Andere Höfe

Bankóth Gesandter in Désa

Gyula Békésar Laszlár Szilas Herrscher über das Cireva, Sitz in Turduj Herrscher über das Valedoara, Sitz in Bracaz

Maiska Kriegerin in Turduj

Historische Personen und andere

Arkas Dîmminu Historischer König

Mikás Historischer Sonnenpriester

Szarken

Hof von Zorpad Dîmminu

Ezro Soldat von Hernád in Teremi

Házy Csiró von Dabrân

Mirela Zofe in Teremi

Sciloi Kaszón Untergebene von Zorpad in Teremi

Szàrbed Heilerin aus Baça Mare

Andere Völker

Hesoates Historischer Poet aus dem Dyrischen Imperium

Sargan Vulpon Abenteurer aus dem Dyrischen Imperium

Zwerge

Ansprand, Sohn des Anthar Schlachtenmeister

Bodvarr, Sohn des Balldor Historischer Held, Elfenschlächter

Erko, Sohn des Elkoin Arachnidenmeister

Goldulf, sohn des Gripert Krieger, Anführer 3. Kompanie

Gunolf der Gerechte König unter dem Berge

Hrodgard, Sohn des Haldigis Kriegsmeister des Kleinen Volkes

Larnard Schmiedemeister

Olging, Sohn des Orild Arbeiter

Reccard, Sohn des Rotald Gesandter des Königs

Teinelm, Sohn des Timold Krieger, Anführer 2. Kompanie

Elfen

Ruvon Jäger im Norden des Landes

Prolog

In den Eingeweiden der Welt, weit unter dem Land, herrschten ewige Wärme und Dunkelheit. Endlose Tunnel und Höhlen zogen sich durch die Knochen der Berge und boten unzählige Verstecke.

Keine grausame Sonne, die den Leib verbrannte, beherrschte hier die Tage, und dennoch gab es Wärme, um die peinigende Kälte zu vertreiben, die von dem Dunkelgeist Besitz ergriffen hatte. So konnte er träumen und schlafen und seine Schmerzen vergessen. In den Traumgesichten sah er das Land, dessen Schicksal untrennbar mit dem seinen verwoben war und das seine Macht durchdrang. Manchmal war sein Schlaf ruhig und friedlich, dann wieder störten Bilder von Blut und Tod seine Ruhe und peinigten ihn. Früher sangen die Menschen für ihn, besänftigten seinen Geist, linderten die Schmerzen mit ihren Gesängen, doch diese Zeiten waren längst vergangen.

Weit über dem Dunkelgeist schritten die Sonnenjahre voran und Jahreszeiten wechselten im ewigen Spiel. Menschen lebten und lachten, weinten und vergossen Blut. Kinder wuchsen heran und starben. In den Tiefen der Berge schürften Zwerge und lebten Trolle, doch sie mieden den Ort seiner Ruhe und fürchteten seine Macht.

Kriege drangen in seine Träume, oder waren es seine Träume, welche in die Kriege drangen? Seit dem Verrat und der nachfolgenden Flucht aus der Welt war sein Geist zerbrochen, und der Dunkelgeist vermochte in den Scherben seiner Wahrnehmung keinen Sinn mehr zu erkennen. Sein einziges Ziel war Vergessen, denn die Erinnerungen brachten Schmerzen und Trauer. Alle Gefühle hatten ihn verlassen, außer dem Zorn und der Pein, deren Stimmen die einzigen waren, welche noch in der Dunkelheit seines Verstandes flüsterten.

Doch selbst im Schlaf drangen Teile der Welt an sein Bewusstsein, und ein neuer Gesang ertönte aus menschlichen Kehlen. Dieser sandte feurige Finger, die sich um den Dunkelgeist legten und seinen Leib vor Schmerz erbeben ließen. Der Druck dieser Finger ließ nur einen Ausweg, nur eine Flucht zu, und so folgte der Gepeinigte diesem Weg, schrie seine Qualen in die Dunkelheit hinaus und ließ das Gestein, das Fundament des Landes selbst, unter seiner Macht erzittern. Höhlen brachen in sich zusammen, Tunnel stürzten ein, und harter Fels begrub Dutzende von Trollen unter sich. Denn auch wenn der Verstand des Dunkelgeistes zersprungen war, so waren die Kraft und die Verbindung zu dem Land zwischen den Bergen geblieben.

Mit dem Schrei verhallten auch die Schmerzen, und die Träume beruhigten sich, doch unaufhaltsam glitt das Wesen aus den Tiefen des Schlafes und des Vergessens empor in die Welt von Sonne und Wind und Regen, und sein Atem durchdrang mit neuer Kraft Erde, Wald und Stadt, Mensch, Elf und Tier.

1

Der Wald lag in den Abendstunden ruhig da. Kaum ein Tier war zu hören, während die letzten Strahlen der Sonne durch sein Blattwerk drangen. Mächtige, moosbewachsene Bäume ragten Dutzende von Schritten in die Höhe, und zwischen ihnen bildeten Büsche und Farne ein undurchdringliches Unterholz. Als die Hufschläge des Reitertrupps schließlich verhallten, kehrten auch die alltäglichen Geräusche des Forstes zurück und erinnerten Sten an die vielfältigen Gefahren, die sein Leben bedrohten.

Vergeblich rüttelte er an den dicken Eisenstangen seines Käfigs. Natürlich gaben sie nicht nach. Alles in allem haben meine Feinde gute Arbeit geleistet, ging es Sten durch den Kopf.

Auch wenn er aufrecht sitzen konnte, solange er die Beine herausbaumeln ließ, war der Käfig eng und unbequem und schaukelte bei jeder Bewegung. Die kalten Stangen drückten sich gegen Stens nackte Haut und gruben sich schmerzhaft in sein Fleisch. Zu eng waren sie, als dass er hätte hindurchschlüpfen können, doch ohne Frage würde das Maul eines Wolfes oder die Tatze eines Bären ihn erreichen können.

Marczeg Zorpads Krieger hatten die Eisenkonstruktion sorgfältig überprüft und den schweren Bolzen mit Hammerschlägen in der Verankerung verkeilt. Ohne Werkzeug war es unmöglich, den Eisenstift zu entfernen und die kleine Tür zu öffnen. Die Kette, mit welcher der Käfig an dem dicken Ast befestigt war, war ebenso fest und zuverlässig geschmiedet. Auch der Baum war gut ausgewählt, ein altes starkes Eichengewächs, an dessen Stamm feuchtes Moos emporwuchs. Dieser Baum hatte noch viele Jahrhunderte Leben vor sich und würde noch weiter wachsen, wenn Sten schon lange in dem Käfig verrottet war. Die Freiheit war nur zwei Schritt unter ihm, und sie leuchtete im Abendlicht verlockend grün, doch Sten hätte in seinem Käfig statt den zwei Schritt auch hundert hoch hängen können, denn der Boden blieb für ihn unerreichbar.

Wenn er bedachte, dass Zorpad das Aussetzen eines Mannes in den düsteren Wäldern seiner Heimat von Stens eigenem Volk, den Wlachaken, übernommen hatte, so konnte er durchaus die Ironie seiner ausweglosen Lage erkennen. Die Idee aber, den Verurteilten in einen Metallkäfig zu stecken, stammte natürlich von den Masriden. Früher hatte man die Verbrecher einfach mit festen Stricken an die Bäume gebunden. In den alten Tagen war dies eine Art Gottesurteil gewesen, und nicht wenige Lieder seines Landes erzählten von jenen, die durch Glück oder Geschick dem sicheren Tod entkommen und zurückgekehrt waren, um Rache zu nehmen an jenen, die ihnen den Tod hatten bringen wollen.

Sten lachte bitter auf. Die neuen Herren des Landes wollten allemal sicherstellen, dass die Götter ihre Urteile im Sinne der Masriden fällten. Oder besser gesagt ihr Gott, denn sie verhöhnten die alten Geister des Landes und unterdrückten den Glauben an diese, wo immer sie auf ihn stießen.

Ohne fremde Hilfe würde Sten sich aus dieser Falle nicht befreien können, und so tief im Wald verborgen würde ihn niemand finden, bevor er starb. Das grobe Hemd, das sie ihm als einziges Kleidungsstück gelassen hatten, bot wenig Schutz vor den Elementen. Hinzu kamen die Auswirkungen der Folter, die Sten nicht gerade widerstandsfähiger gemacht hatte. Er konnte sich gut vorstellen, wie er aussah, nur mit dem schmutzigen Leinenhemd bekleidet, überall grün und blau geschlagen, das lange, dunkle Haar strähnig und verfilzt, das schmale Gesicht von Erschöpfung, Schmerz und Schlafmangel gezeichnet.

Vermutlich sehe ich jetzt schon aus wie ein wandelnder Toter, dachte Sten und grinste finster.

Es schien tatsächlich an der Zeit zu sein, sich mit dem Gedanken an den Tod abzufinden. Schnell verdursten würde der junge Krieger nicht, dazu war es zu feucht, und vermutlich würde es in den nächsten Tagen mehr als genug regnen. Wenn er also nicht verhungerte, würde ihn eine der unzähligen Gefahren der dunklen Wälder das Leben kosten.

Auf der Flucht vor den Häschern des Marczegs der Masriden war Sten oft tief in den Wald eingedrungen, und er wusste mehr als genug über den dunklen Forst. Viele Geschichten, die man sich nachts an den Feuern erzählte, waren natürlich Ammenmärchen, aber unter all dem Aberglauben verbarg sich auch ein Körnchen Wahrheit. Es gab gute Gründe, den Wald zu meiden, und je tiefer man sich hineinwagte, desto gefährlicher wurde es. In den lichtlosen Tiefen schlichen Kreaturen durch das Unterholz, denen man besser aus dem Weg ging. Wölfe und Bären, die den Städtern und Bauern solche Angst einjagten, wirkten gegen diese geradezu harmlos. Schlimmere Dinge als Tiere, die ohnehin die Nähe der Menschen eher mieden, bedrohten den Wanderer im Herzen des Forstes. Und in der Nacht kamen diese Kreaturen aus ihren Löchern gekrochen auf der Suche nach Opfern und Beute.

Die spitzohrigen Vînai waren gnadenlose Jäger, die Mensch und Tier aus bloßer Freude am Töten mit ihren zielsicheren Pfeilen spickten. Sie duldeten keinerlei Eindringen in ihre Länder im Herzen des Waldes. Neben ihnen gab es die verfluchten Zraikas, die in eine fremde Gestalt schlüpfen konnten und mit ihren tödlichen Reißzähnen und Klauen kaum zu besiegen waren. Von anderen dämonischen Kreaturen hatte Sten nur gehört, doch auch in den geflüsterten Geschichten mochte durchaus ein Körnchen Wahrheit stecken. Vermutlich würde er es schon bald herausfinden. Er lachte freudlos, als er daran dachte, dass diese Bekanntschaft wohl eine kurze und äußerst unerfreuliche werden würde.

Inzwischen war die Sonne gänzlich hinter den Bergen verschwunden und beleuchtete nur mehr die niedrig hängenden Wolken am Himmel. Zusammen mit dem letzten Licht der Sonne schwand auch Stens letzte Hoffnung auf Rettung. Wenige würden es wagen, nachts in die Wälder einzudringen, selbst wenn sie denn überhaupt wüssten, dass Sten noch lebte.

Immerhin ist es hier ein wenig gemütlicher als in Zorpads Kerkern, dachte Sten grimmig und versuchte eine bequemere Sitzposition zu finden, doch irgendwie schien er überall blaue Flecken zu haben. Vielleicht finde ich heute Nacht ja sogar etwas Schlaf, immerhin prügeln seine Häscher nicht mehr auf mich ein.

Aber an Schlaf war kaum zu denken, auch wenn Sten von den Entbehrungen der letzten Tage und den Verhören stark erschöpft war, denn zu unbequem war sein luftiges Gefängnis. Dazu kreisten seine Gedanken unablässig um seine Freunde und die Gefahren, die ihnen drohten.

Mit der Dunkelheit drangen mehr und mehr fremdartige Geräusche an seine Ohren, Tiere schrien, das Laub raschelte, und immer wieder erhaschte Sten aus den Augenwinkeln eine Bewegung. Die einsetzende Dunkelheit verwandelte den Wald, die Bäume erhoben sich als dunkle Schatten, und zwischen ihnen herrschte schon bald Finsternis, die alle möglichen Schrecken verbergen mochte. Zunächst schien noch der Mond, doch dann türmten sich dunkle Wolken am Himmel auf. Bald schon konnte der Wlachake nur noch wenige Schritt weit sehen, was das nächtliche Spektakel der Waldtiere noch unheimlicher machte. Aber schließlich gewann die Erschöpfung Oberhand, und Sten verfiel in düstere Träume, die von einem Unwetter beendet wurden.

Eiskalter Regen weckte ihn, und der grollende Donner ließ ihn zusammenzucken. Kalte Winde zerrten an seinem Leinenhemd und trieben den Regen fast waagerecht vor sich her. Innerhalb weniger Augenblicke war Sten vollkommen durchnässt und fror erbärmlich.

Immer wieder schlugen Blitze in der Ferne ein, erhellten die Landschaft für einige Augenblicke, gefolgt von mächtigen Donnerschlägen. Sten konnte sich nicht erinnern, jemals einen solch wütenden Sturm erlebt zu haben. Vielleicht lag es aber auch nur an seiner unbequemen Warte, die ihn dem Zorn der Elemente schutzlos auslieferte. Der schwere Eisenkäfig schaukelte im Wind, der Ast knarrte bedrohlich, und es kam Sten so vor, als werde er sogleich zu Boden stürzen. Doch die starke Eiche hielt und würde wohl zur letzten Ruhestätte für Sten cal Dabrân werden.

Mutlos kauerte er sich zusammen und schlang die Arme um den Oberkörper, um sich ein wenig zu wärmen. Vielleicht würde er schon in dieser Nacht erfrieren, denn zu dem Regen gesellten sich jetzt auch noch eisige Hagelkörner, die ihn schmerzhaft trafen.

Niemals seine Heimat wiedersehen, seine Familie, seine Freunde … Verzweiflung überkam ihn und raubte ihm die letzte Kraft aus den müden Gliedern. So saß er da, während das Unwetter um ihn herum tobte. Er musste an Flores’ warnende Worte bei ihrem letzten Treffen denken, die er so leichtfertig in den Wind geschlagen hatte. Seine letzten Worte seiner Schwester gegenüber waren absichtlich verletzend gewesen, und nun würde er sterben, ohne sie wieder gutmachen zu können.

Ein Knacken, das sogar das Rauschen der Bäume im Wind übertönte, ließ ihn aufschrecken. Hastig suchte er mit Blicken die kleine Lichtung ab, doch in der Dunkelheit konnte er wenig erkennen, bis ein gezackter Blitz über den Himmel zuckte und den Wald für einen Augenblick erleuchtete. Grelle Nachbilder tanzten durch Stens Blickfeld, mehrere riesige, menschenähnliche Gestalten, die auf der Lichtung standen. Es dauerte einige hämmernde Herzschläge lang, bis sich seine Augen wieder an die Dunkelheit gewöhnt hatten, Herzschläge, in denen er sich einredete, dass er sich getäuscht habe, dass dort in der Nacht nichts gewesen sei.

Und dann sah er sie, schwarze Schatten vor der Dunkelheit des Waldes. Vier, nein fünf, fast doppelt so groß wie ein Mann, mit mächtigen Schultern und langen, muskulösen Armen. Wie von Sinnen vor Angst warf sich Sten gegen die Stangen des Käfigs, um ihnen zu entkommen. In der Finsternis sah er eines der Ungeheuer auf sich zugehen. Verzweifelt versuchte Sten von dem Wesen wegzukommen, doch es war unmöglich. Hilflos musste er zusehen, wie der Schatten sich näherte, bis die Kreatur kaum eine Armeslänge entfernt stehen blieb. Obwohl der Käfig sicherlich zwei Schritt über dem Boden hing, war es dem Monstrum ein Leichtes hineinzuspähen. Wieder zuckte ein Blitz über den Himmel, wieder war die Lichtung für einen Herzschlag in Licht getaucht.

Abgrundtiefe Furcht erfüllte Sten, als er das ebenso massige wie hässliche Haupt sah. Der Kopf war grob menschlich, doch die Linien des Gesichts verliefen nahezu gerade, und die hohen Wangenknochen und das kantige Kinn wirkten wie in Stein gemeißelt. Sein Magen zog sich zusammen, als er die Augen sah, die sich unter knochigen Brauen verbargen, während die Ohren viel zu klein für den riesigen Kopf schienen. Die Stirn war flach und seltsam gefurcht, und darüber ragten fingerdicke, hornige Auswüchse auf, die Sten in Ermangelung eines besseren Wortes als Haare bezeichnete. Zudem wölbten sich zwei mächtige, lange Hörner von der Stirn über den Schädel, was dem Monstrum ein dämonisches Aussehen gab. Am Furcht einflößendsten jedoch war das Maul der Kreatur, breit und mit vollen Lippen, hinter denen gewaltige Hauer wie die eines Ebers zum Vorschein kamen, als es sie hämisch zurückzog.

Unfähig, sich zu rühren oder gar etwas zu sagen, starrte Sten auf die albtraumhafte Erscheinung. Sein Herz schlug schmerzhaft schnell, als das Monstrum mit einer der riesigen Pranken nach dem Käfig griff und ihm einen Stoß versetzte, der Sten durch Mark und Bein fuhr. Schließlich beugte es sich nach vorn, und Sten konnte ein Schnaufen hören, als wolle es in der Dunkelheit seine Witterung aufnehmen. Nach einer schier endlosen Zeit wandte sich das Wesen ab und stapfte zurück zu seinen Gefährten.

Der Regen dämpfte die Geräusche, die es von sich gab, aber Sten vernahm raue Laute, die tief aus der Kehle kamen. Bevor er sich einen Reim auf diese Ungeheuer machen konnte, kehrte eines zu ihm zurück, ergriff ohne viel Federlesens die Eisenstangen des Käfigs und rüttelte an ihnen. Sten wurde von einer Seite auf die andere geschleudert und schlug schmerzhaft gegen die harten Gitterstäbe. Verzweifelt klammerte er sich fest, bis das Monstrum von dem Käfig abließ und ihn musterte.

»Sprichst du?«, fragte es unvermittelt. Die Worte klangen kehlig, aber verständlich. Bei allen Geistern, das Geschöpf spricht meine Sprache!

Für einen Herzschlag lang war Sten zu überrascht, um zu antworten, doch als das Wesen wieder nach dem Käfig griff, beeilte er sich zu bejahen: »Ja! Ja, ich kann sprechen.«

»Gut. Was tust du hier?«, grollte die tiefe Stimme über die Lichtung.

»Äh. Sterben? Ich bin gefangen und soll hier verrecken«, antwortete Sten.

»Gefangen? Von wem?«

»Sein Name ist Zorpad.«

»Zorpad? Wer ist Zorpad?«

»Er ist ein Mensch. So wie ich auch.«

»Wir wissen, was Menschen sind«, sagte das Wesen mit donnernder Stimme.

»Zorpad ist der Herr dieses Landes. Oder zumindest wäre er das gern«, sagte Sten rasch.

Sein Gegenüber legte misstrauisch den gewaltigen Kopf schief. »Nicht so schnell«, knurrte es. »Gibt es noch mehr Menschen hier? Oder bist du allein?«

»Ich bin allein.«

Diesmal wandte das Wesen sich an seine Begleiter und brüllte quer über die Lichtung: »Er ist allein«, was diese veranlasste, sich zu nähern und sich neugierig um den Käfig herum aufzubauen. Plötzlich war Sten von einer Hand voll gewaltiger Kreaturen umgeben, die ihn neugierig musterten. Ihre hässlichen Schädel näherten sich dem Käfig, und die dunklen Augen wanderten über Sten, als sei er ein Stück Vieh auf dem Markt. Einige von ihnen schnüffelten an dem Käfig, und Sten konnte ihren beißenden Atem riechen. Andere berührten die Eisenstangen und stupsten Sten mit ihren dicken Fingern an, deren harte Nägel wie Krallen geformt waren. Der Regen prasselte auf ihre Leiber und lief in Strömen an ihnen herab, doch die Nässe und Kälte schienen ihnen nichts auszumachen.

»Wo ist der Herr des Landes?«, erkundigte sich der bisherige Sprecher.

»In seiner Burg, bei Teremi. Was, bei allen Dunkelgeistern, seid ihr?«, entfuhr es Sten.

»Wir sind Trolle!«, entgegnete das Wesen stolz und richtete sich zu seiner vollen, beeindruckenden Größe auf, während Sten der Schrecken in alle Glieder fuhr. Seit vielen Jahren hatte man keine Trolle mehr gesehen, und inzwischen hieß es, dass sie ausgestorben seien – oder vielleicht sogar, dass sie niemals mehr als Legenden gewesen seien. Jetzt aber standen sie vor ihm, Kreaturen, die albtraumgleich aus finsteren Geschichten zurückgekehrt waren.

Schlagartig fiel Sten die Legende von Peres dem Tänzer ein, der glaubte, einen riesigen Troll getötet zu haben, nur um dann festzustellen, dass dieses gewaltige Monstrum trotz des Schwertes in seinem Schädel noch lebte. Und das Tänzer, dessen Ruf als Schwertkämpfer legendär war, erschlug und schließlich mit Haut und Haaren verschlang. Menschenfresser!, dachte Sten entsetzt. Da wären selbst die grausamen Vînai besser gewesen, denn ihre Pfeile bringen wenigstens ein rasches Ende.

»Töten wir ihn«, sagte der Troll in diesem Augenblick und griff mit den Klauen nach dem Käfig.

»Warte«, widersprach ein anderer und legte dem Sprecher die Hand auf die Schulter. Für einen Augenblick schwebten die gewaltigen Pranken wie der leibhaftige Tod vor Stens Augen, dann ließ der Troll die Arme sinken.

»Wie heißt du?«, fragte sein Lebensretter.

»Sten cal Dabrân ist mein Name.«

»Ich bin Druan. Erzähl mir von dem Herrscher, Zorkad?«

»Zorpad. Was soll ich sagen? Er ist nicht der wahre Herrscher, dies ist nicht sein Land, und …«

»Lass uns endlich weitergehen. Die Sonne geht bestimmt bald auf«, unterbrach der erste Troll, ohne Stens Worten auch nur die geringste Beachtung zu schenken.

»Wir müssen mehr erfahren«, entgegnete Druan ungerührt, bevor er sich wieder an Sten wandte: »Herrscht dieser Mensch über die ganze Oberwelt?«

»Nein, nur über dieses Land.«

»Wer herrscht über den Wald?«

Mühsam zuckte Sten mit den schmerzenden Schultern: »Ich weiß nicht. Die Vînai vielleicht? Die Elfen?«

»Er ist nutzlos. Töten wir ihn«, meldete sich der erste Troll wieder zu Wort, den Sten von Mal zu Mal unausstehlicher fand.

Das andere Monstrum setzte zu einer Erwiderung an. »Wir wissen nichts über die Oberwelt, Pard. Vielleicht kann uns der Mensch doch nützen.«

»Dann lass mich mit ihm reden, mir wird er schon alles sagen«, knurrte der erste Troll und ließ die gewaltigen Muskeln spielen.

»Möglicherweise kann ich euch eher helfen, wenn ihr mir genau sagt, was ihr wissen müsst«, warf Sten ein, bevor die Geschehnisse einen üblen Verlauf für ihn nehmen konnten. »Lasst mich heraus, dann helfe ich euch.«

Einen Augenblick zögerte der Troll namens Druan, dann nickte er langsam. »Wir nehmen dich mit.«

»Bist du verrückt, Druan?«, donnerte ihn einer der anderen Trolle an. »Wir sollen einen Menschen mit uns herumschleppen?«

»Wir können ihn immer noch töten«, antwortete Druan lässig, »wenn uns seine Antworten nicht gefallen.«

»Ich zerquetsche ihn jetzt!«

Der Schreihals legte die langen Arme um den Käfig und begann zu drücken. Ungläubig sah Sten, wie die dicken Metallstangen sich unter dem Griff des Trolls verbogen und ihm immer weniger Platz ließen. Dann jedoch gab es einen harten Schlag, und Sten wurde umhergeschleudert. Als er wieder wusste, wo oben und unten war, sah er einen der Trolle als massigen Schatten über einem anderen aufragen, der am Boden lag.

»Druan hat gesagt, dass wir ihn mitnehmen!«, brüllte der stehende Troll seinen Gegner an.

Allein der trommelnde Regen durchdrang die Stille, die auf das Geschrei folgte, während Sten ungläubig zu den Trollen hinübersah. Dann nickte der am Boden Liegende und sagte: »Ja, Pard«, bevor er sich mühsam aufrappelte. Der größte der Trolle, ein wahres Monstrum, schien demnach Pard zu heißen.

Verwirrt schaute Sten zu Druan, der sich unbeteiligt an dem gewaltigen Kopf kratzte. Bevor Sten etwas sagen konnte, fragte der Troll ihn: »Bist du ein Magier?«

Wenn ich einer wäre, dann würde ich kaum noch in diesem lausigen Käfig sitzen, dachte Sten. Laut sagte er: »Nein, ich bin kein Magier.«

»Gibt es Zauberer unter euch?«

»Ja, sicher …«

»Dann sag mir, wo ich sie finden kann!«

»Sprichst du von den Geistsehern oder dem Albus Sunasder Masriden?«

»Masriden? Was soll das sein?«

»Menschen. Zorpad ist einer von ihnen. Ein Volk, das über die Berge kam.«

»Und dieses Alb… Albas…«, stammelte Druan.

»Albus Sunas«, unterbrach ihn Sten. »Das sind die Priester des Masriden-Gottes. Sie glauben an das Licht der Sonne und an das Feuer.«

»Magier, die Sonne und Feuer verehren?«, fragte Druan mit zusammengekniffenen Augen.

»Ja. Sie zwingen den Menschen ihren Glauben auf, aber viele verehren die alten Götter und Geister weiterhin.«

»Sag mir, wo ich eure Zauberer finden kann.«

Verwirrt überlegte Sten, warum diesen Wesen an Magie gelegen sein könnte, doch ihm fiel beileibe nichts ein. Zugleich war er sich sicher, dass Unwissen oder gar Schweigen seinen Tod bedeuten würde, also antwortete er rasch: »Nun, in Teremi gibt es sicher welche.«

»Wo ist dieses Ter… Tera…?«

»Teremi. Richtung Süden, wohl einige Tage zu Fuß durch den Wald«, erwiderte Sten.

Mit einem bösartigen Funkeln in den Augen schlug der riesige Pard vor: »Töten wir ihn und brechen auf.«

Druan nickte ungerührt und wandte sich dann ab.

»He! So wartet! Was soll das? Ich habe euch alles erzählt!«, rief Sten.

»Eben. Wir brauchen dich nicht mehr«, entgegnete Pard kaltblütig, während ein anderer an den Käfig herantrat und nach Sten griff. Verzweifelt rüttelte dieser an den Gitterstäben.

»Doch! Ihr braucht mich! Ich kenne den Weg!«, widersprach der junge Krieger, aber das schien den Troll wahrhaftig nicht zu beeindrucken. Wieder legten sich gewaltige Pranken um die Stangen, die schon deutlich verbogen waren, und drückten sie enger und enger zusammen.

»Ihr kennt Zorpad nicht! Und seine Soldaten, seine Krieger! Sie lassen euch niemals in die Stadt, sie werden euch töten!«, schrie Sten, um das Quietschen des gepeinigten Metalls zu übertönen.

»Warte«, sagte Druan und legte Pard eine Hand auf die Schulter, »wie viele Krieger?«

»Hunderte! Zorpad ist ein mächtiger Mann. Er hat viele Männer und Frauen unter Waffen«, antwortete Sten hastig.

»Du sagst, du kannst uns helfen? Wie?«, fragte der Troll scharf.

»Ich weiß, wie man ungesehen nach Teremi hineinkommt. Und lebendig wieder heraus.«Obwohl ich beim letzten Mal nicht allzu erfolgreich war, fügte Sten in Gedanken hinzu. Aber das musste er den Trollen ja nicht gleich auf die Nase binden.

Wieder überlegte Druan eine Weile, bevor er sich an seine hünenhaften Begleiter wandte: »Wir nehmen ihn doch mit.«

Sofort brach ein Tumult unter ihnen aus. Offenbar waren zwei der Trolle mit Druans Vorschlag nicht einverstanden und weigerten sich, ihm zu gehorchen. Ihr Brüllen donnerte durch den Regen, doch schließlich setzte sich Druan durch.

»Wir nehmen den Käfig mit. Wir brauchen den Menschen vielleicht noch. Wir können ihn immer noch loswerden, wenn wir müssen.«

Einer der Trolle, der die Idee dennoch für schlecht hielt, machte seinem Unmut am Rande der Lichtung Luft. Sten konnte in der Dunkelheit wenig erkennen, doch die gewaltigen Schläge und die umherfliegenden Holzstückchen zeugten von der immensen Kraft des Monstrums. Ungläubig beobachtete Sten, wie ein Baum von den Fausthieben so zertrümmert wurde, dass er schließlich mit einem Krachen umfiel. Vielleicht war es doch gar nicht so schlecht gewesen, hier gefangen zu sein, dachte der junge Wlachake, als der Lärm wieder verklungen war.

»Hol ihn runter, Pard«, befahl Druan, woraufhin der größte der Trolle sich mit einem düsteren Blick näherte und abschätzend den Metallkäfig besah. Bevor der Wlachake reagieren konnte, legte Pard die mächtigen Arme um die Konstruktion und zog. Das Metall der Kette knirschte, aber es war der Ast, der den gewaltigen Kräften des Trolls zuerst nachgab. Mit einem ohrenbetäubenden Bersten zersplitterte das Holz. Zwei mal riss Pard noch an den Käfigstäben, was Sten beinahe den Magen umdrehte, bis der Ast schließlich vollkommen abbrach und auf den nassen Waldboden fiel. Achtlos ließ der Troll den Käfig den letzten Schritt bis zum Boden fallen, und Sten konnte gerade noch die Beine einziehen, bevor sie auf den Boden schlugen. Der Aufprall fuhr ihm durch Mark und Bein und sandte scharfe Schmerzwellen durch seinen Körper.

Eingeschüchtert sah Sten auf die Stäbe des Käfigs, die sich unter dem Griff von Pard weiter verbogen hatten. Dieses Monstrum, dieser Troll hätte den Käfig mitsamt dem menschlichen Inhalt wohl einfach zerquetschen können. Aber wenigstens spürte Sten jetzt den feuchten, weichen Waldboden durch die Gitterstäbe, was ihm eine Spur von Wirklichkeit in diesen Albtraum brachte. Er sah zu Druan empor, der nun über ihm aufragte: »Und nun?«

»Jetzt gehen wir.«

Damit packte der Troll die Reste der Kette, drehte seine Schulter unter diese und wuchtete sich den Käfig auf den Rücken, bevor er sich in Bewegung setzte. Die grobe Haut des Trolls schabte über die Eisenstäbe, als er ein- oder zweimal nachfasste, bis er einen sicheren Griff fand. Obwohl der Käfig fraglos so schwer war, dass Pferde ihn an dem Baum hatten hochziehen müssen, bereitete es Pard offenbar kein Problem, ihn samt Inhalt hochzuheben und gar mit sich herumzutragen.

Für lange Zeit konnte Sten wenig mehr sehen als die breiten, grauen Schultern und die seltsamen Hornauswüchse auf dem Kopf des Trolls, die er zuerst für Haare gehalten hatte, die aber bei näherer Betrachtung mehr wie dünne Weidenruten wirkten. Der Regen prasselte weiter auf die seltsame Gruppe nieder, doch jetzt war Sten nah genug an dem Troll, um dessen Geruch zu bemerken. Der Gestank der Kreatur war heftig und durchdringend, und er erinnerte Sten an ein wildes Tier.

Hin und wieder schob sich einer der massigen Trolle in sein Blickfeld, doch zumeist sah Sten nichts als Finsternis und die Umrisse der Bäume vor dem Himmel, die bedrohlich über ihm aufragten. Wieder fragte sich der Wlachake, ob er womöglich doch nur träume. Doch dann stapften die Trolle durch einen schnell fließenden Fluss, und das eisige Wasser, das über Stens Beine spritzte, ließ ihn spüren, dass dies kein Traum war, aus dem er aufwachen konnte.

2

Der Gestank von Blut und Tod erfüllte die Kavernen, aber wenigstens war das Stöhnen der Verwundeten verstummt. Mit grimmiger Zufriedenheit betrachtete Hrodgard, Sohn des Haldigis, was sich ihm in der großen Höhle darbot. Überall auf dem Boden lagen Trolle, die von seinen tapferen Kriegern getötet worden waren. Hier hatte der hitzigste Teil des Gefechts stattgefunden, hier hatten seine Feinde eine letzte Verteidigungslinie aufgestellt, um den Angehörigen ihres Stammes, die nicht kämpfen konnten, die Flucht zu ermöglichen. Wie ein Erdrutsch waren die Zwerge über die wenigen, bereits schwer angeschlagenen Verteidiger hergefallen, aber die verfluchten Trolle hatten mit einer Zähigkeit und Verbissenheit gekämpft, die ihresgleichen suchte.

Die Krieger des Zwergenvolkes hatten jeden einzelnen Gegner in der großen Höhle getötet. Noch hatten die Späher keine Meldung gemacht, was darauf schließen ließ, dass sie bisher keine Spur gefunden hatten. Sonst hätten sie längst das Heer davon in Kenntnis gesetzt, damit die Krieger die geflohenen Trolle verfolgen und stellen konnten … Der Gedanke verscheuchte Hrodgards Zufriedenheit und ließ ihn innerlich fluchen, denn sein Plan hatte nicht den gewünschten Erfolg gehabt.

Das letzte Auflehnen der Trolle hier in der Höhle hatte die Zwerge zu viel Zeit gekostet und dem restlichen Stamm die Flucht ermöglicht. Wären die Zwergenkrieger zeitig durch die Linie der Trolle gebrochen, dann hätten sie den Stamm ein für alle Mal ausrotten und den Krieg in diesem Teil der Berge beenden können.

»Kriegsmeister?«, erklang die Stimme eines Zwerges, der auf ihn zukam. Aus den Gedanken gerissen, sah Hrodgard auf und erkannte Tainelm, den Anführer der Zweiten Kompanie und Veteranen zahlloser Schlachten.

»Was ist, Tainelm?«

»Wir haben die Verwundeten in die oberen Gänge gebracht und versorgen sie dort, wie Ihr befohlen habt. Allerdings haben unsere Späher dort Spuren von Trollen gefunden. Anscheinend wurde eine Gruppe von dem Rest abgetrennt und bewegt sich nun in die höheren Ebenen«, berichtete der altgediente Krieger.

»Wie viele?«

»Eine Hand voll vielleicht, wohl nicht mehr als fünf.«

»Nimm die besten Krieger deiner Kompanie und jage sie, Kampfmeister Tainelm. Finde und vernichte sie vollständig«, befahl Hrodgard. »Ich werde das Ende dieser Pest in meinen Tunneln noch erleben!«

»Jawohl, Kriegsmeister. Und noch etwas …«, fuhr Tainelm fort.

»Ja?«

»Die Späher der Ersten Kompanie haben Wohnhöhlen entdeckt. Sie sind verlassen, wie nicht anders zu erwarten war, aber es wurden zwei Kinder gefunden.«

»Trollgezücht?«

»Ja, Kriegsmeister.«

»Schlagt dieser Brut die Schädel ein und nagelt die Leichen an die Wände der tieferen Gänge. Wenn die Trolle wiederkehren, sollen sie nur sehen, was sie hier erwartet. Was sie alle erwartet!«

»Jawohl, Kriegsmeister«, erwiderte Tainelm und sagte dann mit einem angedeuteten Lächeln auf den Lippen: »Es war ein großer Sieg!«

Mit einem knappen Nicken entließ Hrodgard seinen Untergebenen und betrachtete die verstreuten Leichen seiner Erzfeinde. Die meisten der Kreaturen waren mehr als doppelt so groß wie er selbst. Seine Krieger hatten die Bestien regelrecht in Stücke gehackt – der einzige Weg, um sicherzugehen, dass ein Troll auch wirklich tot war. Wenn man es versäumte, ihnen den Kopf vom Rumpf zu trennen, so geschah es nicht selten, dass sie sich plötzlich wieder erhoben und selbst im Sterben noch Zwerge angriffen.

Kein großer Sieg, dachte Hrodgard beim Anblick der verstümmelten Gefallenen, denn einige Gegner sind entkommen. Aber wir werden sie finden, und dann löschen wir ihr Volk endgültig aus. Jeden Mann, jede Frau, jedes Kind!

3

Nach einer Zeitspanne, die Sten nahezu endlos erschien, erreichten die Trolle das Ziel ihres Marsches: eine Höhle, die sich in der Flanke eines Hügels verbarg. Im Innern dieser Höhle stellten die Trolle den Käfig auf dem unebenen Boden ab. Immer noch zitterte Sten vor Kälte, auch wenn er nun nicht mehr dem Wind und dem Regen ausgesetzt war. Doch der kalte Boden unter seinen Füßen und die kühle Luft auf seiner nassen Haut ließen ihn frösteln.

Einer der Trolle näherte sich dem Käfig und sah den Menschen neugierig an. Sten bemerkte, dass er lediglich ein Horn trug; das linke war dicht über der Haut abgebrochen. Die Bruchstelle sah jedoch alt aus.

»Du frierst?«

»J-ja«, antwortete Sten gepresst.

»Du hast so dünne Haut«, wunderte sich der Troll.

»Für gewöhnlich trage ich angemessenere Kleidung, aber man dachte wohl, ein Sterbender brauche keine warmen Sachen mehr«, brachte Sten zwischen klappernden Zähnen hervor.

Ein weiterer Troll gesellte sich zu ihnen und musterte Sten. In der Dunkelheit der Höhle konnte der Wlachake zuerst nicht feststellen, welcher es war, doch als er sprach, erkannte Sten Druan.

»Wir brauchen Feuer«, beschied er. »Das ist schlecht. Man wird uns sehen«, erwiderte der riesige Pard.

»Dann gehen wir tiefer in die Höhlen, noch haben wir Zeit. Wir haben den Menschen nicht mitgeschleppt, dass er jetzt an der Kälte krepiert.«

Sten war sich nicht ganz sicher, was er von dieser Aussage halten sollte, doch schon wurde sein eisernes Gefängnis wieder angehoben. Die Trolle trugen ihn tiefer in die Höhle hinein, weg von dem Eingang, und setzten ihn dort ab.

»Bei dem Wetter ist es schwierig, ein Feuer zu machen. Alles ist n-nass«, merkte Sten bibbernd an, doch die Trolle scherten sich nicht um ihn.

Druan kniete nieder und kümmerte sich im Dunkeln um das Feuer; wenig später sprangen Funken durch die Finsternis. Schon bald loderte eine kleine Flamme auf trockenen Reisighölzchen. Kurz darauf kehrte einer der Trolle mit einem Arm voller Holz wieder, das Druan geduldig sortierte und von dem er schließlich die besten Stücke auf das Feuerchen legte. Trotz aller Mühe entstand ein beißender Rauch, aber die Wärme, die Sten erreichte, machte die tränenden Augen wett.

Jetzt, im flackernden Schein des Feuers, konnte Sten nur zu gut erkennen, in welche Gesellschaft er geraten war. Jeder der fünf Trolle maß gut und gerne drei Schritt. Der größte von ihnen, den die anderen Pard nannten, überragte seine Gefährten noch um mehrere Spannen. Die Kreaturen wirkten massig, mit mächtigen Muskeln unter der groben grauen Haut. Ihre rohe Kraft hatte er bereits zu spüren bekommen, und bei dem Gedanken daran wurde ihm flau zumute. Hier und da wuchsen Horn- und Knochenplatten auf ihren Leibern, und bis auf den einhornigen Troll, der wohl irgendwann einmal eine unangenehme Begegnung mit einer Steinwand gehabt hatte, wuchsen jeweils zwei gebogene, glatte Hörner aus den niedrigen Stirnen, die bis hinter die Ohren ragten. Die Hauer der Trolle aber waren noch Furcht einflößender und ließen ihn an die grauenhaften Geschichten denken, die man sich in Wlachkis an den Herdfeuern erzählte.

Die Nägel der Kreaturen waren lang und kräftig, wie Klauen, teilweise gesplittert und vor allem schmutzig. Vielleicht bildete der Wlachake es sich nur ein, aber an Pards Klauen schienen Reste von getrocknetem Blut zu kleben. Rasch wandte er den Blick ab, doch dann siegte die Neugier, und er besah sich die Leiber der Trolle genauer.

Grob genähte Lederbahnen spannten sich um die Oberkörper, hier und da trug einer eine Art Gürtel, an dem einfaches Werkzeug und Beutel hingen. Waffen sah Sten nicht, aber nach der Demonstration ihrer schieren Kräfte war er sich nicht sicher, ob diese steinernen Ungeheuer ihre Feinde nicht viel eher mit bloßer Faust niederzustrecken und sie dann mit ihren Reißzähnen zu zerfetzen pflegten.

Trotz alldem benötigten die Trolle Hilfe. Sie kannten dieses Land, kannten die Menschen nicht. Was mochte sie hierher geführt haben? Woher kamen sie wohl, und warum hatten sie ihre Heimat verlassen? Alles Fragen, auf die Sten noch keine Antwort wusste – ein Zustand, den er schleunigst ändern sollte, wenn er am Leben bleiben wollte.

Nachdenklich betrachtete er die Trolle, die sich abseits des Feuers niedergelassen hatten und sich leise unterhielten. Hin und wieder warf der eine oder andere ihm einen Blick zu, der in Stens Augen von purer Mordlust sprach.

»Gib mir Fleisch, Roch«, sagte der riesige Troll zu dem einen, der nur ein Horn hatte, woraufhin dieser in einem seiner Beutel wühlte und ein rohes Stück Fleisch zum Vorschein brachte, das nach Verwesung roch. Das Einhorn heißt also Roch, stellte Sten fest und merkte sich den Namen.

»Wir müssen bald jagen«, äußerte Roch. »Unsere Vorräte sind fast zu Ende.«

»Wieso?«, fragte Pard und warf einen schnellen Blick in Stens Richtung. »Wir haben genug bei uns.«

Gequält starrte Sten den Troll an. Sind es wirklich Menschenfresser, wie in den alten Geschichten? Haben sie mich gar als Futter mitgenommen?

»Nein, Roch hat Recht, Pard«, warf Druan ein. »Wer weiß, wie lange wir noch suchen müssen.«

»Wir finden schon was, so schwer kann das ja nicht sein«, grummelte Pard.

»Meinst du Essen oder …«, erkundigte sich Druan und ließ den Satz verklingen, ohne dass sich Sten einen Reim auf dessen Bedeutung hätte machen können.

»Ich meine Essen. Hier laufen doch überall Viecher rum.«

»Klar, Pard denkt immer nur ans Futter«, lachte einer der anderen Trolle, was ihm einen bösen Blick von dem großen Troll einbrachte. »Ach, halt’s Maul, Anda!«

»Warum sollte ich?«, reizte der kleinere Troll ihn weiter.

»Weil es sonst was drauf gibt!«, knurrte Pard und ließ die gewaltigen Muskeln spielen.

»Anda kann nichts dafür, dass du so verfressen bist«, mischte sich ein weiterer Troll ein, den Sten bisher noch gar nicht reden gehört hatte, und Roch stimmte in sein Lachen ein.

»Ich bin größer und stärker als ihr alle«, grollte Pard. »Für jeden Zwerg, den ihr umhaut, töte ich drei. Natürlich brauche ich mehr Fleisch als so eine schwache Brut wie ihr!«

Der Ausbruch des massigen Trolls löste allgemeine Heiterkeit aus, und selbst Sten musste über die Frotzeleien grinsen, doch dann wurde ihm erneut klar, dass er sich in der Gewalt von mächtigen, gefährlichen und vor allem fremdartigen Wesen befand. Er konnte nicht wissen, ob ihre Worte freundschaftlich oder todernst gemeint waren. Als er sich des ganzen Ausmaßes seiner bedrückenden Lage bewusst wurde, schwindelte ihm.

War es wirklich erst ein paar Nächte her, dass er mit Flores im Wirtshaus gesessen hatte und sie ihn einen Narren gescholten hatte? Wenn sie mich jetzt sehen könnte, dann wäre ihr einmal mehr klar, dass sie Recht hatte, dachte Sten. Gefangen genommen von Zorpads Schergen, zum Tode verurteilt, im Wald ausgesetzt und ausgerechnet von Trollen gerettet. Obwohl »gerettet« wohl kaum das richtige Wort war. Ich muss sie davon überzeugen, dass ich in der Lage bin, ihnen zu helfen. Und bei der ersten sich bietenden Gelegenheit verschwinden.

Ihn schauderte, als er daran dachte, wie sich die gewaltigen Arme Pards um ihn gelegt hatten, um das Leben aus ihm herauszuquetschen. Mit einem unbehaglichen Blick auf die Trolle kauerte sich Sten in die Ecke des Käfigs, um wenigstens ein bisschen Ruhe zu finden, auch wenn das in seiner jetzigen Lage nicht gerade einfach war. Aber schließlich übermannte ihn die Erschöpfung, und er fiel in einen unruhigen, von Albträumen geplagten Schlaf.

Als er erwachte, stand die Sonne bereits am Himmel. Zumindest war ein schwacher Schein zu erkennen, der die Höhle in ein graues Zwielicht tauchte. Es dauerte einige Herzschläge, bis Sten sich dessen gewahr wurde, wo er sich befand und in welcher Gesellschaft.

In seiner jetzigen Lage konnte er keine wirkliche Verbesserung zu den Kerkern unter Zorpads Feste erkennen. Auch wenn er nicht misshandelt wurde, schmerzte sein ganzer Körper von der unbequemen Lage, in der er die Nacht verbracht hatte. Inzwischen waren die Käfigstäbe durch die wiederholte Gewalteinwirkung der Trolle so verbeult, dass sie ihn ins Fleisch drückten, egal, wie er sich auch drehte. Nahm man dazu all die blauen Flecken und sonstigen Wunden, die ihm Zorpads weithin gerühmte Gastfreundschaft in der vergangenen Woche eingetragen hatte, so gab es sicherlich mehr als genug Grund, um sich zu beklagen. Zudem war das Feuer ausgegangen, und die Höhlenluft fühlte sich eisig auf der Haut an.

Andererseits musste er wohl schon für die kleinen Segnungen dankbar sein. Immerhin schienen die Trolle noch zu schlafen, wie Sten mit einem schnellen Blick in ihre Richtung feststellte, also galt es keine Zeit zu verlieren. So leise wie möglich probierte er aus, wie stark die Festigkeit des Käfigs unter den Pranken der Kreaturen gelitten hatte, wurde jedoch von der soliden Handwerkskunst seiner Feinde enttäuscht. Noch immer hielten die Stäbe ihn sicher gefangen. Blieb nur der Bolzen, der die kleine Tür verschloss …

Tatsächlich, der Metallstift schien sich ein wenig gelockert zu haben. Die Tür war leicht aus den Angeln gebogen und hatte dabei den Bolzen ein kleines Stück aus seiner Fassung gezogen. Noch hielt er den Käfig fest verschlossen, aber Sten hoffte, dass etwas mehr Druck ihn so weit verdrehen würde, dass er herausspränge.

Nur mit bloßen Fingern vermochte der junge Krieger nichts auszurichten, also sah er sich um und entdeckte nach einigem Suchen schließlich einen Stein in seiner Nähe. Mit ein wenig Anstrengung gelang es ihm, den Stein mithilfe seines Fußes näher zu rollen, bis er ihn zu fassen bekam. Hastig versuchte er, den Bolzen mit dem Stein aus der Fassung zu drücken, was allerdings keinen Erfolg brachte. Schließlich sah er keine andere Möglichkeit, als auf den Bolzen einzuschlagen – es sei denn, er überließ sich der Gefahr, von den Trollen abgeschlachtet zu werden.

Sten klopfte das Herz bis zum Hals, denn er wusste, dass es ihn das Leben kosten konnte, wenn die Trolle aufwachten und seinen Fluchtversuch entdeckten. Und schließlich ging es nicht nur um sein Leben, auch das seiner Freunde stand womöglich auf dem Spiel, wenn er Zorpad richtig verstanden hatte …

Immerhin schienen die riesigen Wesen über einen gesegneten Schlaf zu verfügen, denn auch als Sten beherzt auf den Bolzen einschlug, rührten sie sich nicht. Nachdem der Metallstift sich nach einigen anfänglichen Erfolgen wieder verkeilte, ließ Sten alle Vorsicht außer Acht und schlug fest zu, bis das kleine Stück Metall seinen Widerstand aufgab und sich endlich wieder bewegte.

Die Schläge hallten durch die Höhle, und dennoch schienen die Trolle es nicht zu hören. Verunsichert ließ Sten das Werkzeug sinken und beobachtete die massigen Leiber, die reglos auf dem Steinboden lagen.

Nicht der kleinste Muskel der riesigen Kreaturen bewegte sich, ja, Sten war sich nicht einmal sicher, ob sie überhaupt noch atmeten. Alarmiert sah er sich um, ob womöglich irgendwo ein Feind lauerte, der die Trolle im Schlaf gemeuchelt hatte, doch die Höhle lag friedlich da im einfallenden Sonnenlicht.

Schließlich zuckte er mit den Schultern und machte sich wieder an die Arbeit. Eine Sorge weniger, dachte er grimmig, zumindest, wenn ich diesen Dämon von einem Bolzen loswerden kann. Tatsächlich zeigten seine Bemühungen Erfolg, denn Stück für Stück, Ruck für Ruck trieb er den Stift mit starken Schlägen aus seiner Fassung. Endlich hatte er den Bolzen so weit in die Löcher gedrückt, dass er versuchen konnte, ihn auf der anderen Seite herauszuziehen. Seine schmerzenden, kalten Finger wollten ein ums andere Mal keinen Halt finden, bis er auf die Idee kam, einen Streifen seines Hemdes abzureißen und den Stoff um den Kopf des Bolzens zu wickeln. So konnte er an dem Stift wackeln und ziehen, während er zwischendurch immer wieder mit dem Stein von der Seite gegen das kleine Stückchen Metall schlug, um es weiter zu lockern.

Nach einer schier endlosen Zeit fiel der Gegenstand seiner Bemühungen mit einem leisen Klirren auf den felsigen Boden. Sten schickte ein Dankgebet zu den Geistern und wollte die Tür aufklappen. Doch zu seiner Verzweiflung hatte diese sich innerhalb ihres Rahmens verkeilt und ließ sich nicht einen Fingerbreit bewegen. Wütend wollte Sten gegen die widerspenstige Tür treten, doch er hatte zu wenig Platz in dem Käfig, um auszuholen. Als sein Rütteln auch keinen Erfolg zeigte, warf er sich mehrmals gegen die Stäbe der Tür, bis ihm ein grausamer Schmerz in die Seite fuhr. Doch es war hoffnungslos: Die Tür saß fest.

Verzweifelt schlug er die Hände über dem Kopf zusammen. Wenn das keine Ironie ist, was dann? Irgendetwas bringt die verfluchten Trolle um, und ich sitze hier fest, um ihnen für die Ewigkeit Gesellschaft zu leisten. Kurz fragte er sich, was diejenigen wohl denken würden, die irgendwann über die sterblichen Überreste der seltsamen Gruppe stießen. Vermutlich halten sie mich dann für das sorgfältig verpackte Abendessen, dachte Sten, worüber er trotz seiner misslichen Lage grinsen musste.

Infolge all der Anstrengungen der letzten Stunden fühlte er sich schwindelig, und er beschloss, sich einen Augenblick lang auszuruhen, um sich dann ruhig und mit gestärkter Kraft aufs Neue der vermaledeiten Tür zu widmen. Ohne es zu wollen, übermannte ihn die Erschöpfung, und er schlief schon nach wenigen Atemzügen ein.

Erst als die Schatten in der Höhle immer länger wurden, erwachte der junge Krieger. Im Dämmerlicht sah er, dass sich nichts verändert hatte; noch immer lagen die Trolle regungslos einige Schritt von ihm entfernt, und die Tür saß immer noch so fest wie zuvor. Wenigstens würde der Tod ihn hier schnell ereilen, wenn er sich nicht doch noch befreien konnte, denn Wasser gab es in der Höhle keines.

Mit diesem Gedanken im Hinterkopf untersuchte Sten erneut den Käfig auf verborgene Schwachstellen, konnte jedoch keine finden. Die einzige Möglichkeit zur Flucht schien in der Tür zu liegen. Immerhin gibt es hier ja sonst nicht viel zu tun, dachte Sten und machte sich seufzend wieder ans Werk.

Plötzlich hörte er aus den Tiefen der Höhle ein Geräusch, ein leises Kratzen, gefolgt von einer Art lang gezogenem Stöhnen. Verunsichert hielt er inne und lauschte in die Dunkelheit hinein, die weiter hinten in der Höhle herrschte. Die Sonne musste bereits wieder untergegangen sein, denn nun erreichte kaum noch Licht diesen Teil der Kaverne. Sten horchte auf; kein Zweifel, da war es wieder, dieses Kratzen und Scharren, als krieche ein schwerer Leib über Stein.

Womöglich stammte es von der Kreatur, welche den Trollen zum Verhängnis geworden war? Voller Panik blickte Sten zu den bewegungslosen Körpern hinüber. Er vermochte sich nicht vorzustellen, welche Bestie diesen mächtigen Wesen derart schnell und leise den Garaus machen konnte, und er war auch nicht gerade erpicht darauf, es herauszufinden.

Hastig schlug er weiter auf den Rahmen der Tür ein, bis er abrutschte und sich zwei Finger der rechten Hand quetschte. Fluchend ließ er den Stein fallen und schüttelte die schmerzende Hand. Zwischen gemurmelten Verwünschungen hörte er wieder dieses Geräusch, sehr viel näher mittlerweile. Aber so sehr Sten seine Augen auch anstrengte, er konnte in der Finsternis nichts erkennen. Gebannt starrte er voraus ins Dunkle. Nach einer Weile glaubte er eine Bewegung auszumachen. Oder vielleicht gaukelte ihm auch nur sein überreizter Geist etwas vor? Nein, ohne Frage, in den Schatten näherte sich eine gedrungene Gestalt, die langsam über die Steine kroch. Bevor sie jedoch aus dem Dunkeln ins Zwielicht kam, hörten die Bewegungen abrupt auf. Auch die Geräusche verstummten, und so sehr Sten sich bemühte, etwas zu erkennen, blieb das Wesen doch in der Dunkelheit verborgen.

Zäh verstrichen die Augenblicke, während Sten sich zwang, ruhig zu atmen, und wieder nach dem Stein griff. Zumindest würde er nicht kampflos untergehen, auch wenn ein Stein nicht gerade eine zuverlässige Waffe darstellte. Schließlich verschwand auch der letzte Lichtschein vom Eingang der Kaverne, und Sten fand sich in völliger Dunkelheit wieder. Unbewusst spannte er die Muskeln an, da er mit einem Angriff rechnete. Stattdessen hörte er einen lauten und langen Fluch aus der Richtung der tot daliegenden Trolle: »Verfluchte Zwergenscheiße! Ich habe euch gesagt, dass wir zu nah am Eingang sind!«

Verwirrt spähte Sten zu den Trollen hinüber, deren Stöhnen und Fluchen ihm sagte, dass er zu früh von ihrem plötzlichen Ableben ausgegangen war. Dann fiel ihm erneut das Wesen ein, das sich tiefer in der Kaverne verbarg, und er rief zu den Trollen hinüber: »Etwas ist hinten in der Höhle!«

Sofort verstummten die riesigen Wesen, und Druan fragte: »Was meinst du, Mensch?«

»Ich habe Geräusche gehört, ein Kratzen, und auch etwas herumschleichen gesehen«, antwortete Sten.

»Zdam, du machst Feuer«, befahl Druan, und kurz darauf tanzten Funken durch die Dunkelheit. Endlich entzündete sich der Rest des Holzes, der inzwischen getrocknet war, und die Höhle wurde in den flackernden Schein der Flammen getaucht. Aufmerksam blickte Sten sich um, doch er konnte noch immer kein fremdes Wesen sehen. Mit einer für ihre Größe überraschenden Gewandtheit verteilten sich die Trolle und schlichen leise tiefer in die Höhle.

Plötzlich stieß Druan ein Knurren aus, und der Rest der Trolle rannte zu ihm. Dort beugten sie sich über etwas, vermutlich die Kreatur, die Sten gehört hatte. Die massigen Leiber versperrten ihm die Sicht, doch nach wenigen Herzschlägen schleppten die Trolle eine Kreatur zum Feuer. Zu seinem Erstaunen erkannte Sten einen weiteren Troll, dessen dicke Haut von vielen Wunden aufgerissen war, aus denen dunkles Blut auf den Steinboden tropfte. Die anderen Trolle legten ihn behutsam neben das Feuer, und einer von ihnen – Anda? – untersuchte die Verletzungen. Zunächst glaubte Sten, dass der Troll tot war, doch wieder erwies sich seine Vermutung als falsch. Mit einem tiefen Stöhnen schlug er die Augen auf, blickte wild um sich und packte schließlich Druan an der Schulter: »Sie kommen! So viele!«

Das trieb die Trolle sofort auf die Beine. Pard lief mit dem einhornigen Roch und dem schweigsamen Zdam tiefer in die Höhle, während Anda sich nahe dem Eingang postierte. Druan hingegen blieb bei dem Verwundeten knien und fragte: »Was ist geschehen?«

Aber der Verletzte rang nur röchelnd um Worte und griff hilflos mit den Pranken in die Luft, als wolle er einen unsichtbaren Gegner zu fassen bekommen.

»Druan, was geht hier vor sich?«, fragte Anda besorgt vom Höhleneingang her.

»Weiß nicht. Aber die Wunden stammen von Klingen und Hämmern!«, erwiderte der Troll grimmig.

»Zwerge!«

»Ja. Verfluchtes Pack, wie konnten sie …«, begann Druan, doch mit einem düsteren Blick auf Sten brach er ab.

»Diese Beben?«, mutmaßte Anda, aber Druan zuckte mit den Schultern.

»Er war mit den anderen in der großen Höhle. Wenn er gekämpft hat, dann haben alle gekämpft«, stellte er fest.

»Du meinst, es gab eine große Schlacht?«

»Ja. Und wir haben verloren. Ob es ihre Äxte waren oder die klaffende Erde oder das flüssige Feuer, ich weiß es nicht.«

»Der Zorn der Erde muss aufhören! Sonst wird alles zu spät sein!«, meinte Anda mit drängender Stimme.

»Wir müssen mehr erfahren«, stimmte Druan zu und sah Sten durchdringend an, der sich fragte, was wohl wirklich zwischen den Zwergen und den Trollen vorging.

»Hier sind wir nicht sicher«, bemerkte Anda.

»Wir waren unvorsichtig. Wir haben zu nah am Ausgang gelagert. Am Tage hätten die kleinen Bastarde kommen können!«

»Tiefer in den Höhlen ist es sicherer«, stimmte Anda ihm zu.

Verwirrt überlegte Sten, was es mit all dem Gehörten auf sich haben konnte. In den alten Legenden waren die Trolle unter die Berge gewandert, weil sie ein Volk der Dunkelheit waren, grausam, böse und ohne Gnade. Ein Volk, das in ewiger Finsternis leben wollte, so wie ihre Herzen finster waren. Aber vielleicht gab es ja noch andere Dinge, welche die Trolle von der Oberfläche vertrieben hatten …

Wie tot hatten sie dagelegen und waren erst erwacht, als die Sonne unterging. In den alten Liedern und Sagen hieß es, dass Trolle sich zu Stein verwandelten. Vielleicht war es ja das Licht, das diese Veränderung bewirkte, überlegte Sten. Wenngleich die liegenden Gestalten nicht wie versteinert gewirkt hatten, sondern einfach nur leblos. Aber es war gut zu wissen, dass die gewaltigen Trolle offensichtlich auch Schwächen hatten.

Sollten sie am Tage tatsächlich zu Stein werden, dann konnten sie ihn nicht an der Flucht hindern, falls er diesen verfluchten Käfig jemals öffnen konnte. Dabei fiel ihm ein, dass Stein und Bolzen noch sehr wertvoll für ihn sein konnten, falls die Trolle wieder aufbrachen und ihn mitnahmen. Also schob er sich den Stein vorsichtig unter das Hemd und griff unauffällig nach dem Bolzen, den er ebenfalls unter seinem spärlichen Gewand verbarg. Als Waffen gegen die Trolle würden sie ihm kaum von Nutzen sein, aber vielleicht konnte er sie weiter als Werkzeug hernehmen.

Nach einiger Zeit kam Pard zurück und teilte Druan mit, dass sie keine Verfolger gesehen hatten. Während Druan sich wieder neben den Verletzten kniete, trat Pard zu dem Käfig und sah Sten kalt an: »Du wirst dafür bezahlen!«

Verwirrt wollte Sten fragen, was der Troll meinte, doch schon griffen die Pranken des Monstrums nach ihm. Die Faust des Trolls traf den Käfig, sodass Sten wie eine Puppe umhergeworfen wurde, wobei er mit der Schläfe gegen die Eisenstangen stieß. Bunte Lichter tanzten vor seinen Augen, und in den Ohren erklang ein lautes Rauschen. Dann schüttelte er den Kopf und sah wieder klar. Vor dem Käfig standen Druan und Pard einander gegenüber, die Fäuste geballt und die Zähne gefletscht. Obwohl Pard auch den für Stens Verhältnisse riesigen Druan um Haupteslänge überragte, wich der kleinere Troll nicht zurück und hielt dem wütenden Blick seines Gegners stand.

»Zwerge, Menschen, alles das gleiche Pack!«, brüllte Pard. Neugierig kamen die anderen Trolle, angelockt durch den Tumult, wieder zurück von ihren Posten.

»Ihn brauchen wir noch«, antwortete Druan gefährlich ruhig.

»Wir sollten sie alle zerquetschen! Jeden Einzelnen!«

»Das können wir nicht.«

»Du willst nur nicht! Die Menschen helfen den Zwergen! Sie müssen sterben!«, schrie Pard. »Und es wird mir Spaß machen, das Leben aus ihnen zu prügeln!«

»Die Zwerge sind viele, die Menschen sind viele. Ohne Hilfe werden sie uns töten«, entgegnete Druan.

»Er ist ein Mensch! Einer von ihnen!«

»Die Herrscher der Menschen haben ihn ausgesetzt. Er verdankt uns sein Leben. Deshalb wird er uns helfen.« Druan sah Sten an, und Pard folgte seinem Blick mit Mordlust in den Augen. »Nicht wahr, Mensch?«

»Ich heiße Sten«, antwortete der junge Krieger. »Und noch haltet ihr mich im Käfig wie Vieh.«

»Wir können dir nicht trauen, Mensch, wir wissen zu wenig. Aber wenn du uns hilfst, dann lassen wir dich leben und frei«, versprach Druan.

Pard blickte ihn hasserfüllt an, sodass Sten dem Troll nach dem Mund redete. »Gut. Ich helfe euch.«

»Siehst du?«, wandte sich Druan an Pard. »Wir haben nichts zu verlieren, wenn wir ihn mitnehmen.«

Für einen Augenblick schien es, als wolle der andere widersprechen, doch dann fügte er sich und drehte sich fluchend um. Über seine Schulter hinweg sagte er: »Verrate uns, Mensch, und ich reiße dir den Kopf ab!«

Angesichts der Tatsache, dass dies wohl keine leere Drohung war, musste Sten schlucken. Die Trolle waren bekanntermaßen gewalttätig, brutal und gewissenlos, und er war ihnen ausgeliefert. Doch solange er am Leben war, bestand Hoffnung auf Flucht oder Rettung. Jetzt musste er allerdings herausfinden, was die Trolle eigentlich suchten.

»Druan?«

»Ja?«

»Es würde uns beiden helfen, wenn ich wüsste, was ihr von mir wollt«, eröffnete Sten das Gespräch. Druan zögerte und blickte den Menschen unter seinen wulstigen Brauen hervor wachsam an. Dann sagte er: »Wir kennen dein Land nicht. Wir suchen nach Magiern.«

»Aber warum?«, fragte Sten.

»Wir führen Krieg gegen die Zwerge, schon seit vielen Generationen. Stets sind sie auf der Suche nach Metall und anderen Schätzen im Fels. Sie graben unablässig tiefer und tiefer, dringen in unsere Höhlen ein, töten unsere Beute, greifen uns an. Wir kämpfen gegen sie. Bislang konnten weder sie noch wir die Überhand gewinnen. Sie sind viele, aber wir sind stärker. Sie tragen Metall, unsere Haut ist trotzdem dicker. Doch seit einiger Zeit geschehen seltsame Dinge. Stollen sind eingestürzt, in denen sich Trolle aufhielten, oder der Boden hat gezittert. Aus den Tiefen ist glühender Fels emporgestiegen. Wo wir die Zwerge vorher besiegen und vertreiben konnten, tötet uns jetzt ihre verfluchte Magie.«

»Zwergische Magie? Das klingt seltsam, ich habe niemals von Zwergen gehört, die Magier sind«, warf Sten ein.

»Oh, das sind sie auch nicht. Wir haben einen gefangen und befragt. Die Zwerge haben keine Zauberer. Sie bekommen die Magie von euch, von den Menschen.«

Ungläubig starrte Sten den Troll an. Er war kein großer Kenner der arkanen Künste, aber es war augenfällig, dass die Vorkommnisse, wie Druan sie beschrieb, nicht von einem einzelnen Magier erzielt werden konnten. Also redete der Troll gewiss nicht bloß von einem Söldling, der den Zwergen bei ihrem Krieg gegen die Trolle half, sondern von vielen menschlichen Verbündeten. Die Masriden …

Was kann das für ein Pakt sein?, fragte er sich. In Stens Kopf wirbelten die Gedanken umher, und es fiel ihm schwer, sich zu konzentrieren. Hunger, Durst und klamme Kälte taten ihr Übriges, doch je mehr er über das soeben Gehörte nachdachte, umso klarer wurde ihm, dass er so schnell wie möglich in die Zivilisation zurückkehren musste, um herauszufinden, was da vor sich ging. Innerlich verfluchte er die Trolle ein weiteres Mal dafür, dass sie ihn festhielten, auch wenn er ihnen die Neuigkeiten überhaupt erst verdankte.

In Gedanken versunken bemerkte er nicht Druans abschätzenden Blick und wurde durch dessen Frage vollkommen überrascht: »Du wusstest nichts davon, aber es bedeutet dir etwas, nicht wahr?«

»Nun ja. Das sind wirklich Neuigkeiten. Irgendwer hilft den Zwergen, nur kann ich nicht sagen, wer.«

Druan kniff die Augen zusammen, und Sten wurde sich mit einem Mal der Tatsache bewusst, dass dieser Troll weitaus schlauer war, als er anfänglich angenommen hatte. Er konnte ihm nicht vertrauen, also war es ratsam, Vorsicht walten zu lassen und nicht zu viel preiszugeben.

»Du wirst mir später mehr über dein Volk erzählen, Sten«, sagte der Troll, als hätte er Stens Gedanken gelesen, bevor er sich abwandte und wieder zu dem am Boden liegenden Troll trat, der sich nun nicht mehr rührte.

»Ich habe Hunger und Durst, ich brauche etwas Wasser. Und Kleidung«, teilte Sten mit.

»Fleisch haben wir bald mehr als genug, und Anda holt gerade Wasser. Kleidung gibt es keine, bis wir wieder aufbrechen und mehr Menschen treffen«, antwortete Druan, ohne ihn anzusehen. Dann rief er den großen Troll zu sich. »Hier ist es unsicher, Pard. Nimm die anderen und geh tiefer in die Höhlen hinein. Schau nach, ob ihr Verfolger finden könnt.«

»Wir werden die kleine Brut zermalmen«, stieß Pard zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

»Vielleicht wurde er ja verfolgt«, antwortete Druan mit einem Blick auf den toten Troll. »Wenn das so ist, müssen wir die Zwerge zuerst entdecken.«

»Das werden wir. Ich habe schon zu lange kein Zwergengenick mehr gebrochen! Ich werde ihnen die Schädel einschlagen, die Arme aus dem Leib reißen, sie zu Mus zerquetschen!«

»Wir bleiben hier, falls sie kommen. Sie verfolgen einen Verwundeten, sie werden nicht allzu viele Krieger schicken. Wir werden seinen Tod rächen!«, entschied Druan.

Pard nickte wütend. Abrupt drehte er sich um und ging tiefer in die Höhle hinein, nicht jedoch ohne vorher mit der Faust gegen die Felswand zu schlagen, wobei fingerdicke Gesteinssplitter in alle Richtungen flogen. Die anderen drei Trolle folgten ihm, während Druan sich wieder neben den Gefallenen kniete und ein beinernes Messer aus einem seiner Gürtelbeutel zog. Zu Stens Entsetzen rammte er das Messer in die graue Haut des Trolls und begann, diesen aufzuschneiden.

»Was tust du da?«, rief Sten erschüttert.

Druan drehte sich zu ihm um und antwortete: »Er ist tot.«

»Solltest du ihn dann nicht begraben?«

»Nein. Warum?«

»Um seinen Geist zurück in die Erde zu führen. Und damit keine Aasfresser sich an ihm gütlich tun können. Aus Respekt.«

»Wir nehmen die besten Teile mit.«

»Ihr wollt ihn doch nicht etwa fressen?«, fragte Sten voller Abscheu.

»Natürlich«, entgegnete Druan ungerührt.

»Ihr Geister! Das ist ja widerlich!«

»Er würde es mit mir oder dir genauso machen. Wir haben keine Zeit zu jagen. Wir lassen doch nicht gutes Fleisch zurück«, erklärte der Troll, während sich das Messer in das Fleisch des Toten grub. Immer noch fassungslos, drehte sich Sten um, damit er das grausige Schauspiel nicht mitverfolgen musste. Er hatte Menschen getötet, hatte Folter erlebt, Hinrichtungen und andere Grausamkeiten gesehen, doch wie der Troll so selbstverständlich über der Leiche seines Freundes kniete und diesen ausnahm wie einen Hasen, das ließ Sten speiübel werden. Wo bin ich hier nur hineingeraten?, fragte er sich, während er versuchte, die makabren Geräusche auszublenden, die hinter seinem Rücken von Druans blutiger Arbeit kündeten.

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