Die unglaublichen Abenteuer von Melly Jones auf dem magischen Piratenschiff - Will Mabbitt - E-Book

Die unglaublichen Abenteuer von Melly Jones auf dem magischen Piratenschiff E-Book

Will Mabbitt

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Beschreibung

Eine Heldin mit Mut, Witz und Köpfchen

Mitten in der Nacht wird Melly Jones entführt! Ein geheimnisvolles Pelztier stopft sie in einen Sack und verschleppt sie auf ein Piratenschiff. Auf der »Kwirrligen Qualle« kriegt sie es mit der wildesten Mannschaft zu tun, die jemals die Weltmeere heimgesucht hat.

Glücklicherweise ist Melly nicht auf den Mund gefallen, hat jede Menge Köpfchen und das Herz auf dem rechten Fleck. Und so findet Melly nicht nur den Piratenschatz – sondern Freunde fürs Leben!

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Seitenzahl: 144

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Will Mabbitt

Illustrationen von Nina HammerleAus dem Englischen von Anne Brauner

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Kinder- und Jugendbuchverlagin der Verlagsgruppe Random House

Für Tilly, Etta und Ellen

1. Auflage 2015

© 2015 der deutschsprachigen Ausgabe cbj Kinder- und

Jugendbuchverlag in der Verlagsgruppe Random House, München

Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten

© 2015 Will Mabbitt

Erstmals erschienen 2015 unter dem Titel:

»The Unlikely Adventures of Melly Jones – The Voyage of the Feroshus Magott«

bei Puffin Books, Penguin Random House UK, London

Umschlagillustration: Nina Hammerle

CK • Herstellung: UK

Satz Uhl + Massopust, Aalen

Repro: Reproline Mediateam, München

ISBN 978-3-641-16341-9

www.cbj-verlag.de

Die Entführung

Auf einmal war es so still, dass Melly Jones davon wach wurde.

Sie setzte sich kerzengerade hin.

»Was war das für kein Geräusch?«, überlegte sie.

In der Stadt draußen vor dem Fenster war es seltsam leise.

Der Fernseher der Nachbarn lief nicht. Auf der sonst so befahrenen Straße fuhren keine Autos hin und her. Sogar die Mäuse, die unter den Bodendielen umherflitzten, bemerkten, dass kein Laut zu hören war.

Sehr verdächtig …

Melly lauschte gespannt, doch selbst mit geschlossenen Augen konnte sie nicht hören, woher die Stille kam.

Wie hätte sie auch wissen sollen, dass der Grund dafür gerade mit einem Entermesser zwischen den Zähnen durch die Katzenklappe ins Haus schlich …,

… im Flur nasse Pfotenspuren auf dem Teppichboden hinterließ …,

… auf der Treppe kurz stehen blieb, weil ihm vor dem Bildnis von Mellys Urgroßmutter ein Schauer über den Rücken lief …,

… mit einem großen, extra angefertigten Sack, in den gerade eben ein Kind passte, vor Mellys Zimmer kauerte und in diesem Augenblick ihre Tür aufdrückte, um -

STOPP! WARTET!

Bevor wir uns dem schrecklichen Anblick hingeben, wie die kleine Melly Jones mitten in der Nacht in den Sack gesteckt wird, sollten wir unbedingt verraten, wer auf diese ohrenbetäubend leise Art und Weise in ihr Haus eingedrungen ist.

Leuchten wir in die Ecken und werfen ein Licht auf das gerissene Wesen, das in der Ecke lauert.

Wer bist du?

Und was willst du mit dem Beutel?

Die Schnurrhaare zucken.

Eine Pfote wird angeleckt und streicht glättend über ein Stück Fell, das auf dem Kopf in die falsche Richtung wächst.

Das Wesen macht eine kurze Pause, bevor es uns mit weit aufgerissenen großen Augen ansieht und unter nervösem Blinzeln flüstert: »Ich? Ich bins Ominus Husch.«

Es spricht!

Und was für ein Tier ist es?

»Ich bins ein leiser Lori.«

Eine heimtückische Brut: lautlos wie eine Erdnuss und hinterlistig wie eine Kellerassel im Rosinenglas.

Was hast du im Zimmer der unglückseligen Melly Jones vor?

»Ich bins der Einsacker von der Kwirrligen Qualle!«

Der Einsacker?

»Der Einsacker, der die Kinder eintütet! Ich habs die besten Finger an meinen Pfoten, die knüpfen die besten Knoten, damit das hampelnde Schnuckelchen auch drinbleibt.«

Doch nicht Melly Jones?

»Es hat die HEILIGE TAT begangen. DIE TAT, die den Sack zumacht! DIE TAT, die es zu lebenslanger Schufterei im Dienst des Kapitäns auf der Kwirrligen Qualle verpflichtet.«

Das Geschöpf beugt sich vor und wispert: »Die Tat, die zeigt, dass es ein angehender Pirat ist.«

Nicht doch? Doch nicht DIE TAT?

»Ja! Wir habens durchs Teleskop vom Käpten gesehen.«

Ach du liebe Güte! DIE TAT wurde begangen!

Wie bitte? Ihr Leser wisst nicht, um welche Tat es geht?

Aber klar, wie dumm von mir! Wahrscheinlich habt ihr nicht jahrelang auf einem Piratenschiff gelebt. Wahrscheinlich habt ihr auch nicht an einem tropischen Strand am Lagerfeuer gesessen und die letzten Bissen vom frisch gebratenen Papagei verspeist. Wenn, nachdem der Rum alle ist, das Gespräch im Flüsterton auf arme Kinder kommt, die nach einer versehentlichen Tat wie dieser auf Piratenschiffe verschleppt wurden!

Deshalb gehen wir noch einmal zurück an Bord des Piratenschiffs Kwirrlige Qualle, das zurzeit weit entfernt vom nächsten Hafen durch eine dichte Nebelwand treibt. Am Bug steht Kapitän Idryss Ebenezer Grimm.

Grimm ist ein Wolf.

Ein Wolf mit Piratenhut und einem Knochenbein aus Menschenschenkel. In seinem Gürtel steckt ein rostiges Entermesser und in seiner Unterhose eine geladene Pistole – die Folgen fürchtet er nicht! Schon in grauer Vorzeit hat Grimm sein linkes Auge an einen Feuerwerkskörper verloren, der sich verflogen hatte. Sein rechtes Auge drückt er jetzt ans Fernrohr, das er auf ein merkwürdiges Loch in dem dichten Nebel richtet, der die Kwirrlige Qualle einhüllt. Denn durch dieses Loch kann er eine Welt sehen, die anders ist als die seine.

Eine männschliche Welt.

Eine Welt, in der Melly Jones gleich die Tat vollbringen wird: das feierliche Bohren in Melly Jones’ Nase mit Melly Jones’ nasebohrendemFinger.

»Und, schon geschluckt?«, fragt die Mannschaft gespannt. »Ist die Tat vollständig vollbracht?«

»Noch nicht, Jungs. Noch nicht!«

Mellys Schicksal hängt von dem endgültigen Bestimmungsort des Popels ab, der im Augenblick noch an ihrer Fingerspitze klebt. Dieser Finger schwebt gerade gefährlich zwischen Mund und Wand, während Melly die Wahl hat, ob sie ihn schluckt oder abwischt.

Wird sie ihn schlucken?

Endlich fällt die Entscheidung. Melly tut, was alle Menschen tun, wenn sie sich unbeobachtet wähnen. So wie sich in diesem Moment Schulleiter, Polizisten, Essensausgeberinnen und Eltern entscheiden (vor allem aber Schulleiter).

Sie schluckt den Popel!

Grimm grinst über beide Ohren. Auf einem Schiff kann man immer noch jemanden gebrauchen, der mit anpackt, und schlimmstenfalls bringt das junge Ding im nächsten Hafen ein hübsches Sümmchen ein.

Der Kapitän wendet sich an Ominus Husch und schlägt dem Lori unter hässlichem Gelächter auf die Schulter.

»Hol deinen Beutel. Heute Nacht sackst du ein Kind ein!«

In ihrem Zimmer in der Parkallee 23 stieg Melly Jones aus dem Bett, um nachzusehen, warum es so unheimlich still war.

Vor dem Fenster waberte dichter grüngrauer Nebel über der Stadt, aus dem nur die höchsten Gebäude empor ragten.

Was für eine seltsame Nacht! Normalerweise wurde Melly nicht von unheimlicher Stille geweckt. Die Stadt war sonst eigentlich nicht -

AUA!

Etwas hatte sich in ihre Fußsohle gebohrt.

Eine Erdnuss!

Wie kam eine Erdnuss auf den Boden in ihrem Zimmer?

Dabei mag ich Erdnüsse nicht mal, dachte Melly Jones.Oder jedenfalls nur die mit Schokoladenüberzug und da mag ich natürlich auch nur die Schokolade.

Oh! Noch eine Nuss.

Und noch eine.

Komisch!

Eine Erdnussspur führte in die dunkelste Ecke ihres Zimmers.

Melly hob die Erdnüsse nacheinander auf.

Man könnte glatt meinen, jemandwill, dass ich der Spur folge.

Melly kratzte sich nachdenklich unter der Achsel.

Man könnte glatt meinen, jemand wäre in meinem Zimmer!

In meinem Zimmer ist einer!

Als Melly Jones zur Tür rennen wollte, schnappte von hinten eine starke magere Hand zu und hielt sie fest. Sie riss den Mund auf und wollte Hilfe rufen, kam aber nur zu dem »P« in »Papa«, denn schon hielt ihr eine zweite Hand den Mund zu.

Dann wurde sie in einen Sack gestopft, der geschickt zugebunden wurde.

Pelzige Arme hoben den Sack am Fenster hoch und schoben ihn tief in den Nebel. Ominus Husch hielt nur kurz inne, um eine Melly-Jones-große Bisswunde an seiner Hand zu begutachten, bevor er auf die Fensterbank kletterte und in die Nacht hinaussprang.

Kurz darauf war es mit der Stille wieder vorbei. Über dem alltäglichen Lärm der stark befahrenen Straße inmitten einer belebten Stadt weit weg vom nächsten Hafen oder Strand erklang ein freches Matrosenlied, das von den letzten Streifen des aufklarenden Nebels herangetragen wurde.

Die Nachbarn stellten ihre Fernseher wieder lauter.

Die Piraten

Melly Jones zählte nicht zu den Mädchen, die sich davon einschüchtern ließen, wenn sie mitten in der Nacht von einem Piraten entführt wurden. Wie albern.

»Ich heiße Melly Jones und hab vor nichts Angst!«

Da es in dem Sack dunkel war, sagte sie es noch mal, nur lauter, um klarzumachen, dass es stimmte.

»Ich heiße Melly Jones und hab vor nichts Angst!«

Dennoch wünschte sie, ihre Mutter oder ihr Vater wären bei ihr im Sack.

Doch als sie darüber nachdachte, fand sie, dass es besser wäre, sich zu wünschen, sie wäre nicht im Sack, anstatt sich zu wünschen, ihre Eltern wären es. In dem Sack war es nämlich zu eng für sie alle drei.

Allerdings würden sie sich Sorgen machen, wenn sie am Morgen nicht da war. Mellys Vater kam immer in ihr Zimmer, um sich vor der Arbeit von ihr zu verabschieden.

Pfoten, die sie nicht sehen konnte, lösten den Knoten des extra in Kindergröße angefertigten Beutels, und Melly Jones stieg heraus ins helle Tageslicht.

Nach den kreischenden Möwen und dem grellen Sonnenschein fiel ihr direkt eine abgehackte Hand auf, die an einem Tau in der salzigen Brise baumelte.

Als sie diese mageren Finger zum letzten Mal gesehen hatte, hatten sie ihr den Mund zugehalten. Offenbar hatte sich Ominus Huschs Hand sofort entzündet, nachdem Melly ihn gebissen hatte.

Der Schiffsarzt Doc Knochensäge – ein altes zahnloses Salzwasser-Krokodil – hatte gleich tief geseufzt, als er die Wunde gesehen hatte. »Fürs Piratenblut gibt’s nichts Schlimmeres als giftige Kinderspucke mit frischer Zahnpasta … «

Und während Ominus Husch noch überlegte, was »Zahnpasta« war, hackte Doc Knochensäge die entzündete Pfote bereits mit einem Fleischerbeil ab. Da es keine überschüssigen Haken an Bord gab, hatte er die fehlende Hand durch einen Türknauf ersetzt.

Ominus Husch war es gelungen, Doc Knochensäge die abgetrennte Hand abzuluchsen. Er wollte sie zur Erinnerung in einer Kiste aufbewahren. Doch zuvor musste sie trocknen, weil sie sonst anfangen würde zu stinken.

»Die willste wirklich behalten?«, hatte Doc Knochensäge gefragt und sich die Lippen geleckt.

Als Zweites bemerkte Melly Jones, dass sie auf hoher See an Bord eines Schiffes war, mit einer wilden Horde als Mannschaft.

Und diese groben Kerle sahen sie an.

Ich heiße Melly Jones und hab vor nichts Angst.

Diesmal dachte sie es nur sehr leise. Sie fürchtete sich ein bisschen davor, es laut auszusprechen. Schließlich befand sie sich zum ersten Mal auf einem Piratenschiff.

Aber ich vergaß! Ihr wart ja vielleicht auch noch nie auf einem Piratenschiff. Dann legen wir eine kurze Pause ein und zeigen euch alles, auch die tierische Mannschaft.

Die Tür da hinten führt zur Kapitänskajüte. Ich wage es jedoch nicht, euch mit hineinzunehmen, weil Grimm noch drin ist.

Diese Falltür führt unter Deck.

Es geht

die Holzstufen

hinunter

… schön vorsichtig.

Unten ist es dunkel und feucht. Hier schläft die Mannschaft in den Hängematten, die oben an den Balken befestigt sind. Der Mief von nächtlichem Gefurze hängt noch in der Luft, weil die frische Seebrise nicht unter Deck gelangt.

In der Ecke dort arbeitet der Knochensäger, seht ihr, sein Fleischerbeil steckt mit der scharfen Kante in einem Holzscheit. Ein Diplom in

Fortgeschrittener Nautischer Chirurgie

prangt an der Wand.

Auf dem Boden steht eine Kiste Schiffszwieback.

Wie bitte?

Ja, ihr dürft einen probieren.

Köstlich, was?

Rosinen? Das sind keine Rosinen. Sondern Rüsselkäfer.

ENDE DER LESEPROBE