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Zwei Schwestern. Ein Elfe. Und ein unverzeihlicher Verrat…
Während Jude sich am Hof von Elfenheim mit Prinz Cardan einen erbitterten Machtkampf liefert, verliebt sich ihre Zwillingsschwester Taryn in Locke, den schönen und betrügerischen Freund Cardans. Hier beschreibt Taryn in ihren eigenen Worten, wie es zu dem Verrat kommen konnte und wie sie versucht, die Vergebung ihrer Schwester zu erlangen …
Die faszinierende Hintergrundgeschichte zu »Elfenkrone«, erzählt aus der Sicht von Judes Schwester Taryn.
Alle Bände der »Elfenkrone«-Welt:
ELFENKRONE (Band 1)
ELFENKÖNIG (Band 2)
ELFENTHRON (Band 3)
Wie der König von Elfenheim lernte, Geschichten zu hassen (Illustrierter Zusatzband)
Die verlorenen Schwestern - Eine Elfenkrone-Novelle (nur als E-Book verfügbar)
ELFENERBE - Der gestohlene Thron
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 64
© Sharona Jacobs
Holly Black lebt mit ihrem Mann Theo in Massachusetts. Seit sie 2002 den Roman »Elfentochter« veröffentlichte, der von der American Library Association als »Best Book for Young Adults« ausgezeichnet wurde, lebt sie als freischaffende Autorin. Zusammen mit dem Illustrator Tony DiTerlizzi ersann und schrieb sie die Bestseller-Kinderbuchreihe »Die Spiderwick-Geheimnisse«. Holly Black schlägt die internationale Presse und ein riesiges Fanpublikum mit jedem neuen Roman in ihren Bann. Von der Autorin sind ebenfalls bei cbj/cbt erschienen: Der Prinz der Elfen Die Puppenkönigin Elfenkrone (Band 1)
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Erinnerst du dich an das Märchen »Mr Fox«?
Es war einmal ein Mädchen, das war schön und klug, und seine großen Brüder lagen ihm ebenso zu Füßen wie seine Verehrer, darunter ein gewisser Mr Fox. Man wusste nicht viel über ihn, außer dass der galante Kavalier über tadellose Manieren verfügte und in einem sehr großen Schloss wohnte. Das Mädchen hatte ihn lieber als die anderen und bald war die Vermählung beschlossene Sache.
Das Mädchen war nicht nur schön und klug, sondern auch neugierig, und als Mr Fox vor der Hochzeit einmal sagte, er müsse auf Geschäftsreise gehen, machte es sich auf, das Schloss zu erkunden, in dem es leben sollte. Es war genauso groß, wie die Leute erzählten, mit hohen, starken, efeubewachsenen Mauern und einem tiefen, morastigen Wassergraben. Als das Mädchen näher herankam, entdeckte es über dem Tor eine Inschrift. Diese Worte waren in den Stein eingraviert: SEI MUTIG. SEI MUTIG.
Das Mädchen ging weiter durch das Tor zur Tür, wo es erneut auf Wörter stieß: SEI MUTIG. SEI MUTIG, ABER NICHT ZU MUTIG.
Dennoch ging es weiter und betrat das leere Haus. Es lief durch herrliche Säulenhallen und Salons, bis es zu einer breiten Prachttreppe gelangte. Das Mädchen stieg sie hinauf zu einer weiteren Tür mit einer Warnung, die aus noch mehr Wörtern bestand: SEI MUTIG. SEI MUTIG, ABER NICHT ZU MUTIG. SONST SCHLÄGST DAS HERZ DU DIR BLUTIG.
Als es diese Tür öffnete, stieß es auf zahllose tote Bräute. Einige waren erst kürzlich getötet worden und ihre Gewänder waren voller Blut. Andere dagegen waren bereits zu Skeletten verwest. Es war nicht zu übersehen, dass sie alle an ihrem Hochzeitstag ermordet worden waren.
Entsetzt schloss das Mädchen die Tür und lief die Treppe hinunter. Es wäre aus dem Schloss gestürmt, wäre nicht im selben Augenblick Mr Fox hereingekommen, der sein jüngstes Opfer ins Haus schleppte. Das Mädchen versteckte sich hinter einer hohen Vase und verhielt sich ganz still, während Mr Fox seine frisch angetraute Braut die Treppe hinauftrug. Als er ihr am Treppenabsatz den Ring vom Finger ziehen wollte und es ihm nicht gelang, griff er zu einem Dolch und hackte die Hand des toten Mädchens ab. Doch kaum hatte er das getan, fiel sie, glitschig vom Blut, dem Mädchen in seinem Versteck direkt in den Schoß. Mr Fox, der beschloss, später danach zu suchen, brachte die Leiche in sein Beinhaus, und das Mädchen ergriff die Flucht.
Am nächsten Tag stattete Mr Fox dem Mädchen einen Besuch ab, weil es an der Zeit war, den Bund der Ehe zu schließen. Im Kreis seiner Brüder und Verwandten schilderte das Mädchen, was geschehen war, als wäre es ein schlimmer Traum gewesen. Bei jeder Wendung, die ihre Geschichte nahm, stritt Mr Fox alles ab, doch als es die Hand der ermordeten Braut hervorholte, an deren Finger noch der Ring glänzte, glaubte ihm niemand mehr. Schließlich sprangen die Brüder des Mädchens auf und hackten Mr Fox in tausend Stücke.
Ich denke viel über diese Geschichte nach. Die ganze Zeit denke ich darüber nach.
Das ist ein Märchen nach deinem Geschmack. Die Bösen werden erschlagen, und das auch noch mit einem Schwert. Der Vergeltung wird Genüge getan. Mut wird belohnt. Aber was ist mit all diesen Mädchen, diesen gehorsamen Mädchen, die Vertrauen hatten, die liebten, heirateten und starben? Waren sie denn nicht auch mutig?
Wetten, dass du nicht so denkst? Wetten, dass du meinst, sie wären einfach dumm gewesen?
Das ist der Kern deines Problems. Du fällst ein Urteil. Jeder macht mal einen Fehler. Man glaubt den falschen Leuten, man verliebt sich. Aber du nicht, nein. Und deshalb ist es so schwer, dich um Verzeihung zu bitten.
Doch genau das werde ich tun, also dich um Verzeihung bitten. Ich werde versuchen, zu erklären, wie es dazu kam, und wie leid es mir tut.
Fangen wir mit einer Liebesgeschichte an.
Vielleicht ist es aber auch nur eine weitere Horrorstory. Anscheinend besteht der Unterschied vor allem darin, wie sie ausgeht.
Es war einmal eine Frau, die war schön und klug und glaubte, dass sie wegen ihrer Schönheit und Klugheit immer glücklich sein würde. Vielleicht hätte sie es besser wissen können, doch so war es nicht.
Als sie ihren zukünftigen Mann kennenlernte, roch er nach Blut, geöltem Stahl und windumtosten Felsen. Er machte ihr auf eine charmante altmodische Weise den Hof. Ihm haftete das Versprechen von Fremde und Abenteuer an. Und wenn ihre Eltern sich mit ihm nicht wohlfühlten und ihre Freunde Angst vor ihm hatten, so ließ das ihre Liebe noch stärker und bedeutender erscheinen. Falls sie selbst Vorbehalte hatte, kehrte sie sie unter den Teppich. Bisher war in ihrem Leben immer alles gut gegangen. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass es jemals anders laufen würde.
Und deshalb zog sie zu ihm in sein Schloss hinter den Meeren und deckte all die Schrecken auf, die er geheim gehalten hatte.
Ich frage mich, ob du Mom für so dumm hältst wie die toten Mädchen in dem Märchen. Doch Moms Geschichte ist eine Lektion. So wie alle anderen Geschichten auch.
Märchen kommen mit einer Moral daher: Bleib auf dem rechten Weg. Hab kein Vertrauen zu Wölfen. Stiehl nicht, nicht einmal das, was keinem normalen Menschen etwas bedeuten könnte. Gib etwas von deinem Essen ab, aber misstraue jenen, die ihre Speisen mit dir teilen wollen; iss ihre glänzenden roten Äpfel nicht, auch nicht ihre Knusperhäuschen, einfach gar nichts. Sei nett, immer schön nett, und höflich zu allen: Königen und Bettlern, Hexen und verletzten Bären. Halte, was du versprichst.
Sei mutig, sei mutig, aber nicht zu mutig.
Es ist wichtig, dass wir die Lektionen lernen, die unsere Mütter nicht begriffen haben.
Es waren einmal drei Schwestern, die lebten in einer Siedlung eines Vorortes. Drei Mädchen, Vivienne, Jude und Taryn. Die Älteste gehörte dem Kleinen Volk an, mit längs geteilten Pupillen und sanft zugespitzten Ohren. Die zwei Jüngsten waren Zwillinge mit pfirsichrunden Wangen, die zum Reinbeißen einluden. Ihr Vater war Schmied und verkaufte Schwerter im Internet. Ihre Mutter half ihm bei seinen Geschäften. Sie hielt nichts davon, sich mit unangenehmen Dingen aufzuhalten, beispielsweise Fehler zu bereuen, Dingen nachzutrauern oder sich damit zu beschäftigen, dass sie ihre Vergangenheit abgefackelt hatte und vor ihrem Ehemann im Elfenland davongelaufen war.