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Der Songschreiber, Musiker und Maler führt uns in einen ganz eigenen, wunderlichen Kosmos, der von müden Steinen, die gerne einmal einschlafen würden, von Uhren, die nicht immer nur an die Zeit denken wollen, von sprechenden Insekten, melancholischen Tieren und anderen höchst merkwürdigen Wesen bevölkert wird, die sich gegenseitig ihr Leid klagen oder sich bei den Menschen über die Zustände beschweren, denen sie ausgesetzt sind, wie ein Kerzendocht, der von Doreen darüber aufgeklärt werden muss, dass er kein Neger ist, wie die Glühbirne behauptet hat, sondern einfach nur schwarz. Dabei sind die Menschen keineswegs die vernunftbegabten Wesen, sondern mindestens genauso verschroben und verrückt wie alle anderen Figuren auch, was Funny van Dannen in wunderbar schrägen Dialogen zwischen der Lehrerin und ihren Schülern beschreibt, die, wenn sie richtig viel Geld hätten, es in die Mukoviszidose-Forschung stecken, aber auch Killer anheuern würden, um Trump zu liqudieren. Und plötzlich stellt man fest, die phantastische Welt ist nur ein Teil der normalen, wie alle sie kennen.
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Funny van Dannen
Die weitreichenden Folgen des Fleischkonsums
- Über dieses Buch -
Der Songschreiber, Musiker und Maler führt uns in einen ganz eigenen, wunderlichen Kosmos, der von müden Steinen, die gerne einmal einschlafen würden, von Uhren, die nicht immer nur an die Zeit denken wollen, von sprechenden Insekten, melancholischen Tieren und anderen höchst merkwürdigen Wesen bevölkert wird, die sich gegenseitig ihr Leid klagen oder sich bei den Menschen über die Zustände beschweren, denen sie ausgesetzt sind, wie ein Kerzendocht, der von Doreen darüber aufgeklärt werden muss, dass er kein Neger ist, wie die Glühbirne behauptet hat, sondern einfach nur schwarz. Dabei sind die Menschen keineswegs die vernunftbegabten Wesen, sondern mindestens genauso verschroben und verrückt wie alle anderen Figuren auch, was Funny van Dannen in wunderbar schrägen Dialogen zwischen der Lehrerin und ihren Schülern beschreibt, die, wenn sie richtig viel Geld hätten, es in die Mukoviszidose-Forschung stecken, aber auch Killer anheuern würden, um Trump zu liqudieren. Und plötzlich stellt man fest, die phantastische Welt ist nur ein Teil der normalen, wie alle sie kennen.
»Wie immer bei Funny – sind die Geschichten bei weitem nicht nur lustig oder gar ‘witzig’, nein, es wohnt ihnen eine tiefe Sehnsucht nach Erkennen, nach weltumspannender Liebe und sogar etwas Sentimentalität inne.« (Karsten Zimalla, Westzeit)
Ich will gar kein Mensch mehr sein, sagt Emily zu ihrer Tante Rosa. Wenn ich sehe, was Menschen Menschen und sogar sich selbst antun und den Tieren und den Pflanzen und den Dingen, möchte ich lieber etwas anderes sein, vielleicht ein Pferd.
Da muss die Tante lachen. Und dann bist du ein Pferd und sie dressieren dich. Sie setzen sich einen Zylinder auf und du musst im Viereck parieren. Da wirst du aber fluchen!
Hast du schon mal ein fluchendes Pferd gesehen, Tante?, fragt Emily. Da lacht die Tante schon wieder. Du lachst zu oft, Tante!, sagt Emily. Ich finde das Leben nicht so lustig, als dass man ständig lachen müsste. Komm du mal in mein Alter!, ruft die Tante. Dann lachst du vielleicht nur noch.
Emily sieht sie fragend an. Ach, Kind!, sagt Rosa, wenn ich nur über lustige Sachen lachen würde, hätte ich es längst verlernt. Aber Sachen lustig finden, die es gar nicht sind, geht auch nicht, sagt die Nichte. Wirklichkeit ist Wirklichkeit. Wenn 200 Wale stranden und 189 sterben, ist das zum Lachen?
Nein!, ruft Rosa. Das würde ich nie tun. Aber wenn gefährliche, lächerliche Männer an die Macht kommen und man kann nichts dagegen tun, ist lachen besser als verzweifeln. Ich meine, jetzt, als erste Reaktion.
Mag sein, sagt Emily. Aber mir wäre es lieber, dem Ernst der Lage mit Ernst zu begegnen. Und am schönsten wäre es selbstverständlich, jemand würde diese Typen sofort abknallen. Was?!, ruft die Tante entsetzt. Aber Emily!? Wie kannst du denn den Tod eines Menschen schön finden? Alleine schon diese Ausdrucksweise! Mir bleibt die Spucke weg!
Krieg dich ein, Tante, sagt Emily. Es gibt 7 Mrd. Menschen auf der Erde, darunter viele gute Leute. Wer braucht diese aggressiven Idioten? Wer würde sie vermissen?
Die Tante lächelt. Kind! Diese Idioten werden von vielen anderen, fast hätte ich Idioten gesagt, von vielen anderen Menschen gewählt. Und die würden ihre Lichtgestalten oder Führer, nenn sie wie du willst, sehr wohl vermissen. Es würde eine Welle der Gewalt geben, das hätte unabsehbare Folgen. Einer bösen Schlange schlägt man den Kopf ab und fertig, sagt Emily. Wenn man Hitler frühzeitig erledigt hätte, wäre der Welt viel Unheil erspart geblieben.
Ich halte diese ewigen Nazivergleiche für unangebracht, sagt die Tante. So schlimm wie Hitler kann niemand sein. Sag das den Folteropfern, Tante, ruft Emily, sag das den Toten! Also ich würde die sofort abknallen, wenn ich könnte.
Gut, sagt die Tante, wenn du das wirklich willst, musst du es tun. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Ich habe alte Freunde aus dem Rockermilieu, die könnten dir Waffen besorgen. Emily staunt. Du hast was? Die Tante lacht. Siehst du? Jetzt hast du es mit der Angst gekriegt, was? Ich bin doch keine Killerin!, ruft Emily. Ich könnte sowas nicht. Aber auf andere warten, das kannst du, sagt die Tante. Du kleine feige Ratte. Aber Tante!, ruft Emily, das meinst du jetzt nicht ernst oder? Die Tante lacht.
Und Emily versucht es auch.
Eine Fliege liegt auf dem Bürgersteig und schläft. Ein Hund beschnuppert sie und legt sich zu ihr. Geh weiter!, ruft die Fliege. Ich möchte nicht mit einem Hund schlafen. Oh, entschuldige, sagt der Hund, ich wollte dich nicht wecken.
Du hast mich intensiv beschnuppert, sagt die Fliege. Davon wacht jeder auf.
Und was machen wir jetzt?, fragt der Hund. Du läufst in irgendeine Richtung, sagt die Fliege, und ich schlafe weiter. Aber es ist gefährlich hier zu schlafen, sagt der Hund. Hast du keine Angst?
Was ist das?, fragt die Fliege. Der Hund denkt nach. Er will nichts Falsches sagen. Also, Angst ist ein ungutes Gefühl. Man hat es vor Bedrohungen, zum Beispiel Gewalt. Wenn dich jemand totschlagen will. Aber warum sollte mich hier auf dem Bürgersteig jemand totschlagen wollen?, fragt die Fliege. Es könnte jemand auf dich treten, sagt der Hund. Aus Versehen oder Absicht, das kommt aufs Gleiche raus. Den meisten Menschen ist es egal, ob sie kleine Insekten tottreten. Mir auch, sagt die Fliege. Wenn es vorbei ist, ist es eben vorbei. Soll ich mir mein Leben mit sowas wie Angst versauen? Soll ich die ganze Zeit wie du an irgendetwas denken, das passieren könnte und dann doch nicht passiert?
Du bist so dumm, sagt der Hund. Es wundert mich nicht, dass ihr Fliegen es zu gar nichts bringt und Scheißhaufen interessanter findet als Knochen. Mit deiner Einstellung gibt es keine Evolution. Und es wird sich auch niemand finden, der euch durch Züchtung veredelt. Mir egal, sagt die Fliege und bewegt die Flügel. Ihr werdet immer nur Bakterien transportieren, ruft der Hund. Krankmachende Keime sind eure einzigen Freunde. Alle anderen finden euch nur lästig.
Hey, sagt die Fliege, was ist denn mit dir los? Ich liege hier ganz friedlich in der Sonne und du weckst mich, um mich zu beleidigen? Hast du Probleme? Ich bin weggelaufen, sagt der Hund, ich habe das Liebsein nicht mehr ausgehalten. Ich werde emotional ausgebeutet. Bist du kastriert?, fragt die Fliege. Der Hund nickt.
Geh nach Hause, sagt die Fliege. Oder wirst du zu Sex gezwungen? Nein, sagt der Hund. Sie sind eigentlich ganz nett. Na also, sagt die Fliege. Geh zurück. Auf der Straße machen sie dich fertig und deine Leute freuen sich, wenn du wieder da bist. Ja, sagt der Hund, das mach ich. Und du? Schläfst du jetzt weiter? Nein, sagt die Fliege, jetzt bin ich viel zu munter. Mal sehen, was es zu fressen gibt. Tote Schnecke wäre nicht schlecht. Schon schwirrt sie ab. Ob das Leben mehr Facetten hat, wenn man Facettenaugen hat?, fragt sich der Hund und setzt sich in Bewegung.
Heute haben wir in der Schule für Große über Vögel gesprochen. Frau Federmann – dass die aber auch gerade so heißt – fragte uns zuerst: Wer kann denn Vögel nicht ausstehen? Mandy meldete sich. Als sie es begründen sollte, konnte sie es nicht. Hast du mit Vögeln schlechte Erfahrungen gemacht?, fragte Frau Federmann. Da lachten alle. Klar. Also bitte, sagte Frau Federmann, ihr seid doch kein pubertärer Scheißhaufen, oder? Prompt stellten sich natürlich viele pubertäre Scheißhaufen vor, mit Akne und wenig Schambehaarung.
Als wieder Ruhe eingekehrt war, hatten wir verpasst, was Mandy geantwortet hatte. Frau Federmann meinte, sie fände es ganz vorbildlich, dass Mandy den schwerverletzten Vogel auf dem Schulweg mit dem Atlas getötet hätte, um ihm weiteres Leid zu ersparen. Aber sie könne nicht verstehen, warum sie nun alle Vögel hasst. Wenn man einen Atlas auf einen Vogel legt und dann auf das Buch springt, sagte Frau Federmann, bleibt es nicht sauber. Da kann der Vogel auch nichts dafür. Mandy sagte nur: Na ja, dann hasse ich eben tote Vögel, die an Büchern kleben bleiben. Ja, sagte Frau Federmann, das ist ein Spezialgebiet. Lasst uns allgemeiner bleiben. Habt ihr Lieblingsvögel?
Arschgeier, rief Ronny. Aasgeier, sagte Frau Federmann, die heißen Aasgeier, weil sie Aas essen, also Kadaver, tote Tiere. Was findest du denn gut an denen? Dass sie die Umwelt sauber halten, sagte Ronny, obwohl sie Scheiße aussehen. Wie meinst du das denn?, fragte Lars. Glaubst du, wenn man Scheiße aussieht, ist einem alles egal? Ja, sagte Ronny, könnte so sein. Ich weiß nicht immer, was ich meine, aber so könnte es sein. Ich finde Geier gut, sagte Lars. Vor allem die Köpfe und den Ausdruck im Gesicht, ich mag den tiefen Ernst und ich finde, sie benehmen sich so, als hätten sie eine Aufgabe zu erfüllen. Ja, ja, ja, rief Hillary. Man kann alles überinterpretieren! Die sind gierig und Gierige sind immer ernst.
Was sind denn deine Lieblingsvögel?, fragte Frau Federmann. Blaumeisen, sagte Hillary. Ich mag diese Farbkombination, gelb und blau. Und dieses Blau mag ich ganz besonders. Sie sind so lebhaft und bescheiden, das genaue Gegenteil von mir. Sie lachte. Und du Romy?, fragte Frau Federmann. Ich mag die Plastikkrähen, die sich manche in die Blumenkästen stecken oder aufs Fensterbrett schrauben. Ich mag auch die Vogelsilhouetten auf den Fenstern, diese Warnvögel. Ich mag bewegungslose Vögel. Seltsam, nicht?
Vielleicht hast du als Kind den Film »Die Vögel« von Adolf Hitchcock gesehen, sagte Frau Federmann. Alfred!, rief Horst. Er hieß Alfred! Richtig, rief die Lehrerin. Gut aufgepasst, Horst. Das war ein kleiner Geschichtstest und du hast ihn bestanden, du ganz allein! Horst freute sich und wir alle freuten uns mit ihm. Das ist ein Horrorfilm, sagte Frau Federmann, in dem Vögel Menschen attackieren. Vielleicht sind dir seitdem bewegungslose Vögel lieber, kann das sein? Kann sein, sagte Romy und jeder merkte, dass sie jetzt ausgepowert war und nichts mehr sagen konnte.
Elvira!, rief Frau Federmann, sag du uns deinen Lieblingsvogel. Der Schildkrötenvogel, sagte Elvira. Kenn ich gar nicht, meinte Frau Federmann. Niemand kannte ihn. Ist superschwer, sagte Elvira, fliegt superlangsam und wird superalt. Und wo lebt er?, fragte Frau Federmann. Ex-Australien, sagte Elvira. Ach, ausgestorben? Elvira nickte. Alles was ich mag, ist ausgestorben oder kurz davor. Sie sagte es sehr sachlich und ohne Bitterkeit. Elvira, sagte Frau Federmann streng, du lebst in einer Traumwelt, wach bitte auf. Früher war nicht alles besser. Wenn du vor tausend Jahren gelebt hättest, wärst du in deinem Alter nach zwanzig Geburten ausgezehrt und potthässlich gestorben. Kein Prinz mit glänzender Schamkapsel würde um deine Hand anhalten, komm zurück in die Realität. Schildkrötenvögel, was für ein Blödsinn! Entschuldige bitte, wir Lehrer sind auch nur Menschen, wir müssen uns nicht jeden Müll auftischen lassen. So, das musste mal raus.
Und Sie?, fragte Lukas. Welchen Vogel mögen sie? Gans, sagte Frau Federmann. Aber nur einmal im Jahr.
Ich möchte nicht immer an die Zeit denken, sagt eine Uhr zur anderen. Dann lass es, sagt die andere. Ich denke fast nie an die Zeit. Du denkst fast nie an die Zeit?, ruft die eine Uhr erstaunt. Es ist eine Armbanduhr. Wie machst du das?
Keine Ahnung, sagt die andere, eine Wanduhr. Ich muss mir keine Mühe geben. Ich denke einfach an etwas anderes, an den Wind, die Menschen, Holz, an irgendwas. Ich kann die Zeit anzeigen, ohne an sie zu denken, kein Problem!
Ich nicht, sagt die Armbanduhr, da ticke ich ganz anders. Ich kann ja auch den Pulsschlag spüren, ich denke immer an die Zeit und es macht mich verrückt. Warum bist du dann Armbanduhr geworden?, fragt die Wanduhr. Man braucht sehr gute Nerven. Und man muss die Zeit natürlich über alles lieben, sonst macht es einen verrückt, die ganze Zeit an sie zu denken. Ich liebe die Zeit, aber ich denke nicht immer an sie. Was ist? Warum schweigst du? Hallo?
Ich weiß nicht, sagt die Armbanduhr, ob ich noch weiter mit dir sprechen möchte. Wir sind sehr unterschiedlich. Du bist ja auch viel lauter und größer als ich, ihr Wanduhren habt von Natur aus dieses Grobe, das trennt uns, glaube ich.
Wenn du das Trennende sehen willst, bitte, sagt die Wanduhr. Aber eine kleine Wanduhr will niemand. Wir müssen eine gewisse Größe und Sichtbarkeit haben, das kannst du mir nicht vorwerfen. Und ehrlich gesagt: Ich beneide dich. Du hast so etwas Wertvolles. An einem Körper getragen zu werden, ist schon etwas Besonderes. Das haben wir Wanduhren nicht. Und einen Puls zu spüren, finde ich, das ist das Größte überhaupt, noch größer als die Zeit, denn es bedeutet Leben.
Ich finde, wer einen Puls spürt, lebt auch selbst, ein bisschen jedenfalls. Da würde es mir auch nichts ausmachen, ständig an die Zeit zu denken.
Spürst du die Wand denn nicht?, fragt die Armbanduhr. Ja, schon!, ruft die Wanduhr. Aber was ist denn eine Wand gegen den Pulsschlag?!
Ich finde Wände toll, sagt die Armbanduhr. Sie haben diese fantastische Schwere und Stabilität.
Wer feste Häuser baut, der macht auch Krieg, sagt die Wanduhr. Ist ein altes Nomadensprichwort. Und was war mit Dschingis Khan?, ruft die Armbanduhr. Komm mir nicht mit schlauen Sprüchen, gib mir lieber einen guten Rat.
Ich kann nur ticken, sagt die Wanduhr. Und zuverlässig sein, soweit die Batterien reichen. Tut mir leid, ich kann dir gar nichts raten. Wie spät ist es bei dir? Fünf vor Zwölf!, ruft die Armbanduhr. Die Lieblingszeit der Menschen, sie erwähnen sie so oft. Und bei dir? Ich bin vor zwei Tagen stehen geblieben, sagt die Wanduhr. Die Batterie ist leer und niemand wechselt sie. Der Puls ist schon seit Wochen weg, sagt die Armbanduhr, ich weiß nicht, wo er ist und ob er nochmal wiederkommt.
Vielleicht macht er Urlaub, sagt die Wanduhr, das gibt es bei den Menschen.
Ja, sagt die Armbanduhr. Urlaub. Das wird’s sein.
Ich werde jetzt hinausgehen und eine Weile im Sonnenschein tanzen, sagt Marion Geschke zu ihrem Mann. Ja, tu das!, ruft Ansgar, wer weiß, wann sich der Himmel wieder zuzieht, das Wetter ist so unbeständig! Ansgar!, tadelt ihn Marion. Du schon wieder! Hatten wir nicht ausgemacht, das Wetter nicht mehr zu kritisieren? Entschuldige, Liebling, bittet Ansgar, das ist die Macht der Gewohnheit. Schon gut!, ruft Marion und hüpft barfuß auf den Rasen. Ein Schrei!
Ansgar legt das Buch zur Seite und stürzt aus dem Haus. Ich bin auf eine tote Amsel getreten, sagt Marion. Sie war schon tot. Ja, Liebling, seufzt Ansgar erleichtert und nimmt seine Frau in den Arm. Gewiss war sie schon tot. Sie ist ja schon steif. Er kickt den toten Vogel ins Gebüsch. Da haut ihm Marion eine runter. Das ist ja wohl das Letzte! Eine tote Amsel ins Gebüsch zu kicken, als wär sie eine Cola-Dose! Was ist bloß mit dir los? Hast du keine Achtung vor der Kreatur, du Grobian?
Sie ist to-hot!, ruft Ansgar. Tohohot! Die Kreatur ist tot. Sie spürt nichts mehr und niemanden kümmert es, was weiter mit ihr geschieht, die anderen Vögel nicht, die Bäume nicht, niemanden. Nur du regst dich auf! So ist sie wenigstens noch einmal geflogen! War ein guter Schuss fand ich. Genau in die Thuja.
Du hast sie getreten!, schreit Marion. Die Amsel, das Leben, den Tod – alles trittst du mit Füßen! Ich werde mich von dir trennen, du Arschloch!
Heyhey!, ruft Ansgar. Was sagst du da? Hast du sie noch alle? Wegen einer toten Amsel so ein Fass aufzumachen, krieg dich mal wieder ein! Nein, nein!, ruft Marion. Es ist dein Innerstes, das da zum Vorschein kommt, und es ist widerlich. Es ist so widerlich! Ich halte es keine Sekunde länger mit dir aus.
Super, sagt Ansgar. Das war toll. Sie küssen sich. Krise spielen ist echt toll, sagt Marion. Ansgar nickt und blickt verliebt in ihre Augen. Du hast aber auch die besten Ideen! Und dein Schrei war so furchtbar, so echt, ein echter Gänsehautmoment. Sie lächeln sich an. So, jetzt muss ich aber, sagt Marion bestimmt und sieht zum Himmel hoch. Da ist schon die erste Wolke. Ja, ja, nur zu, sagt Ansgar. Sie küssen sich und Marion fängt an zu tanzen. Ansgar schaut ihr noch ein Weilchen verträumt zu und geht ins Haus zurück.
Es ist immer wieder aufregend, unsere totale Harmonie so aufzupeppen, denkt er und will weiterlesen. Aber er ist jetzt sexuell zu aufgeladen. Da kommt auch Marion schon wieder. Auch sie ist so erotisiert, dass sie nicht weitertanzen konnte.
Wir wenden uns jetzt ab, weil dieser Text hier endet.
Wir waren aus Übermut in irgendeinen Zug gestiegen und direkt in der Hölle gelandet, wir waren dermaßen fertig. Der Teufel stand uns gegenüber und grinste. Na, ihr kleinen Arschlöcher? Das habt ihr euch nicht träumen lassen, was? Dass man mit so einem stinknormalen Zug in der Hölle landen kann, und zwar einfach so: Kein Unfall, kein Überfall, keine Katastrophe. Der Zug hält an. Alle aussteigen bitte, voila, die Hölle. Er lacht, und wir können seinen Mageninhalt sehen. Es sind – nein, nein, es ist zu schrecklich. Wir hatten uns geschworen: Wenn wir jemals aus dieser Hölle herauskommen, erzählen wir keine grausigen Details. Wir sagen einfach: Es war schrecklich – und fertig. Natürlich haben uns viele gebeten, unsere Erfahrungen aufzuschreiben und zu veröffentlichen. Aber wir wollen damit kein Geld verdienen. Nicht einmal für einen guten Zweck. Das einzige, das wir berichten wollen, ist, wie wir aus der Hölle herausgekommen sind. Es war reine Glückssache. Der Teufel ist ein großer Quizfan und er liebt den Rock’n’ Roll. Wenn ihr mir eine Frage richtig beantwortet, dürft ihr raus.
Schieß los, rief Johnny, der vor Angst schon doof geworden war, das wusste ich aber noch nicht. Ok, sagte der Teufel. Wie ist der zweite Vorname von Elvis? Von Elvis Presley?, fragte ich zur Sicherheit. Denn es hatte auch eine Kinderserie im Fernsehen gegeben, in der ein Elvis vorkam. Ich wollte sofort Aaron sagen, aber ich flüsterte es vorsichtshalber zuerst Johnny ins Ohr. Er war selbst ein Rock’n’Roller und ich war mir sicher, dass er meine Antwort bestätigen würde. Doch er verzog nur das Gesicht und flüsterte: Nein, nein, ich glaube nicht. Überleg mal: Aaron! Das ist ein jüdischer Name, war Elvis Jude? Ich schüttelte den Kopf. Elvis muss katholisch gewesen sein. So tanzen Protestanten nicht. Johnny nickte. Aber wie hieß er dann?, fragte ich ihn. Hartmann, sagte Johnny. Ja, ich bin mir jetzt ganz sicher. Elvis hieß Hartmann.
Johnny, flüsterte ich entsetzt, bist du doof geworden? Hartmann ist ein urdeutscher Name, was hatte Elvis denn mit Deutschland am Hut? Er hat seine Militärzeit hier verbracht, in Bayern, im Land seiner Vorfahren. Ich staunte. Elvis Vorfahren kamen aus Bayern? Ja, mir ist so, sagte Johnny. Ich glaube, sie sind von Preußen aus in die Schweiz gezogen und dann nach Bayern ausgewandert. Sie hießen damals Preußly. Elvis Preußly?, fragte ich. Elvis Hartmann Preußly, sagte Johnny. Klingt total plausibel. Der Teufel freute sich schon. Also Hartmann?, fragte er. Ich war verzweifelt und schrie: Nein! Das war nur Spaß. Elvis zweiter Vorname war Aaron. Das wissen wir genau. Johnny sah mich böse an, konnte aber vor lauter Angst nichts sagen.
Geht bitte, schrie der Teufel, geht! Ihr langweilt mich. Wir gingen durch den heißen, dichten, roten Nebel ins Freie und atmeten tief durch. Wir winkten einem Taxi und ließen uns in einen ruhigen Park fahren, wo wir den Enten am Teich zusahen. Was sind das für Vögel?, fragte ich. Und Johnny sagte: Schmerzadler. Er war noch immer nicht in Ordnung, aber nach zwei Tagen wurde es besser.
Jetzt ist er wieder ganz der Alte, nur wenn er Höhle meint, sagt er Hölle. Er kann nicht mehr Höhle sagen. Er sagt auch Höllenmalerei und Höllenforscher, Nasennebenhölle, Stirnhölle, Achselhölle und so weiter. Ihn nervt das, klar. Ich sage aber immer: Hey Johnny, wenns sonst nichts ist…
Ich habe nichts vom Lebenverstanden, klagt der Prophet.Ich habe es so sehr versucht,und jetzt ist es leider zu spät.
Verstehe, sagt der König,das kann einen deprimieren.Ich muss mein Land nicht verstehen,ich muss es nur regieren.
Verständnisloses Regieren,wie soll das denn gehen?Ruft der Prophet. Das geht nicht gut,und das kann jeder sehen.
Nicht jeder, sagt der König,und lächelt süffisant.Du hast wirklich nichts verstanden,gar nichts von Leuten und Land.
Du gehst mit deiner Klugheit um,und das ist gut und schön.Für mich ist es viel wichtiger,mit Dummheit umzugehen.
Verstehe, sagt der Prophet,das kann einen deprimieren.Es sei denn, sagt der König,man hat Freude am Regieren.
Also, mach’s gut mein Lieber!Adieu, sagt der Prophet.
Oi, oi, oi, ruft Edgar. Jetzt schickt der Trump einen Flugzeugträger nach Nordkorea. Komm essen, sagt Belinda, seine Frau und macht den Teller voll. Edgar setzt sich an den Tisch. Sind ja richtig große Fettaugen drauf! Ja, sagt Belinda. War ein super Suppenhuhn von Neuland, die gibt’s bei Rewe nicht. Sehr lecker, sagt Edgar. So eine altmodische Hühnersuppe mit Eierstich ist das Beste was es gibt. Hör auf, sagt Belinda. Das ist Gotteslästerung!
Sie schlürfen die heiße Suppe und sehen sich in die Augen. Es gibt nichts Besseres, denkt Edgar, als diese geile Hühnersuppe zu schlürfen und dabei seiner Frau in die Augen zu schauen, in unserem Alter gibt es nichts Besseres. Er sagt es aber nicht.
Was war da mit dem Trump, fragt Belinda, hat er wieder was getwittert? Edgar schluckt die Suppe runter. Er hat einen Flugzeugträger nach Nordkorea geschickt. Er hat die Faxen dicke. Was für Faxen?, fragt Belinda. Na, von diesem Kim-Jong-weißdergeier. Der macht schon wieder mit seinen Atombomben rum. So ein Arschloch, sagt Belinda. Der sieht aber lustig aus, findest du nicht? Viele Arschlöcher sehen lustig aus, sagt Edgar. Was du dir immer denkst.