Die Welt der Viren und Mikroorganismen - Helge-Wolfgang Michel - E-Book

Die Welt der Viren und Mikroorganismen E-Book

Helge-Wolfgang Michel

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Beschreibung

Helge-Wolfgang Michel wurde gebeten, ein Buch über die Viren und Mikroorganismen zu schreiben. Gerne kam der Autor dieser Bitte nach und versucht, neben fachlichen Informationen ein Verständnis für diese Gruppe von Wesen zu wecken, die am längsten unseren Planeten besiedeln und die Voraussetzung schufen, dass auch komplexer strukturierte Organismen existieren können. Professor Dr. Klaus-Dieter Kühn, Medizinische Universität Graz, bereichert das Buch mit seinem fundierten Vorwort. Das Ergebnis liegt als Buch in aktualisierter Auflage vor, welches auf 97 Seiten mit 12 teils farbigen Abbildungen eine kurze, aber interessante Einführung mit viel Wissenswertem und aktuellen Bezügen gibt.

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Inhaltsverzeichnis

Die Welt der Viren und Mikroorganismen

Vorwort

Einleitung

1. Viren

1.1. Virale Infektion, Replikation als Vermehrung undErkrankung desWirts

1.2. Virion, Viroid, Virusoid, Satellit und Prion

1.3. Pandemie 1918 - 1919 „Spanische Grippe“mit

Influenza-A-Virus

(Subtyp H1N1)

2. Mikroorganismen

2.1. Bakterien

2.1.1. Zellteilung, horizontale Gentransfersund bakterielle Infektion

2.1.2. Pestpandemien und -epidemien durch

Yersinia pestis

2.2. Archaeen

2.3. Algen (einzellig)

2.4. Pilze (einzellig)

2.4.1. Infektion durch Pilze, Mykosen etc.

2.4.2. Candidose und Aspergillose

2.5. Protozoen (tierische heterotrophe Eukaryoten)

2.5.1. Malariainfektion durch 5 Arten der Gattung

Plasmodium

3. Fazit

Verwendete Literatur

Abbildungsdaten

Hinweis

Vorwort

Mikroorganismen sind wahre Überlebenskünstler. Sie können wohl nahezu alle Regionen der Erde besiedeln, dringen in Nischen vor und erobern extreme Lebensräume. Sie wollen sich um jeden Preis vermehren und ihren Bestand sicherstellen. Sie geben und nehmen, sie zerstören und zersetzen. Sie leben in hochkomplexen Strukturen, im Biofilm oder auf und innerhalb von Zellen, mal symbiotisch, mal parasitisch. Sie opfern sich, um das Überleben ihrer Art zu sichern. Sie können helfen und krank machen und sie denken nicht, sie handeln – konsequent! Ihre Anpassungsfähigkeit ist einzigartig und rasend und findet permanent statt. Resistenz-Entwicklung und Verwandlungsvielfalt sind hochkomplexe Formen Ihrer stetigen Evolution.

Mikroorganismen entwickeln ständig hervorragende und spannende Strategien. Diese biologischen, chemischen und physikalischen Vorgänge mit einfachen Worten einer breiten Leserschaft zu präsentieren, ist eine große Herausforderung!

Helge-Wolfgang Michel hat sich dieser Aufgabe leidenschaftlich und kompetent angenommen. Seine Recherchen und vielfältige Sichtweisen unterschiedlicher wissenschaftlicher Richtungen aus Naturwissenschaft, Medizin, Politik und Pädagogik, kommen ihm dabei zugute.

Helge-Wolfgang Michel spricht den interessierten Leser an und schafft es dabei eindrucksvoll, komplizierte wissenschaftliche Sachverhalte über die Welt der Mikroorganismen leicht verständlich vorzutragen.

Prof. Dr. KD. Kühn Medizinische Universität Graz

Einleitung

Wieder einmal trat ein Virus in den Blickpunkt der Menschen. Diesmal handelte es sich 2019 bei SARS-CoV-21 um einen Vertreter aus der Familie der Coronaviren (Coronaviridae). Dieses humanpathogene Virus wurde primär vom Tier auf den Menschen übertragen, führt weiterhin zu den von Mensch zu Mensch ausgelösten COVID-19-Infektionen mit teils sehr schweren Krankheitsverläufen und erzeugte die uns allen bekannte derzeitige Pandemie ausgehend von Wuhan in China mit ihren dramatischen Folgen.2

Abbildung 1: Illustration created at the Centers for Disease Control and Prevention (CDC) of the ultrastructural morphology exhibited by coronaviruses. Image by CDC/ Alissa Eckert, MS and Dan Higgins, MAMS, courtesy the CDC.

Fraglich bleibt, ob es sich bei den Viren sowie den virenähnlichen Viroiden um Mikroorganismen handelt, da sie weder alle Strukturen einer Zelle noch einen Stoffwechsel aufweisen und auf Organismen angewiesen sind, die sie als Wirte benutzen, um sich zu vermehren. Daher werde ich Ihnen die Gruppe der Viren und Viroiden sowie der weiteren Vertreter separat von den Mikroorganismen der Bakterien, der Archaeen, Algen, Pilze und Protozoen erläutern.

Viren können nicht nur die Menschen als Art befallen, sondern auch Pflanzen, wirbellose Tiere wie die Insekten, aber auch Mikroorganismen wie Bakterien, Archaeen, Algen und Pilze. Wobei nicht jede Virenart ausschließlich spezifisch einen Typ von Wirtsorganismen bzw. von Zellen infiziert.

Nicht explizit eingehen werde ich auf die zurzeit entwickelten Impfungen und ihre zugrunde liegenden Prinzipien als prophylaktische Maßnahme gegen die verschiedenen Viren und Mikroorganismen, da diese als hochwirksame Möglichkeit einem permanenten Entwicklungsfluss unterliegen.

So möchte ich Sie gerne mitnehmen auf eine Reise durch die Welt der Viren und der Mikroorganismen, damit es Ihnen möglich ist, detaillierter die Vielfältigkeit dieser Erscheinungen kennen zu lernen sowie ihre Bedeutung zu erfassen. Zwar startete ich hier mit einem infektiösen Vertreter, aber die Kontakte, die wir beispielsweise mit Mikroorganismen erfahrend machen, können durchaus bereichernd sein. Hier seien nur als ein Beispiel die symbiontischen Darmbakterien erwähnt. Wenn Sie bereit sind, mir zu folgen, werden Sie Spannendes lesen und erleben können sowie Begriffe der Virologie und Mikrobiologie erklärt bekommen.

Abschließend danke ich Herrn Michael Grammet für etliche Botengänge bei der Besorgung der akademischen Literatur.

Helge-Wolfgang Michel im Juli 2022

1 Severe acute respiratory syndrome-related coronavirus ist der Name der Art (Species) und die 2 bezeichnet den 2. Vertreter nach SARS-CoV, der in den Jahren 2002 und 2003 die SARS-Pandemie verursachte.

1. Viren

Das Virus besitzt als geschlossene Einheit keine für die Zellen typische Strukturen der Ribosomen (Ort der Proteinsynthese / des Aufbaus von Eiweißbausteinen). Es weist Fette (Lipide), als genetisches Material3 entweder die Nukleinsäure DNA oder RNA sowie Eiweißmoleküle (Proteine) auf, die als Schutzschicht die Nukleinsäure umgeben und als Kapsid bezeichnet werden. Diese wirken auch als Antigen, welches von Antikörpern und Lymphozyten abwehrender Organismen identifiziert sowie in Komplexe gebunden werden kann, die zum Abtöten der Viren oder der Präsentation für Antikörper fungieren. Die Struktur aus Kapsid und Nukleinsäure bildet das Nukleokapsid. Behüllte Viren sind noch mit Proteinen, Lipiden und Glykoproteinen (Spikes) als Schicht (Envelope) umgeben. Bei diesen zeigt das Glykoprotein den Effekt als Antigen.

Im Aufbau werden einfach-symmetrische, wie das Adenovirus, und komplex-symmetrische, wie das Pockenvirus, differenziert.

Die Virengröße bewegt sich im Nanometer (nm)-Bereich, und zwar zwischen den 22 nm eines Parvovirus B19, welches bei Kindern die Ringelröteln auslöst und eine das ganze Leben anhaltende Immunität erzeugt, und 300 nm der Pockenviren, die zu den bekannten lebensgefährlichen Epidemien führten.

Die Phasen der Virenvermehrung lassen sich in 4 Stufen aufteilen: der Adhäsion als Festsetzung an die Zielzelle, der Aufnahme / Eindringen in den Wirt als Penetration, der Vervielfältigung (Replikation) und des Freilassens der hergestellten Viren aus dem Zellmedium. Diese Infektion und Virenvermehrung bringt für die betroffene Zelle des Wirts den Tod. Genauer werde ich im Abschnitt 1.2. auf diesen Prozess der Replikation eingehen und ihn beschreiben.

Es gibt diverse Formen wie die Viren unterteilt und damit unterschieden werden können, wobei sich die Stufen a-f der ‚Baltimore-Klassifikation‘4 nicht ausschließen, sondern kombinierbar sind:

a. DNA5 oder RNA6 als Nukleinsäure des Virus

b. Einzel-7 oder / und Doppelstrang8 der Nukleinsäure

c. Translation der Nukleinsäure direkt9, also die Verwendung von viraler RNA zur Proteinsynthese oder zu der Umschreibung der RNA in DNA, oder indirekt10 über einen Zwischenschritt, bei der die virale RNA in eine translationsfähige RNA modifiziert wird.

d. Nukleokapsid mit einer Symmetrie in Form als Stäbchen11 ansonsten als Kugel oder helikal anderenfalls ikosaedrisch (Erscheinung mit zwanzig gleichseitigen Dreiecksflächen)

e. Hülle vorhanden12 oder nicht13

f. Größe der Viren

sowie noch zwei weiterer Kriterien der Genanordnung und der Replikationsart

Auch wird zur Differenzierung eine weitere Systematik eingesetzt, die sich an den klassischen taxonomischen Hierarchieebenen der Zoologie und Botanik anlehnt, und Stufen wie die Familie und Art enthält. Der Namen der Art (Species) wird binominal gegeben. An erster Stelle steht der Gattungsnamen und an zweiter der Beinamen der Art. Dieses System mit seinen taxonomischen Einheiten stimmt mit dem von Carl von Linné, der im 18. Jahrhundert die wissenschaftliche Benennung von Pflanzen und Tieren begründete, überein und besitzt heute noch allgemein verbindliche Gültigkeit.14 So gibt es 189 Virenfamilien und 9110 Arten der Viren. Diese Virentaxonomie wird seit 1971 von einem internationalen Komitee, welches aus derzeit 500 Virologen besteht, betreut und vereinheitlicht.

Die früher zur Systematisierung verwendeten Merkmale der Wirts- und Organspezifität werden zwar noch aufgeführt, gelten aber als überholt.

Zur Frage, woher die Viren kommen, gibt es diverse Theorien, die darauf basieren, dass Viren sich aus separierten Genen von Organismen entwickelten und nicht Vorstufen dieser gewesen sind oder als Entstehung aus anorganischen sowie organischen Molekülen parallel zu den zellkernlosen Mikroorganismen (Prokaryoten). So hätten sich nebeneinander aus ähnlichen Verbindungen Zellen entwickelt und die Viren als deren Parasiten. Als zeitliche Dimension wird das erste Äon des Erdzeitalters, welches bis vor 4 Milliarden Jahren andauerte, angenommen.15

Also entweder seien sie auch aus selbstreplizierenden Verbindungen entstanden, wobei sich die parallel formierenden zellulären Organismen zu komplexeren Strukturen zusammenschlossen. Oder die Viren bildeten sich aus Bakterien zurück und holen sich als parasitäre Strukturen diese aufgegebenen Funktionen von ihren Wirtsorganismen wieder. Weiter gedacht stelle der infizierte Wirt die eigentliche Erscheinungsform einer Virozelle dar und das infektiöse Virus (Virion, welches im Abschnitt 1.2. weiter erklärt werden wird) nur die Verbreitungsform analog dem Blütenstaub (Pollen) oder den Pilzsporen.

Die allerdings wahrscheinlichste Theorie besagt, dass sich die Viren aus RNA- bzw. DNA-Fragmenten ihrer Wirtsorganismen zu eigenen Struktureinheiten entwickelt haben, die aber zur ihrer Replikation Wirte benötigen. Die Viren können sich evolutionär weiterentwickeln, und zwar durch Mutationen, die als Fehler bei der Replikation in der Wirtszelle entstehen. Diese Punktmutationen betreffen jeweils einzelne Gene und sind zufällig, das heißt nicht gesteuert. Viren verfügen nicht oder nur sehr reduziert über Reparaturmöglichkeiten, so dass sich diese Veränderung vorteilhaft auswirken können und ermöglichen, dass neue Gruppen von Wirten infiziert werden oder auch Immunantworten der Wirte ihre Wirkung verlieren. Die Selektion dieser Mutationen, und ob diese Adaptionen von Vorteil sind, ist als Effekt bedingt durch die Immunreaktion des Wirtes.

3 Desoxyribonukleinsäure (DNS bzw. DNA) oder Ribonukleinsäure (RNS bzw. RNA).

4 Nach dem Virologen und Mikrobiologen David Baltimore benannt, dem auch 1975 der Nobelpreis verliehen wurde. Er entdeckte auch das Enzym Reverse Transkriptase, das RNA in DNA beispielsweise beim HIV umschreibt.

5 Zum Beispiel (z. B.) Adenovirus.

6 z. B. Coronavirus.

7 z. B. Masernvirus.

8 z. B. Hepatitis-B-Virus.

9 z. B. Rötelnvirus.

10 z. B. Mumpsvirus.

11 z. B. Tabakmosaikvirus.

12 z. B. HIV.

13 z. B. Poliovirus.

14 Die Bedeutung für die Systematik gibt sehr gut der Spruch: „Deus creavit, Linnaeus disposuit“ „Gott erschuf, Linné ordnete“ wieder, den Dietrich Heinrich Stöver (1792) der Nachwelt erhielt.

15 Arnold J. Levine (1993), Seite 223 ff., geht sehr fundiert auf die drei Theorien der Virenentstehung ein.

1.1. Virale Infektion, Replikation als Vermehrung und Erkrankung des Wirts

Die virale Infektion beginnt mit der Adsorption als Andocken entweder des Kapsids oder bei behüllten Viren mit dem Glykoprotein an die Membran der Wirtszelle. Das Virion erkennt an der Oberfläche der Wirtszelle, der Zellmembran, an bestimmten Strukturen, den Rezeptoren, die nur diese Zellen kennzeichnen, sein Ziel. Zu diesem Zeitpunkt der Infektion befindet sich das Virus für Antikörper angreifbar auf der Zelloberfläche und schließt damit die erste Phase der Replikation ab (1 in der Abbildung 2).

Die Penetration als zweite Stufe kann auf dem Weg der Endozytose oder durch Verschmelzung bei wenigen Viren mit Hülle erfolgen.