Die Welt wird VUKA - Michael Lapp - E-Book

Die Welt wird VUKA E-Book

Michael Lapp

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Beschreibung

Nichts bleibt, wie es wird! Das macht etwas schwer greifbar und ist plötzlich weg. Nichts wird wie gedacht; Es ist nicht möglich, etwas auf vukaner Basis vorherzusagen. Nichts lässt sich denken, wie es ist; Es ist nicht möglich, etwas dynamisch-veränderlich Unfassbares zu übersehen. Nichts ist, wie es scheint. Es ist nicht möglich, etwas Mehrdeutiges zu klären. Alles beschleunigt sich. Der Blick in die Zukunft wird immer unberechenbarer. Zu viele Daten verhindern den Durchblick. Was bleibt ist mehrdeutig. Das vorliegende Buch beschreibt die neue Welt der Vukanität. Es geht um die Unterschiede zwischen FASE- und VUKA-Welt, die Auswirkungen auf unseren Alltag, den Einfluss unserer Wahrnehmung auf das Führen und Entscheiden und die drei Metaphern: Welt als Maschine, Welt als Organismus und Welt als Schaum.

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Formalitäten

Hinweis: Sprache und Bilder können ihre Sichtweisen und Gewohnheiten verändern. Zur Vertiefung und Bestätigung lesen Sie weitere Bücher und reden Sie mit ihren Mitmenschen.

Zum besseren Verständnis befinden sich im Text Bilder. Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.

In den schwarzen Boxen finden sich weiterführende Beispiele, um Sie auf das Kapitel vorzubereiten.

Die Tabelle am Ende eines Kapitels gibt Ihnen Anregungen und Ansatzpunkte für Ihr Geschäft.

Die Scribbles und Photos sollen Sie zu eigenen Assoziationen anregen. Denn: Die schwarzen Flecken des Toners auf den Seiten liefern die Gedanken des Autors, die bei den Lesenden eigene Ideen und Handlungen auslösen. Das gilt vor allem, wenn Sie einen völlig anderen Standpunkt vertreten.

Kurz gesagt: Unterstreichen, kommentieren und korrigieren Sie den Text; knicken Sie ein Eselsohr oder postitten Sie die Seiten, die Ihnen wichtig sind. Der Effekt dieses Buches entsteht am Ende durch Ihre Handlungen.

Machen Sie das Beste daraus!

Ein Blick hinter die Kulissen

Die Beiträge in diesem Buch wurden im Zeitraum von 2017 bis 2022 auf memecon.info gebloggt und Mitte 2023 überarbeitet, erweitert und zu diesem Buch zusammengeführt.

Besonders möchte ich mich bei

Klaus Killinger und

Christian Schulz

bedanken, die den Text gelesen und einige meiner Schnitzer aufgelöst haben.

Für alle verbleibenden Mängel, Fehler und ungeschickten Schlussfolgerungen bin ich als Autor verantwortlich.

Rückmeldungen der Lesenden hilft mir, besser zu werden.1

NW, im August 2023

die bunten sind themenorientierte Sammelbände von ausgewählten und überarbeiteten Blogbeiträgen des Autors, die von Dezember 2013 bis April 2023 veröffentlicht wurden. Der vorliegende Band ist der zweite der Reihe.

Weitere geplante Themen sind:

Metaphern, Agilität, Changemanagement, Leadership, Projektmanagement, Zukunft.

1 Rückmeldungen bitte an [email protected]

Was Sie beim Lesen bekommen und was nicht

Dieses Buch Die Welt wird VUKA ist eine Sammlung von Blogbeiträgen von memecon.info der Reihe die bunten. Die Artikel beschäftigen sich mit dem Akronym VUKA für Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität. Die Beiträge wurden für dieses Buch ausgewählt, überarbeitet und erweitert. Grundsätzlich können Sie die einzelnen Artikel unabhängig voneinander lesen. Das erste Kapitel Prolog und das letzte Die Welt als … Und jetzt? bieten einen schnellen Einstieg in die neue Denke. Bei der Lektüre werden die eigenen Ansichten zu Widerspruch aufrufen und die beschriebene VUKA-Welt in Frage stellen. Vielleicht erkennen Sie allerdings die Dringlichkeit und das Bedürfnis, sich weiter mit dem Thema zu beschäftigen. Im Anhang findet sich weiterführende Lektüre.

Diese handliche Sammlung liefert Ihnen:

Unterschiede zwischen FASE- und VUKA-Welt,

Blickwinkel auf VUKA,

Auswirkungen auf unseren Alltag,

Grenzen unserer Wahrnehmung,

Beispiele für unser verschwommenes Denken,

Auswirkungen für das Führen und Entscheiden,

die drei Welten als

Maschine, Organismus

und

Schaum

sowie

Beispiele und Übungen mit Impulsen für die tägliche Arbeit.

Die neue Welt betrifft uns ALLE. Die anvisierte Wirkung besteht aus einem gedanklichen Stups, der helfen soll, die üblichen Automatismen zu verlassen. Allerdings reicht es nicht, das Buch zu lesen. Sie müssen etwas daraus MACHEN! Aus diesem Grund finden Sie am Ende der Kapitel Handlungsansätze, die Ihnen bei Ihrer Beschäftigung mit VUKA helfen.

Profitieren Sie von den drei Organisationsmetaphern Welt als Maschine, Welt als Organismus und Welt als Schaum und deren Eigenschaften. Abgerundet wird die Sammlung mit einem einfachen Vorgehen, das die Bedeutung von VUKA in den Bereichen Organisation, Strategie, Governance, Information und Zusammenarbeit hinterfragt. Im letzten Schritt leiten Sie erste Maßnahmen ab, damit das Ganze kein abstraktes Gedankenspiel bleibt.

Bei allem Bestreben, nützliche Inhalte zu liefern, sollte den Lesenden klar sein, dass dieses Buch keine Anleitung oder technischer Abriss von VUKA ist, sondern eine mentale Injektion, die zum Nachdenken anregt.

Die verschiedenen Bände der Serie, die bunten, ergänzen sich wechselseitig. Profitieren Sie von den angebotenen Blickwinkeln.

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Von Sicherheit zu Risiko?

Der Teig - die ideale Metapher für VUKA

Die Vuka-Welt

Die wuchernde Alltagskomplexität

Perspektivisch gefangen

Das relative Normale

Die Horizonte der Akteure

Grenzenlos heißt nicht ohne Grenzen

Grenzenloses Wachstum - nichts weiter als ein Verkaufsargument

Geplante Folgenlosigkeit – Augen zu und durch

Denken n.0

Der Fluch der Einseitigkeit

Der Spielraum bestimmt den Detaillierungsgrad

Entscheiden mit System

Der Blick verrät den Betrachter

Die Welt als … Und jetzt?

Anhang

PROLOG

Bevor wir in das Thema einsteigen, erleichtern wir uns den Zugang, indem wir das ursprüngliche Akronym VUKA sprachlich ausgestalten. Hierfür erzeugen wir die ersten Substantive, Verben und Adjektive ähnlich wie im Duden. Bei der Bildung von Komposita wird das reine VUKA genutzt, z.B. Vuka-Welt, Vuka-Organisation.

Vukanität, die

Wortart: Substantiv, feminin

Lautschrift: [vukani’tε:t]

Worttrennung: Vu|ka|ni|tät

Bedeutung: vergängliche, unvorhersehbare und mehrdeutige Komplexität

Beispiel: Die zunehmende Vukanität des Börsengeschäfts erhöht das Risiko der Geldanlage.

Vukaheit, die

Wortart: Substantiv, feminin

Lautschrift: [vukahat]]

Worttrennung: Vu|ka|heit

Bedeutung: Das gleichzeitige Auftreten von Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität bei Dingen oder Menschen.

Beispiel: Die Vukaheit des Internets führt zu unzuverlässigen Inhalten.

Vukane, das

Wortart: Substantiv, Neutrum

Lautschrift: [vuka : n]

Worttrennung: Vu|ka|ne

Bedeutung: Die volatile, unsichere, komplexe und ambige Art von etwas.

Beispiel: Das Vukane verrauscht die Inhalte.

vukanisieren

Wortart: Verb

Lautschrift: [vukani’zi:n]

Worttrennung: vu|ka|ni|sie|ren

Bedeutung: etwas vuka (volatil, unsicher, komplex, ambig) machen

Beispiel: Personalisierte Preisgestaltung vukanisiert die Flugpreise.

vukan(e)

WortartAdjektiv

Lautschrift: : [vukan]

Worttrennung: vu|kan

Bedeutung: Das volatil, unsicher, komplex, ambig gemischte Merkmal von etwas

Beispiel: Die vukanen Einflussfaktoren verhindern Stabilität.

Die folgenden Wörter umschreiben die Bedeutung vukan.

abstrus, allgemein, allgemein gehalten, andeutungsweise, ängstlich, äquivok, bange, befangen, begrenzt, beklommen, beliebig, beziehungsreich, chaotisch, dehnbar, diffus, doppelbödig, doppeldeutig, doppelsinnig, dumpf, dunkel, ein Rätsel, eingeschüchtert, endlich, entschlusslos, entschlussunfähig, ephemer, episodenhaft, flatterhaft, fließend, flüchtig, fraglich, geheimnisvoll, gehemmt, gespalten, grob, haarig, haltlos, heikel, heterogen, hintergründig, ineinandergreifend, innerlich hin- und hergerissen, instabil, interpretationsfähig, irgendein..., irgendwelch..., kitzlig, knifflig, konfus, konturlos, kritisch, mannigfaltig, mehrdeutig, menschenscheu, misstrauisch, missverständlich, momentan, mühsam, multidimensional, multipel, mysteriös, nebelhaft, nebulös, nicht eindeutig, nicht eindeutig/ genau/klar, nicht eindeutig/klar, nicht entschieden, nicht fest/klar/scharf umrissen, nicht feststehend, nicht geklärt, nicht genau, nicht scharf umrissen, nicht selbstsicher, obenhin, oberflächlich, offen, problematisch, rätselhaft, reich, rudimentär, scheu, schillernd, schüchtern, schwach, schwammig, schwankend, schwer, schwierig, sprunghaft, strittig, temporär, trübe, umstritten, unauflösbar, -auflöslich, -begreiflich, -begrenzt, -beschränkt, -bestimmbar, -bestimmt, -bewältigt, -definierbar, undefiniert, -deutlich, -durchschaubar, -eingeschränkt, -entschieden, -ergründlich, -gefähr, -geklärt, -gelöst, -genau, -geordnet, -gereimt, -gewiss, -kenntlich, -klar, -präzise, -scharf, -schlüssig, -sicher, -übersichtlich, -verbindlich, -verständlich, -zuverlässig, vage, verallgemeinernd, -ängstigt, -bunden, -flochten, -gänglich, -legen, -schämt, -schüchtert, -schwommen, -trackt, -unsichert, -waschen, -wickelt, -wirrt, -wischt, -worren, -zwickt, vieldeutig, vielfältig, vielschichtig, vielseitig, vorübergehend, wankelmütig, weich, widersprüchlich, wirr, wolkig, zaghaft, zeitweilig, zögerlich, zurückhaltend, zusammengesetzt, zusammenhängend, zweideutig, zweifelhaft, zwiespältig.

Daraus können wir eine Definition der Vukanität ableiten.

Vukanität ist flüchtige, unvorhersagbare und mehrdeutige Komplexität.

Flüchtig (Volatil) bedeutet schwer greifbar und plötzlich verschwunden. Unvorhersagbar (Unsicher) beschreibt die Tatsache, dass es nicht möglich ist, etwas auf Basis von vukanen Gegebenheiten vorherzusagen. Komplex bedeutet unfassbare, dynamische, veränderliche Kompliziertheit. Trotz einer Flut an Daten sind die Inhalte mehrdeutig (Ambig), da stets alle Blickwinkel dargestellt werden. Mit diesem Verständnis im Hinterkopf geht es jetzt los.

VON SICHERHEIT ZU RISIKO?

Da alle Naturphänomene schlussendlich miteinander vernetzt sind, müssten wir, um eines von ihnen zu erklären, alle anderen verstehen, was offensichtlich unmöglich ist.

Fritjof Capra2

Bevor jemand unnötig zu grübeln beginnt, sei vorab festgehalten, dass sich unsere Welt seit Anbeginn ohne Unterlass verändert. Die Erde dreht sich an einem Tag um ihre Achse und hat sich von einer lebensfeindlichen Welt in GAIA3 verwandelt. Übertragen wir die Erdgeschichte auf das Ziffernblatt einer Uhr, dann hat sich der Homo sapiens erst in den letzten zwei Sekunden vor zwölf über die Erde ausgebreitet. Heute bauen wir virtuelle Welten, in die wir mit unserer Wahrnehmung „eintauchen“ und in der alles grenzenlos erscheint und schwindelerregend beschleunigt wird – natürlich nur so lange, wie die Elektrizität, Netzwerke und die IT-Anwendungen bereitstehen. Sobald diese Voraussetzungen dauerhaft zusammenbrechen, befinden wir uns im dunklen Zeitalter – ohne Wikipedia, E-Mail, Handy und alle anderen zivilisatorischen Errungenschaften.

In diesem Buch geht es nicht um die Geschichte der Erde vom Feuerball über die Entwicklung des Lebens bis zum „vernunftbegabten“ Menschen. Stattdessen sprechen wir über unsere Wahrnehmung der Welt, den Sinnen, die den sich weiter beschleunigenden Veränderungen nicht mehr folgen können. Wir haben gelernt, die entstehenden Lücken mit eigenen Annahmen zu füllen und zu polarisieren, damit wir die Botschaften der Vuka-Welt überhaupt noch verarbeiten können.

Unser Denken wird begrenzt von den verfügbaren Begriffen. Was darüber hinausgeht und sich nicht in Worte fassen lässt, bleibt ein subjektives, schwer vermittelbares Gefühl. Derartige Scheuklappen hat uns vor 140 Jahren Edwin A. Abbott in dem Buch Flächenland beschrieben. Die Bewohner bemühen sich aus ihrer zweidimensionalen Welterfahrung, ein- und dreidimensionale Welten zu erklären.4 Ähnlich versuchen wir heute den Cyberspace mit unseren Sinnen zu erfassen – obwohl die Virtualität nur mit entsprechenden Prothesen sicht-, hör-, spür-, riech- und schmeckbar wird.

Über tausend Generationen lebten die Menschen in einer sinnlich zu verarbeitenden Welt. Mit der Digitalisierung und der Realisierung des Cyberspace lösen sich die geografischen Grenzen auf. Es entstehen und vergehen immer schneller unterschiedliche virtuelle Umwelten, in denen wir agieren und die uns mit ihrer Vielfalt „überfordern“.

Beispiele für die rasanten Veränderungen sind die Nutzungsdauern von Werkzeugen auf Seite 13. Am dauerhaftesten ist der Faustkeil, der über 1,7 Mio. Jahren unterschiedliche Funktionen in sich vereint - z.B. Schneiden, Hämmern, Hacken, Bohren. Oder denken wir an die Haushaltsgegenstände aus gebranntem Ton, die seit 25.000 Jahren hergestellt werden. Oder nehmen wir die Schrift, mit der wir seit 5.000 Jahren Geschichte schreiben. Erst seit 82 Jahren bietet uns der Computer Rechenkapazität, die es ermöglicht, so viele Rechenschritte auszuführen, dass wir uns Illusionen schaffen können, die ähnliche Effekte erzeugen wie die materielle Wirklichkeit. 5

Abbildung 1: Nutzungsdauern von Werkzeugen

Die Evolution hatte keine Zeit, uns an diese Veränderungen anzupassen. Während eines Wimpernschlags verarbeitet ein Banksystem mehr als 5000 Transaktionen. Die Milliarden an Endgeräten befinden sich in einer unvorstellbaren Unmenge von widersprüchlichen Kontexten, die zwangsläufig zu alternativen Zuständen führen.

Was zukünftig passiert, beginnt und endet schneller, als unsere Sinne es registrieren können. Auch die Datenwellen, die uns überrollen, ändern den Kontext so schnell, dass alle Vorhersagen stets bezweifelt werden können. Wir sind unterschiedlichen Kulturen, Fachgebieten und Glaubensrichtungen ausgesetzt. Daraus lassen sich beliebige Einsichten ableiten, die uns unentschieden zurücklassen. Und wir geben ungebremst weiter Gas.

Um die Beschleunigungen und die Bedeutung von VUKA zu veranschaulichen, stellen wir uns eine Horde von Steinzeitmenschen vor, die 35000 v.Chr. im süddeutschen Hohler Fels lebten. Diese Menschen hatten bereits die gleichen körperlichen und neurologischen Ausstattungen wie wir heute.6

Abbildung 2: Hohler Fels

Da es keine Beschreibungen des Alltags aus erster Hand gibt, lässt sich nur spekulieren, wie die Urmenschen lebten und „arbeiteten“. Wir können jedoch davon ausgehen, dass alle Mitglieder die zum Überleben notwendigen Tätigkeiten beherrschten7:

Jagen von Mammuts, Nashörnern, Pferden und Rens

Fischen in Bächen und Flüssen

Sammeln von Pflanzen, Wurzeln, Nüssen, Pilzen und Beeren

Herstellen und Instandhalten von Unterkünften, Ritualstätten, Kleidungsstücken, Werkzeugen, Waffen, Seilen, Netzen, Einbäumen, Fallen, Behältnissen, Steinlampen, Schmuck, Malereien, Instrumenten usw.

Medizinische Behandlungen durchführen oder zumindest einfache Wunden und Unwohlsein versorgen

Beobachten der Natur und des Sternenhimmels zur Bestimmung der „Zeit“

Durchführen von Ritualen bei Beerdigungen, Sommer-/ Wintersonnenwenden und sonstigen Feiern

Austauschen von Inhalten inkl. Kindererziehung, Vermitteln von Wissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten sowie die Zeichen der Jahreszeiten und zentralen Symbolen deuten können

Überleben.

Und bestimmt hatten sich Individuen auf einzelne Funktionen spezialisiert, die sie besser als andere beherrschten – z.B. effektives Jagen, ergiebiges Fischen, findiges Kräutersammeln, zuverlässiges Anwenden von Heilpraktiken, geschicktes Handwerken, impressionistisches Malen oder spiritistisches Beschwören des Übersinnlichen.

Die Steinzeitmenschen waren Nomaden, die den Nahrungsquellen folgten und solange an einem Ort blieben, bis die Ressourcen versiegten.

Da die Steinzeit über keine Fahrzeuge verfügten, ergab sich die geographische Reichweite aus den Entfernungen, die fußläufig erreichbar war. Das Siedlungsgebiet einer Horde konnte mehrere 100 km2 groß sein. Im Alltag bewegte sich die Gruppe jedoch meistens im Umkreis ihres Lagers. Hier befanden sich die Feuerstelle, Zelte, Hütten, Werkstätten, Trockengestelle, vielleicht eine Höhle und meistens an einem Wasserlauf. Die Kinder bewegten sich in Sicht- und Hörweite, beteiligten sich an einfachen Tätigkeiten und lernten von den Älteren. Im Falle einer Gefahr waren die meisten innerhalb von Minuten im Lager, um es gegen Eindringlinge und wilde Tiere zu verteidigen.

Abbildung 3: Steinzeit-Reichweite

Der Hohler Fels ist ein gutes Beispiel für so einen Lagerplatz – neben der Ach gelegen, mit abwechslungsreicher Landschaft und in der Nähe der Donau. Das direkte Umfeld des Lagers konnte innerhalb einer halben Stunde erreicht werden. Gut zwei Stunden Entfernung war das täglich genutzte Jagd- und Sammelgebiet. Die Ränder des Siedlungsgebiets der Horde erreichten die Jagenden innerhalb eines Tages, (Steinzeit-Reichweite, S. →).

Das soziale Umfeld bildete die Horde und gelegentlich Durchreisende. Inhalte wurden mündlich und körpersprachlich weitergegeben. Der Blick auf die Welt erfolgte ganzheitlich. Inwieweit abstrakte Sachverhalte ausdrückbar waren, können wir nur vermuten. Das galt mutmaßlich für alle damaligen „Berufe“. Spurenlesen, Feuermachen, Gerben, Schneidern, Kräutermischen oder Spiritualisieren wurden nicht erklärt, sondern vor- und nachgemacht. Die Mitglieder bewegten sich in einem Gelände, dass sie gut kannten. Die größte Herausforderung war die Natur – Jahreszeiten, Wettergeschehen, Verfügbarkeit von ausreichend Nahrung und Wasser sowie gefährliche Wildtiere wie Bären, Wölfe, Hyänen usw. Könnten wir den Lernstoff des steinzeitlichen Lebens erfassen, kämen wir auf ein ähnliches Pensum wie heute. Zusätzlich reduzierte die Lebensdauer von 25 Jahren und die überschaubare Reichweite die Fülle an Veränderungen, die im Laufe eines Lebens angesammelt werden konnten.

Abbildung 4: Auto-Reichweite

Heute decken wir bei gleichen körperlichen und geistigen Potenzialen größere Aktionsradien ab. Fahrzeuge erweitern unsere Möglichkeiten. Das Auto bringt uns überall hin, wo es Straßen gibt (Auto-Reichweite, S. →). Das Flugzeug verbindet Kontinente (Flug-Reichweite, S. →).

In einer halben Stunde fahren wir mit dem Auto fast das gesamte frühere Siedlungsgebiet ab; mit dem Flugzeug erreichen wir bereits das Mittelmeer.

In zwei Stunden schaffen wir es mit dem Auto bis in die Rheinebene und die Alpen; mit dem Flugzeug decken wir ganz Europa ab.

In acht Stunden schaffen wir es mit dem Auto bis ans Mittelmeer und bis zur Nordsee; mit dem Flugzeug fliegen wir bis in große Teile Asiens, Afrikas und Nord-Amerikas.

Abbildung 5: Flug-Reichweite

Wir kennen unsere Gebiete zwar nicht bis ins kleinste Detail, wie die Menschen der Steinzeit ihr Siedlungsgebiet. Allerdings sind uns ähnlich viele Besonderheiten vertraut, nur eben verteilt über eine größere Fläche. Das macht unseren Kontext komplexer, da jede Besonderheit in anderen Kulturen, Sprachen, Religionen, Überzeugungen, beruflichen Umfeldern eingebettet ist.

Die Beschleunigung wird auch sichtbar an der Dauer, bis eine Technologie einen bemerkenswerten Verbreitungsgrad hat (Verbreitungsdauer neuer Technologien, S. →). Das Festnetztelefon benötigte 100 Jahre, um mehr als zwei Drittel der Bevölkerung zu erreichen. Television erforderte 45 Jahre später nur noch 39 Jahre, um eine vergleichbare Verbreitung zu erzielen. Weitere 50 Jahre später setzte sich der PC in nur 28 Jahre durch. Google schaffte eine Milliarde Suchanfragen nach zwölf Jahren. Tesla hatte nach zehn Jahren bereits fast eine Million Fahrzeuge verkauft. Mit ChatGPT sind wir in VUKA-Zeiten angekommen. Dieses KI-Programm brauchte 5 Tage für die erste Million und drei Monate, um 100 Millionen registrierte Nutzende zu erhalten. Spannend wird es zu sehen, wie volatil dieser Erfolg sein wird, wenn potente Konkurrenten wie Google, Microsoft, Apple und Meta mit ihren Lösungen auf den Markt drängen.

Abbildung 6: Verbreitungsdauer neuer Technologien

In der Steinzeit bewegten sich die Menschen so schnell durch die Landschaft, dass sie sich Veränderungen sukzessive aneignen konnten und stets im Hier und Jetzt waren. In einem Flugzeug überwinden wir mehrere Zeitzonen und sind gezwungen, uns am Zielort in den lokalen Rhythmus einzufügen – einen Tag pro Stunde Zeitunterschied dauert das Akklimatisieren.

Seit Einführung der Schrift, der Buchdruckerkunst, der Massenmedien und schließlich des Internets ist uns der mündliche Austausch verloren gegangen. Menschen sitzen heute nebeneinander in einem Café und tauschen Nachrichten per WhatsApp aus, anstelle miteinander zu reden.

Die überall beschworene Informationsflut macht es uns heute unmöglich, den Wahrheitsgehalt einer Nachricht einzuschätzen. Nicht so wie früher am Lagerfeuer, wo der Blick in die Augen des Erzählenden den Zuhörenden die Gewissheit gab, was sie glauben konnten und was eher nicht.