Die Wikingerbrüder - Arnulf - S. C. Pedersen - E-Book
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Die Wikingerbrüder - Arnulf E-Book

S. C Pedersen

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Beschreibung

Die Wikingerzeit – eine Zeit, in der Familienbande alles bedeuten und fürs Überleben bitter gekämpft werden muss … Adler und Wolf: Der junge Wikinger Arnulf ist so wild und unerschrocken wie seine beiden Totemtiere. Voller Tatendrang blickt er den Abenteuern und Heldentaten entgegen, die auf See auf ihn warten. Doch als das blutbefleckte Schiff seines Bruders Helge in den Hafen einläuft, werden seine Träume jäh zerschmettert. Blind vor Trauer begeht Arnulf ein folgenschweres Verbrechen, das den Lauf seines Lebens für immer verändern wird – und Arnulf zur überstürzten Flucht aus Dänemark zwingt. Auf seiner gefährlichen Reise trifft er schließlich auf die Wikinger aus Jomsborg, denen ein tödlicher Ruf vorauseilt. Arnulf will sich den rauen und abgehärteten Kriegern anschließen, doch dafür muss er sich erst Anerkennung verschaffen. Jedes Zeichen von Schwäche könnte sein Ende bedeuten … Der erste Band der epischen »Wikingerbrüder«-Saga über Ehre, Treue und Blutsbande; für Fans von Bjørn Andreas Bull-Hansen, Bernhard Cornwell und »Vikings Valhalla«

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Seitenzahl: 373

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Über dieses Buch:

Adler und Wolf: Der junge Wikinger Arnulf ist so wild und unerschrocken wie seine beiden Totemtiere. Voller Tatendrang blickt er den Abenteuern und Heldentaten entgegen, die auf See auf ihn warten. Doch als das blutbefleckte Schiff seines Bruders Helge in den Hafen einläuft, werden seine Träume jäh zerschmettert. Blind vor Trauer begeht Arnulf ein folgenschweres Verbrechen, das den Lauf seines Lebens für immer verändern wird – und Arnulf zur überstürzten Flucht aus Dänemark zwingt. Auf seiner gefährlichen Reise trifft er schließlich auf die Wikinger aus Jomsborg, denen ein tödlicher Ruf vorauseilt. Arnulf will sich den rauen und abgehärteten Kriegern anschließen, doch dafür muss er sich erst Anerkennung verschaffen. Jedes Zeichen von Schwäche könnte sein Ende bedeuten …

Über die Autorin:

S. C. Pedersen (geb. 1967) ist eine dänische Schriftstellerin und Musikerin. In ihrer mitreißenden Reihe um den mutigen Krieger Arnulf erweckt sie die Wikingerzeit wieder zum Leben – die fiktionalen Ereignisse und Figuren in ihren Romanen basieren auf gründlicher Recherche und historischen Begebenheiten.

Bei dotbooks erscheint außerdem ihr Roman »Die Wikingerbrüder – Veulf« als eBook.

Die Autorin im Internet: www.susanneclodpedersen.dk

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eBook-Ausgabe August 2024

Die dänische Originalausgabe erschien erstmals 2005 unter dem Originaltitel »Arnulf« bei Forlaget Zara, Roskilde.

Copyright © der dänischen Originalausgabe 2005 Forlaget Zara Aps

Copyright © der eBook-Ausgabe 2024 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/kordeo, A. Dina und AdobeStock/Maximilian

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (fe)

ISBN 978-3-98952-259-6

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dotbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, einem Unternehmen der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt: www.egmont.com/support-children-and-young-people. Danke, dass Sie mit dem Kauf dieses eBooks dazu beitragen!

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S.C. Pedersen

Die Wikingerbrüder – Arnulf

Historischer Roman

Aus dem Dänischen von Rebecca Jakobi

dotbooks.

Zitat und Widmung

Vieh stirbt, Verwandte sterben,

man selbst stirbt ebenso;

ich weiß eines, das niemals stirbt:

das Urteil über jeden Toten.

Vieh stirbt, Verwandte sterben,

man selbst stirbt ebenso;

aber der Ruf stirbt niemals dem,

der sich guten erwirbt.

(Hávamál)

Für meine geliebten Kinder Ragnhild, Asbjørn, Sigrid und Hjørdis.

Danksagung

Mit allergrößter Hochachtung danke ich dem Historiker Kåre Johannessen, dessen Enthusiasmus und beeindruckendes wie findiges Wissen über die Wikinger mir ebenso wie seine bis ins kleinste Detail ausführlichen Antworten eine unschätzbare Hilfe waren. Danke für die niemals nachlassende Ermutigung!

Mit größtem Respekt danke ich der Wikingerkampfgruppe Ulfhednir für die Inspiration zu den Kampfszenen, ganz besonders Peter Marius Stampe und Christoffer Cold-Ravnkilde, die mir einen großzügigen Einblick in ihre enormen Kriegerfähigkeiten und Kampfstrategiekenntnisse gaben und mir damit die Nachbildung von Jomsborg erleichterten.

Ich danke auch dem Skaldenmeister Rune Knude, der den Schleier um die Geheimnisse der alten Lieder lüftete und mich von Suttungs Met kosten ließ.

Ebenfalls ein lieber Dank an den Zeichner Louis Harrison für die Gestaltung von Arnulfs Wolfsschild.

Und nicht zuletzt danke ich herzlich meinem tollen Mann, da er meinem wilden Treiben mit der Schreibfeder mit großem Vertrauen Raum gab.

www.susanneclodpedersen.dk

Figurenverzeichnis

Arnulf, Sohn von Stridbjørn

Aslak, Schiffsbauer in Egilssund

Frejdis, Arnulfs Freundin

Gyrith Stentorsdatter, Gattin von Toki

Hakon, Jarl von Norwegen

Halfred, Helges Steuermann

Helge, Arnulfs Bruder

Hildegun, Mutter von Toki und Jofrid

Jofrid, Tokis Schwester

Stridbjørn, Arnulfs Vater

Leif Kluftnase, Wikinger aus Haraldsfjord

Ranvig, Tochter von Toki und Gyrith

Rolf, Arnulfs Bruder

Sigurður, Handelsmann aus Island

Sigvaldi Stutz-Haraldsson, Jarl von Jomsborg

Skarde, Leibwächter von König Sven

Stentor, Gyriths Vater und Gode aus Haraldsfjord

Toki Øysteinsson, Häuptlingssohn aus Haraldsfjord

Toste Skaldenschild, Wikinger aus Haraldsfjord

Trud, Arnulfs Mutter

Øystein Rabentöter, verstorbener Häuptling aus Haraldsfjord

Kapitel 1

Arnulf blieb auf der Spitze des Hügels stehen und starrte über den Sund. Dort, wo sich die Sonne vom Horizont verabschiedet hatte, war der Himmel noch immer rosa, und das Wasser wogte ruhig vor sich hin. Ein Fischschwarm blitzte unter der Meeresoberfläche auf, und Arnulf untersuchte jede Kräuselung genau, konnte aber kein einziges Boot erkennen, das die abendliche Ruhe störte. Er schnaubte enttäuscht. Eine leichte Brise flüsterte durch das frische Frühlingsgras, und die Dunkelheit schlich sich allmählich aus dem Wald hinter der Siedlung. Ein Hund bellte, und Schiffsbauer Aslak rief nach seinen Gesellen am Strand, wo die Klänge der Äxte vor dem gespaltenen Eichenholzkiel verstummten. Über den vielen Feuerstellen kochte die Abendgrütze, und die Arbeiten des Tages wurden in aller Friedlichkeit zu Ende gebracht. Webstühle und Körbe wurden in die Häuser getragen, das letzte Brennholz gespalten und der Fischfang zum Trocknen aufgehängt, während der Schmied an der Esse einen Axtkopf zurechtschlug. Einige Jungen ließen ihre Holzschwerter fallen und gingen dazu über, ein paar Mädchen zu ärgern, die Fleisch aus der Vorratshütte trugen, und Fin Bogen gab seiner Frau einen Klaps auf den Hintern, als er mit drei erlegten Hasen über der Schulter an ihr vorbeistolzierte. Trud hatte die Arme in die Hüften gestemmt und schimpfte ihren jüngsten Sklaven aus, bis der alte Olav sich bedächtig zwischen die beiden stellte und sie ihren Zorn stattdessen an ihm ausließ, während der Sklave sich mit eingezogenem Kopf aus dem Staub machte. Niemand schien es eilig zu haben, zum Essen ins Haus zu gehen, denn die Luft war berauschend mild und das frische Grün nach dem grauweißen Winter angenehm anzusehen.

Arnulf strich sich die langen Haare aus dem Gesicht und kniff die Augen zusammen. Jetzt war es zu spät. Helge würde nicht auf dem schwarzen Wasser daher geglitten kommen, er würde warten, bis die Sonne auf den Kettenpanzern und Waffen der Männer glitzerte und ihren Schein auf seine neu eroberten Reichtümer warf. Bei der Rückkehr von einem Raubzug stand er immer ganz vorn am Steven seines Drachenschiffs, den Umhang keck zurückgeworfen und die ausgestreckten Arme schwer von Silber, während er stolz den Namen seines Vaters rief. Stridbjørn empfing ihn dann mit großen bronzeverzierten Trinkhörnern voller Met, und sie tranken um die Wette, sobald Helge einen Fuß aufs Land gesetzt hatte. Dann fiel Helge Rolf um den Hals, hob seine Mutter in die Luft, als wäre sie federleicht, und die Frauen der Siedlung bekamen leuchtende Augen und rote Wangen. Die Kinder scharten sich um die heimgekehrten Krieger, bewunderten ihre Eroberungen und die neuen Narben, und die Sklaven machten sich ans Braten und Kochen. In Stridbjørns Langhaus würden Gesänge und Gelächter widerhallen, und Helge würde sich auf den Hochsitz setzen, um von der diesjährigen Fahrt zu berichten, sodass die Kleinsten sich schaudernd bei ihren Müttern versteckten. Und wenn spätnachts alle Bäuche vor lauter Speck und Bier fast platzten, würde Helge sich an Arnulf wenden und ihm seinen Schwertarm reichen, damit sie unter den intensiven Blicken der anderen ihre Kräfte messen konnten. Letztes Jahr hatte Helge gemeint, Arnulfs Griff werde bis zum Frühling stark genug sein, und er hatte versprochen, ihm ein brauchbares Schwert mitzubringen.

Arnulf stieß einen Seufzer aus. Heute wurde es also auch nichts mehr. Der Winteraufenthalt am Königshof zog sich in die Länge, aber es war das erste Mal, dass ein Mann aus Stridbjørns Geschlecht beim König persönlich vorgeladen worden war, und Helge kam nicht umhin, seinem Ruf und seiner Ehre Genüge zu tun. Die Schneezeit war längst vorüber, Lämmer und Kälber wurden gesäugt, und noch nie zuvor war Arnulf die kalte Zeit so lange und düster vorgekommen.

Ein letzter Möwenschrei schallte über die Wellen. Er folgte dem niedrigen Flug des Seevogels mit dem Blick und spürte, wie dessen Ruf das Blut in seinen Adern schneller fließen ließ. Das Meer zog ihn zu sich, als strömte eine Flut aus Salzwasser durch seine Glieder, rastlose Sehnsucht riss seine Ruhe in Stücke. Sein Herz hätte sich am liebsten losgerissen und in die Gezeiten gestürzt, wie gern wäre er mit dem Sturm davongejagt, den Seevögeln hinterher. In diesem Frühling schrien die Möwen besonders laut. Sie stachelten hitzige Gemüter zu gewagten Fahrten an, appellierten an Willen und Mut und riefen einander zu, dass Arnulf jetzt an der Reihe sei. Er ballte die Hände zu Fäusten. Gemeinsam mit Helge würde er in See stechen und Egilssund den Rücken kehren, gemeinsam mit Helge!

Arnulf schloss die Augen und blähte die Nasenflügel. Das Salz in der Luft roch scharf, Kraft ruhte in Kräutern und Erde. Sein Herz hämmerte. Gerade wollte er umkehren, als er auf der anderen Seite des Hügels Frejdis bei den Kühen auf der Salzwiese erblickte. Von ihm abgewandt und mit routinierten Bewegungen molk sie die einhörnige Kuh. Das blonde Haar floss ihr wie Gold über den Rücken, sie hatte die Ärmel hochgekrempelt und das Unterkleid über die Knie gezogen, um es nicht mit Milch zu beschmutzen. Arnulf lächelte und fühlte sich leicht. Frejdis hatte die Wange an die gefleckte Seite der Kuh gepresst, ihre winterblasse Haut leuchtete im Kontrast zum grünen Gras. Unter dem Kleid zeichneten sich die Rundungen ihrer Hüften ab. Arnulf spürte, wie er anschwoll. Er konnte Frejdis nicht ansehen, ohne dass sich seine Männlichkeit aufstellte wie Odins Speer höchstpersönlich. Diese Hüften musste Freyja ihr einzig und allein geschenkt haben, damit Männer sie begehren und anfassen durften!

Rasch zog Arnulf sich zurück und lief beschwingt um den Hügel herum auf sie zu. Frejdis hatte ihn noch nicht bemerkt. Durch das Rascheln des Windes im Gras und die Kaugeräusche der Kühe war es ihm ein Leichtes, sich anzuschleichen. Sie summte. Er kannte die Melodie, denn er hatte sie selbst erdacht. Das Kleid entblößte ihre Schulter nahezu vollständig, ein Anblick, der Arnulfs Unterleib hitzig pulsieren ließ. Die sanfte Frühlingssonne war der hellen, verletzlichen Haut noch nicht Herr geworden, und eine weichere Haut hatte er noch nie gesehen. Selbst Daunenfedern wirkten dagegen rau. Er ging in die Knie. Die Einhörnige drehte den Kopf und sah ihn fragend an, Arnulf sprang wie ein Luchs zur Seite, ehe sie ihn verraten konnte.

Frejdis stieß einen Schrei aus, als er ihre Schultern packte und sie mit sich ins Gras zog, während die Milch auf ihre nackten Beine spritzte. Er drückte sie auf die Erde und hielt mühelos ihre fuchtelnden Arme fest. Frejdis’ Augen blitzten auf, sie schüttelte gereizt die Haare aus dem Gesicht und versuchte, seinem Griff zu entkommen. »Lass mich los, du Lustmolch!«

Arnulf lachte und setzte sich rittlings auf ihren warmen Körper. »Mir war plötzlich nach Milch!«

»Du hast sie wohl nicht mehr alle! Jetzt ist die Milch weg! Lass mich sofort los!«

Sie schnappte nach ihm, verfehlte ihn aber und musste sich damit zufriedengeben, zu prusten und zu schimpfen. Arnulf ließ ihre Hände los und betrachtete den Ausschnitt ihres Kleides, unter dem sich ihre wohlgeformten Rundungen abzeichneten. Er griff nach den Brüsten, aber Frejdis schlug seine Hand weg. »Du bist so schwer, dass ich kaum Luft bekomme. Runter mit dir!«

»Ich werde ganz wild, wenn ich dich sehe!«

»Du bist wild zur Welt gekommen, Arnulf Stridbjørnsson!«

Frejdis schubste ihn mit aller Kraft von sich.

»Fühl mal, wie hart ich bin!«

Arnulf glitt ins Gras und reckte ihr seinen Unterleib entgegen. Frejdis setzte sich auf und stieß ihn genervt weg. »In deinen Adern mag zwar das Blut eines Hengstes fließen, aber deswegen bin ich noch lange nicht deine Stute!«

Er nahm ihren nassen Fuß fest in die Hand und leckte die Milch vom Knöchel. »Junge Hengste besteigen schon mal die Stuten, die sich von der Herde getrennt haben.«

Frejdis versuchte, ihren Fuß wegzuziehen, aber Arnulf ließ nicht locker und wanderte mit der Zunge zu ihrem Knie.

»Ich habe mich von keiner Herde getrennt! Ich bin am Melken, und jetzt hast du die Hälfte der Milch verschüttet. Meine Mutter wird sauer sein! Und du kannst jetzt wirklich mal damit aufhören, stell dir vor, jemand sieht uns, dein Bruder zum Beispiel.«

Arnulf saugte gierig die Milch von Frejdis’ Haut und knabberte an ihrem Unterschenkel. »Mein Bruder? Sein Schiff wurde noch nirgendwo gesichtet.«

Frejdis zog seinen Kopf von ihrem Bein weg. »Doch nicht Helge, du Kälbchen, dein anderer Bruder, Rolf.«

Arnulf entwand sich ihrem Griff und zeichnete die Kurve ihrer Kniekehle nach. »Du meinst meinen langweiligen, verantwortungsvollen und hoch angesehenen Bauernbruder? Ab nach Helheim mit ihm!«

»Arnulf!«

Frejdis warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu, aber ihre Hand war sanft, als sie ihm durchs Haar strich. »Du bist nicht der Einzige, der mir schöne Augen macht, weißt du?«

Arnulf drehte sich seufzend auf den Rücken. Er runzelte die Stirn und begann mit gedämpfter Stimme zu dichten:

»Stridbjørns Söhne

stolz auf zwei

einer fürs Schwert

einer fürs Feld

der graue Bär

grimmig grummelt

der letzte Sohn

macht Weh aus Wert.

Verwandter des Wildtiers

frei verkehrt

in weiter Ferne

schlecht gehorcht

Ehrenräuber

herrscht allein

vom Wolfsgeschlecht

geformt.«

»Nun hör aber auf!« Frejdis legte sich neben ihm auf den Bauch. Arnulf griff nach einer ihrer langen Strähnen. Er ließ sie zwischen seinen Fingern hindurchgleiten und kam näher, um sein Gesicht im Rest der goldenen Mähne zu vergraben.

»Wusstest du, dass du die Götter mit deiner Schönheit beleidigst? Nicht mal Freyja hat solch tolles Haar, solch meeresblaue Augen und solch runde Beine!«

Sie lachte und zog ihre Haare von ihm weg. »Jetzt benimmst du dich wirklich wie ein Rindvieh! Und dein Vater hat allen Grund, stolz auf Helge und Rolf zu sein, nur wenige Männer können sich mit so guten Söhnen brüsten wie er. Du bist selbst schuld daran, dass er wütend auf dich ist. Es ist keine zwei Tage her, dass du seinen besten Hengst lahm geritten hast.«

Arnulf stützte sich auf den Ellbogen und riss Grashalme aus der Erde. »Er brauchte die Bewegung nach dem langen Winter.«

»Du hast den Pflug kaputt gemacht!«

»Nur, weil meine Arme zu stark für Sklavenarbeit sind!«

»Und die Schafe hast du einfach laufen lassen!«

»Auf Schafe aufzupassen ist unmännlich, das ist was für kleine Jungen. Mein sechzehnter Sommer fängt an, und wenn Helge heimkommt und sein neues Schiff holt, nimmt er mich mit auf See.«

Arnulf kitzelte Frejdis mit einem Grashalm am Hals. Sie fing den Halm mit ihren Zähnen. »Gegen den Willen eures Vaters!«

»Veulf nennt Stridbjørn mich, den Wolf, der nur Leid anrichtet, und der will ich auch bleiben! Seit wann gehorche ich denn seinem Willen? Er soll sich einfach darüber freuen, dass sein ältester Sohn dem jüngsten nun die Möglichkeit gibt, entzweigehackt zu werden.«

Frejdis ließ den Grashalm fallen und verdunkelte ihren Blick. »Sag so was nicht! Helge hat schon so manchen Frühling neue Männer mit auf See genommen. Er nimmt dich bestimmt mit, weil er dich für geeignet hält.«

Lächelnd ließ Arnulf sich wieder auf den Rücken fallen. Das Gras war feucht vom Tau, und trotz der lauen Luft fühlte sich die Erde kalt an. Eine Weile starrte er in die rosa Wolken, die wie die Gischt des Meeres über den Himmel trieben. Dann legte Frejdis vertraut das Kinn auf seine Brust. »Du hast ihn im Winter sehr vermisst, oder? Das ist das erste Mal, dass er so lange fort ist.«

Arnulf sah zu ihr. Ob er Helge vermisst hatte? Ihm war das Mark in den Knochen gefroren vor lauter Sehnsucht! Fast ein Jahr war nun vergangen. Helge war nur im Herbst für eine kurze Zeit zu Hause gewesen und gleich wieder losgezogen, um mit seinen neuen Schätzen Handel zu treiben. Danach hatte er Kurs auf den Königshof genommen.

»Rolf hat immer gemacht, was mein Vater sagt, und meine Mutter liebt ihn, weil er lieber pflügen und Tiere pflegen will, als segeln und kämpfen, aber die Welt ist viel größer als Saatgut und Fleisch. Ich will raus, Frejdis! Weg aus dieser Siedlung! Raus, mich umsehen, mein Glück versuchen, Ruhm und Silber erbeuten!«

Die Worte ließen die Sehnsucht in ihm toben wie einen rauschenden Bach im Frühling. »Silber hat Helge deinem Vater schon genug gebracht«, antwortete sie leise. Arnulf schaute auf Frejdis’ weiße Unterarme und spürte die Begierde erneut in sich aufflammen. Er ließ die Finger über ihren Arm gleiten. »Was hatte Rolf dir in letzter Zeit so zu erzählen?«

Sie zog lachend ihren Arm weg. »Rolf? Er redet. Zeigt mir, was er so treibt, erzählt mir von seinen Plänen mit der Saat und den Tieren. Mit seinen Händen gelingt einfach alles.«

»Ich werde dir jetzt etwas zeigen, was dich Rolf und seine Samen ganz schnell vergessen lässt!«

Arnulf nahm ihre Hand und führte sie zu seinem harten Schritt.

»Ei, du denkst auch wirklich nur an das Eine.«

Arnulfs Stimme wurde rau: »Du sollst nur kurz fühlen. Dann wirst du nie mehr an meinen Bruder denken.«

Frejdis kicherte und gehorchte. Seufzend schloss Arnulf die Augen, als ihre Hand unter seine Tunika und in seine Hose glitt. Sie nickte mit einem neckischen Grinsen. »Doch, der ist toll. Aber er lässt weder das Korn wachsen, noch bringt er Wohlstand mit übers Meer.«

Arnulf senkte die Stimme. »Komm näher, dann flüstere ich dir ins Ohr, was er alles wachsen lässt! Mit ihm wird dir nie langweilig, und das kann mit einem Mann, der sich nur um seine Pflugschar und die Rinder kümmert, schnell passieren.«

Er packte ihre nackte Wade und fand seinen Weg unter das Kleid. Bohrte die Finger tief in die weichen Backen.

»Au, das zwickt!«

Arnulf ließ los und fummelte an seinem Gürtel herum. Frejdis rollte sich zur Seite. »Behalt deine Hose ruhig an! Bald hat Grim fertig gegessen, und danach fängt er seine Viehwache an, er sieht uns noch.«

»Einem tratschenden Sklaven sticht man die Augen aus. Der verrät uns schon nicht!«

Frejdis zog das Kleid wieder über die Knöchel. Arnulf gab auf. »Also gut, aber versprich mir, dass du morgen mit mir in den Wald kommst! Wir suchen uns eine Lichtung, die nicht mal die Tiere kennen.«

Frejdis’ Augen lachten, doch sie schüttelte den Kopf. »Da friere ich nur, es ist noch zu kalt, um sich im Gras zu wälzen. Außerdem – solltest du morgen nicht Aslak mit dem Schiff helfen?«

Arnulf zuckte gleichgültig mit den Schultern. »Der kommt schon ohne mich klar. Ich habe monatelang für ihn geschuftet, aber es bringt keine Ehre, eine Knorr zu bauen.«

»Ehre? Reichtum ist Reichtum, ob es nun vom Plündern oder vom Handeln kommt.«

Frejdis erhob sich und ging zu der einhörnigen Kuh, die ein Stück den Hügel hochgelaufen war. Arnulf sprang auf und schlich ihr nach. Er musste diese Hüften einfach anfassen! Sie schwankten viel zu einladend, um es sein zu lassen.

»Schiff! Schiff! Da kommt ein Schiff! Frejdis! Arnulf! Da kommt ein Schiff, da kommt ein Schiff!«

Klein-Ivar stand auf dem Hügel und fuchtelte atemlos mit dem Arm, während er auf den Sund zeigte. Dann rannte er los.

Arnulfs Herz schlug schneller, sein Blut begann so stark zu strömen, dass ihm schwarz vor Augen wurde. Helge! Helge war zurück! Er sah in Frejdis’ strahlende Augen und brach in lautes Gelächter aus. Gab einen grellen Schrei von sich und sprang hoch in die Luft.

»Komm, Arnulf!«

Sie nahm seine Hand und schien die Einhörnige vollkommen vergessen zu haben. Arnulf lief so schnell, dass er Frejdis hinter sich herziehen musste. Er umklammerte ihre Hand, als kämpfte er schon mit Helge, und sie beschwerte sich lautstark. Auf der Hügelkuppe sah er, dass die Dunkelheit den Sund nun endgültig zu verhüllen begann, doch das ockergelbe Wollsegel von Helges Langschiff schien durch sie hindurch wie ein Stern auf dem Wasser. Am Strand scharten sich die Leute aufgeregt zusammen, durch die Luft schallten Rufe und Gelächter. Die Frauen, die so lange auf ihre Männer hatten verzichten müssen, drängten sich nach vorne, die Kinder winkten johlend dem Schiff zu und versuchten eifrig, Väter und andere Verwandte in der zunehmenden Dämmerung auseinanderzuhalten.

Die Spannung war kaum zu ertragen. Mehrere schienen ein Gebet zu murmeln, denn nicht immer kamen alle Männer zurück oder befanden sich in gutem Zustand.

Stridbjørn trabte unter lautem Rufen über die Planken, die bis zum Wasser führten. Er trug seine beste bestickte Tunika und den feuerroten Prachtumhang. Sein grauer Bart, der ihm bis auf die Brust reichte, war sorgfältig gekämmt, und er hatte auch die breite Silberkette angelegt, denn Helge sollte standesgemäß empfangen werden. In den Händen hielt er ein bronzenes Trinkhorn, das vor Met überschwappte, und die anderen Männer klopften ihm lachend auf den Rücken. Wenn Stridbjørns Helge heimkehrte, gab es immer ein Gelage, darauf konnte man wetten, ein Gelage, über das später niemand etwas zu meckern hatte, da Stridbjørn ein reicher Mann war. Reich von all den Schätzen seines Sohnes, an denen dieser seine Familie großzügig teilhaben ließ. Auch Trud hatte ihr braunes Wollkleid hastig gegen ein blaues Festkleid mit Silberschnallen eingetauscht. Große Bernsteinketten leuchteten auf ihrer Brust, und schwere gewundene Armreife klirrten aneinander. Eine stolzere Frau als Trud hatte niemand in der Siedlung. Stridbjørn lachte ihr zu und hob sein Trinkhorn in die Luft. Arnulf scherte sich nicht im Geringsten um sein Aussehen. Was machte es für einen Unterschied, ob die Tunika weiß oder grau war, wenn Helge nach Hause kam! Nur ärgerlich, dass das Schiff so spät eintraf. Es würde Nacht sein, ehe die Braten gar waren. Die Abendgrütze konnten die Sklaven haben.

Schiffsbauer Aslaks Gesellen zündeten Fackeln an, Trud reckte an Stridbjørns Seite den Hals und klimperte mit den Schlüsseln an ihrem Gürtel. Auch auf dem Langschiff wurden die Fackeln entzündet. Je näher das Schiff kam, desto dichter wurde die Dunkelheit, doch das gelbe Segel schien zu leuchten wie der Vollmond selbst.

Rolf schloss sich Stridbjørn und Trud lachend an und strich sich erwartungsvoll über den blonden Bart, ehe sein Vater ihm mit ausladender Bewegung ein Methorn reichte. Auch Rolf hatte die Alltagskleidung abgelegt und sich notdürftig gewaschen, denn auch wenn Arnulf bezweifelte, dass er Helge nur halb so sehr vermisst hatte wie er, freute Rolf sich immer darauf, seinen hoch angesehenen Bruder in Empfang zu nehmen. Die Fackeln loderten auf, die Glut spiegelte sich in Bronzeschmuck und feuchten Augen. Arnulf spürte, wie Frejdis sich an ihn lehnte, und legte einen Arm um sie. Er freute sich, dass sie hier war und Helge sie zusammen sehen würde, wenn er das Schiff verließ. Gab es einen besseren Ort, um seinen Arm um eine heißblütige Frau zu legen? Nach der Fahrt mit Helge wollte er mit seinen erbeuteten Reichtümern an die Tür ihres Vaters klopfen und beweisen, dass er imstande war, für Frejdis zu sorgen. Sie sollte die Seine sein, und Stridbjørn würde für ihn eintreten, auch wenn Arnulf ihn dafür mit seinem grauen Wolfsbart erwürgen musste! Arnulf lächelte. Zwar mochten ihn die Leute in der Siedlung wegen seines hitzigen Gemüts und der gedankenlosen Taten schräg ansehen, aber wenn er seinen wahren Wert und Mut auf See erst hatte beweisen können, würden sie schon merken, dass sie besser von ihm denken sollten. Frejdis würde es an nichts fehlen! Sie sollte so viele Bernstein- und Silberketten haben, wie ihr Hals tragen konnte, und ihre Vorratshütte würde überlaufen vor lauter Speck und Wild! Sie sollte so viele Sklaven haben, dass sie tagein, tagaus nichts anderes zu tun brauchte, als ihr goldenes Haar zu richten und ihre Schönheit mit ihm auf dem Bärenfell an der Feuerstelle zu teilen.

»Solltest du nicht ans Ufer gehen und deinen Bruder willkommen heißen?«

»Doch, schon.«

Arnulf nahm ihr Gesicht zwischen seine Hände. Er wollte ihr sagen, wie sehr er sich über Helges Rückkehr freute und wie stark seine Gefühle für sie waren, ihr anvertrauen, dass sein ganzer Körper vor Freude bebte, er schreien und springen wollte, doch stattdessen küsste er sie mit einem gewaltigen Hunger, der sie lachend zurücktaumeln ließ. Jäh ließ er sie wieder los und rannte den Hügel hinunter. Er watete durchs Wasser, um ganz nach vorne zu gelangen, wo das Schiff auflaufen würde.

»Da bist du ja!«

Rolf schlug seine Faust mit einem klatschenden Geräusch gegen Arnulfs. Das machte er immer, wenn er gut gelaunt war. Im besten Fall tat der Schlag weh genug, um Arnulfs Hand nachgeben zu lassen, aber diesmal leistete er guten Widerstand. Rolf bemerkte es nicht.

»Na, du verwachsenes Fohlen, hast du schon eine Strophe parat für deinen Bruder? Singen, das kannst du doch.«

Stridbjørn wuschelte Arnulf durchs Haar, denn heute war er auf alle seine Söhne stolz. Arnulf antwortete nicht, sondern blickte zum Schiff, wo das Segel eingeholt wurde. Es war jetzt ganz nah. So nah, dass er die Männer an Bord allmählich voneinander unterscheiden und das rhythmische Platschen der Ruder hören konnte. Frejdis holte ihn ein. Stolz wie ein Adler glitt das Schiff übers Wasser, aber der goldene Drachenkopf auf dem Steven war abgenommen worden, und die Gestalt direkt dahinter war breiter gebaut als Helge. Arnulfs Blick wurde so starr, dass seine Augen zu tränen begannen. Das war Halfred, Helges Steuermann! Arnulf biss sich auf die Zunge und spürte das Blut aus seinem Gesicht weichen. War Helge nicht an Bord? Warum stand Halfred an seinem Platz, anstatt am Steuer zu sitzen? War Helge am Königshof geblieben? Er hätte mitfahren müssen, der König hatte ihn schon so lange beherbergt. Ob er ihn wohl in sein Gefolge aufgenommen hatte? Undenkbar war das nicht. Die Enttäuschung ergriff Arnulf mit einer Hand aus Eis, dahinter lauerte Angst.

Halfred hob einen Arm und rief nach Stridbjørn, der seinen Gruß erwiderte. Unruhiges Gemurmel verbreitete sich unter den Versammelten, aber dass Helge nicht am Vordersteven stand, verdarb nicht die Freude jener, die nun ihre Männer und Angehörigen hinter den an der Reling prangenden Schilden wiedererkannten. Arnulf watete bis zu den Knien ins Wasser, fühlte, wie es gierig an seinen Füßen saugte. Halfreds Blick war düster. Die wettergegerbten Krieger in seinem Rücken verkniffen sich ihre Wiedersehensfreude und sahen verstohlen zu Stridbjørn. Mehrere waren verwundet und trugen blutige Verbände, als wären sie vor Kurzem in einen Kampf verwickelt gewesen. Auch Halfred hatte einen hässlichen Riss auf der Stirn. Das war kein gutes Zeichen. Arnulf wurde plötzlich kalt in seiner warmen Tunika.

Nun sprang Halfred von Bord und drückte Stridbjørns ausgestreckte Hand. Arnulf bekam schlecht Luft. Seine Brust zog sich so eng zusammen, dass ihm schwarz vor Augen wurde. Stridbjørns Augen brannten wie flüssiges Eisen, sein Gesicht war blass wie Eis. Trud hielt Halfreds Arm fest, und Stridbjørns Methorn fiel auf die Erde.

»Wo ist Helge? Ist er nicht bei euch? Ist er krank?« Truds Stimme war schrill.

Halfred sah sie an und verzog das Gesicht. »Helge ist tot, Trud. Er ist tot. Umgebracht auf dem Heimweg in der Bucht von Sælvig. Es geschah gestern Morgen.«

Die Worte trafen Arnulf wie ein Messerstich. Sein Blick verschwamm, er glaubte, ohnmächtig zu werden. Alles wurde unscharf, er hörte, wie Truds Schmerzensschreie die Dunkelheit zerrissen, und spürte Frejdis’ warme Hand in seiner. Tot! War Helge tot? Helge, sein geliebter Bruder Helge, der ihn mit auf See nehmen, ihm ein Schwert hatte schenken wollen. Das konnte nicht wahr sein, das durfte nicht wahr sein! Frejdis drückte seine Hand, so fest sie konnte, aber sie blieb schlaff, und er musste flach atmen, um überhaupt Luft zu bekommen. Der Sog der Wellen und der nachgebende Sand unter seinen Füßen brachten ihn ins Wanken.

Halfreds Worte lösten laute Wehrufe aus, viele Frauen fingen an zu weinen. Stridbjørn aber stand wie ein Fels in der Brandung und hielt Halfreds Blick fest, auch wenn seine Mundwinkel bebten. »Umgebracht, Halfred? Von wem?«

Halfred fuhr sich durch den geflochtenen Bart. Trud sank wimmernd zu Boden und riss sich die Bernsteinketten vom Hals, während sich die weinenden Frauen um sie versammelten.

»Von einem norwegischen Häuptling, Øystein Rabentöter aus Haraldsfjord. Helge hatte nach einem Trinkgelage auf einem Handelsplatz mit seiner Tochter geschlafen, gegen ihren Willen. Das hat Øystein ihm übel genommen. Er hat den halben Winter lang in der Nähe des Königshofs auf uns gewartet und uns bis nach Sælvig verfolgt.«

Halfred zog ein Schwert hervor, das Arnulf als Helges erkannte. Es hieß Schlangenzahn. Um Heft und Klinge wand sich eine silberne Schlange. Das Schwert hatte keine Scheide, und Stridbjørns Hand zitterte, als er die kostbare Waffe entgegennahm. Halfred seufzte tief. »Es fiel aufs Deck, als Øystein Helges Arm abhackte, aber Helge selbst ist im Meer versunken. Deshalb konnten wir ihn nicht mit nach Hause bringen.«

Arnulf drehte sich der Magen um, er kämpfte gegen ein heftiges Brennen im Hals an. Frejdis legte stützend einen Arm um ihn. Er konnte sein eigenes gequältes Stöhnen hören. Seine Augenwinkel brannten. Seine Lippen bebten. Er befreite sich, biss die Zähne zusammen und ballte die Fäuste so fest, dass sie zitterten. Bei Tyr, wenn er jetzt vor den Augen der Sklaven und Weiber wie ein dahergelaufenes Kind zu heulen anfing! Sein Bruder war als Krieger im Kampf gefallen – mit diesem Schicksal war er sicher nicht unzufrieden. Stridbjørn bekam kein Wort heraus, Halfred ließ seinen Bart los und fuhr fort: »Helge ist in einem ebenbürtigen Zweikampf gefallen. Wir haben seinen Tod gerächt, Øystein mit all seinen Männern getötet und ihr Schiff verbrannt. Seinen Sohn haben wir als Sklaven mitgenommen. Sollten du oder Trud weitere Vergeltung wünschen, so könnt ihr sie an ihm üben.«

Halfred winkte, woraufhin zwei Männer einen jungen Kerl von Bord trieben und ihn Stridbjørn vor die Füße schleuderten. Er war vornehm in eine dunkelblaue, brodierte Tunika gekleidet, das dunkelbraune Haar und der Bart waren sorgfältig gestutzt. Um den Hals trug er eine dicke Silberkette mit Thors Hammer, schwere Silberreife zierten seine Arme. Die Hände waren gefesselt, sein Blick trotzig und wütend, als er aufsah und aufzustehen versuchte. Halfred zog an dem Strick, den man um den Hals des Mannes gebunden hatte, wodurch er wieder hinfiel, doch der Norweger kämpfte hart dagegen an und blieb erst auf den Knien, als man ihm ein Messer an die Kehle hielt. Halfred spuckte ihm voller Verachtung auf den Kopf. »Aus Haraldsfjord ist keine Vergeltung zu befürchten, Stridbjørn. Wir haben alle Spuren verwischt, sie werden niemals herausfinden, wo ihr Häuptling ins Gras gebissen hat. Noch nie hat ein Mann so tapfer gekämpft wie Helge. Nachdem er seinen rechten Arm verlor, schwang er die Axt noch mit dem linken weiter und rief, es gebe keinen Grund, innezuhalten. Als Øysteins Schwert seinen Leib durchbohrte, bat er mich, euch zu grüßen und auszurichten, er bedauere, dass sich das Wiedersehen verzögere. Dann strebte er selbst zum Meer, und ich erschlug Øystein, noch ehe er sich mit seiner Untat brüsten konnte.«

Stridbjørn nickte kurz. Seine Fingerknöchel um das Heft von Helges Schwert traten weiß hervor. Trud schluchzte herzzerreißend und warf sich Sand ins Haar, Rolf bohrte still und leichenblass die Daumen in den Gürtel und atmete zischend ein und aus, den starren Blick auf das schwarze Wasser gerichtet, das seinen Bruder verschlungen hatte. Arnulf betrachtete das Schwert in der Hand seines Vaters. Genau so eines hatte Helge ihm versprochen. Nun wurde nichts aus der abenteuerlichen Reise, aus war es mit Kämpfen und Raubzügen, Helges neues Schiff würde seinen Bruder nie zu neuen Taten tragen, und er selbst würde Frejdis’ Vater keine Kostbarkeiten vorweisen können. Sein Körper fühlte sich wie ein angestochenes Fass an, dessen gesamter Inhalt hinausfloss und im Sand versickerte. Halfred ließ den Sklavenstrick fallen und legte die Hand auf Stridbjørns Schulter. »Helge ist jetzt bei den Einherjern, und wenn die Götter zur letzten Schlacht rufen, wird er an vorderster Front stehen.«

»Danke, Halfred.«

Stridbjørns Stimme war belegt, aber fest: »Und habt Dank für alles, was ihr für Helge getan habt. Er hatte seinen Männern nie etwas vorzuwerfen, ihr habt ihm immer treu und tapfer zur Seite gestanden.«

Er sah in die Runde und hob die Stimme: »Mein Sohn ist tot, aber wir wollen dennoch feiern! Lasst uns zu seinen Ehren trinken und uns daran erfreuen, dass sein Platz in Walhall nun nicht mehr leer steht!«

Seine Worte wurden von lauten Rufen erwidert. Halfred zog sein Schwert und schlug die flache Seite im Takt an den Steven, während er Helges Namen rief. Jeder, der eine Waffe führte, stimmte mit ein und schlug die Klinge gegen etwas, das Geräusche machte, sogar Rolf schlug die Hand gegen das Schiff. Der Sand schien unter dem Krach zu beben. Arnulf richtete sich auf und atmete tief ein. Er wollte schreien, um sich schlagen oder weglaufen, sich in der Dunkelheit verstecken. Jeder Muskel zitterte, während der Schmerz in der Brust anschwoll, sodass es sich anfühlte, als wäre er von einer Pfeilspitze aus Eis getroffen worden. Dennoch ging er ruhig zu Stridbjørn und Rolf.

Nun, da die düstere Botschaft verkündet worden war, begann die Freude hemmungslos zu brodeln. Nach weiterem Rufen steckten die heimgekehrten Krieger die Schwerter schließlich wieder in die Scheiden und machten sich lachend daran, Frauen und Kinder durch die Luft zu wirbeln. Männer fielen einander mit starken Armen um den Hals, und Geschenke wurden hervorgeholt, während man einigen von Bord helfen musste, da sie humpelten.

Trud stolperte weinend davon. Einige Frauen stützten sie. Viele bewegten sich in Richtung Siedlung, hatten die Arme umeinander gelegt oder trugen Säcke und Kisten von Bord. Stridbjørn legte die Hand aufs Schiff, als wäre es ein geliebtes Pferd. »Du hast ihn gut getragen«, sagte er mit gedämpfter Stimme. »Hab auch du meinen Dank.«

Danach sah er kurz zu Arnulf. »Mach den Sklaven in der leeren Hütte fest und sag den anderen, dass ich jeden umbringe, der ihn aufsucht.«

Wäre Helge nicht tot gewesen, hätte Arnulf sofort abgelehnt und gesagt, dass das nicht seine Aufgabe sei, nun aber gehorchte er brav und nahm den Strick in die Hand. Der Norweger warf ihm einen lodernden Blick zu, Arnulf nickte mit dem Kinn. Der Gefangene kam auf die Beine und schien ihm widerstandslos folgen zu wollen. Arnulf bemerkte, dass es ihm schwerfiel, den einen Fuß zu belasten. Stridbjørn legte eine Hand auf Rolfs Arm, und gemeinsam folgten sie Trud. Mehrere Leute schlossen sich ihnen an und begannen aufs Neue, Helges Namen zu rufen. Stridbjørn trug Schlangenzahn mit gestrecktem Arm vor sich her und erwies damit seinem verstorbenen Sohn Ehre. Arnulf schaute ihnen nach, während Frejdis Truds verstreute Bernsteinperlen aufsammelte und Arnulf einen betrübten Blick zuwarf, ehe sie sich trennten. Wenn Arnulf etwas ernsthaft beschäftigte, war er am liebsten allein, das wusste sie.

Arnulf hetzte den stark humpelnden Norweger nicht, sondern ging langsam am Ufer entlang auf den Wald zu, wo sich am Rand der Siedlung die Sklavenhütten befanden. Es tat gut, weg von den anderen und außer Reichweite der Fackeln zu kommen, hinein in die schützende Dunkelheit, wo niemand sein Gesicht sehen konnte. Die Beine waren schwer, und jeder Schritt schien plötzlich ungewohnt und fremd, als hätte Helges Tod mit einem Schlag den Lauf der Welt verändert. Das Wasser schwappte ruhig an den Strand, der Mond war beinahe voll und schien mit aller Kraft über den schwarzen Kronen des Waldes, als wollte auch er Helge huldigen. Er goss Silber über das Meer, das nun Helges Grab war. Arnulfs Hose war bis auf die Oberschenkel nass. Er erschauerte und kämpfte gegen den Drang an, zusammenzubrechen und den Tränen freien Lauf zu lassen. Helge war tot. Sein Bruder war tot. Alles schien vor seinen Augen auseinanderzufallen. Nicht nur Helge, sein ganzes Leben, seine erste Fahrt, sein brennendes Fernweh, seine Reiselust und alle Hoffnungen auf Frejdis.

Der Norweger ließ die Schultern hängen, während er durch den Sand hinkte. Arnulf blieb stehen und sah aufs Wasser. Ein Segel würde er dort nicht mehr erspähen, ganz gleich, wie hell es war. Nun würde Helge sein neues Schiff nie zu Wasser lassen. Arnulf hatte schon genau gewusst, wo er gesessen hätte. Schiffsbauer Aslak war mit seiner Hilfe so zufrieden gewesen, dass er ihm versprochen hatte, an diesem Ruderloch einen Adler in die Planke zu ritzen. Außerdem hatte Trud mit den Sklaven den ganzen Winter lang am Segel gearbeitet. Stridbjørn hätte so wenigstens die Möglichkeit gehabt, die leblosen Glieder seines Sohnes auf Feuerfahrt zu schicken. Helge hätte mit diesem Schiff nach Walhall reisen, mit ihm verbrannt werden sollen, bis zum Rand gefüllt mit Pferden und Waffen, doch stattdessen war er mit seiner tödlichen Wunde ins Meer gesprungen. Warum?

Ein plötzlicher Ruck riss Arnulf den Strick aus der Hand. Der Norweger hatte die Flucht ergriffen und rannte schnell wie ein Hase auf den Wald zu. Sein Fuß war kerngesund. Arnulf brüllte und nahm die Verfolgung auf, Wut strömte durch seine Adern und verlieh seinen Beinen Flügel. Er schwor auf sein Blut, so ließe er sich nicht zum Narren halten! Er würde diesem elenden Mördersohn schon zeigen, wo es langging!

Der Gefangene rannte schnell, für ihn stand alles auf dem Spiel, doch Arnulf kannte jeden Stein im Umkreis der Siedlung und war verrückt genug, um noch schneller zu laufen. Der klare Mondschein erhellte die Umgebung deutlich. Am Waldrand holte er den Norweger ein und stürzte sich auf ihn. Unsanft landeten sie in den verwelkten Blättern. Der Gefangene versuchte, ihn zu beißen, konnte sich mit seinen gefesselten Händen jedoch nicht verteidigen, Arnulf packte den Strick und trat darauf, um den Kopf des Norwegers am Boden zu halten. Er selbst sprang auf, sah rot. Helge war tot, der Vater des Gefangenen trug die Schuld daran. Arnulf zitterte vor unkontrollierter Wut und rammte seinen Fuß in den Bauch des Norwegers, der sich unter einem erstickten Schrei krümmte. Arnulf wollte sich für den Schmerz in seinem Herzen rächen, der ihn wie eine Schlange zerfraß, für Truds Tränen und Stridbjørns versteckte Verzweiflung. Für eine solch schreckliche Trauer war sein Körper zu klein, sie musste raus, atmen, gerächt werden! Der Norweger wimmerte, Arnulf schrie, die Tränen strömten wie flüssiges Eisen über seine Wangen. Er trat ihm so hart in die Rippen, dass ein Schmerz seinen Fuß durchzuckte. Der Gefangene versuchte, sich zu schützen, aber Arnulf versetzte ihm einen Tritt in die Seite. Er war nicht imstande, die in ihm schäumende Wildheit zu zügeln. Alles um ihn verschwamm, Wut und Trauer dröhnten wie eine Springflut durch seinen Körper. Rache! Er brauchte Rache! Es mochte zwar sein, dass Øystein für seine Untat schon mit dem Leben bezahlt hatte, doch auch Arnulf hatte das Recht, seinen Bruder zu rächen, selbst Rolf hatte das, und der Feigling zu seinen Füßen hatte damit jeden einzelnen Tritt, den Arnulf seinem elenden Körper verpasste, redlich verdient.

Der Norweger rang nach Luft und versuchte verzweifelt, zu entkommen. Er sah Arnulf mit verzerrtem Gesicht an. Irgendetwas in seinem Blick brachte Arnulf dazu, sich zu besinnen und seinem Tun mühsam Einhalt zu gebieten. Langsam schien die Umgebung wieder zurückzukehren. Seine Tunika war schweißdurchnässt. Der Norweger lag zusammengerollt und keuchend auf dem Waldboden, als wäre er kurz davor, sein Leben auszuhauchen. Arnulf trat einen Schritt zurück und wartete, den Strick fest in der Hand, bis sich die Wut ein wenig gelegt hatte. Die Stirn auf die Erde gestützt, schaffte es der Gefangene stöhnend auf die Knie und rang röchelnd nach Luft. Der Mond schien hell genug durch die hellgrünen Zweige, um den Kerl deutlich sehen zu können. Er war höchstens zwanzig Jahre alt. Kam aus Norwegen. Helge hatte begeistert von Norwegen erzählt. Von den Bergen. Den Fjorden. Den Wasserfällen. Diesen Mann aber konnte Arnulf nur hassen.

Allmählich bekam der Gefangene wieder Luft. Jetzt stöhnte er vorwiegend vor Schmerzen.

»Steh auf, du Hund, und sei froh, dass ich dir nicht die Kehle durchschneide!«

Der Norweger hob kurzatmig den Kopf: »Du hast mir die Rippen gebrochen!«

»Wenn das so ist, muss ich mich heute Nacht wenigstens nicht in den Schlaf weinen! Hoch mit dir!«

Der Gefangene kämpfte sich auf die Beine, doch sie gaben nach, er musste sich gekrümmt an einem Baum festhalten. Arnulf wartete, denn tragen wollte er ihn sicher nicht. Langsam erholte der Norweger sich und schaute ihn an. Seine Augen strahlten keine Boshaftigkeit aus, vielmehr tiefe Verzweiflung und Wehmut. Er schloss sie für einen Moment und hustete schmerzhaft.

»Lass mich gehen, Arnulf«, sagte er dann. Seine Stimme war heiser. Verblüfft riss Arnulf die Augen auf. »Dich gehen lassen? Bist du noch ganz bei Trost? Ich habe meinen Bruder verloren! Dein Vater hat ihn umgebracht, und jetzt fragst du mich, ob ich dich gehen lasse? Als ob du irgendetwas anderes verdient hättest als eine Tracht Prügel, du Bestie!«

»Und ich habe meinen Vater verloren!«

Der Norweger öffnete die Augen wieder und versuchte aufzustehen. Seine Mundwinkel bebten. »Meinen Vater und mehrere Freunde.«

Er brach ab, stöhnte und fuhr dann fort: »Mein Onkel war auch an Bord. Deine Trauer ist nicht einmal halb so groß wie meine, außerdem habe nicht ich deinen Bruder getötet. Lass mich gehen!«

Er stützte den Kopf an den Baum und sah übel mitgenommen aus. Arnulf spuckte auf den Boden. »Soll mein Vater etwa seinen Sohn verlieren, nur um dann die verfluchte Brut des Mörders davonkommen zu lassen?«

»Mein Vater hat mit seinem Leben bezahlt!«

Die Augen des Norwegers loderten wieder auf. »Und dein verdammter Bruder hat sich an meiner Schwester vergangen, sodass sie jetzt ein Kind in sich trägt, das sie nicht haben will!«

Arnulf fühlte, wie sein Blut erneut zu kochen begann. Wie konnte er es wagen! »Stridbjørn wird dir das Gerede schon noch austreiben! Und nur, wenn du mich auf Knien anflehst, werde ich deinen Fluchtversuch für mich behalten. Weißt du etwa nicht, welche Strafe einen flüchtigen Sklaven erwartet?«

Der Norweger funkelte ihn böse an und richtete sich auf. »Ich bin kein Sklave! Ich habe einen Namen, genau wie du, Arnulf! Toki heiße ich, Sohn von Øystein Rabentöter. Dieser Name ist jenseits von Haraldsfjord weit bekannt, und mehr Männer, als du ahnst, wären bereit, Øystein zu rächen, wenn sie von seinem Tod hören!«

Arnulf schnaubte höhnisch und ließ sich nicht beeindrucken. »Ein Sklave bist du, sonst nichts, und deinen Namen darf Trud bestimmen.«

Toki schüttelte den Kopf. Er gab nicht so schnell auf. »Lös meine Fesseln und sag, ich wäre entkommen. Du wirst es nicht bereuen, und ich werde dich reich belohnen, wenn du eines Tages in meinen Fjord kommst.«

Arnulf verspürte den Drang, den Norweger erneut zu treten, riss sich aber zusammen. »Helge wollte heimkehren, um mich abzuholen, bist du zu dumm, um das zu verstehen? Wir wollten zusammen auf See gehen, er hatte ein Schwert für mich. Ich habe Aslak dabei geholfen, sein neues Schiff zu bauen, und jetzt ist Helge tot!«

Toki senkte für einen Augenblick den Kopf. »Du musst mich wirklich hassen.«

»Natürlich hasse ich dich«, schrie Arnulf. Die unverschämte Rede des Sklaven und das Gefühl, die Fassung zu verlieren und einen Fremden seine Tränen sehen zu lassen, trieben ihn zur Weißglut.

»Wenn du auf See willst, hast du doch noch einen Grund mehr, mich freizulassen. Mein Schiff in Norwegen wartet nur darauf, dass ich eine Besatzung für meine erste Fahrt ohne Øystein zusammenstelle«, rief Toki. »Komm mit, Arnulf, lass deine Trauer hinter dir! Ich will dieses Jahr nach Westen. Ein Isländer hat mir von einem Ort erzählt, an dem es viel Silber geben soll.«

Arnulf schüttelte den Kopf und verengte die Augen vor Wut zu Schlitzen. »Ich soll meiner Familie den Rücken kehren und mit einem Sklaven abhauen? Für wen hältst du mich? Toki Øysteinsson, du wirst genauso wenig auf See gehen wie ich, und wenn Stridbjørn erst die Sklavenpeitsche in die Hand bekommt, wird er deinen Stolz brechen, sodass du durch den Staub kriechst!«

Er zog am Strick, sodass Toki beinahe das Gleichgewicht verlor. Der Norweger verfiel in Schweigen. Er brauchte seine Kräfte, um mit Arnulf Schritt zu halten, der glühend vor Zorn voranging. Auf dem restlichen Weg zur Sklavenhütte wurde kein weiteres Wort gesprochen. Arnulf vergoss keine Träne mehr, doch es war, als würde das Herz seine Brust zersprengen, und er wünschte sich, den verrückten Norweger und sein Gerede so schnell wie möglich loszuwerden.

Kapitel 2

Die Sklaven waren allesamt damit beschäftigt, das Festmahl für die heimgekehrten Wikinger zuzubereiten, weshalb ihre Ecke der Siedlung wie leer gefegt war. Arnulf fand eine Tranlampe an einem Türpfosten, zündete sie an und zog Toki hinter sich her zu der kleinsten Hütte. Darin wurden Fässer und Tongefäße aufbewahrt. Arnulf schubste Toki unsanft zu dem Balken, der das undichte Dach stützte. »Hinsetzen!«

Der Norweger sah Arnulf mit stechendem Blick an, gehorchte jedoch. Arnulf löste den Strick von seinem Hals und band stattdessen seine Arme fest an den Balken. Toki ließ ihn nicht aus den Augen. »Denk über mein Angebot nach, Arnulf. Viele erprobte Kämpfer würden es, ohne zu zögern, annehmen und Gift darauf nehmen, dass das Glück meines Vaters auch mir zuteil ist.«