Die Wikingerbrüder - Veulf - S. C. Pedersen - E-Book
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Die Wikingerbrüder - Veulf E-Book

S. C Pedersen

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Beschreibung

Ein junger Wikingerkrieger auf den Meeren der Welt … Wie ein Blitz zieht der Schmerz durch seinen Körper … Nach einem brutalen Kampf, an dessen Ausgang er sich nicht erinnern kann, erwacht der Wikingerkrieger Arnulf benommen und verwundet in einem englischen Kloster – und findet sich in der Obhut eines Mönchs namens Stephen wieder. Wie ist er dort hingelangt? Und wohin wird ihn der Pfad des Schicksals als nächstes führen? Auf der Suche nach Antworten schließt der Nordmann sich unter neuem Namen – Veulf – einem Beutezug an, verfolgt von den Geistern der Vergangenheit – und der Erinnerung an seine einstige Geliebte Frejdis. Um zu überleben wird er seinen Schmerz in einen undurchdringbaren Panzer aus Stärke verwandeln müssen … Der zweite Band der epischen »Wikingerbrüder«-Saga über Ehre, Treue und Blutsbande; für Fans von Ulf Schiewe, Jürgen Bärbig und The Last Kingdom

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Seitenzahl: 640

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Über dieses Buch:

Wie ein Blitz zieht der Schmerz durch seinen Körper … Nach einem brutalen Kampf, an dessen Ausgang er sich nicht erinnern kann, erwacht der Wikingerkrieger Arnulf benommen und verwundet in einem englischen Kloster – und findet sich in der Obhut eines Mönchs namens Stephen wieder. Wie ist er dort hingelangt? Und wohin wird ihn der Pfad des Schicksals als nächstes führen? Auf der Suche nach Antworten schließt der Nordmann sich unter neuem Namen – Veulf – einem Beutezug an, verfolgt von den Geistern der Vergangenheit – und der Erinnerung an seine einstige Geliebte Frejdis. Um zu überleben wird er seinen Schmerz in einen undurchdringbaren Panzer aus Stärke verwandeln müssen …

Über die Autorin:

S. C. Pedersen (geb. 1967) ist eine dänische Schriftstellerin und Musikerin. In ihrer mitreißenden Reihe um den mutigen Krieger Arnulf erweckt sie die Wikingerzeit wieder zum Leben – die fiktionalen Ereignisse und Figuren in ihren Romanen basieren auf gründlicher Recherche und historischen Begebenheiten.

Bei dotbooks erscheint außerdem ihr Roman »Die Wikingerbrüder – Veulf« als eBook.

Die Autorin im Internet: www.scpedersen.dk/

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eBook-Neuausgabe September 2024

Die dänische Originalausgabe erschien erstmals 2005 unter dem Originaltitel »Arnulf« bei Forlaget Zara, Roskilde.

Copyright © der dänischen Originalausgabe 2005 Forlaget Zara Aps; Copyright © der eBook-Ausgabe 2024 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von Shutterstock/dore art, A. Dina und AdobeStock/Salsabila Ariadina

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (fe)

ISBN 978-3-98952-305-0

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dotbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, einem Unternehmen der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt: www.egmont.com/support-children-and-young-people. Danke, dass Sie mit dem Kauf dieses eBooks dazu beitragen!

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S.C. Pedersen

Die Wikingerbrüder – Veulf

Historischer Roman

Aus dem Dänischen von Rebecca Jakobi

dotbooks.

Figurenverzeichnis

Arngrim Rune, Jomswikinger

Arnulf, Sohn von Stridbjørn

Aslak, Schiffsbauer in Egilssund

Astrid Burislafsdatter, Gattin von Jarl Sigvaldi

Bjørn der Waliser, Jomswikinger und Ziehvater von Vagn

Bui der Dicke, Jomswikinger und Sohn von Jarl Veseti von Bornholm

Erik Hakonsson, Sohn von Jarl Hakon

Frejdis, Arnulfs Freundin

Hakon, Jarl von Norwegen

Halfred, Helges Steuermann

Haug, Jomswikinger von Bornholm

Hedin, Vater von Frejdis

Helge, Arnulfs Bruder

Hildegun, Mutter von Toki und Jofrid

Hød-Ulf, norwegischer Inselbauer

Ingeborg, Tochter von Thorkel Leira

Jofrid, Tokis Schwester

Stridbjørn, Arnulfs Vater

Kjartan, Jomswikinger

Leif Kluftnase, Wikinger aus Haraldsfjord

Palnatoki, Gründer von Jomsborg

Ranvig, Tochter von Toki und Gyrith

Rolf, Arnulfs Bruder

Sigrun, Mutter von Frejdis

Sigurður, Handelsmann aus Island

Sigvaldi Stutz-Haraldsson, Jarl von Jomsborg

Skarde, Leibwächter von König Sven

Skargeir Torfinnsson, Jomswikinger

Skofte, Sklave von Jarl Hakon

Stefanus, englischer Mönch

Stentor, Gyriths Vater und Gode aus Haraldsfjord

Sven Haraldsson, König von Dänemark

Svend Seidenhaar, Jomswikinger und Vagns Vetter, Sohn von Bui dem Dicken

Toki Øysteinsson, Häuptlingssohn aus Haraldsfjord

Thorkel der Hohe, Jomswikinger und Sigvaldis Bruder

Thorkel Leira, Lehnsmann von Jarl Hakon

Toste Skaldenschild, Wikinger aus Haraldsfjord

Tova Stutz-Haraldsdatter, Gattin von Sigurd Mantel

Trud, Arnulfs Mutter

Vagn Akisson, Jomswikinger, Vetter von Svend Seidenhaar und Enkel von Palnatoki

Æthelred, König von England

Øgmund Weiß, Lehnsmann in Tønsberg

Øystein Rabentöter, verstorbener Häuptling aus Haraldsfjord

Åse, Gattin von Øgmund Weiß

Kapitel 1

Skinfaxis Auge brannte ohne Licht und dennoch grellweiß, erst aus der Ferne durch den Nebel, dann immer näher, ein blendender, kugelrunder Puls, der stetig grausamer zupackte. Der Durst wurde schlimmer, die Haut platzte auf, Nidhöggr biss zu.

Sobald Arnulfs Körper erwachte, wurde er von schrecklichen Schmerzen übermannt. Wie geschmolzenes Eisen flossen sie über seine Stirn, sein Auge, die Wange hinab. Er versuchte, die Augen zu öffnen, aber sah nur ein Gewirr aus Spinnweben. Vernahm sein eigenes gequältes Stöhnen, blinzelte und erlangte seine Sehkraft zurück, jedoch nur auf einer Seite, dann brach die Umgebung über ihm zusammen, eine wogende Decke, schwimmende Wände, flackerndes Licht. Er wollte sich schützen, doch seine Arme waren steif und schwer, er traf nichts als Luft.

Eine Gestalt beugte sich über ihn und hob behutsam seinen Kopf an, presste einen Krug an seine Lippen. Das Wasser war kalt, Arnulf trank einen großen Schluck und konnte wieder klar sehen. Der Raum ähnelte einer Vorratshütte oder einer leeren Werkstatt, außer dem Bett ließen die lodernden Kerzen nur einen kleinen Tisch mit zugehörigem Schemel erahnen. Ein großer, magerer Mann stützte Arnulfs Nacken und redete in einer fremden Sprache freundlich auf ihn ein, Arnulf schaute ihn verwirrt an und erstarrte. Der Mann hatte kurze Haare, einen kahlen Scheitel und trug eine Kutte, unter dem bartlosen Kinn baumelte ein Silberkreuz um seinem Hals. Lächelnd stellte er Fragen, doch Arnulf sträubte sich vor Entsetzen und wollte sich aus seinem Griff befreien. Ein Mönch! In seinem Kopf tummelten sich die Gedanken. Bei all den Feinden am Strand hatten ihn ausgerechnet die schrecklichen Männer des Weißen Christus gefangen genommen! Stentors Worte über die Grausamkeit der Mönche hallten dumpf in seinem Hinterkopf wider, und bei Tyrs Tod, er hätte schwören können, dass da erstickte Schreie in den Schatten an der Wand lauerten! Sie wollten ihn opfern, ihrem Gott zu Ehren bei lebendigem Leib verzehren und sein Blut trinken.

Arnulf schlug die Hand weg und setzte sich auf, doch die Bewegung ließ einen Blitz durch seine Wunde zucken, und eine überwältigende Übelkeit schnürte ihm den Magen zu. Er schaffte es gerade noch, sich über den Boden zu beugen, ehe die heiße Flüssigkeit aus seinem Rachen schoss, dann krümmte er sich jammernd und vergrub das Gesicht in den Händen, besinnungslos vor Schmerzen, die den Tod in den Schatten stellten, es tat so weh, so schrecklich weh!

Der Christ legte ruhig eine Hand auf seine Schulter und fuhr mit seinen freundlichen Worten fort, doch Arnulf war allenfalls so ruhig wie ein Hase im Angesicht eines Fuchses. Ihm war schwindlig, seine Arme zitterten vor Erschöpfung, er hatte keine Kraft, um Widerstand zu leisten, war dem Glatzkopf vollkommen ausgeliefert!

Mit einem warmen Griff entfernte der Mönch die geschwollenen Handgelenke von der verbundenen Wunde, seine Stimme nahm einen mahnenden Klang an. Arnulf versuchte, sich zu sammeln, und schluckte mit leerem Blick Erbrochenes hinunter. Ohne das geringste Anzeichen von Feindseligkeit reichte der Mann ihm den Krug erneut. Woher kam diese Fürsorge? Wer war der Mann in der Kutte, er hatte wohl kaum die Axt geführt. Und wer hatte Arnulf hierhergebracht? Der Mönch? Aber warum? Der Axtschwinger hatte versucht, zu töten, doch irgendjemand musste seinen nächsten Hieb abgewehrt haben.

Der Schmerz siegte über den Willen, Arnulf ballte die Hände zu Fäusten und trank. Versuchte durchzuhalten. Etwas ziepte an der verletzten Hand, und er bemerkte kleine, feine Knoten in der Haut, als hätte man sie zusammengenäht wie ein Wollhemd. Gab es hier denn keine Wundklemmen? Und warum sollte man seine Hand versorgen, wenn man ihn doch dem Weißen Christus opfern wollte? Die Kuttenfalten gaben ein gutes Versteck für ein Opfermesser ab.

Für eine Weile schwieg der Christ, dann deutete er auf sich selbst und sprach das Wort deutlich aus: »Stefanus«.

Er wiederholte den Namen, Arnulf blinzelte langsam, behielt seinen eigenen Namen aber für sich. Dann zeigte Stefanus auf das vornehme Goldkreuz, das trotz des harten Kampfes mit dem Meer immer noch um Arnulfs Hals hing. Nun lag Freude in seiner Stimme, doch Arnulf zog die Kette wütend an sich. Er mochte vielleicht verwundet und wehrlos sein, aber bestehlen ließ er sich nicht! Beschwichtigend hob der Mönch die Hand und berührte sein eigenes Kreuz, Arnulf hörte den Namen des Weißen Christus aus seinem Wortschwall heraus und versuchte, klar zu denken. Ob Stefanus wohl glaubte, dass auch er ein Anhänger des Weißen Christus sei? Hatte er ihm das Kreuz deshalb nicht abgenommen, obwohl es so wertvoll war? In diesem Fall musste er vollkommen den Verstand verloren haben! Wussten nicht gerade die Klostermönche, wie man Reichtümer anhäufte?

Arnulf fiel es schwer, seinen Blick zu fokussieren, er ließ ihn gleiten, bis er an der Tür hängen blieb. Dort lehnte Schlangenzahn an der Wand. Eilig sah er zu Stefanus auf, das Schwert war hier! Unter der Decke ertastete er auch sein Messer, Stefanus war wirklich nicht ganz bei Sinnen!

Der Christusanbeter schien nichts zu bemerken, Arnulf schloss müde das Auge. Was nutzte ihm Schlangenzahn, wenn er sich schon übergeben musste, sobald er versuchte, sich aufzurichten, hier war kein Strick vonnöten, die Schmerzen fesselten ihn ans Bett wie Gleipnir. Lauter Pech und Unglück, Jofrid musste ihre Drohung wahrgemacht und Seiðr gegen ihn eingesetzt haben!

Stefanus deckte ihn zu, und Arnulf schaffte es nicht, wieder hinzusehen. Er war noch nie so entkräftet gewesen, nicht einmal damals im Herbst, als er mit Fieber flachgelegen hatte. Die Stille der Nacht zähmte den unruhigen Atem und blies den Sturm und den Kampf ein Stück fort, die Wellen aber schaukelten immer noch in seinem Körper, auch wenn sie sanft waren, selbst den Schmerz konnte die Müdigkeit überwinden.

Das Kreuz rutschte ihm aus den Fingern, Stefanus begann, den Boden zu wischen. Hatte die Tochter des Jarls ihm das Leben gerettet? Wie sollte er einem Mann bloß Fragen stellen, der eine so unverständliche Sprache sprach? Fenrir beschütze ihn, Veulf Welpenhaut, denn nun blieb nur noch der Riesenwolf zurück!

Kapitel 2

Sanfter Gesang ertönte bei Morgengrauen, vielleicht aus einem Traum. Er erinnerte an summende Frauen, doch der Klang war zu tief, entfernt stiegen und fielen die ruhigen, anhaltenden Töne, ohne Eile, ohne Handlung oder Kraft. Wie fliegende Daunenfedern schien der Gesang zwischen den Stimmen hin- und herzutreiben, und Arnulf schaute auf. Er war allein in der Hütte, graues Morgenlicht sickerte durch die angelehnte Tür. Draußen waren ein offener Platz und eine Hausmauer zu erahnen, und ein durchdringendes Hahnenkrähen ließ die monotonen Stimmen verfliegen. Er legte den Handrücken auf die Stirn und zwang sich, wach zu werden. Jetzt kamen sie ihn holen! Die Mönche hatten ihn über Nacht nur am Leben gelassen, um auf den Tag zu warten, sobald die Sonne aufging, würde Stefanus die Opferung vorbereiten und ihn holen! Stentor hatte doch von den grausamen und blutigen Ritualen erzählt!

Arnulf rieb sich das Gesicht und zückte sein Messer. Die Übelkeit hatte seinen Magen immer noch im Griff, der Schmerz lag mit halb geöffneten Augen auf der Lauer. Seine Glieder schienen nicht stärker als zuvor. Die genähte Hand murrte, das Schienbein war warm und geschwollen, bei Balders Tod, er fühlte sich elend! Die Muskeln waren steif und unbrauchbar.

Sie sangen für den Weißen Christus, Stefanus und seine Gefährten, doch so sanft ihre Stimmen auch wirken mochten, Arnulf wusste es besser! Milde und Feigheit war ihre Tarnung, doch an ihren Händen klebte Blut, so viel, dass sie sogar davon tranken! Er wurde unruhig. Wenn Stentor jetzt hier wäre, könnte er seinen Eid erfüllen und Kreuzmord begehen, seine Klinge würde reiche Ernte einfahren, und Arnulf könnte gut etwas Unterstützung gebrauchen, diese verdammte Schwäche! Er wollte sich schlafend stellen, wenn sie kamen, und sich dann verteidigen, so gut er konnte, er würde nicht tatenlos sterben!

Der Gesang hielt an, unbeirrt wie die aufgehende Sonne. Arnulf lauschte. Die Melodie schlich sich in den Körper, heftete sich an die Atemzüge, aber besonders unterhaltsam war das Lied nicht. Ob Toki wohl glaubte, dass er ertrunken sei? Hatte er Leifs Missetat beobachtet oder den Wellen die Schuld am Unglück gegeben? Das Auge! Arnulf stöhnte. Die Axt hatte ihn am Auge getroffen, deshalb fühlte es sich so an, als sei es nicht mehr da! War er nun halb blind wie Fjølnir in Egilssund? Dessen Auge hatte es beim Holmgang erwischt und war den Sommer über verwest. Seitdem konnte Fjølnir nicht mehr gut zielen. Der Fluch der Asen, Jofrids Seiðr, alles deutete darauf hin, dass man ihn opfern würde, wozu noch eine Verstümmelung bedauern?

Unter dem Verband brannte es, auch wenn das Wundfieber noch auf sich warten ließ. Hlidskialf zerbarst, er war so müde! Allein das Messer festzuhalten, kostete Kraft, das war alles Leifs Schuld, dieser Verräter! Rache, er wollte Rache, und wenn er die Kluftnase bis zum Ende der Meere jagen musste!

Der Gesang hörte auf.

Stefanus trug weder Strick noch Opfermesser bei sich, als er eintrat, nur eine dampfende Schale, und in seiner Miene lag auch kein Blutdurst. Arnulf erwiderte seinen Gruß nicht, aber ließ das Messer los, er hätte sowieso nicht richtig zustoßen können. Stefanus zog einen Schemel ans Bett und legte Arnulf eine Hand an die Stirn. Dass er kein Fieber hatte, schien den Mönch zu freuen, er deutete auf das Goldkreuz und nickte. Dann blickte er nach oben, sagte einige Worte auf, die anders klangen als sonst, und malte über der Schale ein Kreuz in die Luft. Es duftete nach Suppe. Hinter der zähen Übelkeit machte sich Hunger bemerkbar, doch Arnulf wandte sich ab, als Stefanus den Löffel hob. Es war schon schlimm genug, sich wie ein Säugling von einem Fremden füttern zu lassen, aber Nahrung einzunehmen, über die er soeben Beschwörungen ausgesprochen hatte, kam gar nicht infrage! Gegen Jofrids Seiðr anzukämpfen, reichte völlig aus, der Weiße Christus konnte seine schwarze Magie gerne behalten!

Stefanus redete auf ihn ein und schlürfte die Suppe selbst, der Hunger war nun gleichauf mit dem Schmerz. Der Weiße rauchte kein Gift, um zu töten, und ganz gleich, was man ihm ins Essen gemischt hatte, es würde die Glieder wohl kaum noch mehr schwächen. Stefanus hörte sich jetzt vorwurfsvoll an. Arnulf musterte ihn. Würde Fenrir nicht auch fressen, was man ihm vorsetzte? Im Inhalt der Schale schlummerte Kraft, Kraft, die seine Wunde heilte. Hatte es Helge denn geschadet, sich mit einem fremden Gott abzugeben und sich zum Schein taufen zu lassen? Er unterdrückte die Demütigung und ließ Stefanus den Löffel führen. Viele wurden es dennoch nicht, da er sich wieder so heftig übergeben musste, dass das Stroh raschelte. Der Mut schwand, wie sollte er je gesund werden, wenn die Nahrung schneller wieder hochkam, als er sie hinunterschlucken konnte?

Stefanus wirkte nicht überrascht und stellte die Schale auf den Boden. Er gab Arnulf Wasser und lockerte den Verband. Arnulf musste sich schwer zusammenreißen, um die Berührung zu ertragen. Es fühlte sich an, als hätte man einen Pflug durch sein Gesicht gezogen, und er musste die Füße an die Bettpfosten stemmen, als die verwundete Haut entblößt wurde. Er wollte das Schadensausmaß abtasten, aber Stefanus hielt seine Handgelenke fest und schüttelte den Kopf. Stattdessen versuchte Arnulf, das Auge zu öffnen, er hatte Angst, herauszufinden, wie es um seine Sehkraft stand. Auch wenn es so schmerzte, dass ihm schwindlig wurde, gelang es ihm, das Augenlid gerade so weit zu öffnen, dass ein Lichtschleier durch den Spalt drang. Schnell sah er zu Stefanus, der auf seine eigenen Augen deutete und nickte, während er etwas in der fremden Sprache erklärte. Arnulf atmete schwer. Er konnte sehen! Er war nicht blind, nur das Lid hatte etwas abbekommen! Es war geschwollen, aber die Wunde blutete nicht, vielleicht hatte Stefanus sie wie die Hand genäht.

Der Mönch trug eine Salbe auf, Arnulf beschwerte sich, denn das Leid schmälerte die Freude über das Licht, konnte der Mann in der Kutte nicht einfach wieder gehen? Gehen und ihn allein lassen, damit er sich in den Schlaf fliehen und Angst und Elend entkommen konnte, dem Pech und den Flüchen? Arnulf hielt seine Schreie im Zaum, harte Hände spannen seinen Lebensfaden, der schwielige Schicksalsgriff brannte und provozierte Trotz!

Er sah Stefanus eindringlich an, der sauberes Leinen auf die Wunde legte. »Wie bin ich hierhergekommen?«

Er sprach deutlich und zeigte auf sich selbst und die Hütte, seine Stimme war heiser vor Schreien und Salzwasser. Stefanus wickelte den Stoff um Arnulfs Kopf und antwortete ebenso deutlich in seiner sonderbaren Sprache, während er auf sich zeigte und eine Bewegung machte, als würde er etwas von der Tür zum Bett tragen.

»Das warst du? Warum?«

Der Mönch lächelte, deutete auf das Goldkreuz und erwähnte den Weißen Christus. Er musste wirklich der Auffassung sein, dass sie ihren Glauben miteinander teilten. Arnulf nickte vorsichtig und versuchte, ein Schiff in die Luft zu zeichnen. »Und das Schiff? Ist es weggefahren? Hast du ein Schiff gesehen? Toki? Toki Øysteinsson?«

Stefanus schüttelte den Kopf und machte eine Geste, als hätte er den Faden verloren, Arnulf atmete tief durch. Er war allein, die Norweger mussten denken, dass er ertrunken oder getötet worden sei.

»Bin ich frei oder ein Gefangener? Was wird mit mir geschehen?«

Seine Gebärden funktionierten nicht, Stefanus schien ihn nicht zu verstehen, sondern drückte nur sanft die Hand auf seine Schulter, als Zeichen, liegen zu bleiben. Arnulf schüttelte den Kopf und bereute die Bewegung sofort.

»Du irrst dich, ich bin kein Anbeter des Weißen Christus, mein Gott heißt Fenrir.«

Der Mönch nickte eifrig bei dem Wort, das er wiedererkannte, Arnulf schloss das Auge. Die Axt hatte ihm den Willen ausgetrieben, er musste sich etwas einfallen lassen, wie er den Mönchen entkommen konnte, aber die Gedanken überschlugen sich schmerzzerreißend. Wenn er nicht starb, wollte er schlafen, immerhin hatte er nicht wie Leif seine Nase verloren! Diese Narbe war entstellend, ein Hieb gegen die Wange zeugte trotz allem von Mut. Helge hatte seine Wundmale wie Silber getragen. Geduldig musste Arnulf sein, geduldig wie der Riesenwolf selbst!

Kapitel 3

Den Großteil des Tages verbrachte Arnulf in unruhigem Schlaf. Hin und wieder wurde er von seinem eigenen Jammern geweckt, doch die Müdigkeit war stark genug, um ihn jedes Mal wieder in den Schlaf zu ziehen und Linderung zu gewähren. Wenn er wach war, gab Stefanus ihm Wasser und wickelte einen frischen Verband um die Wunde, saß sonst aber an dem kleinen Tisch und arbeitete sorgfältig mit langen weißen Gänsefedern. Was er genau tat, konnte Arnulf nicht sehen, und er scherte sich auch nicht darum. Abends gelang es ihm, ein wenig zu essen, ohne sich zu übergeben, und die Ruhe hatte seine angestrengten Muskeln entspannt. Stefanus freute sich darüber, zeigte auf das Goldkreuz und reckte die Hände in die Luft. Obwohl Arnulf die Nähe eines fremden Gottes nicht gefiel, war er erleichtert über die Besserung und dass er immer noch kein Fieber hatte.

Auch nachts konnte er schlafen, doch im Morgengrauen weckten ihn der Gesang und die Schmerzen. Da die schlimmste Erschöpfung überwunden schien, ließen ihn seine Wunden nun nicht mehr in Frieden.

Stefanus war draußen, Arnulf bewegte sich vorsichtig und überlegte, ob er es wagen sollte, sich aufzusetzen. Er konnte die Arme heben, ohne zu zittern, und war nicht mehr benebelt. Unter der Decke wuchs die versäumte Sehnsucht nach Frejdis, nein, sterben würde er nicht! Lächelnd beschloss er, seine Flucht noch eine Weile hinauszuzögern, doch besonders viel Freude bereitete ihm diese Entscheidung nicht, ehe der Mönch wieder in die Hütte kam und ihn grüßte. Arnulf versuchte, sich die Enttäuschung nicht anmerken zu lassen, und grüßte zurück, woraufhin Stefanus sich plaudernd auf die Bettkante setzte, den Verband löste und äußerst zufrieden mit dem Anblick wirkte. Der Salbentopf wurde unter einem Strom unverständlicher Fragen hervorgeholt, doch plötzlich erstarrten die Finger am Rand des Topfes, und der Kuttenmann horchte auf.

Durch die geschlossene Tür war ein aufgeregter Ruf zu hören, kurz darauf stimmten andere mit ein, ein jammernder Schrei löste Hundegebell und Hühnergackern aus. Eine Glocke begann zu läuten, beim Geräusch von Fußgetrappel und knallenden Türen stand Stefanus leichenblass auf. Arnulf sah zu Schlangenzahn neben der Tür und nahm das Messer in die Hand, während der hämmernde Puls durch die Stirn zu platzen drohte. Also kam Toki doch! Die Norweger waren zurückgekehrt, wer sonst könnte die Halbglatzen dort draußen zum Heulen und Laufen bringen wie Schweine beim Abbrühen? Heil Fenrir, ganz verlassen war er doch nicht!

Das Glockengeläut verstummte, er zog sich das Goldkreuz über den Kopf und versteckte es im Stroh, um nicht für einen Verbündeten der Mönche gehalten zu werden, während Stefanus den Salbentopf fallen ließ und unsicher schien, ob er wegrennen oder bleiben sollte. Nun waren andere Rufe zu hören, starke, gebieterische Stimmen. Arnulf kämpfte sich hoch und blieb mit festem Griff um die Bettkante sitzen. Zum Entsetzen des Mönchs wurde die Tür aufgerissen, und ein Mann trat ein. Die Hoffnung auf Tokis Hilfe zerbrach.

Jung war der Eindringling, seine Axt blutig, sein blondes Haar dicht und fein wie Seide, die nackten Arme vernarbt wie die Haut eines alten Ebers. Die kurze Lederweste wies Kampfspuren auf, am Gürtel hingen ein Langmesser und ein Sax, an dem auch zwei blutbesprenkelte Silberkreuze baumelten. Beim Anblick von Arnulf, der herausfordernd zurückstarrte und das Wolfsmesser sichtbar zückte, blieb er verdutzt auf der Türschwelle stehen. Der Mann hatte getötet, und das mehr als nur einmal. Wenn er Arnulf für einen Verbündeten der Mönche hielt, konnten Helge und Rolf schon bald zum Gastmahl laden.

Die Augen des Wikingers funkelten, Stefanus suchte Zuflucht hinter dem Tisch und stieß schrille Beschwörungen aus, das Kreuz in der erhobenen Hand. Von draußen tönten entsetzte Schreie, Stefanus fiel mit Tränen in den Augen und in Todesangst auf die Knie. Ohne Arnulf aus dem Blick zu verlieren, begab sich der blonde Jüngling zum Mönch, und mit einer Gleichgültigkeit, als träte er einen Hund aus dem Weg, versenkte er die Axt in dessen Hals.

Der Christusanbeter fiel röchelnd und mit zuckenden Gliedmaßen um, Arnulf verzog keine Miene, denn die Axt trank schwaches Blut. Seine Hand am Messer pulsierte, auf einmal wurde seine Tunika klamm. Der Wikinger machte einen langsamen Schritt zum Bett, als wollte er Arnulfs Kaltblütigkeit auf die Probe stellen. Trotz der bedrohlichen Körperhaltung strahlte das Gesicht keine Feindseligkeit aus, und es fiel Arnulf schwer, zu glauben, dass ihn das gleiche Schicksal ereilen sollte wie Stefanus. Der Fremde ließ die Waffe auf der Schulter ruhen, dann aber sprang er ohne Vorwarnung mit einem gezielten Hieb nach vorn. Obwohl ein stechender Schmerz seine Muskeln durchzuckte, rührte Arnulf sich nicht, angespannt bis aufs Äußerste. Die Axt wurde eine Haaresbreite vor seiner Haut gestoppt, Arnulf spürte schaudernd die kalte Schneide in seiner entblößten Wunde.

Der Wikinger verengte die Augen zu Schlitzen und ließ Raum für einen Gegenangriff, doch Arnulf blieb regungslos. Durch seine Adern schwirrte ein Bienenschwarm, er musste sich beherrschen, um nicht voreilig zu handeln. »Nimm die Axt von meiner Haut, Thorsmann, ich will mein Blut nicht mit dem eines Mönchs vermischen!«

Der Fremde runzelte die Stirn, doch gleich darauf kam Heiterkeit zum Vorschein, er lachte kurz auf, senkte seine Waffe und wischte mit der Fingerspitze einen Schweißtropfen von Arnulfs Schläfe. Arnulf lockerte seinen Griff um das Messer, der Wikinger steckte die Axt in den Gürtel und trat einen Schritt zurück. »Ich bin Svend Seidenhaar, Krieger aus Jomsborg, Sohn von Bui dem Dicken und Sohnessohn von Veseti, Jarl von Bornholm. Wer bist du?«

Bei Odin! Ein Jomswikinger! Arnulf ließ sich seine Beklommenheit nicht anmerken und hielt es nun doch für ratsam, das Messer in der Hand zu behalten. Winterabende mit stolzen Heldenliedern quollen hervor, Geschichten über die prächtigsten und stärksten Krieger überhaupt und damit auch Tokis Hochachtung und Ehrfurcht.

»Veulf.«

»Veulf? Sonst nichts?«

»Hängt der Wert eines Mannes von der Länge seines Namens ab?«

Arnulf war nicht danach, seinen Ruf als geächteter Brudermörder mit Svends Abstammung zu messen. Die graublauen Augen des Sohnes von Bui schillerten. »Nein. Mein Name ist womöglich kürzer als deiner!«

Er sah sich neugierig in der Hütte um und entdeckte Schlangenzahn. Schamlos zog er das Schwert aus der Scheide und schwang es prüfend durch die Luft. »Deins?«

Er musterte die Klinge und wog das Schwert in der Hand.

»Ja!«

Schlangenzahn passte nicht in fremde Hände.

»Ein gutes Schwert. Das nehme ich mir.«

»Dann musst du erst mit mir kämpfen, das Schwert ist das Erbe meines Bruders!«

Svend schien sich über die Bemerkung zu amüsieren und steckte das Schwert wieder in die Scheide. »Mit dir kämpfen? Ich könnte dich zu meinem Sklaven machen!«

»Nur, wenn du gewinnst!«

Arnulf war zu allem bereit. Draußen hatten der Tumult und die Schreie aufgehört, Gelächter war ausgebrochen. Der Jomswikinger lächelte. »Du wirst in schwerer Schuld stehen, wenn du mir das Schwert und den Wert eines Sklaven zurückzahlen musst. Warum bist du hier? Wer hat dich verwundet?«

Arnulf ließ sich nicht erweichen, solange der Krieger sein Schwert hatte. Ein Mann ohne Waffe war wie ein Vogel ohne Flügel, und er war auf der Hut, so hemmungslos, wie Svend getötet hatte. Stefanus’ Güte hatte sich nicht ausgezahlt!

»Ich bin nicht verwundet! Ich ruhe mich nur aus und denke darüber nach, wie ich von hier aus weiterkomme.«

Svend zog eine Augenbraue hoch und reichte Arnulf Schlangenzahn. Dann nickte er zu Stefanus, der seinem Gott treu gefolgt war. »Und der Mönch?«

Besänftigt umfasste Arnulf die Scheide und kam ihm entgegen. »Ich kenne ihn nicht. Ich war auf einem Schiff aus Norwegen, habe es mir aber mit einem der Männer verscherzt. Wir begannen einen Zweikampf, wurden jedoch von Bogenschützen aus dem Wald unterbrochen und im Sturm samt unseren Gefährten aufs Meer gejagt. Danach war mein Gegner niederträchtig genug, um mich über Bord zu werfen und mein Schicksal dem Feind am Strand zu überlassen.«

Er spuckte auf den Boden. »Sie schlugen mich nieder, als ich das Ufer erreichte, dann bin ich hier aufgewacht.«

Svend strich sich über die Lippe und nickte gedankenversunken. »Du hast Grund zur Rache, Veulf. War es ein großes Schiff? In welche Richtung seid ihr gesegelt?«

»Zwierabe ist eines Jarls würdig. Wir segelten nach Süden.«

»Ich habe in den letzten Tagen kein bemerkenswertes Schiff gesehen, aber es fließen einige Flüsse landeinwärts, deine Gefährten könnten überall sein. Haben sie dich an Land schwimmen sehen?«

Arnulf starrte düster zur offenen Tür. Es war gut möglich, dass Toki einem der Flüsse gefolgt war, aber ebenso gut könnte Zwierabe untergegangen sein.

»Wenn Toki geglaubt hätte, ich wäre am Leben, hätte er nach mir gesucht. Ich habe keine Ahnung, warum ich am Strand nicht umgebracht wurde, denn der Mönch sprach eine fremde Sprache. So wie es aussieht, bin ich allein.«

Svend Buisson riss dem Toten das Silberkreuz vom Hals, Arnulf schlug die Decke zurück und steckte das Wolfsmesser in die Scheide. Es fühlte sich gut an, Schlangenzahn wieder festzuhalten, nun gab es keinen Grund zur Furcht mehr. Wäre er nur bei vollen Kräften, dann hätte er den Mut, das Land zu Fuß zu durchqueren, komme, was wolle.

Svend wickelte die Kette um seinen Gürtel und stieg über Stefanus hinweg. »Ich glaube, ich hätte dich lieber zum Freund als zum Sklaven. Kannst du stehen?«

Er streckte die Hand aus, Arnulf sah auf. Zum Freund, einen Jomswikinger zum Freund! Das war wie Walhall in Midgard! Zahlreiche neue und alte Narben durchzogen Svends Gesicht, seine Augen strahlten vor eigens erobertem Leben, als wäre er dem Tod so viele Male durch die Lappen gegangen, dass er ihn nicht mehr als Gefahr betrachtete.

»Freundschaft ist weitaus wichtiger als Knechtschaft, Buisson! Und weshalb sollte ich nicht stehen können? Meine Füße sind nicht gebrochen.«

Arnulf gab ihm die Hand und schwang die Beine über die Bettkante, doch als er aufstand, war es, als stürzte ein Baum auf ihn, so gewaltig schossen Schmerz und Schwindel aus der Wunde. Mit einem Aufschrei verlor er das Gleichgewicht und ging in die Knie, Schlangenzahn schlug auf den Boden.

»Immer mit der Ruhe, behandle die Hiebe deines Feindes mit Respekt! Ist das deine erste Wunde?«

Svend zog ihn zurück aufs Bett, Arnulf presste sich die Hand auf die Stirn, während die Hütte sich im Kreis drehte. »Warum denkst du das?«

»Deine Haut ist glatt wie eine Jungfer, und kein vernünftiger Mann springt wie ein ausgelassenes Fohlen von seinem Krankenlager. Hier, trink!«

Der Jomswikinger hatte den Krug unter dem Bett gefunden. Das Wasser klärte den Blick, Arnulf ärgerte sich grün und blau. Unerfahren zu sein, war keine Seltenheit, aber es war eine Schande, es sich so deutlich anmerken zu lassen.

»Svend, du Steifschwanz, wo bleibst du, es gibt hier keine Frauen! Komm raus, dann kannst du dich stattdessen mit einem Schwein vergnügen!«

Der Ruf klang barsch, Svend lächelte strahlend. »Mein Vater! Er gönnt mir keinen ruhigen Augenblick mit einer Frau. Komm, ich helfe dir.«

Er legte Arnulfs Arm um seine Schulter und half ihm auf. Arnulf musste sich schwer auf ihn stützen, damit seine schwachen Beine ihn nicht wieder im Stich ließen. Das Goldkreuz! Er warf einen Blick zum Strohbett. Eine so große Kostbarkeit durfte nicht zurückgelassen werden, es sei denn … es sei denn, es war klüger, das christliche Zeichen unbekannten Plünderern nicht direkt vor die Nase zu halten? Sie würden es ihn wohl kaum behalten lassen, und was, wenn sie ihn dennoch für einen Verbündeten der Mönche hielten? Wankelmut und Mimirs Rat, wenn Odin ein Auge als Pfand für Weisheit gegeben hatte, war ein Goldkreuz ein angemessener Preis für Leben und Freiheit! Arnulf schwitzte vor Anstrengung und taumelte wie ein Betrunkener, Svend hob Schlangenzahn auf und half ihm dabei, das Schwert am Gürtel zu befestigen. Verdammt, sich wie ein altes Weib mitschleppen lassen zu müssen, Thor strafe die Mönche für ihre hohen Türschwellen!

Das zunehmende Tageslicht war noch nicht grell, blendete aber dennoch im Kontrast zum Halbdunkel der Hütte. Die unbekannte Umgebung und die vielen Männer verschmolzen wie lodernde Flammen. Sein Kopf fühlte sich an, als säße er verkehrt herum auf dem Hals, und Arnulf blieb nach wenigen Schritten blinzelnd stehen. Svend Seidenhaars Gefährten waren in ihren Raubzug vertieft, rundherum lagen verblutete Mönche reglos auf der Erde. Die Jomswikinger sahen stolz aus, waren schwer bewaffnet und vernarbt, wo die Haut sichtbar war. Manche trugen Kettenpanzer und zerkratzte Helme, andere hatten in der Wärme ihre Tuniken ausgezogen. Die Äxte und Speerspitzen waren vom Kampf gezeichnet, aber frisch geschliffen.

Die Hütte befand sich neben einigen anderen kleinen Gebäuden in der Ecke eines offenen Platzes, der von vier ungewöhnlich langen Häusern eingefasst wurde. Einige davon schienen als Ställe zu dienen. Die Gebäude waren nicht miteinander verbunden, drum herum schien das Land auf kleineren Parzellen bebaut zu werden, und Schafe und Kühe trabten unruhig von dem Blutgeruch umher. Vergoldete Kreuze, Kisten, Truhen und farbenfrohe Stoffbündel häuften sich auf der platt getretenen Erde samt kostbarem Glas und bauchigen Fässern. Mitten auf dem Hofplatz stand ein kräftiger, rundbauchiger Mann breitbeinig da, eine Faust in die Hüfte gestemmt. Er hatte grobe Gesichtszüge, der Kettenpanzer blähte sich über dem mit Waffen behangenen Gürtel. Von zwei Fingern an der Schildhand fehlte die Hälfte, und er hatte nur ein Ohr.

»Da bist du ja! Loki soll mich vögeln, ich hätte wetten können, dass du es mit einem Weibsstück getrieben hast! Was ist das für ein Knirps, den du da anschleppst? Kann er seine eigenen Beine nicht beherrschen?«

Bui der Dicke nahm seinen Sohn schroff in Augenschein, Svend aber zog Arnulf unangefochten zu dem wachsenden Berg Raubgut, damit er sich dort auf eine Truhe setzen konnte. Knirps! Sein Körper mochte schwanken, aber die Wut hielt ihn mit aller Kraft aufrecht! Der Puls hämmerte in der Wunde wie eine Axt durch Holz, Arnulf senkte den Kopf und biss die Zähne zusammen. Wenn die Wikinger etwas von ihm halten sollten, durfte er keinen Mucks von sich geben!

Einige Krieger kamen neugierig näher, Svend beugte sich vertraut über Arnulf und fragte mit sanfter Stimme: »Tut dir etwas weh, Veulf? Wisse, dass ich selbst nicht in der Lage bin, Schmerz zu empfinden, und dass diese Männer weder Niederlage noch Müdigkeit kennen. Sie lachen, wenn sie mit dem Schwert gekitzelt werden.«

Arnulf schnaubte trotzig. »Mir tut nichts weh, mir ist nur schwindlig geworden. Schwindel hat noch niemandem die Ehre genommen!«

Svend lachte gedämpft und wandte sich an seinen Vater, die Hand an der Axt. »Der Knirps heißt Veulf und ist ein Verwandter von mir, den ich gerade beim Faulenzen im Mönchsbett erwischt habe. Sei nett zu ihm, auch wenn er zeitweilig vielleicht etwas geschwächt wirkt. Er wurde im Sturm von seinen Gefährten auf See getrennt und nicht gerade gastfreundlich empfangen, als er an Land schwamm.«

Bui der Dicke verzog die Augenbrauen und entgegnete giftig: »Wenn der mit dir verwandt ist, dann ist König Sven mein kleiner Bruder! Bei den Asen und Riesen, was hast du mit ihm vor? Du musst gut verhandeln, wenn du einen anständigen Sklavenpreis erzielen willst, besonders stark ist er nicht!«

Arnulf musste sich auf die Zunge beißen, aber Svend ließ sich nicht einschüchtern. »Ich will ihn mit nach Jomsborg nehmen und herausfinden, wozu er zu gebrauchen ist. Er hat den Blick eines Wolfes, wenn es mir also gelegen kommt, zeige ich ihm, wie ein großer Krieger zubeißt.«

Arnulf atmete schnell. Nach Jomsborg? So hoch hatte nicht einmal Helge gestapelt!

Bui wurde bedrohlich rot vor Wut, mehrere Männer positionierten sich erwartungsvoll in seiner Nähe.

»Du kennst Jomsborgs Gesetze genauso gut wie ich, du kannst ihn nicht mitnehmen. Er ist zu jung und würde die Prüfungen niemals bestehen.«

Svend grinste noch breiter, als er die Hand hob. »Die Gesetze kenne ich wohl, aber ich weiß auch, dass Sigvaldi sie kaum so gewissenhaft einhält, wie er sollte! Nicht zuletzt ich würde aufgrund meines Alters herausfallen, und jeder weiß, dass Vagn erst zwölf war, als er aufgenommen wurde. Veulf hat Schnapper direkt in die Augen gesehen und nicht einmal mit der Wimper gezuckt!«

»Ein Bursche, in dessen Adern Palnatokis Blut fließt, zählt auch mit zwölf Jahren schon als Mann. Wer vor deiner Axt nicht zurückweicht, kann genauso gut starr vor Schreck gewesen sein! Wo willst du Veulf im Übrigen auf der Heimfahrt unterbringen? Wenn wir die Beute an Bord gebracht haben, schaut die Schildwand gerade so noch übers Wasser, da ist nicht einmal mehr Platz für ein Brathähnchen!«

»Dann fessle ich ihn an den Steven. Seine Grimassen jagen dem Feind genauso viel Angst ein wie ein Drachenkopf.«

Bui stampfte auf und wandte sich schnaubend an einen sehnigen Greis mit möwenweißem Bart. »Nun sag du doch mal was, Bjørn, auf dich hört er doch immer! Vagn! Wo ist Vagn? Vagn! Vagn Akisson! Komm her, lass deinen Freund zur Vernunft kommen, sonst werde ich, Gungnir möge mich aufspießen, bald zum Sohnesmörder!«

Ein großer Mann mit den Armen voller Silberkelche trat hervor. Er sah jung aus, das dunkle Haar lag wild auf seinen Schultern. Er trug seine Kraft mit Mut, wirkte nahezu grausam furchtlos. Bui zeigte auf Arnulf, den ein schwarzer Speer traf, als er Vagns Blick begegnete. Ein gewaltiger Blick, er war hart genug, um einen Waffenhieb aufzuhalten. Vagn musterte seinen Gegner und hatte ihn augenscheinlich schneller abgelehnt, als jede Waffe ihn hätte treffen können. Obwohl Arnulf zurückstarrte, kam seine Verteidigung zu spät.

Vagn Akisson schmiss die Kelche auf die Erde und sah sich im Kreis um. Alle schienen sein Urteil anzuerkennen, bis auf Svend, der an seiner Forderung festhielt. Es war so still, dass Arnulf am liebsten geschrien hätte. Langsam schritt Vagn um das Raubgut herum und nahm wie ein Hengst Witterung auf. »Ob jung oder alt, ich lasse keinen Landsmann im Stich, der Hilfe braucht. Würde jemand von euch einem Notleidenden etwa die Hilfe verweigern?«

Er wandte sich an Arnulf, nun weniger bedrohlich als zuvor. »Du belastest das Schiff auch nicht mehr als die Hälfte von Buis Wanst. Willst du mit nach Dänemark, Veulf? Wir segeln am gesamten Reich entlang, können dich also überall absetzen.«

Bui der Dicke verdrehte die Augen, erhob aber keinen Einspruch, Arnulf richtete sich auf und ertrug den düsteren Blick. Für einen Geächteten war Vagns Angebot zwar gut gemeint, jedoch keine große Hilfe.

»Es wäre mir eine Ehre, mit euch nach Dänemark zu segeln, Vagn Akisson, dennoch gefällt mir Svend Seidenhaars Vorschlag besser.«

Vagn stutzte, Svend aber drehte sich lachend zu seinem Vater. »Da siehst du es, ich habe nicht gelogen, als ich Veulf meinen Verwandten nannte. Stolzes Blut lässt sich weder beschwatzen noch einschüchtern! Stimmt es etwa nicht, Vagn, dass du selbst abgelehnt hast, halb Wales zu bekommen, anstatt in Jomsborg aufgenommen zu werden? Mein Teil des heutigen Raubzugs ist Veulf.«

Vagn zuckte mit den Schultern, doch der Ansatz eines Lächelns huschte über sein Gesicht. »Am Ende habe ich beides bekommen. Ich will mich keinem aufrichtigen Streben in den Weg stellen, du sollst aber wissen, Veulf, dass zwar schon viele Krieger hinter Jomsborgs Wall kamen, doch nur die besten es würdig waren, zu bleiben. Weder Sigvaldi noch wir anderen ertragen den Anblick von Schwächlingen.«

Arnulf legte die Hand auf Schlangenzahn. Die Wunde juckte nicht mehr.

»Ich stamme aus keinem elenden Geschlecht, Feigheit kennt man bei uns nicht, Svend wird also keine Schande überkommen, wenn er Jomsborgs Tore für mich öffnet.«

»Bei uns stehen Taten vor Worten, ein Versprechen hingegen gilt bis zum Tod, also schweig und hör zu, Jungfernhaut, damit dich niemand schon vorzeitig satthat.«

Vagns Entgegnung war trocken, die Worte brannten sich ein. Bjørn ging an ihm vorbei und blieb vor Arnulf stehen. Auch wenn der weiße Bart und der kahle Kopf sein Alter verrieten, erschien er nicht schwächer als die anderen. Er bückte sich und betrachtete eingehend Arnulfs Wunden, um daraufhin anerkennend zu nicken. »Der Hieb heilt ungewohnt schön, er wurde gut genäht. Wer hat sich darum gekümmert? Den Mann könnten wir gebrauchen.«

Arnulf wollte antworten, doch Svend kam ihm zuvor. »Das hättest du früher sagen müssen, Waliser, der Mönch ist tot, ich habe ihn umgebracht.«

Er warf einen nachlässigen Blick auf den Schnitt, dann zog er ohne Vorwarnung seinen Sax und stürzte sich mit einem Schmetterschlag auf Vagn. Vagns Schwert flog ebenso schnell aus der Scheide, er parierte den Angriff mühelos und mit gleichgültiger Miene, fegte den Sax zur Seite und traf Svend unsanft mit der flachen Klinge. Die Haut färbte sich rot, doch Svend bemerkte das offenbar nicht. Keinen der Anwesenden schien das Ergebnis zu überraschen. Arnulf verbarg seine Verblüffung, Bjørn verzog verärgert das Gesicht. »Wenn das Schiff nicht so voll wäre, sollten wir einige heilkundige Christen einfangen und mitnehmen. Sie sind dafür bekannt, einen Kranken selbst aus dem Fieber holen zu können.«

»Was hält Odin wohl davon, wenn man sein Gefolge auf diese Weise schwächt? Sterben tut, wer es verdient, wir anderen sollten uns lieber darum kümmern, den Mist hier an Bord zu schaffen.«

Bui sah sich ungeduldig um, die Männer ließen Arnulf in Ruhe und widmeten sich wieder ihrer Beute. Svend schlich um Vagn herum und versuchte sein Glück erneut, diesmal nahm er die Axt zu Hilfe. Vagn war jedoch immer noch zu schnell für ihn und zahlte ihm den Spaß mit einem Schlag auf den Rücken heim. Dann machte er sich daran, seine Silberkelche aufzusammeln, Svend steckte die Waffen weg und reichte Arnulf die Hand. »Unser Schiff liegt in der Bucht hinter dem Hügel. Die Barke ist nicht allzu groß, aber unsere Besatzung auch eher klein.«

Er nickte, Arnulf nahm seine Hand und kam auf die Beine, ließ sie aber gleich wieder los und setzte sich allein in Bewegung. Er hatte weiche Knie, der Boden wirkte unzuverlässig, aber er wollte das Schiff eigenständig erreichen, selbst wenn er dafür krabbeln musste. Svend wuchtete eine Truhe auf seine Schulter und schloss sich ihm an, Buis Missbilligung war wie verflogen, als er seinem Sohn im Vorbeigehen auf den Rücken klopfte. »Knöpf dir Vagn beim nächsten Mal mit einem zerbrochenen Pfeil vor. Wenn du ihn im Ärmel versteckst, sieht er ihn nicht.«

»Vagn hat Augen wie Heimdall, ich brate ihm lieber eins mit dem Amboss über, damit rechnet er nicht.«

Svend justierte die Truhe und grinste Arnulf zu. »Es ist mir noch nicht gelungen, ihn zu erwischen, nicht einmal bei Nacht, aber warte nur ab! An dem Abend, als ich mich unter seinem Schlaffell versteckt habe, konnte ich ihm immerhin eine Haarsträhne abschneiden.«

Arnulf lächelte. Selbst kannte er niemanden, der Svends schlangenartigen Ausfallschritten ausweichen könnte. »Und Vagn? Greift er dich auch an?«

Er ließ den letzten Gebäudeflügel hinter sich, der Wind roch nach Meer.

»Nur, wenn ihm meine Haut zu farblos erscheint, wir sind Verwandte und Blutsbrüder, das verpflichtet.«

»Blutsbrüder?«

Svend sprang über einen toten Mönch und überquerte das steile Feld. »Ja. Wer in Jomsborg aufgenommen wird, mischt sein Blut mit einem anderen, der bereit dazu ist. Diese Gemeinschaft verbindet uns stärker als leibliche Bruderschaft, auf See wie im Kampf.«

Arnulf schwankte, Svend bot ihm einen Arm an, doch Arnulf lehnte ab. »Inwiefern bist du mit Vagn verwandt? Bui sagte, in ihm fließe Palnatokis Blut, aber er trägt Aki als Vatersnamen.«

Svend nickte. »Palnatoki ist der größte Wikinger, der Odin je Freude bereitet hat. Er versammelte die stärksten Dänenkrieger, ließ Jomsborg errichten und erließ seine Gesetze. König Burislaf gab ihm Land in seinem Reich südöstlich von Dänemark, im Gegenzug versprach Palnatoki ihm seinen Schutz im Krieg. Burislaf fürchtete Raub und Totschlag, als Palnatokis Schiffe sein Land erreichten, aber sie wurden sich einig, und Burislaf gab ihm das Gau Jom, um dort seine Burg zu bauen. Palnatokis Sohn Aki heiratete die Schwester meines Vaters, sie gebar Vagn. Dass Vagn nach seinem Großvater kommt, ist jedem klar. Es war sehr traurig, als Palnatoki von ihm gehen musste.«

»Wann … ist er … gestorben?«

Der Hügel raubte Arnulf den Atem.

»Vor einigen Jahren erkrankte er und übergab Jomsborg an Sigvaldi, den Sohn von Jarl Stutz-Harald, da Vagn noch zu jung und viel zu wild war. Seitdem läuft es eher durchwachsen mit dem Einhalten der Gesetze, doch Sigvaldi ist ein großer Krieger, gescheiter als die meisten Männer und zudem mit Burislafs Tochter verheiratet. Jomsborgs Ruf hat keinen Schaden genommen.«

»Ich dachte, es gäbe keine Frauen in Jomsborg!«

»Viele sind es auch nicht, aber mit ein wenig Höflichkeit und Silber kann man immer die Bauerntöchter aufsuchen oder zur Not ihre Sklavinnen. Darüber hinaus findet ein rüstiger Mann alles, was er braucht, auf den Fahrten.«

Svend blieb auf der Hügelkuppe stehen und zeigte zum Ufer. Arnulf widerstand der Versuchung, sich hinzusetzen. Diese verfluchten Schmerzen! In der flachen Bucht lag ein gelbes Schiff, der Steven war auf den Strand gezogen worden. Es war kein Prachtstück, sah aber seetüchtig und stabil aus. Vom Hügel aus erkannte Arnulf, wie sich zwischen Fässern und Ruderbänken die Säcke und Bündel häuften. Hinter ihm erstreckte sich das Kloster, den Wikingern ausgeliefert. Vagn hatte angefangen, die Gebäude in Brand zu setzen. Svend schob die Truhe auf die andere Schulter, Arnulf folgte ihm außer Puste durch das hohe Gras und prüfte, ob die Wunde blutete. »Wie lange lebst du schon in Jomsborg?«

»Als Buis Sohn schon seit vielen Jahren, letztes Jahr bestand ich meine Prüfungen und wurde als vollwertiges Mitglied aufgenommen.«

Arnulf betrachtete seine Hand. Die Wunde war trocken. »Welche Prüfungen?«

Svend grinste. »Allerhand, wie viele Fragen du stellst. Es scheint, als strömten sie geradewegs aus deinem Loch im Kopf. Sei auf der Hut vor den Erwartungen, die damit einhergehen, die Prüfungen sind der Asen würdig.«

»Was muss man denn beweisen?«

»Mut, Veulf! Stärke, Ausdauer, Waffenkenntnis, Schmerzverdrängung und List im Kampf. Wenn du noch dazu eine gute Strophe dichten und das Trinkhorn in einem Zug leeren kannst, ist das nur zu deinem Vorteil.«

Arnulf schwieg. Vielleicht sollte er doch besser in Dänemark von Bord gehen? Er könnte ein Schiff suchen, das nach Norden fuhr, sich auf den Rückweg nach Haraldsfjord machen und dort auf Toki warten. Odins Tod! Als würde Jofrid ihn dort dulden, und was hatte er überhaupt in Norwegen zu suchen? Toki hatte wohl ohnehin keine Absichten, ihn nach der Sommerfahrt in seine Familie einzugliedern.

Die Schmerzen überkamen ihn nun stärker denn je, das flimmernde Wasser machte ihn blind. Er spürte eine Hand an seiner Tunika, als er mit den Knien in den Sand fiel, Svends Stimme klang weit entfernt: »Hoch mit dir, Jungfernhaut, wir haben es fast geschafft. Du bekommst ein Bier, sobald wir an Bord sind. Wärme kann entblößten Schrammen ganz schön zusetzen.«

Wütend kämpfte Arnulf sich auf die Beine. Sein neuer Beiname gefiel ihm gar nicht. Er musste sich mit einer Hand auf Svends Schulter stützen, bis sie das Schiff erreichten, wo der Sohn Buis die Truhe in den Sand fallen ließ und zurückschaute. »Setz dich, bevor du noch mal hinfällst, dann hole ich das Bier.«

Auf der Hügelkuppe kam die erste Handvoll beladener Wikinger zum Vorschein, und Arnulf sank auf den Truhendeckel, während Svend sich über die Reling schwang und auf die Suche ging. Rauchwolken türmten sich hinter dem Hügel auf, der Wind trug Gelächter und eifrige Rufe mit sich, Arnulf erkannte Buis dröhnende Stimme wieder. Er zählte die Männer durch und war gerade bei fünf Händen angelangt, als Svend ihn mit einem vollen Krug und einigen Stofffetzen unterbrach. Das Bier war stark und warm von der Sonne, Arnulf gewann seinen Mut zurück und erlaubte Svend, die Wunde zu verbinden, während sich die Jomswikinger vor dem Schiff versammelten und die Beute abluden. Bjørn der Waliser bekam bei dem Anblick von Bier Durst, ein Fass wurde angeschlagen und Krüge verteilt. Arnulf konnte einen Schluck mehr als gut vertragen. Das Bier prickelte unter der Haut und hielt den Schmerz im Zaum, und nun, da die Sonne nicht mehr auf sein verletztes Augenlid schien, konnte er wieder besser sehen. Er stieß mit Svend an, der unter den Eroberungen ein gelbes Glas gefunden hatte und das Meer nun durch die bernsteinfarbene Flüssigkeit betrachtete.

Bui gab den Befehl, die Beute an Bord zu tragen, doch Vagn sprang in die Mitte des Schiffs und verkündete, man müsse eine Auswahl treffen, denn so, wie es jetzt aussah, hätten allenfalls noch Goldringe Platz an Bord. Das störte den Dicken. »Dann packen wir um und schmeißen das billigste Gut ins Meer. Wir haben die Mönche doch nicht nur zum Spaß überfallen!«

»Das haben wir dieses Jahr schon zweimal getan, Onkel, und wir brauchen Platz für Veulf.«

Vagn warf Svend Seidenhaar einen zufriedenen Blick zu, Bui prustete. »Tu, was du nicht lassen kannst, Vagn, es bringt ja nicht einmal was, die Jungfernhaut zu verkaufen, wenn wir nicht einmal Platz für das Silber haben.«

Bjørn setzte sich mit dem Sack, den er geschleppt hatte, neben Arnulf und meinte, sie würden schon alles untergebracht bekommen, wenn Bui ihnen hinterherschwimme. »Vielleicht lässt sich noch was am Essen machen, damit es keinen Platz wegnimmt, auch wenn das Gewicht gleich bleiben würde.«

Er begann auszuteilen, und wer sich nicht um Bündel und Kisten stritt, nahm sich eine Mahlzeit. Arnulf bediente sich an den Hähnchenschenkeln, die er angeboten bekam, und beobachtete die Jomswikinger schamlos. Vagn Akisson war außergewöhnlich schön anzusehen und biss so wachsam in das kalte Fleisch, dass er selbst beim Essen gefährlich wirkte. Svend hatte das Glas abgestellt und pflegte sein Haar mit einem Knochenkamm, Bui trank, sodass das Bier von seinem Stoppelbart tropfte. Ein so gewaltiger Mann musste stark sein, stark wie ein Riese, und so schwere Waffen wie seine hatte Arnulf nicht einmal auf Gormsø gesehen.

Vagn nagte den Knochen ab und warf ihn nach Svend, der ihn auffing und ins Meer beförderte. »Ich finde, wir sollten jetzt mit der Strandräuberei aufhören und den Steven wieder gen Jomsborg richten.«

Vagn holte Brot aus dem Sack. »Wir können genauso gut ein Schiff entern und weiter nach Norden segeln, aber Sigvaldi hat schon lange genug gewartet, und ich will wieder auf den neuesten Stand kommen.«

Bui brummte: »Schiffe haben wir zu Hause zur Genüge, und ich habe meinen Bruder seit Herbst nicht mehr gesehen, ich bin auf Vagns Seite.«

Er sah sich um und begegnete weitgehend zustimmendem Nicken.

»Dann möge Odin uns folgen! Und siehst du ein nettes Schiff, Vagn, nimm es trotzdem ein, damit deine langen Beine auf der Heimfahrt nicht auf den dummen Gedanken kommen, meinen Wanst herauszufordern.«

Ein Mann rief vom Deck, sie seien bereit zur Abfahrt, und wer als Letztes an Bord komme, müsse sich mit einem Platz an den Rahen abfinden, woraufhin die Jomswikinger aufsprangen, um die Barke aufs Meer zu schieben. Svend half Arnulf an Bord und warf die Truhe über die Reling, dann packten die Männer an und stießen das Gefährt ins Wasser. Arnulf stieg vorsichtig über Säcke und Bündel, während die Anlegeplanke eingeholt wurde. Nur zwischen den Ruderbänken war das Deck sichtbar, an vielen Stellen war geradeso Platz für die Füße, weshalb es eine Weile dauerte, bis alle ihre Plätze eingenommen hatten.

Am Mastfisch lagen lange Speere, Schilde stapelten sich einsatzbereit, Helme und Kettenpanzer waren ebenfalls in Reichweite und zeugten von Willenskraft und Macht.

Svend führte Arnulf auf das Vorderschiff und bat ihn, sich zwischen zwei Ruderbänke an die Plankengänge zu setzen, er selbst machte es sich auf der Bank daneben an Vagns Seite bequem. Bjørn und Bui ließen sich neben den beiden nieder, ein Mann mit krummer Nase nahm das Ruder in die Hand. Das Segel wurde gehisst und fing den Wind ein, der Steven neigte sich und der Kiel schnitt tief ins Wasser. Am Strand lag das verschmähte Gut zwischen leeren Truhen und Fässern, wie um den Schaden, den das Land erlitten hatte, zu kompensieren. Vagn machte sich daran, seine Waffen zu säubern, und wirkte unzufrieden damit, Schulter an Schulter mit seinem Verwandten zu sitzen. Svend machte das Gedränge nichts aus und er bemerkte: »So halten wir die Wärme besser bei uns, falls das Wetter umschlägt, und du bist immer noch besser dran, als wenn ich auf deinem Schoß sitzen müsste.«

Arnulf stützte den Ellbogen auf die Ruderbank, die Wellen beunruhigten ihn. Obwohl der Wind gleichmäßig wehte, schaukelte die Barke stärker als Zwierabe im Sturm, sein Kopf und sein Magen meinten es nicht gut mit ihm.

»Von allem vergossenen Blut ist Mönchsblut das schlimmste!«

Vagn rieb an seinem beschmutzten Schwertheft. »Klebrig und dick wie Harz, möge Nidhöggr es aufsaugen! Nächstes Mal zerquetsche ich das Gewürm lieber mit einem Stein.«

»Das kommt daher, dass sie mehr als andere am Leben hängen. Die Angsthasen trauen sich nicht, dem Gott, den sie so heftig anbeten, gegenüberzutreten, stimmt’s, Veulf?«

Svend fuhr sich nachdenklich mit dem Finger über eine Narbe am Ellbogen, doch Arnulf sträubte sich gegen eine Antwort, so unerfahren, wie er war. Vielleicht hatten die Menschen aus dem Süden dickeres Blut, was ging ihn das an? Bier und Meer machten seinen Körper müde, die Überquerung des Hügels hatte ihn Unmengen an Kraft gekostet.

»Wo kommst du her, Veulf?«

Bjørn machte es sich auf der schmalen Bank bequem und wirkte redebedürftig. Bei Fenrirs Maul, warum schwatzte der Alte nicht mit Bui, anstatt ihn auszufragen?

»Dänemark.«

Der Waliser lachte. »Ja, das konnte ich mir auch denken, aber woher aus Dänemark? Mit wem warst du unterwegs, und wie wurdet ihr getrennt?«

Neugierige Blicke richteten sich auf Arnulf, Vagn schaute von seinem Schwert auf.

»Ich habe meine Siedlung verlassen und bin mit einem norwegischen Häuptlingssohn auf See gegangen, der mir einen Platz auf seinem Schiff angeboten hatte. Ich wurde im Sturm von hinten angegriffen und über Bord geworfen. Von einem, der versucht hatte, mich im Zweikampf zu besiegen.«

Die Worte wurden mit verärgerten Ausrufen beantwortet, Bui schüttelte den Kopf. »Den hast du zu lange am Leben gelassen. Nachsicht verdient nur, wer ihrer würdig ist.«

Svend wusste mehr, aber schwieg. Vagns Blick hätte töten können. »Du hast deine Siedlung verlassen, um mit Fremden auf See zu gehen, willst weder deinen Heimatort noch den Namen deines Vaters nennen und noch dazu nicht in Dänemark abgesetzt werden. Veulf wirst du genannt. Von wem?«

Arnulf riss sich zusammen. Verflucht, wieso mussten seine Gedanken so durcheinander sein? Diese Männer konnten töten, und einem Geächteten das Leben zu nehmen, würde für sie wohl kaum als Mord gelten.

»Von mir selbst, Vagn Akisson!«

Svend stand abrupt auf und sprang auf die dünne Reling. Trotz der Wellen stand er sicher und gestikulierte ausgelassen. »Jetzt weißt du genug, mein scharfsinniger Blutsbruder, erzähl doch lieber mal was von dir! Viele Männer leben in Jomsborg, nicht jeder hat eine Geschichte, und noch nie war ein Lied gut, das aus jemandem herausgezwungen wurde.«

»Runter mit dir, sofort! Wir werden nicht umdrehen, wenn du ins Meer fällst!«

Bui wurde rot vor Wut, doch Svend tänzelte über die Reling und zog seine Axt. »Warum? Wenn wir Steven an Steven im Kampf sind, gewinnt, wer sein Schiff am besten kennt.«

Vagn packte den Schaft, als Buis Sohn zuschlug, und zog ihn zu sich. »Recht hast du, Svend.«

Er holte seinen Gefährten zurück aufs Deck und wandte sich wieder Arnulf zu, diesmal freundlicher: »Ich bin Vagn, Sohn von Aki und Sohnessohn des Palnatoki von Fünen. Meine Mutter ist Buis Schwester, deshalb muss ich mich mit Svend abgeben, obwohl der Kerl vollkommen verrückt und unberechenbar ist. Er fürchtet weder Hel noch Odin. Bjørn ist Jarl von Wales und war der Ziehbruder von Palnatokis Gattin. Deshalb ist er nun mein Ziehvater. Er überließ Palnatoki halb Wales, ein Erbe, das nach seinem Tod mir zugefallen ist. Deshalb herrschen wir nun über das Land und haben kürzlich den Winter dort verbracht.«

»Warte, mein lieber Bruder!«

Svend setzte sich wieder neben Vagn. »Du hast vergessen, zu erwähnen, wie schwer du selbst zu bändigen bist, wenn du schon meine Tugenden aufzählst! Du musst wissen, Veulf, Aki hat seinen Sohn so schlecht aushalten können, dass er in seiner Kindheit abwechselnd bei ihm und bei seinem Großvater Jarl Veseti auf Bornholm leben musste. Als er neun Jahre alt war, hatte er schon drei Menschen getötet, und niemand konnte sein grausames und unverschämtes Wesen ertragen, nur auf Bui hörte er. Aus der Not heraus schenkten sie ihm ein bemanntes Schiff, als er zwölf wurde, und schickten ihn zu Palnatoki. Doch in Jomsborg wollte ihn keiner aufnehmen, schon gar nicht mein Vater.«

Vagn grinste und boxte Svend in die Seite, Bui und Bjørn schmunzelten. Arnulf wollte immer weniger preisgeben, wer er war, versteckte seine Bedenken aber. Eine Katze jagte die Maus erst, wenn sie die Flucht ergriff. »Aber jetzt geht ihr zusammen auf See?«

»Ja, ja«, sprach Svend eifrig weiter. »Vagn ließ sich nicht einkriegen! Palnatoki bot ihm halb Wales an, wenn er im Gegenzug nach Fünen zurückkehrte, aber Vagn forderte Sigurd, den Bruder meines Vaters, zum Kampf auf, um die Waffen entscheiden zu lassen, inwieweit er und seine Männer verdient hatten, aufgenommen zu werden.«

Nun lachte Bui der Dicke laut auf. »Weißt du noch, Vagn? Obwohl mein Bruder Jarlssohn ist, meintest du, er sei ein Feigling mit dem Mannesmut einer Stute, wenn er deine Herausforderung nicht annehme. Das konnte Sigurd nicht auf sich sitzen lassen, also willigte er ein und rüstete seine Leute.«

Alle stimmten in das Gelächter mit ein, Bjørn der Waliser schlug sich auf den Oberschenkel. »Und was erwartete sie, als sie aus der Festung segelten? Steine! Vagn und seine jungen Gefährten überwältigten dreißig von Sigurds Männern und verwundeten viele, dann aber öffnete Palnatoki das Tor und hieß sie in der Bruderschaft willkommen. Seitdem ist Vagn zahm wie ein Lamm, also fürchte dich nicht, Veulf! Ihm kann Tyr ruhig die Hand ins Maul stecken.«

Letzteres fiel Arnulf schwer, zu glauben, aber er lächelte gezwungen und nickte. Vielleicht war er bei den Mönchen besser aufgehoben gewesen, ungeachtet ihrer Absichten. In ein paar Tagen wäre er stark genug gewesen, um sich zu befreien. Warum Odin die Ragnarök verlieren sollte, wenn erst einmal die Jomswikinger in den Reihen der Einherjern standen, war schwer zu begreifen.

»Über Bui gibt es nicht viel zu sagen«, fuhr Bjørn neckisch fort. »Außer dass er und Sigurd Söhne von Jarl Veseti von Bornholm sind, und sie beide viele Männer in Jomsborg anführen. Palnatoki hatte vier Vertraute, die anderen zwei sind Thorkel der Hohe und Sigvaldi, der nun über die Festung herrscht.«

»Ich denke, dass viele Männer in Helheim schon so einiges über Bui zu erzählen haben, weil sie dank ihm dort gelandet sind, aber nun habt ihr Svends neuem Freund genug Angst eingejagt. Er ist ja bleich wie Möwendreck.«

Vagn lächelte schief und widmete sich wieder der Reinigung seines Schwertes, Arnulf richtete sich auf. »Mir hat niemand Angst eingejagt! Wenn ich etwas fühle, dann Stolz, weil ich von solch tatkräftigen Männern umgeben bin, und wenn ich blass wirkte, liegt das daran, weil mir beim Anblick von so vielen starken Gesichtern mit nur einem Auge schwindlig wird.«

Bjørn der Waliser zuckte mit den Schultern und spuckte ins Wasser. »Dann ruh dich aus, solange du noch kannst, Veulf Jungfernhaut. Mit unserer Ladung werden wir jedes einzelne Schiff, dem wir über den Weg kommen, anlocken, von hier bis zum Wendenland, und unsere Gäste sollen gerne mit anpacken, wenn nötig. Auch wenn sie nur halbe Sehkraft haben.«

Arnulf nickte und nahm sich schweigend das Schlaffell, das Svend ihm reichte. Als wäre er überhaupt in der Lage, Schlangenzahn zu heben. Käme es zum Kampf, könnte ihn ein Katzenjunges umpusten, ganz gleich, wie oft Bjørn sich auf den Schenkel schlug und spuckte! Er wälzte sich auf die Seite und wickelte sich ein. Die Erschöpfung machte das Holz weich, nicht einmal die Wellen gelangten hinter sein Augenlid. Auf der in Silber gehüllten Salzwiese stand Frejdis barfuß in ihrem dunkelgrünen, mit Schlangen bestickten Kleid, dann lief sie weg, während die Stimmen um ihn herum verebbten und nur Fenrirs tiefes Knurren unter dem Kielschwein verblieb.

Kapitel 4

»Hat der Mönch dich etwa gar nicht schlafen lassen? Du schnarchst, als wärst du tagelang wach gewesen!«

Arnulf sah verwirrt auf, als hätte man ihm eins mit der Peitsche übergezogen. Svend hatte sich tief über ihn gebeugt, sodass seine blonden Haare ihn fast berührten. Die graublauen Augen huschten hin und her. »Wir haben schon gegessen, aber Bjørn hat dir einen Brocken aufgehoben, damit du wieder zu Kräften kommst. Worauf wartest du noch, Jungfernhaut? Mein Vater sagt nie Nein zu einem Schenkel mehr.«

Arnulf setzte sich auf und nahm die ausgestreckte Hand. Jungfernhaut. An den Namen würde er sich nie gewöhnen! Svend wartete einen Augenblick, bevor er Arnulf auf die Beine half, die ein unschönes Geräusch von sich gaben. Arnulf brauchte einen Moment, ehe er Svend über das leere Deck folgen konnte, sein Körper fühlte sich schwer und ungeschickt an.

Am Strand waren die Zelte aufgestellt worden, und ein großes Lagerfeuer knisterte. Feiner Rauch stieg auf und zog über das Wasser, man hatte ein Bierfass angestochen. Die Jomswikinger saßen mit den Krügen am Feuer, einer der Männer sang ein Lied. Bratenduft machte Arnulf darauf aufmerksam, wie lange er nichts mehr gegessen hatte. Benommen folgte er Svend und setzte sich in den Kreis. Es war ein lauer Abend, die See war ruhig unter dem goldenen Himmel. Svend gab ihm Braten und einen Krug, Arnulf richtete Schlangenzahn und prostete Seidenhaar zu. Das Meer war so friedlich. Verräterisch mild wie zu Mittsommer, bald kam Freyjas Zeit.

Der Sänger verstummte und erntete Beifall, Vagn stand auf und begann, eine Geschichte zu erzählen. Schwarzes Feuer glühte in seinen dunklen Augen, das Licht warf einen bronzenen Schein auf seine Haut.

»War er ein guter Bruder, der, der dir das Schwert gab?«

Svend sprach gedämpft, um Vagns Bericht nicht zu stören. Saft tropfte vom Braten.

»Der Beste.«

Arnulf schluckte das halb zerkaute Fleisch hinunter und verlor die Ruhe. »Er hat mir das Schwert nicht gegeben, ich habe es mir nach seinem Tod genommen, denn mein anderer Bruder …«

Svend nickte ermutigend, doch Arnulf wandte den Blick ab und senkte die Hand, mit der er das Fleisch hielt. Der Hunger war nicht mehr so groß.

»Ich habe mir immer Brüder gewünscht. Du bist ein reicher Mann. Einer ist besser als keiner.«

Das Bier linderte den Durst, nicht aber die brennende Hitze, die in ihm entfacht worden war.

»Ich habe keinen Bruder mehr. Sie wurden beide getötet.«

»Dann hast du allen Grund zur Rache, Veulf!«

Svend verzog das Gesicht, doch Arnulf schüttelte den Kopf, sodass ihm schwarz vor dem Auge wurde. Gütige Idun, wie lange sollte er diesen Schmerz noch ertragen?

»Nicht alles kann gerächt werden, Sohn von Bui.«

»Warum nicht? Wurde er etwa von Sven Haraldsson höchstpersönlich umgebracht?«

»Vom König? Nein!«

Arnulf streckte die Hand mit dem Goldring aus. »Der hat Helge diesen Ring hier als Skaldenlohn gegeben.«

»Helge? Dem das Schwert gehörte?«

»Ja, ihm gehörte Schlangenzahn. Er war ein großer Wikinger.«