Dio mio! - Michelle Engel - E-Book

Dio mio! E-Book

Michelle Engel

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Beschreibung

Best-Practice aus der Dionysiuskirche Krefeld

Als sich Pfarrer David Grüntjens und Gemeindereferentin Michelle Engel 2019 kennenlernen und gemeinsam ihren Dienst in der Citykirche St. Dionysius in Krefeld antreten, sind sie sich schnell einig: „Wir machen das anders.“ Und zwar so, dass Kirche wieder Spaß macht! Menschen sollen das Gefühl haben, dass sie hier willkommen sind, dass hier gemeinsam gelacht, gefeiert, geliebt, geweint, gelebt wird; das Gefühl, dass Kirche ganz direkt mit ihnen und ihrem Leben zu tun hat. Dann kam erst mal Corona in die Quere, aber dennoch: „Frau Engels“ – wie David Grüntjens sie spaßeshalber immer verkehrt anredet – und der „Chef“ – wie Michelle Engel den Pfarrer liebevoll ironisch nennt – haben viele Ideen und setzen sie um: eine gemeinsame Vision fürs Team, Öffnung des Pfarreirats, neue Gottesdienstzeiten, Konzentration aufs Wesentliche, einen Willkommensdienst an der Kirchentür, der ausnahmslos jeden persönlich begrüßt, und allem voran: der Instagramkanal, auf dem „Frengels&Chef“ live und hautnah davon berichten, wie echt Kirche ist. Willkommen in der @diokirche_krefeld! Nachahmungen ausdrücklich erwünscht!

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Seitenzahl: 195

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Best-Practice aus der Dionysiuskirche Krefeld

Als sich Pfarrer David Grüntjens und Gemeindereferentin Michelle Engel 2019 kennenlernen und gemeinsam ihren Dienst in der Stadtpfarrkirche St. Dionysius in Krefeld antreten, sind sie sich schnell einig: »Wir machen das anders.« Und zwar so, dass Kirche wieder Spaß macht! Menschen sollen das Gefühl haben, dass sie hier willkommen sind, dass hier gemeinsam gelacht, gefeiert, geliebt, geweint, gelebt wird; das Gefühl, dass Kirche ganz direkt mit ihnen und ihrem Leben zu tun hat. Dann kam erst mal Corona in die Quere, aber dennoch: »Frau Engels« – wie David Grüntjens sie spaßeshalber immer verkehrt anredet – und der »Chef« – wie Michelle Engel den Pfarrer liebevoll ironisch nennt – haben viele Ideen und setzen sie um: eine gemeinsame Vision fürs Team, Öffnung des Pfarreirats, neue Gottesdienstzeiten, Konzentration aufs Wesentliche, einen Willkommensdienst an der Kirchentür, der ausnahmslos jeden persönlich begrüßt, und allem voran: der Instagramkanal, auf dem »Frengels & Chef« live und hautnah davon berichten, wie echt Kirche ist. Willkommen in der @diokirche_krefeld! Nachahmungen ausdrücklich erwünscht!

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit konnte eine gendergerechte Schreibweise nicht durchgängig eingehalten werden. Bei der Verwendung entsprechender geschlechtsspezifischer Begriffe sind im Sinne der Gleichbehandlung jedoch ausdrücklich alle Geschlechter angesprochen.

Alle im Buch zitierten Bibelstellen: Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift, vollständig durchgesehene und überarbeitete Ausgabe © 2016 Verlag Katholisches Bibelwerk GmbH, Stuttgart. Alle Rechte vorbehalten.

Copyright © 2025 Kösel-Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

[email protected]

(Vorstehende Angaben sind zugleich

Pflichtinformationen nach GPSR)

Umschlag: zero-media.net, München

Umschlagmotiv: © beckdesign Bochum

Innenteilzeichnungen: Claudia Meitert / Botschaft der Illustration, carolineseidler.com

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN 978-3-641-32968-6V003

www.koesel.de

Inhalt

Vorwort

Kapitel 1 – David Grüntjens

»Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?«

Für eine Kirche, die dem Leben dient

Kapitel 2 – Michelle Engel

»Ich kenne die Meinen, die Meinen kennen mich«

Für eine Kirche, die Beziehung lebt

Kapitel 3 – Michelle Engel

»Bist du so fremd in Jerusalem, dass du als Einziger nicht weißt, was in diesen Tagen dort geschehen ist?«

Für eine Kirche, die weiß, was Sache ist

Kapitel 4 – David Grüntjens

»Und er sandte sie zu zweit in alle Städte und Ortschaften, in die er selbst gehen wollte«

Für eine Kirche im Teamplay

Kapitel 5 – Michelle Engel

»Seid stets bereit, jederzeit Zeugnis zu geben von der Hoffnung, die euch erfüllt«

Für eine Kirche, die etwas zu sagen hat

Kapitel 6 – Michelle Engel

»Sie verharrten einmütig im Gebet«

Für eine Kirche, die Gott in die Mitte nimmt

Kapitel 7 – David Grüntjens

»Prüft alles und behaltet das Gute!«

Für eine Kirche, die besser werden will

Vorwort

»Jetzt schreiben die auch noch ein Buch?« JA! Die eine ist Gemeindereferentin, der andere Pfarrer. Beide zusammen gestalten wir gemeinsam mit anderen Haupt- und Ehrenamtlichen das Leben in der Innenstadtpfarrei Papst Johannes XXIII. in Krefeld – der Metropole und Perle des Niederrheins. Insbesondere treiben wir in der Stadtpfarrkirche St. Dionysius – der »Diokirche« – unser »Unwesen« und das schon seit mehr als fünf Jahren. Die Coronazeit, die uns bald nach unserem Zusammentreffen ereilt hat, haben wir nicht nur irgendwie durchgestanden, sondern wir haben sie genutzt, um viele Ideen zu entwickeln und einen echten Neustart der Gemeinde in der Innenstadt hinzulegen. Dabei lassen wir der Dynamik und dem Humor zwischen uns und vielen anderen Raum, haben manches strukturell neu aufgestellt, haben alte Konzepte und Pfade verlassen und dabei ein kleines Wunder erlebt: Unsere Gemeinde wächst, wirkt anziehend, hat sich verjüngt, kennt keine Sorgen um Nachwuchs in den Gremien; unsere Gemeinde erlebt, wie sich wieder Kinder und Jugendliche engagieren und wie der Sonntagsgottesdienst als lebendiges und gut besuchtes geistliches Ereignis wiederentdeckt wird.

Ganz nebenbei haben wir den Sprung zu Instagram gewagt, wo wir uns etwas augenzwinkernd als »Frengels« und »Chef« anreden. Was als ziemlich unspektakulärer Account einer katholischen Kirchengemeinde begann, hat sich mittlerweile zu einer eigenen Online-Gemeinde entwickelt – wow! Eindrücke aus dem Alltag der Gemeinde und unserer Arbeit, geistliche Impulse und Gebete von »Frengels«, die Sonntagspredigt vom »Chef« und vor allem viel Humor haben diesen Account auch zu einer Anlaufstelle für viele Menschen jeden Alters gemacht, die mit Kirche eigentlich nicht mehr viel am Hut haben, die ausgetreten sind oder einer anderen Religion angehören. Menschen, die sich für Glaube interessieren, die Kirche anders als immer nur verstaubt wahrnehmen wollen und die auf der Suche sind, tummeln sich hier genauso wie die, die selbst kirchlich engagiert sind. Wer schreibt oder Fragen hat, bekommt Antwort. Wir bieten nicht nur dar, sondern sind auch da – viele echte und bewegende Begegnungen hat es so schon gegeben, ob im digitalen Raum oder im realen Leben. Wir freuen uns immer sehr, wenn aus Online-Kontakten Offline-Begegnungen werden. Immer wieder reisen Menschen aus der ganzen Bundesrepublik an, um einmal in »Dio« zur Messe zu kommen. Viele erzählen von ihren Sorgen, ihren Enttäuschungen, von ihrem Leid. Manche freuen sich einfach nur, ihre Kirche mal so ganz anders dargestellt zu erleben.

Aber warum jetzt dieses Buch? Die Wahrheit ist: Weil wir gefragt wurden, ob wir nicht Lust hätten, ein Buch zu schreiben und davon zu berichten, was wir anders machen, wie wir die Kirche vor Ort mit Leben füllen und warum es uns und anderen Spaß macht, hier katholisch zu sein. Und wie wir Lust hatten! Auf den folgenden Seiten erzählen wir also genau davon. Wir haben uns zu jedem Kapitel eine Stelle aus der Bibel ausgesucht, die wir zuerst beide geistlich erschließen wollen, bevor es an das ganz Praktische geht: Was treibt uns an? Woraus beziehen wir unsere Kraft? Was haben wir versucht, anders zu machen? Was hat geklappt, was ist auch gescheitert? Was wünschen wir uns für und von der Kirche heute? Wer welchen Text verfasst hat, haben wir grafisch kenntlich gemacht. Am Ende jedes Kapitels kommt ein Gebet – zum Innehalten, zum Bitten, zum leise Lesen oder laut Aufsagen, so wie es gerade passt. Wir hoffen, dass dabei ein Buch herausgekommen ist, das den oder die ein oder andere zum Nachdenken, vielleicht sogar zum Nachahmen einlädt und im allerbesten Fall einfach begeistert. Aber auch die Abgrenzung zu dem, was wir denken und tun, ist völlig okay – Hauptsache, es passiert was in der Kirche! Wir wissen, dass wir die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen haben, und sind uns auch darüber bewusst, dass nicht alles, was wir vor Ort umsetzen oder ändern konnten, so eins zu eins überall möglich wäre. Eine Innenstadtpfarrei in einer säkularen Großstadt in Nordrhein-Westfalen funktioniert eben anders und hat andere Gesetzmäßigkeiten als die Pfarrei in der bayrischen Kleinstadt oder im kleinen Dorf in der ländlichen Eifel. Wir wissen auch, dass wir eine ordentliche Portion Glück und Gottes Hilfe auf unserer Seite hatten, als wir den Laden hier umgekrempelt haben. Das hätte auch so richtig schiefgehen können! Manches von dem, was wir geschrieben haben, hätte man bestimmt weiter ausführen oder tiefer reflektieren können, doch hätte das sicher den Umfang »dieses Werkes« (Zitat Chef) gesprengt. Manches wirkt sicher arg plakativ, vielleicht sogar provokant – wir haben nichts dagegen, wenn man sich auch mal über uns aufregt! Alles aber, was hier in diesem Buch zu finden ist, entstammt der Erfahrung vor Ort und ist durchdrungen von einer echten und tief empfundenen Liebe zur Kirche und zu den Menschen, die Kirche ausmachen. Ihnen allen, ohne die wir hier rein gar nichts bewegen könnten, ist dieses Buch gewidmet.

Kapitel 1

»Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?«

Für eine Kirche, die dem Leben dient

»Am ersten Tag der Woche gingen die Frauen mit den wohlriechenden Salben, die sie zubereitet hatten, in aller Frühe zum Grab. Da sahen sie, dass der Stein vom Grab weggewälzt war; sie gingen hinein, aber den Leichnam Jesu, des Herrn, fanden sie nicht. Und es geschah, während sie darüber ratlos waren, siehe, da traten zwei Männer in leuchtenden Gewändern zu ihnen. Die Frauen erschraken und blickten zu Boden. Die Männer aber sagten zu ihnen: Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, sondern er ist auferstanden.«

Lk 24,1–6

Hoffnung – ein so bekanntes Wort und vertrautes Gefühl, das ein jeder in sich trägt, und doch kann es ganz unterschiedlich in uns wirken. Hoffnung haben, wenn irgendetwas nicht so funktioniert, wie wir uns das vorstellen. Hoffnung haben, obwohl alles scheinbar hoffnungslos erscheint. So wie bei den Jüngern damals, die all ihre Hoffnung auf Ihn, auf Jesus, den Sohn Gottes gelegt hatten, und der nun tot ist. Und die Frage aller Fragen: Wie geht es jetzt für sie weiter? Sie suchen nach neuer Hoffnung, nach einer Zukunft, nach dem großen »Wie geht es weiter?«. Wir kennen solche verzweifelten Stunden sicherlich auch aus unserem eigenen Leben. Nichts scheint mehr zu gehen, alle Hoffnung ist weg. Enttäuschungen sind da und die immer wiederkehrende Frage: »Wie soll und wie kann es jemals weitergehen?« Die Frauen machten sich auf den Weg zu Ihm, der ihnen Leben verheißen hat. Sie machten sich auf den Weg zum Grab. Sie wollten nicht nur trauern, sie wollten nicht nur auf der Stelle stehen, sie wollten sich nicht nur fragen, wie es weitergeht, sondern weitergehen. In der Hoffnung, dass ihnen ein Weg gezeigt wird. Und genau auf diesem Weg und in dieser Hoffnungslosigkeit finden sie im leeren Grab die Zusage, dass mit dem Tod nicht alles zu Ende ist. Es wird ihnen Zukunft und Orientierung geschenkt. Und das ist es, was wir als Christen zu Ostern feiern: Leben und Auferstehung. Leben, das alle Hoffnungslosigkeit überwindet. Leben, das alle Ängste übertrumpft. Leben, das nicht mehr zugrunde geht. Die Frauen haben sich auf den Weg gemacht und haben ihre Ratlosigkeit überwunden. Es lohnt sich also, sich auf den Weg zu machen und mutig auf die Suche zu gehen. Nur so können wir etwas geschenkt bekommen, etwas erfahren, was wir nicht erwartet hätten. Aktiv auf die Suche zu gehen und nicht unsere Hoffnung zu begraben in Traditionen oder in der Asche der Traditionen. Nicht auf der Stelle stehen zu bleiben. Nicht etwas zu machen, weil es schon immer so war. Sondern sich auch trauen, etwas zu verabschieden, um etwas Neues zu wagen. Sich also aktiv und mutig – wie die Frauen – auf den Weg zu machen.

Den Frauen am leeren Grab wird mit dem Satz: »Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?!« schon fast ein Vorwurf entgegengebracht: Ihr seid hier am falschen Ort, euer Plan macht keinen Sinn. »Er ist nicht hier, er ist auferstanden.« Also geht hinaus. Geht weg vom leeren Grab, weg vom Ort des Stillstands, geht unter die Menschen, begebt euch auf die Suche! So vollzieht sich also ausgerechnet am Ort des leeren Grabs die erste Umkehr. Die Trauer transformiert sich in einer Weise, die man nicht für möglich gehalten hätte. Aus dem Denken, dass der Tod endgültig ist, wird nun etwas Unfassbares, wird das Fest der Auferstehung, das Osterfest. Es geht weiter! Immer! Denn das Leben geht weiter auch über den Tod hinaus! Jesus ist auferweckt worden und stärkt somit unseren Glauben an ein Leben über den Tod hinaus. Jesus, der Gekreuzigte, ist auferweckt zur Hoffnung, die sich weigert, beim Tod stehen zu bleiben. Jesus, der Gekreuzigte, ist die Liebe, die uns in allem nährt und mit uns unterwegs ist. Dahin zu gehen, wo es wehtut.

Dahin zu gehen, wo ich mir nicht nur die Füße, sondern auch die Hände schmutzig machen muss.

Dahin zu gehen, wo der Tod oft viel näher ist als das Leben.

Das sind alles Haltungen, die aus der Zeit gefallen zu sein scheinen, aber die von so vielen Menschen wieder und wieder vorgelebt werden. Auch heute. Ich muss mich also diesen herausfordernden Situationen in meinem Leben stellen, um einen neuen Lichtblick zu sehen, um neuen Mut zu schöpfen und um zu sehen, warum dieser Weg so enden musste.

Er, Jesus, ist mit uns auf dem Weg – immer. Er ist schon längst aus dieser Asche auferstanden, Er möchte, dass wir uns lebendig begegnen – untereinander und mit Ihm. Also, machen wir uns auf den Weg! Nicht morgen, nicht nächste Woche, sondern jetzt!

Dieser Text gehört zu meinen absoluten Lieblingstexten. So wie Ostern auch einfach mein Highlight jedes Jahres ist. Die Frauen kommen mit den Eindrücken des Karfreitags zum Grab. Da ist so viel Enttäuschung, weil alles, was sie mit Jesus erlebt haben, auf diese blutige und grausame Weise zu Ende gegangen ist. Was haben sie doch für Hoffnungen in ihn gesetzt. Sie haben ihm geglaubt, dass seine Bergpredigt wahr wird. Dass die Welt sich ändern kann, dass die Armen beschenkt und die Trauernden getröstet werden. Dass die Verfolgten wieder frei sein und die Unglücklichen wieder Freude im Leben haben werden. Dass nicht die Mächtigen und Ausbeuter das letzte Wort haben, sondern dass all das, was krank und unfriedlich, unheilvoll und ungerecht ist, sich umkehren wird. Nichts davon ist passiert. Sie haben ihm geglaubt, dass er der Messias ist, der das Gottesreich anbrechen lassen wird. Sie haben ihm abgenommen, dass überall, wo er auftaucht, Gott am Werk ist. Stattdessen ist er tot. Elendig verreckt am Kreuz. Schlimmer hätte es gar nicht kommen können. Sie besuchen nicht nur sein Grab, sondern ihre begrabenen Träume gleich mit. Sie kommen mit unfassbarer Trauer. Dieser einzigartige Mensch, der sie aus ihrem Alltag gerissen hat, der sie von ihren Familien weggeholt und in seine Nähe gezogen hat, mit dem sie jeden Tag verbracht haben, den sie haben Wunder wirken sehen und wundervolle Dinge sagen gehört haben – er ist tot. Weg. Für immer. Mit ihm begraben ist die Gemeinschaft, die er gestiftet, und die Freundschaft, die er geschenkt hat. Seine Wunder werden zu verblassenden Erinnerungen, von seinen Worten bleiben nur noch Fetzen übrig. Sie gehen mit großer Wut zum Grab. Wieso ist alles so gekommen? Wieso mussten sie ihn unbedingt töten und wieso hat er sich nicht gewehrt? Er hatte doch fliehen und sich in Sicherheit bringen können? Jetzt ist eh alles zu spät. Sie können nichts mehr tun. Sie werden wohl in ihr altes Leben zurückkehren, alles wird so grau und trist, wie es vorher war. Sie sind so in sich, in ihrer Enttäuschung, Trauer und Wut gefangen, dass das offene Grab und der verschwundene Leichnam nicht dazu führen, dass es »klick« macht und sie verstehen: dass doch alles wahr war. Dass doch eine ganz neue Zeit anbricht. Dass er wirklich der ist, der er vorgab zu sein. Erst das Wort der geheimnisvollen Männer mit den leuchtenden Gewändern bringt sie wieder auf Spur, lässt sie zumindest ahnen, dass sie ihre Hoffnungen zu früh begraben haben. Was wollt ihr hier mit eurer Hoffnungslosigkeit, mit eurem Selbstmitleid? Der Lebende ist nicht bei den Toten. Er ist auferstanden. Und er geht voraus. Dass er nicht im Grab sitzen geblieben ist oder vor dem Grab auf sie wartet, zeigt es doch ganz klar: Er lässt sich nicht aufhalten, er bleibt nicht stehen, er geht voraus – mit seinem Leben, mit seinem Sieg über den Tod, mit seiner Liebe zu den Menschen, in der alle Zukunft liegt. Und ich wünsche mir so sehr, dass ich in meinem Leben immer wieder früh genug merke, wann ich anfange, vor den Gräbern meiner Pläne, Wünsche und Ziele zu sitzen, und dabei verpasse, dem Leben, ja dem lebendigen Auferstandenen, zu folgen. Für mich ist es genau das, was mich an diesem Text berührt: Er bleibt nicht bei dem stehen, was kaputt, zerbrochen, tot ist. Sondern er zeigt die Dynamik des Auferstandenen: weg vom Grab, von dem, was tot ist – hinein ins Leben.

Sterben lassen

Es wirkt erst mal seltsam, wenn in einem Kapitel – noch dazu im allerersten – dieses Buches, in dem es doch eigentlich um das Leben gehen soll, zunächst mal vom Sterben die Rede ist. In unserem Alltag ist die Reihenfolge ja genau andersrum. Aus dem Leben folgt das Sterben. Unausweichlich. Im Christentum glauben wir aber genau das Paradoxon: Aus dem Sterben folgt das Leben. Das hat seinen Grund in der Auferstehung Jesu, die eben nicht nur eine nette Geschichte von vor 2000 Jahren und auch nicht nur ein Wiederauferstehen in den Gedanken der Hinterbliebenen ist, sondern ganz konkrete Wirklichkeit bedeutet. So wie Jesus am Kreuz gestorben ist, so hat er den Tod besiegt und ist am dritten Tag von den Toten auferstanden. Er hat die alte Logik vom Leben und Sterben aufgelöst und gezeigt, dass der Tod nicht das letzte Wort hat und nicht die endgültige Wirklichkeit schafft. Es bleiben nicht Dunkelheit und Grab, sondern Licht und Leben. Gott wird die Toten in sein Leben hinein auferwecken. Sterben ist kein Ende, sondern ein Anfang. Wir werden anders leben als hier, aber genauso wirklich. Das muss man verstehen, um begreifen zu können, warum es Sinn macht, ein Kapitel über das Leben mit dem Sterben zu beginnen.

Ich glaube, dass im Sterbenlassen eine große Chance steckt. Wir klammern uns so oft an Sterbendes und Totes in unserem Leben, dass wir dabei das Leben völlig verpassen. Ob es eine Beziehung ist, die einfach nur noch am Ende ist, aus der wir uns aber wider besseres Wissen einfach nicht lösen wollen oder können. Ob es Ziele sind, die wir uns gesetzt haben und deren Erreichen uns alle Kraft zum Atmen nimmt, obwohl wir insgeheim doch schon gemerkt haben, dass wir sie nicht erreichen werden. Ob es Wünsche und Träume sind, die wir gerne erfüllt sähen, die so viel in uns blockieren und besetzt halten, dass kein Platz mehr für Neues ist, obwohl wir klar sehen, dass diese Wünsche und Träume längst zerplatzt sind. Wir halten uns an Sterbendes oder Totes. Vielleicht, weil es uns irgendwie auch Sicherheit gibt. Lieber am Sterbebett meiner Pläne sitzen, als neue machen. Lieber am Grab meiner Beziehung hocken, als sich neu zu sortieren und zu wagen, sich auf einen anderen Menschen einzulassen. Genau diese Haltung hindert uns am Leben. Und das ist nicht nur in unserem persönlichen Leben so, sondern auch in der Kirche.

Wir erleben in jeder Gemeinde, dass es Abbrüche gibt, dass Nachwuchssorgen da sind, dass die Schultern, die alles Bisherige trugen, immer weniger werden. Gottesdienstliche Angebote werden aufrechterhalten, obwohl längst alles Erhebende, jedes Gemeinschaftsgefühl und jede Feierlichkeit abhandengekommen sind. Da kommen die drei, die immer kommen, weil sie den Priester nicht alleinelassen wollen. Da hält der Priester an der Feier fest, weil die drei ja noch kommen. »Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen« (Mt 18,20), damit tröstet man sich. Dabei meint doch dieses Jesus-Wort gerade nicht die Vereinzelung, sondern lädt zur Gemeinschaft ein. Und dann sitzen wir wieder bei dem, was stirbt und schon längst in den letzten Zügen liegt. Nur, um nicht aufbrechen zu müssen. Nur, um die Alternativen nicht andenken zu müssen. Nur, um sich nicht bewegen zu müssen. Würde man miteinander sprechen und sich ehrlich machen, käme man vielleicht zum Entschluss, dass man auch das Angebot in der Nachbargemeinde wahrnehmen könnte. Dass man dort wieder eine größere Gruppe zum Gottesdienst versammeln könnte, dass aus dem immer trostloser werdenden Vor-sich-hin-Sterben wieder eine lebendige Gemeinschaft erwachsen könnte, die wirklich Gottesdienst feiert.

Das Sterben hat aber längst nicht nur Kirchenorte und Gottesdienste erfasst. Auch Verbandsgruppen, Jugendgruppen, Familienkreise, Ausschüsse – überall lassen sich die immer lebloser werdenden Gruppierungen finden. Das Sterben der eigenen Gruppe, das Trauern über das, was nicht mehr geht, der bange Blick in die Zukunft – das ist dann das bestimmende Thema und man wundert sich, warum niemand mehr kommen mag. Oder man genügt sich eben selbst, schottet sich ab und vergisst, dass alle diese Gruppen und Verbände zu einem Netzwerk gehören sollten, das ansteckt, einlädt, fasziniert und zum Mitmachen begeistert. Natürlich ist es traurig, wenn wir die Zahl der Gottesdienste reduzieren müssen (nicht nur, weil die Priester weniger werden, sondern vor allem die Gläubigen, die kommen), wenn die gewohnte Abendmesse nicht mehr in meiner Kirche stattfindet, wenn der Kochtreff, zu dem ich 25 Jahre oder länger gegangen bin, nicht mehr in der gewohnten Küche meines Pfarrheims stattfindet. Aber ist es nicht genauso traurig, seiner Gruppe beim Sterben zuzuschauen? Ist es nicht genauso traurig, in der Messe zu sitzen und sich zu fragen, wann außer mir kein anderer mehr kommt? Ich frage mich oft, ob wir als Kirche überhaupt noch den Wunsch nach Leben, ja nach Leben in Fülle, in uns tragen oder ob es nur noch darum geht, irgendwie zu überleben. Solange es eben geht. Wir sind es irgendwie gewohnt, in der Haltung der Frauen am Grab zu verharren. Wir haben mehr Sehnsucht nach dem Leichnam als danach, dem Auferstandenen hinterherzugehen. Denn der ist längst nicht mehr im Grab: Der hat sich aufgemacht, ist beweglich, trägt Lebendigkeit in sich und geht einen Weg, der in die Zukunft führt und nicht das Vergangene festhält. Diese österliche Dynamik müssen wir zwingend auf unser kirchliches Leben übertragen! Und dann braucht es eben den Mut, Orte aufzugeben, Angebote zu besprechen und sich auf den Weg zu machen – mit anderen, zu anderen. Da können sich zwei kleine Gruppen zusammentun, da kann man für das Gottesdienstangebot nebenan werben und Sorge dafür tragen, dass die, die dahin wollen, auch dahin kommen. Da kann man Familienkreise miteinander vernetzen, Jugendgruppen zusammenführen und Ortsverbände auf der nächsthöheren Ebene vereinen. Das fordert harte Entscheidungen, die durch die Verantwortlichen vor Ort gut begleitet und durch Alternativen aufgefangen werden müssen. Aber diese Schritte sind notwendig, wenn kirchliche Angebote attraktiv sein sollen und nicht schon vom bloßen Ansehen her wie aus der Zeit gefallen, unnötig und vor allem leblos erscheinen sollen. Ich will das auch gar nicht schönreden oder idealisieren. Denn natürlich erwische ich mich auch selber dabei, wie ich alleine durch eine unserer Kirchen gehe, die nicht mehr vollauf bespielt werden, und versuche, mir vorzustellen, wie hier mal alles voller Leben, Glauben und Gemeinschaft war. Und natürlich macht mich das traurig, dass es nicht mehr so ist. Und es tut mir leid für all die Menschen, die noch da sind und die das alles mit ansehen und miterleben müssen: wie aus ihrer vollen Kirche eine leere wurde. Wie aus ihrer großen Gemeinschaft mit tollen Festen und Aktionen ein kleines und leider auch oftmals überaltertes Häufchen geworden ist. Aber ich spüre dann auch, wie dieser Text aus dem Lukasevangelium mir in die Gedanken kommt. Aus »Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?« wird dann in mir »Was suchst du das Lebendige bei dem, was tot ist?«.