Doktor Ain - James Tiptree Jr. - E-Book
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Doktor Ain E-Book

James Tiptree Jr.

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Beschreibung

Anfang 1968 taucht ein gewisser James Tiptree Jr. in der amerikanischen Science-Fiction-Szene auf, ein rasanter Aufstieg soll folgen. Seine Storys sind straff und energiegeladen. In "Geburt eines Handlungsreisenden" werden wir in einem atemberaubenden Tempo mit den Nöten eines intergalaktischen Verwaltungsbeamten vertraut gemacht. In "Mama kommt nach Hause" und der Fortsetzung "Hilfe" wird uns ein exklusiver Einblick in einen kleinen Laden der CIA gewährt, der zufällig in den Erstkontakt mit Außerirdischen gerät. Naturgemäß stößt das dortige Team auf unerwartete Schwierigkeiten. Auf spielerische Kapriolen folgen auch andere, düstere Töne. In der titelgebenden Kurzgeschichte "Doktor Ains letzter Flug" unternimmt der Protagonist drastische Maßnahmen, um die Erde zu retten. Dieses frühe, aber komplexe Werk, das dem Leser unerwartete Abgründe eröffnet, wird der Durchbruch sein. Ab jetzt ist der Name Tiptree in aller Munde.

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Seitenzahl: 683

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Inhaltsverzeichnis

Cover

Impressum

Über die Autorin

Titelseite

Buchanfang

Bitte keine Spiele mit der Zeitmaschine!

Haltet euch fern von mir, ich bin deren eine, die ermüden

Geburt eines Handlungsreisenden

Schuld

Treu dir, Terra, auf unsere Art

Dein haploides Herz

Mama kommt nach Hause

Hilfe

Doktor Ains letzter Flug

Ein Tag wie jeder andere

Beam uns nach Hause

Glück ist ein wärmend Raumschiff

Ich bin zu groß, aber ich spiele gern

Und auf verlorenen Wegen fand ich diesen Ort

Der Schnee ist geschmolzen, der Schnee ist fort

Sie in einem trüben Spiegel

Die einzelnen Erzählungen

Die Werkausgabe

Leseproben

Band 2: LIEBE IST DER PLAN

Band 3: HOUSTON, HOUSTON!

Band 4: ZU EINEM PREIS

Band 5: QUINTANA ROO

Band 6: STERNENGRABEN

Band 7: YANQUI DOODLE

Die Mauern der Welt hoch

Helligkeit fällt vom Himmel

Fußnoten

James Tiptree Jr. – Doktor Ain

Sämtliche Erzählungen , Band 1

Copyright © 2014, Septime Verlag, Wien

Alle Rechte vorbehalten

Copyright © by the Estate of James Tiptree Jr.

Lektorat: Bastian Schneider

Umschlag: Jürgen Schütz

EPUB-Konvertierung: Esther Unterhofer

ISBN: 978-3-903061-27-9

Printversion: Hardcover, Schutzumschlag, Lesebändchen

Mit einem Nachwort von Julie Phillips

übersetzt von Margo Jane Warnken

ISBN: 978-3-902711-23-6

www.septime-verlag.at

www.facebook.com/septimeverlag

www.twitter.com/septimeverlag

Über die Autorin

James Tiptree Jr.

(1915-1987) ist das männliche Pseudonym von Alice B. Sheldon. Tiptrees geheimnisvolle Identität faszinierte die Fans und gab Anlass zu vielen Spekulationen, freilich glaubten alle, es müsse sich um einen Mann handeln. Die Aufdeckung, noch zu ihren Lebzeiten, war ein Schlag: Diese knappen, harten und frechen Kurzgeschichten, die nur allzu häufig mit dem Tod enden, waren von einer alten Dame mit weißen Federlöckchen verfasst worden.

Sie zählt unter Science-Fiction-Fans zu den großen Klassikern, gleich neben Philip K. Dick und Ursula K. Le Guin. Ihre Kurzgeschichten, die sie erst im Alter von einundfünfzig Jahren zu schreiben begann, und von denen einige wohl zu den besten des späten 20. Jahrhunderts gehören, brachten ihr schnell Ruhm und zahlreiche Auszeichnungen ein.

Dennoch litt sie ständig unter schweren Depressionen und Todessehnsucht. Nach einem vorab geschlossenen Selbstmordpakt erschießt Sheldon im Alter von einundsiebzig Jahren erst ihren vierundachtzigjährigen Mann und dann sich selbst.

James Tiptree Jr.

Doktor Ain

Sämtliche Erzählungen

Band 1

Aus dem Amerikanischen von Frank Böhmert, Elvira Bittner, Laura Scheifinger, Andrea Stumpf, Samuel N. D. Wohl, Bastian Schneider

und Margo Jane Warnken

Bitte keine Spiele mit der Zeitmaschine!

oder wie ich dem FBI 15.924 alte Ausgaben

von Astounding versaute

Viertausend Ångström flimmerten über dem Stapel auf der linken Seite des Tischs. Der Stapel enthielt Skripten, Papierrollen, Fetzen, Bandspulen, Kassetten, ein großes Blatt. Auf der rechten Seite des Tischs befand sich ein Schacht aus Leuchtdraht. Daneben stand eine Pfanne mit zwei Bimssteinen. Der Besitzer des Tischs saß vor einer Abtastlinse und las:

- Captain Herrings schmale gebräunte Lippen zuckten erleichtert, als sich die Quantenmeter-Lichter auf den Kontrollskalen einpegelten. Die verschwommenen Umrisse der Kabine wurden wieder scharf. Zurück in der Urzeit! Captain Herring straffte seine schmalen gebräunten Schultern. Als sie die Planck’sche Konstante passierten, ertönte ein leises Plop!Ocarina III, intergalaktischer Tramp, hatte es mal wieder geschafft.

Mit einem Lächeln unter dem schmalen gebräunten Schnurrbart griff Herring nach dem Hebel, um sich aus der Antigrav-Kabine zu befreien. Er dachte daran, dass er die nächsten Wochen nichts weiter zu tun hatte, als seine Rezeptsammlung in Ordnung zu bringen, und seine schmalen gebräunten Ohren zuckten vor Vorfreude. Dann erstarrte er. Der Antigrav-Hebel fühlte sich komisch an. Er fühlte sich wie ein Knöchel an.

Das ist die Rotation des Alls, dachte er. Immer mit der Ruhe, mein Junge. Er rüttelte an dem Hebel. Er fühlte sich immer noch wie ein Knöchel an. Er tastete nach der Ausfallsicherung. Die fühlte sich auch wie ein Knöchel an. Herring schloss seine schmalen gebräunten Finger darum und griff nach unten. Noch ein Knöchel! Er riss ihn hoch.

»Zum Arktur, es ist ein Knöchel!«, knurrte Herring. »Und dieses Kettchen sieht aus wie eine unbekannte hochfeste Molybdän-Legierung!« Vorsichtig beugte sich Herring hinunter, um die Gravur auf dem Medaillon zu lesen, das an dem schlanken, warmen Gelenk befestigt war. Er hatte gerade die Worte Wenn du das lesen kannst, bist du viel zu - entziffert, als ihn etwas in der Leiste traf.

Dank seiner eiskalten Reflexe, die ihn durch etliche Scharmützel mit den radioaktiven Khurden von Wey gebracht hatten, war er im Bruchteil einer Sekunde fünf Meter entfernt an der Instrumententafel.

»Komm da raus, du!«, schnarrte er, den Gammastrahler schussbereit.

Nichts geschah. Er versuchte es auf Niedermarsianisch und arbeitete sich gerade hoch ins Glottische, als sich der Besitzer der Knöchel über den Rand der Grav-Kabine schob.

»Hör auf, hier rumzustottern«, sagte das Ding. »Ich dachte schon, du würdest nie hochkommen. Was ist das eigentlich für eine Schrottmühle? Zehn G, um von einer Füllstation abzuheben, und dann ruinierst du mir auch noch die Frisur.« Aufreizend glucksend fing es an, sich zu putzen.

Captain Herring sah das Ding von oben bis - mehr oder weniger - unten an, das war in der Urzeit schwer zu sagen. Er, der schon Tausende von Aliens in allen möglichen Formen und Größen gesehen hatte, von den musikalischen Hirnschnecken auf Ech bis zu den flammenden Kristallkannibalen von Utr Nadr, verlor die Nerven. Das ist schlimmer als alles, dachte er und würgte.

»Nach den Gesetzen des intergalaktischen Verkehrs«, stieß er hervor und kniff seine schmalen gebräunten Augenlider zusammen, »bist du, wie du dich auch nennen magst, ein blinder Passagier. Ich gehe davon aus, dass dir die Regularien hinsichtlich der Entledigung blinder Passagiere bekannt sind.«

»Ach, hör schon auf, du Spätzünder«, sagte das Ding seelenruhig, während es an seinen Zehennägeln herumzupfte. Herring erschauerte; sie waren eklig pink. »So, wie du diese Mühle steuerst, kannst du ein bisschen Ballast brauchen. Womit fliegst du eigentlich? Kloreiniger?«

»Kerosin«, stieß Herring hervor. »Ich meine, Hexadinitrobetametadioyla -«

»Schluckauf, was?«, sagte das Ding. Es schlängelte sich aus der Kabine. »Den haben wir bald weg.«

»Moment mal!«, bellte Herring. »Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Mach, dass du verschwindest! Höflichkeit im Raumverkehr ist ja schön und gut, aber auf der Ocarina ist nur Platz für einen. Ich zähle bis drei, dann drück ich ab. Eins!«

Das wogende Ding hielt inne.

»Was willst du denn abdrücken?«, fragte es neugierig.

»Den Abzug«, knurrte Herring, die schmalen gebräunten Lippen entschlossen zusammengekniffen. »Zwei!«

»Welchen Abzug?«

»Wenn du einen Gott hast, dann bete! Drrrr-«

»Du weißt schon, dass du da eine Schachtel Toffees in der Hand hast, oder?«, säuselte das Ding.

»eiiii!«, brüllte Herring und drückte ab. Dann starrte er ungläubig auf seine Hand. Darin lag tatsächlich eine Schachtel Toffees, die er hinter der Instrumententafel deponiert hatte, um sich damit die langen Nächte im All zu versüßen. Wutschnaubend warf er sie auf den Boden, der nur leider gerade die Decke war. Da die Masse sich im freien Fall befand, krachte die Schachtel auf die Sicherungsklemmen und die Lichter gingen aus.

»Ach schade«, gurrte das Ding im Dunkeln, »die haben lecker ausgesehen. Ein bisschen zu fest vielleicht. Wer hat sie denn gemacht?«

»Ich«, knurrte Herring und tastete nach den Sicherungen. In der Dunkelheit hörte er auch das Ding herumtasten.

»Ah, ich hab eins!«, trillerte es und fing an, laut schmatzend zu kauen. »Wie heißt du, Tiger? Du machst super Toffees!«

Plötzlich schnupperte es an seinem Hals. Und anderswo.

»Red«, brachte er hervor, während er panisch seine schmalen gebräunten Flugshorts festhielt.

»Reddy, Baby«, nuschelte das Ding mit vollem Mund, »weißt du wirklich nicht, was ich bin, Reddy-Schätzchen?«

»Wa - was bist du denn?«, fiepte Herring, und spreizte in der Dunkelheit seine schmalen gebräunten Zehen im Kampf. So zu sterben, dachte er, in meinem eigenen Kommandoraum von einem Ding aus dem Höllenschlund gefangen -

»Oje, Reddy-Beddy«, züngelte es in sein Ohr. »Bisschen zurückgeblieben, was? Ich bin eine Fr-!«

»Großer Lorenz!«, stieß Captain Herring hervor. »D-dann st-stimmen d-die a-alten G-Geschichten a-also!« Dann wurde er ohnmächtig.

Auf der Instrumententafel klackte der Quantenmeter. Googol minus acht, Googol minus sieben … Googol minus sechs …

Der Leser unter der violetten Lampe dehnte seine Kauwerkzeuge. Er legte das Blatt zur Seite, nahm einen von den Bimssteinen und biss hinein. Die köstliche Cadmium-Cremefüllung genießend, wählte er eines der kleinen Einmalbänder aus und polte es um, um es an das Manuskript zu heften.

»Liebes Wesen: Danke, dass wir Ihre Emanationen aufnehmen durften. Zu unserem Bedauern mussten wir feststellen, dass sie nicht isomorph mit unseren Anforderungen sind. Wegen der vielen Einsendungen, die wir erhalten haben, ist es uns nicht möglich, unmittelbar darauf einzugehen, aber wir empfehlen Ihnen, sich unsere Sendungen weitere drei Zyklen lang auf Stil und Inhalt hin genau anzusehen. Ein spezienneutrales Abo-Bestellformular liegt bei.«

Er legte das Manuskript in den beleuchteten Schacht, wo es sich auflöste, während er aufs Geratewohl das Blatt aus dem Stapel zog und es unter seiner Linse zurechtrückte. In diesem Moment flackerte seine Lampe dreimal auf. Er legte das Blatt zur Seite und streckte und dehnte sich. Dann entfaltete der Redakteur drei Meter Thorax aus seiner Reso-Gel-Schutzhülle, knipste die Lampe aus und flog davon.

Haltet euch fern von mir,

ich bin deren eine, die ermüden

(Eine Parodie auf meinen Stil)

Szene: Ein verlassenes Schlachthaus, früher Sonntagmorgen.

Heldin, splitterfasernackt bis auf ein Paar Daumenschrauben, taumelt aus einem heillos zerwühlten Bett. Eine große Schachtel Tenpenny-Nägel fällt zu Boden. Das Bett geht in Flammen auf.

Heldin: Oh Gott, der Milchmann!

Zwängt sich in ein Büßerhemd, öffnet die Tür.

Heldin,auf der Türschwelle: Die Luft! Zu atmen das diamantene Elixier der großen Welt! O, meine elektrischen Nerven! Wo ist die Milch?

Schnappt sich einen fliederfarbenen Schnipsel Papier von Johnny Ausschneidepuppe.

Heldin, wild schreibend: Ich brauch mehr Milch! Der Schwelbrand in meinen Gebeinen muss gelöscht werden. Mein blinder Hunger muss gestillt werden. Wie nennt man das Zeug mit dem Vitamin B drin? Oh, dieser Kampf um Kommunikation!

Man hört den Milchmann herannahen. Heldin reißt sich Büßerhemd vom Leib.

Milchmann: Also, Fräulein, was darf’s denn sein?

Heldin: Aha! Auch du bist anheimgegeben!

Wirft sich Milchmann um den Leib.

Milchmann: He!

Heldin, würgend: Mein Geliebter, mein Geliebter! Mein! Unser beider Einsamkeit ist vorbei! Deine großen Augen bestaunen mein Fleisch … Komm, Geliebter!

Milchmann, in Flammen aufgehend: Uahargrgrg! Tritt geschwind ab.

Heldin, nimmt deprimiert die Milchflasche vom Boden: Oh, Närrin, die ich bin! Jetzt muss ich zu Borden’s wechseln. Mein Herz ist ein Stein, ein kleiner schwarzer Stein. Ein Splitter vom Stein des Todes. Irgendwas stimmt nicht mit meinem Stil. Wo zum Teufel bleibt die New York Times?

Begibt sich zu einem frischen Grab im Vorgarten.

Heldin, Milch trinkend: Ah ja, jetzt fällt’s mir wieder ein … Dieser Zeitungsjunge. Vollkommener Friede … Ich bekomme schon Gänsehaut, wenn ich an die bebende Intensität seines nackten Fußes denke, nackt auf meinen Lenden … Tod, süßer Freund, bewahre ihn mir gut … Nein! Ich bin sentimental! Es war meine Schuld, meine verdammte Schuld! Verantwortung - das ist das große Wort. Ich übernehme - menschliche Verantwortung. Ich blicke starr auf die Fakten. Buße! … Ich werde mir die Herald Tribune bestellen.

Stellt die leere Milchflasche auf dem Grab ab, geht wieder ins Haus und fängt an, ganz demütig, den Boden mit einem Schneidbrenner sauberzumachen. Singt vor sich hin.

Heldin: Ich werde mir eine Puppe aus Papier kaufen, die nur mir allein gehört … Heult auf: Ich! Ich! Ich! Ich höre immer nur ich! Was nützt es, schizoid zu sein, wenn ich mir nicht entfliehen kann? Hass und Angst, Angst und Hass, erbärmliche, Rotz speiende, wehleidige, mich anbiedernde, nichtswürdige schnoddernasige Napfschnecke, die ich bin! Was mach ich, wenn die Zeitungen ausgehen? Den Christian Science Monitor lesen? Was nützen sechs Adjektive, wenn ich doch nicht ausdrücken kann, was ich meine - die nicht kommunizierbare Quintessenz meiner selbst? Die stammelnde Frage meines Blutes, das meine ich, wenn ich das so sagen darf, nennt es, wie ihr wollt, aber wer es kennt, sonst nichts kennt - was sage ich da? Ich brauche Licht, auch wenn sich dadurch die Lage nicht großartig verbessern wird, es ist ehrlich.

Zündet das Haus an.

Heldin, nachdenklich: Männer - ich hasse Männer. Igitt, wie brutal sie sind! Frauen sind gut. Warum habe ich nicht ein paar gute Freundinnen? Ich liebe Frauen - ich werde Frauen finden! Himmel, ist es heiß hier drin. Wasser! Wasser für meine fiebernde faulige flammende fanatische …

Geht nach draußen, vor sich hin brabbelnd. Haus brennt nieder bis aufs Fundament, während Heldin friedlich auf dem Grab schläft.

Geist von Ernest Dowson schlendert hinzu, ein Exemplar von Vom Winde verweht lesend, und nimmt neben ihr Platz. Mehrere Rotz speiende, schnoddernasige, usw., Napfschnecken tauchen aus dem Grab auf und glotzen Heldin vorwurfsvoll an.

Heldin wendet sich im Schlaf, umklammert den Grabstein. Geist des Zeitungsjungen sprintet aus dem Grab hervor und tritt fluchtartig ab.

Dies ließe sich unendlich fortsetzen. VORHANG.

Geburt eines Handlungsreisenden

Der stämmige Bürger rauschte an der Vorzimmermieze vorbei und platzte durch die Innentür. An der Tür stand: T. BENEDICT, FKGK. Hinter dem Schreibtisch hob T. Benedict den Kopf aus den Händen und drehte seinem Besucher große traurige blaue Augen entgegen. Der stämmige Mann öffnete den Mund und das Telefon läutete.

»Eff-ka-ge-ka«, sagte Benedict in den Hörer und wedelte mit der Hand zu dem Dicken hin. »Richtig, Sie brauchen eine Klarierung von uns, wenn Sie Ihr Produkt außerhalb des Planeten versenden wollen … Richtig, das gilt auch für außerplanetare Waren, die hier weiterverarbeitet werden. Sobald man sie irgendwie in die Finger nimmt … Ja genau, Fremdkulturelle Gestaltklarierungen. Ein scheußlicher Name, ich weiß; war nicht meine Wahl. Wir schicken Ihnen die Formulare zu … Moment, dass wir uns richtig verstehen, der Name ist vielleicht albern, aber unsere Aufgabe nicht. Was wollen Sie versenden? … Lager mit monomolekularer Beschichtung? Wie sind sie verpackt? … Wie sie verpackt sind, will ich wissen. In was für Behältern? In kugelförmigen? Schön, Sie wollen sie also in den Deneb-Sektor verschicken. Das heißt, über den Transferpunkt Deneb-Gamma, richtig? … Na, dann schlagen Sie es mal nach, Sie werden feststellen, dass die Ware darüber laufen muss. Also, in dem Moment, in dem diese Kugeln von Ihnen da durch den Transfer rollen, wird sich die komplette Belegschaft von Station Gamma auf ihre Opercula hocken und niemand krümmt auch nur einen Tentakel, weil Kugeln auf Gamma nämlich religiöse Bildnisse sind, alles klar? Und der Transmitter bleibt auf Ihre Kosten offen, abgerechnet per Mikrosekunde, und Ihr Produkt rührt sich kein Stück, bis ein dortiger atheistischer Rettungstrupp da reingebracht wird - zum dreifachen Satz, auf Ihre Kosten - und den Weiterversand übernimmt, ja? Wenn Sie sich diesen Mist ersparen wollen, müssen Sie uns ein Muster zur Klarierung schicken. Und zwar, bevor die Fracht versiegelt wird! Alles klar? … Ich schick Ihnen die Formulare und Sie sehen zu, dass wir schleunigst die Muster reinbekommen. Wir tun, was wir können.«

Benedict legte den immer noch quakenden Hörer auf und wandte seine traurigen blauen Augen dem dicken Besucher zu, der prompt an die Decke ging.

»Genau dieselbe merde haben Sie mir auch erzählt! Wie toll Ihre Klarierungen sind! Was man ändern muss - das Bild von der Kiste nehmen - und die Farbe bloß nicht rosa oder rot, weil sonst irgendein Hummer auf Capella kribbelig wird - alles, was Sie gesagt haben, wir haben es gemacht! Und jetzt das! Ich habe fünftausend Happichlor-Unterflossen-Gasatoren auf Lichtstärke-7 festhängen und keiner will sie weiterschicken! Wofür zahle ich meine Steuern? Inkompetent! Parasitär! Bah!«

T. Benedict schloss die Augen, strich mit den Fingern seine Nase entlang und sah den Mann wieder an.

»Hören Sie, Mr. Marmot -«

»Marmon!«

»Mr. Marmon, unsere Klarierung stellt keine Garantie dar. Sie kann Sie nicht vor unbekannten Faktoren schützen, nur vor denen, die wir kennen. Das Transmitternetz verbindet wöchentlich neue Kulturen miteinander, da haben wir ständig neue Faktoren. Der Aufkleber mit dem Bild, den Sie hatten, die rote Schrift, das sind auf Ihrer Route bekannte Faktoren. Ihr Produkt wäre auf Capella massiv angeknabbert worden, wenn die Kartons so durchgegangen wären - das steht fest. Sie hätten jedes Recht gehabt, uns Vorwürfe zu machen, wenn wir sie durchgewinkt hätten. Aber auf Lichtstärke hätte es keinen Ärger geben dürfen. In unserem Fremdwesen-Beirat sitzt jemand, der auf Lichtstärke geboren ist; er hat Ihr Produkt abgesegnet. Da gibt es bloß zwei Möglichkeiten: Entweder ist es ein Transportproblem, eine Fehlfunktion oder ein Lohnstreik, in diesem Fall liegt das Ganze nicht an uns - oder Sie haben am Produkt Veränderungen vorgenommen.«

»Das Produkt ist in keiner Weise verändert worden. Sehen Sie!« Marmon knallte einen schwarzen Würfel und ein zerknittertes Memo auf den Tisch. Benedict las vor:

»Sechs Fälle von schwerem depressivem Schub beim Transferpersonal. Rettungstrupp ebenfalls betroffen, verweigert Eingreifen. Auf unerledigt gestellt. Sie haben das Produkt verändert.«

»Ich habe das Produkt NICHT verändert!«

»Und sämtliche Exemplare sind identisch? Ohne jede Abweichung?«

»Jedes einzelne Exemplar, mit einer Toleranz von einem halben Mikrometer. Denken Sie, wir pfuschen?«

»Das weiß man nie. Aber irgendwo gibt es eine Abweichung. Miss Boots!«

Eine Mieze in einem türkisen Laborkittel stöckelte durch die Seitentür.

»Bringen Sie das nach oben, Freggle soll es sich nochmal ansehen. Sagen Sie ihm, auf Lichtstärke hängt eine Ladung fest, weil sie schwere Depressionen auslöst.« Die beiden Männer sahen zu, wie sie wieder hinausstöckelte.

»Jetzt passen Sie mal auf, Marner, wir helfen Ihnen, wo wir können. Entweder ist Ihr Muster nicht repräsentativ oder unser Repräsentant für Lichtstärke ist nicht repräsentativ, also typisch, meine ich. Es kommt billiger, erstmal Ihr Muster zu überprüfen, also besorgen Sie mir ein paar mehr - ein Gros, ein paar Gros mindestens. Wenn Sie mir die heute noch bringen, leite ich sie gleich weiter. Das ist Schritt Eins. In der Zwischenzeit haben Sie die Wahl: Entweder warten und darauf bauen, dass wir etwas finden, das Sie hinbiegen können, oder Sie klemmen sich ans Telefon und schaffen einen Trupp Springer runter nach Lichtstärke, der Ihre Ladung so wegarbeitet, wie sie ist. Mein Rat lautet, diesen Trupp zu besorgen; was immer da falsch ist, wird sich auf diese Distanz nur schwer ausbessern lassen. Comprendez?«

»Aber das kostet mich! Das kostet mich! Während Sie hier bloß rumsitzen! Schwätzer!«

»Markle, ich helfe Ihnen, wo ich kann - Ja, Miss Boots?«

Auf dem Interkom-Bildschirm rückte sich Miss Boots anscheinend ihre Perücke zurecht.

»Mr. Freggleglegg ist gerade ohnmächtig geworden - glaube ich«, piepste sie.

»Schaffen Sie das Produkt von ihm weg!«, brüllte Benedict. »Rufen Sie Doc! Warten Sie, Bootsie, besprenkeln Sie ihn mit Zucker. Ja, Zucker, die Dose müsste auf seinem Schreibtisch stehen. Auf seine Füße, Sie Dummerchen, diese grünen Dinger; in Notfällen verstoffwechselt er dort!«

Miss Boots verschwand nach unten vom Bildschirm.

»Da haben wir’s, Marvin, Ihr Produkt ist das Problem, alles klar! Also! Was Ihre Muster betrifft, zuerst will ich ein paar von den Originalen - die wir durchgewinkt haben. Die haben Sie? Gut. Und dann besorgen Sie welche aus verschiedenen Chargen bis hin zum Zeitpunkt der Verladung, comprendez? Ist mir egal wie viele, Hauptsache, sie reichen. Wir arbeiten daran, sobald Freggles zu sich kommt. Annäherungsmethode. Warten Sie! Als Nächstes schreiben Sie alles auf - ich meine jede Kleinigkeit -, das sich seit dieser ersten Charge in Ihrer Fabrik geändert hat. Andere Gesenke oder Gussformen, ein anderer Katalysator für Ihren Kunststoff, ein anderes Flussmittel, ein Wechsel bei den Subunternehmern, jede winzige Kleinigkeit -«

»Er reagiert nicht auf den Zucker!«, jammerte Miss Boots auf dem Bildschirm.

»Da soll Doc ran, Bootsie! … Also dann, Marple. Musterreihen, Aufstellung der Veränderungen, pronto-pronto. Legen Sie los!«

Der Dicke stürmte hinaus. Benedict ließ den Kopf in die Hände sinken, während der Interkom-Bildschirm verwischtes Kittel-Türkis und gurgelnde Laute übertrug. Das Telefon läutete im selben Moment, als die Bürotür aufging und etwas darin stand, das wie eine rothaarige Gazelle in silbernem Stretch aussah.

Benedict griff zum Hörer und verdrehte entsetzt die Augen zu dem Besuch hin, den er jetzt als ein Mädchen in einer silbrig-transparenten zweiten Haut wahrnahm, das einen fliederfarbenen Aktenkoffer trug. Seine Augen wurden runder, während der Telefonhörer eifrig in sein Ohr quengelte.

Unvermittelt kam auf dem Interkom-Bildschirm ein gigantisches kastanienbraunes Walross in Sicht und lehnte sich auf Miss Boots’ Kopf. Das Gazellenmädchen keuchte auf.

»Wieder okay, Freggle?«, wollte Benedict von dem Walross wissen. »Nein, nicht Sie, ’tschuldigung. Fahren Sie fort.«

Das Walross watschelte vom Bildschirm weg, gefolgt von einem Mann mit Bubikopf, der Benedict mit Daumen und Zeigefinger ein Okay-Zeichen gab. Benedict, der weiterhin dem Anrufer lauschte, drehte sich mit seinem Stuhl herum und beobachtete den Effekt der tiefen Atemzüge seiner Besucherin auf ihre silbernen Rundungen.

»Alles klar«, sagte er zu dem Anrufer. »Ich wiederhole. Die Lieferung Pansolar-Wein kann über die geplante Route gehen, vorausgesetzt, sie entfernen a) das Bild von der Weinrebe, damit das Transferpersonal bei Fomalhaut nicht denkt, wir ziehen ihre Larven auf Flaschen. Und b) die Flaschen dürfen nicht über 13.000 Zyklen pro Sekunde gluckern, damit sie unterhalb der Paarungsspanne für die amphibischen Betreiber von Pegasus Zeta-4 bleiben. Wenn sich die Obertöne nicht reduzieren lassen, muss er außenrum über Algol versenden. Soweit richtig? Ist notiert, wird weitergegeben. Danke, Tom … ’tschuldigung, Miss, was kann ich für Sie tun?«

»Ich bin Joanna Lovebody Inc.«, verkündete das Mädchen niedlich.

»Tag auch, Miss ähm, Inc.?«

»Also eigentlich Miss Krupp.« Sie lächelte. »Wir bei Joanna Lovebody sind so aufgeregt, weil wir jetzt unsere erste außersolare Kundschaft haben! Oh ja, es gibt eine neue, begeisterte Nachfrage nach Joanna-Lovebody-Cremes auf einer romantischen Fremdwelt. Und verstehen wir es richtig, Mr. Benedict, dass wir für den Versand unserer schönen Joanna-Lovebody-Cremes von Ihrer Stelle eine hübsche kleine Unbedenklichkeitsbescheinigung benötigen?«

Benedict riss sich zusammen. »Die brauchen Sie in der Tat, Miss Krupp. Erzählen Sie mal, welchen Planeten wollen Sie beliefern?«

»Lendenfilet-12.« Sie kicherte, was ein silbriges Wogen zeitigte. »So ein drolliger Name.«

»Da konnte ein Vermessungstrupp wohl keine Astronautennahrung mehr sehen«, brummte Benedict und ging zerstreut sein Weltenverzeichnis durch. »Ah ja! Sagen Sie, was will man denn auf Lendenfilet-12 mit Gesichtscreme anfangen? Das Chitin polieren?«

»Pardon? Ach, soweit ich weiß, soll sie eher als Bratenfett benutzt werden.«

»Was die dort wohl braten? Egal, das sieht jedenfalls nach einer hübsch einfachen Route aus, Miss Kripp. Schnurgerade über die Sirius-Station, ein Transfer, richtig?«

»Glaube schon, Mr. Benedict. Und ich hoffe sehr, dass wir dieses kleine Papierchen sehr schnell bekommen können, denn die Terminsetzung für unsere Bestellung ist doch arg eng.«

»Schauen wir mal. Also, wie sieht Ihre Creme aus? Versenden Sie verschiedene Sorten oder sind alle Stücke identisch? Gluckert die Ladung oder wackelt - äh, klappert sie? Wie sieht es mit Gerüchen aus? Die Creme ist doch parfümiert, nehme ich an?«

»Sie sind alle genau so.« Sie holte eine Dose in Gold und Flieder aus dem Aktenkoffer.

»Hm-m-m. Kein Gluckern, kein Klappern - aber ein recht deutlicher Geruch. Sie sind sich im Klaren darüber, Miss Krisp, dass das, was für uns schön riecht, auf Fremdwesen oft eine völlig andere, manchmal sogar schädliche Wirkung hat? Ich meine nicht die Kundschaft auf Lendenfilet, die ist mit dem Produkt offensichtlich vertraut. Ich meine das Bedienungspersonal vom Sirius-Transmitter. Haben Sie hierfür irgendeine luftdichte Verpackung?«

Das Interkom ging flackernd an und zeigte seine Empfangsdame, die damit beschäftigt war, ihren Nagellack trocken zu blasen.

»Eben sind, ähm, dreitausendundsiebzehn kleine schwarze Kästen eingetroffen, Mr. Benedict. Von Mr. Marmon.«

»Leiten Sie sie gleich weiter rauf zu Jim, Jackie. Moment, fügen Sie folgendes Memo bei: Jim, wir haben auf Lichtstärke ein Problem mit einer Produktabweichung. Irgendwelche Gasgeräte, Abweichung unbekannt. Manche dürften okay sein, andere nicht, notieren Sie die Seriennummern. Zeigen Sie sie Freggle, aber behutsam vorgehen. Passen Sie auf, dass er nicht in Ohnmacht fällt, fangen Sie außerhalb der Tür an, comprendez? Und machen Sie schnell, Jim. Die Sendung hängt in der Station fest. Ich habe dem Kunden noch für heute eine Antwort zugesagt … Ja, ’tschuldigung, Miss Klasp?«

»Zufällig, Mr. Benedict, haben wir eine Weltraum-Verpackung für unsere Joanna-Lovebody-Creme.« Sie hielt ein goldenes Ei hoch. »Auch die Prachtmädchen im Weltall müssen sich schließlich ihre strahlende Schönheit bewahren, nicht wahr.«

»Hab’s noch nie von diesem Planeten weggeschafft. Also, das ist zwar hübsch, kommt mir aber wenig praktisch vor. Miss Cameera! Wo steckt Cameera, Jackie?«

Eine sehr junge Mieze trat ein, auf Zehenspitzen.

»Schätzchen, bringen Sie diese Dosen hier rauf zu unserem Vertreter für Sirius. Mr. Splinx, Sie wissen schon.«

»Ach, Mr. Benedict!« Ihr Kinn zitterte. »Können Sie die nicht über Rohrpost schicken? Sie wissen doch, was letztes Mal passiert ist!«

»Splinx macht seine Rohrpost nicht mehr auf, seit wir ihm dieses marsianische Mau-Mau-Spiel geschickt haben. Cameera, mein Engel, Ihnen passiert schon nichts. Halten Sie einfach nur drei Meter Abstand. Sagen Sie ihm, ich will einen mündlichen Bericht, sobald er zufrieden ist, comprendez? Und denken Sie daran, nicht summen oder pfeifen. Und auch nicht mit den Füßen tappen.«

Miss Cameera ging hinaus, auf Zehenspitzen, langsam.

»Neu, die Kleine«, sagte Benedict. »Also, Miss Kling, ich dachte eher an eines unserer Rundum-sorglos-Frachtpacks. Als öffentlicher Dienstleister haben wir selbst ein paar Kleinverpackungen entwickelt -« Er zog eiförmige Kunststoffbehälter aus seinem Schreibtisch. »Wenn sich Ihr Produkt in einer davon verschicken lässt, spart Ihnen das Zeit. Und Geld.«

»Was ist letztes Mal passiert?«, hauchte Miss Krupp. »Mit Ihrer Assistentin, meine ich?«

»Ach, nur ein kleines verwaltungstechnisches Missverständnis, Miss Kupp. Jede Kultur ist eben anders. Also passen Sie auf. Wenn Ihre Creme von Splinx ein Okay bekommt und Sie die empfohlene Verpackung verwenden können, dann können wir Ihnen heute noch eine vorläufige Unbedenklichkeitsbescheinigung für Sirius ausstellen und Sie können morgen versenden. Klingt das gut?«

Das Telefon läutete.

»Eff-ka-ge-ka - was? Oh nein!« Benedict warf sich nach hinten gegen die Sessellehne. »Tja, bloß juckt uns das nicht, weil das nämlich nicht der Kunde verbockt hat. Das ist ein Problem von Galactic Transfer … Gut, ich sag’s ihm. Er biegt das hin. Aber es ist nicht sein Fehler, comprendez? Gut - sehen Sie sich schon mal diese Verpackungen an, Miss Kreem, ich bin gleich wieder bei Ihnen. Jackie! Verbinden Sie mich mit Murgatroyd bei Terran Dynamics, ja?«

Sein Interkom-Bildschirm flackerte auf, aber es erschien kein Bild.

»Hallooo, hier Splinx«, ertönte eine tiefe Stimme wie von einem Holzblasinstrument. »Ich kann Sie nicht sehen, Mr. Benedict.«

»Irgendwas blockiert Ihre Optik«, erklärte Benedict der Stimme. »Moment - hallo, Murgatroyd? Hier ist Benedict von Eff-ka-ge-ka. Hören Sie, bei diesen Motoren, die Sie gerade über Nusskern-9 verschicken, da ist doch hinten diese Faserplatte dran, wissen Sie? Können Sie die ab sofort mit einer Isolierschicht versehen lassen? … Nein, nicht Ihr Problem, Ihre Sendung ist prima durchgegangen. Aber Folgendes ist passiert, der Trupp auf Nusskern hatte da ein paar Frauen rumstehen, als Ihre Sendung durchgekommen ist, und da gibt es irgendeinen elektro-irgendwas Effekt - elektrostatisch, elektrophoretisch, keine Ahnung. Jedenfalls stellt sich raus, dass diese Platten auf die Frauen von Nusskern-9 hochgradig anziehend wirken. Nicht auf die Männer, für die hatten wir eine Freigabe. Die Fühler der Mädels sind anders geladen. Also sind sie in die Kisten reingekrabbelt - die sind winzig klein, wie Sie wissen - und als Ihre Motoren am Eisfels-Terminal angekommen sind, haben da haufenweise diese Mäusemädels dran geklebt. Das Personal von Eisfels besteht aus großen Herbivoren und die haben es mit der Angst bekommen und sind in Panik geflohen. Und nun verklagt Nusskern Galactic Transfer auf fahrlässige Inzucht und Verstoß gegen das Betäubungsmittelabkommen oder so ähnlich. Nicht Ihr Problem, kein bisschen - diese Mädels hatten da gar nichts zu suchen. Aber ich hab versprochen, mal mit Ihnen zu reden, ob sich diese Platten nicht irgendwie abdecken lassen. Nur entgegenkommenderweise, zur Vorbeugung, comprendez? Sehr schön, danke! … Ja, Mr. Splinx?«

Nun war über Interkom wieder etwas zu erkennen; der Bildschirm zeigte einen großen, warzigen Kopf mit einem einzelnen, gütig wirkenden Auge.

»In Ordnuung, würde ich sagen, Freund Benedict«, verkündete Splinx. »Abeer die Hülle ist nicht luuftdicht. Kein biisschen. Jedenfalls ist der Duuft duurchaus anziehend. Erinnert vielleicht an eine Aalzucht im Mondliicht.«

»Nicht zu anziehend, hoffe ich. Wie sieht’s mit Schwund aus?«

»Wäre mögliich. Aber nur weniig. Schließlich düürften die Arbeiter nicht so chemoosensibel sein wie ich.« Er strich sich kurz mit einem Tentakel über die gewölbte Braue, eine elegante Geste.

»Danke, Splinx. Also, da haben Sie’s, Miss Klass. Splinx meint, Sie müssen unsere Verpackung nehmen. Und sie anständig versiegeln; wenn er sagt, die Arbeiter könnten sich was einstecken, dann fehlt nachher die halbe Sendung. Dieser Riesenkrake denkt, er hat eine feinere Nase, weil er zum Adel gehört, aber für uns macht das keinen Unterschied. Schließen Sie lieber auch eine Transportversicherung ab. Gut, sind Sie sicher, dass Sie mir alles erzählt haben - über das Produkt, meine ich? Dieses Muster entspricht exakt Ihrer Lieferung? Es weist keine verborgenen Effekte oder Eigenschaften auf, wie Wärmeerzeugung zum Beispiel?«

Miss Krupp ließ sich das durch ihr reizendes Köpfchen gehen und betrachtete dabei ihre schmalen silbernen Zehen.

»Nein, Mr. Benedict. Das ist unsere ganz normale Joanna-Lovebody-Creme, wie sie Millionen entzückter Kundinnen wohlvertraut ist.«

»Gut. Hier ist Ihre vorläufige Klarierung, mit Unterschrift. Ich habe die Warnung vor Schwund angekreuzt, comprendez? Geben Sie das Jackie draußen, sie sorgt dann dafür, dass Ihnen die Verpackungen zugehen.«

»Oh, vielen Dank, Mr. Benedict!« Ihre Hand verweilte warm in der seinen. »Mir ist aufgefallen, dass Sie Französisch sprechen. Wie überaus recherché!«

Benedict strahlte. »Ich möchte Ihnen sehr für die Zusammenarbeit danken, Miss Klutch; wenn nur alle unsere Kunden so liebenswürdig wären wie Sie.«

Das Telefon läutete.

»Benedict.« Er sah bedauernd der entschwindenden zweiten Haut nach. »Ach, hallo, Mr. Bronk. Ja, sicher, ich habe mich definitiv über das Angebot von Montgomery Roebuck gefreut. Aber wie ich Ihnen schon sagte, ich werde hier gebraucht … Nein, es liegt wirklich nicht am Geld, das ist natürlich deutlich mehr, als Vater Staat mir zahlt, das Dreifache ungefähr … Ja, die Arbeit hört sich sehr interessant an, Koordinator Außenwelthandel klingt toll. Es ist nur so, dass ich diese Abteilung hier aufgebaut habe, da fällt das Aufhören schwer. Sie finden doch bestimmt jemand anderen … Ach klar, wenn sich meine Meinung ändert. Naja, vielen Dank jedenfalls, Mr. Bronk. Ja, Ihnen auch. Wiederhören.«

Benedict drehte sich zum Interkom um, wo ein Mann in einem Laborkittel wartete.

»Wie kommen Sie mit Freggle und diesen Gasdingern voran, Jim?«

»T.B., ich wollte Ihnen bloß Bescheid geben, dass wir jetzt ein paar hundert von Marmons Mustern durchgegangen sind, und wir kommen nicht bloß auf zwei Typen. Eher auf fünf. Neutral, extremen Brechreiz auslösend, leicht euphorisierend, einschläfernd und noch irgendwas, das er nicht genauer beschreiben kann oder will. Das Komische ist, ich glaube, ich kriege auch was davon ab. Erinnert Sie das an was?«

»Hm-m-m. Naja, wäre möglich. Bleiben Sie dran - die Teambesprechung können Sie schwänzen. Vielen Dank, Jim.«

»Ach, übrigens, Freggle will eine Beschwerde über den Kantinenfraß einreichen. Diese letzten Störe waren unterdurchschnittlich, sagt er, und die Seetangsoße stinkt. Ihm gefällt das russische Zeug besser. Können wir ihm welches besorgen?«

»Das hätte er wohl gern, ist doppelt so teuer. Naja, schauen wir mal. Jetzt ist Frühling, da lässt sich für die Herbivoren ja vielleicht Salat aus der Region auftreiben und die Einsparung für Freggle verwenden. Aber sagen Sie ihm ein paar aufmunternde Worte. Galaxis am Laufen halten, wo wäre Lichtstärke ohne den Transmitter, tralala … He, was ist denn mit Ihren Sachen passiert? Nicht Sie, Jim, ’tschuldigung.«

Miss Cameera war durch eine Nebentür hereingeplatzt und hielt die beiden Cold-Cream-Dosen fest gepackt.

»Dieser schreckliche Mr. Splinx hat sich mein Schottenröckchen gemopst.«

»Ts, ts, Cameera-Schätzchen, Sie wissen doch, dass Splinx nichts mit Sex am Hut hat - sagt Doc jedenfalls. Manchmal hab ich da allerdings selber meine Zweifel. Aber hören Sie, so können Sie hier nicht rumlaufen. Können Sie sich Ihr Röckchen - ich meine, Ihren Rock - nicht wieder zurückholen?«

»Er hat ihn über das Interkom geworfen und ich bin da nicht mehr rangekommen!«

»Verstehe. Hätte ich ja selber draufkommen können. Na, dann lassen Sie ihn sich eben von Jim wieder zurückholen - er ist im Erdgeschoss.«

»Ach, Mr. Benedict, ich kann doch so nicht mit Mr. Eisenstein reden!«

»Häh? Ach so.« Benedict schielte kurz zu ihr hinüber. »Ist Jim verheiratet? Nein, ist er nicht. Hier, nehmen Sie meinen Laborkittel und dann los mit Ihnen. Warten Sie! Bringen Sie mir auf dem Rückweg noch einen Satz Standard-Kleinverpackungen aus dem Lager mit, comprendez?«

Zwei Männer und eine Frau hatten das Büro betreten. Benedict winkte ihnen zu und rief: »Jackie, Schatz, bringen Sie uns ein paar Sandwiches und Kaffee, ja? Habt ihr Leute schon gegessen? Ach, egal was, schmeckt eh alles nach Pappe. Hal, Sie sehen nach Ärger aus. Schießen Sie los.«

»T.B., ich will sicherstellen, dass Sie auf die Besprechung mit der Haushaltsabteilung morgen vorbereitet sind. Ich fürchte, die meinen das ernst mit der zwanzigprozentigen Kürzung bei unserem Fremdwesen-Gremium.«

»Buddha unterm Bodhibaum, was denken die denn, wie wir ohne vollständiges Gremium arbeiten sollen?« Benedict ging an die Decke. »Was sollen wir für die Bürger denn machen, raten? Wir haben ja jetzt schon bloß sechzig Prozent der Lebensformen an unseren aktuellen Transferpunkten abgedeckt … ’tschuldigung, Hal, ist nicht Ihre Schuld. Wie soll ich vorgehen?«

»Naja, was ich intern so von Timmons drüben höre, haben sie Ärger mit dieser Organisation gegen Fremdwesen. Die schreien da rum von wegen hunderter Monster, die auf Kosten des Steuerzahlers im Luxus baden. Anscheinend hat jemand eine Lebensmittelabrechnung mit Kaviar drauf in die Finger bekommen.«

»Was dann wohl Freggle wäre. Wie gehe ich vor?«

»Also, ich habe zwei alternative Vorschläge vorbereitet, die der Einsparungsvorgabe im Endeffekt entsprechen. Ich will das jetzt nicht vertiefen, außer dass der eine fiskalisch hinhaut, indem er das Budget so anpasst, dass wir durchs aktuelle Steuerjahr kommen. Nach der Wahl, wer weiß? Der andere erfüllt die Vorgabe durch eine Reduzierung der Festverträge - Moment noch, T.B. -, wobei wir die Leutchen in Wirklichkeit auf verschiedene befristete Stellen und Beratungstätigkeiten versetzen. Unter Berücksichtigung der vertraglichen Auslauffristen können wir den tatsächlichen Verlust irgendwelcher Gremiumsmitglieder um fünf Monate aufschieben. Ich gehe sie vor der Besprechung noch mit Ihnen durch.«

»Hal, Sie sind ein Genie. Chester?«

»T.B., wir müssen ein bisschen Gegendruck aufbauen. Es ist natürlich nicht meine Entscheidung, aber ich würde mich gern bei unseren Spediteuren umhören und schauen, ob wir nicht eine Gruppe zusammenkriegen können, die sich für unsere Dienste starkmacht.«

Benedict seufzte. »Seeehr kniffelig, von innerhalb der Behörde aus um öffentlichen Zuspruch werben. Naja, vielleicht, Chester. Aber ganz nebenbei. Eine Umfrage, comprendez?«

»Verstanden, T.B. Und dann muss ich Sie noch vorwarnen, dass sich der Jahresbericht wieder um ein paar Tage verspäten wird.«

»Schon wieder?«

»Dieser Computermurks letzten Monat hat richtig wehgetan. Wir haben unbezahlte Überstunden geleistet, um alles wieder zum Laufen zu bringen, aber es gibt immer noch eine Menge Lücken und Fehlprozesse. Um ehrlich zu sein, T.B., ein Riesenproblem steckt gleich hier in Ihrem Büro. Wir haben Ihren Wandler auf jede erdenkliche Weise quergecheckt, um die Originalaufzeichnungen zu erwischen, aber das bringt überhaupt nichts, wenn Sie ihn nicht einschalten. Ich weiß, was Sie davon halten, aber … Jetzt gerade ist er anscheinend auch nicht aktiv.«

Benedict drehte sich mit seinem Bürosessel zum Sprachwandler um, bedachte das Gerät mit einem finsteren Blick und klackte den Schalter auf Ein.

»Verdammt, wie soll ich mich mit jemandem unterhalten, wenn dieses Ding läuft? Na schön, ich werd’s versuchen. Mavis, haben Sie auch irgendwas zu mosern?«

»Eigentlich nicht, T.B., nur das Übliche. Zwei Fälle von nostalgischer Apathie, einen Fall von Mondflechten-Abhängigkeit und eine Art seelischer Störung bei dem Alterianer, die Dr. Morris noch nicht recht eingrenzen kann. Ich soll Ihnen ausrichten, dass Sie ihn erst anrufen sollen, falls Sie etwas über Altair schicken müssen.«

»Kann man denn noch was mit ihm anfangen? Altair bekommt demnächst neue Nebenstrecken, da werden wir ihn brauchen.«

»Er ist soweit fit, aber Doc meint, er muss ihn erst in die richtige Stimmung versetzen.«

»Wie stellt er das denn an?«

»Mit Filmen. Alten Western. Die Pferde muntern ihn wohl auf. Es darf bloß keinem Pferd irgendetwas Verstörendes zustoßen. Doc hat sich die Filme nächtelang vorher angeguckt. Er meint, er hat sich schon wundgeritten.«

»Grüßen Sie ihn herzlich von mir, Mavis. Sagen Sie ihm, ich hab ein bisschen June-Lovebody-Creme für seine Wunden. Und er soll unbedingt irgendwas wegen Splinx und seiner Entkleidungsmarotte unternehmen, ja? Er hat heute Cameeras Rock einkassiert … Hätten wir es damit, Leute? Dann adios.«

»Denken Sie daran, dass Sie gleich nach Büroschluss auf dieser Konferenz für Fremdwesenernährung sprechen, Boss«, rief Jackie durch die offene Tür, als sie hinausdackelten. Das Telefon läutete.

»Eff-ka-ge-ka … ach, hallo, Marmon. Haben Sie diese Aufstellung der Veränderungen? … Bloß eine Revolverdrehbank ausgetauscht, sonst nichts? Und die ist bei der gesamten Produktion eingesetzt worden? Tja, das bringt uns kaum weiter. Also erzählen Sie mal, haben Sie personelle Veränderungen berücksichtigt? … Was? Hören Sie, Marmot, ich sagte alles. Schließt das die Leute nicht mit ein? Die Leute. Die gehen mit dem Produkt schließlich um, stimmt’s? … Was weiß ich, wie Ihre Unterlagen aussehen. Sind es noch dieselben Leute? … Na, dann versuchen Sie es wenigstens. … Jawohl, das ist begründet. Vielleicht nicht hundertpro begründet, aber doch gut genug, dass Sie sich besser mal darum kümmern. Ich rufe Sie in einer Stunde zurück und vielleicht kann ich Ihnen dann genauer sagen, wonach Sie suchen müssen. Aber besorgen Sie sich die Unterlagen, damit Sie liefern können, wenn ich anrufe. Comprendez?«

Er knallte den Hörer auf die Gabel. In der unvermittelten Stille summte der Sprachwandler bedrohlich. Benedict bedachte ihn mit einem finsteren Blick, schlug auf den Aus-Schalter und stützte den Kopf in die Hände. Das Telefon läutete.

»Eff-ka-ge-ka … Ja. Tag, Mr. Tomlinson. Aber sicher erinnere ich mich an Sie, Sie haben diese Miniklimatrone bis weit hinters Zentrum verschickt. Fünfzehn Transferpunkte - und ob ich mich erinnere, Mr. Tompkinson. Die komplizierteste Klarierung, die wir seit … Wo drückt denn der Schuh? … Sie haben eine günstigere Route gefunden? Ich verstehe - ja, Sie brauchen auf jeden Fall eine neue Klarierung. Wie viele Transferpunkte diesmal - dreizehn? Diese neue Ausundvorbei-Station? … Doch, wir müssen die Unbedenklichkeit Ihres Produkts für die dortigen Lebensformen prüfen - mein Problem dabei ist, dass wir noch keinen Sachverständigen für Ausundvorbei berufen haben. Ich glaube, die sind dort auch ganz schön, ähm, recherché, irgendeine Art Energiematrix. Keine Ahnung, wie sich Ihre Teile auf diese Leutchen auswirken könnten oder umgekehrt ... Ja, mir ist klar, dass Sie jedes Mal Geld verlieren, wenn Sie den Versand über die alte Route laufen lassen, aber, Mr. Thomason, uns sind noch keine Gelder dafür bewilligt worden, jemanden aus dieser Region hierherzuholen. Wenn Sie nicht warten möchten, dann empfiehlt sich eine staatliche Testsendung auf Ihre Kosten. So leid es mir tut. Wir überwachen den Versand und den Testablauf. Wir werden ein repräsentatives - ich meine, ein absolut typisches Muster Ihres Produkts brauchen … Das hatten wir doch schon besprochen, Mr. Thomason. Keinerlei Veränderungen? … Aha, eine Kleinigkeit verändert. Ohne dass Sie uns darüber informiert haben. Das war riskant, Mr. Thompkinson. Naja, nun wissen wir es ja, bloß läuft das auf eine komplette Neuüberprüfung der gesamten Route hinaus … Gut, wir schicken Ihnen morgen eine Kostenaufstellung für den Testversand über Ausundvorbei - sagen wir, für zehn Stück? Klar, wenn die Lieferung sauber durchgeht, dann können Sie sie auch weiter zum Kunden schicken, bloß können wir Ihnen nicht garantieren, dass sie durchgeht. Sie können da leicht Probleme mit den Schaltkreisen kriegen bei diesen Energiewesen - da brauchen Sie wahrscheinlich eine nichtleitende Verpackung. Die wollen Sie nicht erst selbst entwickeln, oder? … Dachte ich mir. Naja, ist Ihr Risiko, Mr. Tinkerson, ich habe Sie gewarnt. Wir übernehmen ausdrücklich keine Verantwortung für Verlust oder Beschädigung. Aber wir tun, was wir können … Schade, dass Sie das so sehen. Schön.«

Beim Auflegen warf Benedict einen schuldbewussten Blick zum abgeschalteten Sprachwandler und klackte den Schalter wieder auf Ein.

Auf dem Interkom erschien Jim mit einem der schwarzen Kästen von Marmon in der Hand.

»T.B., eine Reihe haben wir jetzt, glaube ich. Freggle hat nun doch mitgemacht und wir haben die Unbekannte jetzt festgenagelt und noch zwei andere dazu. Chronologisch nach Seriennummern sieht es bei einer Auswahl von fünfhundert folgendermaßen aus: neutral, leichte Euphorie Typ A, Langeweile, leichte Euphorie Typ B, starkes sexuelles Interesse, starke Niedergeschlagenheit, starkes Heimweh. Die letzten beiden Sorten haben Freggle richtig fertiggemacht, aber die mit dem sexuellen Interesse sind auch nicht besser - die will er nicht anrühren, sondern kichert nur. Das Heimweh zieht sich bis zur letzten getesteten Nummer durch … Identifizierung? … Sieht mau aus. Wahrscheinlich jung, eher weiblich. Letzte neutrale Nummer: AGB-4367-L2.«

»Danke, Jim, vielen Dank. Das hilft uns wirklich weiter. Jackie! Holen Sie mir Marmot ran, ich meine, Marmon.« Er federte mit seinem Sessel. »Hallo, Mr. Marmon? Benedict hier. Haben Sie diese Aufstellung? Ich glaube, wir haben Ihr Problem eingekreist. Aber zuerst, können Sie anhand der Seriennummer das Herstellungsdatum einer Charge feststellen? Naja, grob wird reichen. Also: Sie müssen sich Ihre Neueinstellungen ungefähr um die Zeit herum ansehen, als, Moment, AGB-4367-L2 durchgelaufen ist. Haben Sie das? … Es muss jemand von außerhalb sein, vielleicht aus dem Ausland, eher weiblich als männlich, wahrscheinlich jung. Zuerst war sie - oder er - zufrieden und interessiert, dann gelangweilt, das ist normal. Dann hat sie - oder er - sich schwer verliebt ... Mr. Marvin, ich will Sie nicht veräppeln … Moment, lassen Sie mich ausreden. Also, diese Arbeiterin wurde abgewiesen, verstehen Sie? Könnte sein, dass die geliebte Person gestorben oder weggezogen ist, aber eher hat sie Ihre Beschäftigte abgewiesen, verstehen Sie? Die Beschäftigte verfällt in tiefe Depression, fast bis hin zu Selbstmordgedanken, und entwickelt dann starkes Heimweh. Alles klar? … Wieso? Marble, aus welchem Nest kommen Sie denn? Sie haben eine abstrahlende Telepathin eingestellt. Und diese Telepathin benutzt Ihr Produkt als K-Objekt … Nein, das spielt keine Rolle - im Endeffekt wird jedes hergestellte Stück mit diesen Gefühlen aufgeladen, comprendez? Jede Lebensform, die dafür empfänglich ist, nimmt sie dann auf. Darum hat es das Personal auf Lichtstärke so umgehauen. Dieser Kram hat’s in sich, Sie haben da eine starke Senderin im Werk, die sehr, sehr unglücklich ist. Noch jung wahrscheinlich und ohne jeden Schimmer, dass sie paranormal ist. Kommt von irgendwoher, wo sie keine Vorsorgeuntersuchungen machen … Wie Sie diese Person finden? Naja, ein kleiner Hinweis - es geht eindeutig die gesamte Produktion durch ihre Hände, jedenfalls sämtliche Stücke, die Sie uns geliefert haben … Alles klar soweit? Machen Sie sie ausfindig und schicken sie rüber zum PSI-Dienst! Die Kleine können Sie doch gar nicht gebrauchen, um Himmels willen … Naja, wenn sie nicht gehen will und sich auf ihren Vertrag beruft, dann sehen Sie zu, dass sie aus ihrem Liebesfrust rauskommt, oder halten Sie sie von dem Produkt fern - und zwar richtig fern. Aber ich glaube, Sie werden feststellen, dass sie bereitwillig zum PSI-Dienst wechselt, reden Sie mal mit Ilyitch dort. Sagen Sie ihm, Benedict hat gesagt, Sie haben einen starken Sender. Dann kriegen Sie Unterstützung. Alles klar? … I-l-y-i-t-c-h … Nein, ich kann Ihnen mit dem Stau bei Lichtstärke nicht helfen, Mr. Marvel. Wie gesagt, am besten schaffen Sie einen Trupp Springer dorthin, der sie weiterleitet. Aber keine Sensitiven … Wie Sie meinen, wäre jedenfalls die beste Vorgehensweise. Ja, ich weiß. Ich bedauere es auch. Wir versuchen es. Okay?«

Benedict stützte das Kinn auf die Faust und starrte den summenden Wandler finster an. Der Himmel draußen wurde schon dunkel. Feierabendzeit und er hatte noch diese Rede zu halten. Das Telefon läutete.

»Wie geht’s, Mr. Oldmayer. Benedict hier. … Na, hat Ihnen mein Büro die Formulare nicht geschickt? Es ist ganz einfach, wirklich, Sie schicken uns einfach die Formulare zurück, fügen die Muster bei und wir lassen sie entsprechend zur Route durch unser Fremdwesen-Gremium überprüfen … Welches besondere Problem? … Ja, ich fürchte, da werden Sie eine Klarierung brauchen, Mr. Oldenham, der Versand von Musikgeräten ist mit am heikelsten. Bei manchen Lebensformen richtet man richtig Schaden an. Ist eine Frage der Verpackung … Sicher, die Geräte sind abgeschaltet, aber Sie wären überrascht, was während des Transfers alles plötzlich anspringt, besonders bei einer so langen Strecke … Ja, naja, setzen Sie sich mit einer guten Schallisolierungsfirma in Verbindung, die soll Ihnen einen Dämpfer bauen. Muss ja nicht gleich die komplette Kiste sein, nur das Audioteil, richtig? Und der Stromabnehmer, nichtleitend, richtig? Fürchterlicher Aufwand, Mr. Oldershot, ich weiß; aber solche Geräte können plötzlich Strom ziehen und senden und dann wird’s richtig teuer. Die Bedingungen während eines Transfers sind alles andere als Normalterra, wissen Sie. Wir hatten mal einen Fall, wo ein strahlgespeister Schaufellader in der Transitstation auf Piccolo-2 spontan zu arbeiten anfing, und die mussten die Station für zwei Jahre schließen … Also, lassen Sie sich diese Verpackung entwerfen und dann hören wir von Ihnen, okay? Wiederhören.« Als er auflegte, tapste die türkisgekleidete Gestalt von Miss Boots ins Zimmer und schwang einen vollbeladenen Laborwagen herum.

»Mr. Benedict, was soll ich mit diesen dreitausend Gas-Dingern machen, die wir an Mr. Freggleglegg getestet haben?«

»Die können Sie nicht hierlassen, Boots, bringen Sie sie ins Lager und sagen Sie Willi, dass er sie durch den Eigentümer abholen lassen soll. Marmot. Muss ich diesen Burschen denn ans Händchen nehmen? Sie sehen groggy aus, Bootsie. War ein harter Tag mit Freggle, hm? Hat Cameera ihren Rock gekriegt?«

Miss Boots nickte mit trüben Augen und zockelte hinaus.

»Es gibt Tage«, grummelte Benedict und wühlte in seinen Akten. »Wo ist diese verflixte Rede abgeblieben? Jackie!«

»Wir müssen jetzt Schluss machen, Mr. Benedict«, sagte seine Vorzimmerdame von der Tür aus. »Sie wissen, was Hal zu Überstunden gesagt hat.«

»Recht haben Sie.« Benedict griff sich eine Mappe und knallte die Schublade zu. »Machen Sie das Licht aus, Jackie. Gehen wir … Heilige Entropie, was ist das denn?«

In dem abgedunkelten Raum sang eine Männerstimme Naked You. Im nächsten Moment legte auch noch ein Sopran mit Love Me All Over los.

»Licht an! Was ist das, Jackie? Licht an, schnell!«

»Ach, Mr. Benedict, das ist nur die Hautcreme«, erklärte Jackie und schaltete die Lampe wieder ein. Es wurde still im Raum. »Die Joanna-Lovebody-Creme, wissen Sie? Sie spielt Musik. Meine spielt Yummy-Yummy-You, das ist hübsch.«

»Waas?« Benedict starrte erschüttert die fliederfarbenen Dosen auf seinem Schreibtisch an.

»Das macht sie immer, wenn abends das Licht ausgeht oder morgens wieder angeht, zur Erinnerung. Meine Zahnpasta singt Kissing Day. Was ist denn los, Mr. Benedict?«

»Schaffen Sie mir diese Frau her!«, brüllte er. »Klapp, Krapp, Krotch - wenn sie nicht im Büro ist, dann treiben Sie sie zu Hause auf! Bleiben Sie an der Sache dran, bis Sie sie haben, Jackie. Sagen Sie ihr, dass wir die Erlaubnis zurückziehen. Sie ist aufgehoben! UNGÜLTIG! Und wenn diese Frau am Grund des Meeres wohnt, Jackie, treiben Sie sie auf! Himmel Herrgott nochmal, wieso hat sie mir das nicht gesagt? Ich hab sie doch gefragt. Wieso denn nicht? Wieso?«

»Aber, Mr. Benedict, sie hat bestimmt gedacht, Sie wüssten das - ich meine, die machen das doch alle. Schon immer.«

»Woher soll ich das wissen? Ich bin Junggeselle.« Er ächzte. »Jackie, ist Ihnen nicht klar, was das heißt? Wenn tausende von diesen Dingern aus dem Transmitter geballert kommen und alle anfangen, unterschiedliche Lieder zu spielen? Ist Ihnen KLAR, was Splinx macht, wenn er Musik hört? Was meinen Sie denn, warum wir sein Zimmer schallisoliert haben? Au, au, au -«

Sie starrten einander an; Jackie bewegte sich rückwärts nach draußen.

»Hören Sie.« Er schluckte.

»Ja, Mr. Benedict?«

»Als Erstes morgen früh - also gleich nach Miss Krudd - rufen Sie einen Mr. Cronk oder Bronk für mich an. Bei Montgomery Roebuck, Soundso-Leiter für Soundso-Handel. Machen Sie einen Termin für ein Geschäftsessen ab, Jackie. Sagen Sie ihm, ich lad’ ihn zum Essen ein. So bald wie möglich.«

»Ja, Mr. Benedict.«

Er stakste zur Tür und klackte den Lichtschalter aus.

»Ein anständiges Essen«, knurrte er. »Könnte ich brauchen -«

Hinter ihm sangen die zwei Dosen Hautcreme los, während der Sprachwandler effizient summte.

Schuld

Du hast mich nach unserem Passagier gefragt, dem Mädchen mit dem Hund? Probier mal den Aurigäischen Wodka, das Gras in der Flasche macht ihn mild. Man kann ihn die ganze Nacht trinken, wie Dubrovka.

Richtig, sie ist auf dem Weg nach Hause, zu ihrem Mann, sie und der Hund. Glücklich? Ich weiß nicht. Zu diesem bestimmten Ehemann zu fahren ist etwas Besonderes. Frauen … Und der Hund. Wir haben sie mit nach Shodar genommen.

Kennst du Shodar? Richtig, große pinke und grüne Shrimps. Lassen ihre Fühler über dein Gesicht krabbeln, um mit dir zu sprechen. Resonanz, das ist ihre Spezialität. Die Fluggesellschaft setzt sie neuerdings für die Herstellung von Gyroskopen ein. Natürlich mag sie niemand sonderlich, wegen diesem Fühlerkram. Aber sie sind in Ordnung. Du musst nur genau überlegen, wen du dorthin schickst. Das ist der eigentliche Grund für die Probleme von Mitchells Mädchen. Meine Schuld. Ich hätte niemals einen Grünschnabel wie ihren Mann mit nach Shodar nehmen dürfen.

Das war noch, bevor ich mit der Fluggesellschaft herkam, vor vier Jahren. Ich hatte einen kleinen Frachter. Wir haben eine Ladung Resonit mitgenommen, und ich wusste, dass Shodar Höchstpreise für Resonit zahlte. Mehr wusste ich nicht, niemand wusste mehr. Ich hätte Mitch an Bord lassen sollen. Er ist ein netter Junge - immer noch -, aber wild. Du weißt, was ich meine: Ein Typ wie aus ’ner alten Weltraumoper. Groß, krauser roter Bart, breites Lächeln, schnell mit der Faust. Impulsiver Junge - immer noch, schätze ich.

Wie auch immer, wir waren in Eile, und er war unten beim Ausladen. Zwischen den Fuhren hatte er Zeit, ein paar von den Shodars nachzuäffen, die dort rumstanden. Wusstest du, dass sie Ultraschall aussenden? Macht einen irgendwie ganz unruhig und krank im Kopf, wenn man in ihrer Nähe ist. Mitch machte sich über einen dieser kleinen Typen lustig, und dann streckte der seine Fühler aus und fing an, damit über Mitchs Gesicht zu tasten.

Naja, Mitch hat es ’ne Minute ausgehalten, dann hat er eine Handvoll genommen und daran gerissen. Der Shodar kippte aus den Latschen, und bevor ich mich versah, hatten sie Mitch geschnappt. Wir konnten nichts machen, als sie ihn wegbrachten, wir waren wegen dem Ultraschall ohnehin schon kurz davor, den Verstand zu verlieren.

Das nächste Mal, als wir Mitch sahen, stand er in einem Käfig im Gerichtssaal.

Ich nahm den tragbaren Voder und wir erfuhren grob, worum es ging. Es schien, der kleine Shodar war irgendjemandes Partner, und was Mitch mit ihm gemacht hatte, war gleichbedeutend damit, ihn zu blenden, zu kastrieren und noch ein Dutzend anderer Dinge - alle bleibend. Ich fand raus, dass Mitch etwas weniger als die Höchststrafe erhielt - sie hatten ihm eine Art Anwalt zur Seite gestellt -, aber ich konnte nicht richtig heraushören, welche Strafe Mitch nun genau bekommen hatte. Irgendwas von verrutschen. Als es vorbei war, rollten sie ihn in dem Käfig weg, lächelten immer noch freundlich.

Sie sagten, wir müssten einen Tag auf ihn warten. Am Morgen erwartete ich eine Bahre mit einem Stück Hackfleisch drauf. Stattdessen kam Mitch auf mich zu, die Kappe nach hinten geschoben und mit federnden Schritten, als hätte er ’ne Million Credits gewonnen. Sogar sein Anzug war gebügelt.

»Haben mich nicht angefasst!«, sagte er. »Haben mich bisschen durchgeschüttelt, mich bisschen angeleuchtet. Was auch immer es war, es wirkt nicht auf Menschen, siehst du?«

Ein großer Shodar, der eilig hinter Mitch her humpelte, sah mich an. Ich hielt den Voder zu ihm runter - ich war der Einzige, der das Gesichtsgetatsche aushalten konnte.

»Was habt ihr mit ihm gemacht?«

»Er wurde -.« Schon wieder dieses Wort.

Der Shodar zeigte auf eine Ansammlung von Behausungen auf der anderen Seite des Hafens. Vielleicht habt ihr sie bemerkt? Wir wunderten uns über das Dorf: Die Shodars dort sahen uns niemals an oder reagierten auf uns, auch wenn sie, soweit ich das beurteilen konnte, in Ordnung zu sein schienen. Ich hielt es für eine Art Kloster. Zu dem Zeitpunkt standen sie drüben am Zaun und starrten in den Himmel.

»Ist das ein Gefängnis?«

»Was soll das sein?«

»Ein Ort für Straftäter, den sie nicht verlassen können.«

»Nein. Sie gehen freiwillig dorthin. Unsere Regierung stellt ihnen diesen Ort zur Verfügung, damit sie zusammen sein können.«

Naja, du errätst sicher, was ich dachte - ein Siechenhaus.

»Ihr habt unseren Mann mit einer Krankheit angesteckt?«

»Nein! Nein! Keine Krankheit. Er ist … Ich finde keine Möglichkeit, euch das zu erklären. Ihr habt kein - auf eurem Planeten.« Der Shodar starrte mich an, und ich dachte, er hätte sogar sowas wie Gefühl gezeigt, aber ich bin mir nicht sicher.

»Wird er in Ihrer Heimat allein sein? Hat er einen Partner?«

»Ja.«

»Mit dem Partner zusammenbleiben. Sehr ruhig sein, nicht reisen. Das ist das Wichtigste.«

Nun gut, wir haben uns noch mehrmals entschuldigt und uns schleunigst auf den Heimweg gemacht. Mitch schwor, dass sie ihm weder eine Spritze noch Gas verabreicht hatten und dass er zu keinem Zeitpunkt bewusstlos war, doch ich steckte ihn trotzdem in Quarantäne, so gut, wie es in der Kiste nun mal ging, und habe die ganze Schiffsladung dem E.T.D. übergeben, sobald wir ihren Orbit erreichten.

Sie nahmen uns in Gewahrsam und ließen uns sämtliche Tests durchlaufen. Alles in Ordnung. Mitch war bei bester Gesundheit, soweit wir das beurteilen konnten. Das einzige Symptom, das ich bemerkte, war eine leichte Trägheit. In ihren Tests fiel das nicht auf, weil sie keine Messbasis von ihm hatten, mit der sie die Daten vergleichen konnten.

Nach einem Monat ließen sie uns laufen, alle außer Mitch, und wir flogen weiter. Maggie - das ist das Mädchen, das du gesehen hast - blieb bei ihm in der E.T.D.-Station, während sie ihn weiterhin beobachteten.

Es dauerte ungefähr anderthalb Jahre, bis ich zurückkam. Noch etwas Wodka? … E.T.D. hatte mich zurückbeordert. Ein kleiner, blonder Typ namens Bruno, kein Arzt.

»Bevor wir reden, Captain, hätten Sie was dagegen, dass wir Sie nochmal schnell durchchecken?«

»Was ist mit Mitch?«

»Wir wissen es noch nicht. Aber da Sie am meisten Kontakt mit ihm hatten, seit er zurück ist, würden wir gern noch einen Test auf Ansteckungseffekte durchführen.«

»Solange es diesmal schnell geht.«

Sie wollten hauptsächlich Reflexe testen, und ich war noch in derselben Nacht wieder bei Bruno.

»Nicht ansteckend. Jetzt gehen wir zu Mr. Mitchell.«

Mitch war vollständig bekleidet und las in seiner Koje. Bruno hielt mich in der Tür zurück. Mitch sah nicht auf. Ich hatte erst einmal eingeatmet, als er sich umsah, vom Bett sprang und meine Hand nahm. Eine Minute redeten wir gleichzeitig, Mitch strahlte Gesundheit und Normalität aus. Dann war es einen Moment lang still.

»Wir schicken Sie heute wie versprochen nach Hause, Mr. Mitchell«, sagte Bruno.

Wieder die winzige Stille.

»Großartig! Also, großartig!«, rief Mitch lebhaft aus. »John, wieso kommen Sie nicht mit? Maggie würde sich freuen, Sie zu sehen, wissen Sie?«

»Das ist genau das, was ich vorschlagen wollte«, stimmte Bruno zu. »Soweit unsere Ärzte das sehen, sind Sie absolut gesund. Aber ich hätte gerne, dass Captain James Sie begleitet, nur um sicherzugehen.«

Später erklärte er mir: »Ich weiß einfach nicht. Er ist gesund, in Ordnung. Es ist nichts Pathologisches. Aber irgendwas stimmt nicht. Ich bin kein Arzt, wissen Sie. Ich bin Physiker. Wenn ich Ihnen von meiner Vermutung erzählen würde, würden Sie mich auslachen. Alles, womit ich arbeiten kann, ist, mir zu überlegen, wie ich denken würde, wenn er ein Stück Materie wäre, das zu mir gebracht wird, damit ich, sagen wir mal, eine Harmonische Analyse durchführe. Erklären Sie mir diese eine Sache nochmal ganz genau, dieses Dorf nahe des Hafens: Sie schauten alle zum Himmel, sagten Sie, und da war nichts? Wann haben sie damit angefangen?«

Nun ja, wir besprachen es in allen Einzelheiten, an die ich mich noch erinnern konnte, was nicht sehr viele waren. Wie ich schon sagte, diese Shodars verhielten sich wie Leute auf der Straße, wenn irgendein Scherzkeks anfängt, nach oben ins Nichts zu starren und sich ein Menschenauflauf bildet, weil alle mitmachen. Sie hatten uns niemals angesehen, soweit ich weiß. Wie alt waren sie? Wer weiß. Und so weiter. Eine Sache, die er wissen wollte - die Beschaffenheit des Geländes.

»Ganz flach, denke ich … Ja. Nein, keine neuen Gebäude. Keine Fahrzeuge … Regen? Es regnet dort nicht. Klima um die 30°C, durchgehend.«

Er schnäuzte und schniefte und polierte seine großen alten Brillengläser, und dann warnte er mich.

»Also, die Heimreise. Keine Flugzeuge! Auch keine Einschienenbahn. Ein Auto, denke ich, und sehr langsam. Auf jeden Fall nicht über fünfzig Kilometer.«

»Was?«

»Ja, ich meins ernst. Sie könnten ihm schweren Schaden zufügen … oder vielleicht irre ich mich auch. Aber hören Sie auf mich, wenn Sie am Wohlergehen Ihres Freundes interessiert sind. Fangen Sie sehr langsam an - um genau zu sein, lassen Sie alle Veränderungen ganz langsam angehen. Behandeln Sie ihn - naja, behandeln Sie ihn wie eine zähe Flüssigkeit, wenn Sie verstehen, was ich meine.«

Ich verstand nicht, versprach es aber. Mitch sah mit Sicherheit nicht wie eine zähe Flüssigkeit aus, und diese fünfzig km/h störten ihn gewaltig. Er war derselbe alte Mitch, bis auf diese kleine, merkwürdige Holprigkeit. Er brauchte immer eine Sekunde, um dich anzusehen, und eine weitere, um wieder wegzusehen, und dann waren da noch diese kurzen Momente der Stille. Und beim Autofahren war er beim Ein- und Aussteigen etwas langsam. Sein Gang war ebenfalls merkwürdig. Er bewegte sich so schnell wie immer, scheinbar, aber irgendwie verzögert. Ich verlangsamte meinen Schritt, und er sah mich verwirrt an.

»Du auch«, sagte er. Wir kamen gerade aus einem Imbiss.

»Wie meinst du das?«

»Die Leute da drüben waren mir unheimlich. Haben mich immer unterbrochen. Ruckartig. Sogar du tust es.«

Dann war da diese eine kritische Situation, als wir vor Mitchs Haus anhielten. Maggie kam rausgerannt und riss die Autotür auf. Mitch war nicht auf sie vorbereitet. Sie fiel halb auf seinen Schoß und zog seinen Kopf herum, gleichzeitig drehte sich Mitch um und ließ sie beinahe fallen. Sie fasste seinen Arm und schien daran runterzurutschen, landete auf der Einfahrt.

Ihre Augen waren weit aufgerissen und starrten einen Moment lang auf ihre Hände, aber da war nichts. Trotzdem wusste ich, was ihr Sorgen bereitete. Ich hatte einmal Mitchs Arm genommen, um ihn durch eine Tür zu ziehen, und er war, naja - ölig, irgendwie. Aber da war kein Öl, nur eine raue Jacke.

Das war eigentlich alles, was mir damals auffiel. Es war ein angenehmer Besuch, auch wenn Mitch verzögert reagierte und mich ansah, ohne mich zu sehen. Maggie und ich wussten beide, dass irgendwas nicht stimmte, aber ich hoffte, die Zeit würde es in Ordnung bringen, und ich vermute, sie genauso. Zeit! … Mehr Wodka?

Ich kam zwei Jahre später zurück. Fand einen Brief von Maggie. Sowie ein offizielles Signal von Bruno, der jetzt Chef von irgendwas war, mit einem neuen großen Labor. Dort ging ich zuerst hin.

»Keine Untersuchungen diesmal, Captain.« Er schaute mich geradezu verführerisch an. »Wir möchten Ihre professionellen Dienste für einen Trip nach Shodar in Anspruch nehmen. Für mich und meine Mitarbeiter, ohne Rückfahrschein. Und für Mrs. Mitchell, Hin- und Rückflug. Es tut mir leid, Ihnen sagen zu müssen, dass wir jetzt glauben zu wissen, was mit Ihrem Freund nicht stimmt.«

»Hat sich sein Zustand verschlimmert?«

»Ja. Oh, er ist vollkommen gesund. Aber der Zustand ist voranschreitend.«

»Werden Sie mir sagen, was mit ihm nicht stimmt? Wo ist er?«

»Er ist hier. Sie sind beide hier. Sie werden ihn gleich sehen. Um zu erklären … Sie gaben mir den entscheidenden Hinweis, Captain, mit dem Wort verrutscht. Das ist es, was er ist: verrutscht. Das - und die Einheimischen, die zum Himmel schauten.

»Verrutscht -?«

»Wenn etwas verrutscht, dann wegen einem Mangel an Reibung, die es in einer Matrix hält. Die Shodars haben sie irgendwie weggenommen, die Reibung Ihres Freundes. Nicht Reibung, wie wir sie kennen - Reibung im Raum. Nein. Sie haben seine Reibung in der Zeit verändert. Sie haben offensichtlich die Fähigkeit, das zeitliche Tempo eines lebenden Organismus zu verändern, es von seinen Verbindungen zur allgemeinen zeitlichen Matrix abzuschneiden, ein minimaler Reibungsverlust. Ohne volle Reibung verrutscht er. Driftet weiter und weiter zurück in der Zeit.«

»Aber Mitch - er ist hier, nicht wahr?«

»Hier, ja, aber zurück. Ein Vorgang, der sich jetzt gerade ereignet, für Sie und mich, ereignet sich für Mr. Mitchell erst später. Und der Abstand vergrößert sich.«

»Um wie viel?«

»Ich vermute, dass es heute knapp über zwanzig Stunden sind. Wir wissen noch nicht, wie die Kurve verläuft: linear, hoffentlich. Aber der Punkt, Captain, ist, dass Gefahr besteht. Die Überschneidung von Ereignissen in Normalzeit kann mit ihm physisch gefährlich sein. Deshalb habe ich Sie vor schnellen Bewegungen gewarnt, schnellen Veränderungen. Der Mann, den Sie vor sich sehen, ist in gewissem Sinne gar nicht da … Und dennoch ist er da. Er scheint nur an Punkten anwesend zu sein, an denen er sein wird