Helligkeit fällt vom Himmel - James Tiptree Jr. - E-Book
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Helligkeit fällt vom Himmel E-Book

James Tiptree Jr.

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Beschreibung

Eine Novafront zieht an dem entlegenen kleinen Planeten Damiem vorbei und lockt einen bunten Haufen Besucher an: Forscher, Touristen, Heilung Suchende und einen Trupp jugendlicher Pornostars mit ihrem Agenten, der in aufsehenerregender Kulisse einen Film drehen will. Sie alle kommen in dem Gästehaus unter, das von drei Wächtern betrieben wird, die von der Föderation zum Schutz der Bewohner des Planeten abgestellt wurden. Die Dameii sind Wesen von ätherischer Schönheit und mit grauenvoller Vergangenheit. Finster ragt die Vergangenheit in die heiter-erotische Gegenwart und finster scheinen die Absichten einiger der Besucher. Schon bald werden in der kleinen Zwangsgemeinschaft die Masken fallen, wird erneut Gewalt ausbrechen, werden Betrug und Mord, echtes und falsches Heldentum, Schuld und der Drang nach Vergeltung und eine in allem wirkende Liebe und Sehnsucht nach Schönheit in einem großen letzten Gericht enden. James Tiptree Jrs. zweiter und gleichzeitig letzter Roman erscheint erstmals in deutscher Übersetzung und schließt die 10-bändige Werkausgabe ab.

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Seitenzahl: 744

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Inhaltsverzeichnis

Cover

Impressum

Autorin und Klappentext

Titelseite

Buchanfang

I. Nova minus 20 Stunden: Ankunft auf Damiem

II. Nova minus 19 Stunden: Begegnungen

III. Nova minus 12 Stunden: Erste Sichtung

IV. Nova minus 11 Stunden: Die Gräuel vergangener Zeiten

V. Nova minus 10 Stunden: Linnix von Beneborn

VI. Nova minus 6 Stunden: Zannez macht sich Sorgen

VII. Nova minus 5 Stunden: Cory verkabelt

VIII. Vorleben: Lady Lonas Ritt

IX. Nova minus 3 Stunden: Kip im Dunkeln

X. Nova minus 2 Stunden: Doktor Ochter berichtet

XI. 30 Minuten bis zum Kontakt: Der königliche Eglantine

XII. Kontakt: Kip erinnert sich

XIII. Ausbruch der Nova: Der Alien schlägt zu

XIV. Die Nova wächst: Algotoxin

XV. Nova max: Unter Kontrolle

XVI. Sternensturm: Baranji ruft die Toten herbei

XVII. Die große Gridworld-Show

XVIII. Das Sternenfeuer zieht vorüber

XIX. Auf der Rampe

XX. Bis zum Sonnenaufgang

XXI. Stars Lied

XXII. Alles klar

Anhang: Figuren und Glossar zu Begriffen, Titeln, Orten und Dingen

Die Werkausgabe

Leseproben

Band 1: Doktor Ain

Band 2: Liebe ist der Plan

Band 3: Houston, Houston

Band 4: Zu einem Preis

Band 5: Quintana Roo

Band 6: Sternengraben

Band 7: Yanqui Doodle

James Tiptree Jr. - Die Mauern der Welt hoch

Originaltitel: James Tiptree Jr. – Brightness Falls from the Air

Copyright © 1985 by James Tiptree, Jr.

James Tiptree Jr. – Helligkeit fällt vom Himmel

Copyright © 2018, Septime Verlag, Wien

Alle Rechte vorbehalten

Lektorat: Andrea Hörandner

Umschlag: Jürgen Schütz

EPUB-Konvertierung: Esther Unterhofer

ISBN: 978-3-903061-58-3

Printversion: Hardcover, Schutzumschlag, Lesebändchen

ISBN: 978-3-902711-47-2

www.septime-verlag.at

www.facebook.com/septimeverlag

www.twitter.com/septimeverlag

www.facebook.com/james.tiptree.jr

James Tiptree Jr.

(1915-1987) ist das männliche Pseudonym von Alice B. Sheldon. Tiptrees geheimnisvolle Identität faszinierte die Fans und gab Anlass zu vielen Spekulationen, freilich glaubten alle, es müsse sich um einen Mann handeln. Die Aufdeckung, noch zu ihren Lebzeiten, war ein Schlag: Diese knappen, harten und frechen Kurzgeschichten, die nur allzu häufig mit dem Tod enden, waren von einer alten Dame mit weißen Federlöckchen verfasst worden.

Sie zählt unter Science-Fiction-Fans zu den großen Klassikern, gleich neben Philip K. Dick und Ursula K. Le Guin. Ihre Kurzgeschichten, die sie erst im Alter von einundfünfzig Jahren zu schreiben begann, und von denen einige wohl zu den besten des späten 20. Jahrhunderts gehören, brachten ihr schnell Ruhm und zahlreiche Auszeichnungen ein.

Dennoch litt sie ständig unter schweren Depressionen und Todessehnsucht. Nach einem vorab geschlossenen Selbstmordpakt erschießt Sheldon im Alter von einundsiebzig Jahren erst ihren vierundachtzigjährigen Mann und dann sich selbst.

Klappentext:

Eine Novafront zieht an dem entlegenen kleinen Planeten Damiem vorbei und lockt einen bunten Haufen Besucher an: Forscher, Touristen, Heilung Suchende und einen Trupp jugendlicher Pornostars mit ihrem Agenten, der in aufsehenerregender Kulisse einen Film drehen will. Sie alle kommen in dem Gästehaus unter, das von drei Wächtern betrieben wird, die von der Föderation zum Schutz der Bewohner des Planeten abgestellt wurden. Die Dameii sind Wesen von ätherischer Schönheit und mit grauenvoller Vergangenheit. Finster ragt die Vergangenheit in die heiter-erotische Gegenwart und finster scheinen die Absichten einiger der Besucher. Schon bald werden in der kleinen Zwangsgemeinschaft die Masken fallen, wird erneut Gewalt ausbrechen, werden Betrug und Mord, echtes und falsches Heldentum, Schuld und der Drang nach Vergeltung und eine in allem wirkende Liebe und Sehnsucht nach Schönheit in einem großen letzten Gericht enden. James Tiptree Jrs. zweiter und gleichzeitig letzter Roman erscheint erstmals in deutscher Übersetzung und schließt die 10-bändige Werkausgabe ab.

James Tiptree Jr.

Helligkeit fällt vom Himmel

Roman | Septime Verlag

Aus dem Amerikanischen von Andrea Stumpf

Dies ist eine Fiktion. Sämtliche in diesem Roman dargestellten Figuren und Ereignisse sind erfunden. Jede Ähnlichkeit mit realen Personen oder Vorfällen ist reiner Zufall.

Widmung

Für Steven Lipsius, Dr. med., ehemaliger Star-Kriegschirurg im wahren Leben sowie in der Fiktion; ein menschlicher Heiler in der Masse der Androiden mit Doktortitel – und ein Freund, ohne den es wenig Helligkeit und weniger Luft unter dem Himmel gegeben hätte.

Anmerkung des Autors

Einige Leser werden Interesse daran haben, dass es – während dieser Roman geschrieben wurde (1983) – Berichte über eine deutlich kleinere Novafront eines explodierten Sternes, gleich der in unserer Geschichte, gab, welche durch unser Sonnensystem und an der Erde vorbeizog.

Danksagung

Die hier berichteten Ereignisse fanden im Ersten Sternzeitalter des Menschen statt, als Galaktisch praktisch Universalsprache war. Dr. Raccoona Sheldon, meiner hochgeschätzten Kollegin am Institut für ausgestorbene Sprachen an der Rigel University, gebührt das Verdienst, diese Sprache in ein altes Erdisch – etwa aus dem Jahr 1985 damaliger Zeitrechnung – zurückübersetzt zu haben, ebenso wie mein tief empfundener persönlicher Dank.

Coldly they went about to raise

To life and make more dread

Abominations of old days,

That men believed were dead.

R. Kipling, The Outlaws, 1914

I

Nova minus 20 Stunden:

Ankunft auf Damiem

Sanft geht die Morgendämmerung in Tageslicht über, das die wunderschöne kleine Welt namens Damiem erhellt. Die Sonne, die man hier Yrrei nennt, ist noch nicht ganz aufgegangen, und der perlenfarbige Zenit ist sternenlos. Damiem liegt am äußersten Rand der Galaxie. Nur zwei Sterne stehen hier am Himmel. Einer prangt groß, komplex und smaragdgrün im Westen, das ist der Murdered Star. Der andere ist ein feuerroter Punkt, der von oben herabsaust.

Der Landeplatz im Vordergrund ist von wilden Blumen überwuchert und wird offenbar nicht oft benutzt.

Unter den Luftschlangenweiden am Rand des Platzes steht ein offener elektrischer Minibus mit einem Anhänger. Auf der vorderen Sitzbank des Busses sitzen drei Menschen, eine Frau und zwei Männer.

Ihre Augen sind auf das landende Schiff gerichtet. Das kleine Tier, das sich leise dem Anhänger nähert, bemerken sie nicht. Es ist ein hübsches, samtviolettes arachnoides Wesen von etwa einem halben Meter Durchmesser. Die Dameii nennen es Avray, was so viel wie Verderben oder Schrecken heißt. Es ist sehr selten und scheu. Im nächsten Moment ist es in oder unter dem Anhänger verschwunden, während die Menschen zu reden anfangen.

»Offenbar schicken sie das große Shuttle runter«, sagt Cory Estreèl. »Ich frage mich, wie viele wir kriegen.«

Sie streckt sich – eine gertenschlanke, glücklich wirkende Frau in der Blüte ihres Lebens mit einem breiten Lächeln und glänzend braunen Haaren. Cory ist Administratorin der Föderation und Wächterin der Dameii und kümmert sich bei Bedarf auch um das kleine Gästehaus. Aus gutem Grund ist Damiem für die Öffentlichkeit nur sehr begrenzt zugänglich.

Neben ihr auf dem Fahrersitz blinzelt Kipruget Korso – allgemein Kip genannt – in den herabsinkenden Feuerstrahl. Er ist stellvertretender Administrator, Verbindungsmann der Dameii und Corys Gefährte.

Corys braune Augen bewegen sich zur Seite und sie lächelt ihn an. Kip ist der attraktivste Mann, den sie je gesehen hat, und er scheint sich dessen kaum bewusst zu sein.

Er ist ein paar Jahre jünger als sie und vereint alle Merkmale eines Models für eine Raumfahrt-Rekrutierungskampagne in sich – groß, schlank, ein gebräuntes, scharf geschnittenes Gesicht mit heiteren grauen Augen, die Ehrlichkeit ausstrahlen, ein freundliches, breites Grinsen und ein Schopf schwarzer Locken. Als sie sich kennenlernten, hatte sie ihn zunächst für einen Aufschneider gehalten. Das war während der letzten Demob vor mehr als zehn Jahren. Sie hatte sich nach einer Stelle bei der Föderation auf einem unbewohnten Planeten umgesehen, und Kip ebenfalls, wie sich herausstellte. Als dieses unfassbare Exemplar zu ihrem Stellvertreter ernannt wurde, war sie leicht verwundert gewesen, bis andere Raumfahrer sie über seine Kriegsvergangenheit aufklärten.

Und dann stellte sich auch noch heraus, dass sie beide auf der Suche nach ihrem jeweiligen Gegenstück gewesen waren. In ihrem ersten Jahr auf Damiem hatten sie sich zu Gefährten erklärt. Vor ein paar Jahren war ihr zweites Jahr als Gefährten zu Ende gegangen, aber sie hatten einfach so weitergelebt, hier draußen, hundert Licht-Minimen von der nächsten FedBase entfernt.

Während sie Kip ansieht, wird Corys Lächeln breiter. Die Aussicht auf Besuch hat ihn dazu veranlasst, frische Kleidung herauszusuchen: eine ausgeblichene weiße Entdeckeruniform und ein zinnoberrotes Halstuch. Es wäre reinster Mord, wenn ihre Besucher für solche Reize empfänglich wären, denkt sie. Aber sie sollte besser nichts sagen, nicht solange sie selbst Shorts trägt, die ihre wohlgeformten Beine zeigen. Sie hat sich des armen Bram wegen bisher verboten, sie zu tragen.

Während sie in Damiems sanfter, duftender Luft warten, stiehlt sich Corys Hand in die ihres Gefährten. Aber sie zieht sie zurück, als sie an den Mann denkt, der traurig an ihrer Seite sitzt und sich so steif hält, dass der Minibus bebt.

Doktor Balthasar Baramji ap Bye – Baram oder Bram für seine Freunde – ist Leitender Xenopathologe und Medizinischer Wächter der Dameii. Er ist ein paar Jahre älter als Cory, ein schlanker, vorzeitig weiß gewordener Mann mit bronzefarbener Haut und leuchtend türkisfarbenen Augen. Jetzt starrt er mit grimmigem, durchdringendem Blick auf das landende Shuttle.

»Bist du sicher, dass es die Große ist, Cor?«, fragt er.

»Völlig«, versichert sie ihm freundlich.

Kip grunzt bestätigend. »Sie haben ungefähr eine halbe Minime zu früh die Bremsraketen gezündet. Und diese rötliche Färbung der Abgase deutet auf eine übergroße Ablationsabschirmung hin. Hierher kommen nur welche mit alten Raketenantrieben. Die verbrennen alles. Ich hoffe nur, unsere Dameii beschließen nicht, abzuhauen.«

»Hier, nimm die Brille, Bram.« Cory glaubt, dass es hilft, wenn er rasch Gewissheit hat.

Baramji leidet an keiner Krankheit, nur an den Bedürfnissen, die jeden kräftigen Mann, der zölibatär mit einem glücklichen Paar leben muss, befallen können. Seine Gefährtin ist vor Jahren im Weltraum umgekommen und eine Zeit lang hatte Damiem ihm geholfen. Aber sein Herz ist wieder geheilt und das erzwungen enthaltsame Leben quält ihn inzwischen.

Eines Abends war Cory das ganze Ausmaß seines Unglücks bewusst geworden, als Kip ins Ferne Dorf unterwegs war. Baram war zu ihr getreten, Schamesröte im Gesicht.

»Es ist gegen den Kodex, Cor, ich weiß. Ich weiß. Bitte, vergib mir. Ich bin sicher, dass du das nie gemeint hast – aber manchmal glaube, träume ich – und ich muss sicher sein. Oh Cor, Cory, du Bezaubernde – wenn du wüsstest …«

Und er war verstummt, das Herz in den wunderbaren Augen und die Fäuste in den Achseln wie ein Kind, das sich zurückhalten muss, etwas anzufassen.

Sämtliche Freundschaftsgefühle drängten sie, ihm Erleichterung zu verschaffen, sie liebte Baram inniglich wie einen Bruder. Aber sie sah die Probleme voraus, die folgen würden, die unvermeidliche Wiederkehr dieser Situation, die Unaufrichtigkeit in der Gruppe.

Schlimmer noch: Bei einem Mann wie Baram könnte Erleichterung mit beängstigender Geschwindigkeit zu wahrer Liebe führen und sie alle verletzen. Tatsächlich fürchten sie und Kip, dass Brams Grundproblem nicht in seinen Lenden sitzt, sondern in seinem Herzen, das er mit Freundschaft und den Dameii zu füllen versucht.

Daher verweigerte sie sich ihm und musste dabei fast weinen. Später wollte er ihr dafür danken.

Und jetzt warten sie auf eine vermutlich größere Menge von Touristen. Hinter diesem wachsenden Feuerstrahl müsste doch eine verfügbare, freie Frau für Baram zu finden sein! Als das letzte Mal eine Tour gekommen war, die den Stern vorüberziehen sehen wollte, war Bram nicht so verzweifelt gewesen. Dieses Mal, so vermutet Cory, hätte auch ein weibliches Reptil seinen Reiz.

Cory starrt nach oben und ihr Blick wandert unwillkürlich zu dem riesigen grünen Wirbel des Murdered Star, den sie sonst meidet. Es ist eigentlich kein Stern, sondern die letzte Explosionshülle um das Loch, wo der Stern einmal gewesen ist. Man nennt es immer noch Stern, weil es jahrzehntelang als sternenähnlicher grüner Feuerpunkt erschien, der beinahe allein in dem leersten Quadranten am Rim-Himmel von Damiem leuchtete.

Dabei ist es eine Novafront, die sich Damiem mit enormer Geschwindigkeit annähert und beim Näherkommen immer größer wird. Im Laufe der letzten Jahre ist sie von einem Punkt auf Edelsteingröße angeschwollen und jetzt ist sie ein riesiger Lichtkomplex, der über den halben Himmel ausfranst. Zwei äußere Novahüllen haben sich schon ausgedehnt und sind über Damiem hinweggezogen und haben dabei furchterregende Lichterscheinungen hervorgerufen, aber kaum eine Gefahr dargestellt. Das nun ist die letzte, die innerste Hülle. Wenn sie heute Nacht aufsteigt, wird die Scheitelzone über ihnen sein – und in der nächsten Nacht werden die letzten Reste an ihnen vorbeigezogen und für alle Zeiten verschwunden sein.

Das ist nur von Damiem aus zu sehen. Sobald die Hüllen sich auf andere Welten ausgedehnt haben, werden sie so schwach sein, dass sie mit bloßem Auge nicht mehr zu erkennen sind.

»Hey«, sagt Kip, der Corys Blick folgt, »das Ding ist ganz schön schnell unterwegs. Und es ist auch anders als das letzte Mal. Da könnte eine Riesenshow auf uns warten.«

»Hoffentlich«, sagt Cory abwesend. »Ganz schön peinlich, wenn so viele Leute von so weit kommen, um eine Novahülle passieren zu sehen – und dann sind es nur ein paar hübsche Lichter.«

»Und ein Zeitgestöber«, sagt Baram unvermittelt, »das habe ich noch nie mitbekommen.«

»Stimmt, du warst unter der Abschirmung.«

»Mit fünfzehn schwangeren Dameii.«

»Ja.« Sie kichert. »Aber wie gesagt, die sind eigentlich nichts Aufregendes, Bram – ein, zwei Minimen fühlt man sich nur irgendwie zäh. Allerdings läuft das nicht in Echtzeit.«

»Aber jetzt kommt das Herz. Der Kern«, sagt Kip hoffnungsvoll. »Da muss irgendetwas passieren.«

Als Cory aufsieht, werden ihre Lippen schmal. Wieder dieses verfluchte Trugbild. Es besteht aus vier haarfeinen Rissen, die aus den vier Ecken des Horizonts heranrasen und in dem Stern zusammentreffen und ein sehr feines schwarzes Kreuz am Himmel bilden. Sie ist die Einzige, die das je sieht, und froh macht es sie nicht. Sie blinzelt heftig und das Trugbild verschwindet. Morgen wird es für immer verschwunden sein.

Von dem Shuttle ist jetzt etwas zu hören – ein anschwellendes Heulen, das von einem fernen Überschallknall unterbrochen wird. In wenigen Minimen wird es unten sein.

Gerade als Kip die Motoren anlassen will, sehen sie ein kleines, blasses, zartes Gesicht, das von den hohen Weidenruten des Baums herabschaut. Hinter dem Kopf sind riesige halbdurchsichtige Flügel zu erkennen.

»Hallo Quiyst«, sagt Cory leise in fließendem Damei. Der Kopf nickt und sieht Kip an, zu dem die Dameii eine engere Beziehung haben.

»Sag deinen Leuten, dass sie keine Angst zu haben brauchen«, sagt Kip. »Die Besucher kommen nur für ein paar Tage, um den Stern anzusehen. Wie die letzten. Hast du allen Bescheid gegeben, dass sie Schutz suchen sollen, wenn es sehr hell wird? Er wird das letzte Mal an uns vorbeifliegen, und es kann sein, dass er schädliches Zeug auf uns fallen lässt.«

»Ja-a.« Der zierliche Kindmann sieht immer noch misstrauisch von Kip zu dem landenden Shuttle, das eine Staubhose hochwirbelt. Quiyst ist alt, seine klare perlmutterne Haut ist von feinen Linien überzogen und die Haarmähne, die in seine Flügel übergeht, ist weiß. Aber seine Gestalt und seine Bewegungen sind immer noch schön.

»Keine Sorge, Quiyst«, versichert ihm Kip über den Lärm hinweg. »Niemand wird dir noch einmal etwas antun. Wenn wir gehen, kommen andere, um über euch zu wachen, und danach wieder andere. Dort draußen ist ein großes Schiff, das dafür sorgt, wie du weißt. Wenn die neuen Leute wieder fort sind, möchtest du es ja vielleicht mal besuchen.«

Quiyst sieht ihn mit rätselhaftem Blick an. Kip ist sich nicht ganz sicher, wie viel Quiyst verstanden oder geglaubt hat. Der Damei zieht den Kopf ein und wendet sich ab, um sich nicht dem näher kommenden Feuerstrahl und dem Lärm auszusetzen, der in seinen Ohren schmerzen muss. Quiyst beweist Mut, indem er sich in die Nähe eines landenden Shuttles wagt. Brennende Flügel sind das schlimmste Schreckenssymbol bei den Dameii.

»Vergiss nicht, deine Leute vor dem Himmelslicht zu verstecken!«, ruft Kip ihm nach. »Und sag es Feanya!« Aber Quiyst ist schon weg, so unmerklich verschwunden, wie er gekommen ist.

Kip lässt die Motoren an, und sie fahren auf den Landeplatz zu. Die Moom, die riesigen, wortkargen Dickhäuter, die die meisten Fluglinien der Föderation betreiben, sind bekannt dafür, bei ihren Starts und Landungen den Flugplan pünktlich einzuhalten, egal, wer oder was unter ihnen ist. Man weiß nicht genau, ob sie einen Unterschied zwischen Passagieren und Fracht machen, abgesehen davon, dass die Fracht keinen Kälteschlaf braucht. Auch ihr Bodenbetrieb läuft wie am Schnürchen.

Mit einer riesigen Stichflamme und einer Staubwolke landet das Shuttle und ein Feuerring knistert in dem blühenden Gestrüpp auf. Kip fährt, so schnell er sich traut, mit dem Bus vor. Die Flammen sind kaum in sich zusammengesunken, als die Frachtluke nach unten schwenkt, gefolgt von der Gangway, die sich auf den noch glühend heißen Boden senkt.

»Eines Tages werden sie ein paar von den Passagieren grillen«, sagt Kip. »Ich hoffe nur, dass unsere Reifen noch einmal der Hitze standhalten.«

»Das interessiert die Moom nicht«, sagt Cory. »Ihnen reicht es, dieses Spiel des Lebens spielen und Schiffe führen zu können.«

»Da sind noch mehr Glutnester. Ich muss hier halten, sonst werden die Reifen garantiert platzen.«

Doktor Baramjis Augen hinter den Brillengläsern sind während der holprigen, schlingernden Fahrt auf das Schiff gerichtet gewesen. Als es zum Stillstand kommt, reißt ein riesiger grauer Arm die Passagierluke über der Gangway auf. Der Arm zieht sich zurück und heraus springt ein kahlköpfiger Mann in rotem Anzug, eine Holocam-Ausrüstung unter dem Arm, läuft die Rampe hinunter und dreht sich zu ihr um. Die Hitze des Bodens erstaunt ihn, er weicht zurück und stellt seine Kameras mit geschickten, raschen Handgriffen ein, während muhendes Gejohle aus dem Schiff dringt.

»Okay, Leute!«, ruft er. »Passt auf – der Boden ist heiß.«

Baramji holt hörbar Luft. Aus der Luke tritt der silberblonde Traum eines jungen Mädchens, gehüllt in etwas, das der Idee eines Modemachers von der Aufmachung einer Entdeckerin entspricht. Eine Hand fährt an ihre Kehle und ihre großen Augen werden noch größer, dann läuft sie zögernd die Rampe nach unten.

Eine Minime später entfährt Baramji unwillkürlich ein Krächzen. Eine männliche Gestalt folgt dem Mädchen – ein gut aussehender blauschwarzer Jüngling, der in einem identen Idiotenanzug steckt. Besorgt begleitet er das Mädchen auf kühleren Boden.

Gleich darauf wiederholt sich das Szenario, angeführt dieses Mal von einem schlanken braunblonden Jungen. Er geht seltsam wogend mit hängenden Schultern und dreht sich um, um herrisch zu winken. Ein wunderschönes schwarzhaariges Mädchen mit selbst auf die Entfernung violett glühenden Augen eilt zu ihm und lässt sich von ihm fast ruppig zu den anderen führen. Aus der Nähe betrachtet liegt auf dem Gesicht des Jungen ein verschlafener, schlitzäugig bösartiger Ausdruck. Das zweite Paar ist wie das erste angezogen.

»Diese Schuhe werden durchschmoren«, murmelt Kip. Er hebt die Stimme. »Hierher! Bringen Sie Ihre Taschen hierher! Kommen Sie und steigen Sie ein!«

Baramji seufzt traurig. »Wie viele sind es, hast du gesagt, Cory?«

»Zehn – oh, Moment, mein Funkgerät fängt ein Signal ein … Vielleicht sind es auch mehr. Ja, hallo!«

Auf der Gangway erscheint ein Menschenjunge, der in der makellosen Miniaturausgabe einer Männer-Geschäftstunika steckt. Auf seinem Kopf sitzt eine merkwürdig geknickte Kappe mit drei Goldfedern. Als er Kips Rufe hört, springt er von der Rampe – seine Stiefel sehen trotz ihrer Verzierungen recht brauchbar aus – und trottet mit seinem geschulterten Gepäck zum Bus, klettert geschickt hinein und nickt ihnen lächelnd zu. Er hat ein hübsches Lächeln und wirkt für einen Menschen, der nicht älter als zwölf sein kann, bemerkenswert gelassen. Kaum hat er sich hingesetzt, dreht er den Kopf und betrachtet die vier vor ihm Ausgestiegenen mit einem besorgten Blick.

Jetzt kommen zwei ältere Männer nach unten. Der erste ist groß und kräftig gebaut mit rötlich grauer Haut. Hinter ihm hinkt ein kleiner Gnom mit einem grauen Haarschopf, der in einem altmodischen Mantel und einer Hose steckt. Die beiden scheinen sich nicht zu kennen. Sie sehen sich suchend um, bis sie zuerst den Stern und dann die Frachtluke entdecken, bevor sie Kips Ruf folgen.

Weiteres Heulen aus dem Shuttle – und dann seufzt Doktor Baramji erneut auf.

Ein vergoldetes Rollbett mit Vorhängen und Infusionsbehältern, Batterien, Flaschen, Pumpen und anderem medizinischen Gerät wird von einem unwilligen jungen Moom-Schiffsjungen über die Rampe geschoben. Daneben erscheint eine Wolke aus braun-gold glitzernden Schleiern, die eine Frau eher ent- als verhüllen.

Und was für eine Frau! Klein, mit makelloser cremeweißer Haut, glänzenden schwarzen Augen, die von den Harems vergangener Zeiten sprechen, üppigen dunklen Locken, die von etwas gebändigt werden, das Cory für einen Stil jenseits von Stil hält, einem hervorquellenden Busen über einer Wespentaille und sattrunden Hüften. Sie hat winzige, mit schweren Ringen bestückte Hände und ihre ebenso winzigen Füße stecken in Samt. Cory schätzt sie auf Anfang dreißig. Eine ihrer kleinen Hände hält besitzergreifend das Rollbett umklammert, auch wenn sie sich auf der Gangway offensichtlich unwohl fühlt. Ihre süße Stimme ist zu hören, sie dankt den Moom, worauf sie natürlich keine Antwort erhält.

Mit einem Klacken trifft Baramjis Brille auf dem Boden des Minibusses auf. »Sie haben einen Kranken dabei!«, ruft er heiser, springt aus dem Bus und läuft in Windeseile auf das Bild vor ihnen zu.

»Ui«, sagt Kip. »Ich frage mich, an welche Götter sich Bram mit seinen Gebeten gewandt hat.«

Barams Ankunft an der Gangway wird mit einem strahlenden Lächeln quittiert, in dem so viel Erleichterung, Bewunderung und Verführung liegt, das die beiden Korsos ihn geradezu dahinschmelzen und nach Halt an dem Rollbett suchen sehen. Sie kichern gutmütig.

»Ich habe den Eindruck, der Kranke stellt keine Gefahr dar«, sagt Kip. »Hör mal, bist du einverstanden, wenn ich die Reifen noch einmal riskiere und mit dem Hänger näher an dieses Rollbett fahre? Die Moom werden uns sicher nicht helfen, über den Boden können wir es nicht rollen und ich schätze, dass es eine Tonne wiegt.«

»Alles klar, mach nur. Aber da, schau mal. Da passiert noch was«, sagt Cory, als sie durch den Ring noch glühender Asche fahren. Die Luke über ihnen steht immer noch offen und es dringt Moom- und Menschengezank heraus.

Gerade als sie neben dem Rollbett halten, taucht ein zerzauster und wütend aussehender junger, blonder Mann auf der Gangway auf. Hinter ihm kommt ein großer dunkelhaariger Mann mit schmalen Schultern, der in seinen Dreißigern sein muss und einen langen, strengen, dunklen Mantel trägt.

Auf halbem Weg die Gangway hinab dreht sich der Erste zur Luke um und schüttelt die Fäuste. »Ich werde Sie anzeigen!«, ruft er. »Ich werde die Linie anzeigen! Sie haben mein Lebenswerk vernichtet – mich auf irgendeinem beschissenen Planeten auszusetzen, von dem ich noch nie was gehört habe, obwohl auf meinem Ticket Grunions Rising steht!« Er wedelt mit einer Handvoll Flugscheinen in der Luft und reißt an dem modischen Überwurf, der schief über seiner Schulter hängt. »Die Universität wird Sie dafür verklagen!«

Aus dem Inneren ist keine Antwort zu hören.

In der Zwischenzeit umrundet der Mann im Mantel den Schreihals und geht weiter die Rampe bis nach unten. Er sagt zwar nichts, aber er presst seine dünnen Lippen fest aufeinander und seine eng zusammenstehenden dunklen Augen blitzen. Den hohen Mantelkragen zieren parallel laufende silberne Zickzacklinien und seine Stiefel haben auf den Stulpen dasselbe Muster, so dass er aussieht, als trüge er eine Uniform, die nur keiner kennt.

Ohne auf Kip zu achten, geht er direkt auf die Frachtluke zu. Der blonde Mann sieht sich verwirrt um, dann ruft er: »Passt bloß auf, dass mein Gepäck entladen wird!«, und geht ebenfalls zu der Luke.

»Ach ja«, sagt Kip. »Jetzt erinnere ich mich. Weißt du, was das ist, der in dem Mantel? Ein Aquamann!«

»Ein was?«, sagt Cory. »Aqua – Wasser – meinst du die Leute mit den Kiemen? Von denen hab ich noch nie einen aus der Nähe gesehen.«

»Komisch, dass der nicht nach Grunions fliegt.«

»Ja … da scheint es irgendeinen Irrtum gegeben zu haben.«

»Auf einem Moom-Schiff? Kann ich mir nicht vorstellen.«

Mittlerweile ist eine weiß gekleidete Gestalt mit feuerroten Haaren oben auf der Gangway erschienen – ein schlankes Mädchen mit dem Abzeichen eines Schiffsoffiziers auf der Bluse. Sie trägt eine kleine Tasche. Das kann nur die Logistikerin des Schiffs sein. Offenbar sind keine weiteren menschlichen Passagiere an Bord, so dass sie in Damiem bleiben kann, bis das Schiff von Grunions Rising zurückkommt und sie alle wieder einsammelt.

Was kann mit den Passagieren, die nach Grunions wollten, schiefgegangen sein?

Sobald die Füße des Mädchens den Boden berühren, klappt die Gangway ein und die Luke schließt sich. Nur die Frachtluke ist noch offen.

»Das macht dreizehn«, sagt Cory. »Sie muss beschlossen haben, hier auszusteigen, um den Stern zu sehen, und wieder an Bord zu gehen, wenn das Schiff zurückkehrt.«

»Hübsches Mädchen, und was für Haare«, sagt Kip. »Ich werde Bram helfen müssen, dass Bett auf den Anhänger zu schieben. Die Moom-Frachtcrew übernimmt das Gepäck, aber das Ding werden sie nicht anfassen. Okay?« Er steigt aus, schreit: »Leute, schnappt euch eure Taschen und steigt so schnell wie möglich in den Bus! Das Moom-Shuttle wird planmäßig starten, selbst wenn ihr unter den Triebwerken steht. Die Formalitäten erledigen wir später – jetzt müssen erst mal alle an Bord!«

Die beiden älteren Männer haben ihr Gepäck entdeckt und tragen es brav zum Bus. An der Tasche des kleinen gnomartigen Mannes befindet sich einer der neuen und sehr teuren Floater, so dass er sie trotz seines Hinkens transportieren kann. Der kahlköpfige, rot gekleidete Kameramann eilt zu Kip.

»Ich bin Zannez!«

»Glückwunsch. Hinein mit Ihnen.«

»Sie verstehen offenbar nicht, Myr … äh, Korso, oder? Diese vier jungen Leute sind in der ganzen Galaxie berühmte Hologrid-Stars. Sie haben doch sicher schon von Absolutely Perfect Commune gehört?«

»Nein, und von Ihnen auch nicht.«

»Hey, Leute! Wir sind endlich am Rand der Galaxie angekommen! Keiner kennt uns hier.«

»Was ich weiß, ist, dass Sie gleich vier gegrillte galaktische Showstars haben werden, wenn Sie sich nicht von diesem Schiff wegbringen lassen.«

»Aber wir brauchen natürlich ein eigenes Fahrzeug.«

»Tut mir leid, daraus wird nichts. Wir haben ein kleines elektrisches Arbeitsauto, aber selbst wenn es jemand hierherbringen könnte, würde die Zeit nicht reichen, bevor das Schiff abhebt und Sie alle flambiert.«

»Gut, schon verstanden, wir müssen uns beeilen. Aber es ist doch sicher noch Zeit für ein schnelles Begrüßungsfoto vom Planetenboss mit den jungen Leuten.«

»Okay, wenn es wirklich schnell geht. Cory, kannst du mal eine Minime rüberkommen?«

»Nein, nein, nicht Sie«, fährt Zannez sie an. »Bleiben Sie zurück.«

Kips tritt ganz nah an ihn heran.

»Hören Sie, egal, wer Sie sind. Die Frau, die Sie da gerade beleidigt haben, ist die Planetarische Administratorin. Und zufällig meine Gefährtin. Entweder schlagen Sie also einen anderen Ton an oder sie lässt Sie mit dem Patrouillenschiff entfernen und festsetzen, bis die Moom zurückkommen. Außerdem kann Sie Ihre Ausrüstung beschlagnahmen, und ich auch.«

»Oh, oh«, sagt Zannez, ohne allzu betroffen zu klingen. Einen Moment lang starrt er Cory eindringlich an, betrachtet ihre langen gebräunten Beine, die wohlgefüllten Shorts unter der schmalen Taille, die von ihrer Sommerbluse enthüllten majestätischen Schultern und ihren Hals. »Sie sieht fantastisch aus, das ist es nicht. Aber ein weiblicher Boss macht das Ganze … na ja, harmlos. Und zwei Leute als Gastgeber bringen die Zuschauer durcheinander. Es tut mir leid, Ma’am, ich hätte gerne eine Aufnahme von Ihnen, aber könnte vielleicht Ihr Gefährte die jungen Leute am Schiff begrüßen – sagen wir mal, in Ihrem Namen?«

»Ach, zum – gütiger Apherion! – meinetwegen: Hallo, hallo, hallo, hallo, hallo«, sagt Kip. »Also, wollen Sie lieber bei lebendigem Leib gebraten werden oder in den Minibus einsteigen? Ihretwegen werde ich die anderen keiner Gefahr aussetzen.«

Aber Zannez ist noch nicht fertig. »Ich will sie vorne drin, neben Ihnen.«

»Sicher nicht. Wir müssen die Instrumente bedienen. Wir weisen Ihnen genau wie den anderen Plätze zu.«

»Na gut, aber können sie hinten wenigstens zusammensitzen? Dann kann ich sie so aufnehmen, als wären sie allein.«

»Meinetwegen, aber jetzt steigen Sie ein.«

Zannez hievt seine Ausrüstung in den Bus, als plötzlich sein Blick auf den Jungen fällt.

»Oh nein! Ich glaub’s nicht.«

»Oh ja«. Der Junge lächelt. »Warum nicht? Auch andere wollen den Stern sehen.«

Kopfschüttelnd und mit einem Seufzen dreht sich Zannez um und sieht zu, wie seine Schützlinge einsteigen. Das blonde Mädchen murmelt beim Vorbeigehen: »Lustig. Ich habe geträumt, dass ich ihn sehe.«

Zannez seufzt und dann fragt er Kip: »Wird uns dieser Anhänger mit dem komischen Bett die ganze Zeit den Blick versperren? Könnten Sie ihn nicht stehen lassen und später abholen?«

»Wenn hier was stehengelassen wird, dann sind Sie das«, sagt Kip gleichmütig und tritt zu Baramji, um ihm beim Festmachen des Betts zu helfen.

Zannez geht in den hinteren Teil des Busses, wo seine vier Stars sind, und schreit Baramji zu: »Hey, Myr Sowieso, bleiben Sie bloß weg, ich will Sie nicht auf den Aufnahmen haben. Myr Korso, bitte sagen Sie ihm, dass er sich hinhocken soll, wenn er schon hier sein muss.«

»Hocken Sie sich doch selbst hin«, brüllt Baram. »Und richten Sie Ihre Kamera nach oben. Wissen Sie denn nicht, dass die Dameii über uns sein werden, wenn Sie überhaupt einen zu Gesicht bekommen, was bei dem Lärm, den Sie veranstalten, nicht sehr wahrscheinlich ist? Irgendwo in den Bäumen, wie die meisten Lebewesen hier. Fahr schön langsam, Kip. Wir haben empfindliche Fracht.«

Zannez reißt sich zusammen und Cory ruft: »Dreizehn an Bord. Alle bereit? Vermisst irgendeiner sein Gepäck?«

Keiner sagt etwas.

»Alles klar, dann los. Kip, bring uns von hier weg.«

Die Motoren heulen auf und der Bus nimmt Fahrt auf. »Mögen die Götter den Reifen beistehen«, sagt Kip. »Aber wenn es sein muss, werden wir auf den Felgen fahren.«

Aus dem Funkgerät ertönt eine Moom-Stimme. Der Bus fährt noch schneller und schaukelt hin und her.

»Langsamer, langsamer, Kip!«, ruft Baramji von dem Anhänger.

»Geht nicht!«, ruft Kip zurück.

Sie haben kaum den Rand des Feuerrings erreicht, als die Triebwerke des Shuttles hinter ihnen rumpelnd anspringen.

»Festhalten!« Schlingernd und ruckelnd schießt der Bus auf den Hügel zu und bringt sich schließlich zwischen den Bäumen in Sicherheit. Die Passagiere sehen, wie sich dort, wo sie gerade noch standen, Flammen und Rauch über den Boden wälzen.

Mit einem ohrenbetäubenden Knall erhebt sich das alte Shuttle auf einer Flammensäule und entfernt sich von Damiem. Kip geht vom Gas und der Bus rollt halbwegs ruhig über die steinigen Spurrillen. Die Raumflughafenstraße ist nie begradigt worden.

»Wieder mal eine angenehm entspannte Ausschiffung«, bemerkt Cory. »Ganz nach Art der Moom.«

»Verstehen Sie jetzt, was ich meinte, Zannez?«, ruft Kip. Er hat mehrmals in den Rückspiegel gesehen. Jedes Mal hat sich Zannez gefährlich verrenkt, während er filmt, die Kamera schwenkt, Linsen wechselt. Er hat es sogar geschafft, eine zweite Kamera hervorzuholen.

»Weißt du, Cor, der Typ ist zwar schrecklich, aber man muss ihm lassen, dass er Engagement zeigt.«

»Ich schätze mal, dass die Penetranz mit seinem Beruf zu tun hat.« Sie kann sich nicht zurückhalten und fügt hinzu: »Hast du bemerkt, dass diese jungen Leute, mögen sie auch noch so schön sein, etwas Unnatürliches an sich haben? In allem völlig übertrieben. Und so dünn!«

»Ja, hab ich auch bemerkt. Außerdem brauche ich keine Hologrid-Stars, wenn ich dich habe, Coryo.«

»Ach, Kip … Ich hoffe, Bram kommt zurecht.«

»Na, wenigstens ist seine Traum-Huri dabei. Falls du es nicht wissen solltest, der Schmuck, den sie trägt, ist echt, falls mein Seminar in Mineralogie nicht völlig umsonst war. Da ziehen wir einen dicken Batzen an galaktischer Kohle hinter uns her. Was, glaubst du eigentlich, ist in dem Rollbett? Ich habe keinen Blick reinwerfen können.«

»Das wird sich im Gästehaus herausstellen.«

»Da wird sich eine Menge herausstellen. Hoffentlich gefällt es uns.«

II

Nova minus 19 Stunden:

Begegnungen

Die Straße wird besser. Damiems gelbe Sonne bricht durch eine rosa Decke Schönwetterwölkchen und lässt zierliche Regenbögen zwischen den taubedeckten Blättern erstrahlen. Die Luftschlangenbäume werden von blühenden Büschen und zartgrünen Vogelbäumen abgelöst. Viele der beweglichen Vogelblätter heben ab und flattern neugierig hinter dem Bus her. Wie üblich lieben die Touristen das Schauspiel. Selbst die finstere Miene des mürrischen Aquamanns hellt sich auf, als sich ein paar Blätter neben ihm auf dem Bus niederlassen, um kurz auszuruhen.

»Sobald wir im Gästehaus sind, fangen sie an, sich zu langweilen und kehren zu ihren Bäumen zurück«, erklärt Cory. »So, da wären wir. Damiem Station Hostel. Der Stern wird über dem See hinter dem Haus aufgehen. Wir werden ihn von der seeseitigen Veranda beobachten.«

Sie sind eine üppig von Blumen gesäumte kreisförmige Auffahrt hochgefahren und haben vor einem halbmondförmigen einstöckigen Gebäude angehalten. Dahinter fällt der Grund zu einem von Bäumen umsäumten See hin abrupt ab. Das Gästehaus besteht aus einer großen, hohen Mittelhalle, von der nach jeder Seite ein kurzer Flügel mit den Zimmern abgeht. Über die gesamte Vorderseite läuft eine schlichte offene Arkade. Um eine kleine Kuppel auf der Mittelhalle steht eine Reihe von Antennen, offensichtlich ein Observatorium. Links vom Hauptgebäude befinden sich eine ordentliche Garage und eine Werkstatt und rechts ein Hain mit farnartigen Bäumen, in deren Ästen ein gewebtes Baumhaus zu erspähen ist. Alle Dächer sind aus Stroh.

Die Doppeltüren am Haupteingang der Lounge stehen offen oder vielmehr tun es die unteren Hälften. Beim Näherkommen können die Touristen sehen, dass die Türen eine obere Hälfte haben und sich auf mindestens doppelte Menschengröße öffnen lassen, und die vordere Arkade ist hier entsprechend höher.

»Wie wunderschön«, ruft der gnomgleiche kleine Mann aus.

Zannez schwenkt seine Kamera. »Haben das die Eingeborenen gebaut?«, fragt er.

»Nein«, sagt Cory. »Diejenigen, die das meiste davon erbaut haben, stehen vor Ihnen. Der vorherige Bewohner und erste Wächter baute die beiden Haupträume. Und wir nennen die Leute hier nicht Eingeborene, niemals. Das Volk, das in dieser Welt lebt, sind die Dameii. Wie Sie vielleicht bemerkt haben, wohnt eine Damei-Familie in dem Baum neben uns, aber das dient nur der beiderseitigen Unterweisung. Sie verrichten keine niederen Arbeiten. Wer von Ihnen dazu imstande ist, wird sein Gepäck selbst ausladen und hineintragen. Wir helfen Ihnen, so gut wir können, aber da drei zusätzliche Leute, mit denen wir nicht gerechnet haben, dabei sind, müssen wir uns beeilen und einige weitere Zimmer beziehbar machen. Kippo, wärst du so nett, unsere Besucher hineinzuführen und aufzuteilen, während ich mich rasch um die anderen Sachen kümmere?«

»In Ordnung, Schätzchen«, sagt Kip, »aber lass dir Zeit. Ich bin ja auch noch da … Gut, Myrrin, willkommen im Damei Hostel. Das Gästehaus erwartet Sie mit einer kleinen Stärkung und einem leichten Getränk – und mit leicht meine ich leicht. Wenn Sie zu früh nach den Kälteschlaf-Medikamenten Alkohol trinken, kippen Sie aus den Latschen. Sie könnten dadurch sogar den Stern verpassen. Wir haben einen Damei-Softdrink erfunden, den Sie bestimmt mögen werden.«

Während dieser kleinen Ansprache führt er sie in die Haupthalle oder Lounge. Die Wände bestehen größtenteils aus durchsichtigem Vitrex. Links ist eine lange Theke aus poliertem, wunderbar gemasertem Holz und andere Dinge zur Verpflegung der Gäste; rechts ist eine kleine Wendeltreppe, die offensichtlich zu dem Observatorium auf dem Dach führt. Direkt gegenüber sind Vitrex-Doppeltüren, die sich zu der seeseitigen Veranda öffnen. Sie werden von zwei Zimmern flankiert, augenscheinlich die Quartiere der Mitarbeiter. Auf der Tür des rechten Raums ist ein rotes Kreuz, ein uraltes, noch immer gültiges Symbol, das auf einen Ort zur medizinischen Versorgung verweist. Auf dem Türschild des rechten Raums steht »Verw.«.

Ihre Schritte hallen seltsam wider, als sie zu den Stühlen an der Theke gehen. Bei einem Blick nach oben sehen sie, warum: Die Unterseite des Strohdachs ist mit einer schweren Abschirmung verkleidet.

Kip hat einen auseinandergefalteten Computerausdruck auf die Theke gelegt und wirft einen Blick darauf, während er Tabletts mit Snacks und kleinen Leckerbissen herumreicht und ein golden leuchtendes Getränk in exquisite muschelförmige Gläser einschenkt.

»Diese Gläser haben die Dameii gemacht«, erzählt er. »Sie arbeiteten mit Glas schon hunderte von Generationen vor … äh … dem Kontakt. Dann wollen wir uns mal richtig vorstellen. Ich spiele ein Ratespiel – die Moom haben lediglich eine bruchstückhafte Passagierliste rausgerückt. Ihre Gastgeberin und der Chef hier ist Corrisón Estreèl-Korso, die Administratorin der Föderation. Ich bin Kipruget Korso-Estreèl, stellvertretender Administrator und Damei-Verbindungsmann. Unser medizinischer Beistand dort drüben ist der Xenopathologe Balthasar Baramji ap Bye, bekannt unter dem Namen Doktor Baram. Lassen Sie sich nicht von den weißen Haaren in die Irre führen. Wir sind alle drei damit beauftragt, über die Dameii zu wachen, nachdem die Gräueltaten, die ihnen von Menschen angetan wurden, entdeckt und gewaltsam gestoppt wurden. Zur Verstärkung steht uns eine Patrouille auf Abruf zur Verfügung.«

»Ich hoffe« – er verneigt sich vor dem Traum in glitzernden Schleiern – »ich gehe richtig in der Annahme, dass ich Marquise Lady Parda– oh, tut mir leid, Parda-li-anches vor mir habe, also Lady Pardalianches von Rainbow’s End?«

Sie bestätigt das mit einem anmutigen Nicken.

»Und … äh, Ihre Schwester? Hier steht kein Name.«

»Ja. Das ist Lady Paralomena, meine Schwester, meine arme Zwillingsschwester. Sie verunglückte vor einigen Jahren beim Reiten. Der Unfall ließ sie hilflos, aber bei Bewusstsein zurück – Letzteres müssen Sie mir glauben, Myr Korso, auch wenn das einige nicht tun. Zum Glück verfüge ich über die Mittel, sie bei Gesundheit zu halten für den Tag, an dem sie wieder erwacht, und er wird kommen – das weiß ich genau. Ich habe sie in der Hoffnung hierhergebracht, dass etwas von der besonderen Strahlung Ihres Sterns ihr helfen kann, wo die Ärzte es nicht mehr können.«

Kip tritt an das Bett mit den Vorhängen.

»Dürfte ich sie sehen, Lady Pardalianches? Ich bitte sie nicht aus reiner Neugier darum – auch wenn ich neugierig bin –, vielmehr könnten Sie einen Bewaffneten oder ein gefährliches Tier hinter den Vorhängen verstecken.«

»Was denken Sie nur! Mein armer Liebling. Aber gut, wenn Sie meinen.« Vorsichtig zieht sie die Vorhänge eine Handbreit auseinander. Kip sieht hinein und reißt die Augen auf, bevor er den Kopf zurückzieht.

»Man – man könnte schwören, dass sie schläft. Wie schön sie ist.«

»Oh ja, Myr Korso. Ich sehe, dass Sie mich verstehen. Sie schläft tatsächlich nur. Aber es ist nicht nur das. Haben Sie die goldene Netzkappe bemerkt?«

»Ja, so halb.«

»Ich trage auch eine, allerdings unter meiner Frisur.« Sie berührt ihre dicken Locken. »Wir erleben alles gemeinsam. Die Kappe entspricht dem allerneuesten Stand der Technik. Ich werde gewiss nicht zulassen, dass sie nur vor sich hinvegetiert.«

Kip schluckt. »Natürlich nicht.«

»Dürfte ich Sie jetzt vielleicht bitten«, sagt die Lady, »dass wir uns in ein Zimmer, das schon hergerichtet ist, zurückziehen können, da wir beide nach dieser anstrengenden Reise sehr müde sind? Egal, welches. Ich habe selbstverständlich mein eigenes Bettzeug dabei.«

»Wir haben Ihnen Suite A zugeteilt.« Kip deutet links hinter die Theke. »Der Name ist nicht ganz ernst gemeint, es gibt nämlich überhaupt keine Suite B. Normalerweise schläft Doktor Baram darin. Vielleicht hilft er Ihnen, sich einzurichten.«

Baramji hat neben dem Rollbett Stellung bezogen und springt bei diesen Worten auf, wobei er beinah den Teller fallen lässt.

»Ich helfe Ihnen gerne, Gnädigste, selbstverständlich. Stets zu Ihren Diensten.«

Schweigend sehen ihnen die anderen hinterher, dann richten sich alle Blicke fragend auf Kip.

»Sie ist wirklich schön – wie eine gesunde, schlafende Fünfzehnjährige. Wenn sie tatsächlich Zwillinge sind, muss der Unfall schon vor zwanzig Jahren geschehen sein. Da läuft es einem kalt den Rücken runter. Mehr werde ich dazu nicht sagen. Gut, jetzt kommt der leichte Teil – Zannez Beorne und vier Schauspieler, verschiedenen Geschlechts.«

Der seltsame aussehende blonde Junge gibt ein nasales Kichern von sich. Die Show-Leute haben sich am hinteren Ende der Theke versammelt.

»Das sind wir«, sagt Zannez. »Es mag sich seltsam für Sie anhören, aber ich war seit Ewigkeiten nicht mehr unter Leuten, die Absolutely Perfect Commune nicht kennen – Milliarden von Zuschauern im ganzen Grid schalten sich schließlich jeden Abend zu, manchmal glaube ich fast, dass sie die Commune besser kennen als ihre eigenen Familien. Daher habe ich ganz vergessen, wie so eine Vorstellungsrunde funktioniert. Ich bin Zannez Beorne – wobei niemand den Familiennamen benutzt –, Kameramann und Manager der vier. Ich schätze mal, zuerst kommen die Mädchen.« Er legt einen Finger auf den Kopf der Silberblonden, so als wollte er sie um die eigene Achse drehen. »Darf ich Stareem Fada vorstellen? Unser Star – eine der Stars.«

»Hi.« Ein bezaubernd bescheidenes Lächeln des blonden Mädchens.

Kip bemerkt, dass der kleine Junge auch lächelt, als er von seinem Teller aufsieht und einen gelassen-herausfordernden Blick in die Runde wirft. Was ist das denn für einer?

»Und diese junge Dame hier« – Zannez beugt sich zurück, so dass sie die dunkle Schönheit sehen können – »ist Eleganza.«

Die Braunhaarige lächelt gehorsam, aber dann platzt es unvermittelt aus ihr heraus: »Ich heiße nicht Eleganza! Ich heiße Bridey McBannion.«

Zannez seufzt. »Irgendwann wirst du damit enden, für zweihundert Kinder Schlonze bei der Armenspeisung zu kochen, Bridey. Zugegeben, Eleganza ist nicht toll, wenn dir was Besseres einfällt, nur zu. Aber Bridey McBannion – wenn ich das noch mal höre –«

Der sehr schwarze junge Mann fällt ihm ins Wort. »Myr Zannez, nur die Ruhe. Ich bin ja auch noch da.«

»Und mögen die Götter dich segnen. Myrrin, darf ich Ihnen Hannibal Ek vorstellen, der Caesar und Jocelyn Ek geboren und in der zehnten Diözese der Orange World auf den Namen Hannibal getauft wurde. Hannibal Ek, E-k. … Und das ist Snake Smith.«

»Wir sind zusammen«, sagt Hannibal. »Ich stelle die Dinge gerne gleich klar.«

»Er heißt auch nicht wirklich Snake Smith«, sagt Zannez. »Aber er wurde in eine Schaustellerfamilie geboren, die seinen Namen so oft geändert hat, dass, glaube ich, niemand mehr weiß, wie er richtig lautet. Ich tu’s jedenfalls nicht.«

»Aber ich«, sagt Snake Smith. »Und wenn den jemals jemand rausfindet und benutzt, mach ich ihn kalt.« Plötzlich senkt sich wieder dieser bösartige, schläfrig-tödliche Ausdruck über sein Gesicht wie eine Maske. Erstaunt sieht Kip, dass es eine Maske ist. Wenn der Junge nicht willentlich diesen Ausdruck annimmt, der seine Grid-Show-Rolle zu sein scheint, ist er völlig normal, ein fröhlicher und freundlich aussehender junger Mensch, wo auch immer er diese malerischen Schlitzaugen herhat. Als er Kip dabei ertappt, wie er ihn mustert, lacht er freundlich und dann wechselt er zu seinem fiesen Kichern.

»Tja, mehr gibt es zu uns erst mal nicht zu sagen«, sagt Zannez. »Ich vermute, dass Lady Pardalianches es nicht bedauert, die Vorstellungsrunde verpasst zu haben. Aber ich würde es bedauern, nicht alles von Ihnen gehört zu haben, Kippo. Geben Sie mir trotzdem zuerst die Erlaubnis, die jungen Leute rumzuführen und ein paar Aufnahmen zu machen. Heute ist vielleicht der letzte Tag, an dem alles normal aussieht. Allerdings könnten wir vielleicht zur Hand gehen, falls unsere Zimmer noch nicht fertig sind.«

»Nein«, sagt Kip. »Ihre drei sind fertig. Gehen Sie einfach die Arkade hinunter an Suite A vorbei, dort finden Sie die Zimmer Nummer eins, zwei und drei – mehr sind nicht auf dieser Seite. Oder noch besser, kommen Sie mit auf die Veranda und gehen von dort aus in Ihre Zimmer – sämtliche Zimmer gehen zur Veranda und zur Arkade hinaus.« Er deutet auf die Türen, die sich zum See hin öffnen.

Beim Aufstehen fällt Zannez etwas ein. »Ach übrigens, was war das für eine spektakuläre lila Riesentarantel, die von dem Anhänger gehüpft ist, als wir dort ankamen? Ungefähr so groß …« Er breitet die Arme einen Stuhl breit aus. »Wenn es ein Haustier ist, würde ich gerne Aufnahmen davon machen – aber nur im Hellen.«

»Eine Spinne als Haustier?«, sagt die Brünette mit schriller Stimme.

Kip zieht die Augenbrauen zusammen.

»Nein, das ist kein Haustier«, sagt er langsam und lächelt das Mädchen an. »Aber wenn wir Haustiere hätten, dann wären sie arachnoid, weil nämlich sämtliche Tiere, egal, welcher Größe, die hier auf dem Boden leben, Spinnentiere sind. Sind Sie sicher, dass sie lila war, Myr Zannez?«

»Ich schwöre. War reiner Zufall. Plötzlich hatte ich sie im Sucher. Warum, war das etwas Besonderes?«

»Ja, das kann man wohl sagen. Sie sind sehr selten. Aber völlig harmlos – Cor hat einmal eine gestreichelt, die uns zufällig über den Weg gelaufen ist. Aber die Dameii haben eine Heidenangst vor ihnen, sie glauben, sie wären ein Todesomen, oder was noch Schlimmeres … Ich habe keine Ahnung, was sie auf dem Hänger gesucht hat, es sei denn, dass sie in der Garage ihr Nest hat. Oje, das würde bedeuten, ich muss das Nest entfernen und irgendwo in Sicherheit bringen, bevor unsere Dameii es entdecken und sich davonmachen. Cory würde einen Anfall bekommen, sie würde die Jungen so gerne sehen … Das war wirklich ein glücklicher Zufall.«

»Was ist schlimmer als der Tod?«, fragt der Junge mit den Schlitzaugen leichthin.

»Sie nehmen das sehr ernst«, antwortet Kip in seltsamem Ton. »Das ist nicht wie unser Gruseln vor weißen gattos. Ich muss Sie förmlich bitten, alle, das für sich zu behalten. Und nun zu Ihnen, Myr Zannez« – Kip hat sie inzwischen auf die Veranda geführt –, »Sie dürfen gerne alles aufnehmen, was Sie wollen, solange Sie sich von dem Hain und dem Haus der Dameii fernhalten – verstanden? Aber vergessen Sie darüber nicht, dass wir vor zwölf das Damei-Dorf besuchen wollen. Die Tage hier haben dreißig Standard-Stunden. Sie haben genug Zeit, sich auszuruhen, bevor wir mit der Sternenbeobachtung beginnen – nein, Moment, bitte«, sagt er zu dem Jungen, der ihn aufmerksam beobachtet hat und jetzt Zannez’ Gruppe folgen will. »Sie sind noch nicht vorgestellt worden.«

»Natürlich.« Der Junge lächelt, kehrt zurück und bedient sich noch einmal bei den Erfrischungen.

Der kräftige blonde junge Mann, der mit einer Anzeige gedroht hat, ergreift das Wort. »Bestimmt sind unsere Zimmer noch nicht fertig.«

»Und meines auch nicht«, fügt die rothaarige Schiffsoffizierin hinzu.

»Na ja, ja«, sagt Kip zu ihr. »Aber Ihres ist kein Problem, Myr … Linnix, oder? Sie bekommen mein Arbeitszimmer gleich die nächste Tür, sobald ich einige Proben von meinem Bett entfernt habe … Aber Moment mal, auf dieser Liste ist kein weiterer Name für Sie aufgeführt.«

»Man konnte sich nie auf einen einigen«, sagt Linnix. Sie schüttelt ihren Feuerkopf, als wollte sie eine Fliege verscheuchen. »Jeder nennt mich einfach Linnix. Selbst auf meinem Lohnzettel steht nur das.« Sie grinst. »Damals, in der Welt der Computer, hat man mich Linnix MFN NCN oder auch NN Linnix genannt. Was alle verwirrt. Ich bin allerdings ziemlich müde und wir haben einiges durchgemacht, wie Ihnen Myr Yule und Doktor Hiner erzählen werden. Wenn ich Ihre Proben entfernen dürfte, dann würde ich mich gerne hinlegen.«

»Selbstverständlich – warten Sie, ich helfe Ihnen«, sagt Kip und begleitet Linnix in den anderen Flügel zu dem kleinen Zimmer, das er als Labor benutzt. Sie stellen fest, dass Cory den Wohnbereich schon gereinigt hat.

»Ich hole Sie rechtzeitig zu unserem Ausflug ab.« Er zieht die Vorhänge zu, um den Raum abzudunkeln. »Gute Nacht.«

»Danke«, erwidert sie schläfrig.

Braves Mädchen, denkt er. Aber was war da schiefgelaufen?

Der blonde junge Mann, der, wie sich herausstellt, Mordecai Yule genannt wird, brennt darauf, ihn aufzuklären, als er zurückkommt. »Grunions Rising! Hier, sehen Sie!« Er wedelt mit seinen Belegen.

Kip kennt Grunions Rising nur als nächste und letzte Welt in der Reihe der Welten hier am Rim. Eine Wasserwelt. »Studieren Sie aquatische Welten? Sind Sie und, äh, Doktor Hiner Partner?«

»Ich hatte ihn noch nie gesehen, bevor das passiert ist«, sagt der dünne, dunkelhaarige Aquamann finster. »Ich gehöre zu einem offiziellen Forschungsteam, das einen galaxieweiten Bericht über Welten zusammenstellt, die sich zur Kolonisierung eignen. Unser Auftrag ist die erste – und wie man wohl behaupten kann, dringend benötigte – umfassende Aktualisierung der Aquatica Galactica. Ich bin allein hier, weil wir nach Abschluss der gemeinsamen Arbeit über die möglichen A- und B-Planeten beschlossen haben, uns aufzuteilen und die C-Klasse einzeln zu erfassen, unter die sehr entlegene oder unzureichend erfasste oder aus anderen Gründen fragliche Kandidaten fallen. Ich entschied mich für Grunions Rising als letzten Planeten auf der Liste, die ich bereits abgearbeitet habe.

Und jetzt finde ich mich zu meinem allergrößten Entsetzen auf Ihrem Planeten wieder, der von keinerlei Interesse für uns ist, und man sagt mir, dass ich nicht rechtzeitig in den Kälteschlaf zurückkehren kann, um nach Grunions weiterzureisen. Und wenn ich hier auf das nächste Rim-Schiff warte, bringe ich nicht nur den Zeitplan des gesamten Teams durcheinander, sondern kann auch nicht meinen Beitrag zu einem neu entdeckten Kandidaten im Hyaden-Komplex machen, in den wir alle große Hoffnungen gesetzt haben.

Eine einzige Katastrophe, höchst ärgerlich. Darunter wird meine Arbeit leiden und sicher auch mein Ruf – die Arbeit des gesamten Teams wird darunter leiden, Projektmittel werden verschwendet, und das alles ist ziemlich sicher nicht wiedergutzumachen. Das kann nur das Ergebnis von Schlamperei sein – unentschuldbarer Schlamperei von Seiten der jungen Frau, die sich Offizierin schimpft. Ja, sie hat mit zwei leeren Grunions-Spritzen rumgefuchtelt – aber es hätte nur eine Minime gedauert, ihren Inhalt im Abfall zu entsorgen und zwei belastende benutzte Damiem-Spritzen loszuwerden. Hier soll offenbar einem Unternehmen die Schuld in die Schuhe geschoben werden, das niemals, ich wiederhole, niemals – oder kennen Sie vielleicht einen Fall? – einen solchen Murks gemacht hat. Und ich werde dafür sorgen, dass die A. A. ein Disziplinarverfahren gegen sie einleitet, das garantiere ich. Wir Aqualeute lassen uns nicht ungestraft so behandeln, ganz sicher nicht!«

Er verschränkt die Arme.

»Hm, ich gebe zu, das sieht nicht gut aus«, sagt Kip. »Aber wir wollen die junge Frau nicht vorschnell verurteilen. Auch Leute in Chemieunternehmen begehen wie alle normalen Menschen mal einen Fehler … Ich denke, das ist mehr oder weniger auch bei Ihnen der Fall, Myr Yule?«

»Ach, es ist schlimmer – viel schlimmer – für mich. Hiner hat seinen Doktortitel und seinen Ruf, und im ungünstigsten Fall kann er auf das nächste Schiff warten. Aber ich habe ein zeitlich begrenztes Forschungsstipendium für meine Promotion – ich weiß einfach nicht, was ich tun soll, Myr Korso.«

Vor Wut fängt er beinahe an zu weinen.

»Grunions Rising war das Kernstück meiner Dissertation, und ich habe es auch deshalb gewählt, weil seit der alten A. G. niemand mehr in seiner Nähe war, und jetzt werden Sie es abdecken, Hiner. Ihre Arbeit wird wahrscheinlich in Druck gehen, bevor ich überhaupt dort ankomme – falls ich überhaupt jemals dort ankomme –, und dann kann ich es vergessen. Vergessen. Oh, diese unerträglich selbstgefällige Frau mit ihren Spritzen –«

Er verstummt und seufzt tief.

Kip sollte zumindest Mitleid haben, denkt er, merkt aber, dass er die beiden nicht mag. Die Aussicht, einen oder beide bis zum Eintreffen des nächsten Schiffs beherbergen zu müssen, gefällt ihm nicht.

»Wir schauen mal, ob wir nicht jemanden informieren und etwas für Sie tun können«, sagt er und zwingt sich zu einem herzlichen Ton. »Die Patrouille kann Ihnen vielleicht auch helfen. Wenigstens sind Sie hier zu einer Zeit gelandet, in der ein hochinteressantes Himmelsereignis bevorsteht, und befinden sich auf einem Planeten, für dessen Besuch viele Leute ein Vermögen zahlen würden.«

Stimmt doch, sagt er sich. Und sie sind ohne Sicherheitsprüfung da.

»Mir ist das ein Rätsel«, schließt er. »Ich habe noch nie erlebt, dass jemand an einem falschen Ziel abgeliefert wurde, und auch noch nie davon gehört. Haben die beiden Myrrin« – er wendet sich an die beiden älteren Männer – »jemals von so etwas gehört?«

»Nein«, sagt der große, kräftige Mann ausdruckslos.

»Nein, nie«, erklärt der Gnom. »Nie, niemals! Aber ich glaube nicht, dass das Mädchen Schuld hat. Erfahrungsgemäß machen Leute, denen ein Fehler dieser Größenordnung unterläuft, nicht nur einen. Und sie wäre sicher nicht zur Logistikoffizierin aufgestiegen, wenn sie solche Fehler begehen würde – von einer ganzen Reihe davon gar nicht zu reden … Ach, übrigens, Sie werden sich fragen, wer von uns wer ist – ich bin Doktor Aristrides Ochter, ein spätberufener Amateurerforscher von Novas. Bis ich vor fünf Standard-Jahren in Rente gegangen bin, habe ich als Neokybernetik-Theoretiker gearbeitet. Aber Novas haben mich schon immer fasziniert, daher dachte ich, dass ich mir in meiner verbleibenden Lebenszeit« – er wirft einen Blick auf seinen Oberschenkel – »endlich eine ansehen könnte. Sie müssen wissen, dass ich keine Familie habe, der ich etwas vererben könnte. Und ich kann gar nicht sagen, wie sehr ich mich auf diese Nacht freue!«

»Dann sind Sie Myr …?« Kip wendet sich an den wortkargen Mann.

»Ser Xe Vovoka«, verbessert ihn der Fremde. Offenbar hat er den Eindruck, dass das nicht reicht, und fügt langsam hinzu: »Ich bin Künstler – Lichtbildner.« Er lächelt knapp, was sein ganzes Gesicht verändert.

Kip erinnert sich, dass »Ser« ein formeller Ehrentitel und höher als »Doktor« ist. Er darf ihn nicht mehr »Myr« nennen.

Er dreht sich zu dem Jungen um, der aufmerksam zugehört hat, die Kappe mit den Federn auf den Knien, während er seine vierte Portion verputzt.

»Dann müssen Sie Prinz Pao sein.«

Der Junge – er sieht eher wie elf aus als zwölf, vielleicht sogar zehn – nickt.

»Dürften wir Ihren Vornamen erfahren, Prinz?«

»Genau das ist er.« Der Junge schluckt und grinst. »Prinz – Prinz Pao, genauer gesagt. Schlicht und einfach. Ich absolviere ein Generalstudium, bevor ich nach Hause zurückkehre und mich meiner Pflichten annehme.« Sein Lächeln verschwindet augenblicklich. »Ich bete darum, dass der jetzige Herrscher ein langes Leben haben möge. Das Fürstentum Pavo ist klein, aber man könnte es ein diplomatisches, finanzielles und juristisches Zentralgestirn nennen … Probleme!« Er wirft seine Haare in den Nacken und schlägt auf die reich verzierte Kappe, so dass die goldenen Federn tanzen. »Aber jetzt freue ich mich erst mal darauf, himmlische Erscheinungen zu beobachten!«

»Himmlische Erscheinungen … verstehe«, sagt Kip. Allerdings ist er nicht sicher, dass er es tut. »Nun, dann haben Sie wahrscheinlich nichts gegen das Quartier, das wir Ihnen zugewiesen haben, oben im Observatorium. Es ist nur ein Pritsche.«

»Fantastisch!« Der kleine Prinz hebt die Hand. »Dort oben?«

»Ja.«

Der Junge nimmt seinen kleinen, teuer aussehenden Seesack und schleppt ihn die Wendeltreppe hinauf. »Danke, ich schaffe es allein. Es ist nur leichtes Gepäck.«

Gerade als er oben verschwindet, kommt Cory hereinmarschiert und krempelt sich die Ärmel herunter.

»So, jetzt ist für die beiden jungen Herren alles wohnlich hergerichtet, Kip muss mir nur noch helfen, ein Bett aufzustellen, und dann können Sie beide das Zimmer beziehen. Sie sind …?«

»Doktor Nathaniel Hiner und Myr Mordecai Yule«, erklärt Kip ihr.

Sie nicken finster, weil sie ein Zimmer miteinander teilen müssen.

»Es ist das letzte Zimmer des Ostflügels.« Cory deutet auf den Flügel, wo schon Linnix schläft. »Sie werden sehen, dass sich aus Sägeböcken und Vitrex sehr schöne Tische machen lassen.«

»Das hättest du nicht alles tun müssen, Schätzchen. Heißt das, Ser Vovoka und Doktor Ochter haben Einzelzimmer?«

»Ja. Die beiden zwischen deinem Labor und dem letzten Zimmer. Da muss das Bett rausgeholt werden. Kommen Sie bitte alle mit.«

»Zu Diensten«, sagt der kleine Ochter fröhlich. Die anderen wuchten schweigend und schlecht gelaunt ihre Taschen hoch und folgen ihr die Arkade hinunter zu den Zimmern. Vovoka geht neben Linnix, Ochter dahinter und Yule bildet zusammen mit Hiner das Ende. Das zusätzliche Bett steht in Vovokas kleinem Zimmer. Es ist aus dem heimischen Holz und sehr schwer; Kip und Cory mühen sich damit ab.

Keiner der anderen bietet seine Hilfe an, bis Vovoka unvermittelt seine Tasche fallen lässt und das Bett in der Mitte packt. Erstaunt stellen Kip und Cory fest, dass sie mit dem Bett in die Arkade geschleift werden.

»Danke«, schnauft Cory. »Himmel, Ser Vovoka, sind Sie stark!«

Aber sie spricht mit der geschlossenen Tür. Der Künstler hat das Bett in der Arkade abgesetzt und sich sogleich in sein Zimmer zurückgezogen.

»Nun denn!«, sagt Kip. »Myr Yule, Doktor Hiner, da das Bett für einen von Ihnen ist, könnten Sie uns vielleicht helfen?«

»Ich würde dasnur allzu gerne tun«, sagt der lahme alte Doktor und wirft Yule einen bedeutungsschwangeren Blick zu.

Dieserart ermuntert stellen die beiden ihre Taschen ab und gleich darauf steht das Bett in dem unfertigen Zimmer, das jetzt angenehm wohnlich wirkt.

»Eine Minime, Myrrin«, sagt Kip, als Ochter geht. »Zu unserem Leidwesen müssen wir nach den geltenden Vorschriften Ihr Gepäck untersuchen. Es bleibt uns nichts anderes übrig. Die anderen haben sich der Prozedur in Central unterziehen müssen. Wir könnten belangt werden, wenn wir es unterlassen.«

»Oh, zum –! Das schlägt dem Fass den Boden aus«, ruft Yule. »Erst diese unglaubliche Schlamperei – und jetzt zu allem Überfluss –»

»Vielleicht wollen Sie uns auch noch einer genauen Leibesvisitation unterziehen?«, zischt Hiner.

»Nein, nein.« Kip tritt hinter ihn. »Es tut mir leid.« Mit einer Geschicklichkeit, die er während des Krieges erworben hat, fährt Kip mit den Händen über Hiners Seiten, der zusammenzuckt, und klopft seine Taschen ab.

»Das ist uns mindestens so unangenehm wie Ihnen.« Cory hat die Taschen auf den neuen Vitrex-Tisch gehievt. »Wenn sie mich doch nur mit einem Scanner ausstatten würden. Vielen Dank für Ihre Kooperation.«

Yules und Hiners Mienen machen klar, dass ihre »Kooperation« vor allem mit Kips beeindruckender Größe und der merklich besseren Kondition von beiden Korsos’ zu tun hat.

Sie tragen nichts Auffälliges am Leib und in ihren Taschen befinden sich normale Reiseutensilien und multimodale Aufzeichnungsgeräte und eine Wasserplanetenausrüstung. Die Korsos sind einen kurzen Moment irritiert, als ihnen klar wird, dass in Hiners Tasche keine Sauerstoffflaschen oder Pumpen und auch keine Tauchausrüstung sind. Aber natürlich! Hiner muss nur seine Kiemen entblößen und untertauchen. Unheimlich.

Kip erinnert sich an Abbildungen: Die Kiemendeckel der Aqualeute befinden auf zwei langen Fleischlappen, die von den Ohren bis zu den Schlüsselbeinen reichen. Sie sind hart und verhornt und auf einer Seite wie Muschelschalen offen, so dass das Wasser über das sauerstofferzeugende Gewebe rinnen kann. Deshalb tragen Aqualeute an Land hohe, breite Krägen, wie Hiners Mantel einen hat.

Dieses Merkmal der Aqualeute ist ein uralter humangenetischer Triumph gewesen, das sich reinrassig fortpflanzt. Mit normalen Menschen können sie sich zwar kreuzen, vermischen sich jedoch nur selten gesellschaftlich, was Umständen und Neigung geschuldet ist. Kurz fragt sich Kip, wie die Frauen wohl sind …

In der Zwischenzeit sieht Cory Hiners Kälteschutzanzüge durch und entdeckt einige Treibgasflaschen, mit denen sich auf alles schießen ließe.

»Was ist das, Doktor Hiner?«

»Reiner Sauerstoff – falls ich in Totwasser gerate, Sümpfe und so weiter … Aber müssen Sie wirklich den gesamten Inhalt meiner Tasche durcheinanderbringen?«

Kip sieht, wie Cory die Stirn runzelt, und weiß, dass sie sich nichts sehnlicher als einen Scanner wünscht. In diesen Behältern könnte alles Mögliche sein – von dem Futter, den Griffen und den unbekannten elektronischen Gerätschaften gar nicht zu reden.

»Ich beneide Sie um diese schöne Musik«, sagt Cory freundlich, während sie einen Titel liest.

»Nicht anfassen. Seien Sie vorsichtig«, fährt Hiner sie an.

Kip räuspert sich.

Aus der letzten Tasche zieht Cory ein Objekt aus Messing und Glas und schnüffelt daran. »Was ist das denn, Myr Yule?«

»Eine antike Shisha«, antwortet Yule mürrisch. »Meine Wasserpfeife.«

»Darin verbrennt man Pflanzenblätter?«

»Pflanzen? Ja, natürlich.«

»Es tut mir leid, aber für die Dauer Ihres Aufenthalts müssen wir sie an uns nehmen. Das wussten Sie natürlich nicht, aber die Dameii reagieren überaus empfindlich auf jede Form von kohlenwasserstoffhaltigem Rauch. Haben Sie weiteres Rauchzeug dabei?«

»Nein. Oh – ein paar Stumpen.«

»Wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich auch die gerne an mich nehmen. Und vielleicht sehen Sie in Ihren Taschen nach. Feuerzeuge sind genauso gefährlich.«

»Aber ich werde nicht rauchen, wenn ich in ihrer Nähe bin! Zur Schlafenszeit rauche ich gerne eine Pfeife und sie werden nicht hier reinkommen.«

Kip mischt sich ein. »Hören Sie, wir würden das nicht tun, wenn es nicht nötig wäre. Wenn Myr Cory ›überaus empfindlich‹ sagt, dann meint sie das auch so. Erwachsene Dameii können schon in Ohnmacht fallen, wenn sie in einem Zimmer sind, in dem einige Tage zuvor geraucht wurde. Frischer Rauch ist für sie wie ein Schlag auf den Kopf – ein Kind könnte daran sterben. Was glauben Sie, warum wir ein Elektroauto benutzen? Wir können es nicht einmal mit kohlenstoffhaltigen Schmiermitteln schmieren. Feuer ist ihr schlimmster Alptraum.« Er beschließt, das mit den brennenden Flügeln nicht zu erwähnen.

»Wir haben endlich eine Damei-Familie dazu gebracht, sich in der Nähe von Menschen anzusiedeln, und wir werden nicht zulassen, dass sie vertrieben werden. Ich verstehe Sie ja, ich habe selbst geraucht, bevor ich hierherkam. Aber Sie werden mir bitte augenblicklich alle brennbaren oder entflammbaren Stoffe aushändigen. Wenn Sie uns verlassen, werden Sie sie zurückbekommen.«

Gehorsam sammelt Yule eine Handvoll in Folie eingeschlagene Dinger zusammen, die Cory für CO2-Messröhren gehalten hat.

»Und Sie, Myr – Doktor Hiner?«

»Ich rauche nicht … aber wenn sie so empfindlich sind, woher bekommen Sie dann Ihren Strom? Wie erhitzen Sie denn das Hydrid, falls Sie die üblichen Hydridgeneratoren haben?«

Hiner ist nicht dumm.

»Unter dem Gästehaus befindet sich in dreihundert Meter Tiefe ein Generator der Föderation. Der Schacht musste von der Abbruchseite aus gegraben werden, unter Wasser.«

Hiner pfeift.

»Ja. Aber um die Lage hier zu befrieden, war nichts zu teuer. Sie werden noch Weiteres dazu erfahren.«

Hiner nickt schroff und Cory und Kip gehen, nachdem sie Yule noch einmal ernsthaft gewarnt haben.

»Der Knabe hat bestimmt noch was versteckt«, sagt Kip zu Cory, als die Tür zuschlägt. »Ich kenne Raucher. Zum Glück herrscht V’yrre-Wind, er bläst von ihnen weg in unsere Richtung.«

»Deshalb hat Wyrra hier gebaut.« Cory lächelt besorgt. »Ich wünschte, ich hätte die beiden nicht bei den Dameii untergebracht. Vielleicht sollte ich –»«