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JAGT DIE SATANSBRUT
Der Rotgekleidete band die Kette um die Teufelsfigur, und die Schwangere kroch auf die schwarze Marmorplatte. Sie legte beide Hände auf ihren geschwollenen Bauch. Er stellte die Kupferschale mit den brennenden Holzkohlen zwischen die Beine der Frau und warf einige Kräuter ins Feuer: Ein braun-grüner Rauch stieg auf und durchdrang das Gewölbe.
»Es ist soweit. Die Geburt des Dämons mit den drei Körpern wird erfolgen. Lasst uns um die Gnade Luzifers flehen, damit seine Geschöpfe zu einem Wegbereiter unserer Idee werden!«
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Seitenzahl: 135
Cover
Impressum
JAGT DIE SATANSBRUT
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
mystery-press
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Mark Freier
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-8309-6
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Auf Schloss Lethian an der österreichisch-slowenischen Grenze gerät der Reporter Dorian Hunter in ein Abenteuer, das seinen Verstand übersteigt. Die acht Männer, die seine Frau Lilian und ihn begleiten, sind seine Brüder – gezeugt in einer einzigen Nacht, als die Gräfin von Lethian, selbst eine Hexe, sich mit dem Teufel Asmodi vereinigte! Dorians Brüder nehmen die Offenbarung euphorisch auf. Nur Dorian will sein Schicksal nicht akzeptieren. Er tötet seine Mutter und eröffnet die Jagd auf seine Brüder. Danach steckt er das Schloss in Brand und flieht mit seiner Frau. Aber Lilian hat bei der Begegnung mit den Dämonen den Verstand verloren. Übergangsweise bringt Dorian sie in einer Wiener Privatklinik unter, die auf die Behandlung psychischer Störungen spezialisiert ist – und begegnet kurz darauf der jungen Hexe Coco Zamis, die von ihrer Familie den Auftrag erhalten hat, Dorian zu töten. Doch Coco verliebt sich in den Dämonenkiller und wechselt die Seiten, wodurch sie nicht nur ihre magischen Fähigkeiten verliert, sondern darüber hinaus aus der Schwarzen Familie ausgestoßen wird.
Coco wie auch Dorian sind nun gleichzeitig Jäger und Gejagte, denn Dorian hat sich geschworen, seine Brüder, die das Feuer auf Schloss Lethian offenbar allesamt überlebt haben, zur Strecke zu bringen. In London tötet er Roberto Copello, nachdem dieser den Secret-Service-Agenten Donald Chapman auf Puppengröße geschrumpft hat. Mit Hilfe des Secret Service gründet Dorian die »Inquisitionsabteilung«, der nicht nur er selbst, sondern auch Coco und der Puppenmann Chapman fortan angehören. Ein weiteres »inoffizielles« Mitglied ist der geheimnisvolle Hermaphrodit Phillip, dessen Adoptiveltern von Dämonen getötet wurden. Zum Hauptquartier der Inquisitionsabteilung wird die Jugendstilvilla in der Baring Road, in der Phillip aufgewachsen ist, doch gleichzeitig stöbert Dorian Hunter weiter in der Bibliothek seines alten Reihenhauses in der Abraham Road nach Hinweisen auf dämonische Umtriebe – und stößt auf das Tagebuch des Barons Nicolas de Conde, der auf dem Eulenberg nahe Nancy im Jahr 1484 seine Seele dem Teufel verkaufte. De Conde bereute, wurde zum Hexenjäger und Mitautor des »Hexenhammers« und starb als angeblicher Ketzer. Der Fluch erfüllte sich. Seither wird de Condes Seele nach jedem Tod in einem neuen Körper wiedergeboren – und tatsächlich gelingt es ihm als Dorian Hunter, Asmodi zu vernichten!
Aber Hunters Hoffnung, die Schwarze Familie entscheidend geschwächt zu haben, erfüllt sich nicht. Im Gegenteil, ausgerechnet Olivaro – ein Dämon, der Dorian bisher in seinem Kampf unterstützt hat – versucht Asmodis Nachfolge anzutreten. Zudem führt Dorians freigelegte Erinnerung an seine Begegnung mit der Vampirin Esmeralda ihn auf die Spur eines angeblichen Superdämons, dessen Geburt er vor 500 Jahren selbst beigewohnt hat ...
JAGT DIE SATANSBRUT
von Neal Davenport
Vergangenheit
Die Flanken des Fuchshengstes waren schweißnass. Ich klopfte ihm beruhigend auf den Hals, und er schnaubte. Mit einem sanften Schenkeldruck dirigierte ich das Pferd zwischen eine Baumgruppe.
Der Mond stand hoch am Himmel. Im Hintergrund erhoben sich die Montes de Toledo. Ich sprang aus dem Sattel und band den Hengst an einer Steineiche fest. Hinter den Sattel hatte ich einen Ziegenfellbeutel geschnallt, den ich jetzt öffnete und dem ich einen schwarzen Umhang mit Kapuze entnahm.
Der Hengst stampfte mit der rechten Hinterhand auf und schnaubte wieder. Ich schlang mir den Umhang um die Schultern. Er reichte bis auf den Boden. Auf dem Rücken war ein roter Teufelskopf eingestickt, und die Kapuze war mit seltsamen Mustern bedeckt.
1. Kapitel
Ich durchquerte den Eichenwald und betrat eine Lichtung. Nach wenigen Schritten hatte ich einen steinigen Pfad erreicht, der zu einem halbverfallenen Gebäude führte. Ich blieb stehen und schloss den Umhang, dann zog ich die Kapuze über den Kopf. Ich konnte gut durch die schmalen Augenschlitze sehen.
Das Gebäude war dunkel. Der Vollmond spendete genügend Licht, so dass ich rasch vorwärtskam. Nach einigen Schritten sprangen plötzlich zwei dunkle Gestalten hinter einigen umgestürzten Bäumen hervor. In ihren Fäusten blitzten Degen, die sie drohend auf mich richteten. Unwillkürlich wollte ich nach meiner Waffe greifen, beherrschte mich aber im letzten Augenblick.
»Das Losungswort!«, sagte eine der Gestalten. Die Stimme klang seltsam hohl.
Jetzt würde sich herausstellen, ob Albertus Villanovanus’ Informationen richtig gewesen waren.
»Casa Santa.«
Die Degen senkten sich.
»Ihr kommt spät, Herr. Die Zeremonie hat schon begonnen.«
Ich nickte und schritt zwischen den beiden Männern hindurch. Das Losungswort war eine Verhöhnung der Inquisition. Casa Santa bedeutete Heiliges Haus; so wurden die Häuser genannt, in denen die Folterwerkzeuge untergebracht waren und die Folterungen vorgenommen wurden.
Vor dem Haus musste ich nochmals das Losungswort sagen, dann wurde eine Holztür geöffnet, und ich durfte eintreten. Ein feuchter Korridor führte in die Tiefe. Alle zwanzig Schritte steckte eine Fackel in der Wand. Ich erreichte Stufen, die steil tiefer führten. Einige Sekunden lang blieb ich stehen. Ein seltsam eindringlicher Gesang war zu hören. Der Text war eine einzige Verspottung der katholischen Kirche.
Ich ging weiter. Meine Schritte hallten von den Wänden. Dann lag das große Gewölbe vor mir. Mehr als fünfzig Gestalten waren versammelt, die alle Umhänge wie ich trugen. Ich mischte mich unauffällig unter die Gruppe, hielt mich einstweilen im Hintergrund und stimmte in den Gesang mit ein. Irgendwie fühlte ich mich unbehaglich.
Albertus Villanovanus, mein Lehrer, hatte mich aus Toledo in dieses einsame Haus in der Nähe von Orgaz gesandt. Er wollte, dass ich die Ereignisse dieser Nacht mit eigenen Augen sehen sollte. Ich war sicher, dass sich unter den Anwesenden einige der einflussreichsten Edelleute und Bürger von Toledo und Umgebung befanden. Und angeblich sollten sich auch Mitglieder des Inquisitionsrates der Geheimgesellschaft der Teufelsanbeter angeschlossen haben. Ich musste vorsichtig sein. Auf keinen Fall durfte ich auffallen.
Villanovanus hatte einige seiner Leute vor einiger Zeit unter die Teufelsanbeter geschmuggelt. Manche waren entdeckt worden und eines fürchterlichen Todes gestorben. Angeblich sollte der Anführer der Teufelsanbeter ein echter Dämon sein, dessen wirklichen Namen niemand kannte. Er wurde nur Asmodi genannt und sollte über unheimliche magische Kräfte verfügen und ein führendes Mitglied einer Gruppe von Dämonen sein, die sich die Schwarze Familie nannte.
Die Luft im Gewölbe war stickig, und die unzähligen Fackeln wärmten. Ich schwitzte unter meinem Umhang.
Nach einigen Minuten knieten alle nieder, und ich folgte ihrem Beispiel. Dabei gelang es mir, einen Blick auf das Kopfende des gewaltigen Gewölbes zu werfen. Ich sah einen schwarzen Marmorblock, auf dem ein Kupfergefäß mit glühenden Kohlen stand. Hinter dem Block, der sicherlich der Opferstein war, stand eine seltsame Gestalt auf einem Sockel. Sie stellte den Teufel dar. Die hässliche Fratze mit den gebogenen Hörnern und der heraushängenden gespaltenen Zunge war deutlich zu erkennen. Die Gestalt hatte auch gut ausgeprägte weibliche Brüste; sie war als Zwitter dargestellt. Rasch senkte ich den Blick und fiel in die seltsamen Beschwörungen mit ein.
Dann brachen die Worte plötzlich ab. Ein kühler Lufthauch durchraste das Gewölbe, und die Fackeln loderten höher. Eine rotgekleidete Gestalt trat aus einer Tür, die sich links neben der Teufelsgestalt befand. Der Rotgekleidete war groß und breitschultrig und hielt eine Kette in der rechten Hand.
Überrascht weiteten sich meine Pupillen. Der Mann ging nicht auf der Erde, sondern er schwebte in der Luft, mindestens zehn Zentimeter über dem Boden. Hinter ihm betrat eine nackte Frau das Gewölbe. Um den Hals trug sie einen eisernen Ring, der mit der Kette, die der Unheimliche in der Hand trug, verbunden war. Das Gesicht der Frau war mit einer dichten Schicht Ruß bedeckt. Ihr Haar war pechschwarz und verhüllte ihre üppigen Brüste. Sie hatte den typisch schwerfälligen Gang einer Schwangeren.
Der Rotgekleidete band die Kette um die Teufelsfigur, und die Schwangere kroch auf die schwarze Marmorplatte. Sie legte beide Hände auf ihren geschwollenen Bauch. Der Rotgekleidete stellte die Kupferschale mit den brennenden Holzkohlen zwischen die Beine der Frau und warf einige Kräuter ins Feuer: Ein braungrüner Rauch stieg auf und durchdrang das Gewölbe. Dann fing der Rotgekleidete zu sprechen an. Es war eine Mischung aus Rede und Gesang. Seine Stimme klang tief und wirkte betäubend.
»Vor zweihundertsiebzig Tagen haben wir uns hier versammelt, um zu beginnen, was heute vollendet werden soll.«
Die Schwangere wälzte sich auf dem Opfertisch hin und her. Sie stieß winselnde Laute aus, dann einen lauten Schrei.
»Diese Frau wurde dazu bestimmt, die Braut des Satans zu sein. Ihr Körper wurde dazu ausersehen, die Frucht des Satans auszutragen. Es ist so weit. Die Geburt des Dämons mit den drei Körpern wird erfolgen. Lasst uns um die Gnade Luzifers flehen, damit seine Geschöpfe zu einem Wegbereiter unserer Idee werden.«
Die vermummten Gestalten begannen zu singen. Sie fassten sich an den Händen und tanzten um die Schwangere und den Rotgekleideten herum. Ich wurde von den anderen mitgerissen. Der Gesang wurde immer schriller und lauter, und die Bewegungen der Tanzenden wurden rascher, die Masse geriet in Ekstase. Der Gesang ging in wüste Beschimpfungen über, die sich alle gegen den katholischen Glauben richteten.
Der Rotgekleidete hob schließlich die Arme, und die Tanzenden blieben stehen. Ich rang nach Atem. Er senkte die Arme, und wir drehten uns alle um. Und wieder begann der Tanz.
»Satan, erhöre uns!«, brüllten sie – und ich mit.
Das Schreien der jungen Frau wurde unmenschlich. Wir tanzten im Kreis. Ich wagte nicht, den Kopf zu wenden. Dann gingen die Schreie der Frau in ein leises Winseln über.
Villanovanus hatte mich informiert, dass heute etwas Schreckliches geschehen sollte. Vor genau zweihundertsiebzig Tagen hatten sich die Teufelsanbeter unter Asmodis Führung – niemand anders konnte sich unter der roten Kutte verbergen – versammelt und eine Jungfrau geschwängert, beschimpft und besudelt. Es war die Zeugung eines Superdämons geplant worden, der heute geboren werden sollte.
Die Schwangere war nun still, doch wir tanzten weiter. Der Boden schien zu beben; ein lauter Knall war zu hören, und der Raum wurde in blendend weißes Licht getaucht. Risse zeigten sich im Gewölbe, und einige Steine fielen zu Boden. Schwefelgeruch hing in der Luft.
Die Vermummten warfen sich auf den Boden. Sie drückten die Stirn gegen die harten Steine und schwiegen. Lautes Donnern erfüllte das Gewölbe. Der Boden wellte sich. Blasen bildeten sich, und Sandfontänen wurden hochgeschleudert. Die Welt schien unterzugehen. Das Gewölbe wankte, und ich fürchtete, dass es jeden Augenblick einstürzen würde.
Dann war ein lauter klagender Schrei zu hören. Ich zuckte zusammen, und mein Herz schlug rascher. Ich wollte mich aufrichten, doch eine unsichtbare Kraft drückte mich stärker zu Boden. Schmatzende Geräusche drangen an mein Ohr. Das Splittern von Knochen vermischte sich mit gierigen Schlucklauten – es klang, als würde ein Löwe die Leiche seines Opfers verschlingen.
Wieder versuchte ich den Kopf zu heben – vergebens. Die unsichtbare Kraft war stärker. Mein Kopf dröhnte, als befänden sich hundert Glocken in meinem Hirn. Mir wurde übel. Grauenhafte Gedankenfetzen strömten auf mich ein. Ich zitterte am ganzen Leib.
Dann war es plötzlich ruhig, und ich konnte mich wieder bewegen.
»Steht auf!«, hörte ich die Stimme des Rotgekleideten. »Es ist getan.«
Schwankend richtete ich mich auf. Ich drehte den Kopf herum und erstarrte. Drei Säuglinge lagen auf dem Opfertisch. Die junge Frau war verschwunden. Die Säuglinge lagen auf dem Bauch, und ihre Gliedmaßen zuckten. Das Feuer im Kupferkessel war erloschen. Lange schwarze Haare lagen auf dem Opfertisch, und ich sah einige Blutflecken.
Meine Augen weiteten sich entsetzt. Der Gedanke war so absurd, doch er drängte sich förmlich auf. Die langen schwarzen Haare und die Blutflecken sagten genug, nur mein Verstand weigerte sich, das Unfassbare zu glauben. Aber die schmatzenden Geräusche, das Krachen der Knochen waren ein Beweis mehr.
Die vermummten Gestalten bildeten eine lange Reihe, und ich ordnete mich ein. Sie gingen am Opfertisch vorbei und hoben die Kapuzen hoch, dann beugten sie sich nieder und küssten die rosigen Hinterteile der Säuglinge. Jeder nahm eines der schwarzen Haare an sich, die auf der Platte verstreut lagen, und tauchte sie in einen der Blutflecken, dann gingen sie weiter, knieten vor der Teufelsgestalt nieder, küssten sie ebenfalls auf das Hinterteil und klebten die blutigen Haare auf die Figur. Danach verließen sie das Gewölbe.
Eine kleine Gestalt hob die Kapuze hoch. Mit Mühe unterdrückte ich einen Aufschrei. Es gab keinen Zweifel, der Mann war Lucero, den ich das letzte Mal 1506 gesehen hatte, vor fast zwei Jahren. Das schmale, asketische Gesicht mit dem gepflegten Spitzbart war nicht zu verkennen. Nach ihm kam ein Mann, den ich nicht kannte.
Ich brachte schaudernd das unheimliche Ritual hinter mich und klebte eines der Frauenhaare auf die Teufelsfigur. Dann drehte ich mich rasch um und sah, wie Lucero das Gewölbe verließ. Ich beschleunigte meinen Schritt und hielt einen Abstand von zwanzig Metern ein.
Villanovanus hatte wieder einmal recht behalten. Er hatte behauptet, dass Lucero, der ehemalige Inquisitor, der zuletzt spurlos verschwunden war, zum Bund der Teufelsbeschwörer gehörte.
Der Bluthund Lucero hatte sich 1506 in Cordoba mit letzter Mühe vor der aufgebrachten Menge retten können, die die Kerker der Inquisition stürmten und die Gefangenen befreiten. Seither war er nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen worden. Ich hatte mir geschworen, dass ich Lucero töten würde. Aber alle meine Nachforschungen nach ihm und Esmeralda, die ich einmal geliebt hatte, waren vergebens gewesen. Doch jetzt war das Glück auf meiner Seite. Ich hatte ihn entdeckt, und er würde mir nicht mehr entkommen.
Lucero verließ mit einigen anderen vermummten Gestalten das halbverfallene Gebäude. Ich blieb stehen und ließ ihn nicht aus den Augen. Er sprach mit einer der Gestalten, dann wandte er sich nach rechts. Ich folgte ihm. Die Wächter waren verschwunden. Dunkle Wolken zogen über den Himmel und schoben sich vor den Mond.
Ich öffnete meinen Umhang und griff nach meinen Waffen – einem Degen und einem kleinen Dolch mit gebogener Klinge. Lucero sollte mir nicht entkommen. Ich dachte daran, dass er Esmeralda auf dem Gewissen hatte, und der Zorn wollte mich schier übermannen. Ich beschleunigte meinen Schritt und war nur noch wenige Meter von meinem Gegner entfernt. Dieser blieb stehen und sah mir entgegen.
»Was wollt Ihr von mir? Glaubt Ihr etwa, dass ich nicht bemerkt habe, wie Ihr mir folgt?«
»Ich muss mit Euch sprechen«, sagte ich mit verstellter Stimme. »Es ist dringend.«
»Wisst Ihr, wen Ihr vor Euch habt?«
Ich nickte. »Ihr seid …«
»Keinen Namen!«, zischte er. »Kommt mit!«
Ich passte mich seinen Schritten an.
»Weshalb wollt Ihr mich sprechen?«, fragte er nach einigen Minuten.
»Sagt Euch der Name Esmeralda etwas?«, fragte ich lauernd.
Er blieb überrascht stehen.
»Esmeralda wurde in das Schloss des Grafen de Godoy gebracht«, sprach ich weiter.
»Wer seid Ihr?«, fragte Lucero heiser.
»Ihr habt das Schloss rechtzeitig verlassen, Lucero. Godoy und seine schaurigen Gefährten aber wurden von mir gepfählt. Ich habe die Vampirbrut gnadenlos ausgerottet. Leider musste ich auch Fuenseca und seine Tochter Isabell töten. Nur Esmeralda entkam mir. Ich hatte sie geliebt und schwor Rache. Fast zwei Jahre musste ich warten, aber jetzt ist der Tag der Abrechnung gekommen. Es wird mir eine Genugtuung sein, Euch zu dem zu schicken, den Ihr noch vor wenigen Minuten angebetet habt!«
Der Mond trat hinter den Wolken hervor, und ich riss mir mit einem Ruck die Kapuze vom Kopf und schleuderte den störenden Umhang zu Boden. Das Mondlicht fiel genau auf mein Gesicht. Ich verbeugte mich.
»Juan Garcia de Tabera«, sagte ich und riss den Degen aus der Scheide. In der linken Hand hielt ich den Dolch.
Lucero wich einen Schritt zurück. Er schlüpfte aus dem Umhang, zog seine Waffe, küsste die blanke Klinge, und ich folgte seinem Beispiel.
»Ich werde Euch aufspießen, de Tabera«, sagte er grinsend.
Ich wusste, dass er ein guter Fechter war. »Ich habe noch niemanden mit so viel Vergnügen getötet«, erwiderte ich.
Wir senkten die Degen. Er stieß blitzschnell zu, und ich sprang einen Schritt zur Seite. Sein Stich ging ins Leere.
Ich musste meinen Hass zügeln und einen ruhigen Kopf bewahren, sonst stand ich von Beginn an auf verlorenem Posten. Lucero zog seinen Dolch, und nun schlugen vier Klingen aus bestem Toledostahl zusammen.
Der Kampf wurde immer heftiger. Luceros Gesicht war verzerrt. Schweißperlen standen auf seiner Stirn. Er war ein ausgezeichneter Kämpfer und kannte einige schmutzige Tricks, aber ich war ebenfalls nicht unbeschlagen. Dreimal hintereinander ging sein Stich ins Leere. Meine Jugend und Kraft waren ein gewaltiger Vorteil.