Drachenfeuer, Elbenzauber, Zwergenmagie: 2200 Seiten Fantasy Paket - Alfred Bekker - E-Book

Drachenfeuer, Elbenzauber, Zwergenmagie: 2200 Seiten Fantasy Paket E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Dieses Buch enthält die Romane: Alfred Bekker: Drachenkinder Alfred Bekker: Die Insel des Augenlosen Sehers Alfred Bekker: Das Höllentor in eine andere Welt Alfred Bekker: Angriff der Orks Alfred Bekker: Der Fluch des Zwergengolds Alfred Bekker: Die Drachen-Attacke Alfred Bekker: Sturm auf das Elbenreich Alfred Bekker: Überfall der Trolle Alfred Bekker: Die Magie der Zwerge Alfred Bekker: Die Zauberaxt der Zwerge Alfred Bekker: Die Dracheninsel der Zwerge Alfred Bekker: Der Kristall der Zwerge Alfred Bekker: Das Elbenkrieger-Profil Geschichten um Elben, Orks und Zwerge – in unserer und in anderen Welten. Eine einzigartige Fantasy-Abenteuer Sammlung von Alfred Bekker, dem Autor der Zyklen um DAS REICH DER ELBEN, die ELBENKINDER, GORIAN, die DRACHENERDE-SAGA und viele andere mehr. Das Zwischenland ist in großer Gefahr. Um sie abzuwenden, folgt der Elbenkrieger Lirandil einer alten Prophezeiung. Drei Zwergenkinder muss er finden: Eines ist ein Zauberlehrling, eines kennt die Zukunft und eines hat die Kraft und das Geschick eines Schmieds. Diese drei ahnen noch nicht, dass nur sie allein die Macht haben, ihre Welt vor dem Untergang zu bewahren. Wird ihnen das gelingen?

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Alfred Bekker

Drachenfeuer, Elbenzauber, Zwergenmagie: 2200 Seiten Fantasy Paket

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Dieses eBook wurde mit StreetLib Write ( https://writeapp.io) erstellt.
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Inhaltsverzeichnis

Drachenfeuer, Elbenzauber, Zwergenmagie: 2200 Seiten Fantasy Paket

Copyright

Drachenkinder: Fantasy-Roman

Die Insel des Augenlosen Sehers (Das Reich der Elben Erstes Buch)

Das Höllentor in eine andere Welt

Copyright

Kapitel 1: Das Spiel der Spiele

Kapitel 2: Der Horror zu Hause

Kapitel 3: Im Reich der Verdammten

Kapitel 4: Kreaturen der Finsternis

Kapitel 5 : Hexenspuk im Nebel

Kapitel 6: Der Weg der weißen Wölfe

Kapitel 7: Gefrorene Gesichter

Kapitel 8: Das Dorf der lebenden Toten

Kapitel 9: Der Kampf gegen die Schattengeschöpfe

Kapitel 10: Im Schloss der Blutsauger

Kapitel 11: Der Namenlose Magier

Kapitel 12: Jarmila

Alfred Bekker: Angriff der Orks

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Alfred Bekker: Der Fluch des Zwergengoldes

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Alfred Bekker: Die Drachen-Attacke

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Alfred Bekker: Sturm auf das Elbenreich

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Alfred Bekker: Überfall der Trolle

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DIE MAGIE DER ZWERGE

„Drei Zwergenkinder musst du finden!“

Tomli, der Zauberlehrling

In der Klemme

In die Stadt der Zwerge!

Olba, das Zwergenmädchen

Arro der Starke

Erd-Alben

Zwei Elben in Ara-Duun

Im Thronsaal des Zwergenkönigs

Die Gefahr aus der Tiefe

Das Amulett des Ubrak

Gefährten in der Finsternis

Am Weltenriss

In der Dunkelmetall-Schmiede

In der Halle der Diebe

DIE ZAUBERAXT DER ZWERGE

Im Weltenriss verloren

Lirandil und Saradul

Rettet Ubraks Amulett!

Olba und Arro

Das Wüstenschiff

Angriff der Schatten

Verglüht

An Bord des Wüstenschiffs

Der Felsentroll

In großer Gefahr

Trollzorn!

Nach Cosanien

Der Greif am Himmel

Der Geheime Tempel von Cosan

Ubraks Zauberaxt

DIE DRACHENINSEL DER ZWERGE

Schlangenköpfe und Zwergenmagie

An Bord der 'Sturmbezwinger'

Das magische Buch

Drohendes Unheil

Zur Dracheninsel!

Gefangene

Ein magischer Kampf

Gäste des Zauberkönigs

König Wendurs Geheimnis

Der Verfolger

Von Drachen umzingelt!

Die verlorene Zauberaxt

Im Land der Hundereiter

Am Berg des Drachenhüters

Die Entscheidung

DER KRISTALL DER ZWERGE

Schattenbringer und Weltenriss

Was vom Himmel fällt

Die Stunde des Schülers

Die Herberge des Echsenmenschen

Magier ohne Zauberstab

Ar-Don der Gierige

Gefangen in der belagerten Stadt

Angriff der Leviathane

Auf dem Markt von Hiros

Der Retter der Stadt

Vor dem Fürsten

Die Macht des Kristallschädels

Ein Räuber aus dem Himmel

Auf der Spur des Gargoyle

Der Turm von Gambalzôr

Ein magischer Kampf

Nachwort

Das Elbenkrieger-Profil

Copyright

Prolog

Die Tote in Telgte

Letzte Ausfahrt Ladbergen

Der Freak aus Kattenvenne

Ein Elbenkrieger in der Achtermannstraße

Traumhenker und Schwarzer Tod

Mit den Augen eines Elben

Elbenmagie in Borghorst

Eine Warnung in Tecklenburg

Der Würger von Osnabrück

Um ein Haar in Borghorst

Zwei Verhöre und der Traumhenker

Die Nacht der Toten

Morgengrauen

Leichenschau

Verdächtige und Zeugen

Zugriff in Kattenvenne

Gefährten

„Nichts als die Wahrheit, die reine Wahrheit!“

Die Augen der Mörderseele

Drachenfeuer, Elbenzauber, Zwergenmagie: 2200 Seiten Fantasy Paket

von Alfred Bekker

Dieses Buch enthält die Romane:

Alfred Bekker: Drachenkinder

Alfred Bekker: Die Insel des Augenlosen Sehers

Alfred Bekker: Das Höllentor in eine andere Welt

Alfred Bekker: Angriff der Orks

Alfred Bekker: Der Fluch des Zwergengolds

Alfred Bekker: Die Drachen-Attacke

Alfred Bekker: Sturm auf das Elbenreich

Alfred Bekker: Überfall der Trolle

Alfred Bekker: Die Magie der Zwerge

Alfred Bekker: Die Zauberaxt der Zwerge

Alfred Bekker: Die Dracheninsel der Zwerge

Alfred Bekker: Der Kristall der Zwerge

Alfred Bekker: Das Elbenkrieger-Profil

Geschichten um Elben, Orks und Zwerge – in unserer und in anderen Welten.

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author

© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

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COVER A.PANADERO

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Drachenkinder: Fantasy-Roman

von Alfred Bekker

Der Umfang dieses Buchs entspricht 152 Taschenbuchseiten.

Im Haus von Jonas’ Großvater gibt es die außergewöhnlichsten Dinge zu entdecken, die dieser von seinen Expeditionen mitgebracht hat. Zusammen mit seinen Freunden Pia und Benny stößt Jonas auf drei Drachenhäute, die sich sofort um ihre Körper schmiegen. Jede verleiht ihrem Träger eine andere drachenähnliche Eigenschaft und zieht ihn in eine magische Welt. Nur eine Macht ist stark genug, um zu verhindern, dass Jonas, Pia und Benny endgültig und vollständig zu Drachen werden: Die Magie der Elfensteine auf Island. Die Expedition beginnt...

Bereits erschienen:

Die wilden Orks:

Angriff der Orks

Der Fluch des Zwergengolds

Die Drachen-Attacke

Sturm auf das Elbenreich

Überfall der Trolle

1

Sie standen vor der Tür des uralten, verwinkelten Hauses, das von außen vollkommen mit wildem Wein zugewachsen war. Die Tür war aus schwarzem Ebenholz, in das eine Inschrift in goldenen geschwungenen Zeichen eingelassen war.

„Was bedeutet das?“, fragte Pia.

„Das sind magische Runen“, antwortete Jonas. „Ein Zauberspruch, den mein Großvater aus der Inschrift eines Elfensteins abgeschrieben hat. Er hat ihn bei einer seiner archäologischen Ausgrabungen gefunden.“

„Und was steht da?“, wollte Pia wissen. Das Mädchen strich sich dabei eine Strähne der schulterlangen blonden Haare aus dem Gesicht, die der Wind ihr in die Augen geweht hatte.

„Tritt nicht ein, wenn du die Anderswelt fürchtest!“, gab Jonas Auskunft. Dabei kratzte er sich an seinem etwas wirren Haarschopf und kniff die Augen zusammen, sodass es so aussah, als müsste er sich anstrengen, um die Zeichen zu lesen.

„Ich wusste gar nicht, dass du diese Sprache kannst“, meldete sich Benny, der dritte im Bunde, zu Wort. Er wirkte etwas genervt.

„Kann ich auch nicht“, grinste Jonas. „Das hat mir Großvater gesagt!“

Dass Jonas sich für Geheimschriften interessierte, war für seine beiden Freunde natürlich nichts Neues, aber manchmal zog er sie auch einfach nur auf. Da er sich aber außerdem für fremde Sprachen, mathematische Rätsel, Computer und ungelöste Geheimnisse aus der Geschichte interessierte, hätte es weder Pia noch Benny wirklich gewundert, wenn er tatsächlich behauptet hätte, diese Runen lesen und verstehen zu können. Er war so wissbegierig, dass er sich den größten Teil seiner Freizeit mit Dingen beschäftigte, die sonst kaum jemanden in seinem Alter interessierten. Und im Haus seines Großvaters fanden sich viele Dinge.

„Professor Dr. Hermann von Schlichten“ - so stand es auf dem verwitterten Türschild unter dem Zauberspruch. Das war Jonas’ Großvater, ein Forscher, der an vielen archäologischen Expeditionen teilgenommen hatte, sich aber auch für alles interessierte, was mit Magie zu tun hatte. Da Jonas’ Eltern wenig Zeit für ihn hatten, verbrachte er viel Zeit bei seinem Großvater. Seit ein paar Tagen machte sich der Junge allerdings Sorgen um ihn. Und genau deshalb war er jetzt zusammen mit Pia und Benny hier.

Jonas griff nach dem gusseisernen Schlagring, der anstatt einer Klingel angebracht war. Der Ring verlief durch die Nasenlöcher einer Gargoyle-Figur, die mit der Mauer verschmolzen war. Der Gargoyle sah so aus, als würde er sich mit ausgebreiteten Flügeln und seinem großohrigen Kopf mit dem aufgerissenen Drachenmaul geradewegs auf jeden Gast stürzen, der vor der Tür wartete. Kaum hatte der Ring den Stein berührt, ertönte von innen ein schauriges Geisterlachen.

„Cooles Teil!“, meinte Benny. „So was würden meine Eltern leider nicht einbauen!“

„Still!“, sagte Jonas und legte den Kopf an die Tür. Er wollte mitbekommen, ob sich im Innern des Hauses etwas tat.

Aber nichts rührte sich. Wie gestern schon. Und vorgestern. Und den Tag davor auch schon.

Jonas versuchte es noch mal, aber Professor von Schlichten kam nicht an die Tür.

„Vielleicht ist er einfach nur beschäftigt“, meinte Pia. „So ein Forscher, der ist doch manchmal sehr konzentriert, wenn er irgendwelche uralten Schriften übersetzen muss oder so ... Ich würde dann die Klingel dann vielleicht auch überhören.“

„Aber doch nicht drei Tage hintereinander“, war Jonas überzeugt. „Nein, ich fürchte, da ist irgendetwas ... schief gegangen ... Und genau deswegen wollte ich ja unbedingt, dass ihr mich begleitet.“

„Verstehe ich jetzt nicht ganz“, meinte Pia.

„Was tut man nicht alles für Freunde“, sagte Benny.

Jonas tastete unterdessen mit der Hand über die efeubedeckte Mauer. Hinter dem Blattwerk versteckt war eine Fuge, in die man hineinfassen konnte. Jonas zog einen Schlüssel hervor. „Tadaa!“, grinste er.

„Und jetzt willst du da einfach so hinein?“, fragte Pia.

„Hast du vielleicht eine bessere Idee?“

Jonas hatte gerade den Schlüssel ins Schloss gesteckt, als von innen ein durchdringender Laut ertönte. Er klang wie ein tiefes Fauchen.

„Was war das denn?“, fragte Benny. „Klang ja fast so, als würde dein Großvater irgendwelche ziemlich großen und ziemlich wilden Haustiere halten.“

„Hoffentlich nicht so einen Mini-Drachen wie diesen Gargoyle hier!“, spottete Pia und deutete auf die geflügelte Steinfigur mit dem Nasenring.

„Eher eine Nummer größer. Wenn die nicht ausgestorben wären, würde ich sagen: Kleiner Laufsaurier. Ansonsten tippe ich auf Tiger oder Krokodil“, grinste Benny.

Pia zuckte mit den Schultern. „Oder er hat einfach nur vergessen, den Fernseher auszustellen.“

„Ich fürchte, das ist alles sehr viel ernster“, sagte Jonas. Er öffnete die Tür und trat ins Haus. Die anderen folgten ihm.

Vor ihnen öffnete sich eine Eingangshalle, deren Wände vollkommen mit Regalen bedeckt waren. In diesen Regalen reihten sich uralte Bücher aneinander. Dicke, staubige Lederbände und Bücher, auf deren Rücken eigenartige, verschnörkelte Zeichen zu sehen waren. Dazwischen lagen allerlei merkwürdige Gegenstände verstreut. Schrumpfköpfe, Kristallkugeln, Totenschädel und Geistermasken. All das hatte Professor von Schlichten offenbar im Laufe der Jahre von seinen Expeditionen und Forschungsreisen mitgebracht.

„Eine Bibliothek schon am Eingang“, stellte Benny fest. „Wahnsinn!“

„So sieht es im ganzen Haus aus“, erklärte Jonas. „Großvater sammelt alles zu den Themen, die ihn interessieren.“

Pia betrachtete die Bücher. „‚Absonderliche Kulte’ von Hermann von Schlichten“, las sie. „Hat dein Großvater auch Bücher geschrieben?“

„Ja, aber das dort ist nicht von ihm ...“

„Aber ...“

„... sondern von meinem Urgroßvater. Der hieß nämlich genau so.“

Jonas ging mit weiten Schritten durch den Raum. Ein Treppenaufgang führte ins Obergeschoss und insgesamt sechs Türen zweigten von der Eingangshalle ab.

„Großvater?“, rief er laut die Treppe hinauf, bekam aber keine Antwort. „Großvater, bist du da irgendwo?“

Wieder erklang ein ohrenbetäubendes Fauchen, so dröhnend, dass die Regale zitterten und die Totenschädel zu wackeln anfingen. Eine der Kristallkugeln rollte bereits bedenklich auf den Regalrand zu. Pia und Benny zuckten regelrecht zusammen.

Jonas hingegen schien das nicht ganz so ungewöhnlich zu finden. „Ich habe euch ja gesagt, dass in diesem Haus Manches etwas anders ist“, meinte er nur, nachdem sich der Krach wieder gelegt hatte.

„Willst uns jetzt etwa noch mal die Geschichte von den Türen erzählen, durch die dein Großvater in andere Welten verschwindet, oder wie?“, fragte Pia.

„Das sind keine Geschichten“, antwortete Jonas kurz angebunden.

Ein klirrendes Geräusch ertönte, so als würde Glas in Scherben zerspringen. Und dann dröhnte ihnen ein weiteres Fauchen in den Ohren. Jonas ging auf die dritte Tür von rechts zu, öffnete sie und ging mit energischen Schritten hinein. Etwas zögernd folgten ihm Pia und Benny. „Nur keine Angst, hier ist es ungefährlich“, sagte Jonas.

Pia und Benny betraten einen Raum, dessen Wände ebenso wie die Eingangshalle mit Regalwänden vollgestellt waren. Auch hier reihte sich ein dickes Buch an das andere.

In der Mitte des Raums stand ein großer Schreibtisch, an dessen vier Ecken geschnitzte Drachenköpfe angebracht waren. Sie hatten Augen aus grüner Jade und schienen den Betrachter mit ihrem Blick zu verfolgen. Die Fenster waren winzig.

„Hier ist er auch nicht“, stellte Jonas fest.

„Und hier nebenan?“, fragte Pia und deutete auf eine Tür auf der gegenüberliegenden Seite des Arbeitszimmers.

Ein feuerspeiender Drache war in das Holz der Tür geschnitzt. Sein Kopf passte genau zu den Drachenköpfen am Schreibtisch.

„Dort darf niemand hinein“, sagte Jonas.

„Aber wie kannst du sicher sein, dass dein Großvater nicht im Haus ist, wenn du nicht mal alle Zimmer durchsuchst?“, fragte Pia kopfschüttelnd.

„Ich sage ja nicht, dass wir uns an die Verbote meines Großvaters unbedingt halten müssen“, gab Jonas zurück. „Schließlich ist das meiner Ansicht nach sozusagen ein Notfall.“

Benny schien davon allerdings noch keineswegs überzeugt zu sein. „Wenn dein Großvater dir verboten hat, da reinzugehen, gibt es dafür sicher einen guten Grund. Aber wenn du dir so große Sorgen machst, dass deinem Großvater etwas zugestoßen sein könnte, dann wäre es vielleicht das Beste, die Polizei zu alarmieren“, schlug er vor.

„Eine Nummer kleiner tut’s vielleicht auch“, sagte Pia. „Hast du mal mit deinen Eltern darüber gesprochen, dass dein Großvater verschwunden ist?“

„Ach die!“ Jonas machte eine wegwerfende Handbewegung. „Die haben doch nie Zeit. Außerdem nähmen die das nicht ernst. Anscheinend hat er früher auch schon mal für ein paar Tage seine Tür nicht aufgemacht. Aber das war wohl vor meiner Geburt. Mir hat er bis jetzt immer aufgemacht!“

„Dann also doch Polizei“, wiederholte Benny.

„Stattdessen habe ich doch euch mitgenommen“, erwiderte Jonas. „Mal ehrlich, was sollte ich der Polizei denn sagen? Dass es sein kann, dass mein Großvater vielleicht durch eine magische Tür gegangen ist und jetzt aus irgendeiner anderen Welt nicht mehr herauskommt?“

„Na ja, so eine Vermisstmeldung würde vielleicht nicht ganz so ernst genommen“, gab Benny zu.

„Nicht mal ihr beide habt mir doch geglaubt!“

„Wer sagt denn, dass wir es jetzt tun?“, meinte Pia. „Das klingt schon alles ein bisschen ...“

„Seltsam?“

„Ja, könnte man so sagen ...“ Pia hatte den Schreibtisch umrundet und deutete auf den Boden. „Kommt mal her! Sieht aus wie eine zerschlagene Kristallkugel, oder?“

Im nächsten Moment sahen auch die anderen die Scherben.

„Das war vermutlich das Klirren, das wir gerade gehört haben“, sagte Benny.

„Die Kugel stand auf dem Schreibtisch“, sagte Jonas. „Sie könnte tatsächlich gerade vom Tisch gefallen sein.“

„Wieso gerade?“, fragte Pia. „Es ist kein Fenster auf, so dass es zieht, und es ist niemand hier ...“ Sie schluckte. „Oder vielleicht doch?“

„He, seht mal!“, rief Benny und wurde ganz blass.

Er deutete auf die geschlossene Tür mit dem geschnitzten Drachen. Durch den Spalt am Boden schimmerte gleißendes Licht. Wie Feuer!

Die drei Kinder starrten einige Augenblicke gebannt auf diesen Schein.

„Ich glaube, ich sollte mich erst mal kneifen ... Das kann doch alles nur ein seltsamer Traum sein, was wir hier gerade erleben“, flüsterte Benny.

Dann flog plötzlich die Tür auf. Ein heißer Wind fegte durch das Arbeitszimmer. Papiere und aufgeschlagene Bücher, die auf dem Schreibtisch lagen, wurden zu Boden gefegt. Offenbar hatte sich diese geheimnisvolle Tür vor wenigen Augenblicken schon mal auf dieselbe wundersame Weise geöffnet.

Das Licht war so gleißend, dass sie nicht erkennen konnten, was hinter der Tür war. Gerade noch rechtzeitig konnten die drei ihre Augen mit den Händen schützen. Wieder erklang das seltsame Fauchen, nur noch lauter, noch durchdringender und dröhnender als zuvor.

Dann ließ das Licht nach.

Jonas und die anderen blinzelten zwischen ihren Fingern hindurch.

Für einen Augenblick war die Gestalt eines grauhaarigen Mannes mit einer Brille zu sehen. Er trug einen Anzug mit Weste und hob die Hände. „Nicht hier hereinkommen!“, rief er. Hinter ihm war ein feuerspeiender Drachenkopf zu sehen - so realistisch und deutlich wie in einem 3D-Kino.

„Großvater!“, rief Jonas und machte einen Schritt auf die Tür zu.

„Bleib hier weg!“, rief Professor von Schlichten.

Und ehe Jonas noch einen weiteren Schritt machen konnte, schlug die Tür wie von Geisterhand bewegt wieder zu, während erneut ein lautes, wütendes Fauchen erklang, so laut, dass Pia und Benny nicht einmal ihre eigenen Schreie hören konnten.

Das grelle, feurige Leuchten schimmerte noch einige Augenblicke unter der Tür hindurch. Dann verlosch es. Auch das Fauchen wurde allmählich leiser und verstummte schließlich.

2

„Das glaubt uns niemand!“, stieß Benny kreidebleich hervor.

„Und was machen wir jetzt?“, wollte Pia wissen.

Aber für Jonas schien das überhaupt keine Frage zu sein. Zielsicher ging er auf die Tür zu, zögerte dann aber doch, bevor er die Klinke berührte.

„Jonas!“, wollte Benny ihn aufhalten.

„Aber ich kann meinen Großvater da doch nicht allein lassen!“, sagte Jonas entschlossen. Er drückte die Klinke herunter und öffnete die Tür.

Von Professor von Schlichten und dem Drachen war nichts mehr zu sehen. Stattdessen blickte Jonas nur in ein weiteres Zimmer, dessen Wände mit deckenhohen Regalen bedeckt waren. Doch hier standen die Bücher sogar in zwei Reihen. Einige lagen allerdings auf dem Boden verstreut. Offenbar hatte der Wind, den die drei zu spüren bekommen hatten, auch hier gewütet.

„Ihr könnt hereinkommen“, sagte Jonas. „Die Gefahr scheint vorüber.“

Pia und Benny betraten jetzt ebenfalls zögernd den Raum.

„Was hat das eigentlich alles zu bedeuten?“, wollte Pia wissen. „Dieser Wind - und dieses Licht - was soll das alles?“

„Ihr wolltet mir das mit den anderen Welten ja nicht glauben“, meinte Jonas. „Aber Großvater macht magische Experimente, die ihn dort hinbringen. Allerdings durfte ich bisher nie dabei sein. Großvater meint, es wäre zu gefährlich.“

„Dann war dieser Drache, den wir gerade gesehen haben ...“

„... ein Wesen aus einer anderen Welt, die in einem anderen Universum existiert, ja!“, bestätigte Jonas. „Und dort ist jetzt auch Großvater!“

„Und du denkst, dass dort eines seiner Experimente schief gegangen ist?“, fragte Benny.

Jonas nickte. „Könnte sein.“

„Und was sollen wir da tun?“, fragte Benny weiter.

„Jonas, was ist das denn hier?“, unterbrach Pia sie und zeigte in eine Ecke des Zimmers.

Dort stand ein Kleiderständer, an dem drei sehr eigenartige Gegenstände hingen. Man hätte sie für Kleidungsstücke aus einem sehr dünnen, durchscheinenden Material halten können. Allerdings hätten sie keinem Menschen gepasst - sondern höchstens einem Wesen mit Schwanz und Flügeln!

Der Kleiderständer war schräg gegen die Regalwand gelehnt. Offenbar hatte der unheimliche Wind, der aus der anderen Welt herübergeweht war, ihn umgestoßen.

Pia trat einen Schritt näher und zog die Nase kraus. „Riecht komisch.“

„Konservierungsspray“, erklärte Jonas. „Großvater benutzt es, um ...“ Jonas, der die seltsamen Kleidungsstücke jetzt erst bemerkte, brach mitten im Satz ab. Er trat stirnrunzelnd auf den Kleiderständer zu.

Auch Benny schaute nun interessiert herüber. „Sieht aus wie ein Drachenkostüm zu Karneval“, versuchte er die etwas angespannte Stimmung aufzuheitern und wohl auch das mulmige Gefühl in seinem Magen zu überspielen.

„Das sind keine Karnevalskostüme“, stellte Jonas fest.

„Sondern?“, fragte Pia.

„Drachenhäute.“

„Willst du uns jetzt auf den Arm nehmen oder was?“, fragte Benny.

Jonas schüttelte den Kopf. „Nein, ehrlich nicht. Ihr habt doch gerade selbst einen Drachen gesehen. Und zu überhören war er auch nicht. Großvater hat mir schon vor einiger Zeit davon erzählt. Er hat drei Drachenhäute aus einer anderen Welt hier hergebracht und fragte sich nun, wie er sie konservieren sollte.“

„Wenn dein Großvater in andere Welten wandert und dort Drachen die Haut abzieht, ist es kein Wunder, dass die nicht gut auf ihn zu sprechen sind und ihn angreifen!“, meinte Benny.

„Er hat ihnen nicht die Haut abgezogen“, korrigierte Jonas. „Die häuten sich von selbst. Wie Schlangen. Und zurück bleibt dann so ein ... Drachenanzug.“

„Mir kommen sie aber ganz schön klein vor. Die sind ja kaum größer als wir“, stellte Pia fest.

„Ja, es gibt in dieser anderen Welt sicher nicht nur große Drachen, sondern vielleicht auch kleinere Arten. Und selbst die Großen werden ja nicht direkt Riesen sein, wenn sie aus ihren Eiern schlüpfen.“ Jonas atmete tief durch. Er wirkte ziemlich verzweifelt. „Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, wie wir meinem Großvater helfen können. Aber außer ihm selbst wüsste ich auch niemanden, den wir um Rat fragen könnten!“

Er streckte die Hand aus, um den Kleiderständer wieder gerade hinzustellen. Dabei berührte er versehentlich eine der Drachenhäute. Ein Fauchen ertönte. Es schien aus nächster Nähe zu kommen und ähnelte jenem Drachenfauchen, das ihnen nur zu vertraut war - nur dass es diesmal eine Tonlage höher war.

Im nächsten Moment schien die Drachenhaut zum Leben zu erwachen. Sie bewegte sich, warf sich wie von einem Magneten angezogen auf Jonas und riss ihn zu Boden. Auch die beiden anderen Drachenhäute schienen plötzlich zum Leben erwacht. Fauchend sprangen sie auf Pia und Benny.

Die beiden taumelten zurück. Sie hoben die Arme, um sich zu schützen und die Drachenhäute abzuschütteln. Alle drei schlugen um sich und strampelten, um sich gegen die Drachenhäute zu wehren. Diese schienen auf den Körpern der Kinder zu schmelzen. Wie klebriger Tau legten sie sich ihnen auf die Haut, drangen wie neblige Feuchtigkeit durch die Kleider und schmiegten sich hauteng an sie.

Im nächsten Moment war alles vorbei.

Die Drachenhäute schienen verschwunden. Nur für ein paar Sekunden hatte Jonas ein klebriges Gefühl am ganzen Körper.

„Was war das denn?“, fragte Pia. „Verdammt, ich dachte, das wären abgelegte Häute. Totes Gewebe also! Wo sind sie überhaupt hin?“

„Gute Frage“, flüsterte Jonas, der sichtlich erschrocken war.

„Eins steht fest, Jonas: Dein Großvater wird bei seiner Rückkehr ziemlich sauer auf uns sein, wenn die Häute nicht mehr da sind“, meinte Benny.

„Ich fürchte, sie sind noch da“, widersprach Pia und starrte entgeistert auf ihre Hände. Sie hielt den Zeigefinger ihrer rechten Hand ganz nah ans Auge und runzelte die Stirn. „Da sind winzige Schuppen! Wie bei Reptilien!“, stieß sie hervor. „Ich hoffe, das geht nach beim Duschen wieder weg!“

Auch die anderen bemerkten, dass ihre Haut sich verändert hatte. „Das ist eingezogen wie Sonnencreme“, sagte Jonas, während sie sich langsam hochrappelten.

„Drachenfaktor 25 oder wie?“, meinte Benny. Er stieß einen tiefen Seufzer aus - zumindest hätte es ein Seufzer werden sollen, doch stattdessen schoss aus seinem Mund eine Stichflamme hervor, züngelte quer durch den Raum und fraß sich in das Bücherregal.

Mindestens zwanzig Bücher verbrannten in Sekunden zu Asche. Benny hielt den Atem an. Der Feuerstrahl versiegte augenblicklich. Jonas trat geistesgegenwärtig ein paar noch glimmende Papierfetzen aus.

„Ach du Scheiße! Was war das denn?“, flüsterte Benny.

„Jetzt gibt es richtig Ärger“, murmelte Pia.

„Das könnt ihr laut sagen“, murmelte Jonas entsetzt. Er ging auf das angekokelte Regal zu, in dem nur noch Asche war. „Das waren alles ungeheuer wertvolle Bücher, die Großvater in vielen Jahren gesammelt hat! Manche stammten sogar noch von meinem Urgroßvater und die meisten davon gibt es heute überhaupt nicht mehr zu kaufen. Genauso gut hättest du einen Koffer mit Geld verbrennen können oder wertvolle Juwelen ins Meer werfen.“ Er war ganz blass geworden.

„Es war ja keine Absicht“, verteidigte sich Benny.

Aber Jonas ging nicht auf Bennys Einwand ein. Und wenn es hundertmal keine Absicht gewesen war und sie ja eigentlich nur hier waren, um dem Professor zu helfen, so wusste Jonas doch genau, wie sehr sein Großvater an seinen Büchern hing. Jedes einzelne davon war äußerst wertvoll für ihn. Jonas atmete tief durch. Und da züngelte auch aus seinem Mund plötzlich eine Stichflamme heraus. Durch die Hitze wurde die Asche im Regal aufgewirbelt und begann erneut zu glühen. Hunderte von kleinen, glimmenden Teilchen wirbelten empor und sanken wie winzige Glühwürmchen im Taumelflug zu Boden. Geistesgegenwärtig trat Pia eines dieser glühenden Teilchen aus, das auf dem Teppich gelandet war.

„Siehst du“, sagte Benny, schloss aber sofort wieder der Mund, als ein weiterer Feuerstrahl zwischen seinen Lippen hindurchzüngelte.

„Versuch doch mal, weniger aufgeregt zu reden, dann geht es vielleicht ohne dass hier noch mehr zu Asche wird ist als nur ein paar Bücher“, meinte Pia.

„Nur ein paar Bücher“, brummte Jonas und hob abwehrend die Hand. Er wollte dazu jetzt nichts weiter sagen, schließlich mussten sie jetzt vor allem seinem Großvater helfen, der offensichtlich in ziemlich ernsten Schwierigkeiten steckte.

„Auf jeden Fall kannst du froh sein, dass das Haus deines Großvaters Wände aus Stein hat“, meinte Benny. „Sonst wäre hier schon der Teufel los ...“

„Vielleicht sollten wir in Zukunft nur noch mit einem Feuerlöscher herumlaufen“, meinte Pia ziemlich verzweifelt. Sie hielt ihre Hand ins Licht. „Man sieht fast nichts, aber ...“ Sie brach ab, denn für einen kurzen Augenblick schienen ihre Finger zu wachsen und zu Klauen zu werden. Drachenklauen! Vor lauter Schrecken entfuhr auch ihr fast ein Feuerstrahl. Aber da sie den Mund schnell schloss, um nicht zu viel Schaden anzurichten, kamen ein paar Flämmchen aus ihren Nasenlöchern. Die Hand, die sich in eine Drachenpranke verwandelt hatte, zuckte zurück, denn aus Versehen hatte sie sich verbrannt.

Am liebsten hätte sie laut aufgeschrien, aber sie traute sich nicht. „Ich will, dass es aufhört“, sagte sie leise.

Die Hand hatte sich inzwischen wieder in ihre ursprüngliche Form zurückverwandelt. Verzweifelt strich sich Pia mit der anderen darüber, als wollte sie die Drachenhaut abstreifen.

„Wie soll ich bloß zum Fußballtraining gehen, wenn ich andauernd Feuer spucke?“, stieß Benny hervor und hielt sich dann verschreckt den Mund zu, als hätte er Angst, dass daraus gleich wieder eine Flamme hervorzischen würde.

„Wir haben uns verwandelt“, wandte sich Pia an Jonas. „Diese ... Drachenhäute - oder was immer das in Wahrheit auch sein mag - haben uns zu Monstern gemacht!“

„Das hab ich auch schon bemerkt“, erwiderte Jonas gereizt.

„Glaubst du, im Krankenhaus könnten sie uns helfen?“, fragte Benny. „Jonas, du hast doch bestimmt dein Handy dabei! Am besten ...“

„Kennst du etwa einen Arzt, der sich mit Drachenhäuten, Magie und anderen Universen auskennt?“, unterbrach Jonas ihn. „Ich jedenfalls nicht. Der einzige, der uns weiterhelfen könnte, ist mein Großvater.“

„Aber irgendwie müssen wir diese Häute wieder loswerden! Ich will keine Sekunde länger so ein Monster bleiben“, stellte Pia klar. „Hätten wir dieses verfluchte Haus doch nie betreten!“ Mit einem verzweifelten Gesichtsausdruck betrachtete sie ihre Hände. Mit bloßem Auge war die Veränderung kaum zu bemerken. Man musste wirklich ganz genau hinsehen.

„Wenn du irgendeine vernünftige Idee haben solltest, was wir jetzt tun können, dann immer her damit“, meinte Benny. „Das Ganze macht mich nämlich echt wahnsinnig.“

„Ich denk ja schon die ganze Zeit nach“, antwortete Jonas gereizt.

„Hauptsache, es kommt auch was dabei heraus, dann mache ich auch alles, was du willst!“

„Das Genie braucht Ruhe“, spottete Pia, der allerdings genauso wenig zum Lachen zumute war wie ihren beiden Freunden. Denn witzig war die Sache nun wirklich nicht.

Jonas machte eine abwehrende Handbewegung, die wohl deutlich machen sollte, dass ihm das Gequatsche der anderen auf die Nerven ging. Doch statt seiner Hand fuhr eine klauenbewehrte Pranke durch die Luft und wuchs dabei auf mindestens die dreifache Größe an. Im nächsten Moment wurde der Ärmel seines Sweatshirts breitgezogen und verwandelte sich in die ledrige Flughaut eines Drachenflügels. Erschrocken bewegte Jonas den Flügel, und ehe er sich’s versah, erhob er sich bereits in die Luft. Dabei kam er schmerzhaft gegen die Lampe, die von der Decke hing. Entsetzt stieß er einen Feuerstoß aus, sodass diese im nächsten Augenblick genau wie die Deckenverkleidung schwarz angerußt war. Da sich nur sein rechter Arm in einen Drachenflügel verwandelt hatte, taumelte er ziemlich schief und unkontrolliert durch die Luft. Er fiel zurück und ruderte dabei auch mit dem anderen Arm, der sich daraufhin ebenfalls augenblicklich in einen Drachenflügel verwandelte.

Mit voller Wucht knallte Jonas gegen eines der Bücherregale und rutschte daran zu Boden. Das Bücherregal schwankte einen Moment und fiel über dann auf ihn.

„Oh nein!“, schrie Pia und konnte gerade noch verhindern, dass die Stichflamme aus ihrem Mund das Regal, das Jonas unter sich begraben hatte, in Flammen setzte.

Von Jonas war erst nichts mehr zu sehen, nur ein Berg Bücher lag rund um das Regal verstreut.

„Wir müssen ihm helfen!“, rief Benny.

„Aber vorsichtig, sonst verbrennen wir ihn“, antwortete Pia betont leise.

Vorsichtig näherten sie sich dem Regal, das sich allerdings plötzlich wie von selbst zu bewegen begann, so als läge nicht Jonas, sondern ein riesiges Tier darunter. Benny und Pia fassten schnell zu und richteten es auf.

„Jonas, geht es dir gut?“, fragte Pia besorgt und hätte vor Schreck beinahe losgelassen, als sie sah, was sich da zwischen den aus dem Regal gefallenen Büchern bewegte.

„Jonas?“, fragte Benny ungläubig.

Vor ihnen richtete sich ein Drache auf. Er hatte ungefähr Jonas’ Körpergröße, dazu kräftige Arme mit Pranken und Flughäuten. Die Beine waren noch kräftiger und aus dem mit mehreren Reihen raubtierhafter Zähne besetzten Drachenmaul drang heißer Rauch hervor. Ein Laut, der so ähnlich wie Rülpsen klang, drang dumpf aus seiner Kehle, während das Drachenmaul zuklappte und aus den Nasenlöchern noch mehrere Stichflammen herausschossen, gegen die jedes Feuerzeug nur eine kleine Funzel war.

„Ich ... bin … es ...“, murmelte eine Stimme, die sehr tief und sehr dröhnend klang. Die Worte waren kaum zu verstehen. Es folgten ein paar Laute, die vielleicht ebenfalls Worte sein sollten, aber weder Benny noch Pia begriffen, was sie wohl zu bedeuten haben mochten. Das Maul eines Drachen schien wohl nicht unbedingt dazu geeignet zu sein, um zu sprechen, dachte Pia.

„Jonas?“, fragte Benny ungläubig, obwohl der Drache diese Frage ja eigentlich schon beantwortet hatte. Aber es schien ihm vollkommen unmöglich, dass dieses Wesen tatsächlich sein Freund sein sollte. Noch mulmiger wurde ihm jedoch bei dem Gedanken daran, dass diese Verwandlung mit Pia und ihm selbst vermutlich genauso vor sich gehen konnte. Jedenfalls fiel ihm kein vernünftiges Argument ein, das dagegen gesprochen hätte.

Der Drache, zu dem Jonas geworden war, machte einen zaghaften Schritt nach vorne, fegte dabei aber mit seinen riesigen Schwanz ein Dutzend Bücher aus dem Regal.

„Immer schön vorsichtig, Jonas, hörst du?“, mahnte Pia ihn betont verhalten - und tatsächlich kam nicht einmal ein Flämmchen aus ihrem Mund. „Du weißt nicht, welche Kräfte sonst noch in so einem Drachenkörper schlummern - Kräfte, die man vielleicht besser nicht unbedacht einsetzen sollte.“

Aus Jonas’ Drachenmaul erklang ein zustimmendes Knurren. Zwar roch es danach noch etwas stärker nach Schwefel, aber immerhin drangen weder Rauch noch Feuer aus ihm hervor.

Dann begann der Drache auf einmal, sich wieder zurück zu verwandeln. Benny und Pia sahen gebannt zu. Das lang vorstehende Drachenmaul schrumpfte, die Zahnreihen verschwanden und nach ein paar Sekunden war wieder Jonas’ Gesicht zu erkennen. Etwas später hatte sich auch sein Körper mitsamt der Kleidung, die er trug, wieder in seine ursprüngliche Form zurückverwandelt.

„Das ist wirklich Magie“, murmelte Benny fassungslos.

Jonas betastete vorsichtig seine Schultern und seinen Kopf. „Scheint alles in Ordnung zu sein“, stellte er fest. „Nichts gebrochen. Noch nicht mal ein blauer Fleck.“

„Dann hast du aber gewaltiges Glück gehabt“, meinte Pia. „Dieses Regal ist so schwer, das hätte dich erschlagen können.“

Jonas lächelte matt und auch etwas erleichtert. „Ja, mich schon - aber den Drachen, zu dem ich wurde, wohl nicht. Dessen Körper scheint sehr viel widerstandsfähiger zu sein.“

„Jetzt sag aber nicht, dass diese ganze Drachennummer vielleicht auch ihr Gutes haben könnte“, erwiderte Benny.

„Tu ich ja gar nicht“, gab Jonas zurück. Er kniff sich erst in die Wange, dann in den Handrücken. „Aua - Jedenfalls scheint jetzt wieder alles normal zu sein.“

„Du hast ja jetzt auch wieder deinen menschlichen Körper“, gab Pia zu bedenken. „Also ist das nicht verwunderlich.“

„Ja, einen menschlichen Körper, der auf magische Weise mit einer Drachenhaut verschmolzen ist und sich deswegen anscheinend jederzeit verwandeln kann.“ Er sah zuerst Pia und dann Benny an. „Bei euch wird es dasselbe sein! Auch ihr könnt wahrscheinlich nicht nur Feuer spucken, sondern euch vollständig in Drachen verwandeln, wenn ...“ Er brach unvermittelt ab.

„Wenn was?“, hakte Benny nach, der seine Hände betrachtete, als könnte sich da jetzt jederzeit ebenfalls eine Verwandlung einsetzen.

„Tja, wenn ich das so genau wüsste, dann wären wir schon einen Schritt weiter“, erwiderte Jonas. „Ich habe keine Ahnung, was die Verwandlung da eben ausgelöst hat!“

„Immerhin ist eben das schwere Regal auf dich zugekommen“, überlegte Pia laut. „Vielleicht wurde es dadurch ausgelöst.“

„Du meinst, Angst löst eine Verwandlung aus?“, fragte Benny nach.

„Ich habe mich erschrocken, das schon“, bestätigte Jonas. „Aber um richtig Angst zu haben, war gar keine Zeit. Das ging alles so schnell und dann war ich unter der Regalwand und den ganzen Büchern begraben.“

„Aber du wirst dich ja nicht rein zufällig verwandelt haben“, gab Pia zu bedenken.

„Es könnte irgendein Instinkt sein ... oder Willenskraft!“ Jonas’ Augen wurden schmal, so als würde er angestrengt nachdenken. „Jedenfalls müssen wir lernen, damit umzugehen und diese Vorgänge zu kontrollieren. Genau wie das Feuerspeien und was sich sonst noch so an mehr oder weniger unliebsamen Dracheneigenschaften an uns herausstellen mag.“

„Mir gefällt das alles gar nicht“, stellte Pia fest. „Wir müssen diese Drachenhäute so schnell wie möglich wieder loswerden. So traue ich mich ja kaum nach Hause. Am Ende lege ich aus Versehen unser ganzes Haus in Schutt und Asche ...“

„Oder du hast plötzlich Appetit auf deine Eltern“, ergänzte Benny. Pia sah ihn empört an. Benny zuckte mit den Schultern. „Ja, wissen wir vielleicht, wovon diese Drachen aus einer anderen Welt sich am liebsten ernähren?“

„Benny hat recht“, pflichtete Jonas ihm bei. „Es ist ja noch nicht lange her, dass die Drachenhäute uns angefallen und mit uns verschmolzen sind. Aber irgendwann werden wir Hunger bekommen ...“

„Und wenn das dann so weit ist, ist unser Appetit hoffentlich ganz normal und menschlich, solange wir dann menschliche Gestalt haben“, gab Pia ihrer Hoffnung Ausdruck. „Aber im Prinzip stimmt es wohl, was ich vorhin gesagt habe“, seufzte sie.

Benny hob die Augenbrauen. „Was meinst du jetzt genau?“

„Sie hat gesagt, dass wir Monster geworden sind“, antwortete Jonas an ihrer Stelle. „Drachenmonster, um genau zu ein. Das trifft es wohl ziemlich auf den Punkt.“

3

Im nächsten Moment ertönte ein Knurren, das so tief und dröhnend war, dass das ganze Haus erzitterte. Mehrere Sekunden lang konnte man sein eigenes Wort nicht verstehen. Als ob ein Riesendrache ganz in der Nähe ist, durchfuhr es Jonas. Und plötzlich hatte er das Gefühl, diesen Drachen mit großen Lederschwingen, gewaltigen Pranken und einem Maul, aus dem ein Feuerstrahl drang, gegen den jeder Flammenwerfer wie ein mickriges Flämmchen wirkte, vor seinem inneren Angesehen zu können. Er verspürte den seltsamen Drang, mit einem ähnlichen Knurrlaut zu antworten, konnte sich aber gerade noch beherrschen. Schließlich wollte er keinen Brand verursachen.

Jonas sah Pia und Benny kurz an. Sie brauchten nichts zu sagen. Ihnen geht es genauso wie mir, dachte er. Das muss Drachenwissen sein ...

„Das klang, als käme es von oben“, meinte Pia, als es wieder ruhig geworden war. Wie zur Bestätigung folgte ein weiteres Knurren, das die Decke zittern ließ.

Benny antwortete mit einem Knurren, wobei sich sein Kopf für einen kurzen Moment in den eines Drachen verwandelte, dann aber wieder auf seine normalen Maße zurückschrumpfte. Ein wenig schwefelig riechender Rauch drang aus seinem Mund. Benny schien selbst am meisten darüber überrascht zu sein. „Ich hatte einfach das Gefühl, antworten zu müssen“, sagte er.

„Ich verstehe, was du meinst“, antwortete Jonas. „Du bist deinem Dracheninstinkt gefolgt.“

„Ja - und diesmal ohne Feuer! Vielleicht kann man das ja -“ Die Stichflamme, die im diesem Augenblick aus seinen Mund herausschoss, reichte durch den halben Raum. Jonas wich im letzten Moment zur Seite. „... beherrschen, wollte ich eigentlich gerade sagen“, vollendete Benny noch seinen Satz.

„Ja“, nickte Jonas. „Dieselbe Vorstellung habe ich auch. Das ist Drachenwissen. Zumindest unsere Häute kennen offenbar solche riesigen Geschöpfe und wissen, dass das Knurren zu einem von ihnen passt.

„Dieser Drache kann doch unmöglich im Obergeschoss sein“, glaubte Pia. „So wie der sich anhört, muss er doch größer sein als das ganze Haus!“

„Aber der dürfte kaum bei euch im Klo eingesperrt sein“, warf Benny ein. „Pia hat recht, er kann unmöglich im Obergeschoss sein. Das Haus würde zusammenbrechen.“

Ein Donnern war plötzlich zu hören. Die Zimmerdecke erzitterte diesmal noch stärker als zuvor.

„Wenn dieser Drache noch einmal so doll auftritt, bricht hier gleich tatsächlich alles zusammen“, meinte Benny.

„Also raus hier“, schlug Pia vor.

„Nein, erst sehe ich oben mal nach“, fasste Jonas einen Entschluss. Mit schnellen Schritten verließ er den Raum.

„Warte, Jonas, was hast du denn vor?“, rief Benny und folgte ihm. Weil der Rauch, der ihm dabei aus dem Mund gekommen war, ihm den Atem raubte, musste er husten.

In der Eingangshalle holte Pia ihn ein. Dort stand Jonas vor der Tür ganz außen links und zögerte kurz, ehe er sie öffnete. Erneut ertönte das laute, dröhnende Knurren.

„Was ist?“, fragte Benny.

„Ich darf hier eigentlich nicht hinein“, antwortete Jonas.

„Ich dachte, du wolltest nach oben?“

Ohne zu antworten, drückte Jonas die Klinke herunter. Hinter der Tür war ein Flur, an dessen Ende eine Treppe ins Obergeschoss führte.

Erneut ertönte ein Drachenschrei - so laut, dass Jonas im ersten Moment befürchtete, ihm würde das Trommelfell platzen. Trotzdem ging er mutig auf die Treppe zu.

„Jonas, ich glaube, das ist keine gute Idee“, meinte Pia.

„Bleibt meinetwegen hier, wenn ihr wollt - aber eigentlich müsstet ihr doch auch gespürt haben, dass das ein Ruf nach uns und kein Kampfschrei war“, antwortete Jonas.

„Also um ehrlich zu sein, glaube ich nicht, dass wir uns gut genug mit diesen Dracheninstinkten auskennen, als dass wir uns darauf verlassen sollten, Jonas“, lautete Bennys Ansicht.

Doch in diesem Moment ertönte ein sehr viel sanfterer und ruhiger klingender Drachenlaut. Und vor allem mischte er sich mit einer menschlichen Stimme. Wie aus weiter Ferne war sie nur zu hören, doch die Worte waren nicht zu verstehen.

Aber Jonas wirkte wie elektrisiert. „Großvater!“, rief er. Er rannte die Treppe hinauf. Oben sah er noch einmal kurz zurück und rief Pia und Benny zu: „Der einzige, der uns von diesem Fluch befreien kann, ist mein Großvater! Es gibt niemanden sonst auf der Welt, der so viel über Drachen, Magie und andere Welten weiß.“ Wie zur Bekräftigung seiner Worte schoss ein ansehnlicher Flammenstrahl aus seinem Mund. Er war offenbar so aufgeregt, dass er es nicht hatte verhindern können. Dann bog Jonas in den Flur ein, der sich an den Treppenabsatz anschloss.

„Wir lassen ihn nicht allein, oder?“, fragte Benny an Pia gerichtet.

Sie schüttelte den Kopf. „Nein.“

Dann rannten auch sie so schnell sie konnten die Treppe hinauf. Pia hatte dabei plötzlich das Gefühl, sie könnte mehr Stufen als sonst mit einem einzigen Schritt nehmen. Außerdem fiel ihr das Laufen plötzlich so leicht. Der Schrecken fuhr ihr in die Glieder, als sie sah, dass ihre Füße sich für einen Moment in Drachenfüße verwandelt hatten, die natürlich viel kräftiger waren. Benny schien es genauso zu gehen.

Als sie oben ankamen, verwandelten sich ihre Beine wieder zurück.

„Fast hätte ich jetzt gesagt: Du kannst ja ganz schön schnell die Treppe hinaufrennen - für ein Mädchen“, meinte Benny. „Aber ich muss wohl sagen: für einen Drachen!“

„Ich finde das Ganze nicht mehr lustig, Benny.“

„Du hast ja recht. Aber was sollen wir machen? Ändern kann man es nicht!“

„Zumindest wir nicht.“

Sie folgten Jonas durch den Flur, der eine scharfe Biegung machte. Dort schloss sich ein weiterer Flur an. Auf der einen Seite befanden sich hohe Fenster, auf der anderen eine Tür neben der anderen. Gerade mal ein Fingerbreit Abstand blieb zwischen ihnen Platz. Insgesamt dreizehn Türen reihten sich so aneinander.

Sie waren alle höchst unterschiedlich. Manche aus dunklem Holz, einige hatten schwere Metallbeschläge, andere waren dafür mit Schnitzereien versehen. Es gab allerdings auch Türen, die aus einem messingfarbenen Metall waren.

Jonas stand in der Mitte dieser Reihe von Türen und ließ nachdenklich den Blick von einer zur anderen schweifen.

„Wie krank ist das denn?“, fragte Benny. „Diese ganzen Türen! Ist das eine Türenausstellung, oder was soll das hier sein?“

„So was ähnliches“, murmelte Jonas.

„Und wo ist nun der Drache, den wir gehört haben?“

„Hinter einer davon, nehme ich an“, antwortete Jonas. „Aber ich bin mir nicht sicher, hinter welcher.“

„Wieso machst du sie nicht der Reihe nach auf.“

„Weil das nicht geht.“

„Wieso das denn nicht?“

Pia hatte sich die erste Tür unterdessen genauer angesehen. „Sieht aus, als wären die falsch“, erklärte sie. „Die kann man gar nicht öffnen!“ Sie hob die Hand zur Klinke, so als wollte sie ausprobieren, ob sie sich nicht doch öffnen ließ.

„Probier es ruhig“, sagte Jonas. „Es sind tatsächlich nur Attrappen. Es passiert gar nichts, wenn du die Klinke herunterdrückst – vorausgesetzt, du bläst nicht gerade in dem Augenblick deinen feurigen Drachenatem hinterher, sodass die Tür zu Asche zerfällt.“

„Falsche Türen?“, fragte Benny. „Wozu das denn?“

„Wie in den Gräbern der Pharaonen“, erklärte Jonas. „Man hat auf diese Weise Grabräuber verwirrt – aber vor allem glaubte man, dass solche falschen Türen quasi in andere Welten führen ...“

„Und dein Großvater wollte das mal überprüfen, oder was?“, fragte Benny. „Aber warum? Über dieses Zimmer mit dem Drachenkopf an der Tür konnte er doch schon in andere Welten gelangen oder habe ich das vielleicht falsch verstanden?“

„Ich verstehe es doch selbst nicht! Aber Tatsache ist, dass hier irgendetwas Magisches vor sich geht und dass dies ein sehr eigenartiges Haus ist. Es hat viel mehr Räume, als es von außen gesehen haben dürfte, und manchmal tritt man durch eine Tür und kommt in einem anderen Teil des Hauses an.“

„Der Einzige, der uns dazu näheres sagen kann, ist wohl dein Großvater“, seufzte Pia und konnte dabei gerade noch verhindern, dass sie die Tür, der sie am nächsten stand, anrußte.

Währenddessen griff Benny entschlossen nach einer der Türklinken, drückte sie herunter und zog daran. Aber die Tür öffnete sich weder in die eine noch in die andere Richtung. Anschließend probierte er die nächste aus. Bei der nächsten Tür passierte das Gleiche.

„Lass das besser, Benny!“, sagte Jonas.

„Sagt dir das jetzt dein Dracheninstinkt oder hast du einfach nur Angst?“, fragte Benny zurück. „Irgendetwas müssen wir doch unternehmen! Und da der einzige, der uns vielleicht helfen kann, dein Großvater ist, müssen wir ihn finden - wo auch immer er stecken mag.“

„Lass es trotzdem, Benny!“

„Wieso denn?“

„Deswegen!“

Jonas deutete mit der ausgestreckten Hand auf eine der Türen. Sie schien für einen Moment zu verschwimmen, als hätte plötzlich jemand Milchglas davor gehalten. Durch die eben noch geraden Kanten des Rahmens liefen Wellen, und es sah aus, als würde die ganze Tür schwanken oder tanzen.

Es dauerte nur einen kurzen Augenblick, dann war es wieder vorbei. Dafür fing es nun bei der Tür an, die Benny gerade zu öffnen versucht hatte. Erschrocken wich er einen Schritt zurück.

„Das geht die ganze Zeit schon so“, meinte Jonas. „Schon bevor ihr mir nachgekommen seid. Zwischendurch hört es immer wieder auf, und im ersten Moment habe ich es auch gar nicht bemerkt, weil es nur ganz schwach war.“

„Also ich finde das ziemlich unheimlich“, stellte Benny fest. „Wie kann dein Großvater in so einem seltsamen Haus wohnen?“

Erneut war eine der Türen weiter hinten im Flur plötzlich nur noch verschwommen zu sehen. Aber diesmal hörte man Geräusche von der anderen Seite. Jemand sprach mit tiefer Stimme: „Ganz ruhig, du brauchst dich nicht aufzuregen. Und wehe, du flämmst mir noch mehr Haare vom Kopf. Das würde ich dir nämlich übelnehmen.“

„Großvater!“, rief Jonas. „Wo bist du?“ Er trat vor und berührte die verschwommene Tür, die sich jetzt auf eigenartige Weise zu verbiegen schien.

„Jonas, ich habe dir doch verboten, diesen Teil des Hauses zu betreten!“, rief die Stimme von Professor von Schlichten.

Jonas’ Hand griff unterdessen durch die Tür hindurch. Da schien überhaupt kein Widerstand zu sein! Und dann erfasste ihn plötzlich ein Sog. Er wurde in die Tür hineingezogen, in der sich ein wirbelnder Strudel aus ineinander verschwimmenden Farben und Formen bildete.

„Jonas!“ Pia griff nach seinen Arm und versuchte ihn festzuhalten. Aber der Sog war zu stark. Innerhalb eines Augenblicks waren beide verschwunden.

Benny stand wie erstarrt. Das glaubt mir niemand, wenn ich ihm erzähle, wo meine Freunde geblieben sind, ging es ihm durch den Kopf.

Seine Gedanken überschlugen sich. Was sollte er jetzt tun? Am besten das, was wir von Anfang hätten machen sollen, dachte er. Nämlich von hier verschwinden und jemandem Bescheid sagen.

Benny wagte es kaum, sich zu bewegen. Er starrte die Tür an, durch die seine Freunde verschwunden waren. Sie machte jetzt wieder einen vollkommen normalen Eindruck. Benny hatte eine Zehncentmünze in der Hosentasche. Die warf er gegen das dunkelbraune Holz, aber die Münze prallte ab. Es gab also keinen Durchgang mehr in die andere Welt.

Ein paar Minuten lang wartete Benny, ob irgendeine der anderen Türen sich verändern würde. Als er bereits dachte, dass er nichts mehr für seine Freunde tun konnte, und sich abwenden wollte, verschwammen plötzlich die Konturen der Tür direkt vor ihm. Eine gewaltige Drachenpranke griff aus der anderen Welt hinüber und fasste nach ihm. Wie in einem Schraubstock saß sein Körper im Griff dieser riesigen Klaue fest. Als Benny versuchte, sich zu wehren, verwandelte sich sein Körper selbst in einen Drachen. Aber auch jetzt war er nicht stark genug, um sich aus dem Griff befreien zu können. Ohne dass er etwas dagegen hätte tun können, wurde er durch die Tür gezogen.

4

Das erste, was Benny auf der anderen Seite bemerkte, war grelles Licht, das ihn an Feuer erinnerte.

Es dauerte einen Augenblick, bis er begriff, dass es tatsächlich Feuer war - und zwar sein eigenes.

Benny hatte sein Drachenmaul weit geöffnet, fauchte und ließ einen Feuerstrahl gegen die gewaltige Klaue schlagen, die ihn immer noch wie ein Schraubstock umklammert hielt.

Ein durchdringender Drachenschrei ertönte - lauter als irgendein anderes Geräusch, das Benny je gehört hatte. Die riesige Pranke hatte Benny hoch emporgehoben. Der Drache, zu dem sie gehörte, war höher als ein fünfstöckiges Haus. Allein das gewaltige Maul hatte Ausmaße, die einer Garage für Lastwagen entsprachen. Das riesige Geschöpf hatte sich auf die Hinterbeine gestellt und ließ Benny unvermittelt los, während es vor Schmerz brüllte und dabei selbst einen gigantischen Feuerstrahl ausstieß.

Benny fiel in die Tiefe. Der Feuerstrahl des Riesendrachen verfehlte ihn nur knapp, und er spürte, wie die Hitze des Drachenfeuers ihn beinahe versengte.

Panik ergriff Benny - in wenigen Augenblicken würde er auf den Boden aufschlagen! Aber dann besann er sich seiner Drachenfähigkeiten und begann unbeholfen mit den Armen zu rudern, die sich ja in Flügel verwandelt hatten. Taumelnd fiel er zunächst weiter hinab, aber dann fing er sich und begann wie wild mit seinen lederhäutigen Flügeln zu schlagen. Aber er war nicht darin geübt und deshalb gelang es ihm nicht, aufzusteigen. Immerhin konnte er seinen Fall bremsen. Glücklicherweise war unter ihm ein verhältnismäßig weicher Sandstrand. Das Meer rollte in gleichmäßigen Wellen aus. Eine dieser Wellen umspülte ihn gerade in dem Moment, als erneut etwas Drachenfeuer aus seinem Maul herausschoss. Er hatte das einfach nicht unter Kontrolle. Das Feuer wurde sofort gelöscht und nur eine Wolke aus schwefeligem Rauch stieg empor. Benny rappelte sich so schnell wie möglich auf und stand wenig später wieder auf seinen Drachenbeinen und stapfte aus dem Wasser. Benny fürchtete sich zwar vor dem Riesendrachen, aber seine Angst vor dem Ertrinken war größer. Der Riesendrache sah auf ihn herab, beugte sich dann herunter und betrachtete ihn mit den großen, aufmerksamen Augen, die das auffallendste an seinem knochigen und von Schuppen bedeckten Drachenkopf waren.

Benny blickte sich um. Das gewaltige Geschöpf, das vor ihm stand, breitete die Flügel aus und verdeckte damit die Sonne, die Benny vorher geblendet hatte. Jetzt merkte er, dass es keineswegs der einzige Drache hier war! So weit das Auge reichte, war der Strand voll von Drachen in unterschiedlicher Größe. Einige waren nur so groß wie ein Menschenkind und ziemlich quirlig. Sie rannten zwischen den großen Drachen herum und jagten sich gegenseitig mit kleinen Feuerstößen. Hier und da waren auch Dracheneier zu sehen. Manche waren noch ganz, bei anderen war die Schale aufgesprungen und es war wohl gerade ein Junges ausgeschlüpft. An einem der Eier fiel ein Stück Schale heraus und eine kleine Drachenkralle kam zum Vorschein.

Benny schaute kurz an sich herab. Er war noch immer in einen Drachen verwandelt. Die kleinsten Drachenjungen waren ungefähr so groß wie er und so dachte er: Eigentlich dürfte ich doch nicht weiter auffallen. Schließlich gibt es auch viele Jungtiere hier, die noch kaum wissen, wie man ihre Flügel benutzt oder das Feuerspeien unter Kontrolle hält.

An diesem Strand befand sich offenbar ein beliebter Brutplatz dieser riesigen Ungeheuer. Bei Säugetieren wurde der Nachwuchs ja sehr umsorgt. Aber bei Drachen war das ja nicht unbedingt genauso. In einem Tierfilm hatte Benny mal gesehen, dass Krokodile manchmal ihre eigenen Jungen fraßen, nachdem sie gerade geschlüpft waren. Ich kann nur hoffen, dass das bei Drachen nicht so ist, dachte er.

Er machte einen Schritt nach vorn, konnte seine Drachenkräfte aber noch nicht einschätzen und vollführte so unversehens einen Sprung - ausgerechnet dem Riesendrachen entgegen, dem er eben die Pranke abgeflämmt hatte. Er flog dem Riesendrachen geradewegs vor die Füße. Die krallenartigen Pranken seiner Hinterbeine waren gewaltig. Als ihn der Fuß des Drachen traf, wurde Benny wie ein Fußball durch die Luft geschleudert. Vor Schreck entfuhr ihm dabei ein Feuerstrahl. Doch noch während er durch die Luft flog, beugte sich der Riesendrache etwas herab und spuckte nun seinerseits Feuer. Die Flammen erfassten Benny. Die Hitze war unerträglich, auch wenn die Drachenhaut ihn offenbar davor schützte, schon im ersten Moment zu Asche verbrannt zu werden.

Benny ruderte mit den Flügeln, konnte aber nicht verhindern, dass er im Meer landete. Eine Welle spülte über ihn hinweg und trug ihn ein Stück zurück Richtung Strand. Er schluckte Salzwasser. Es schmeckte widerlich.

Benny rang nach Luft und versuchte zu schwimmen - eigentlich war er nämlich ein guter Schwimmer. Allerdings schien sein Drachenkörper für diese Art der Fortbewegung nicht besonders geeignet zu sein. Was ja nicht weiter verwunderlich war - schließlich konnten diese Geschöpfe ja über das Wasser fliegen. Wozu sollten sie als im Wasser schwimmen können?

Seine Arme mit den lederhäutigen Flügeln konnte Benny im Wasser kaum bewegen, aber immerhin schaffte er es, sich durch Schwimmstöße mit den sehr kräftigen Beinen und durch Schwanzbewegungen einigermaßen über der Oberfläche zu halten. Immer wieder bekam er allerdings Wasser ins Maul.

Ein Gutes hatte es allerdings, dass der Riesendrache ihn mit seinem Fußtritt ins Meer befördert hatte: Er hatte nun durch die Entfernung einen viel besseren Überblick über den Strand. Direkt vor sich sah er den Riesendrachen, der ihn offenbar nicht mochte. Es war sicher keine gute Idee, ausgerechnet dort wieder an Land zu gehen, dachte Benny. In einigen hundert Metern Entfernung bemerkte er plötzlich drei menschliche Gestalten. Ein Erwachsener und zwei Kinder, wie Benny selbst auf die Distanz gleich sehen konnte. Jonas, Pia und Professor von Schlichten! Sie hatten offenbar gesehen, was geschehen war.

Pia winkte ihm zu, während Professor von Schlichten irgendetwas rief, das Benny aber nicht verstehen konnte. Schließlich machte der Professor ausholende Gesten, mit denen er Benny wohl bedeuten wollte, dass er so seine Flügel benutzen sollte.

Leichter gesagt als getan, dachte Benny. Einfach so die Flügel bewegen und sich aus dem Wasser heben, das ist nicht so leicht, wie es vielleicht bei anderen Drachen aussieht.

Erneut sank Bennys Drachenkopf unter die Wasseroberfläche. Der Feuerstrahl, der daraufhin zwischen seinen Zähnen hindurchschoss war so stark, dass es um ihn herum im Wasser kochte und blubberte. Und dabei hatte er eigentlich nur nach Luft gerungen. Benny bewegte nun in seiner Verzweiflung die Flügel etwas heftiger. Er versuchte alles an Kraft aufzubringen, was er konnte.

Und dann merkte er, wie er sich tatsächlich aus dem Wasser heraus in die Lüfte erhob. Doch obwohl er sich bemühte, kräftig und gleichmäßig mit den Flügeln zu schlagen, stieg er zunächst nicht weiter auf, sondern sackte wieder etwas tiefer.

Etwas sprang aus dem Wasser heraus. Ein Raubfisch, der ihn wohl als willkommene Mahlzeit ansah, schoss aus der Tiefe hervor. Er hatte ein langes Maul voller spitzer Zähne und schnappte nach ihm. Mit aller Kraft versuchte Benny, höher zu steigen, aber der Fisch erwischte ihn am Fuß. Ein Schmerz durchraste ihn. Offenbar waren Drachen doch empfindlicher, als Benny gedacht hatte.

Der Fisch versuchte ihn mit seinem Gewicht hinabzuziehen. Benny flatterte verzweifelt und beugte dabei den Kopf. Jetzt ein richtig heißer Feuerstrahl, dachte er, das wäre meine Rettung.

Aber Flämmchen, das aus seinem Drachenmaul herauszüngelte, war alles andere als beeindruckend. Ausgerechnet jetzt, da er so dringend eine stark Flamme gebraucht hätte, kam nichts weiter als ein schwacher Funke aus seinem Maul. Und dazu eine Wolke aus Schwefeldämpfen, die entsetzlich stank. Es war nicht zu fassen! Gerade dann, wenn er das Drachenfeuer dringend brauchte, kam es nicht, während es ihm vorher ständig Ärger gemacht hatte.

Das Gewicht des Fisches zog ihn hinab. Er platschte zurück ins Wasser, aber mit einem Tritt seiner hinteren Pranke gelang es ihm, sich von dem Fisch zu befreien. Der ließ von ihm ab und trieb benommen dahin. Benny flatterte erneut mit den Flügeln und erhob sich gerade noch rechtzeitig aus dem Wasser, denn schon sprangen drei weitere Raubfische empor. Sie waren offenbar von der Beute ihres Artgenossen angelockt worden und wollten auch etwas abbekommen. Aber Benny hatte nicht die geringste Lust, diesen Fischen als Mahlzeit zu dienen - ganz gleich, ob nun im Körper eines Drachen oder dem eines Menschen.

So schwang er sich mit kraftvollen Flügelbewegungen empor und gewann tatsächlich rasch an Höhe. Ein paar der springenden Fische versuchten es zwar noch einmal. Es war wirklich bemerkenswert, wie hoch sie kamen.

Aber Benny war für sie inzwischen unerreichbar. Mit immer ruhiger werdenden, gleichmäßigen Flügelschlägen schlug er die Richtung jenes Strandabschnitts ein, an dem er seine Freunde und Jonas’ Großvater gesehen hatte. Sie standen inmitten einer Kolonie von mittelgroßen Drachen, die ziemlich friedlich zu sein schienen. Zumindest im Moment.

Benny bewegte die Drachenflügel etwas heftiger, um schneller zu werden. Aber er merkte gleich, dass er das besser nicht getan hätte, denn sofort geriet er ins Trudeln und wäre um ein Haar wieder abgestürzt. Also breitete er einfach nur die Flügel aus und glitt dahin.

Die Landung war etwas unbeholfen. Er rutschte ein Stück über den weichen Sand – bis nahe an die Stelle, wo ein Drache gerade in aller Ruhe einen großen Fisch verzehrte. Der Drache hatte eine auffällige, von roten Linien gezeichnete Haut. Er war nicht so groß wie das riesige Exemplar, das Benny in diese merkwürdige Welt hinübergezogen hatte - aber immer noch sehr viel größer und stärker als er. Und außerdem schien es dem rotgezeichneten Drachen gar nicht zu gefallen, dass jemand seiner Mahlzeit so nahe kam. Er wandte Benny den Kopf zu und bleckte die Zähne. Benny machte sich darauf gefasst, im nächsten Moment von einem furchtbaren Feuerstrahl förmlich gegrillt zu werden - aber der Drache knurrte nur und schien auf diese Weise deutlich machen zu wollen, dass Benny sich besser zurückziehen sollte.

Keine Sorge, ich habe nicht vor, dir irgendetwas wegzuessen, dachte Benny und kroch vorsichtig zurück. Maul geschlossen halten, nicht atmen, damit kein Feuer austritt und keine unvorsichtigen Bewegungen machen, damit du dem Ungeheuer vor dir nicht aus Versehen genau ins Maul springst, nahm sich Benny vor.

Als er sich vorne abstützte, fiel sein Blick auf seine Hände. Ja, es waren tatsächlich wieder Hände und keine Pranken mehr. Er war dabei, sich wieder in einen Menschen zu verwandeln - und so sehr er sich das zuvor auch gewünscht hatte: Jetzt freute er sich gar nicht darüber. Denn das bedeutete, dass er dem Drachen hilflos ausgeliefert wäre, sollte der ihn angreifen. Wenn er sich erst völlig zurückverwandelt hatte, konnte er höchstens noch einen Feuerstoß aus dem Mund schießen lassen, aber sich einfach durch ein paar Flügelschläge oder einen Sprung mit seinen kräftigen Drachenbeinen aus der Gefahrenzone zu retten, war dann nicht mehr möglich.

Es dauerte nur Augenblicke und Benny hatte seine menschliche Gestalt vollkommen zurückerlangt.

„Ganz vorsichtig“, warnte Professor von Schlichten, der zusammen mit Pia und Jonas herbeigeeilt war.

„Bleibt besser zurück“, mahnte der Professor die beiden. „Nicht, dass ihr euch aus Versehen verwandelt oder Feuer speit.“

Pia hielt sich instinktiv die Hand vor den Mund, so als wollte sie dadurch verhindern, ungewollt Flammen hervorschießen zu lassen. Jonas blickte auf seine Hände, die sich gerade ein wenig zu wachsen schienen. Aus den Fingerspitzen waren Krallen hervorgekommen. Aber nach ein paar Sekunden bildeten sie sich wieder zurück. Jonas sah gebannt zu - fassungslos darüber, dass er es offenbar überhaupt nicht kontrollieren konnte.

Inzwischen hatte der Drache mit der roten Zeichnung das Interesse an dem Fisch gänzlich verloren. Er starrte Benny an, der jetzt in seiner Menschengestalt vor ihm stand. Die Verwandlung schien das gewaltige Geschöpf zu verwirren. Die roten Linien, die auf seiner Haut ein unregelmäßiges Muster bildeten, begannen zu leuchten und ein dumpfer, dröhnender Laut drang aus der Tiefe seines Rachens. Der Schwefelgeruch war so stark, dass Benny für einen Moment glaubte, er müsste ersticken.

Der Professor trat scheinbar völlig unbeeindruckt auf den Drachen zu. In der Hand hielt er eine Stange aus einem messingfarbenen Metall.

Während der Professor sich vor den herabgebeugten Kopf des Drachen stellte, nutzte Benny die Gelegenheit, um vorsichtig aufzustehen und zu seinen Freunden hinüberzulaufen.

„Du bist also doch hier“, meinte Jonas. „Ich hatte eigentlich gehofft, du wärst drüben geblieben.“

„Drüben?“, echote Benny.

„In der anderen Welt - besser gesagt in der richtigen“, mischte sich Pia ein.

„Du meinst unsere Welt“, korrigierte Jonas. „Diese hier ist genauso wirklich wie die, in der wir leben - nur dass wir normalerweise nichts von ihr mitbekommen.“

„Und was macht dein Großvater da?“, wollte Benny wissen. „Ist der lebensmüde oder warum stellt er sich dem Drachen direkt in der Weg? Der grillt ihn doch sofort und verspeist ihn dann als schmackhafte Beilage zu seinem Fisch.“

„Wart’s ab“, meinte Jonas. „Großvater weiß schon, was er tut.“

Professor von Schlichten murmelte einige unverständliche Worte. Dann berührte er den Drachen mit seinem Stab, aus dessen Ende sogleich einige Funker herauszuckten. Der Drachen ließ einen so tiefen Ton hören, dass Benny, Jonas und Pia es im Magen spürten.

Der Drache legte sich der Länge nach auf den Boden. Die Flügel faltete er zusammen. Nachdem ein wenig weißer Rauch aus seinen Nasenlöchern ausgetreten war, wurde er vollkommen ruhig. Der Professor wiederholte noch einmal die Worte, die er gesprochen hatte.

„Was ist das für eine Sprache?“, flüsterte Benny.

„Pst!“, zischte Jonas - ein wenig zu heftig, denn auch aus seinem Mund trat weißer Rauch hervor.

Schließlich kehrte Professor von Schlichten zu den Kindern zurück. „Der wird jetzt erst einmal keinen Ärger mehr machen“, behauptete er.

„Und da sind Sie sich auch wirklich ganz sicher?“, fragte Benny ein wenig skeptisch.

„Vollkommen“, erklärte der Professor. Er wog den Metallstab in seiner Hand. „Ein Drachenstab. Ohne sollte man sich an dieser Küste besser nicht aufhalten.“

„Vorhin hat er Jonas und mich damit vor einem wildgewordenen Jungdrachen gerettet“, berichtete Pia. „Ich habe zwar immer noch keine Ahnung, was hier vor sich geht und, aber ...“ Sie zuckte mit den Schultern und sah den Professor an. „Sie scheinen echt eine Art Magier zu sein.“

„Wir wollen mal nicht übertreiben“, wehrte Professor von Schlichten ab. Er atmete durch und strich sich mit der Hand sein spärliches Haar zurück. „Hermann Jonas, was hast du dir bloß dabei gedacht?“, wandte er sich dann an Jonas.

„Hermann Jonas?“, fragte Benny überrascht.

Jonas wurde rot. „Bei uns in der Familie gibt es in jeder Generation einen Hermann von Schlichten“, druckste er herum. „Du hast doch das Buch gesehen, das mein Urgroßvater geschrieben hat. Zum Glück habe ich noch einen zweiten Namen ...“

„Beantworte mir eine Frage, Hermann Jonas“, unterbrach ihn jetzt der Professor streng. „Welchen Teil von Betritt nicht bestimmte Zimmer und die obere Etage hast du eigentlich nicht verstanden?“

„Ich dachte, du wärst in Schwierigkeiten und meine Freunde ...“

„Deine Freunde können nichts dafür“, unterbrach ihn sein Großvater. „Die wussten ja schließlich nicht, was passieren kann, wenn man darin einfach so durch irgendwelche Türen geht.“

„Das wollte ich doch gar nicht sagen, Großvater. Ich wollte doch auf etwas ganz anderes hinaus: Du warst seit Tagen verschollen und da habe ich mir Sorgen um dich gemacht.“

„Und wir wollten ihm helfen, Sie zu finden“, sagte Pia. „Ich heiße übrigens Pia!“

„Und ich bin Benny“, stellte Benny sich vor.

„Unter anderen Umständen hätte es mich gefreut, die Freunde von Hermann Jonas kennenzulernen“, knurrte der Professor, wobei er Jonas’ ersten Namen nachdrücklich betonte.

Jonas wusste, was das zu bedeuten hatte. Er hatte sich bisher immer sehr gut mit seinem Großvater verstanden. Dass er mal richtig ärgerlich wurde, kam äußerst selten vor, denn eigentlich war er ein sehr ruhiger und besonnener Mann. Aber wenn er Jonas ausdrücklich Hermann Jonas nannte, dann war er wirklich aufgebracht.

„Wir sollten vielleicht langsam von hier verschwinden“, sagte Benny in die eingetretene Stille hinein. „Die ganzen Drachen hier sehen nicht so aus, als wären sie immer friedlich.“

„Um die Drachenkolonie zu verlassen, musst du sicherlich 50 Kilometer laufen“, erklärte Professor von Schlichten. „So lang ist nämlich dieser Strandabschnitt, an dem sie offenbar schon seit Urzeiten ihre Eier ablegen. Und wenn man sich vom Strand ins Landesinnere entfernt, dann begegnet man dort auch sehr vielen von ihnen. Nur mit einem Unterschied.“

„Und der wäre?“, fragte Benny.

„Hier am Strand halten die Drachen sich normalerweise mit dem Feuerspeien zurück. Das lernen die Jungtiere schon gleich nach dem Schlüpfen, denn sonst wäre es niemals möglich, dass so viele Drachen an einem Ort sein könnten. Und außerdem wären ja auch die Dracheneier ständig in Gefahr, von einem unbedachten Feuerstoß gebraten zu werden.“

Benny fühlte sich ertappt. „Tut mir leid“, sagte er. „Aber als da plötzlich dieser Riesendrache in unsere Welt hineingriff und mich packte, da habe ich mich eben ziemlich erschreckt.“

Der Professor nickte und steckte sich den Drachenstab hinter den Gürtel. „Ich habe das mitbekommen“, sagte er. „Und du kannst dir sicher sein, dass der Drache mindestens genauso erschrocken ist wie du, als seine Pranke plötzlich im Nichts verschwand und er im nächsten Moment ein feuerspeiendes Drachenkind in seinem Griff hatte, das ihm hemmungslos die Klaue verbrennt.“

„Wie kommen wir denn jetzt zurück?“, fragte Pia.

„Das wird leider nicht so einfach“, antwortete der Professor. „Am besten kommt ihr kommt jetzt erst mal mit. Aber bitte kein Drachenfeuer mehr!“

5

Angeführt von Jonas’ Großvater gingen sie vorsichtig zwischen den am Strand liegenden Drachen hindurch. Jonas, Benny und Pia gingen tausend Fragen im Kopf herum, aber im Moment schien der Professor nicht gewillt, auch nur eine davon zu beantworten, und so hielten sie den Mund.