Drachenreiter und Magier: 4 Fantasy Abenteuer - Alfred Bekker - E-Book

Drachenreiter und Magier: 4 Fantasy Abenteuer E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Drachenreiter und Magier: 4 Fantasy Abenteuer auf 600 Seiten von Alfred Bekker (499) Über diesen Band: Dieser Band enthält folgende Fantasy Abenteuer von Alfred Bekker: Gorian und der Kampf gegen die Drachen Axtkrieger - der Namenlose Nebelwelt - Das Buch Whuon Die Drachenreiter von Dharioona Nach dem Sieg über Morygor und der Vertreibung des Schattenbringers, der die Sonne verdunkelte, ist Gorian der größte Magier seines Zeitalters. Keine Macht scheint ihn bedrohen zu können – bis auf jene Kräfte, die aus seinem Inneren kommen. Er gerät in eine Schlacht uralter Götter gegen die Macht der Drachen... –––––––– Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jack Raymond, Jonas Herlin, Adrian Leschek, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.

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Alfred Bekker

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Inhaltsverzeichnis

​Drachenreiter und Magier: 4 Fantasy Abenteuer

Copyright

Gorian und der Kampf gegen die Drachen

AXTKRIEGER – Der Namenlose

NEBELWELT - Das Buch Whuon

​Die Drachenreiter von Dharioona

​Drachenreiter und Magier: 4 Fantasy Abenteuer

von Alfred Bekker

Über diesen Band:

Dieser Band enthält folgende Fantasy Abenteuer von Alfred Bekker:

Gorian und der Kampf gegen die Drachen

Axtkrieger - der Namenlose

Nebelwelt - Das Buch Whuon

Die Drachenreiter von Dharioona

Nach dem Sieg über Morygor und der Vertreibung des Schattenbringers, der die Sonne verdunkelte, ist Gorian der größte Magier seines Zeitalters.

Keine Macht scheint ihn bedrohen zu können – bis auf jene Kräfte, die aus seinem Inneren kommen. Er gerät in eine Schlacht uralter Götter gegen die Macht der Drachen...

––––––––

Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jack Raymond, Jonas Herlin, Adrian Leschek, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker (https://www.lovelybooks.de/autor/Alfred-Bekker/)

© Roman by Author / COVER STEVE MAYER, MOTIV E. CHURCH

© dieser Ausgabe 2021 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

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Gorian und der Kampf gegen die Drachen

von Alfred Bekker

Nach dem Sieg über Morygor und der Vertreibung des Schattenbringers, der die Sonne verdunkelte, ist Gorian der größte Magier seines Zeitalters.

Keine Macht scheint ihn bedrohen zu können – bis auf jene Kräfte, die aus seinem Inneren kommen. Er gerät in eine Schlacht uralter Götter gegen die Macht der Drachen...

Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jack Raymond, Jonas Herlin, Adrian Leschek, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.

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© dieser Ausgabe 2021 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

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1

Ein Land.

Ein Kontinent.

Ein Schlachtfeld.

Irgendwo auf einer der vielen Welten in den unzähligen Dimensionen des Multiversums.

Die Götter von Chaos, Ordnung, Licht und Finsternis hatten sich zusammengetan, um die Drachen zu besiegen

Ein riesenhafter Streitwagen fuhr voran.

Das monströse Gefährt wurde von sechs zweiköpfigen Löwen gezogen. Der Krieger, der diesen Wagen lenkte, war unverkennbar der Gott Ahyr (der sich in manchen Varianten des Multiversums auch Rhyr nennen ließ) - leicht zu erkennen an seinen drei dämonisch leuchtenden Augen und der monströsen Streitaxt.

Er war Gott des Lichts.

Erbarmungslos wie die gleißende Sonne selbst.

Der Gott Ahyr zügelte seine Löwen und der Wagen kam vorübergehend zum Stillstand.

Ihm folgte Taykor, der Gott der Dunkelheit und normalerweise Ahyrs ärgster Feind, der Gestalt eines monströs großen Kriegers angenommen hatte. Aber Feindschaften unter den Göttern waren schon immer so wechselhaft wie ihre Koalitionen und Bündnisse.

Taykor ritt auf einem riesenhaften, sechsbeinigen Pferd und reckte einen monströsen Dreizack gen Himmel.

Blaakon war der Gott der Ordnung, und er betrachtete sich selbst als König der Götter. Die magisch schimmernde Krone auf seinem Haupt gab davon Zeugnis ab.

Er schwebte mit einer sphärenhaften Lichtbarke. Sein hellweißer Bart schien zu manchmal zu brennen und seine Rüstung, sein Schwert und sein Zepter schimmerten auf magische Weise.

Arodnap, der Gott des blindwütigen Chaos und des Krieges, hatte die Gestalt eines fellbehangenen Riesen angenommen, der eine mit Obsidiansplittern besetzte Keule schwang.

Das Land, das sich vor ihnen erstreckte, war öde, und schwefelhaltige Dämpfe stiegen überall aus Löchern und Öffnungen im Gestein.

Der blindwütige Arodnap stieß einen Schrei aus und schlug mit der Obsidiankeule auf den Boden. Blitze zuckten daraufhin aus dieser Keule heraus und setzten sich über das Gestein fort. Blaakon ließ seine sphärenhafte Lichtbarke etwas höher steigen, damit diese Blitze ihn nicht ansprangen. Die zweiköpfigen Löwen von Ahyrs Gespann wurden unruhig und drohten durchzugehen. Und dasselbe galt für das monströse sechsbeinige Pferd, auf dessen Rücken Taykor saß. Das sechsbeinige Pferd richtete sich auf. Und Taykor hielt den Dreizack drohend in Arodnaps Richtung.

"Macht das nicht noch einmal, du Narr unter den Göttern!", rief Taykor.

"Ich will wissen, wer um aller Welten des Multiversums Willen, uns hierher gebracht hat! Was haben wir hier zu suchen!" Arodnap brüllte diese Worte förmlich heraus. Ein empfindsames Wesen wäre unter dem begleitenden Gedankenstrom wahnsinnig geworden.

Glücklicherweise zählte keiner der anderen drei Götter dazu.

"Was tun wir hier?", brüllte Arodnap. "Hat sich das noch keiner von euch gefragt?"

"Wir erschlagen ein paar Drachen", sagte Blaakon. "Wir tun das, was Götter so tun: Wir schaffen Ordnung - und manchmal Chaos."

"Woooo sind die Drachen, verflucht nochmal?", brüllte Arodnap und während er seine Obsidiankeule durch die Luft wirbelte, leuchtete sie grell auf und funkelte in allen Farben des gebrochenen Lichtes.

"Es zwingt dich niemand, dabei zu sein", stellte Taykor fest, der sein sechsbeiniges Pferd zügelte und den Dreizack aus dem Futteral auf seinem Rücken hervorzog.

Er hob den Kopf.

Von seinem Gesicht war nichts zu sehen, da es von einem Helmvisier bedeckt wurde.

Lediglich die Augen des Gottes waren sichtbar.

Sie waren rotglühend wie die Augen eines Dämons.

"Es nähert sich etwas", stellte Taykor fest. "Oder jemand…"

2

Die Erde brach auseinander. Ein Spalt bildete sich und setzte sich auf dem Boden fort, verzweigte sich immer wieder und ließ Lava an die Oberfläche quellen. Das Erdreich erhob sich und ein gewaltiges Geschöpf erhob sich. Lava und Schlacke perlten von ihm ab, fast so, als würde das Geschöpf aus dem Wasser steigen.

Ein gewaltiges Maul öffnete sich und ließ einen Feuerstrahl hervorzucken. Die Luft war jetzt schwefelgeschwängert. Ein Sterblicher hätte kaum zu atmen vermocht.

Aber die vier Götter, die sich hier zum Kampf versammelt hatten, glaubten sich gewappnet.

"Das ist der Erste von ihnen", stellte Ahyr fest. Die zweiköpfigen Löwen seines Kriegswagens scheuten ein wenig. Allein das war schon erstaunlich.

"Es wird Zeit, dass wir eine Armee aufstellen!", rief Blaakon. Seine schimmernde Sphärenbarke stieg etwas empor. Dann richtete Blaakon sein Schwert in Richtung Boden. Ein Strahl fuhr daraus hervor. Das ganze Schwert schien sich in einen Flammenstrahl zu verwandeln.

Dieser Strahl erreichte das Lavagestein, dass daraufhin verflüssigt wurde.

Krieger formten sich daraufhin aus dem glühenden Gestein.

Kompakte, trollähnliche Gestalten, die an eine durch Göttermagie lebendig gewordene Terrakotta-Armee erinnerten.

Auf einen Schwenk von Blaakons Zepter hin setzten sich diese erdgrauen, nur schwach konturierten Kolonnen in Bewegung und stürmten auf den gewaltigen, sich nun zu voller Größe aus dem Erdreich erhebenden Drachen zu.

Glühende Speere formten sich aus den Händen dieser Krieger.

Diese Glutspeere wurden Richtung des Drachen geschleudert. Magische Blitze zuckten dabei aus den glühenden Speeren heraus.

Etliche trafen den Drachen und blieben in seinen Schuppen hängen. Das gewaltige Geschöpf schüttelte sich und brüllte so laut, dass jedem Sterblichen vermutlich das Trommelfell geplatzt wäre.

Heißer, brennender Feueratem drang aus dem Drachenmaul und fegte durch die heranstürmenden Steinkrieger des Götterheeres, das Blaakon mit der puren Kraft seiner Magie erschaffen hatte.

Die Steinkrieger schmolzen reihenweise dahin.

Sie wurden zu flüssiger Lava und mischten sich mit jener Lava, die aus den Brüchen und Ritzen des Erdreichs emporquoll.

Es dauerte nur Augenblicke und von Blaakons Steinkrieger-Heer war nicht ein einziger Krieger noch existent.

Sie waren zu einer breiigen Masse geworden und wurden wieder eins mit dem Erdreich, aus dem sie entstanden waren.

"Scheint, als müssten wir selber kämpfen, ach so erhabener Blaakon!", rief Arodnap und ließ die Obsidiankeule auf den Boden donnern.

Blitze zuckten daraufhin über die Erde und dem Drachen entgegen.

Arodnap schlug erneut seine Keule auf den Boden.

Immer wieder.

Die Obsidiansplitter, die in die Keule eingearbeitet waren, begannen dabei auf magische Weise zu leuchten. Das Licht, dass sie abgaben wurde immer immer greller und greller. Es war so blendend weiß wie die Sonne. Der Drache wendete sich mit einem schmerzerfüllten Brüllen ab. Offenbar reagierten seine Augen empfindlich auf dieses Licht.

"Ja, jetzt wirst du sehen, wozu Götter im Stande sind!", rief Arodnap. Sein Gesicht hatte sich zu einer Grimasse verzerrt. Er wirkte völlig außer sich. Ein wahnsinniger, barbarischer Berserker, der sich völlig seiner Kampfeswut hingegeben hatte.

Immer wieder berührte die Obsidiankeule den Boden.

Das Licht, das von den Splittern ausging, war jetzt so grell, dass nicht nur der Drache, sondern auch die anderen Götter davon in Mitleidenschaft gezogen wurden. Die zweiköpfigen Löwen, die Ahyrs Streitwagen zogen, wurden unruhig. Ihr Brüllen hatte keineswegs jenen triumphalen, erhabenen Klang, den man sonst von ihnen gewohnt war. Sie wandten die Köpfe zur Seite.

Und auch das monströse Streitross, auf dem Taykor ritt, war durch das grelle Licht völlig außer sich. Das sechsbeinige Geschöpf stellte sich auf die Hinterhand und ruderte mit vier Paar Hufen in der Luft, während Taykor verzweifelt versuchte, sich im Sattel zu halten. Welche Schande wäre es für einen Gott wie ihn gewesen, wenn sein eigenes Reittier ihn zu Boden geworfen hätte!

Taykor berührte das sechsbeinige Pferd mit seinem Dreizack, wobei ein magischer Blitz aus der Waffe herauszuckte und das Tier so willenlos machte, dass Taykor es wieder nach Belieben zu beherrschen vermochte. So, als wäre es ein Teil seines eigenen Körpers.

Immer wieder hämmerte Arodnap mit der Keule auf den Boden.

Das Licht war so grell, das selbst die Lichtbarke von Blaakon dagegen finster erschien.

Die Blitze, die wie Spinnenbeine über den Boden krochen, sich vereinigten und wieder auseinandergingen, bildeten ein schimmerndes Netz aus zuckenden, miteinander auf eigenartige Weise verwobenen Linien aus purem Licht.

Der Drache breitete ein paar imposante Flügel aus, die bis dahin zusammengefaltet auf seinem Rücken geruht hatten.

Die magischen Blitze erfassten ihn nun und ließen ihn augenblicklich verbrennen. Er zerfiel zu Asche, die von einem aufkommenden Wind verweht wurde.

Nur Augenblicke später war da nichts mehr.

"Respekt!", rief Taykor.

"Wer hätte dem Gott des Chaos so etwas zugetraut!", lautete der Kommentar von Ahyr.

"Vielleicht habt ihr mich alle unterschätzt", erwiderte Arodnap triumphierend. Sein Kopf verwandelte sich für einen Augenblick in eine tierhafte Grimasse mit langen Hauern und einer grotesk vorgewölbten Stirn. Geifer troff an den Hauern herab während Arodnap seine Keule in die Luft warf und mit den Fäusten auf seinen fellbehangenen Brustkorb trommelte. Im nächsten Moment fing er die Obsidiankeule wieder auf.

"Wer hätte gedacht, dass diese Aufgabe so leicht war!", stieß er dann hervor, nachdem sein Gesicht wieder menschlich geworden war - ausgestattet mit einem Mund, der auch in der Lage war, Worte zu formen. "Zu leicht für Götter!"

"Wer sagt, dass die Aufgabe schon beendet ist", sagte Blaakon.

Seine Lichtbarke bewegte sich etwas seitwärts. Er deutete mit dem Schwert in die Ferne, zum Horizont. Hunderte von Drachen erhoben sich jetzt aus dem Erdreich. Überall brach der Boden auf. Die Erde erzitterte, bebte. Drachenmäuler öffneten sich und stießen Schwefelatem und Feuer aus. Gewaltige Flügelpaare entfalteten sich. Riesenhafte, turmdicke Beine setzten einen donnernden Schritt vor den andren.

Der erste Drache, den Arodnap getötet hatte, war gegenüber diesen Riesenexemplaren nur ein Winzling gewesen. Die Sonne wurde durch die gewaltigen Geschöpfe verdunkelt.

Und es waren viele.

Sehr viele.

Hunderte.

Tausende.

Abertausende.

Es wurden so viele, dass ein Betrachter den Eindruck gewinnen konnte, der Horizont selbst würde sich zum Kampf erheben.

Das Grollen und Raunen dieser Drache bildete einen Chor. Ihr Atem einen Wind schwefelhaltiger, tödlicher Gase. Die Feuerstöße aus ihren Mäulern eine immer heftiger aufflackernde Flammenwand.

Die vier Götter, die angetreten waren, um die Drachenmacht zu besiegen, wirkten konsterniert.

"Die Aufgabe ist vielleicht doch etwas anspruchsvoller, als es zunächst den Anschein hatte", stellte Ahyr fest und umfasste seine Streitaxt, während seine andere Hand die Zügel seiner zweiköpfigen Löwen hielt.

Selbst der barbarische Arodnap war angesichts der geballten Drachenmacht am Horizont erbleicht.

"Wir werden viele von ihnen vernichten", sagte er dann. "Aber wir können sie unmöglich alle töten!"

3

Der titanische Kampf - lange vor der Zeit und jenseits der Dimensionen - zwischen uralten Göttern und gewaltigen Drachen zog sich in die Länge.

Keine der beiden Seiten konnte anscheinend die Oberhand gewinnen.

Wann immer die Götter einen Drachen töteten, erhoben sich dafür vier neue aus dem aufgeschmolzenen Erdreich.

Vier Götter kämpften gegen die Abertausende von Drachen. Vier Götter, die sich einer Übermacht der gewaltigen, feuerspeienden Wesenheiten entgegenstellten.

Blaakon, der Gott der Ordnung, schwebte auf seiner Lichtbarke und richtete sein Zepter und Schwert in Richtung der angreifenden Drachen. Aus beidem drangen Feuerstrahlen, die die Drachen reihenweise verglühen ließen, noch ehe die meisten von ihnen die Flügel ausgebreitet hatten.

Arodnap, der blindwütige Gott des Chaos, der die Gestalt eines fellbehangenen Barbarenkriegers angenommen hatte, schlug mit seiner mit funkelnden Obsidiansplittern besetzten Keule auf den Boden, woraufhin Blitze zuckten, die die Drachen wie Spinnweben umfingen und sie anschließend zu Asche verglühen ließen.

Taykor, der Krieger auf dem sechsbeinigen Riesenpferd, schleuderte seinen Dreizack, der daraufhin magisch glühte und wie eine Sense durch die Reihen der heranstürmenden Drachen fegte. Anschließend kehrte diese magische Waffe wieder zurück in die ausgestreckte Hand Taykors, der sich auch Gott der Dunkelheit und Finsternis nennen ließ.

Sein Gesicht blieb hinter dem Helmvisier verborgen. Magie ließ den Dreizack den Weg zurück in seine ausgestreckte Pranke finden. Und Magie war es auch, die ihn anschließend wieder den Feinden entgegen schleuderte.

Ahyr trieb seinen Kriegswagen voran. Aus den Mäulern der zweiköpfigen Löwen, die diesen Wagen zogen, drang ein schwarzer Hauch aus insektenschwarmartigen Teilchen, die die Drachen einhüllten und vernichteten. Sie zerfraßen sie, so als würden diese winzigen Teilchen in Wahrheit aus kleinsten, gierigen heuschreckenähnlichen Geschöpfen bestehen, die ihren Hunger stillten.

Ahyr schwang dabei seine Streitaxt.

Es war eine monströse Waffe mit doppelter Klinge.

Der Gott des Lichts ließ den Stiel der Axt in seiner Hand um die eigene Achse drehen - und das auf eine Weise, die vollkommen jeglichen Naturgesetzen zu widersprechen schien. Aber an Dinge wie Naturgesetze war ein Wesen wie Ahyr nicht derselben Weise gebunden wie die Sterblichen. Die doppelte Axtklinge drehte sich wie ein Windrad. Ahyr brüllte magische Worte in einer Sprache, die selbst gemessen an den uralten Göttern alt war. Eine magische Sprache, mit der sich Materie beherrschen ließ und die in der Lage war, die Elemente selbst zu gehorsamen Dienern zu machen.

Die sich wirbelnd drehenden Axtklingen erzeugten Funken aus gleißendem Licht. Ein Feuerregen ging von dieser Axt aus und wo immer einer dieser magischen Funken auf einen Drachen traf, wurde dieser vernichtet.

Der Geruch von Schwefel hatte zunächst überall in diesem öden, steinigen Vulkanland geherrscht.

Schwefel, der durch den Atem der Drachen entstand - und manchmal auch einfach durch die Erdritzen empordrang.

Aber jetzt begann ein anderer Geruch vorherrschend zu werden.

Es war der Gestank von verbranntem Drachenfleisch.

4

Die Übermacht war unendlich groß. Um ihr zu begegnen, schufen die vier Götter immer wieder Heere, die sie unterstützten. Krieger, die sich dem Stein erhoben und blindwütig gegen die Drachen stürmten. Manche dieser Krieger waren mit der Kraft einer dunklen Göttermagie aufgeladen, sodass sie einen Drachen töten konnten, sobald sie ihn auch nur berührten. Die meisten dieser trollähnlichen, im wahrsten Sinn des Wortes aus dem Boden gestampften Kreaturen wurden bereits vernichtet, ehe sie ihren Drachenfeinden überhaupt nahe genug kommen konnten, um die Kräfte, die man ihnen eingegeben hatte, überhaupt wirksam werden lassen zu können.

Sie verbrannten in den Feuerstößen, mit denen die Drachen sie versengten. Oder wurden einfach von den mächtigen Pranken der Drachen erfasst und fortgeschleudert.

“So werden wir sie auf Dauer nicht besiegen”, meinte Blaakon schließlich resigniert. Der Gott der Ordnung war mit seiner Lichtbarke emporgestiegen, um sich einen besseren Überblick über das Schlachtgeschehen zu geben.

Die Horden der Drachen waren so zahlreich, dass man inzwischen glauben konnte, dass ganze Land bestünde nur aus aneinandergedrängten Drachenkörpern, die sich nach und nach erhoben, um gegen vier Götter in den Krieg zu ziehen. Ein einziges lebendiges Gewimmel war da unter ihnen und Schwaden von schwefeligen Dämpfen stiegen von dieser Drachenbrut empor.

Blaakon entschied sich dazu, einen mächtigen Zauber anzuwenden.

Einen Zauber, den er hatte vermeiden wollen, denn es gab keine Magie ohne Nebenwirkungen.

Und die häufigste Nebenwirkung jeglicher Magie war die Erschöpfung desjenigen, der sie anwendete.

Kräfte sind kostbar, so hatte Blaakons Maxime immer gelautet. Man durfte sie nicht verschwenden. Wer Kräfte unnötig verschwendete, ging das Risiko ein, dass irgendjemand den Augenblick der Schwäche bei einem erkannte - und ausnutzte.

Aber es gab keine andere Möglichkeit, erkannte Blaakon.

Die Drachen waren zu mächtig.

Der Kampf würde sich sonst über Äonen hinziehen und wahrscheinlich bis zur völligen Erschöpfung beider Seiten andauern.

Blaakon steckte sein Schwert ein und ließ das Zepter hinter seinem Gürtel verschwinden. Stattdessen streckte er seine Hände aus. Seine Augen begannen zu glühen. Seine Hände ebenfalls. Fledermausähnliche Geschöpfe - keines von ihnen größer als ein Finger - drangen in großer Zahl aus Augen und Händen des Gottes und bildeten einen Schwarm gleißender Fledertiere. Diese teilten sich mehrfach, um schon im nächsten Moment zu gleicher Größe wieder heranzuwachsen.

Innerhalb von Augenblicken wuchs dieser gleißende Schwarm daher unübersehbar an. Dann stürzte sich der Schwarm auf die Drachen. Dabei teilten sich die gleißenden Fledertiere immer wieder aufs Neue.

Die Drachen hatten diesem Schwarm nichts entgegenzusetzen.

Sie verbrannten unmittelbar nach einer Berührung mit diesen Wesenheiten.

Die Lichtfledertiere flogen oft einfach durch die massigen Drachenkörper hindurch und hinterließen eine Spur aus Brand und Drachenblut.

Der Schwarm teilte sich und bildete einen weiteren Schwarm. Und diese beiden Schwärme teilten sich schon nach kurzer Zeit ebenfalls, so wie auch jedes einzelne dieser schwirrenden Wesen, deren Flügelschläge so schnell waren, dass ein sterblicher ihre Gestalten nicht hätte erkennen können.

Die Anzahl der Drachen, die zur gleichen Zeit aus dem Erdreich emporwuchen, konnte mit dem Wachstum von Blaakons magischen Schwärmen nicht mithalten.

Die Drachenmacht wurde zusehends in ihre Schranken gewiesen.

“Mein Respekt vor dem Gott der Ordnung”, stieß Arodnap, der Gott des Chaos, bewundernd hervor, als er sah, wie sehr die Drachen innerhalb einer (zumindest gemessen an den Maßstäben der Götter) recht kurzen Zeitspanne dezimiert worden waren.

Arodnap stützte sich auf die Obsidiankeule.

Warum sich weiter verausgaben, wenn es nicht nötig war?, dachte er und sah zu, wie Blaakon von seiner schwebenden Lichtbarke aus der Drachenmacht Einhalt gebot.

5

Es dauerte noch eine geraume Weile, bis kein Drache mehr lebendig war. Bis zum Horizont häufte sich die Asche, zu der sie durch die Magie der Götter verbrannt worden waren. Hin und wieder war ein halber Kadaver übrig geblieben.

Ein gespenstischer Anblick.

“Die Aufgabe ist erfüllt”, sagte Taykor und steckte den Dreizack in das Futteral auf seinem Rücken. Der Gott der Finsternis öffnete sogar das Helmvisier.

Sein Gesicht lag allerdings trotzdem im Schatten.

Nur seine Augen glühten auf eine Weise, die Taykor eigen war.

“Ich glaube nicht, dass wir sie schon besiegt haben”, meinte Arodnap. Er kniete nieder und beugte sich dann zum Boden. Er legte ein Ohr an die Erde. Dann schlug er mit der Obsidiankeule auf den Boden. Diesmal bildeten sich keine Blitze, sondern sprühende Funken. Der Laut der dabei entstand war dumpf. “Da ist noch was”, glaubte er. “Es ist so, wie ich schon einmal zu euch gesagt habe: Wir können diese Drachen nicht alle besiegen. Das ist unmöglich. Es werden immer wieder aufs Neue einige von ihnen heranwachsen - und zwar schnell, dass wir mit dem Töten nicht hinterherkommen.”

Blaakon ließ seine Lichtbarke herabgleiten. Dann verließ der Gott der Ordnung dieses magische Gefährt sogar und stieg mit seinen Götterfüßen über den an vielen Stellen aufgebrochenen und rissigen vulkanischen Untergrund,.

Sein Blick blieb an einer Stelle haften.

Lichtstrahlen drangen aus Blaakons Augen und trafen auf das Gestein. Sie schmolzen es allerdings nicht auf, wie man es angesichts der außerordentlichen magischen Energien hätte erwarten können, die Blaakon zu eigen waren. Stattdessen drangen sie in die Tiefe vor.

Nach einigen Momenten verebbten die Strahlen aus Blaakons Augen.

Sein Gesichtsausdruck verfinsterte sich,

“Ja, unser ungehobelter Freund Arodnap hat leider vollkommen Recht.” Blaakon deutete auf den Boden zu seinen Füßen. “Dort unter uns, in den tiefsten Tiefen, die man sich nur vorstellen kann, regt sich etwas.”

“Was genau hörst du?”, wollte Taykor wissen.

“Den Herzschlag von Wesen, die - selbst gemessen an uns Göttern - gewaltig sind”, gab Arodnap Auskunft. “Sie sind zu Abertausenden da unten unter der Erde. Und ihr Zorn auf uns kennt keine Grenzen.”

“Kein Wunder - wo wir so viele von ihnen getötet haben!”, meinte Blaakon.

“Hörst du diesen ominösen Herzschlag auch?”, wollte Taykor wissen.

“Ich habe in die Tiefe GESCHAUT”, sagte dieser. “Und ich habe ihn GESEHEN.”

“Und du, Ahyr? Oder bist du zu sehr damit beschäftigt deine Löwen ruhig zu halten, die dich wahrscheinlich insgeheim am liebsten verspeisen würden, weil du sie so selten fütterst!”

“Meine Löwen sind unruhig, weil sie spüren, dass die Gefahr noch nicht vorüber ist”, sagte Ahyr. “Sie riechen die Drachen. Sie riechen den Schwefelatem, der aus den Spalten der Erde steigt. Und sie hören den Herzschlag der Bestien. Setz deinen albernen Helm ab, Taykor! Dann bist du nicht länger der einzige Taube unter den Göttern!”

Arodnap lachte.

Blaakon verzog nur ein wenig das Gesicht und hob eine Augenbraue. Sein Bart begann für einen Moment auf göttliche Weise zu leuchten.

Dann vollführte er eine ruckartige Bewegung.

“Da nähert sich jemand”, stellte er fest.

6

Eine graue Gestalt war erschienen. Niemand unter den Göttern hatte diese Gestalt kommen sehen. Niemand hätte erklären können, wie die graue Gestalt so plötzlich her gelangt war.

“Sieh an, ein Bekannter”, stellte Blaakon fest. “Was führt den Grauen Luun hier her?”

“Eine gute Frage”, meinte Taykor.

Es gab die Elben, deren Magie nach und nach immer schwächer geworden war - und es gab die Elfen, deren Magie demgegenüber so stark geworden war, dass sie sich irgendwann kaum noch in einer Welt dauerhaft und in stabiler Existenz zu halten vermocht hatten.

Und es gab die Grauen Elfen, von denen man sagte, dass sie sich mit Vorliebe in die Angelegenheiten der Menschen einzumischen pflegten, weil sie daraus irgendeine Art des Vergnügens zogen.

“Dass Graue Elfen sich auch in die Angelegenheiten der Götter einmischen, ist mir neu”, stellte Ahyr fest. “Was willst du von uns, Grauer Luun?”

Der Graue lächelte hintergründig.

“Ich denke, es gibt einigen Anlass, sich einzumischen” sagte der Graue Elf.

“Es steht dir nicht zu, dich in die Angelegenheiten der Götter zu mischen”, sagte Ahyr.

“Die Angelegenheiten der Menschen und die der Götter sind manchmal nicht voneinander zu unterscheiden”, erklärte Luun. “Indem ich mich in diesen Kampf einmische, mische ich mich in erster Linie in die Angelegenheiten der Menschen ein. Denn sie werden in diesem Land nicht einmal dann überleben können, wenn ihr so freundlich seid und ihnen eine Mauer baut, die sie vor den Drachen schützt!”

“Die Angelegenheit mit den Drachen ist erledigt”, sagte Taykor. “Wir haben sie besiegt.”

“Ich wette, dass alle deine Göttergefährten die Herzschläge der unter der Erde schlummernden Drachen gehört haben. Nur du nicht, weil du deinen Helm nicht absetzen wolltest! Nein, euer Gegner ist nicht besiegt. Was ihr jetzt erlebt, ist nur eine Kampfpause in einem Krieg, der ewig andauern wird. Ihr habt keine realistische Chance, die Drachen zu besiegen. Selbst mit all eurer Magie und all euren göttlichen Fähigkeiten seid ihr dazu nicht in der Lage.”

“Es gibt keine Macht, die den Göttern zu trotzen vermag”, behauptete Taykor.

“Da wäre ich mir nicht zu sicher”, erwiderte Luun. “Aber sei’s drum! Es mag sein, dass die Drachen euch nicht zu besiegen vermögen - aber ihr sie auf Dauer eben auch nicht. Dieser Kampf wird sich übe Äonen hinziehen, bis eine Seite erschöpft ist. Und ich wäre mir da nicht zu sicher, dass das die Seite der Drachen ist.”

Taykor nahm jetzt tatsächlich seinen Helm ab. Er kniete nieder, was an sich für einen Gott schon einmal sehr ungewöhnlich war. Aber anders hätte er unmöglich sein Ohr an den Boden legen können. Selbst Göttern sind hin hin und wieder natürliche Grenzen gesetzt.

Als sich sein Ohr am Boden befand, veränderte sich sein Gesichtsausdruck.

Fast so etwas wie Verstörung zeichnete sich darin ab.

Die Augen glühten dämonisch auf.

Taykor stieß einen dumpfen Knurrlaut hervor, der mehr an ein wildes Tier, als an einen Krieger erinnerte.

“Ich weiß, dass es dir schwerfällt es zuzugeben: Aber ich habe doch recht, nicht wahr?”, sagte Luun. “Nun, ich hätte mich nicht hierher bemüht, in diesen entlegenen Winkel einer entlegenen Welt in einer entlegenen Dimension des Multiversums, wenn es da nicht eine Lösung gäbe, um euer Problem zumindest zeitweilig zu entschärfen. Ich sage bewusst nicht, um es zu lösen, denn eine dauerhafte Lösung gibt es nicht.”

“Und da bist du dir so sicher?”, knurrte Taykor finster und setzte sich den Helm wieder auf. Manche sagten, dass jeder, der sein Gesicht sah, unweigerlich wahnsinnig wurde, und da Taykor zwar möglicherweise selbst wahnsinnig war, es aber hasste, von anderen Wahnsinnigen umgeben zu sein, hatte er es sich zur Angewohnheit gemacht, einen Helm zu tragen. Zumindest, wenn er in Gesellschaft anderer war.

Aber gewiss galt die Gefahr des Wahnsinns beim Anblick von Taykors Gesicht wohl nur für gewöhnliche Sterbliche. Nicht für andere Götter. Und auch nicht für jemanden wie Luun. Was die Grauen Elfen betraf, so wusste ohnehin niemand so genau, welche Regeln eigentlich für sie galten. Sie wechselten allerdings so häufig und unvermittelt zwischen den verschiedenen Dimensionen des Multiversums, dass dies ohnehin nicht weiter von Belang war.

“Die Drachen werden immer wieder aus der Tiefe emporsteigen, um euch doch noch zu besiegen!”

“Was aussichtslos ist!”, erklärte Taykor.

“Ja, so aussichtslos wie eure Absicht, diesen Kampf irgendwann endgültig beenden zu können.” Luun zuckte mit den Schultern. “Es ist bedauerlich, aber ihr solltet euch den Tatsachen am besten einfach stellen, und versuchen, euch darauf einzurichten.”

“Und was soll das in diesem Fall genau heißen?”, mischte sich jetzt Blaakon ein.

Der Gott der Ordnung war in seine Lichtbarke zurückgekehrt und es war für die anderen Götter bis zu diesem Zeitpunkt kaum erkennbar, in wie fern er das Gespräch zwischen Luun und den anderen Göttern überhaupt verfolgt hatte.

Eine gewisse Abgehobenheit schien für Blaakon durchaus charakteristisch zu sein.

“Der Graue Elf soll sich aus unseren Angelegenheiten heraushalten und meinetwegen die Sterblichen mit seiner Anwesenheit in Erstaunen versetzen”, knurrte Ahyr. “Ich bin seiner Anwesenheit überdrüssig.” Ahyr machte eine Bewegung mit der Hand, so als wollte er Luun damit hinwegscheuchen. Bei vielen anderen Geschöpfen, wäre Ahyr dies zweifellos auch gelungen, denn diese Bewegung war von starken magischen Kräften begleitet.

Aber Luun hielt stand. Ihm schienen die Kräfte des Gottes nichts anhaben zu können - oder er ließ es sich nur nicht anmerken. Das konnte man bei Luun nicht so genau sagen. Und obgleich jeder der vier Götter dem Grauen Elf schon bei anderer Gelegenheit begegnet war, hätte keiner von ihnen das wirklich einzuschätzen vermocht.

“Versuch nicht, mich einfach aus dieser Existenzebene des Multiversums zu verbannen”, sagte Luun. “Das ist doch deiner unwürdig. Du könntest ebenso gut deinen Kopf in den Sand stecken, vorausgesetzt, es gäbe in diesem öden Land so etwas wie Sand. Nein, auch wenn ihr es nicht gerne hört und es euch davor graut, dass ich es offen aussprechen: Ihr braucht Hilfe!”

“Pah!”, machte Taykor und schwang sich wieder auf sein riesenhaftes sechsbeiniges Pferd, das wie zur Unterstützung der Aussage seines Herrn und Meisters einen durchdringenden Laut von sich gab.

“Vielleicht sollten wir zuhören, was der Graue Elf für einen Vorschlag zu machen hat”, meinte nun Arodnap. “Ablehnen können wir das dann dann immer noch.”

“Oder bis in alle Ewigkeit gegen eine unermesslich große Drachenhorde kämpfen”, gab Luun zurück. “Wie ich schon erwähnte, habe ich mich dazu entschlossen, meinen Einfluss in dieser Angelegenheit geltend zu machen. Nicht um euretwillen. Was euch vier betrifft, so wäre es vielleicht sogar ganz gut, wenn ihr die nächsten Äonen auf diesem öden Schlachtfeld verbringen würdet. Ich habe jemanden herbeigerufen. Er müsste jeden Augenblick in dieser Ebene des Multiversums ankommen. Vielleicht hat er sich etwas verspätet. Manchmal wehrt sich jemand gegen so einen Transfer.”

“Da hinten kommt jemand”, stellte Blaakon fest und sah zum Horizont.

Ein Mann näherte sich. Er hatte zwei Schwerter über dem Rücken gegürtet.

“Wer ist das?”, fragte Ahyr. “Ein Gott, den wir nicht kennen?”

“Nein, kein Gott”, sagte Luun. “Aber hat eine ganze Welt gerettet, deren Sonne durch einen Himmelskörper verdunkelt wurde und zu vereisen drohte.”

“Dann ist er doch ein Gott!”, beharrte Ahyr. “Nur Götter verfügen über derartige Kräfte.”

“Nenn ihn einen Magier”, sagte Luun. “Zweifellos ist er der größte Magier seiner Welt - auch wenn man dort im Augenblick nicht sonderlich viel Verwendung zu haben scheint. Aber das kann niemanden verwundern. Wenn die Mächte des Bösen besiegt sind, hat man für Helden im allgemeinen keine Verwendung mehr. Das ist eine Art Naturgesetz, könnte man sagen.”

“Und du denkst, er könnte uns gegen die Drachen helfen?”, fragte Arodnap.

“Sein Name ist Gorian”, erklärte Luun. “Und noch etwas solltet ihr berücksichtigen.”

“Was?”, fragte Arodnap.

“Gorian glaubt, dass er träumt. Er glaubt, dass er sich in Wahrheit in einer Stadt namens Nelbar befindet, dass er in einem der sieben Türme dieser Stadt residiert. Er glaubt, dass er sein Lager mit seiner Gefährtin, einer Heilerin, teilt und dass, wenn er aufwacht, die Menschen der Stadt ihn verehren und feiern, weil sie ihm die Rettung der Welt verdanken. Für ihn ist das hier…” Luun machte einer ausholende, allumfassende Handbewegung, “...nur ein Traum. Ein Spiel, das er nicht ernstzunehmen braucht und das sich darum von den Machtspiele seiner eigenen Existenzebene sehr deutlich unterscheidet. Wie ihr euch denken könnt, sind ihm die Mächtigen seiner Welt durchaus dankbar für das, was er getan hat. Aber zweifellos würden sie es bevorzugen, wenn er nicht länger unter ihnen weilen würde…” Luun zuckte mit den Schultern. “Es ist schon eine gewisse Tragik. Dort, wo er herkommt, scheint man zurzeit für seine immensen magischen Kräfte keine Verwendung zu haben. Aber hier hätte man Verwendung dafür.”

7

Unterdessen war Gorian nähergekommen. In gehörigem Abstand zu den vier Göttern blieb er stehen.

Seine Augen wurden für einen Moment von vollkommener Schwärze erfüllt.

Ein Ausdruck seiner Kräfte.

Er schien leicht desorientiert zu sein.

“Du brauchst nicht so zurückhaltend zu sein, Gorian”, sagte Luun. “Es hat seine Richtigkeit, dass du hier bist.”

“Ich träume”, sagte Gorian.

“Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn du das weiterhin glaubst”, sagte Luun. “Im übrigen hat es keine Bedeutung. Ein Mann träumt von einem Mann, der träumt von einem weiteren Mann, der auch träumt… Wessen Welt ist nun real? Es spielt keine Rolle, denn das Gesetz des Multiversums besagt, dass alles, was erdacht oder erträumt werden kann, irgendwo im Multiversum auch existiert.”

“Und dieser Trottel soll uns helfen?”, fragte jetzt Arodnap ungläubig. “Ich glaube, da erledigen wir die Angelegenheit dann doch lieber selbst. Auch, wenn es schwierig ist und wir vielleicht tatsächlich das eine oder andere Äon brauchen werden…”

“Vielleicht sollten wir eine Mauer bauen, die die Menschen einst vor dem Ansturm der Drachen schützen könnte”, schlug Blaakon vor. Ein Vorschlag, der vom Gott der Ordnung nicht ganz unerwartet kam. Schließlich war er auch als Schutzherr der Baumeister bekannt. Zumindest in manchen Dimensionen des Multiversums.

“Aber um eine solche Mauer zu bauen, brauchen selbst die Götter etwas Zeit”, gab Luun zu bedenken. “Und die werdet ihr nur bekommen, wenn die Drachen zumindest für eine gewisse Zeit besiegt werden und so geschwächt sind, dass sie sich für einige Zeit nicht mehr erheben. Sonst würden sie eure Mauer immer wieder aufs Neue einreißen, noch ehe, dass sie richtig entstanden wäre!”

Luun wandte sich nun an Gorian. “Tritt näher! Du magst in deiner Welt ein großer Held sein, aber du bist kein Gott. Und doch sind diese vier Götter darauf angewiesen, dass du deine Kräfte zu ihren Gunsten einsetzt.”

“Was ist das für ein Ort?”, fragte Gorian.

“Es kann dir gleichgültig sein”, sagte Luun. “Denn, sobald du diesen Kampf bestanden hat, wirst du in deine Welt zurückkehren. Diese Existenzebene des Multiversums wirst du danach vermutlich nie wieder betreten. Zumindest sehe ich nicht, dass die Konjunktionen der Kausalitäten dies vorgesehen haben oder auch nur möglich erscheinen lassen… Allerdings kann man sich in diesen Dingen nie ganz sicher sein. Das gilt selbst für jemanden wie mich.”

“Also ist es doch ein Traum.”

“Du denkst in den Maßstäben sterblicher Menschen, Gorian. Mag sein, dass du als der mächtigste Magier deiner Welt giltst, aber alles ist relativ. Und betrachtet man die Dinge aus einer übergeordneten Perspektive, dann reduziert sich manches auf ein viel unbedeutenderes Maß. Aber das braucht dich alles nicht zu kümmern. Deine Fähigkeiten sind erstaunlich genug, um an diesem Ort gebraucht zu werden. Sobald das geschehen ist, wirst du dich an einen Traum erinnern - wenn überhaupt.”

Gorian deutete auf die Götter.

“Wer sind diese Gestalten?”

“Du erinnerst dich nicht?”

“Nein.”

“Ich habe gehört, du warst mal an einem Ort, der als Reich des Geistes bezeichnet wird.”

“Woher weißt du das?”

“Ich war auch dort. Aber vielleicht hast du mich nicht bemerkt. Es ist eine vertrackte Sache mit diesen Orten, die jenseits von Raum und Zeit liegen und in denen sowohl die Zeit, als auch der Raum oder die Kausalität keine Rolle spielen. Der menschliche Geist neigt dazu, Geschehnisse zwanghaft in eine Reihenfolge bringen zu müssen. Das kann mitunter das Denken blockieren.” Luun zuckte mit den Schultern. “Es wundert mich daher nicht, dass ich dir nicht in Erinnerung geblieben bin. Und vielleicht hast du deinen Aufenthalt dort auch als eine Art magischen Traum empfunden, so wie deinen Aufenthalt hier…”

Während Luun unablässig weitersprach, musterte Gorian die Vier, die im gegenüberstanden. Einer von ihnen schwebte eher, als dass er stand.

“Es sind Götter”, sagte Luun. “Sehr alte Götter. In deiner Welt hat man sich abgewöhnt, sie anzubeten. Dort ist zurzeit der Glaube an einen namenlosen, unsichtbaren Gott vorherrschend. Aber so etwas kann sich schnell ändern, wie die Erfahrung zeigt.” Der Reihe nach stellte Luun die vier Götter vor. Die Namen kamen Gorian bekannt vor, obwohl er nicht hätte sagen können, woher er diese Namen kannte. Vielleicht war er ihnen tatsächlich im Reich des Geistes begegnet. Aber die Erinnerungen an dieses magische Reich war ohnehin so gut wie verblasst. So, wie ein Traum, an den man sich schon kurz nach dem Erwachen nur noch nebelhaft zu erinnern vermochte. “Die Götter können ihre Freude über dein Erscheinen vielleicht nicht in aller Angemessenheit zeigen”, meinte Luun mit einem spöttischen Unterton. “Und gewiss bereitet es ihrem göttlichen Stolz ein paar Probleme, dass sie von deiner Hilfe abhängig sind.”

“Pah!”, machte Arodnap und donnerte seine Obsidiankeule auf den Boden.

Spinnenartig sich fortsetzende Blitze krochen über den Boden und näherten sich Gorian.

Dieser fühlte die Bedrohung durch die Kräfte, die Arodnap freigesetzt hatte.

Gorin stieß einen Kraftschrei aus, wie er es als Schüler des Ordens der Alten Kraft gelernt hatte. Seine Augen wurden für einen Moment lang so schwarz, dass nichts Weißes mehr in ihnen zu erkennen war. Die über den Boden kriechenden Lichtblitze zogen sich augenblicklich zurück. So, als wären sie vor einer mindestens gleichstarken Gegenkraft ausgewichen.

“Tja, ich denke, ihr werdet dann schon miteinander auskommen”, sagte Luun nun. “Vor allen Dingen, sobald sich die wahre Gefahr zeigt - und das wird bald der Fall sein. Der prustende Drachenatem ist so schwefelhaltig, dass man ihn kaum ignorieren kann… Und der Herzschlag der Bestien gleicht jetzt schon einem andauernden Trommelwirbel! Es sei mir also gestattet, wenn ich mich von hier verabschiede…”

“Kommt nicht in Frage, dass du dich einfach davon machst!”, brüllte Ahyr. Er streckte eine Hand aus, aus der heraus eine Schlange aus Licht herauswuchs, die sich wie ein Fangarm um den Grauen Elf zu legen versuchte.

Aber der war schon nicht mehr da.

Entschwunden und in eine andere Ebene des Multiversums entflohen.

Darum waren Graue Elfen Meister.

Die Fangarme aus gleißendem Licht, die sich jetzt gebildet hatten, griffen ins Leere. Ahyr brüllte wütend auf.

“Komm nie wieder, Grauer Elf!”, brüllte er im Chor mit den knurrenden Lauten seiner zweiköpfigen Löwen.

“Ich glaube, es gibt im Moment ein paar andere Problem, denen wir uns widmen sollten”, stellte Arodnap fest. Er blickte zu Boden. “Spürt ihr das?”

8

In der Ferne erhob sich wieder eine Wand aus dicht aneinandergedrängten Drachen aus der Erde.

Auf den ersten Blick hätte man glauben können, dass sich ein Gebirge auffaltete. Nur wenn man genauer hinsah, konnte man sehen, dass es sich um Drachen handelte. Hin und wieder erhob sich einer von ihnen über diese Masse mit schwerem Flügelschlag sogar in die Lüfte. Der Feueratem dieser Kreaturen sorgte für einen heißen Wind.

Gorians Geruchssinn war nahezu betäubt von den schwefelhaltigen, giftigen Dämpfen, die zu ihm herüberwehten.

Lange kann das kein Mensch überleben, erkannte Gorian. Und bei allen magischen Großtaten, mit denen er seine Welt gerettet hatte: Das war er letztlich immer noch. Ein Mensch. Nicht mehr.

>Atme nicht zu tief<, dachte er. >Sonst wird dich dieser Hauch vergiften…< Er konzentrierte sich, sammelte das in sich, das man die >Alte Kraft< nannte.

Zumindest in der Welt, in der er zu Hause war.

Anderswo mochte das mit anderen Name belegt sein.

Ein Geräusch war zu hören. Es unterschied sich von den Geräuschen, die von der herannahenden Front der Drachen herkamen, die einer unaufhaltsamen Welle glichen.

Gorian brauchte einen Moment, um zu erkennen, dass das andere, noch bedrohliche Geräusch tatsächlich von unten kam.

Ein Riss entstand plötzlich in der Erde und wurde rasch breiter.

Ein Spalt tat sich auf.

Arodnap machte einen Sprung, um diesen Riss zu entkommen. Blakoon schwebte mit seiner Lichtbarke einfach ein Stück empor.

Aber Gorian hatte zu lang gezögert.

Der Boden wurde ihm buchstäblich unter den Füßen fortgezogen. Der Untergrund bröckelte, der Spalt breitete sich sich so schnell aus, dass er sich nicht in Sicherheit bringen konnte.

Unter ihm gähnte ein Abgrund.

Gorian stürzte in die Tiefe, wo unzählige gierige Drachenmäuler nur darauf warteten, nach ihm zu schnappen. Drachenhälse reckten sich empor. Mit rudernden Bewegungen ihrer mächtigen Pranken, Schwänze und Flügel versuchten diese urtümlichen Geschöpfe an die Oberfläche zu gelangen. Ihre unterirdischen Bewegungen mussten die Bildung des Spalts ausgelöst haben.

Heiße Schwefeldämpfe kamen in dicken Schwaden empor.

Gorian stieß einen Kraftschrei aus, während er in die Tiefe stürzte. Gleichzeitig zog er die beiden Schwerter aus den Futteralen, die er über den Rücken gegürtet trug.

Sternenklinge und Schattenstich, die beiden Schwerter, die sein Vater in jener Nacht aus Sternenmetall geschmiedet hatte, als Gorian geboren wurde.

Die Schwerter stießen Strahlen aus Schwarzlicht hervor, die das Drachenfeuer aus den Schlünden der Ungeheuer augenblicklich löschten.

Die Finsternis breitete sich aus.

Sie hüllte auch Gorian innerhalb eines weiteren Moments vollkommen ein.

Er fiel ins Bodenlose.

9

“Gorian!”

Wie aus weiter Ferne drang diese Stimme an sein Ohr.

Es war eine vertraute Stimme.

Sie gehörte Sheera, seiner Gefährtin.

Er schlug die Augen auf.

Dann sah er sie im Halbdunkel der Nacht.

Das Licht des Mondes und der Sterne drang durch die Fenster jenes Turms, in dem sie wohnten, seit Morygor, der Herrscher des Bösen, besiegt worden war und der Schattenbringer nicht mehr die Sonne verdunkelte und sich das eisige Reich weiter auszubreiten vermochte.

Der Turm war einer der sieben Türme von Nelbar.

Gorian spürte Sheeras Berührung.

>Sie hat die Macht einer Heilerin eingesetzt<, erkannte er. Das Mondlicht spiegelte sich nicht in ihren Augen. Die waren vollkommen dunkel - wie es auch zu erwarten war, wenn man die Alte Kraft einsetzte.

“Was war, Gorian?”

“Es… war nichts….”

“Das ist nicht wahr!”

“Es ist vorbei.”

“Hast du geträumt.”

“Ja.”

“War es wieder einer dieser besonderen Träume?”

Gorian zögerte mit der Antwort. “Ja”, sagte er schließlich.

“Du hast geglaubt, in einer anderen Welt zu sein?”

“Ja.”

Gorian stand auf, plötzlich von einem Impuls getrieben.

“Wo gehst du hin, Gorian?”

Er gab ihr keine Antwort. Stattdessen ging er in einen der benachbarten Räume. Dorthin, wo die beiden Schwerter aufbewahrt wurden, die beim Kampf gegen Morygor eine so entscheidende Rolle gespielt hatten. Sie lagen auf einem Steinblock. Wie aufgebahrte Reliquien.

Seit Gorian den Schattenbringer vertrieben hatte, hatte er diese Klingen nicht mehr angerührt. Sie lagen hier seitdem und Gorian hatte eine gewisse Scheu, diesen Raum zu betreten, geschweige denn, die Klingen zu berühren oder zu tragen. Zwei magische Schwerter. Das eine hatte sein Freund Torbas getragen, der zu seinem Feind geworden war.

Aber Torbas war tot und die Schwerter waren seitdem in seinem alleinigen Besitz.

Zögernd streckte Gorian die Hände aus.

Er berührte beide Klingen.

Sternenklinge und Schattenklinge.

Ein Schauder überkam ihn, als er das Sternenmetall berührte, aus dem sie geschmiedet worden waren. Er fühlte im Moment vor allem Erleichterung. Erleichterung darüber, dass die Klingen noch hier, an ihrem Ort waren - und sich nicht im Schlund irgendeines Drachen in einer anderen Welt befanden.

>Vielleicht war der Traum tatsächlich nur ein Traum<, dachte er. >Die Schwerter sind an ihrem Ort und ich bin nicht in den Schlund der Erde gefallen, wo unzählige Drachenmäuler darauf warteten, mich zu verschlingen…<

Aber dann nahm Gorian plötzlich etwas wahr.

Etwas, ihm bekannt vorkam.

Eine Präsenz.

Anders konnte er es nicht beschreiben.

>Ist da nicht ein leichter Schwefelgeruch in der Luft oder bilde ich mir das ein?<

Gorian lief hinaus ins Freie, bis zu den Turmzinnen, von wo aus man über die an der Mündung des Flusses Bar gelegene Stadt Nelbar blicken konnte. Im Süden rauschte das Laramontische Meer, im Norden befanden sich die bewaldeten Hügel Oquitoniens. Bis hierher war das Eis, das Morygor und der Schattenbringer über Ost-Erdenrund gebracht hatten, niemals vorgedrungen.

Salzgeruch lag in der Luft.

Das Salz des Meeres.

>Und der Schwefel eines Drachen!<, ging es Gorian durch den Kopf. Er ging die Zinnen entlang, ließ suchend den Blick schweifen.

Und sah er ihn.

Einen gewaltigen Drachen.

Er schwebte über dem Laramontischen Meer - ein Geschöpf, so gewaltig, wie eine ganze Stadt. Der Flügelschlag war ruhig. Das Mondlicht strahlte ihn an. Das Wasser des Meeres glitzerte im Mondlicht, aber dort, wo der Drache in der Luft flog, war ein gewaltiger, dunkler Schatten.

>Kein Zweifel, es ist ein Drache von der Art, wie ich sie in jener anderen Traumwelt gesehen habe, wo uralte Götter gegen sie kämpften…<

Eine schwefelhaltige Brise wehte herüber.

Ein fauliger Geruch des Todes.

“Gorian, was machst du hier?”, hörte er Sheeras Stimme.

Er drehte sich zu ihr um und deutete dabei in Richtung des Drachen.

“Siehst du nicht, was da ist, Sheera?”, fragte er.

“Eine dunkle Wolke, die den Mond verdeckt”, sagte Sheera. “Oder was meinst du?”

Gorian sah wieder in Richtung des Drachen.

Doch der war nicht mehr so eindeutig zu sehen. Nur ein Schatten. Wolken vielleicht. Irgendetwas, was alles mögliche sein konnte.

“Da war ein Drache”, sagte Gorian.

“Ich kann ihn nicht sehen”, beharrte Sheera.

“Es war einer jener Drachen, die mir in meinen Träumen begegnet sind.”

“Da ist du dir sicher?”

“Ja.”

“Aber da ist nichts…”

“Nichts mehr!”

“Gorian…”

“Riechst du den Schwefel nicht?”

“Die Waschfrauen hier in Nelbar benutzen sehr unappetitliche Dinge, um Kleider zu reinigen, Gorian!”

Gorian schluckte. Hatte er sich das nur eingebildet? War er dabei, dem Wahnsinn zu verfallen?

Oder verfolgten ihn Wesen aus einer anderen Welt? Wesen, die durch vielleicht durch das, was er getan hatte, angelockt worden waren. Denn der Schattenbringer hatte nur durch die Entfaltung gewaltiger Kräfte vertrieben werden können. Es war gut möglich, dass diese Vorgänge nicht unbemerkt geblieben waren…

“Komm wieder rein und versuch zu schlafen”, sagte Sheera.

“Ich glaube nicht, dass ich in dieser Nacht noch Schlaf finden werde”, gab Gorian zurück.

ENDE

AXTKRIEGER – Der Namenlose

Fantasy Roman von Alfred Bekker

Der Umfang dieses Buchs entspricht 229 Taschenbuchseiten.

Kryll, der junge König von Pragan ist ohne Macht. Sein Reich ist mehr oder weniger auseinandergefallen und wird von außen bedroht. Da bietet der geheimnisvolle Namenlose, eine düstere, von einer Kutte verhüllte Gestalt, die eine monströse Streitaxt mit sich führt, dem jungen König seine Hilfe an. Der Namenlose behauptet, ein Diener des Schattenlandes zu sein und verspricht ihm Hilfe durch die Schattenkrieger, deren Arme nie erlahmen. Viel zu spät bemerkt Kryll, dass er längst ein Spielball jener Kräfte geworden ist, die er selbst gerufen hat... Und so vollzieht sich im Verlauf der Handlung eine doppelte Wandlung: Kryll wird immer mehr zu einer Kreatur des Schattenlandes, während sich der Namenlose mehr und mehr seiner verschütteten Menschlichkeit erinnert.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author

© dieser Ausgabe 2015 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

www.AlfredBekker.de

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Erstes Buch: KRYLL

"Es war im Jahre 7462 nach Gründung der Stadt Ilkyn, als Kryll von Arkull den Thron von Pragan, dem großen Inselreich im Norden, bestieg. Die hohen praganischen Lords hatten Kryll auf ihrer Versammlung in Wallana zum Nachfolger ihres Königs Hangi gewählt, der in seiner Heimatstadt Thront einem Giftattentat zum Opfer gefallen war. Die Mehrzahl der Lords vermutete, dass die Drahtzieher dieses Anschlags im Königreich Remur zu suchen waren, aber dies konnte nie bewiesen werden.

Der Thron von Pragan war keine leichte Aufgabe, denn das Land war arm. Auf der von einem rauen, kalten Klima gezeichneten Insel konnte man kaum etwas anbauen. So mussten die Praganier oft Raubzüge unternehmen, welche sie vor allem nach Remur, Naru und Dagarien führten. Die praganischen Schiffe waren die Schrecken der Meere und natürlich trugen sie nicht zu guten Beziehungen mit den Nachbarländern bei..."

(Aus der GESCHICHTE DER WELT, einem Werk des Geschichtsschreibers Yulariz aus Kroz Dor)

1. DIE GESANDTEN

Wild donnerte die Brandung gegen die Felsen, auf denen Burg Arkull errichtet war.

Kryll, der neue König von Pragan, hatte es abgelehnt, seine Residenz in die Landeshauptstadt Wallana zu verlegen. Er wollte auf seiner Heimatburg bleiben.

Die Sonne stand schon tief am Horizont, als die kleine Gruppe von Reitern sich der Burg näherte. Es waren alles schwerbewaffnete Krieger, die in fremdartige Gewänder gehüllt waren. Kunstvolle Ornamente zierten ihre Rüstungen.

"Herr!", sagte einer der Männer zu dem offensichtlichen Anführer der Gruppe. "Herr, der Karte nach muss dies Burg Arkull sein!"

"Ja", kam die missmutige Antwort.

"Graf Yakurul, ich schlage vor, dass wir jemanden vorausschicken, der unsere Ankunft ankündigt!"

Der Graf drehte sich zu dem Sprecher herum.

"Ich glaube kaum, dass dies nötig sein wird, Lirahat!"

"Vielleicht lauert in diesem alten Gemäuer eine Falle", erklärte Lirahat jetzt in gedämpftem Tonfall.

Die Züge Yakuruls veränderten sich.

"Niemand würde es wagen, den Botschafter und Vertrauten des Königs von Remur anzugreifen! Nicht einmal Kryll von Arkull ist so eine verwegene Tat zuzutrauen!"

"Die Praganier haben schon ganz andere Dinge gewagt! Wyllck, Kruss, Doban, Kenun - fast jede unserer großen Küstenstädte ist schon von praganischen Piraten angegriffen worden! Ihre Schiffe will man seit einiger Zeit auch an den Küsten von Kroz und Lukkare gesichtet haben. Seit auf der Hut, Herr! Die Praganier gehören zum Hinterlistigsten, was die Götter geschaffen haben!"

Yakurul schüttelte trotz allem den Kopf.

"Wir sind in Sichtweite der Burg, Lirahat. Wenn man uns etwas hätte tun wollen, dann wäre das schon längst geschehen."

Lirahat wagte es nicht, dem Grafen ein weiteres Mal zu widersprechen. Doch ihm war anzusehen, dass er mit dessen Ansichten nicht übereinstimmte.

"Die Burg sieht wirklich sehr alt aus", meinte eine der anderen Männer fast ehrfürchtig.

Und jemand anderes setzte hinzu: "Seit über 500 Jahren residieren hier die Lords von Arkull!"

Diese Burg musste wirklich schon seit Urzeiten hier stehen, dachte Yakurul.

Und doch machten ihre massiven Mauern einem sofort klar, dass sie einem Angriff ohne Weiteres standzuhalten vermochte.

Einige wenige Wachen patrouillierten hinter der Brustwehr auf und ab.

Der Reitertrupp kam jetzt den schmalen Felspfad empor, der zum Burgtor führte.

Sie erreichten den Burggraben, über den nur die im Augenblick hochgezogene Zugbrücke führte. Der Graben war nichts anderes, als eine Spalte im Fels - aber er erfüllte seinen Zweck nur zu gut.

Yakurul wagte es nicht, hinab in den Abgrund zu schauen. Stattdessen hob er den Kopf.

"Lasst die Brücke herunter und macht das Tor auf!", rief der Graf.

Eine Wache blickte über die Brüstung.

"Wer seid Ihr?"

Der Ton war misstrauisch, aber nicht unfreundlich.

"Ich bin Graf Yakurul, der Botschafter des Königs von Remur. Ich muss mit Eurem König sprechen!"

Der Wächter nickte.

"Ich werde den König fragen, ob er Euch Einlass gewährt, Graf!" Damit war er dann verschwunden.

"Vielleicht ruft er nur seine Leute zusammen, um uns gefangenzunehmen", raunte Lirahat.

"Wir müssen abwarten!", zischte der Graf ungehalten. Er klopfte den Nacken seines Pferdes. "Zu viel Misstrauen kann schaden, mein Freund!"

"Aber wenn man zu wenig davon hat, kann das zuweilen tödlich sein, Graf Yakurul", erwiderte Lirahat.

Der Graf wollte etwas entgegnen, doch kam in diesem Moment der Wächter zurück.

"Der König erlaubt Euch, in der Burg zu verweilen! Ihr seid seine Gäste! Ich werde nun die Brücke hinunterlassen!"

"Richtet Eurem König aus, wie dankbar ich ihm bin!", rief Yakurul dem Wächter zu.

Doch dieser war bereits wieder verschwunden.

Knarrend und ächzend, mit lautem Stöhnen und Quietschen, kam nun die Zugbrücke herab.

Als sie unten war, ging das Tor auf.

Yakurul erschien die Brücke als reichlich morsch und ihm war im ersten Moment nicht wohl bei dem Gedanken, sie überqueren zu müssen.

Die Brücke ächzte zwar bedenklich, als der Graf sie mit seinem Gefolge passierte, aber sie hielt.

Dann erreichten sie den Burghof, der auf Yakurul jetzt größer wirkte, als er von außen vermutet hatte.

"Jetzt werden wir sehen, ob es sich nicht doch um eine Falle handelt", wisperte Lirahat in remurischer Sprache, damit die Praganier nichts mitbekamen. Der Graf erwiderte nichts.

Merkwürdig, dachte er, von innen sieht Burg Arkull gar nicht so verfallen und ruinenhaft aus. Der äußere Anschein trog, daran gab es keinen Zweifel.

Ein Knecht half dem Grafen geschickt aus dem Sattel.

"Um Euer Pferd kümmern wir uns! Ebenso um die Pferde derer, die mit Euch gekommen sind!"

Yakurul nickte dem Knecht zu.

"Gut! Bringt mich nun in mein Quartier!"

Die Worte des Grafen klangen zufrieden. Lirahat trat an seine Seite.

"Seid vorsichtig, mein Graf! Überall könnte hier der Tod lauern!"

"Das glaube ich nicht, Lirahat!"

"Aber..."

"Seht lieber zu, dass Ihr unsere Gastgeber nicht beleidigt, denn in diesem Fall könnte diese Burg tatsächlich zu einer Falle werden. Zu einer tödlichen Falle..." Yakurul wandte sich wieder an den Knecht. "Geh voraus und zeige mir das Quartier, das dein Herr mir zugedacht hat."

Der Knecht nickte untertänig.

"Mein Graf! Ihr könnt unmöglich von mir erwarten, dass ich Euch mit diesem...", er deutete mit einer abfälligen Bewegung auf den Knecht, "...diesem Kerl hier alleine lasse!"

Einen Moment lang blickte Yakurul sein Gegenüber scharf an. So scharf, dass Lirahat fast zusammenzuckte.

Der Graf wandte sich wieder an den Knecht.

"Nun komm schon! Zeig mir jetzt endlich das Quartier!"

Yakurul wandte sich zum Gehen.

"Mein Graf!", rief Lirahat.

"Was ist noch?"

Der Graf bemühte sich, trotz allem freundlich zu bleiben.

Trotzdem schlich sich eine Spur Ungehaltenheit in seinen Tonfall hinein.

"Ich bestehe darauf, Euch zu begleiten!"

Yakurul nickte.

"Kommt mit, wenn Ihr es für nötig haltet!"

Zusammen folgten sie dann dem Knecht.

*

Sie wurden in einen schlicht, aber geschmackvoll ausgestatteten Raum geführt. An den Wänden hingen mit Ornamenten verzierte Teppiche. In der Mitte stand ein Tisch mit zwei Stühlen. In einer Ecke war ein weiches Lager zum Schlafen zu sehen.

"Nicht ganz das, was ich aus Remur gewohnt bin - aber ich werde mich hier wohlfühlen", meinte Graf Yakurul, wobei er sich auf das Lager warf.

"Hier..."

Der Knecht deutete auf eine kunstvoll gearbeitete Glocke, die auf dem Tisch ihren Platz hatte. "Wenn Ihr etwas braucht, dann läutet nur!"

"Danke. Du kannst jetzt gehen!", gab der Graf zurück. Der Knecht verneigte sich und verließ den Raum.

"Warum seid Ihr nur so misstrauisch, Lirahat! Hier sind doch alle sehr freundlich zu uns, oder etwa nicht?"

"Warten wir erst einmal ab, wie der König sich verhält. Er hat es es hier zu sagen - nicht dieser Knecht!"

"Hört mir zu, werter Lirahat. Wenn wir Freundlichkeiten aussähen, so werden wir auch entsprechend ernten."

"Freundlichkeiten? Mein Graf, Ihr vergesst die tiefgreifenden Differenzen zwischen Remur und Pragan!"

"Differenzen sind noch lange kein Grund, um die Formen über Bord zu werfen! Also, reißt Euch zusammen, mein Freund! Sonst wird diese Geschichte noch ein böses Ende nehmen!"

"Wenn Ihr nicht mit der nötigen Wachsamkeit vorgeht, kann das noch weitaus schlimmere Folgen haben!"

"Nun, gleichgültig, wie Ihr auch darüber denken mögt, Lirahat! Ich befehle Euch, Euch zurückzuhalten. Habt Ihr mich verstanden?"

"Ja."

Die Stimme Lirahats klang dumpf und ausdruckslos.

"Und nun lasst mich bitte allein!"

"Jawohl."

Lirahat verneigte sich tief und verließ dann auch den den Raum. Yakurul war nun allein.

Gedankenverloren lag er auf dem weichen Lager.

Hoffentlich erreiche ich beim König, dass die Überfälle auf die Küstenstädte aufhören, sonst sehe ich für die Beziehungen zwischen unseren Ländern schwarz, überlegte der Graf. Er schnallte sein Schwert ab und legte es neben sich auf das Lager.

Als dann völlig unerwartet eine Gestalt den Raum betrat, richtete er sich augenblicklich auf. Es schien ein Ritter zu sein, ein ganz gewöhnlicher praganischer Ritter - und doch umgab diesen Mann eine Aura, die Yakurul unwillkürlich fesselte.

"Wer seid Ihr?", fragte der Graf.

"Ich bin der König", kam es knapp zurück.

Graf Yakurul runzelte unwillkürlich die Stirn.

"Ihr seid Kryll von Arkull?"

"Ja, so ist es."

Der Graf erhob sich nun von seinem Lager und richtete sich zu voller Größe auf. "Ich hatte mir den König von Pragan etwas anders vorgestellt", bekannte er dann freimütig und mit einem schwachen Lächeln um die Lippen.

Der König lächelte zurück.

"Und wie, wenn ich fragen darf?"

"Ich dachte, Ihr wäret wie alle Könige sind! Aber Ihr scheint mir anders zu sein, Kryll von Arkull! Zum Beispiel tragt Ihr die Kleidung eines einfachen Ritters, nicht die Gewänder eines Herrschers!"

"Stört Euch diese Tatsache?"

In Krylls Worten schwang eine Spur Spott mit.

"Es verwirrt mich etwas. Ich bin so etwas nicht gewöhnt!"

Kryll nahm auf einem der beiden Stühle Platz, die sich im Raum befanden. Der Graf folgte seinem Beispiel und nahm den anderen.

"Kein Wunder", lachte Kryll. "Die Könige von Remur sind ja auch für ihre Arroganz und Großmannssucht bekannt!"

Yakuruls Gesicht verfinsterte sich.

"Ihr wollt mich doch wohl nicht beleidigen, mein König?", fragte mit drohendem Unterton.

Kryll blieb hingegen gelassen, fast heiter.

"Sollte ich Euch mit meiner Bemerkung beleidigt haben, so bitte ich vielmals um Entschuldigung."

"Vielleicht sollten wir nun zum eigentlichen Gesprächsthema kommen: Den Beziehungen zwischen unseren Ländern", schlug der Graf vor. Und bei sich dachte er: Er nimmt das Leben für einen Regenten nicht ernst genug!

Dann sah Graf Yakurul, wie sein Gegenüber bedächtig, aber doch bestimmt, den Kopf schüttelte.

"Dafür ist noch immer Zeit." Er lächelte. "Es besteht wirklich nicht der geringste Anlass zur Eile."

"Keine Eile?"

Der Graf erhob sich von seinem Platz. Empörung stand ihm ins Gesicht geschrieben.

"Ich will Euch etwas sagen, mein König: In diesem Augenblick greift eine Eurer Piratenflotten vielleicht Darjos, Shian oder sonst einen unserer Häfen an und versucht, ihn auszuplündern. Und was sagt Ihr dazu, mein König? Keine Eile!"

Der Graf schüttelte den Kopf. "Es ist nicht zu fassen!", rief er laut aus.

Auch über das Gesicht des Königs hatte sich indessen ein düsterer Schatten gelegt.

"Ich wusste, dass Ihr deshalb kommen würdet, werter Graf. Leider kann ich Euch nicht helfen." Die Stimme Krylls war heiser geworden.

Yakurul beugte sich nun vor und stützte sich mit beiden Händen auf dem Tisch auf.

"Nun habe ich die gefährliche Seereise nach Alark und den anschließenden, nicht minder gefährlichen Landweg nach Arkull auf mich genommen - und das alles nur, damit Ihr mir sagt, dass Ihr mir in dieser Sache nicht helfen könnt?"

Yakurul ging zum Fenster und blickte hinaus auf die See. Am Strand lagen sie: die gefährlichen und schnellen Langschiffe der Praganier. Die Hafenanlagen von Arkull waren nur sehr spärlich ausgebaut, aber die Schiffe der Praganier benötigten im Grunde genommen gar keine Häfen. Sie konnten fast überall landen und anlegen.

Ihr Hafen war die gesamte Küste der Welt...

"Ich dachte, dass Ihr ein König seid, Kryll", keuchte Yakurul bitter.

"Das bin ich", erwiderte Kryll, nicht ohne verletzten Stolz. Er hatte sich inzwischen ebenfalls erhoben. Jetzt kam er neben den Remurier ans Fenster.

"Wenn Ihr hier der König seid, weshalb könnt Ihr dann nichts gegen die Piraterie Eurer eigenen Flotte tun?"

"Auch einem König sind Grenzen gesetzt!"

"Jedem König sind Grenzen gesetzt, aber diese Grenzen dürfen auf keinen Fall im eigenen Land liegen!"

Kryll zuckte mit den Schultern.

"Die Lords haben in diesem Land zu viel Macht, als dass ich ihnen die Piraterie verbieten könnte..."

Yakurul wandte seinen Blick den Langschiffen zu, die an der Küste festgemacht hatten.

Ihre Schiffe sind gefährlich, dachte der Graf. Remur täte gut daran, die Praganier nicht zu unterschätzen.

"Ich fürchte, es wird zum Krieg kommen, wenn Ihre Flotten die Räuberei weiter fortsetzen", meinte Graf Yakurul dann. "Wir haben bereits ein Bündnis mit Dagarien geschlossen."

Kryll zuckte die Achseln.

"Ich werde Euch nicht daran hindern können, gegen mein Land zu Felde zu ziehen!"

Er amüsiert sich über mich, dachte Yakurul.

Der Graf wandte sich von Kryll ab und lief ein paar Schritte hin und her.

Als er dann den Blick wieder auf Kryll richtete, sah er er, dass das Gesicht seines Gegenübers jetzt nicht mehr so gelöst wirkte.

"Ihr müsst auch unsere Seite verstehen, Graf! Wovon sollen die Praganier leben? Unser Land ist karg. Oben im Norden taut der Boden nur für wenige Monate im Jahr einige Zentimeter tief auf. In den letzten Jahren sind die großen Fischschwärme ausgeblieben, so dass viele Menschen bei uns in wirkliche Bedrängnis gekommen sind. Bei Euch in Remur kann man sich so etwas vielleicht nicht vorstellen. Schon gar nicht in den Palästen, in denen Euresgleichen zu wohnen pflegt, Graf Yakurul! Ihr habt Euch über meine Kleidung gewundert! Wäre mein Land fruchtbarer, die Fischschwärme beständiger, so könnte ich hohe Steuern erheben und mich auch mit solcher Pracht umgeben, wie man es dem König von Remur nachsagt! Aber dieses Land ist arm. Und die Armut macht auch vor seinem König nicht Halt!"

Yakurul schwieg eine Weile. Er schien zu überlegen, wie er weiter vorgehen sollte.

"Ihr schweigt, Graf Yakurul?"

Der Graf atmete tief durch.

"Was soll ich darauf noch erwidern? Ich habe alles gesagt, was zu sagen war. Meine Pflicht ist somit getan. Wie Ihr Eure Lords dazu bewegen könnt, die Räuberei aufzugeben, ist Euer Problem, nicht das meinige. Falls es Euch allerdings nicht gelingen sollte, die Lords zu überzeugen, nun... Dann wird es eben Krieg geben! Und Ihr könnt Euch sicherlich an zwei Fingern abzählen, dass Pragan in einem solchen Kampf nicht den Hauch einer Chance hätte! Nicht eine Schlacht würde an die Praganier gehen!"

Der König gewann sein altes Lächeln zurück.

"Wenn die Praganier wirklich so leicht zu schlagen sind, wie Ihr behauptet, dann verstehe ich nicht, warum Ihr Euch so sehr vor ihren Überfällen fürchtet!"

Der Graf antwortete nicht.

Stattdessen fuhr Kryll fort: "Höchstwahrscheinlich hat man in Remur große Angst vor uns, denn sonst hätte Euer König es nicht für nötig befunden, sich mit Dagarien gegen uns verbünden zu müssen! Was Ihr sagtet, hat weder Hand noch Fuß! Ihr wollt mir Angst machen, aber das soll Euch nicht gelingen! Ich lasse mich nicht auf die gleiche Weise einschüchtern, wie Ihr dies vielleicht von Euren dagarischen Verbündeten gewohnt seid!"

Graf Yakurul trat an den König heran und baute sich vor diesem auf. Sein Herzschlag musste ihm vor Erregung bis zum Hals gehen. Er war rot angelaufen.

Gut, dass er sein Schwert abgelegt hat, dachte der König unwillkürlich.

Deutlich sah er die nackte Wut im Gesicht des Grafen.

"Wagt es nicht noch einmal, uns und unsere Verbündeten zu beleidigen. Ihr verspielt Eure letzten Sympathien, die Ihr noch bei uns genießt."

Kryll verzog das Gesicht.

"Sympathien? Wer würde uns schon in Remur Sympathien entgegenbringen? Reden wir doch nicht von Dingen, die es nicht gibt und die es in den nächsten hundert Jahren auch nicht geben wird!"

Plötzlich hielt Kryll inne.

Es ist unsinnig, dass wir gegenseitig Beleidigungen austauschen, dachte er. Der König bedachte den Grafen mit einem nachdenklichen Blick und erschrak über den Grimm, der ihm aus den Augen des anderen entgegenschlug. "Wenn die hohen Lords von Pragan nicht einsehen, dass sie mit dem Rauben aufhören müssen - nun, dann wird es eben Krieg geben. Genau, wie Ihr sagtet, Graf Yakurul." Ein kurzes Schulterzucken folgte, so als wäre dies eine unumstößliche Tatsache, etwas, dass mit aller Gewissheit eintreten würde, ganz gleich, was man auch immer dagegen unternähme.

"Ihr nehmt das mit einer erstaunlichen Gleichgültigkeit", stellte Yakurul nicht ohne Bitterkeit fest. Die Augen des Grafen waren zu schmalen Schlitzen geworden, als er dann mit vor Hohn triefender Stimme sagte: "Euer Volk wird Euch dafür bis in alle Ewigkeit hinein dankbar sein, König Kryll!"

Aber Kryll antwortete keineswegs in derselben Schärfe.

"Alles, was ich tun kann ist folgendes: Ich kann den Rat der Lords in Wallana einberufen. Dazu habe ich das Recht. Sie werden dann entscheiden, was geschieht - ob es Krieg oder Frieden geben wird!"

Kryll sah die Enttäuschung im Gesicht seines Gegenübers und so setzte er noch hinzu: "Mehr kann ich nicht tun!"

Er hasst mich, durchfuhr es den König in diesem Moment, als das Blitzen in Graf Yakuruls Augen sah.

Kryll fragte dann nach einer kurzen Pause den Grafen: "Wie lange werdet Ihr noch mein Gast sein, Graf Yakurul?"

Yakurul hob sein finster gewordenes Gesicht.

"Ich werde Euch nicht länger als unbedingt nötig belästigen. Morgen früh reise ich mit meinem Gefolge ab!"

Kryll nickte.

"Ich wünsche Euch eine gute Nacht, Graf Yakurul", sagte er dann, bevor er sich zum Gehen wandte. Mit weiten Schritten verließ er dann den Raum, ohne sich noch einmal umzuwenden.

Graf Yakurul verharrte schweigend.

2. EIN KÖNIG OHNE MACHT

Knarrend ging am nächsten Morgen das Burgtor herab. Graf Yakurul und seine Männer verließen Burg Arkull. König Kryll war auch gekommen, um dem Abschied beizuwohnen, der im übrigen sehr kurz und wenig herzlich ausfiel.

Mit versteinerten Gesichtern zogen die Remurier davon und wenig später schloss sich das Tor von Burg Arkull hinter ihnen. Die Zugbrücke wurde mit einem unüberhörbaren Ächzen hochgezogen.

"Sagt mir, mein König: Was wollten diese Remurier von Euch?", fragte dann jener Ritter, der Kryll zur Rechten stand. Es war Norjan, einer der verdientesten Gefolgsleute des Königs.

"Sie wollten, dass ich die Piraterie untersage!"

Über Norjans Züge huschte ein Schatten.

"Und was hat mein König ihnen gesagt?"

"Ich werde den Rat der Lords einberufen. Er wird entscheiden. Die Remurier drohen mit Krieg, falls praganische Piraten weiterhin ihre Küsten heimsuchen."

"Wäre ein Krieg für uns nicht sehr willkommen?", meinte Norjan. "Er würde das Volk von seiner Not und den Schwierigkeiten, die wir haben, ablenken!"

Doch der König schüttelte den Kopf.

"Ich denke da anders, mein Freund. Doch ich werde den Rat entscheiden lassen!"

"Warum eigentlich - wenn diese Frage erlaubt ist, mein König!"

"Weil ich nichts, aber auch gar nichts tun kann, wenn die Lords nicht hinter mir stehen!" Und insgeheim fragte Kryll sich, weshalb es überhaupt noch einen König von Pragan gab, da dieser doch kaum Befugnisse hatte.

"Ich bin dafür, dass Ihr diese Frage allein entscheidet, König Kryll. Damit würdet Ihr gegenüber den Lords ein Signal setzen, ihnen zeigen, dass der König noch Herr über sein eigenes Land ist", sagte Norjan.

Der König zuckte mit den Schultern und schlenderte gemeinsam mit Norjan über den Burghof.

"Eben das ist der Kern des Problems", erwiderte Kryll. "Ich habe keine Macht! Die Lords bestimmen, was im Lande gespielt wird. Es ist mir nie so klar gewesen, wie in diesem Augenblick: Ich bin lediglich eine Marionette!"

Tiefe Bitterkeit sprach aus diesen Worten und ein kleiner Schuss Verzweiflung schwang wohl auch in seiner Stimme mit.

Norjan versuchte ein Lächeln.

"Es liegt an Euch, ob der Thron an Macht gewinnt oder nicht. Eure Vorgänger haben viele ihrer Befugnisse aus der Hand gegeben und ist es nun an Euch, sie für die Krone zurückzuerobern! Ihr müsst die Lords in ihre Schranken weisen, ihnen sagen, wo der Weg ist, den sie zu nehmen haben! Nur so können wir das Land auf die Dauer vor dem Zerfall und dem Chaos retten. Schon jetzt gebärdet sich jeder einzelne dieser Lords wie ein kleiner König! Nicht mehr lange und es wird Anarchie ausbrechen! Einer wird gegen den anderen kämpfen!"

"Oh, Freund Norjan, ich glaube, jetzt übertreibt Ihr ein wenig! Von Anarchie kann noch lange keine Rede sein!"

Norjans Züge waren jetzt sehr ernst.

"Bis zur Anarchie wird es vielleicht gar nicht kommen, denn zuvor werden uns die Remurier in ihr Reich einverleiben. Aber gerade um das zu verhindern, müssen wir einig sein."

Kryll kratzte sich am Kinn.

Er schien unschlüssig darüber zu sein, was getan werden sollte.

Im Grunde habe ich Norjans Ideen schon längst akzeptiert, dachte der junge König bei sich.