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Das Leben auf Xarunta geht weiter und bietet eine Menge Abwechslung für Stella. Draakon und sie planen eine Reise zu den Istokern im nördlichen Bereich von Avalon. Allerdings taucht plötzlich bei der Besichtigung des Vulkangebiets eine halbgewandelte Frau auf. Wer ist sie und woher kommt sie? Was hat ihr seltsames Verhalten auf sich? Die schlechten Nachrichten von ausgerotteten Dörfern bekommen sie auch von den Istokern zu hören. Als wäre das nicht genug, geht es Stella aus unerklärlichen Gründen immer schlechter. Warum, das kann keiner sagen. Verkraftet ihr Körper die Strapazen nicht mehr?
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Dragons of Avalon
-Drachenblut-
Band 3 der Avalon-Reihe
Von Lynja Yadeka
Kapitel 1
Lachen erfüllte die Flure des großen Hauses, das direkt in den Stein gehauen war. Draakon, ein kleiner Junge, rannte durch die Gänge und kicherte immer wieder, während er vor einem Mädchen wegrannte, das ebenfalls lachend versuchte, ihn zu fangen.
Ihre hellbraunen, langen Haare, die mit einem Haarband zurückgeschoben waren, wippten bei jeder Bewegung lustig hin und her. Das wunderschöne Gesicht mit den anziehend hohen Wangenknochen und den einzigartig grünen Augen wirkte amüsiert über dieses Spiel. „Gleich habe ich dich!“, rief das Mädchen ihm mit melodischer Stimme zu und beschleunigte ihre Schritte. Sie schien keine Probleme zu haben, ihm zu folgen. Nicht nur, weil sie sich hier gut auskannte, sondern weil Draakon ihr auch eine Möglichkeit dazu gab.
Draakon lachte gut gelaunt und blickte immer wieder nach hinten, um zu sehen, wie nah sie ihm war. Dabei bemerkte er nicht, dass der Gang um die Ecke nicht frei war. Er rannte direkt in einen muskulösen Körper hinein, was zu einem tiefen, rauen Lachen führte. „Spielt ihr schon wieder?“, fragte Draakons Vater, der ihn hielt, damit er nicht fallen konnte.
Draakon strahlte ihn an. „Jaha“, lachte er, löste sich und rannte weiter.
Sobald das Mädchen ihn erreicht hat, blieb sie für den Bruchteil einer Sekunde stehen und verbeugte sich mit einem kindlichen, lieblichen Lächeln. „Wo ist er entlang?“, fragte sie außer Atem und versuchte, an Draakons Vater vorbeizusehen. Der Flur führte in zwei Richtungen und sie hatte nicht schnell genug sehen können, in welche Draakon gerannt war.
Der ältere Drache, der mit seinen blauem Haar und den seifenblasenfarbigen Augen Draakon ähnlichsah, lächelte und deutete dann auf den Weg, wo Draakon entlanggelaufen war.
„Danke!“, rief das Mädchen freudig und rannte weiter. Den Flur entlang und dann um die Ecke.
Dort rannte sie direkt in Draakon hinein, der sie packte und sich mit ihr drehte, bevor sie beide im Gras landeten, denn sie waren genau im Innenhof gelandet.
Quietschend und keuchend krallte sich das Mädchen an ihm fest und ließ ihn erst los, als sie sicher lag. Dann tastete sie mit der Hand nach dem Gras und warf ihm dieses ins Gesicht.
Draakon lachte leise. „Lass uns in den See baden gehen“, schlug er vor. Im Gegensatz zu ihr war er nicht außer Atem.
Dara nickte und sprang wie ein Gummiball wieder auf. „Und danach essen wir Eis!“, forderte sie mit breitem Grinsen. „Wer zuerst am See ist, darf die Sorte aussuchen!“, rief sie vergnügt und rannte bereits los.
Draakon lachte, sprang auf und rannte Dara hinterher. Er war genauso erpicht darauf, das Eis auszusuchen wie sie. Es war warm und sie brauchten beide Abkühlung.
Quiekend rannte Dara in Richtung See, der bei der Hitze eine willkommene Abwechslung bot. Das Wasser war dort immer angenehm kühl. Es war klar, dass Draakon nun derjenige war, der sie fangen sollte.
Er sprang zu ihr ins Wasser und schwamm ihr lachend hinterher. Es gelang ihm sogar, sie leicht zu fassen zu bekommen, doch nur ganz kurz.
Dara war erstaunlich schnell für ihr Alter, doch sie wurde langsamer, sobald sie seine Berührung spürte. Lachend drehte sie sich im Wasser zu ihm um und ihre grünen Augen funkelten. „Du darfst trotzdem entscheiden, welches Eis du willst“, sagte sie großzügig.
Draakon lächelte träge. „Was für ein großzügiges Angebot.“
Plötzlich tauchte Dara ab, zog ihn aber mit sich. Sie hatte heute gute Laune und das äußerte sich darin, dass sie jede Menge Unsinn anstellte.
Gemeinsam spielten sie, bis es dunkel wurde, bevor sie in die Küche stürmten, um sich ein Eis zu besorgen.
Draakon lächelte, während er langsam aus seinem Traum erwachte.
Er spürte, dass Stella neben ihm lag und sanft seinen Arm streichelte. Allerdings konnte er ihren fragenden, wohl auch durchdringenden Blick, spüren. „Guten Morgen, Draakon“, sagte sie müde, aber gleichzeitig auch neugierig, als hätte sie eine Frage auf der Zunge.
„Guten Morgen“, gähnte Draakon, während sein Traum langsam verschwamm. Trotzdem konnte er sich noch gut erinnern, denn im Grunde hatte er von seiner Vergangenheit geträumt. Es war eine schöne Erinnerung und der Drache mahnte sich dazu, nicht daran zu denken, wie die Dinge weitergegangen waren.
Zärtlich fuhr Stella mit ihren Fingern seine weiche Haut im Gesicht nach. Dazu benutzte sie absichtlich die neue Hand, um die Grundmotorik zu stärken. Daher wirkte es eher grob. Bisher gab es Fortschritte, aber es würde noch dauern, bis sie Draakons Hand vollständig nutzen konnte. „Du scheinst schön geträumt zu haben. Dein Lächeln war niedlich“, flüsterte sie, bevor sie ihm einen Kuss auf sein Kinn gab.
„Ja, es war eine schöne Erinnerung“, sagte er und zog sie an sich, bevor er seinen Kopf an ihrer Schulter vergrub. „Aber leider ging es nicht gut aus“, murmelte er. Stella spürte, dass er zitterte.
Liebevoll und so gut wie möglich versuchte seine Frau, ihn zu liebkosen. Seit es ihr besser ging, wollte sie wieder mehr tun. Teilweise war sie dann auch übermütig. „Möchtest du mir davon erzählen?“, fragte sie zärtlich und neugierig zugleich.
„Ich hatte früher eine Freundin. Von ihr habe ich geträumt. Ein Menschenmädchen, das mit mir ihre Kindheit verbracht hat“, begann er, wobei seine Stimme ungewohnt zitterte.
Fragend sah Stella ihn an und richtete sich ein kleines bisschen im Bett auf, um sich hinzusetzen. Vom Liegen tat ihre Seite weh und sie wollte gerne ein paar kleine Übungen mit der Hand machen, um sie zu stärken. Dazu eignete sich Draakons Erzählung perfekt. Gleichzeitig zog sie ihren Mann auch an sich heran, damit er wusste, dass sie für ihn da war. „Wie ist sie hierhergekommen?“, wollte sie wissen. „Ist sie hier geboren worden?“
„Ja, sie ist hier geboren. Ich war bei ihrer Geburt dabei. Wir waren wie Geschwister“, erzählte er und für einen Moment war da etwas Wehmütiges in seiner Stimme. „Ich habe ihr vertraut“, gestand er leise und schüttelte etwas seinen Kopf. Die Gefühle, die gerade in ihm aufkamen, sorgten dafür, dass er nicht ganz klar denken konnte.
Stella kraulte seinen Nacken und gab ihm einen Kuss auf die Stirn, während sie ihre Finger langsam bewegte. „Wie war eure Kindheit und was ist dann passiert?“, wollte sie wissen und verzog kurz das Gesicht, als ein Schmerzsignal in ihrem Kopf ankam, nachdem sie den kleinen Finger gebogen hatte.
Er nahm vorsichtig ihre Hand und küsste sie. „Sie hat mich verraten“, gestand er leise. „Sie hat mir etwas Wichtiges genommen.“ Draakons Stimme zitterte und es fiel ihm unglaublich schwer, darüber zu sprechen.
Seine Frau keuchte und entspannte ihre Hand, um eine Pause zu machen. „Sie hat dich verraten? Warum?“, fragte sie entsetzt. Wieso würde man jemanden, den man von klein auf kannte, verraten wollen. „Was hat sie dir genommen?“
„Meine Eltern“, murmelte er und zog Stella eng an sich. Mehr wollte er im Moment nicht sagen. Der Verrat schnürte ihm noch immer die Kehle zu und er schaffte es einfach nicht, darüber zu sprechen.
Seine Frau bemerkte es und hakte nicht weiter nach. Stattdessen legte sie die Arme um ihn und schmiegte sich an ihn. „Ich bin da, Draakon“, flüsterte sie an seine Stirn. „Möchtest du mir von den schönen Momenten erzählen? Du hast sogar im Schlaf gesprochen.“
„Wir haben immer miteinander gespielt“, murmelte er. „Ich habe immer mit den Kindern hier am Hofe gespielt, aber keine war so wie sie. Sie hat sich nicht davon abschrecken lassen, dass ich ein Drache war. Wenn ihr etwas nicht gepasst hat, dann ging sie auch schonmal an die Decke.“
Stella kicherte und strich ihm eine verirrte Haarsträhne hinter die Ohren. „Sie hatte Temperament“, bemerkte sie neckend. „Genau das, was du brauchst.“ Allerdings war sie traurig darüber, dass ausgerechnet Draakon, der so liebevoll und sanft war, so etwas miterlebt hatte. Sie wusste, wie es war, die Eltern und Familie zu verlieren. Früher hätte sie es wohl nicht verstanden.
„Ja, so wie du“, meinte er und versuchte zu schmunzelnd.
Sanft küsste Stella seinen Hals. In der Hoffnung, ihn von der schmerzvollen Erinnerung ablenken zu können. „Das heißt, du möchtest mein Temperament wieder zu spüren bekommen?“, flüsterte sie an seine Haut.
„Ja, natürlich möchte ich das“, sagte er rau und zog sie fest in seine Arme. „Darum habe ich dich doch überhaupt erst ausgesucht.“
Stella schmiegte sich vertrauensvoll an ihn. „Das führt nur zu Problemen“, bemerkte sie trocken. „Was ist, möchtest du aufstehen und frühstücken? Oder doch lieber noch ein bisschen schlafen? Es ist noch dunkel.“
„Lass uns frühstücken“, sagte er und gähnte, ließ sie aber nicht los.
Das brachte Stella zum Lachen. „Soll ich dich etwa tragen?“, fragte sie amüsiert. Ihre Augen blitzten vor Vergnügen. Trotz der schrecklichen Erinnerung, die Draakon plagte, fühlte sie sich ausgeruht und energiegeladen. Außerdem hoffte sie, ihn so aus seinem Sog von traurigen Erinnerungen zu befreien.
„Lass uns im Bett frühstücken“, gähnte er und hielt sie weiterhin fest. „Es ist gerade so gemütlich.“
Begeistert stimmte seine Frau zu und gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Soll ich Laya Bescheid geben?“, fragte Stella und wälzte sich vorsichtig zur Bettkante.
„Ja, sie müsste auf Anweisungen warten“, murmelte Draakon, der sie nur widerwillig gehen ließ.
Da Stella das wusste, beeilte sie sich, seinem Dienstmädchen Bescheid zu geben. Anschließend kam sie schnell zu ihm zurück und kuschelte sich wieder an ihn. „Was hast du für heute geplant? Können wir einige Übungen machen?“, fragte sie.
„Für heute sind Übungen und Reisevorbereitungen geplant“, erklärte Draakon und kraulte ihren Nacken. „Wenn du willst, können wir gleich im Bett anfangen.“
Stella schnurrte vor Wohlwollen und nickte. „Mit was möchtest du beginnen?“, wollte sie wissen und schmiegte sich noch mehr an ihren Mann.
„Zeig mir, was du mit deiner Hand schon alles kannst“, bat er und hielt sie dabei gegen seine Brust gedrückt.
Wie er wünschte, hob sie ihre Hand und bewegte langsam und konzentriert einzeln ihre Finger. Richtig biegen konnte sie diese noch nicht, aber es war wesentlich besser als am Anfang. „Es tut manchmal weh, wenn ich versuche, mehr zu biegen. Aber das wird“, sagte sie zuversichtlich und zufrieden.
„Das ist gut“, sagte er sanft und klang zufrieden, während er sie weiter zärtlich streichelte.
Dann wurde ihnen das Essen gebracht. Laya stellte etwas auf einen besonderen Tisch, den sie aufs Bett stellen konnten.
Somit war es einfach, im Bett zu speisen und gleichzeitig keine Sauerei zu veranstalten. Sobald Laya gegangen war, seufzte Stella. „Wie sieht es mit deiner neuen Hand aus? Wie weit ist sie schon entwickelt?“, wollte sie wissen.
„Knochen haben sich schon gebildet und auch ein paar Sehnen sind wieder da“, sagte er sanft. Mit seiner gesunden Hand nahm er mit einem Löffel etwas Rührei und hielt es Stella vor den Mund.
Lächelnd nahm sie das Essen an und griff dann nach dem Wasserglas, da sie durstig war. In letzter Zeit trank sie viel mehr als sonst, was sie auf die trockene Luft schob, weil es kühler geworden war.
Als sie jedoch das Glas anheben wollte, verkrampfte sich ihre Hand schmerzhaft. Sie keuchte, als sich die Flüssigkeit auf der Decke und dem kleinen Tisch verbreitete.
Statt etwas zu der Sauerei zu sagen, griff Draakon nach ihrer Hand. „Ist alles in Ordnung?“, fragte er vorsichtig, weil er sich Sorgen machte.
Auch ihr war es im Moment egal, ob das Bett nass war. Zitternd sah Stella auf die Hand und versuchte, die verkrampften Glieder wieder zu bewegen. Das gelang ihr jedoch nicht. „Alles ist verkrampft und tut weh“, sagte sie und schluckte. „Das ist bisher noch nie vorgekommen. Habe ich sie etwa überlastet?“, fragte sie niedergeschlagen.
Draakon begann mit seiner Hand ihre Hand zu massieren. „Ich bin sicher, dass es besser wird“, sagte er beruhigend. „Sie ist neu. Vielleicht war die Bewegung zu ungewohnt.“
Wahrscheinlich hatte er Recht. Es war das erste Mal gewesen, dass sie es mit dieser Hand versucht hatte. Sonst achtete sie stets darauf, ihre Gesunde zu benutzen.
Langsam ließen die Krämpfe nach, doch ein unangenehmes Ziehen blieb. Allerdings entspannte sich Stella wieder. „Es wird besser, danke für deine Hilfe, Draakon“, meinte sie lächelnd und hielt ihm als Dank einen Löffel Rührei hin. Zum Glück hatte sie nicht den heißen Tee genommen. Das wäre schlecht ausgegangen.
Draakon nahm das Ei mit seinem Mund, massierte ihre Hand aber noch weiter. „Unsere nächste Reise geht zu den Istokern“, sagte er.
„Wie ist es dort?“, wollte sie wissen und nahm sich selbst einen Löffel, bevor sie ihren Tee vorsichtig an ihre Lippen führte und daran nippte. Viel wusste sie von den Lebensumständen der Istokern nicht. Außer, dass das Land scheinbar ständig unter einer Eisdecke vergraben war. Wie die Menschen dort lebten, wusste sie jedoch nicht.
„Es ist kalt. Im Grunde das Gegenteil von den Baratern. Die Menschen leben in Iglus. Aus Eis gebaute Häuser“, erklärte er und nahm sich selbst ebenfalls Tee.
Nachdenklich legte Stella ihren Kopf schief. „Du meinst diese runden Häuser? Ich habe in den Büchern davon gelesen. Die nächsten Tage werde ich mich mehr damit befassen“, versprach sie feierlich. Es lag ihr fern, sich vor den Menschen zu blamieren, weil sie nichts über sie wusste.
„Ja, genau. Die Häuser werden aus Eis gebaut. Darin ist es aber trotzdem angenehm warm“, erklärte er. „Zudem jagen sie auch Tiere, die im Eis leben.“
Seine Frau stellte den Tee zur Seite und nahm sich ein Stück Brot. „Wie kann es in den Iglus warm sein, wenn sie aus Eis gebaut sind?“, fragte sie neugierig. Normalerweise schmolz Eis doch, wenn es warm wurde.
„Schwer zu sagen“, gestand Draakon. „Es hält die Wärme. Mehr weiß ich auch nicht.“
Stella lächelte. Sie würde es hoffentlich bald herausfinden. Schon jetzt freute sie sich auf die Reise, weil sie auf diesen viel lernte und sehen konnte.
„Es wird kalt werden“, warnte Draakon. „Auch das Vorankommen könnte Probleme machen. Ich möchte, dass du dich darauf einstellst“, bat er, weil er sich schon jetzt Sorgen machte.
Ernst nickte Stella. Sie wusste, dass er sich Sorgen um ihre Gesundheit machte, nachdem sie länger angegriffen war. Dennoch fühlte sie sich in der letzten Zeit wieder besser. Was wohl auch an den kleinen Fortschritten, die sie mit der Hand machte, lag. „Dann werde ich eventuell einen neuen Mantel brauchen“, meinte sie nachdenklich und hielt ihrem Mann wieder einen Löffel Rührei hin.
Dieser nahm sich das Essen und kaute genüsslich. „Ich möchte dir generell ein paar neue Kleider besorgen“, sagte er. „Nicht nur einen Mantel, auch ein warmes Kleid und vor allem Schutz für deine Hände und Ohren.“
„Danke“, erwiderte Stella lächelnd und gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Dann sollten wir heute schon damit anfangen, damit sie rechtzeitig fertig sind, oder?“, fragte sie Feuer und Flamme. Sie brannte richtig darauf, wieder etwas Neues zu lernen und zu entdecken. Jedoch hielt sie einen Augenblick inne. „Sag mal … können wir eigentlich auch einen Abstecher in das Vulkangebiet machen? Ich möchte es gerne mit eigenen Augen sehen, damit ich weiß, warum dort keine Handelsstraßen möglich ist.“
Draakon kaute sein Stück Schinken und schluckte, bevor er antwortete: „Das können wir, aber zuerst müssen wir unsere Pflichten bei den Istokern erledigen. Ich denke, danach können wir eine Reise dorthin sicherlich einschieben.“
Stella wollte jedoch lieber zuerst in das Vulkangebiet. Einfach, um zu sehen, wie die beiden verschiedenen Länder so nah beieinander sein und trotzdem keine Handelsroute eingeführt werden konnte.
„Lass uns sehen, wie die Wetterbedingungen sind“, sagte er einlenkend. „Es könnte durchaus sein, dass sich unsere Reise zu den Istokern durch Schneestürme verzögert. Ich würde ungern mit dir durch einen durch müssen.“
Zufrieden nickte Stella und grinste. „Gut, dann sehen wir, wie das Wetter wird“, sagte sie liebevoll und dankbar, bevor sie sich aus dem Bett bewegte. Das nasse Nachthemd war nicht angenehm und es war besser, wenn sie aufstanden, damit Laya das Bett neu beziehen konnte. In der Zwischenzeit konnten sie baden und dann weiterplanen.
Draakon folgte ihr und auf den Weg wickelte er den Verband an seiner Hand ab. Darunter kam eine knochige Hand hervor, die gruselig wirkte, weshalb er sie auch vor Stella versteckte, während er sich einen neuen Verband suchte.
Bisher hatte seine Frau diese noch nicht gesehen und sie war auch nicht zimperlich, doch der Anblick war nicht angenehm.
Er hörte, wie sie mit Laya auf dem Flur sprach und dann wieder die Tür schloss. „Kommst du mit oder willst du lieber allein baden?“, fragte sie und nahm sich das Kleid, das sie am Vortag getragen hatte. „Wie lange willst du deine Hand eigentlich noch vor mir verstecken?“ Schließlich hatte sie den ersten Anblick des Stumpen mit Fassung ertragen.
Draakon lächelte schief. „Ich möchte dir den Anblick einfach ersparen“, sagte er entschuldigend. „Aber wir können zusammen baden, wenn du das willst“, bot er an, denn er liebte es, mit ihr im Wasser zu sein.
„Meinst du, ich falle gleich in Ohnmacht?“, fragte sie neckend und zog ihn an sich heran. „Nach Sadis Hinrichtung und dem abgetrennten Kopf meiner Mutter schockiert mich kaum noch etwas“, gestand sie.
„Das mag vielleicht sein, doch ich möchte nicht, dass du noch mehr Albträume hast“, sagte er sanft und fuhr ihr durch die Haare, bevor er ihre Stirn küsste.
Lächelnd sah Stella ihn von unten her an. „Ich möchte trotzdem meinen Mann ganz sehen und keine Geheimnisse haben.“ Sie glaubte nicht, dass es so schlimm war, dass sie davon Albträume bekam.
Draakon seufzte. „Gut. Ich kann dir einfach nichts abschlagen“, murmelte er. „Wenn du es sehen willst, dann zeige ich es dir.“
Grinsend nickte Stella und schob ihn zuerst ins Bad. Es ging niemanden etwas an, wie die Hand bisher aussah. Im Badezimmer drehte sie sich wieder zu ihrem Mann um und sah ihn auffordernd an, während sie sich auszog und das Wasser einließ.
Draakon zog sich ebenfalls aus und begann dann langsam, seine Hand von der neuen Bandage zu befreien. Dabei beobachtete er Stella genau.
Ihr Blick lag auf seiner Hand und sie zuckte nur minimal zusammen, als sie diese erblickte. Sie wirkte nachdenklich, als sie auf Draakon zukam und seine Hand hochhob, um sie besser zu betrachten. „Gruselig, aber nichts, was mich abschreckt“, sagte sie schließlich lächelnd und küsste sogar seine noch nicht ausgebildeten Knochen.
Draakon lächelte schief. „Es freut mich, dass es dich nicht so erschrickt, wie ich geglaubt habe. Die Sehnen beginnen auch gerade, sich zu entwickeln. Das macht es unangenehm.“
Behutsam tastete Stella die Knochen ab. „Tut es weh? Oder zieht es?“, wollte sie wissen, da sie mit seiner Beschreibung nichts anfangen konnte. „Können wir etwas dagegen tun und es lindern?“
„Es tut an sich nur weh, wenn die Sehnen freiliegen“, erklärte er und deutete auf den Ansatz, wo so etwas wie Gewebe nachwuchs. „Wenn man das berührt, tut es weh. Die Knochen haben kein Gefühl.“
Seine Frau nickte verstehend. „Was meinst du, was man dagegen tun kann und wie lange es noch dauert, bis es vollständig ausgewachsen ist? Ich nehme an, dass du dann mit der Hand erstmal wieder alles lernen musst?“, wollte sie wissen und ließ von ihm ab, um zum Regal zu gehen. Von dort holte sie eine Kräutermischung, die sie ins Wasser schüttete. Sie sollte helfen, dass Keime keinen Schaden anrichten konnten.
„Im Grunde kann man nur warten“, meinte Draakon schulterzuckend. „Sie wird nachwachsen und danach wieder funktionieren. So ist es immer.“
„Ohne Übungen?“, fragte Stella und schob Draakon auf das warme Wasser zu, damit er sich in der Wanne niederließ. Sie wollte ihn waschen.
„Ja, ohne Übungen“, sagte er. „Drachen funktionieren etwas anders.“
„Du glücklicher“, meinte sie lachend und ließ sich neben ihm im Wasser nieder. Zufrieden seufzte sie und bewegte ihre neue Hand leicht Unterwasser, um zu sehen, wie diese darauf reagierte.
Draakon hingegen ließ seine Hand aus dem Wasser draußen. „Wir sind fast unsterblich“, sagte er und lehnte sich zurück. „Viele Drachen überleben sogar das Verbrennen.“
Bei dem Gedanken erschauderte Stella und kämpfte gegen die Erinnerungen an Sadis Hinrichtung an. „Du sagst, ihr seid fast unsterblich …“, flüsterte sie. „Warum sterben dann die Drachenfrauen?“
„Das wissen wir leider auch nicht“, seufzte Draakon. „Vielleicht, weil die Geburt sie für einige Zeit sterblich macht.“
Stella machte einen nachdenklichen Laut und nickte schließlich. Es war eine Möglichkeit, die auf jeden Fall in Betracht gezogen werden sollte. Ob es jedoch stimmte, wusste keiner. „Komm her, ich wasche dir deinen Rücken, damit wir nicht den ganzen Tag in der Wanne verbringen“, sagte sie lächelnd und küsste ihren Mann auf den Hals.
Dieser wandte sich um, damit sie an seinen Rücken kam. „Wir können auch den Tag im Bad bleiben“, meinte er belustigt. „Wir haben heute nicht viel zu tun.“
„Doch, eigentlich schon“, widersprach sie grinsend. „Reise planen, die Schneiderin aufsuchen“, begann sie aufzuzählen. Es gab immer viel zu tun, bevor sie eine Reise antraten.
„Ja, aber das hat trotzdem Zeit“, murmelte Draakon. In letzter Zeit schien er eher faul zu sein.
Was eigentlich verständlich war, da das Wetter nicht unbedingt gut war. Regnerisch und windig, ab und zu mischten sich sogar Schneeflocken darunter. Eigentlich ein Wetter, bei dem man lieber im Bett blieb. „Na gut“, gab Stella nach und küsste erneut seinen Nacken. „Dann … lass uns einfach entspannen. Du verdienst es.“
Draakon schmunzelte. „Du bist diejenige, die in letzter Zeit trotz Schmerzen viel arbeitet“, sagte er und entspannte sich unter ihren Berührungen. „Wir lassen es einfach langsam angehen“, schlug er vor.
Mit ihrer gesunden Hand massierte sie Draakons Schultern und gab ihm ab und zu einen Kuss zwischen die Schulterblätter. „Tatsächlich geht es mir eigentlich viel besser“, gab sie zu. „Ab und zu schmerzt die Hand, aber momentan könnte ich Bäume ausreißen“, lachte sie.
„Das ist gut zu hören“, seufzte er zufrieden. „Du musst nicht weiter massieren. Ruh dich lieber auch ein bisschen aus.“
Bevor sie darauf antwortete, beendete sie das Waschen und ließ sich dann wieder an seiner Seite nieder, um sich zu entspannen. „Ich massiere dich gerne. Immerhin gibst du mir so viel. Gehst du später mit mir zur Schneiderin? Du weißt, was wichtig ist“, bat sie hoffnungsvoll.
Draakon nickte. „Natürlich mache ich das“, sagte er und öffnete seine Arme. „Komm her. Lass uns kuscheln.“
Sofort rutschte Stella ein Stück zu ihm hinüber und lehnte sich an ihn. Diese Zweisamkeit genoss sie und mittlerweile schämte sie sich, dass sie anfangs teilweise so ablehnend gewesen war. Als es ihr nicht gut gegangen war, hatte sie über viele Dinge nachgedacht und sie musste sich eingestehen, dass sie froh war, bei Draakon zu sein.
„Wie zufrieden bist du mit deinem Leben hier?“, fragte er und streichelte ihre Arme.
Genussvoll schloss sie die Augen und meinte, dass sie nicht zufriedener sein könnte. Stella war glücklich, einen so liebevollen Mann gefunden zu haben.
„Das freut mich zu hören“, sagte er und küsste ihr Ohr. „Hast du Wünsche?“, fragte er weiter und streichelte sie.
Seine Frau wurde rot und verlegen. „Eigentlich nur, dass wir zwei glücklich sind und ich dich glücklich machen kann“, gestand Stella.
„Ich möchte dir gern dein Leben so lebenswert wie möglich gestalten“, sagte er und küsste ihren Nacken. „Wenn du etwas sehen oder ausprobieren willst, dann sag es ruhig.“
Stella legte den Kopf in den Nacken und überlegte. „Ich würde gerne den äußeren Ring eines Tages besuchen“, gestand sie. Es war ihr Traum zu wissen, wie die Drachen dort oben lebten und wie es hinter dem Gebirge aussah.
„Das lässt sich bewerkstelligen“, sagte er nachdenklich. „Es ist wichtig, dass du weißt, wie es dort ist“, nickte er schließlich und küsste ihren Hals erneut. „Außerdem willst du es sehen, also zeige ich es dir.“
Lächelnd legte seine Frau den Kopf zur Seite und genoss die Liebkosungen. „Und was kann ich für dich tun?“, fragte Stella rau. „Hast du irgendwelche Wünsche?“
„Keine Wünsche, außer deine Gegenwart“, murmelte er an ihre Haut.
Liebevoll fuhr Stella ihrem Mann durch die silberblauen Haare. „Dann brauchen wir beide nicht viel, um glücklich zu sein“, hauchte sie ihm entgegen und zog ihn ganz nah zu sich, passte jedoch auf, dass ihre Hände nicht berührt wurden.
Er küsste sie zärtlich, bevor er sie hochhob. „Trocknen wir uns ab“, flüsterte er an ihre Lippen, hielt sie aber noch immer problemlos auf dem Arm.
Anfangs hatte Stella nicht gewollt, dass er sie nur mit einer Hand hochhob, doch mittlerweile hatte sie sich daran gewöhnt. „Du hast Recht. Ich werde Ria danach bitten, meine Haare zu machen. Dann können wir zur Schneiderin“, schlug sie vor und griff nach dem Handtuch, als Draakon sie aus der gemütlichen Wanne getragen hatte.
Dieser setzte sie sanft auf dem Boden ab, um sich ebenfalls ein Handtuch zu nehmen. „Sobald es wieder wärmer wird, möchte ich dir ein bisschen was zeigen.“
Stella hielt im Abtrocknen inne. „Was möchtest du mir zeigen?“, fragte sie neugierig und kämpfte mit dem Handtuch, das sie um ihren Körper schlingen wollte. Hilflos sah sie zu Draakon, damit er ihr eine helfende Hand lieh.
Sofort kam er ihrer stummen Bitte nach. „Ich möchte dir einen schönen Ort zeigen“, erklärte er und trocknete sie behutsam ab, bevor er es um sie schlang. „Aber erst, wenn es wärmer wird.“
„Danke“, sagte sie zärtlich. „So, wie ich dich kenne, wirst du mir nichts sagen, richtig?“, neckte sie ihn und half ihm ebenfalls beim Abtrocknen. So ging es schneller und sie konnte ihn fühlen.
„Nein, natürlich nicht“, lachte er grinsend, bevor auch er sich in ein Handtuch wickelte.
Kopfschüttelnd verließ Stella mit ihm das Badezimmer. „Mein lieber, sturer Ehemann“, hauchte sie ihm an die Lippen. „Ich werde dich jetzt allein lassen, damit Ria mir beim Anziehen und frisieren helfen kann“, sagte sie. „Möchtest du, dass ich dann wiederkomme, oder soll ich erst ein paar Dinge erledigen?“
„Wir treffen uns, wenn du fertig bist, in meinem Arbeitszimmer“, sagte er und küsste ihre Nase.
Stella nickte. „Einverstanden“, lächelte sie, gab ihm einen Kuss auf die Wange und verließ dann seinen Flügel, um sich fertig zu machen.
Kapitel 2
Wenige Tage später waren Draakon und Stella auf dem Weg zum Vulkan. Wie der Drachenkönig erwartet hatte, war im Gebiet der Istoker einer der vielen Schneestürme ausgebrochen, sodass sie länger warten mussten, um ihre Reise zu beginnen. Daher schoben sie die Besichtigung des Vulkangebiets einfach zwischenrein.
Das kam Stella gelegen und sie freute sich unheimlich, das unbewohnte Gebiet zu sehen. Gemeinsam mit Dylan hatten sie sich bereits am frühen Morgen auf den Weg gemacht. Viel konnte sich Stella unter dem Gebiet bisher nicht vorstellen, doch als sie auf Draakons Rücken saß und von oben hinabsah, staunte sie nicht schlecht und musste sogar überrascht keuchen.
Riesige, schwarze Wolken, die sie bereits auf dem Weg hierher wahrgenommen hatte, stiegen aus dem Krater des Vulkans hinauf in den Himmel. Darin gab es winzige Magmapartikel, die durch die Luft flogen. Auf einer Seite des Vulkans floss glühende Lava hinab und bildete neue Landschaft, sobald es sich abkühlte.
Es war drückend heiß, die Luft kratzte im Rachen und an sich gab es nichts außer Lava und Steine. So gut wie keine Pflanze schien sich hier behaupten zu können.
Draakon setzte vorsichtig und langsam zum Landeanflug an. Weit weg von dem feuerspuckenden Ungetüm.
Selbst hier war es heiß und langsam verstand Stella, warum eine Handelsroute unmöglich war. Die beißenden Gerüche waren eine Gefahr für die Menschen. Sie selbst hatte das Glück, dass sie ein Stück Stoff vor dem Mund hatte, das diese von ihr abhielt. Durch magisch verarbeitete Steine wurde die Luft gefiltert.
Stella strich sich ihre Haare, die vom Flug zerzaust waren, nach hinten. „Ich hätte nicht gedacht, dass es so aussieht“, gestand sie.
„Es ist menschenfeindlich“, bemerkte Draakon, der sich zurückverwandelte und lediglich einen Mantel überzog, damit er nicht nackt herumlaufen musste. Ihn schien die Hitze nicht zu stören, da er sogar barfuß lief.
„Könnten nicht die Drachen etwas tun, damit vielleicht am Rand ein Weg zustande kommt?“, wollte Stella wissen, während sie ein bisschen hin und her lief, um die Umgebung zu erkunden.
Ihre Beine waren seit der zweiten Hauttransplantation viel besser geworden und sie verspürte kaum noch Schmerzen. Außer, Draakon nahm sie hart im Training ran. Stellas Mut, ihren Mann darum zu bitten, ihr gesundes Bein zu behandeln, hatte sich ausgezahlt.
„Das könnte man schon, aber willst du hier Menschen entlangschicken?“, fragte er. „Dass der Vulkan ausbricht und die Lava noch weiter fließt, ist nicht unüblich“, erklärte er, während er seine Frau beobachtete.
Dylan saß als Drache in ihrer Nähe und überwachte beide.
Stella wusste, dass er die Hitze nicht mochte, weshalb sie den Besuch kurzhalten wollte. Der Eisdrache war nett und zuvorkommend, weshalb sie ihn nicht leiden lassen wollte.
„Und wenn die Drachen eine Art … Barriere erschaffen, welche die Leute vor der Lava, herumfliegenden Gesteinsbrocken und Ähnliches schützt?“, hakte die junge Königin nach. Bei diesem Besuch wurde ihr klar, dass es wohl unmöglich war, eine Handelsroute einzuführen, aber sie wollte gerne alle Möglichkeiten ausschöpfen, bevor sie ihre Idee völlig verwarf. Die Sicherheit der Menschen lag ihr am Herzen, da sich diese gegen die Naturgewalten nicht behaupten konnten.
„Dazu haben wir bei weitem nicht genug Drachen“, sagte er. „Wenn man sie hierfür abstellen würde, würden sie anderweitig fehlen und das kann zu richtig heftigen Problemen führen“, erklärte er und kraulte ihr kurz den Nacken. „Wir sind dafür zuständig, diese Welt zu beschützen. Von Gefahren von außen. Das ist unsere oberste Priorität.“
Genussvoll schloss Stella einen Moment die Augen. Sein Kraulen ließ ihre Haut kribbeln. „In Ordnung. Ich denke, ich habe genug gesehen. Dann muss ich die Idee mit dem Weg verwerfen und mich der anderen widmen“, sagte sie ein bisschen niedergeschlagen, da sie gerne den Menschen die weiten Wege von den Istokern zu den Baratern ersparen wollte.
Allerdings sah sie ein, dass sie Avalon in Gefahr bringen würde, sollte sie Drachen für ihr Projekt abzweigen. Draakon hatte Recht: Sie würden fehlen, wenn sie gebraucht wurden. Der Schutz von Avalon war wichtig.
„Wir finden sicherlich eine Möglichkeit“, sagte er und legte ihr einen Arm um die Schulter.
Stella nickte und lehnte sich an Draakon, um noch ein paar Minuten das Naturschauspiel zu genießen.
Als sie ihren Blick umherschweifen ließ, erkannte sie einen weit entfernten Punkt, der sich bewegte. Durch die Hitze flimmerte der Boden, weshalb sie es für eine Fata Morgana hielt. Das hatte sie bei den Baratern bereits erlebt, weshalb sie dem Punkt keine große Beachtung schenkte.
Dylan hingegen schon. Er neigte seinen Kopf zu den beiden nach unten, was Draakon die Stirn runzeln ließ. „Was ist los?“, fragte er alarmiert und schob Stella schützend hinter sich, um Dylans Blick zu folgen.
Seine Frau ging auf die Zehenspitzen, um etwas zu erkennen. Das gelang ihr jedoch nicht.
„Dort scheint jemand zu sein“, informierte Dylan den König. „Soll ich nachsehen gehen?“, fragte er.
Seine Stimme klang hallend und mehr in den Köpfen der beiden, was Stella Kopfschmerzen bereitete. Sprachen Drachen so? Warum hatte Draakon bisher noch nie so mit ihr gesprochen und warum tat es in ihrem Kopf so weh?
„Ja, geh nachsehen“, stimmte Draakon nickend zu und wandte sich dann an Stella, um sie zu mustern. „Was ist? Geht es dir nicht gut?“
Seine Frau griff sich an den Kopf. „Ich … weiß nicht“, gestand sie verwirrt und folgte Dylan mit ihren Augen dabei, wie er sich in die Luft erhob und losflog. „Dylans Stimme hat sich merkwürdig angehört. Vielleicht täusche ich mich auch und die Hitze ist für die Kopfschmerzen verantwortlich“, mutmaßte sie und wollte dann von Draakon wissen, ob er eine Ahnung hatte, was Dylan gesehen hatte. Immerhin flog er genau in die Richtung, in der sie den Punkt gesehen hatte.
Der Drachenkönig musterte sie. „Du hast ihn gehört?“, fragte er überrascht. „Normalerweise können Menschen die Sprache der Drachen nicht verstehen. Was gut ist, denn diese ist für menschliche Köpfe gefährlich.“
Fragend und gedankenverloren sah Stella ihn an. „Ich habe gehört, was er gesagt hat“, sagte sie. Es war jedoch nicht die raue, dunkle Stimme wie sonst gewesen. Das verwirrte sie. „Warum sind eure Stimmen gefährlich? Wegen den Kopfschmerzen, die sie auslösen?“, fragte sie und rieb sich die Schläfen, um den nagenden Kopfschmerzen zu lindern.
Draakon massierte leicht ihren Nacken, während er auf Dylan wartete. „Sie sind zu mächtig für die Ohren von Menschen. Sie können Gefäße zum Platzen bringen“, sagte er und klang besorgt. „Menschen können nur durch unsere Worte sterben.“
„Oh“, brachte Stella tonlos hervor. „Es war das erste Mal, dass ich sie gehört habe. Aber warum?“, wollte sie wissen und lehnte sich an ihrem Mann an.
„Draakon, es ist eine Frau!“, sagte Dylan zum König, obwohl er sich recht weit entfernt von ihnen befand.
Im gleichen Moment stöhnte Stella und ging in die Knie. Sie hielt sich den Kopf und versuchte, durch schütteln den hallenden Klang loszuwerden. „Frau“, flüsterte sie mit vor Schmerzen verzogenem Mund, da sie nur das von Dylans Gemurmel verstanden hatte.
Draakon legte Stella eine Hand auf die Stirn. „Das ist nicht gut“, sagte er leise. „Wieso hörst du ihn?“, fragte er sich selbst und wies Dylan dann an, die Frau herzubringen. Er wusste nicht, was eine Frau hier sollte.
Er achtete auf Stella, weil er Angst hatte, dass seine mentale Stimme, die er nutzte, um mit Dylan zu kommunizieren, ebenfalls Schäden anrichtete.
Der Eisdrache, der von der ganzen Sache nichts wusste, gab Draakon Bescheid, dass er sich beeilen würde.
Erneut stöhnte Stella und schloss die Augen, als ihr schlecht wurde. Dieser hallende Klang war so unangenehm, dass ihr schwindelig wurde. „Draakon … hilf mir“, bat Stella ihren Mann eindringlich, da das Geräusch noch immer ihren Kopf heimsuchte.
Er zog sie an sich und gab Dylan die Anweisung, nicht mehr zu sprechen, bis er wieder ein Mensch war. Es wäre nicht auszudenken, was geschah, wenn Stella deshalb verletzt wurde.
Auf Draakons Befehl hin kam Dylan schweigend zu ihnen zurück und legte eine Frau vor ihnen ab, die zitternd, ängstlich und völlig geschwächt zwischen ihnen hin und her starrte.
Egal, unter welchen Kopfschmerzen Stella gerade litt, sie befreite sich von Draakon, um die Frau besser zu betrachten. Stella entwich ein geschockter Ausruf, als sie ihre Kondition sah.
Draakon zog sich seinen Mantel aus und hüllte sie in diesen ein. „Wir müssen sie sofort zum Schloss bringen“, entschied er, bevor er Dylan zunickte. „Du nimmst sie.“
„Zu Befehl“, sagte der Eisdrache und verwandelte sich, damit er die junge Frau, die scheinbar eine Selatanerin war, aufnehmen konnte.
„Was zur Hölle ist mit ihr geschehen?“, fragte Stella mit brüchiger Stimme, nachdem sie nur einen kurzen Blick auf die Frau erhascht hatte. Noch nie hatte sie solch merkwürdige Knochenwüchse gesehen, die an einem Menschen gewachsen waren.
War die Frau etwa mit diesen Missbildungen geboren und verscheucht worden? Stella wusste, dass es in den Ländern teilweise Legenden gab, in denen Missbildungen als Fluch angesehen wurde.
„Ich habe so eine Ahnung“, knurrte Draakon, der Stella kurz in den Arm nahm. „Wir gehen gleich zurück.“
Sein knurrender Ton irritierte sie, aber sie hielt sich an ihm fest. Irgendetwas stimmte nicht, so viel war klar. „Wirst du mir davon erzählen?“, fragte sie zitternd und krallte sich an ihm fest. Es ging um einen Menschen und ihre Aufgabe war es, zwischen Menschen und Drachen zu vermitteln.
„Wir bringen sie zuerst nach Hause. Dann kümmern wir uns beide um sie“, entschied er, bevor er sich verwandelte und sich zu Boden legte, damit Stella aufsitzen konnte.
Nur so schaffte sie es, sich auf seinen Hals zu angeln und sich festzuhalten. Ihre Gedanken lagen jedoch bei der seltsamen Begegnung. Ob die Frau schwer krank war? Sie sah kränklich und halb tot aus.
„Ich bin so weit“, flüsterte Stella ihrem Mann zu und hielt sich, so gut es ging, fest. Ihr Blick war jedoch auf Dylan, der bereits in der Luft war, gerichtet.
Dieser trug die Frau zwischen seinen Klauen, damit sie nicht fallen konnte.
Draakon hob ab, und auf schnellen Flügeln brachte er Stella und die fremde Frau zurück zum Schloss.
Sobald dieses in Sicht kam, seufzte die Königin erleichtert auf. Obwohl der Rückflug nicht so lange gedauert hatte, hatte Stella das Gefühl, es wäre eine Ewigkeit gewesen.
Dylan landete bereits auf dem Dach und verwandelte sich zurück, wartete aber auf das Königspaar.
Draakon landete dicht bei ihnen und verwandelte sich zurück, sobald Stella von ihm gerutscht war. „Ein Dienstmädchen soll ein Zimmer für sie bereit machen. Dann brauche ich einen Arzt“, sagte Draakon, der die Frau hochhob. „Du kommst mit mir“, sagte er zu Stella.
Gehorsam nickte sie, während Dylan versprach, sich um die anderen Dinge zu kümmern. Er würde danach wieder wache halten.
Ihre Wege trennten sich, sobald sie das Schloss betraten und Stella sah ihm nachdenklich hinterher, bevor sie ihrem Mann folgte.
Draakon trug die Frau in das erstbeste Zimmer, das er fand. Später würde sie umziehen. Jetzt brauchte sie erst einmal eine Behandlung. Leider war sie auf dem Weg ohnmächtig geworden, doch das war vielleicht nicht schlecht. Sie musste heftige Schmerzen haben. „Ich glaube, sie hat Drachenhaut“, bemerkte Draakon angespannt, als er sie auf das Bett legte und sich dann erst einmal etwas anzog.
Entsetzt ließ sich Stella am Bett nieder und fuhr über die blasse, trockene Haut der Frau. Sie war in keiner guten Kondition, sondern wirkte ausgetrocknet. „Drachenhaut?“, fragte sie leise. „Wieso das denn? Wer tut so etwas? Kannst du ihr einen Tee machen, der die Schmerzen betäubt?“, fragte Stella hoffnungsvoll, weil sie nicht wollte, dass die Frau noch weiter litt.
„Ich werde ihr gleich mein Blut geben“, entschied Draakon, der einen Fingernagel zur Kralle machte, um damit seine Hand einzuritzen. „Es wird wohl wie bei dir sein. Dann bringt der Tee nicht viel“, murmelte er und ließ ein paar Tropfen in ihren Mund fließen. „Ich habe keine Ahnung, wie das hier passieren konnte“, knirschte er. „Dass es das noch gibt, ist … nicht gut.“
Seine Gemahlin hoffte, dass es der jungen Frau half. Sie sah schrecklich entstellt aus. „Ich dachte, wir haben das Gesetz, dass nur du wandeln darfst, aufgesetzt“, meinte Stella stirnrunzelnd. Bei der Zusammenkunft war sie sogar dabei gewesen. Sie hatte zugehört, als die Berater das Gesetz vorgelegt hatten.
„Ja, und eigentlich gibt es ein Gesetz, dass diese Dinge hier verbietet“, flüsterte er und fuhr mit seiner Hand sanft über die Stirn der Frau. „Allerdings scheinen sich Leute dagegen zu entscheiden.“
„Ich frage mich, wer sowas tun würde und wie lange das schon geht. Ob sie die einzige ist?“, fragte Stella und unterdrückte ein Stöhnen, als sie einen nagenden Schmerz im Kopf spürte.
Vorsichtig und behutsam strich sie über die geröteten und geschwollenen Stellen der Frau, an denen eindeutig Drachenhaut angebracht worden war. Von dort hatten sich seltsame Knochenauswüchse gebildet.
„Was ist los?“, fragte Draakon, der deutlich gesehen hatte, wie sie ihr Gesicht verzog. „Hast du Schmerzen?“
„Nagende Kopfschmerzen“, gestand Stella seufzend und stand auf, um Wasser und Tücher zu holen, damit sie den Körper der Verletzten säubern konnten. Da sie jedoch nur eine Hand benutzen konnte, würde es länger dauern, bis sie die Dinge zusammengesucht hatte.
„Ich werde den anderen Drachen verbieten, mental zu kommunizieren, sobald sie sich dem Schloss nähern“, meinte Draakon, der sich nicht sicher war, ob das helfen würde. Er würde es aber versuchen.
„Warum ist das schlimm?“, fragte Stella nach. Sie verstand nicht, warum es solche Schäden anrichten konnte.
Als sie das Zimmer verlassen wollte, um Wasser zu holen, stieß sie mit Dylan zusammen, der bereits eine Schüssel und Tücher brachte. „Danke“, sagte Stella erleichtert und lächelte ihm zu. Der Eisdrache wusste scheinbar instinktiv, was gebraucht wurde.
„Der Arzt ist unterwegs“, informierte er mit ruhiger Stimme und reichte Stella die Tücher, trug die Schüssel aber selbst zum Nachtschrank.
Draakon nickte.
„Lasst sie uns säubern, damit wir sehen, was sich unter der Schmutzschicht befindet“, sagte Stella energisch und tauchte das Tuch in das lauwarme Wasser, bevor sie das Gesicht der Frau abtupfte. Diese schien zu schwitzen, was ein Zeichen für Fieber sein konnte.
„Sie braucht erst einmal Ruhe und auch Essen“, meinte Draakon, der Stella sanft dabei half.
Die Königin nickte und gemeinsam säuberten sie die Frau bis zur Hälfte, bevor der Arzt den Raum betrat.
„Wir haben im Lavagebiet jemanden aufgegabelt“, sagte Draakon und deutete auf die junge Frau. „Behaltet das, was Ihr seht, für Euch.“
Der Arzt nickte und zeigte das Verschwiegensheitssiegel mit der Hand. Dieses hatte Stella in einen der zahlreichen Büchern gefunden. Um seine Verschwiegenheit zu versichern, legte der Arzt seinen Ringfinger und den kleinsten auf seinen Daumen, während Zeige- und Mittelfinger nach oben zeigte.
Bisher war Stella noch nicht in Kontakt mit ihm gekommen, aber gesehen hatte sie den Mann, der etwas kleiner als Draakon war und einen kleinen Bauchansatz hatte. Honrur war, genau wie Jordan, ein Pflanzendrache, der sich mit Heilkräutern auskannte.
„Bitte schau sie dir an“, bat Draakon und trat vom Bett zurück.
Der Arzt trat heran und begann mit der Untersuchung. Minuten verstrichen, in denen er gründlich den mageren Körper der Frau abtastete und sich einige Notizen machte. Dass er dabei von den Anwesenden beobachtet und gemustert wurde, interessierte ihn nicht. Er erledigte seine Arbeit gewissenhaft und meinte schließlich, dass die Frau tatsächlich Opfers einer versuchten Wandlung geworden war.
Draakon biss sich auf seinen Lippen herum. Honrur war alt genug, um von dem verbannten König zu wissen und auch von dem, was er getan hatte. Daher hatte er nach diesem und nicht nach Goran schicken lassen. „Das ist nicht gut. Bei ihr scheint es schiefgelaufen zu sein“, murmelte er und zog Stella an sich, weil er ihren Halt brauchte.
Seine Frau legte ihren Arm um seine Taille und sah nachdenklich auf die arme Frau. Es gefiel ihr nicht, dass jemand so etwas Grausames getan hatte. „Wird sie überleben?“, fragte sie tonlos und warf Honrur einen hoffnungsvollen Blick zu. Sicherlich würde sie im Schloss bleiben, sollte sie sich erholen.
„Das kann ich nicht sagen, Eure Hoheit“, sagte er entschuldigend und legte ihr ein nasses Tuch auf.
Hilflos sah Stella zu Draakon. Sie wollte nicht, dass die arme Frau starb, nur weil Wahnsinnige an ihr experimentiert hatten. Das sollte doch verhindert werden! „Was genau … hat man mit ihr gemacht?“, wagte sie zu fragen und warf einen Blick zwischen ihrem Mann und Honrur hin und her. Draakon kannte sich gut in der Medizin aus, weshalb sie glaubte, dass er ebenfalls antworten konnte.
„Das kann man noch nicht genau sagen“, murmelte er. „Es könnte der Versuch eines Drachen sein, seine Liebste zu retten oder aber der Versuch eines Verrückten, eine Frau in einen Drachen zu verwandeln“, gab er zerknirscht von sich.
Schweigend sah Stella auf die schlafende Frau. „Können wir sie hierbehalten? Auch, sollte sie überleben und wieder erwachen? Ich möchte nicht, dass sie … dort draußen herumläuft. Menschen würden sie verachten“, sagte sie traurig, weil sie wusste, wovon sie sprach.
„Sobald sie erwacht, sprechen wir mit ihr“, sagte Draakon sanft. „Vielleicht gab es ein Problem und sie will zu dem Drachen zurück“, sagte er und streichelte Stellas Schulter. „Sie könnte dir ähnlich sein.“
„Wenn sie es will, werde ich sie nicht aufhalten“, versprach Stella, bevor sie bei Draakons Berührung seufzte. Diese war beruhigend und aufmunternd zugleich. „Aber ich möchte nicht, dass sie gezwungen wird, zu gehen. Ich weiß, wie grausam die Menschen sein können“, fuhr sie fort und drehte sich zu ihrem Mann um. „Wie meinst du das, dass sie mir ähnlich sein könnte?“
„Wenn sie wirklich zu dem hier gezwungen wurde, werde ich sie nicht wieder hinaus in die Welt schicken. Sie ist eine Schutzbefohlene“, sagte er ernst und nahm seine Frau in den Arm. „Vielleicht war sie verletzt, wie du“, begann er zu erklären. „Und ihr Drache wollte sie nicht gehen lassen und retten.“ Das klang einleuchtend.
Stella schlang ihre Arme um ihren Mann und küsste ihn. „Danke, dass sie bleiben darf, sollte sie es wollen“, flüsterte sie gegen seine Lippen. „Das bedeutet mir viel.“
Draakon streichelte ihren Rücken. „Sie hat Hilfe verdient.“
Seine Frau nickte und lächelte, bevor sie sich an Honrur wandte. „Können wir im Moment etwas für sie tun?“, fragte sie hoffnungsvoll.
„Ich werde die offensichtlichen Wunden verarzten und ihr heilende Salben auftragen“, informierte er, obwohl er bereits dabei war. „Das ist erst einmal alles. Sie muss schlafen und zu Kräften kommen. Ich werde mich um alles kümmern.“
Zustimmend nickte Stella und drehte sich dann erneut zu Draakon um. „Bleiben wir erst einmal hier oder treten wir unsere Reise wie geplant an?“, fragte sie neugierig. Irgendwie hoffte sie, dass die Frau bald erwachen würde, damit sie mit ihr sprechen konnte.
„Ich werde vor der Tür warten“, informierte Dylan den König mental, was bei Stella plötzlich erneute Kopfschmerzen auslöste. Draakon hatte den Eisdrachen lediglich gebeten, nicht mehr mental zu kommunizieren, bis sie wieder im Schloss waren. Wahrscheinlich ging Dylan deshalb davon aus, dass er wieder so sprechen konnte.
Sofort hielt Draakon Stella fest und hörte auch, dass die Frau im Bett heftig stöhnte und sich wandte. „Dylan. Ich möchte, dass keiner der Drachen innerhalb des Schlosses mehr mental kommuniziert, sobald er in der Nähe dieses Zimmers oder meiner Frau ist“, erklärte Draakon, der Stella an sich zog. „Verbreite das bitte.“
„Sofort“, versicherte er und wirkte irgendwie getroffen bei Stellas Anblick, denn diese krümmte sich noch in Draakons Armen, bis der hallende Klang langsam weniger wurde.
Erst dann konnte sie sich wieder ein bisschen entspannen. Sie warf der Frau einen Blick zu. „Was ist mit ihr?“, fragte sie flüsternd.
„Ich denke, sie hat ein ähnliches Problem wie du“, flüsterte Draakon, der Stella hochhob. „Wir müssen uns etwas überlegen“, sagte er ernst und brachte sie erst einmal aus dem Zimmer. „Lassen wir sie ruhen.“
Sich an Draakon schmiegend sah Stella zu ihm hoch. „Du hast Recht. Sie braucht Ruhe“, gab sie zu. „Werden wir uns zurückziehen oder eine Sitzung einberufen?“, fragte sie nachdenklich.
„Ich möchte, dass es unter uns bleibt. Niemand soll davon erfahren, bis wir mehr wissen. Es ist einfach zu gefährlich“, flüsterte er an ihre Wange, bevor er sie küsste.
„In Ordnung“, erwiderte Stella lächelnd und bat ihn, sie herunterzulassen. Ihre Kopfschmerzen waren wieder besser und sie wollte sich gerne bewegen.
Also stellte Draakon sie wieder ab. „Wir werden unsere Reise bald anfangen“, sagte er und küsste ihre Stirn. „Honrur wird sich um die Frau kümmern. Wir können die Reise leider nicht weiter verschieben. Wir müssen die Möglichkeit nutzen.“
„Ich weiß. Meinst du, die Kleider sind bereits fertig?“, fragte Stella interessiert und lief neben ihm den Flur entlang. Auch jetzt waren einige Angestellte unterwegs und waren scheinbar mit saubermachen beschäftigt. Diese grüßten Stella freundlich, denn mittlerweile konnte sie sich meistens einigermaßen durchsetzen und das Verhältnis zu den Bediensteten hatte sich verbessert.
Sie waren vor einigen Tagen bei der Schneiderin gewesen, die Draakons Wünsche umsetzen sollte.
„Ja, sie hat bereits einige Kleider fertig, die du anprobieren solltest“, sagte Draakon, der noch immer seinen Arm um ihre Hüfte gelegt hatte. Nur leicht und nicht einschränkend. Es war irgendwie immer eine beruhigende Geste.
Lächelnd lehnte sich Stella während des Laufens leicht an ihren Mann. „Das ist gut. Dann steht der Reise nichts mehr im Weg“, freute sie sich, auch wenn sie kurz zuvor noch betrübt gewesen war. Außerdem waren die Aussichten auf wärmere Kleidung verlockend. In der letzten Zeit fror sie vermehrt, wenn sie über die Brücken zu den anderen Teilen des Schlosses ging.
Es wurde definitiv immer unangenehmer. Auch der Wind wurde stürmischer und kalt. Lag wahrscheinlich daran, weil sie hier so weit oben waren. Draakon hatte sie bereits gewarnt und die Diener kümmerten sich immer um die Kamine, damit es angenehm warm blieb.
So kalt hatte es sich Stella jedoch nicht vorgestellt. Dabei war noch nicht einmal Winter, doch der würde definitiv bald Einzug halten.
Gemeinsam schlugen sie den Weg ein, der sie zum Gebäude führte, in dem die Schneiderin untergebracht war. Dazu mussten sie die Brücke überqueren. Diese war durch den Nachtfrost gefroren, da es am Abend geregnet hatte.
Draakon hielt Stella fest und sie bemerkte, dass er Kristalle an seinen Beinen bildete, um nicht abzurutschen. Damit hielt er auch sie und so schafften sie es durch die Kälte hindurch zu dem Trakt der Schneider, ohne sich zu verletzen.
„Deine Fähigkeiten sind nützlich. Danke“, keuchte sie atemlos, als die warme Luft ihre Lungen füllte. Ihr war durch das Wetter eisig kalt, weshalb sie sich nach einem heißen Bad und warmer Kleidung sehnte. Dabei war ihr auf dem Vulkangebiet noch so heiß gewesen. Hoffentlich wurde sie durch die großen Temperaturunterschiede nicht krank. Oder Draakon. Sie wusste, dass er nur selten bis gar nicht krank wurde, aber es konnte trotzdem passieren.
„Ich kann dir besondere Schuhe machen“, schlug er vor. „Dann kannst du die Kristalle wie Nägel in den Boden rammen, damit du nicht wegrutschst. Oder bei zu viel Schnee auch wie Bretter, damit du nicht einsinkst“, schlug er vor und nahm ihr den Mantel ab, da es hier warm war.
„Das wäre toll“, gestand Stella mit leuchtenden Augen. Sie fühlte sich oft nicht sicher, wenn es so rutschig war, denn sie würde unweigerlich in die tiefen Schluchten stürzen, sollte sie von der Brücke rutschen. Allerdings waren fast immer überall Drachen und sie hoffte, dass man sie auffing.
„Ich werde mich darum kümmern“, versprach er und küsste ihre Stirn. „Schauen wir uns erst einmal deine Kleidung an.“
Voller Vorfreude hakte sie sich bei ihm ein und öffnete die Tür zur Schneiderin.
Anfangs hatte die Dame Stella einen Heidenschreck eingejagt, weil sie so streng und altmodisch aussah. Bei näherem Kennenlernen hatte Stella jedoch festgestellt, dass Enja ein weiches Herz besaß und freundlich war.
Auch jetzt, als die beiden eintraten, grüßte Enja sie mit einer Nadel im Mund, da sie gerade etwas absteckte, um es zu nähen. Die blonden, langsam ergrauenden Haare waren wie immer zu einem strengen, fein säuberlichen Dutt gebunden und die braunen Augen sahen ihnen freundlich entgegen.
„Enja“, grüßte Draakon und trat auf sie zu, um ihr einen sanften Kuss auf die Wange zu geben. Man sah ihnen an, dass sie sich nahestanden. Was bei Draakon und seinem menschlichen Haushalt tatsächlich nicht selten war. „Ich habe gehört, du hast Stellas Sachen fertig?“
Die Schneiderin nickte. „So gut wie alles ist fertig. Ich bin gerade noch an den Handschuhen“, sagte sie. „Diese werden aber in ein paar Stunden fertig sein“, versicherte Enja und warf Stella einen freundlichen Blick zu, bevor sie auf einige Ständer nickte. Dort hing ihre neuen Kleidung. „Ihr könnt sie bereits anprobieren.“
Das ließ sich Stella nicht zweimal sagen. Begeistert, wie schön die neue Kleidung geworden war, ging sie zu den Ständern und fühlte den weichen, teilweise sogar flauschigen Stoff. „Die Kleider sind wunderschön“, hauchte sie entzückt.
Draakon schmunzelte zufrieden. „Sie sollten dich warmhalten“, meinte er und beobachtete seine Frau genau. „Wir werden sehen müssen, dass wir für dich bald eine komplette Garderobe haben“, bemerkte er. „Damit für jeden Anlass etwas dabei ist. Von mir wird verlangt bald wieder die normalen Feste zu veranstalten“, erklärte er. „Sobald die Reisen vorbei sind.“
Stella nickte. Sie wusste, dass er momentan Schonzeit hatte. Daher war es gut, wenn er sich auf den Reisen auch erholte. „Auf deine Feste bin ich gespannt“, sagte sie und bat ihn, zu ihr zu kommen, damit sie gemeinsam die Kleider von den Ständern nehmen konnten. Mit einer Hand war das schwierig. Vor allem das Auskleiden und Anziehen.
Draakon kam sofort zu ihr und half ihr, damit sie auch die Sachen anprobieren konnte. „Es wird nicht so angenehm, wie du vielleicht denkst, aber möglicherweise könnten dir die Schausteller gefallen“, erzählte Draakon, während er ihr half, die Kleider auszuziehen und die neuen an.
Mit seiner Hilfe ging es schnell voran und sie bewunderte sich selbst in dem großen Spiegel, der aufgestellt worden war. Das Kleid war in dunkel- und hellgrünen Tönen gehalten und harmonierte gut mit ihren braunen Locken. „Wieso wird es nicht so angenehm?“, wollte sie wissen und drehte sich im Kreis. Dabei schwang der lange Rock schön mit.
„Es ist mehr ein politisches Fest. Zumindest viele davon“, erklärte er, während er seine Frau bewunderte. „Aber es gibt auch schöne Aspekte“, versprach er. Dabei konnte er den Blick nicht von ihr lassen.
Verlegen sah Stella zu ihm und lächelte. „Was genau heißt das?“, forschte sie nach. Bisher hatte sie keinem davon beigewohnt und wusste daher nicht, was auf sie zukommen würde.
„Die meisten Drachen, die kommen, werden die Möglichkeit nutzen, um mir oder auch dir ihre Wünsche vorzutragen“, erklärte Draakon. „Aber in einer geselligen Atmosphäre und nicht so direkt“, fügte er hinzu und half Stella dabei, das nächste Kleid anzuprobieren.
Dieses war sogar noch flauschiger und innen gefüttert. Wahrscheinlich perfekt für Ausflüge geeignet. Der samtrote Stoff fühlte sich auf Stellas Haut weich und warm an. Zudem waren die Ärmel am Ende lang und weit geöffnet, sodass sie ihre Hände darunter verstecken konnte, ohne dass sie sich blamierte. „Aber die Drachen sind doch mehr dein Gebiet, oder? Ich bin für die Menschen verantwortlich“, meinte sie verblüfft und hob den Rock ein Stück.
„Ja, das stimmt, aber einige Drachen werden wohl hoffen, dass sie über dich besser zu mir kommen. Vielleicht sprechen sie aber auch mit dir, weil sie ihre Bitten nicht direkt vortragen wollen“, erklärte er und beobachtete sie weiter, bevor er zufrieden nickte. „Es ist perfekt.“
„Finde ich auch“, stimmte Stella begeistert zu und zeigte dann auf den Mantel und die Stiefel. Diese waren mit dickem Fell innen gefüttert und wirkten auf den ersten Blick klobig. Das war aber egal, da sie sowieso unter dem Kleid und dem Mantel versteckt sein würden. Hauptsache, sie hielten Stella warm. „Warum tun sie so etwas? Ist das eine Art der Manipulation?“, erkundigte sie sich während des Ausziehens. Aus den Augenwinkeln erkannte sie Enja, die Stella nachdenklich ansah.
„Das kann ich dir nicht sagen. Vielleicht trauen sich einige auch nicht, direkt auf mich zuzukommen“, schlug er vor. „Das ist schwer zu sagen, aber viele der Drachen wissen, dass du mir näherstehst, als es sonst bei den Frauen des Königs der Fall war.“
Das ergab Sinn, doch das hieß nicht, dass Stella sich damit wohlfühlte. Noch immer hatte sie einige Probleme, manche Dinge richtig aufzufassen, weil sie für die Drachen andere Bedeutungen hatten als für Stella. Was für sie wichtig war, konnte für die Drachen unwichtig sein.
„Dann hoffen wir, dass ich bis dahin mehr gelernt habe“, sagte sie zuversichtlich, obwohl sie sich gar nicht so fühlte.
„Du kannst sie, wenn du dich unwohl fühlst, immer zu mir schicken“, sagte er sanft. „Hast du einen besonderen Wunsch für die Feste? Möchtest du ein kleines Theaterspiel sehen oder etwas anderes?“
Während sich Stella wieder ihre Kleidung und dann anschließend die Stiefel, mit denen sie zu kämpfen hatte, anzog, überlegte sie. „Ich würde gerne mehr von der Drachenkultur sehen“, gestand sie, wusste aber nicht, ob das möglich war. „Ein kleines Konzert wäre schön.“
„Ich könnte sicher ein Schauspiel über die ersten Drachen machen lassen“, sagte er nachdenklich. Er wusste jedoch nicht, ob das so gut ankommen würde. Zumindest bei den Drachen nicht. „Aber wohl im kleineren Kreise mit unseren Leuten.“
„Das wäre hervorragend, aber es muss nicht sein“, versicherte Stella ehrlich. Solche Feste waren nicht nur zur Unterhaltung da. „Die Schuhe passen perfekt“, sagte sie zufrieden, nachdem sie einige Schritte im Raum herumgelaufen war.
Enja lächelte. „Das ist gut. Wie sind die Kleider?“, wollte sie wissen.
„Perfekt“, wiederholte Stella glücklich.
Enja nickte zufrieden. „Ich habe auch noch ein anderes Kleid für Euch angefangen. Eines für die Feste. Es ist noch nicht fertig, aber ich würde gern sehen, wie es bisher an Euch aussieht.“
Überrascht warf Stella Draakon einen Blick zu. War er dafür verantwortlich? Davon wusste sie nichts. Dennoch ging sie auf Enja zu und nickte. „Sehr gerne. Wo ist es?“, fragte sie neugierig.
Enja führte sie zu einem Kleid, das noch auf einem Ständer hing und bisher noch nicht so besonders aussah. Es wirkte wie ein einfaches, weißes Nachtkleid.
Fragend sah Stella dieses an. „Was genau soll es werden?“, fragte sie nachdenklich und befühlte den Stoff.
„Das ist erst einmal nur das grobe Unterkleid für das Kleid“, erklärte sie. „Es soll etwas Repräsentatives werden“, erklärte Enja.
Stella nickte und bat dann um Hilfe, es anzuziehen. Ihr war klar, dass das Unterkleid schnell reißen konnte, da es noch nicht ganz fertig zu sein schien.