Drei Brüder: Eine Novelle über Sex, Mord und Call-in-Shows - Andreas Acker - E-Book

Drei Brüder: Eine Novelle über Sex, Mord und Call-in-Shows E-Book

Andreas Acker

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  • Herausgeber: Amrun Verlag
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2017
Beschreibung

3 Brüder - 2 Freunde - 1 Leiche Dass Jürgen, der ältere Bruder von Carsten und Holger, präzise wie ein Uhrwerk von Notlage in Notlage schlittert, ist bekannt. Dass er seine Frau mit einem Fleischklopfer erschlägt, ist allerdings neu. Als er seine Brüder um Hilfe bittet, ihm bei der Beseitigung der sterblichen Überreste zu helfen, stimmen diese widerwillig zu. Doch damit beginnen ihre Probleme erst so richtig: Denn sowohl die zwei Freunde, die sie bei der Entsorgung der Leiche unterstützen sollen, sowie die mysteriöse Anja, deren Schönheit lediglich von ihrer Durchgeknalltheit übertroffen wird, sind keine große Hilfe. Im Gegenteil, mit jeder verstreichenden Minute eskaliert die Situation ein Stück mehr. Und es wird doch nicht so schwer sein, ein Tier mit K zu nennen? 37 freie Leitungen - 3 Brüder - 0 Durchblick

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Seitenzahl: 126

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Drei BrüderEine Novelle über Sex, Mord und Call-in-Shows

Andreas Acker

© 2017 Amrûn Verlag Jürgen Eglseer, Traunstein

Lektorat: Tamara FehnKorrektorat: André PiotrowskiUmschlaggestaltung: Mark Freier

Alle Rechte vorbehalten

ISBN – 978-3-95869-305-0

Besuchen Sie unsere Webseite:

http://amrun-verlag.de

Dieser Roman ist ein Werk der Fiktion. Sämtliche Ähnlichkeiten oder Namensgleichheiten zu lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar

Gewidmet meinen Eltern

die wissen, was es bedeutet, drei Söhne aufzuziehen

23:00 - 0:00

»Du musst mir helfen, Holger. Ich hab‘ Scheiße gebaut.«

Die Stimme meines Bruders drang durch einen Schleier an meine Ohren, der zu einem Drittel meiner Schlaftrunkenheit, zu zwei Dritteln jedoch der zur Hälfte geleerten Flasche Whiskey auf meinem Nachttisch geschuldet war. Dieser Kombination entsprechend wortgewandt und geschliffen fiel meine Antwort aus: »Hä?«

Ich blickte an die Decke, an die mein Nachttischwecker die Uhrzeit projizierte. Viel zu grell fraßen sich die Ziffern in meine Netzhaut. 23:32. Vielen Dank auch.

Slayer, der Pinscher meines Bruders, kläffte ohne Unterlass, während er wahrscheinlich gerade um Jürgens Beine hüpfte, auf Leckerchen hoffte oder versuchte, ein Stofftier meines Neffen zu besteigen. Dieses helle Bellen bohrte sich wie ein Dolch in meine Gehörgänge.

Um ehrlich zu sein, waren es keine bahnbrechenden Neuig­keiten, dass mein älterer Bruder sich mal wieder in Schwierigkeiten manövriert hatte. Verdammt, ich konnte mich nicht erinnern, wann er mal nicht bis zur Halskrause in der Scheiße gesteckt hatte, so dass mich ein Anruf zu nachtschlafender Zeit nicht überraschen konnte. Im Gegenteil: Mein Bruder war der ungekrönte König im Mistbauen. Jürgen war maximaltalentiert darin, Geld auszugeben, das ihm nicht gehörte, bei der Rückführung dieser Darlehen jedoch hoffnungslos minderbemittelt.

»Wie viel brauchst du?«

Jürgen schnaufte in den Hörer. Es klang, als tobte ein Wirbelsturm in seiner Wohnung. »Ich brauche dein Scheißgeld nicht, Holger.«

Das zumindest war mal was Neues, schließlich hatte mein Scheißgeld ihn schon mindestens ein Dutzend Mal davor bewahrt, von irgendwelchen humorlosen Inkassotypen kräftig durchgeschüttelt zu werden.

»Was willst du dann von mir? Es ist mitten in der Nacht, Jürgen.«

»Ich habe Janina umgebracht.«

Diese Eröffnung ließ den seligen Nebel in meinem Kopf verschwinden.

Ich setzte mich im Bett auf, so schnell, dass sich das Zimmer in schlingernden Kreisen um mich drehte.

»Du hast was?«, schrie ich in den Telefonhörer.

»Mach doch einfach das Fenster auf und brüll es durch die Gegend«, antwortete Jürgen. »Ja, ich habe Janina umgebracht. Hab ihr den Fleischklopfer auf den Kopf gehämmert. Jetzt ist Ruhe.«

Ich ließ mich aufs Bett zurückfallen und blickte an die Decke. Meine Augen produzierten voneinander unabhängige Bilder, die ich zu synchronisieren versuchte. »Wo ist Hendrik?«, fragte ich.

Hendrik war ein sechs Monate alter Nachwuchssumoringer, dessen Lächeln mich ohne weiteres dazu bringen konnte, mit Blumenkränzen im Haar über Wiesen zu hüpfen, während ich gleichzeitig auf einer Schalmei klimperte.

»Hendrik schläft in seinem Zimmer. Er hat nichts mitbekommen.«

Ich atmete aus. Wenigstens etwas. Ich liebte diesen kleinen Kerl mehr als mein Leben, auch wenn ich ihn viel zu selten sah.

»Gut. Lass ihn dort. Du lässt ihn auf keinen Fall seine Mutter sehen, ist das klar?«

Wieder dieses Schnauben. »Sag mal, hältst du mich für total bescheuert?«

Bescheuert war nicht das richtige Wort. Gehirnamputiert traf es deutlich besser.

Ein Gedanke flammte in meinem überanstrengten Geist auf. »Du hast sie doch nicht im Kinderzimmer ...?«

»Nein, sie liegt im Flur, gleich neben der Haustür.«

»Und du bist sicher, dass sie, du weißt schon, dass sie tot ist?«

»Ich habe noch nie jemanden umgebracht. Aber um ihren Kopf hat sich eine riesige Blutpfütze gebildet und sie bewegt sich nicht mehr. Also würde ich sagen, ja, sie ist tot. Sag mal, hilfst du mir jetzt oder nicht?«

Ich setzte mich auf die Bettkante. Der Whiskeyflasche wuchs ein verführerischer, kirschroter Mund, der mich anlächelte. Ich wandte den Blick ab. Auch wenn ein Schluck Vergessen jetzt so verlockend war wie selten zuvor, konnte ich es mir nicht leisten, den Nebel zurückkehren zu lassen. Ich hatte da so eine Ahnung, dass ich einen klaren Kopf benötigen würde.

Irgendwo draußen hupte ein Auto. Die Gardinen meines Schlafzimmerfensters bauschten sich in der Nachtbrise in den Raum.

»In Ordnung«, sagte ich. »Du machst Folgendes: Du legst jetzt auf und rufst danach die Polizei an.«

»Sag mal, hast du komplett den Verstand verloren? Ich bitte dich um Hilfe und du kommst mir nur mit Scheiße!«

Ich musste den Telefonhörer vom Ohr weghalten, sonst hätte sich mein Trommelfell unter Jürgens Wutausbruch wahrscheinlich für immer verabschiedet. Ich sparte es mir, ihm bezüglich seiner Lautstärke denselben Rat angedeihen zu lassen, den er mir gegeben hatte.

»Ich kann die Polizei nicht anrufen. Willst du etwa, dass Hendrik zu ihren Eltern kommt, wenn ich im Knast sitze?«

Nein, das wollte ich ganz bestimmt nicht.

Janinas Mutter war eine alkoholabhängige Drogensüchtige, während ihr derzeitiger Freund ein drogenabhängiger Alkoholsüchtiger war. Vielleicht auch umgekehrt, ich verwechselte das immer.

»Beruhige dich, denk an die Nachbarn«, ermahnte ich ihn jetzt doch. Mein Bruder wohnte in einem Mehrfamilienhaus, dessen Wände die Stärke von Lasagneplatten besaßen. Schon tagsüber war es hellhörig, nachts jedoch konnte man sogar den flatulenzkranken Nachbarhund bei seiner Lieblingsbeschäftigung hören. Im Hintergrund kläffte Slayer immer noch. Dieses schrille Bellen rammte ein Fleischermesser zwischen meinen Ohren.

»Ich könnte den Kleinen nehmen«, überlegte ich.

»Mach dich nicht lächerlich«, sagte Jürgen und sprach wieder leiser. »Das Gericht würde ihn dir niemals zusprechen. Du bist teilweise Monate im Ausland auf Geschäftsreise, um irgendwelchen Firmen Produktlinien anzudrehen, die sie nicht brauchen.«

Ganz so las sich die Stellenbeschreibung meines Jobs zwar nicht, aber im Grunde genommen hatte es mein Bruder auf den Punkt gebracht.

»Was ist mit Carsten?«

Carsten war unser jüngerer Brüder. Ein Bild von Mann und hochbegabter Künstler mit dem wirtschaftlichen Sachverstand eines Säuglings. Und wahrscheinlich tat ich Hendrik damit unrecht. Der Unterschied zu Jürgen war der, dass mein älterer Bruder durchaus das Prinzip des Geldflusses begriff, jedoch keine Lust hatte, sich daran zu halten und sich so von Notlage in Notlage manövrierte. Carsten dagegen war der Meinung, er hätte ein tolles Geschäft gemacht, wenn er ein Bild für fünfzig Euro verkaufte, bei dem er allein für die Materialien das Doppelte hingeblättert hatte. Ich wunderte mich täglich darüber, dass er noch nicht verhungert war.

»Boah Holger, hast du noch mehr solcher geistreichen Ideen? Der kann nicht mal sich selbst ernähren. Sein letztes Bild hat er für ein paar Euro einem Kindergarten verkauft. Und das auch nur, weil er die Leiterin so lange beschwatzt hat, dass sie vor der Wahl stand, ihm entweder ein Bild abzukaufen oder ihn als Stalker bei der Polizei anzuzeigen. Und weißt du, wo die das hingehängt haben? Aufs Scheißhaus! Ja, das hat er mir erzählt. Wie soll der jemals auf einen grünen Zweig kommen, wenn er Bilder malt, die Kinder dazu animieren sollen, aufs Töpfchen zu gehen? Kannst du mir das erklären?«

Okay, das klang zwar nach einer Marktlücke, aber wohl nach keiner, die finanzielle Unabhängigkeit versprach. Ich beugte mich vor und rieb mir die Augen. Hinter meinen Lidern explodierten Blumen in den fantastischsten Farben.

»Okay«, sagte ich. »Was nun?«

»Beweg deinen Arsch hierher, ich bitte dich. Ich rufe Carsten an, der soll auch kommen.«

Damit hängte er ein.

0:00 - 01:00

Carsten und ich erreichten den Parkplatz mit den viel zu engen Stellplätzen gleichzeitig. »Hey«, begrüßte er mich.

Er trug einen farbverschmierten Sweater und - passend dazu - eine farbverschmierte, zerschlissene Jeans. Und doch kannte ich keinen Menschen, der in diesen Lumpen so gut ausgesehen hätte wie mein jüngerer Bruder. Ich beneidete ihn dafür, sah ich doch selbst im maßgeschneiderten Anzug aus, als hätte ich diesen einem Obdachlosen entwendet und anschließend drei Nächte darin geschlafen.

»Hey«, erwiderte ich.

»Alles klar?« Die Gläser seiner Nickelbrille reflektierten das Mondlicht, verwandelten seine Augen in blinkende Münzen. Damit hatte er wahrscheinlich mehr Geld im Gesicht als im Portemonnaie. Seine Miene blieb regungslos.

Ich zuckte die Schultern. »Mal sehen.«

Carsten ließ unausgesprochen, was er wirklich dachte. Diesmal hat er wirklich Mist gebaut, las ich in seinem ebenmäßigen Gesicht. Diesmal hat er nicht nur in einen Bottich voller Scheiße gegriffen, er ist in ihn hineingestiegen und suhlt sich darin wie ein Ferkel in einer Schlammpfütze.

Wir gingen zur Haustür, begleitet von Parkplatzlampen, die unseren Laufweg aufgrund von Lichtschranken nachzeichneten. Ich drückte die Klingel.

»Ja, bitte?« Jürgens Stimme drang aus der Sprechanlage. Er klang, als habe er gerade ferngesehen und ein Bier getrunken.

»Wir sind‘s«, sagte Carsten. »Mach die Tür auf, verdammt.«

Der Summer ertönte und Carsten öffnete die gesprungene Glastür. Gemeinsam betraten wir das Mehrfamilienhaus und machten uns an den Aufstieg. Das Treppenhaus war vollgestellt mit Kinderwagen und abgestorbenen und von Läusen befallenen Topfpflanzen. Vor jeder Haustür parkten mehrere Paar Schuhe, die teilweise zu Menschen mit schlimmen Fußschweißproblemen gehörten. Das schmutzige Oberlicht ließ widerwillig fleckiges Mondlicht passieren, das dem Treppenhaus einen fahlen Anstrich verlieh. Trotz der späten Stunde hörte ich hinter der einen oder anderen Tür den Fernseher laufen. Telefonquiz. Als würde man tagsüber nicht genug verarscht werden. Nicht mein Bier.

Endlich erreichten wir den dritten Stock, in dem Jürgen, Hendrik und Janina ... in dem Jürgen und Hendrik lebten. Die Wohnungstür war geschlossen. Carsten klopfte.

»Ja, bitte?« Das war Jürgen. Slayer tat unterdessen das, was er am besten konnte: Er kläffte und jagte durch die Wohnung. Ich hörte seine Krallen auf dem Boden klicken.

»Jetzt mach die verdammte Tür auf!«, verlangte Carsten und ich sah die Sehnen an seinem Hals hervortreten.

Jürgen öffnete die Tür und lächelte. »Hallo. Danke, dass ihr gekommen seid.«

Carsten knurrte etwas Unverständliches und ging in die Wohnung. Ich folgte ihm. Sofort kam Slayer auf mich zugerannt, rote Pfotenabdrücke auf dem Boden hinterlassend, bremste schlitternd ab und versuchte, mein Hosenbein zu pimpern. Als ihm das nicht die erhoffte Befriedigung verschaffte, pinkelte er es stattdessen an und verzog sich in den hinteren Teil der Wohnung, wo der Flur einen L-förmigen Knick beschrieb und zu Kinderzimmer und Speisekammer, Bad und schließlich ins Schlafzimmer führte. Das war unsere gewöhnliche Begrüßungszeremonie. Ich weiß nicht, wie viele Hunderte von Euro ich bereits in Reinigungen gelassen habe, um den Gestank von Hundeurin herauszuwaschen. Diesmal würde ich wohl selber waschen müssen, denn Slayer hatte meine Jeans mit Blutflecken beschmiert. Und es waren nicht nur Pfotenabdrücke, die ich auf dem Jeansstoff ausmachen konnte, Slayer schien auch buchstäblich Blut geleckt zu haben.

Im Hintergrund lief eine Call-in-Show. Der wie ein gedoptes Kaninchen durch das zweifellos in einem ausgemusterten Altglascontainer untergebrachte Fernsehstudio rennende Moderator schrie die armen Zuschauer an, dass es doch nicht so schwer sein könne, ein Tier mit K zu nennen. Mit K, verdammt!

Doch das alles bemerkte ich kaum. Ich sah auf den Boden, sah Janina dort liegen, ihr blondgefärbtes Haar, das an den Ansätzen wieder die ursprüngliche dunkelbraune Farbe angenommen hatte, wie eine explodierte Sonne von ihrem Kopf abstehend. Die Augen geschlossen, der Mund dafür geöffnet. Ihre Zunge hing heraus, als hätte sie auf ein Eis am Stiel gewartet. Blass sah sie aus, was kein Wunder war, war doch kein geringer Teil ihres Blutes aus der Kopfwunde ausgetreten und breitete sich als roter Mond auf dem Boden aus, füllte die Fugen des abgewetzten Baumarktlaminats und die Zwischenräume der Haarsträhnen. Es hatte bereits eine dunkle Färbung angenommen, ein Zeichen dafür, dass es schon etwas länger her war, als Jürgen meiner Schwägerin den Fleischklopfer auf die Schädeldecke gerammt hatte. In der Lache neben ihrem Kopf lag das Tatwerkzeug.

»Mein Gott.« Carsten sprach damit so ziemlich das aus, was ich dachte. »Mein Gott.«

Slayer hatte beschlossen, der erkalteten Liebe zu meinem Bein eine zweite Chance zu geben und mühte sich wieder ab, wobei er sein helles, migräneförderndes Bellen ausstieß.

Ich drückte mir Zeigefinger und Daumen auf die Lider, bemüht, das sich mir bietende Bild zurückzudrängen, sah jedoch auf der Netzhaut ein Nachbild meiner Schwägerin. Keine Verbesserung, also konnte ich die Augen auch wieder öffnen.

Janina lag immer noch vor mir.

Jetzt ging Carsten in die Knie und betrachtete Janina aus der Nähe. Allerdings schien er nicht recht zu wissen, wonach er suchte, weshalb er sich wieder aufstellte und in die Runde guckte.

»Und du hast sie ...«

»... mit einem Fleischklopfer erschlagen, ja«, beendete Jürgen seinen Satz. »Deswegen liegt er da neben ihrem Kopf. Ich war gerade dabei, mir ein Schnitzel zu machen, als sie von der Arbeit nach Hause kam und eine Szene machte.«

Ich spähte an meinem Bruder vorbei in die Küche. Wenn Jürgen es nicht vorzog, seine Schnitzel direkt auf der Herdplatte zu braten oder nach dem Mord seelenruhig aufgeräumt hatte, hatte er uns gerade eine faustdicke Lüge aufgetischt. Aber darauf würde ich später zu sprechen kommen, erstmal sollte er weitererzählen.

»Sie schrie mich an, dass ich nicht den ganzen Tag fernsehen und endlich was aus mir machen solle. Und dass ich ein Nichtsnutz wäre, der im Internet surft, während sie irgendwelchen notgeilen Geschäftsreisenden Cocktails ausschenkt, die ihr auf die Titten glotzen und ihren Arsch tätscheln.« Er schüttelte den Kopf. »Solche Sachen halt. Business as usual.«

Carsten und ich nickten. Dass Jürgen und Janina oft stritten, und zwar so heftig, dass Nachbarn schon mehrmals die Polizei gerufen hatten, war uns bekannt. Deshalb konnte uns diese Nachricht nicht schockieren. Das erledigte der leblose Körper unserer Schwägerin auf dem Boden zwischen uns.

»Und jetzt?«, fragte Carsten.

»Was meinst du damit? Und jetzt? Wir müssen sie irgendwie loswerden«. Jürgen lief unter seinem Bürstenschnitt gefährlich rot an. Er hatte mit Mitte dreißig immer noch so volle Haare wie als Teenager. Keine Spur von Geheimratsecken. Mein Haaransatz war dagegen schon so weit zurückgewichen, dass ich in Kürze als Luftballondouble mein Geld verdienen konnte. Ich frage mich oft, warum sich die schlechten Gene meiner Eltern allesamt auf mich vererbt hatten, während meine Brüder nur die besten in sich zu vereinen schienen.

»Wie stellst du dir das vor?«, fragte ich.

Jürgen zuckte die Achseln. »Ich weiß es nicht. Wir müssen sie irgendwo hinbringen, wo sie nie gefunden wird.«

Carsten schüttelte den Kopf. »Nein. Wir müssen die Polizei rufen, Jürgen. Daran führt kein Weg vorbei.«

»Sag mal, hast du irgendwas daran nicht verstanden, dass ich Hendrik niemals in die Obhut von Janinas Eltern geben würde?« Er zeigte auf die am Boden liegende Janina. »Eher sterbe ich!«

Carsten hob die Hände. »Das ist mir schon klar. Und es handelt sich hierbei auch um meinen Neffen, falls du das vergessen hast. Du musst der Polizei eben klarmachen, dass du in Notwehr gehandelt hast. Dass es ein Unfall war oder was weiß ich. Ich werde jedoch auf keinen Fall dabei helfen, Janina irgendwo zu verscharren oder sie in einen Müllcontainer zu werfen.«

»Was ist mit unseren Eltern?«, fragte ich. »Warum sollte Hendrik nicht bei ihnen aufwachsen?«