Drei Krimis Spezialband 1054 - Alfred Bekker - E-Book

Drei Krimis Spezialband 1054 E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Dieser Band enthält folgende Krimis: (399XE) Blumen auf das Grab (Alfred Bekker) Trevellian oder Gekidnappt vor der Kamera (Jan Gardemann) Trevellian oder Der Killer traf das falsche Opfer (Franklin Donovan) »Hör nicht auf!« flüsterte Mary Fletcher ihrem Mann ins Ohr, dessen ungestüme Zärtlichkeit sie zur Ekstase trieb. Larry Fletcher umfaßte eine der prallen Brüste seiner Frau mit der Rechten. Die Knospe reckte sich ihm zwischen seinen gespreizten Fingern entgegen. Ihr kurviger Leib vibrierte, als stände er unter Strom, und auch Larrys Lustgefühl strebte dem Höhepunkt entgegen. Die beste Art, eine schlaflose Nacht zu verbringen, dachte der junge Mann grinsend. Denn an Schlaf war wirklich nicht zu denken, dafür war es viel zu heiß. Laut den Wetterfröschen der heißeste August in New York City seit 1822. Und das sollte in dieser Stadt der extremen Temperaturen schon was heißen. Marys gestammelte Worte gingen in ein lustvolles Stöhnen über. Larry verstärkte seine Bemühungen - als plötzlich ein anderes Geräusch an seine Ohren drang. Schritte auf der Treppe… Larry fuhr hoch. Hatte er sich getäuscht?

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Alfred Bekker, Jan Gardemann, Franklin Donovan

Drei Krimis Spezialband 1054

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Inhaltsverzeichnis

Drei Krimis Spezialband 1054

Copyright

Blumen auf das Grab

​Trevellian oder Gekidnappt vor der Kamera: Kriminalroman

Trevellian oder ​Der Killer traf die falschen Opfer: Action Krimi

Drei Krimis Spezialband 1054

Alfred Bekker, Jan Gardemann, Franklin Donovan

Dieser Band enthält folgende Krimis:

Blumen auf das Grab (Alfred Bekker)

Trevellian oder Gekidnappt vor der Kamera (Jan Gardemann)

Trevellian oder Der Killer traf das falsche Opfer (Franklin Donovan)

»Hör nicht auf!« flüsterte Mary Fletcher ihrem Mann ins Ohr, dessen ungestüme Zärtlichkeit sie zur Ekstase trieb.

Larry Fletcher umfaßte eine der prallen Brüste seiner Frau mit der Rechten. Die Knospe reckte sich ihm zwischen seinen gespreizten Fingern entgegen. Ihr kurviger Leib vibrierte, als stände er unter Strom, und auch Larrys Lustgefühl strebte dem Höhepunkt entgegen.
Die beste Art, eine schlaflose Nacht zu verbringen, dachte der junge Mann grinsend. Denn an Schlaf war wirklich nicht zu denken, dafür war es viel zu heiß. Laut den Wetterfröschen der heißeste August in New York City seit 1822. Und das sollte in dieser Stadt der extremen Temperaturen schon was heißen.
Marys gestammelte Worte gingen in ein lustvolles Stöhnen über. Larry verstärkte seine Bemühungen - als plötzlich ein anderes Geräusch an seine Ohren drang. Schritte auf der Treppe…
Larry fuhr hoch. Hatte er sich getäuscht?

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author

COVER A.PANADERO

© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

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Alles rund um Belletristik!

Blumen auf das Grab

von Alfred Bekker

Roman

Der Umfang dieses Buchs entspricht 120 Taschenbuchseiten.

Er wusste, dass er diese Bilder nie wieder loswerden würde...Bilder, die ihm wieder vor Augen stehen, als seine Freundin plötzlich verschwindet und die Kripo ermittelt.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author/ Cover: Firuz Askin

© dieser Ausgabe 2015 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

www.AlfredBekker.de

[email protected]

1

Er dachte oft an die Vergangenheit.

Sehr oft.

Immer wieder.

Und er wusste, dass er diese Bilder nie wieder loswerden würde.

"Nie!" - ein Wort, gesprochen von einer klirrend kalten Frauenstimme.

Es war an einem kalten, ungemütlichen Herbsttag, als sie zum Friedhof gingen. Die Frau hatte Blumen mitgebracht.

Geranien. Sie legte die Blumen mit einer bedächtigen, fast feierlichen Geste auf das Grab. Und dann stand sie eine Weile davor und schwieg, während der Junge, mit dem sie gekommen war, sich gegen den kalten Wind stemmte und fror.

Der Junge wusste, dass er die Frau jetzt nicht stören durfte. Sie wurde dann ziemlich ärgerlich. Also sagte er nichts und verhielt sich ruhig, während die Zeit wie eine unendlich langsame Schnecke voran kroch.

Die grauen Wolken waren unterdessen dunkler geworden. Es begann zu regnen. Es war nicht der erste Schauer an diesem düsteren Tag, aber ein besonders heftiger.

"Es regnet!", sagte er, aber es schien die Frau überhaupt nicht zu stören. Sie hörte gar nicht, was der Junge sagte.

Sie schien ganz in sich versunken zu sein, fast wie in Trance. "Mutter, ich bin ganz nass!"

Jetzt sah sie auf ihn herab und der Junge begegnete dem Blick ihrer eisgrauen Augen. In ihrem Gesicht regte sich etwas. Ihre Lippen formten fast ein Lächeln.

Sie kniete sich zu ihm nieder.

"Du bist jetzt der Mann im Haus", sagte sie mit einem seltsamen Ernst in der Stimme. "Du weißt, was das bedeutet, nicht wahr?"

"Können wir nicht nach Hause gehen? Es regnet doch so!"

"Ja, wir gehen gleich."

"Ich bin schon ganz nass! Und in meinen Schuhen ist auch schon Wasser!"

"Ja, ja. Ich werde dir gleich einen heißen Kakao machen."

Sie beugte sich noch ein wenig weiter vor und sagte dann: "Du musst mir versprechen, dass du mich nie verlässt, hörst du?"

"Warum sollte ich dich denn verlassen?"

"Du versprichst es mir, ja?"

"Klar."

"Nie!"

"Nie."

2

"Gegen Ihre Magenschmerzen kann ich nichts machen, junger Mann."

"Sie können mir etwas aufschreiben."

"Sicher kann ich das. Aber das wird Ihr Problem nicht lösen."

"Was für ein Problem?"

"Nun..."

Der Arzt hatte einen schwarzen Vollbart, eine hohe braungebrannte Stirn und eine sehr sanfte, sehr tiefe Stimme, die dazu geeignet war, sofort Vertrauen zu erwecken.

"Ich will keinesfalls, dass Sie mich jetzt missverstehen", begann er unbeholfen und drehte dabei unentwegt seine fleischigen Daumen umeinander. Der Arzt wusste schon jetzt, dass er falsch angefangen hatte.

"Keine Sorge", kam die eher kühle Erwiderung.

Der Arzt lehnte sich etwas zurück und musterte sein Gegenüber. Er machte einmal den Mund halb auf, blies dann aber doch nur etwas Luft hindurch. Er hatte einfach noch nicht die passenden Worte parat.

"Es ist doch so", begann er dann sehr vorsichtig und mit einem Unterton, der dem jungen Mann nicht gefiel. "Sie sind organisch völlig gesund."

"Ach, ja?", kam es mit ironischem Unterton zurück.

Der Arzt nickte entschieden. "Ja."

"Glauben Sie vielleicht, ich bilde mir das nur ein?"

"Nein, das nicht."

"So klingt das aber!"

"Hören Sie..."

"Wenn Sie mir nichts aufschreiben, gehe ich eben zu einem anderen Arzt. Es stehen ja schließlich genug im Telefonbuch!"

Der Arzt seufzte.

"Ich schreibe Ihnen ja etwas auf. Aber ich habe nun wirklich mein ganzes Repertoire an Untersuchungen und Tests an Ihnen ausprobiert."

"Und mein Magen ist gesund!"

"So ist es."

"Vielleicht strahlen die Schmerzen von einem anderen Organ in die Magengegend aus. So etwas gibt es doch!"

"Ja, sicher... Aber das ist bei Ihnen wohl nicht der Fall. Gegen die Schmerzen kann ich Ihnen etwas geben, aber..." Der Arzt zögerte und kratzte sich nervös an seinem Ohrläppchen, bevor er schließlich herausbrachte: "Aber Sie sollten noch etwas anderes tun!"

Der junge Mann war skeptisch.

"Und was?", erkundigte er sich.

"Sie brauchen jemanden, der... mit Ihnen spricht."

"Was?"

"Ja, ich halte Ihre Beschwerden für psychosomatisch", erklärte der Arzt schließlich.

Endlich war es also heraus.

Der Arzt beugte sich etwas über den Tisch und versuchte, einen neutralen Gesichtsausdruck aufzusetzen. "Ich kann Ihnen da einen Kollegen empfehlen, der psychologische Beratungen durchführt."

Der junge Mann sah den Arzt entsetzt an und murmelte dann: "Wissen Sie was? Schreiben Sie mir einfach was gegen die Schmerzen auf und verschonen Sie mich mit solchen Angeboten!"

Der Arzt zuckte die Achseln.

"Wie Sie wollen. Es war nur ein Vorschlag."

"Und ich habe ihn abgelehnt!"

"Ich habe es gut gemeint."

"Sicher."

3

"Wenn dein Vater noch leben würde, wäre alles anders", sagte sie irgendwann einmal zu ihm.

Er runzelte die Stirn.

Sie hatte das schon oft gesagt.

Meistens dann, wenn ihr alles über den Kopf zu wachsen drohte, was ihr in schöner Regelmäßigkeit passierte.

Sie stand am Fenster, hatte die Arme vor der Brust verschränkt und blickte gedankenverloren hinaus in den Garten.

Es hatte gerade aufgehört zu regnen und die Wolkendecke riss langsam auf.

"Was wäre denn anders?", fragte er unterdessen vorsichtig.

Seine eigene Stimme klang ihm fremd dabei, so als wäre es die von jemand anderem.

"Alles", murmelte sie abwesend.

Er ließ nicht locker. Diesmal nicht.

"Was genau?", hakte er nach und fixierte sie dabei mit seinem Blick.

Jetzt wandte sie sich zu ihm herum.

Ihr Lächeln war flüchtig und ein wenig säuerlich.

"Ich habe noch viel zu tun, Junge", erklärte sie dann und ging.

Er sah ihr nach, sah durch das Fenster, wie sie wenig später anfing, im Garten zu arbeiten. Er atmete tief durch und schüttelte dabei leicht den Kopf.

Sie glaubt wirklich daran, wurde es ihm mit einer Mischung aus Erstaunen und Entsetzen klar.

4

Ihr erstes Zusammentreffen verlief ziemlich ungünstig. Es war auf dem Parkplatz des Supermarkts, als er seine Gedanken wohl im Wagen gelassen hatte und sie einfach umrannte. Er hatte sie schlichtweg nicht gesehen.

Dafür sah er sie sich dann, als es passiert war, gleich ein zweites Mal an.

Sie war hübsch, fand er.

Braunes, schulterlanges Haar, grüngraue Augen und ein feingeschnittenes Gesicht.

"Tut mir wirklich leid", meinte er, während er zusah, wie sie die Sachen wieder einsammelte, die ihr aus der Tüte gefallen waren. Einer der Joghurtbecher würde wohl nicht mehr zu retten sein. "Tut mir wirklich leid."

"Ja, ist ja schon gut."

Ein paar schnelle Handgriffe und sie hatte ihre Sachen wieder eingesammelt.

Den Joghurt nahm sie auch - jedenfalls das, was sich davon mit zwei Fingern festhalten ließ. Sie verzog das Gesicht, als sie ihn in einen nahen Papierkorb feuerte.

Dann atmete sie tief durch und er stand ziemlich hilflos da und hatte keine Ahnung, was man in einer solchen Situation tun oder sagen konnte.

"Den Joghurt werde ich Ihnen natürlich ersetzen", hörte er sich selbst sagen und kam sich sehr dämlich dabei vor.

Sie verdrehte die Augen.

"Sparen Sie das Geld besser, damit Sie sich bei Gelegenheit mal 'ne stärkere Brille leisten können!"

"Eine noch stärkere?"

Er fand das witzig und konnte sein Grinsen einfach nicht unterdrücken.

Sie sah ihn ziemlich zornig an und musste dann aber selber Lachen. Sie lachten schließlich beide und eine Viertelstunde später saßen sie zusammen in einem Straßencafé und tranken zusammen einen Cappuccino, den natürlich er bezahlte.

"Zwei Stück Zucker?", fragte sie erstaunt, als er die kleinen Papierbeutel aufriss und den Inhalt in die Tasse schüttete.

Er blickte auf.

"Ja, warum?"

"Ist das nicht zu süß?"

"Nee."

"Naja..."

Sie verzog das Gesicht und er plemperte beim Umrühren.

Es fing zwar etwas schleppend an, aber schließlich bekamen sie sogar so etwas wie Unterhaltung zu Stande. Er hörte ihre Stimme und seine und fühlte sich, als würde er daneben stehen und zuhören. Seine Lippen bewegten sich wie automatisch, was ihn überraschte, denn in der Rolle des extrovertierten Unterhalters war er alles andere als geübt.

Aber im Grunde kam es gar nicht darauf an, was er sagte oder was sie sagte.

Er sah sie an und dachte: Sie erinnert mich an... Aber er weigerte sich, es zu Ende zu denken. Nein, sagte er sich. Das ist jetzt nicht wichtig. Nur das Hier und Jetzt zählte.

Sie schenkte ihm unterdessen ein bezauberndes Lächeln.

"Tut mir leid, dass ich gerade ein bisschen heftig reagiert habe", meinte sie und zeigte dabei eine charmante Art von Verlegenheit.

"Macht nichts", meinte er, lehnte sich dabei etwas zurück und schlug die Beine übereinander.

Aber sie widersprach ihm.

"Doch, doch, man sollte sich eigentlich besser unter Kontrolle haben!" Sie zuckte die Achseln.

"Wirklich?", fragte er schmunzelnd und hob dabei leicht die Augenbrauen.

Sie nickte.

"Ich finde ja", meinte sie dann auf ihre sehr entschiedene Art, die ihm irgendwie sympathisch war.

Seine Linke ging zur Seite, fand schließlich das Ohrläppchen und zupfte etwas daran.

"Also, ich weiß nicht...", murmelte er.

Sie hob die Hände, nahm dann ihre Tasse und nippte zaghaft am Cappuccino.

"Ich bin nun mal ziemlich impulsiv", meinte sie dann lächelnd. "Ich schätze, da ist auch wohl nicht mehr viel zu ändern."

Warum auch?, dachte er.

Er fand es sympathisch.

Es schien ihm so, als hätte sie einen Überfluss an Energie.

Und obwohl er fast einen halben Meter von ihr entfernt saß, schien noch einiges davon zu ihm herüberzustrahlen. Jedenfalls fühlte er in ihrer Gegenwart ein seltsam anregendes Prickeln, das ihn von oben bis unten zu durchfluten schien.

Er hatte so etwas lange nicht gespürt. Sehr lange nicht..

Seit damals.

Er erinnerte sich.

Es war dasselbe Gefühl. Jedenfalls fast.

"Was machst du eigentlich beruflich?", fragte sie und musterte ihn so, als könnte sie es ihm von der Nasenspitze absehen.

"Ich..."

Ihre Stimme schien ihn zu elektrisieren.

Er saugte gerade geräuschvoll die Sahne von seinem Cappuccino herunter.

"Lass mich raten!", forderte sie.

Er zuckte die Achseln.

"Meinetwegen!"

"Du bist Beamter!"

Er lächelte.

"Falsch!"

"Wirklich?"

"Ja."

"Ich hätte drauf schwören können."

"Warum?"

Sie verdrehte die Augen. Das machte sie hinreißend. "Du siehst eben so aus", meinte sie.

"Womit mal wieder bewiesen ist, wie sehr der äußere Anschein täuschen kann", lachte er.

Sie verschränkte die Arme vor der Brust.

"Na, sag schon! Was machst du wirklich?"

"Ich bin Kaufmann. Verlagskaufmann."

"Dann hast du mit Büchern zu tun?"

Er schüttelte den Kopf.

"Nein, der Verlag, in dem ich arbeite stellt ein paar Anzeigenblätter und eine Gratis-Zeitschrift für Apothekenkunden her."

"Ach, so."

Es klang fast ein bisschen enttäuscht.

"Und du?", fragte er.

"Was schätzt du?"

"Friseuse."

"Wie kommst du denn darauf?"

"Na, schließlich bist du gut frisiert."

Sie lachten.

"Nein", meinte sie dann lächelnd. "Du liegst leider auch falsch!"

"So?"

"Ich arbeite in einem Brillengeschäft."

"Obwohl du gar keine Brille trägst?"

"So ist es."

"Ist das nicht geschäftsschädigend?"

Sie tranken noch einen zweiten und einen dritten Cappuccino. Schließlich meinte sie, sie müsste nun gehen.

"Sieht man sich mal wieder?", fragte sie.

"Sicher."

Er war viel zu überrascht, um etwas anderes zu sagen.

5

Zwei Tage später trafen sie sich wieder. Diesmal tranken sie ihren Kaffee bei ihr, in ihrer alles andere als geräumigen Ein-Zimmer-Wohnung.

"Nicht gerade viel Platz hier", entschuldigte sie sich.

"Macht nichts."

Irgendwann sagte sie: "Ich finde, du bist ein netter Kerl."

Er lächelte matt.

"So?"

"Ja."

Sie saß ziemlich nah neben ihm auf einer Couch, die ausgeklappt gleichzeitig als Bett dienen musste. Er fand, dass sie gut roch. Ihre Haare hatte sie hinten zusammengebunden.

Es stand ihr gut.

Sie sahen sich an und er war wie hypnotisiert von diesem Paar grüngrauer Augen. Sekunden später fühlte er ihre weichen Lippen auf den Seinen.

"Hast du nicht Lust, über Nacht zu bleiben?", fragte sie etwas später.

Er zögerte erst eine Sekunde, dann nickte er entschieden.

"Ich muss aber vorher noch telefonieren."

Sie lächelte.

"Mit wem?"

"Dienstlich", log er und küsste sie. "Lässt sich leider nicht bis morgen aufschieben."

6

"Hey, kommst du heute Abend zum Squash?"

Er stand an der Imbissbude und hatte der kräftig wirkenden Frau hinter dem Tresen gerade gesagt, was er haben wollte.

Einen Hotdog und ein Bier. Alkoholfrei natürlich.

Er drehte sich halb herum und sah in das kantige, braungebrannte Gesicht von Jürgen Brock, der ebenfalls einen Job im Verlag hatte und zwar als Fahrer.

"Was ist, Peter?", fragte Brock, als er nicht gleich eine Antwort bekam.

"Also..."

"Keine Lust?" Brock stieß ihm die Faust gegen die Schulter. "Oder zu schlapp?"

Peter schüttelte den Kopf und druckste etwas herum.

"Nein", meinte er dann. "Ich habe schon was vor."

"Was denn?"

"Ich..."

Er zögerte. Und dann kam sein Hotdog und er musste erst einmal bezahlen.

Brock grinste von einem seiner abstehenden Ohren zum anderen. Seine Augen wurden ganz klein dabei, so dass es fast wie ein Blinzeln aussah.

"Du hast jemanden kennengelernt, was?", erkannte er. Die Vorstellung schien ihn irgendwie zu amüsieren.

Peter nickte.

"Ja" gestand er.

"Sieht sie gut aus?"

"Hm", brummte Peter so, dass es wie Zustimmung klang. Peter lächelte eine Sekunde lang in sich hinein und fuhr dann fort: "Ich finde sie jedenfalls prima. Sie ist 'ne tolle Frau."

"Oh la la!", machte Brock. "Klingt ja, als wär's etwas wirklich Ernstes!"

"Ich glaub' schon."

"Richtig verknallt?"

"Kann man so sagen, ja."

Brock lachte und schlug Peter mit jovialer Gönnerhaftigkeit auf die Schulter. "Wurde ja auch Zeit!"

"Wieso?"

Als Brock Peters verständnisloses Gesicht sah, merkte er, dass er seinen Gedanken besser nicht unmittelbar in Worte umgesetzt hätte. Aber für einen wie ihn war es nicht allzu schwierig, sich da wieder herauszuwinden. Glaubte er jedenfalls.

"Na, wegen der Sache damals mit dieser..." Brock schnippte mit den Fingern. "Hieß sie nicht Sylvia?"

"Hm", brummte Peter.

Er hatte nicht die geringste Lust darüber zu reden.

"Na, ich schätze das ist die beste Therapie, um endlich darüber hinwegzukommen."

"Sicher."

Dann wandte sich Brock an die Kräftige hinter dem Tresen, um sich sein Mittagessen zu bestellen. Pommes frites mit Ketchup, Mayonnaise und Remouladensoße. Brock hatte eben einen recht persönlichen Geschmack.

Peter biss von seinem Hotdog ab und wartete.

"Kommt Anita eigentlich gar nicht mehr?", fragte Brock die Frau hinterm Tresen.

"Keine Ahnung", murmelte diese, während sie die Mayonnaise auf die Pommes spritzte.

"Du weißt doch, wen ich meine oder?" Brock ließ nicht locker.

"Ja, klar."

"Die kleine Blonde."

Sie verzog das Gesicht.

"Ich weiß, wen du meinst", erwiderte sie pikiert.

"Ich habe sie schon 'ne ganze Weile nicht mehr hier gesehen!"

"Ich auch nicht!"

Sie verdrehte die Augen und Brock grinste. Dann meinte sie: "Hör zu, ich weiß nicht, was mit Anita ist. Vielleicht nimmt sie jetzt immer die Abendschichten oder sie hat was Besseres gefunden. Ich habe wirklich keine Ahnung!"

"Schade."

"Du kannst ja unseren Chef fragen."

Er lachte.

"So dringend ist es nun auch nicht!"

"Na, dann..."

"Du kannst sie von mir grüßen, wenn du sie doch mal wieder sehen solltest!"

7

Es war Stefanies Idee gewesen, auf den Jahrmarkt zu gehen und Peter Simon fühlte sich sichtlich unwohl. Aber nun war es zu spät.

Er hatte sich von ihr breitschlagen lassen. Es war einer von ihren spontanen Einfällen gewesen und spontane Einfälle waren etwas, das ihm fremd war.

Ebenso wie dieser Jahrmarkt, der eigentlich kaum mehr als eine Dorfkirmes war.

Wenigstens sie schien sich jedoch gut zu amüsieren.

"Schießt du mir eine Rose?", fragte Stefanie ihn schließlich irgendwann ziemlich unvermittelt.

Er runzelte jetzt die Stirn.

"Was?", fragte er.

Er fühlte, wie sie ihn mitzuziehen versuchte.

"Eine Rose", wiederholte sie. "Da vorne ist eine Schießbude."

Er seufzte hörbar und machte dabei ein Gesicht, das zu sagen schien: Muss das denn sein?

Es musste sein.

Schon deswegen, weil er Stefanie einfach gar nichts abschlagen konnte.

"Ist das dein Ernst?", fragte er überflüssigerweise, denn die Antwort kannte er im Voraus.

Stefanie lachte und ließ dabei ihre makellos weißen Zähne aufblitzen. "Was denkst du denn!"

"Ich glaube, ich kann gar nicht schießen", drückte Peter dann zögernd hervor.

"Ach, Quatsch."

"Nein, im Ernst! Ich habe das noch nie gemacht", behauptete er.

"Echt?"

"Ja."

Sie machte ein ungläubiges Gesicht.

"Und ich hätte darauf gewettet, dass einer wie du bei der Bundeswehr gewesen ist!"

"Bin ich nicht", erwiderte Peter mürrisch. Sie hakte sich bei ihm unter und er legte halbherzig den Arm um ihre Schultern.

"Und warum nicht?"

Schulterzucken.

"Untauglich", knurrte er.

"Was?" Sie wahr ehrlich erstaunt und sah ihn ziemlich verwundert an.

"Ja, du hast schon richtig gehört", knurrte er zurück.

"Warum bist du denn so gereizt, Peter?"

Er machte eine wegwerfende Geste. "Ich bin überhaupt nicht gereizt!"

"Natürlich bist du das!" Einen Augenblick lang schwieg Stefanie. Dann sagte sie: "Du siehst mir aber nicht sehr krank aus, finde ich."

Peter zuckte die Achseln.

"Plattfüße, eine Menge Amalgam im Mund und eine dicke Brille. Das hat genügt."

"Du Ärmster!"

"Na, so schlimm ist es nun auch wieder nicht. Ich bin ganz froh, dass ich auf diese Weise drumherum gekommen bin."

Sie zog ihn mit sich in Richtung der Schießbude. Der dicke vierschrötige Mann, der dort die Aufsicht hatte, blickte schon zu ihnen hinüber.

"Komm, probier's trotzdem!", lachte Stefanie.

"Was?"

"Na, einmal schießen!"

Er atmete tief durch. Er hatte ihr schon das Riesenrad abgeschlagen, weil ihm allein vom Hinsehen schon schlecht zu werden drohte.

Hier würde er wohl nicht drumherum kommen.

"Wenn's sein muss...", murmelte er.

"Es muss sein", erklärte sie.

Sie sagte das sehr bestimmt.

Und dann waren sie auch schon da.

Peters Blick ging die möglichen Ziele entlang. Es gab jede Menge Rosen, Federn, Delphine an kleinen Kettchen und andere nützliche Dinge, die man mit der Kugel aus einem Luftgewehr herunterschießen konnte.

Für Fortgeschrittene gab es eine nicht abreißende Kolonne von kleinen Panzern, die mit stets gleichbleibender Geschwindigkeit dahergezogen wurde.

Ein Mittfünfziger in jägergrünem Anzug räumte gerade die Ziele reihenweise aus den Regalen. Der Dicke hinter dem Tresen machte bereits ein missmutiges Gesicht, sagte aber nichts, sondern lud statt dessen einem zehnjährigen Knirps das Luftgewehr durch.

Der Knirps nahm das Gewehr, zielte kurz und schoss.

Beim ersten Mal traf er nichts, beim zweiten Mal einen der Panzer. Dem Dicken war die Überraschung deutlich ins Gesicht geschrieben.

"Gratuliere, Kleiner", grunzte er dann gönnerhaft. Die Augen des Jungen leuchteten dabei.

Peter nahm sich indessen eine der Waffen, die auf dem Tresen herumlagen und hob sie hoch.

"Kann ich dieses Gewehr hier nehmen?"

"Können Sie!" Der Dicke nahm es Peter trotzdem erst einmal aus der Hand und lud es durch. "Wie oft wollen Sie denn schießen?"

"Ein Mal."

"Wenn Sie öfter schießen, wird's billiger." Der Dicke grinste dabei von einem Ohr zum anderen.

"Nein, ich möchte nur ein Mal", erwiderte Peter.

"Wie Sie wollen."

"Na, komm, mach schon!", rief Stefanie.

Peter legte an und zielte auf eine Rose. Einige Augenblicke lang blieb er wie versteinert und rührte sich nicht einen Millimeter.

Dann drückte er schließlich ab. Es machte zack! und irgend etwas fiel herunter.

Die Rosen wackelten.

Der Dicke lachte heiser.

"Na sehen Sie!", meinte er mit ironischem Unterton. "Sogar was getroffen!"

Er bückte sich und ächzte dabei. Dann reichte er Peter grinsend seine Beute und Stefanie musste unwillkürlich lachen.

"Ein Schnuller!"

Peter zuckte die Achseln und legte das Gewehr zurück auf den Tresen. "Ich habe auf die Rose gezielt", murmelte er schwach.

Stefanie lachte noch immer und schlang ihre Arme um seinem Hals. "Ja, und einen Schnuller getroffen."

"Na und?"

Der Schießbudenmann lud das Gewehr durch und grinste ziemlich breit. Er fand die Sache auch lustig, das war ihm deutlich anzusehen.

Aber der Dicke wusste auch, was sich gehörte. Der Kunde war ja schließlich König.

"Noch einmal?", fragte er süffisant und konnte das Grinsen dabei kaum unterdrücken.

"Nein", zischte Peter und fühlte dabei, wie Stefanies Hand unter seine Jacke glitt.

"Nicht sauer sein, Peter!"

Aber Peter war sauer. Das ließ sich nicht mehr ändern. Er wandte sich an den Schießbudenmann.

"Was bin ich Ihnen schuldig?", knurrte er, woraufhin der Dicke sich etwas über den Tresen beugte.

"Ein Schuss eins fünfzig. Drei Schuss zwei Euro fünfzig."

"Bitte", knurrte Peter und bezahlte.

Dann gingen sie, Arm in Arm zwar, aber es sagte ein paar Minuten lang keiner ein Wort.

Stefanies Kopf nickte leicht im stampfenden Rhythmus der Disco-Musik, die über den Platz dröhnte. Es war eine merkwürdige Mixtur, ein Brei aus drei, vier verschiedenen Stücken.

Die Bässe drückten in die Magengrube.

Sie wichen einem Betrunkenen aus, der sie mit einer fürchterlichen Fahne anrülpste und irgend etwas daherlallte, das kein Mensch verstehen konnte und kamen schließlich in eine Gegend, in der vorwiegend Bierstände und Würstchenbuden platziert worden waren.

Hier war es wesentlich leiser und so fragte Stefanie schließlich: "Du bist jetzt sauer, stimmt's?" Im Grunde war es eine Feststellung, keine Frage.

Peter schüttelte trotzdem den Kopf.

"Nein", behauptete er, allerdings nicht überzeugend genug für Stefanie.

Immerhin kannte sie ihn schon gut genug, um ihn zielsicher zu ertappen, wenn er log.

"Ach komm, du kannst mir nichts vormachen!" Sie musste ein erneutes Lachen unterdrücken, was ihr nur mit äußerster Mühe zu gelingen schien.

Peter sah sie an. Seine Augenbrauen hoben sich. Er schien das ganze sehr viel ernster zu nehmen.

"Was ist so witzig?", fragte er.

Er sah ihre makellosen Zähne blitzen.

"Ich kann mir nicht helfen, aber ich finde es einfach witzig", meinte sie und schlang zärtlich ihre Arme um seinen Hals.

"Ha, ha,ha", knurrte er.

"Soll ich dir was sagen? Irgendwie passt das zu dir."

Sie blieben stehen.

"Was?"

"Das du einen Schnuller geschossen hast!" In ihrem Augen funkelte es. "Statt einer Rose, meine ich."

Peter seufzte. "Irgendwie war es keine gute Idee, hier her zu gehen..."

Sie knuffte ihn in die Seite.

"Ach komm schon!"

"War ja auch nicht meine Idee..."

"Du bist und bleibst doch ein alter Spielverderber!" Sie hob die Schultern und sah dann zu ihm hinauf. "Außerdem weiß ich gar nicht, was du eigentlich hast! Wir hatten doch viel Spaß!"

"Naja..."

"Ich finde schon!"

Sie beobachteten einige Jugendliche, die sich um einen Boxautomaten herum gruppierten. Für ein paar Groschen konnte jeder, der es wollte, testen, ob er Weltmeister oder Schwächling war.

"Gehen wir nachher noch zu dir?", fragte Peter dann später ziemlich unvermittelt.

Stefanie wartete einen Moment mit der Antwort, musterte ihn kurz und sagte dann: "Nein."

"Was?"

Er hatte mit vielem gerechnet, aber nicht damit.

"Ja, du hast schon richtig gehört", lächelte sie.

Irgend etwas führte sie im Schilde, das hatte Peter gleich gespürt. So gut kannten sie sich inzwischen doch schon.

Vielleicht wollte sie ihn auch einfach nur ein wenig ärgern...

"Ich dachte mir, dass wir heute mal zu dir gehen, Peter", meinte sie dann schließlich gedehnt.

Peter machte kein sehr glückliches Gesicht. Er kratzte sich an der Nase.

"So, dachtest du...", murmelte er.

Sie nickte sehr entschieden.

"Ja."

"Das muss ja nicht unbedingt heute sein, oder?

"Warum denn nicht heute?"

"Weil..."

Er brach ab. Vielleicht deshalb, weil es keinen vernünftigen Grund gab. Jedenfalls wollte ihm auf die Schnelle einfach nichts einfallen, das auch nur einigermaßen plausibel klang.

"Wir kennen uns fast zwei Monate und ich war noch nie bei dir zu Hause."

Schulterzucken.

"Na, und?"

"Peter,findest du das nicht auch seltsam?"

"Warum soll ich das seltsam finden?", meinte er schwach, obwohl er wusste, dass sie eigentlich recht hatte.

"Na, komm, Peter, du musst schon zugeben, dass das seltsam ist." Sie lachte kurz auf. Ihre Stimme klang dabei hell und klar. Dann meinte sie: "Stehst du nicht zu mir, oder was soll das Theater?"

"Natürlich stehe ich zu dir", stöhnte er.

Doch sie ließ nicht locker.

"Ich meine, was soll ich davon halten, dass... "

"Das ist es nicht."

Sie seufzte.

"Und was ist es dann? Ich blamier' dich schon nicht. Keine Sorge."

"Da mache ich mir auch keine Sorgen."

"Also gehen wir heute zu dir. Morgen ist Wochenende und die Nacht wird bei dir bestimmt so toll, wie die Nächte, die wir bei mir verbracht haben..."

Ihre Stimme bekam bei den letzten Worten einen ganz besonderen Klang. Einen Klang, der Peter für ein paar Sekunden verzauberte.

Sie zu treffen war das Beste, was mir passieren konnte, ging es ihm durch den Kopf.

Trotzdem.

Er wollte sie nicht mit nach Hause nehmen.

Ehe er wieder ganz beieinander war, fühlte er bereits ihre Lippen auf den seinen. Sie waren ganz weich.

"Komm, Stefanie, hör mir mal zu..."

Es gelang ihm schließlich doch noch, sich von ihr zu lösen.

"Ja, ich weiß schon, was jetzt kommt...", murrte sie und zog dabei einen Schmollmund, wie er im Bilderbuch stand.

Auch dabei sah sie noch reizend aus.

Peter wirkte unsicher, als er zu sprechen begann.

"Meine Mutter..."

"Deine Mutter wird das schon verkraften!"

Seine Geste wirkte genauso hilflos wie sein Gestammel. Er machte einen erneuten Versuch ohne wirklich daran zu glauben, ihr seine Sicht der Dinge einsichtig machen zu können: "Du weißt doch..."

"Ja ich weiß, die alte Leier...", fertigte sie ihn kurzerhand ab.

"Seit mein Vater nicht mehr lebt..."

Sie unterbrach ihn.

"Ja, seit dein Vater tot ist, ist sie etwas seltsam. Das hast du mir erzählt." Ihr Gesicht wurde trotzig. "Aber ich sehe nicht ein, warum ich sie nicht kennenlernen sollte. So verschroben kann sie doch nicht sein, dass du mir das nicht zumuten könntest... Für wen hältst du mich? Für ein Kartenhaus, das gleich beim ersten Niesen in sich zusammenstürzt?"

Er wusste, dass seine Position denkbar schwach war, schon deshalb, weil er selbst nur an das glaubte, was er ihr da erzählt hatte.

Er kratzte sich am Nacken.

"Nein", murmelte er mit wenig Nachdruck.

"Dann verstehe ich nicht, warum wir über diese Sache so eine Debatte führen müssen!"

Peter nahm sie bei den Schultern, aber sie entwand sich seinem Griff gleich wieder und sah ihn verständnislos an.

Er druckste unbeholfen herum und begann: "Ich glaube nicht, dass du weißt..."

Sie schnitt ihm das Wort ab.

"Keine Ausflüchte mehr, Peter! Heute geht's zu dir." Sie lächelte kokett und trat herausfordernd nahe an ihn heran. "Oder gibt es da am Ende gar keine Mutter, sondern eine eifersüchtige Ehefrau, die mir oder dir oder uns beiden mit dem Küchenmesser an die Gurgel gehen würde..."

Er schüttelte den Kopf und lächelte sogar ein wenig.

"Nein..."

"Na, dann gibt's doch kein Problem, oder?"

"Also..."

"Kein Echtes, meine ich."

Peter wusste in diesem Augenblick instinktiv, dass sein Widerstand zwecklos wurde. Er war drauf und dran zu kapitulieren und die Waffen zu strecken. Und zwar bedingungslos.

Manchmal fragte er sich, was es wohl sein mochte, dass sie so stark machte und ihn so schwach.

Er ahnte die Antwort und weigerte sich, weiter darüber nachzudenken.

"Okay", meinte er, obwohl es da eine Stimme in ihm gab, die es gar nicht okay fand.

Er zuckte die Achseln.

8

Peter fuhr den Wagen in die erleuchtete Einfahrt eines mittelgroßen Bungalows, stoppte und drehte dann den Motor ab.

"Da wären wir", meinte er.

"Hübsch wohnst du hier", meinte Stefanie ehrlich beeindruckt.

"Ja, nicht?"

"Ziemlich feine Gegend."

"Es geht!"

"Na, wer wohnt denn hier! Ärzte, Rechtsanwälte und solche Leute, oder? Leute wie die, bei denen meine Ma früher geputzt hat."

Sie stiegen aus.

Peter schloss ab und die Zentralverriegelung ließ alle vier Knöpfe heruntergehen. Stefanie streckte sich indessen und sog genussvoll die kühle Nachtluft ein.

"Wem gehört das Haus?", erkundigte sie sich dann, nachdem ihr Blick ein wenig umhergekreist war.

Peter hob die Augenbrauen.

"Wie meinst du das?"

"Na, dir oder deiner Mutter?"

Er atmete tief durch, wie jemand, der eine schwere Last zu tragen hat.

"Meiner Mutter", sagte er dann.

Sie nickte leicht.

"Dachte ich mir fast."

Es klang nicht triumphierend, nicht ein bisschen, sondern eher wie ein Vorwurf.

"Na und?", verteidigte er sich. "Wir verstehen uns gut, meine Mutter und ich."

"Ja, sicher", beschwichtigte sie.

Stefanie machte einen Schritt zur Seite und hatte dann auf einmal etwas Weiches unter dem Fuß.

"Vorsicht!"

"Was ist denn?"

"Die Geranien...

"Oh..."

Eine Sekunde später war Peter bei ihr und fasste sie am Arm. "Ist ja noch mal gut gegangen", meinte er. "Du wärst fast in das Beet getrampelt."

Sie schaute kurz zu Boden auf das Geranienbeet. Als sie dann den Kopf wieder hob, schien ihr Blick so etwas zu sagen wie: Muss man deshalb denn so einen Aufstand machen?

"Tut mir leid, aber du hast den Wagen auch so abgestellt, dass..."

"Ist ja nichts passiert", murmelte Peter nach einem prüfenden Blick. "Es ist nur so..."

Stefanie konnte sich an zwei Fingern ausrechnen, was jetzt kam. Und es machte sie fast ein bisschen ärgerlich.

"Deine Mutter hat sie angepflanzt, oder?" Als sie das sagte, stemmte sie unwillkürlich die schlanken, aber kräftigen Arme in die geschwungenen Hüften.

"Ja", nickte Peter.

Sie verzog das Gesicht und schnitt eine Grimasse.

"Spießig."

"Was?"

"Geranien. Ich finde Geranien spießig."

"Ist doch Geschmackssache, oder?"

"Sicher..."

"Komm, gehen wir rein."

"Es ist ziemlich kalt geworden."

Sie gingen zur Haustür. An der Laterne mit der gusseisernen Verzierung sammelten sich die Motten. Stefanie fasste plötzlich unter Peters Jacke und schlang den Arm um seine Hüfte.

"Mutter schläft wahrscheinlich schon", meinte Peter in merklich gedämpftem Tonfall, während er den Haustürschlüssel herumdrehte.

"Ich mach' schon keinen Krach", gab Stefanie zurück.

Die Tür ging auf und sie traten ein. Stefanie ließ den Blick durch die geräumige Diele schweifen. Es herrschte Halbdunkel.

Aus dem Hintergrund waren Stimmen zu hören.

Ein Fernseher lief.

Jetzt kam eine schemenhafte Gestalt durch die halboffene Tür zum Nachbarraum. Zunächst war nur ein Umriss zu sehen, dann trat die Gestalt so ins Licht, das Gesicht beleuchtet wurde. Es war eine Frau in den Fünfzigern. Das Haar war grau und nach hinten gebunden, die Gesichtszüge überaus fein.

Vielleicht war sie etwas vor ihrer Zeit gealtert, aber vor zwanzig Jahren war sie mit Sicherheit eine sehr hübsche Frau gewesen.

Sie kam noch ein paar Schritte heran und blieb dann mit vor der Brust verschränkten Armen stehen.

Jetzt hatte sie etwas an sich, das an eine ägyptische Mumie erinnerte. Etwas Kaltes, Totes. Nur in ihren Augen flackerte etwas.

"Peter?"

In ihrer Stimme klang kaum Wärme mit.

Sie hatte etwas eigenartig Blechernes an sich, das Stefanie nicht mochte.

"Mutter, du bist noch auf?", fragte Peter erstaunt.

"Ja."

Peter deutete auf Stefanie, die mit Erschrecken festgestellt hatte, wie unsicher er auf einmal geworden war. Peter musste tief Luftholen, um herauszubringen, was er sagen wollte. "Dies ist... Stefanie", stammelte er. "Stefanie Dörner."

Eine Hand wurde Stefanie entgegengestreckt. Sie fühlte sich eiskalt an.

"Guten Tag."

Es klang abweisend.

"Guten Tag, Frau Simon", erwiderte Stefanie höflich.

Frau Simon wandte sich unterdessen an ihren Sohn und sah ihn tadelnd an.

"Ich dachte, du wolltest heute über Nacht wegbleiben..."

"Ich habe es mir anders überlegt."

"Naja..."

Frau Simon brach ab. Es gefiel ihr nicht, was sie sah.

Aber im Moment schien sie nicht zu wissen, wie sie daran etwas ändern konnte. Also machte sie gute Miene zum bösen Spiel.

"Ich hoffe, ihr hattet einen schönen Abend."

"Hatten wir, Mutter."

"Das freut mich."

Ihr Lächeln war säuerlich und es wurde Stefanie spätestens jetzt klar, dass sie hier eine unerbittliche Kämpferin gegen sich hatte - auch wenn der Showdown fürs Erste aufgeschoben war.

Nun gut, dachte Stefanie.

Der Fehdehandschuh war geworfen und sie würde den Kampf aufnehmen.

Frau Simon hob die Augenbrauen.

"Es tut mir leid, Fräulein Dörner..."

"Nennen Sie mich doch einfach Stefanie!"

"...aber ich fürchte, dass ich Ihnen heute Abend nichts mehr anbieten kann."

"Das macht nichts."

"Wenn ich das gewusst hätte, dann..."

"Es macht wirklich nichts, Frau Simon!"

Frau Simon zuckte die Achseln. Ihr Blick blieb kühl und unterzog Stefanie einer unangenehmen Musterung.

"Wie Sie meinen", murmelte Frau Simon, während sie kurz zu ihrem Sohn blickte.

Peter wich ihr aus.

Und Stefanie spürte plötzlich einen Kloß im Hals.

Eine Pause entstand. Und jetzt merkte sogar Peter, was in der Luft lag.

Er machte eine unbestimmte, etwas verlegen wirkende Geste und wandte sich dann an Stefanie. "Komm, gehen wir hinauf zu mir, Stefanie."

Sie nickte erleichtert.

"Gute Nacht, Peter", drang indessen Frau Simons kühle Stimme durch den Raum.

Peter sah seine Mutter kurz an.

"Gute Nacht", murmelte er dann.

Peter und Stefanie gingen gemeinsam die Treppe hinauf. Die Schritte klangen dumpf da sie durch den dicken Teppichboden abgedämpft wurden. Peter nahm ihre Hand und fühlte, dass sie schweißnass war.

Er sah sie an, versuchte zu lächeln. Sie versuchte es ebenfalls.

"Stefanie..."

Er flüsterte fast, während ihre grüngrauen Augen seine Gedanken zu lesen versuchten.

"Ja?"

"Nichts."

Dann öffnete er eine Tür und führte Stefanie in sein Zimmer.

Stefanie ließ den Blick über die Einrichtung gleiten.

Alles gediegen und konservativ. Und vielleicht ein bisschen verspielt. Aber immerhin einigermaßen geschmackvoll. Die Möbel waren aus hellem Holz.

Kiefer, so schätzte sie.

Auf einem der Regale sah sie einige Modelle von Oldtimern.

In diesem Raum lag alles an seinem Platz. Jede Kleinigkeit.

Stefanie fragte sich, ob er sein Zimmer selbst so in Ordnung hielt, oder ob seine Mutter das machte. Sie tippte auf das Zweite.

"Schön hast du es hier", meinte sie und hob die Arme dabei. Ihr Lächeln wirkte jetzt etwas entspannter. Sie drehte sich herum.

Peter zuckte die Achseln.

"Ich habe die ganze obere Etage."

"Ja, sehr schön... Und ein prima Bett!"

Sie machte zwei schnelle Schritte und ließ sich auf das breite, robuste Kiefernbett fallen, so dass die Federn hörbar knarrten.

"Soll ich dir noch irgend etwas zu trinken machen?", fragte Peter.

"Danke, nein."

"Kann ich sonst noch was für dich tun? Soll ich ein bisschen Musik anmachen?"

Stefanie wirkte nachdenklich und schien ihm nur halb zuzuhören. Schließlich fragte sie unvermittelt: "Warum mag sie mich eigentlich nicht?"

"Wer?"

"Na, deine Mutter!"

"Aber Stefanie! Das ist doch Unfug!" Er sah sie ziemlich entgeistert an.

"Unfug?" Sie schüttelte den Kopf und schien sich ihrer Sache sehr sicher zu sein. "Das war doch wohl überdeutlich", meinte sie. "Ich bin ja weiß Gott kein Gedankenleser, aber das Gesicht, das sprach doch Bände!" Ihre Arme verschränkten sich vor der Brust.

Er hob die Hände und machte eine unbestimmte Geste.

"Du täuschst dich."

"Das glaube ich nicht."

Peter sah sie an und hob dann die Augenbrauen.

"Und ich glaube, es wäre besser gewesen, wenn wir zu dir gegangen wären."

"Ach!"

"Ja!"

Sie verdrehte die Augen. Irgendwie spürte sie, dass er sie nicht verstehen würde, nicht in diesem Punkt. Da konnte sie noch stundenlang auf ihn einreden. Es hatte keinen Sinn, aber sie versuchte es dennoch.

"Und wie lange hätte das so weiter gehen sollen?", fragte sie.

"Ich weiß nicht..."

Stefanie nickte und fühlte sich bestätigt.

"Eben! Das ist es ja."

"Ich verstehe nicht."

"Du brauchst jemanden, der die Entscheidungen für dich trifft."

Peter lachte jetzt. Es klang jedoch ein wenig verkrampft.

"Ich glaub', du spinnst!", meinte er.

Stefanie lachte jetzt auch.

Dann meinte sie: "Nein, mir ist das ganz ernst."

9

Peter hatte am nächsten Morgen nicht geduscht. Er wusste, dass seine Mutter es nicht leiden konnte, wenn man zu spät zum Frühstück kam. Aber Peter kam trotzdem zu spät, auch wenn es heute nicht an ihm lag, sondern daran, dass seine Mutter das Frühstück heute früher gemacht hatte als gewöhnlich.

Er kam müde und gähnend die Treppe hinunter, während er aus der Küche das Geklirr von Frühstücksgeschirr und das Piepen eines Eierkochers hörte. Er rieb er sich erst die Augen, dann die Schläfen.

Wacher machte ihn das allerdings auch nicht.

Als er dann ein paar Augenblicke später den gedeckten Tisch sah, und ihm der Kaffeeduft in die Nase stieg, wurde er etwas munterer.

Er ließ sich auf seinen Stuhl fallen.

"Morgen, Junge", hörte er die Stimme seiner Mutter, die an der Anrichte stand, nach der Kaffeekanne griff und dann zum Tisch kam. "Ich habe euch Frühstück gemacht", erklärte sie überflüssigerweise und schenkte ihm ein.

"Toll."

Sie beugte sich etwas vor und sprach plötzlich mit gedämpfter Stimme.

"Wo ist sie jetzt?"

"Im Bad."

"Gut..."

Peter hob den Blick. Er hatte sich bemüht, den seltsamen Unterton in der Stimme seiner Mutter zu überhören. Aber es war unmöglich.

Er fühlte Unbehagen in sich aufsteigen, als seine Mutter neben dem Tisch stehenblieb und hörbar durchatmete, so als müsste sie erst einmal genügend Sauerstoff tanken, um das, was sie zu sagen hatte, endlich herauszubringen.

"Ich glaube nicht, dass sie etwas für dich ist, Peter", sagte sie dann blechern.

Peter runzelte die Stirn.

Er war ärgerlich. Und daran konnte auch kein Frühstück etwas retten. Er ließ das Messer ziemlich hart auf den Teller krachen.

"Mutter!"

"Ich mache mir Sorgen."

"Ich kann auf mich selbst aufpassen."

"Das glaubst du vielleicht! Aber diese Frau..."

"Sie ist kein Ungeheuer, Mutter!"

Der Blick, mit dem sie ihn jetzt bedachte schien zu fragen: Wirklich nicht?

Aber Frau Simon hatte sich gut genug unter Kontrolle, um es unausgesprochen zu lassen. Sie spürte den Widerstand bei ihrem Sohn und begann zu ahnen, dass dieser Widerstand nur stärker werden würde, wenn sie ihren Angriff zu frontal vortrug.

Stattdessen sagte sie erst einmal etwas völlig Unverfängliches "Ich habe übrigens diesen besonderen Käse gekauft, den du so gerne magst. Wie heißt er noch? Dieser Französische...

Ich komme jetzt nicht mehr auf den Namen. Hast du ihn schon probiert?"

"Nein."

Eine Pause entstand. Beide spürten, wie die Luft zwischen ihnen knisterte. Peter wusste genau, worüber sie jetzt eigentlich reden sollte.

Schließlich hielt sie es nicht mehr aus und fing wieder davon an.

"Sie sieht gut aus", stellte sie fest. Eigentlich ein Kompliment. Sie sagte es aber auf eine Weise, die es wie einen Makel klingen ließ.

"Ja", knurrte Peter.

"Und sie weiß, wie man einem Mann den Kopf verdreht."

"Ach, was!"

"Ich habe doch Augen im Kopf.

"Mutter!"

"Sie hat dich schon völlig unter Kontrolle. Aber ich warne dich..."

Er unterbrach sie erregt.

"Du hättest dich gestern Abend wirklich ein bisschen mehr zusammenreißen können, Mutter, findest du nicht?"

Seine Mutter blickte kühl auf ihn herab. Er mochte diesen Blick nicht.

"Sie... Ich weiß auch nicht", murmelte sie und rieb die Hände nervös aneinander.

"Was weißt du nicht?"

"Ist es was Ernstes?"

Peter schlürfte an seinem Kaffee und schnitt ein Brötchen mitten durch. Und dabei ließ er sich alle Zeit der Welt, denn er wusste, dass er antworten musste, wenn er damit fertig war.

Seine Mutter verschränkte unterdessen die Arme vor der Brust.

"Nun sag schon!", forderte sie unmissverständlich, wobei sie kaum die Lippen bewegte.

Er hob die Augenbrauen, sah sie aber nicht an.

"Und wenn?"

"Sie erinnert mich stark an diese... Sylvia."

Peter blickte auf. Sylvia... Der Name weckte ein paar Erinnerungen, die er jetzt nicht gebrauchen konnte. Er verdrehte die Augen.

"Mutter!"

"Ja, ich weiß, du willst wieder nicht über Sylvia reden. Das wolltest du damals schon nicht."

"So ist es!"

"Du weißt, wie das geendet hat! Das mit Sylvia."

"Mutter, was soll das jetzt!"

"Habe ich es schon einmal schlecht mit dir gemeint?"

"Nein, aber..."

"Na, also! Und außerdem - " Sie brach abrupt ab, als sie Stefanie die Treppe herunterkommen hörte. Ihr Gesicht war zu einer pergamentartigen Maske geworden. "Ich gehe jetzt", verkündete sie und wandte sich halb herum.

"Warum?"

"Ich bin schon fertig mit dem Frühstück. Außerdem muss ich raus und mich um die Geranien kümmern."

Peter lehnte sich zurück.

"Du willst Stefanie aus dem Weg gehen!"

"Ich will heute zum Grab und dafür ein paar Geranien schneiden. Das ist alles."

"Und das soll ich dir glauben?"

In diesem Moment trat Stefanie ein.

Sie musste die aufgeladene Stimmung spüren und blickte etwas befremdet erst zu Peter, dann zu seiner Mutter, die sich zum Gehen wandte.

"Guten Morgen, Frau Simon", sagte Stefanie dann. Ihre Stimme klang sehr hell und klar. Und vor allem konnte man ihre Worte unmöglich überhören.

Frau Simon blieb nicht stehen.

"Guten Morgen", murmelte sie beiläufig und drückte sich aus dem Raum.

Stefanie setzte sich. Peter stand auf und schenkte ihr Kaffee ein, während Stefanies Blick über den Tisch glitt.

"Sieht ja toll aus!"

"Ja, nicht?"

Stefanie blickte dann das Fenster hinaus in den Garten, wo jetzt Frau Simon auftauchte. Dann beugte sie sich etwas über den Tisch und wandte sich an Peter.

"Sag mal, warum verschwindet deine Mutter, wenn ich auftauche?"

"Sie wollte in den Garten." Er zuckte die Achseln und setzte dann nicht sehr überzeugend hinzu: "Das hat nichts mit dir zu tun."

"Das sah für mich aber anders aus!"

"Ein Brötchen?"

"Was hat sie nur gegen mich? Benehme ich mich vielleicht so unmöglich?"

"Ob du ein Brötchen möchtest?"

Sie strich sich eine Strähne aus den Augen und seufzte.

"Gerne", murmelte sie dann. Für einen kurzen Moment begegneten sich ihrer beider Blicke.

Er lächelte dünn.

"Ich habe ja von Anfang an gesagt, dass es keine gute Idee war, zu mir zu gehen", meinte er.

"Mich wundert es, dass du dir das bieten lässt."

"Wovon sprichst du, Stefanie?"

"Na, deine Mutter terrorisiert dich doch regelrecht!"

"Ach Quatsch!"

"Wie alt bist du, Peter?"

"Dreißig."

"Höchste Zeit für dich auszuziehen, würde ich sagen! Findest du nicht?"

Peter sah sie ziemlich überrascht an. Einen Moment lang musterte er sie schweigend. Als sie aufblickte lächelte er, es wirkte verkrampft.

"Warum denn?", fragte er.

"Warum!", machte sie ihn auf eine Weise nach, die zu sagen schien: Wie kann man nur eine so dämliche Frage stellen?

Peter hob ein bisschen die Schultern.

"Es ist schön hier", meinte er dann.

"Ja, aber es ist ihr Haus - das Haus deiner Mutter."

"Na, und?"

"Das bedeutet, dass sie es hier zu sagen hat."

"Wir verstehen uns gut."

Stefanie sprach mit vollem Mund, als sie antwortete.

"Also, ich könnte das nicht ab!

"Ach!"

Sie schüttelte sehr energisch den Kopf.

"Echt nicht. Wenn ich mir vorstelle, noch zu Hause bei meinen Alten zu leben. Nee, das wäre nichts. So verstehen wir uns gut, aber wenn man sich gegenseitig zu sehr auf die Pelle rückt, gibt es nur Reibereien."

"Das muss ja nicht zwangsläufig so sein, oder?"

"In neunundneunzig Prozent aller Fälle die ich kenne", setzte sie dagegen.

Sie blickte erneut aus dem Fenster und runzelte die Stirn,als sie sah, wie Frau Simon sich über ein Blumenbeet beugte. "Sag mal, was macht sie da draußen an den Geranien eigentlich?

Peter folgte ihrem Blick.

"Sie schneidet ein paar ab. Für Vaters Grab."

"Seit wann ist dein Vater eigentlich nicht mehr am leben? Oder soll ich dich so etwas besser nicht fragen?"

Er verzog flüchtig das Gesicht.

"Warum nicht? Ich war fünf, als er starb. Er war Arzt. Zahnarzt, um genau zu sein."

Eine Art gefrorenes Lächeln stand in seinem Gesicht und blieb dort auch erst einmal.

"Du bist also praktisch nur mit deiner Mutter zusammen aufgewachsen", stellte Stefanie indessen fest.

Er nickte.

"Ja."

"Keine Geschwister?"

"Nein. Keine."

"Sie ist eifersüchtig, Peter."

Ihr Tonfall hatte sich ein wenig verändert. Er hatte keine Ahnung, wie sie das geschafft hatte, aber plötzlich berührte ihre Hand die seine und er fühlte einen Schauer über den Rücken laufen.

"Quatsch!", brummte er, nahm seine Hand weg und machte eine wegwerfende Handbewegung.

Stefanie schüttelte langsam den Kopf und strich sich dann die Haare zurück.

"Kein Quatsch", erwiderte sie mit großer Bestimmtheit. "Ich bin mir hundertprozentig sicher!"

Peter beugte sich etwas vor.

"Ich mache mir Sorgen um sie."

"Warum?"

"Wie soll ich sagen? Sie wird merkwürdig. Und sie hat keinen Menschen."

"Außer dir."

"Ja."

Stefanie blickte ziemlich verständnislos drein.

"Seit dem Tod deines Vaters sind fünfundzwanzig Jahre vergangen, Peter. Das reicht zweimal, um sich ein neues Leben aufzubauen."

Peter nickte leicht.

"Ich weiß."

"Und warum hat sie es nicht getan?"

"Keine Ahnung. Aber sag mal, können wir eigentlich nicht über etwas anderes reden?"

"Sicher. Es interessierte mich halt, wie..."

"Ja, schon gut."

"Warum bist du denn so gereizt?"

"Ich bin nicht gereizt!"

Stefanie seufzte.

"Vielleicht war es wirklich keine gute Idee, hier her zu kommen."

10

Die Wohnung hatte drei Zimmer, Küche und Bad. Und als der schmächtige Vermieter mit dem Knebelbart die Kaltmiete nannte, fielen Stefanie fast die Augen aus dem Kopf. Sie musste schlucken.

"Bitte?"

"Ja, ich meine, wenn Ihnen das zu teuer ist..." Der Mann hob die Schultern.

"Nein, die Miete ist schon in Ordnung", beeilte sich Peter zu sagen, obwohl sie in Wahrheit ziemlich überzogen war.

Schließlich war es eine Altbauwohnung. Aber der Wert der Wohnung maß sich nach anderen Gesichtspunkten. Wohnraum war knapp und der Kleine mit dem Knebelbart wusste, dass er das verlangen konnte, er sich vorstellte.

Wahrscheinlich auch noch mehr.

"Sind Sie beide berufstätig?", fragte der Vermieter.

"Ja", nickte Peter.

"Verheiratet?"

"Nein."

"Nein. Nichteinmal einen Kanarienvogel."

"Dann dürfte es ja kein Problem geben, oder?"

Peter wandte sich zu ihm um.

"Mögen Sie Kinder nicht?"

Der Mann hob abwehrend die Hände. Wer hätte das auch schon zugegeben? Es gab nur zwei Dinge, die einen noch mehr in Misskredit bringen konnten: Zuzugeben, dass man nichts dagegen hatte, wenn Robbenbabies umgebracht und zu etwas Nützlichem verarbeitet wurden und zuzugeben, ein Faible für Schildkrötensuppe zu haben. Oder für Hermelinmäntel.

"Das meinte ich damit nicht", meinte der Knebelbärtige.

"Sondern?"

"Na mit Ihrem Einkommen und der Miete. Sie sind doch DINKs." Er grinste.

"DINKs?"

"Double Income - No Kids. Sie können sich die Wohnung doch leisten!"

"Gut", sagte Peter an Stefanie gewandt. "Ich habe genug gesehen. Was meinst du?"

"Ich weiß nicht. Die Miete..."

"Sie können mir ja Bescheid geben, wenn Sie sich entschieden haben", meinte der Knebelbart. "Aber warten sie nicht zu lange, es haben sich eine ganze Reihe Bewerber gemeldet."

"Ich verstehe", murmelte Peter.

Sie verabschiedeten sich.

Wenig später saßen sie dann zusammen in Peters Wagen.

"Was meinst du?" fragte Stefanie.

"Ich weiß nicht..."

"Oder willst du es vielleicht gar nicht wirklich?"

Er blickte sie erstaunt an.

"Was?", fragte er.

Er wusste genau was. Er fragte nur, um ein paar Sekunden zu gewinnen und sich besser überlegen zu können, was er sagen sollte.

"Du brauchst es nur zu sagen!", hakte sie nach.

Er schüttelte den Kopf.

"Nein", meinte er. Das ist es nicht."

"Wirklich?"

"Wirklich."

Er lächelte und wusste, dass es eine Lüge war, was er da gerade behauptet hatte. Aber wusste auch, dass es jetzt sein musste. Wird Zeit, dass ich erwachsen werde, dachte er.

"Du musst mir versprechen, dass du mich nie verlässt, hörst du?", hörte er die Stimme seiner Mutter.

Er fuhr sich mit der Hand über die Augen.

"Nie!" - "Nie."

"In der Küche war eine feuchte Stelle", meinte er. "Ich glaube, ich habe ein bisschen Schimmelpilz gesehen. Der Kerl hat zwar übergestrichen, aber der Pilz kam durch."

"Dann suchen wir uns etwas anderes!" Sie zuckte die Achseln. "Die Miete grenzt sowieso an Wucher!"

Er nickte.

"Aber auf die Schnelle werden wir nichts Besseres finden."

"Und wenn du doch bei mir einziehst?"

"Das ist schon für einen wie ein Hühnerstall."

"Danke."

"Du kannst ja nichts dafür!"

"Schon gut. Aber wenn wir die Wohnung nehmen wollen, sollten wir gleich noch einmal zu diesem Zwerg hingehen und zuschlagen!"

Er wusste, dass sie recht hatte. Trotzdem schüttelte er den Kopf. "Nein, murmelte er."

"Warum nicht?"

"Ich möchte noch eine Nacht darüber schlafen."

Sie sah ihn zweifelnd an. "Na gut", meinte sie dann und seufzte dabei.