Drei Krimis Spezialband 1091 - Pete Hackett - E-Book

Drei Krimis Spezialband 1091 E-Book

Pete Hackett

0,0
3,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Dieser Band enthält folgende Krimis: (399) Pete Hackett: Trevellian und die Autoschieber Pete Hackett: Trevellian und die ermordeteten Zeugen Alfred Bekker: Katzenjammer für Killer In dem Gebiet Rossville gibt es ungewöhnlich viele Leukämieerkrankungen. Eine Bürgerinitiative findet heraus, dass die Unbedenklichkeitsbescheinigungen und Gutachten, die vor 20 Jahren zum Kauf und zur Bebauung des Gebietes geführt haben, gefälscht waren. Es war wohl bekannt, dass die Mülldeponie auf dem Grundstück mit Chemikalien verseucht war. Als die FBI-Agenten Trevellian und Tucker ermitteln, müssen sie feststellen, dass jemand schneller ist als sie. Alle Gutachter und Sachbearbeiter, die etwas zu den 20 Jahre zurückliegenden Vorfällen sagen könnten, werden ermordet, bevor sie aussagen können.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Pete Hackett, Alfred Bekker

Drei Krimis Spezialband 1091

UUID: d04cc971-b9a7-4fd5-85a4-426045832c8c
Dieses eBook wurde mit StreetLib Write (https://writeapp.io) erstellt.

Inhaltsverzeichnis

Drei Krimis Spezialband 1091

Copyright

Trevellian und die Autoschieber: Action Krimi

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

21

22

Trevellian und die ermordeten Zeugen

Katzenjammer für einen Killer

Drei Krimis Spezialband 1091

Pete Hackett, Alfred Bekker

Dieser Band enthält folgende Krimis:

Pete Hackett: Trevellian und die Autoschieber

Pete Hackett: Trevellian und die ermordeteten Zeugen

Alfred Bekker: Katzenjammer für Killer

In dem Gebiet Rossville gibt es ungewöhnlich viele Leukämieerkrankungen. Eine Bürgerinitiative findet heraus, dass die Unbedenklichkeitsbescheinigungen und Gutachten, die vor 20 Jahren zum Kauf und zur Bebauung des Gebietes geführt haben, gefälscht waren. Es war wohl bekannt, dass die Mülldeponie auf dem Grundstück mit Chemikalien verseucht war. Als die FBI-Agenten Trevellian und Tucker ermitteln, müssen sie feststellen, dass jemand schneller ist als sie. Alle Gutachter und Sachbearbeiter, die etwas zu den 20 Jahre zurückliegenden Vorfällen sagen könnten, werden ermordet, bevor sie aussagen können.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author /

© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

[email protected]

Folge auf Twitter:

https://twitter.com/BekkerAlfred

Erfahre Neuigkeiten hier:

https://alfred-bekker-autor.business.site/

Zum Blog des Verlags!

Sei informiert über Neuerscheinungen und Hintergründe!

https://cassiopeia.press

Alles rund um Belletristik!

Trevellian und die Autoschieber: Action Krimi

Krimi von Pete Hackett

Der Umfang dieses Buchs entspricht 114 Taschenbuchseiten.

Eigentlich sollte nur ein Luxusauto für einen Autoschieberring geklaut werden. Doch im Innern saß die Tochter eines der größten Verbrecher von New York. Als die Entführer versuchen, ihn zu erpressen, geht er auf seine eigene Weise gegen die Konkurrenz vor. Die FBI-Agents Trevellian und Anderson bekommen es mit zwei Verbrecherbanden zu tun.

1

Als ich an diesem Vormittag den Wagen vor dem Gelände des Gebrauchtwagenmarkts abstellte, ahnte ich nicht, dass uns im nächsten Moment die Kugeln um die Ohren fliegen würden.

Wenn ich sage uns, dann meine ich Special Agent Sarah Anderson und mich, Special Agent Jesse Trevellian, FBI New York.

Wir verließen also den Wagen und schritten durch das Tor aus zusammengeschweißten Rohren und Maschendraht, über dem ein riesiges Schild mit der Aufschrift Hendersons Used-Car Market prangte.

Die Gebrauchtwagen standen in Reih und Glied. Lackiertes Stahlblech und Chrom blitzten im Sonnenlicht. Ich sah einen Mann aus dem Verwaltungsgebäude treten. Er rief etwas über die Schulter, griff unter seine Jacke und – es traf mich wie ein eisiger Guss! Er zog eine Pistole, die er auf uns anschlug …

Clifford Henderson, der Gebrauchtwagenhändler, stand im Verdacht, in enger Verbindung zu einer Autoknacker- und Autoschieberbande zu stehen. Ich hatte ihn gebeten, eine Liste aller in seinem Gebrauchtwagen-Markt zum Verkauf angebotenen Pkws anzufertigen, damit wir einen Abgleich mit den Kaufverträgen und den Wagenpapieren durchführen konnten.

Der Kerl, der jetzt mit der Pistole auf uns zielte, war nicht Cliff Henderson, der Danny DeVito-Verschnitt mit den unsteten Frettchenaugen. Es war etwa eins-fünfundachtzig groß, vierschrötig, und hatte einen Bürstenhaarschnitt wie einst Arnold Schwarzenegger in dem Streifen Phantomkommando. Seine Haare waren im Gegensatz zu Arnies Haaren jedoch von roter Farbe.

Erkennen und Reagieren waren bei mir Sache eines Augenblicks. Und als der Knall des Schusses heranstieß, hatte ich Sarah Anderson, meine Teamkollegin, zur Seite gestoßen. Die SIG Sauer P226 sprang fast wie durch Zauberei in meine Hand.

Der Rothaarige feuerte erneut. Doch dadurch, dass er sich erst wieder auf das jäh veränderte Ziel einstellen musste, schoss er überhastet und verfehlte uns. Ich hörte das metallische Geräusch, als die Kugel das Stahlblech eines der zum Verkauf angebotenen Autos durchschlug.

„Fallen lassen! Keine Bewegung! FBI!“ Ich schrie es und jagte einen Warnschuss in die Luft.

Der Bursche mit der Oberst Matrix-Frisur (Matrix war der Held in Phantomkommando) spurtete los. Er wollte zwischen den Gebrauchtwagen verschwinden. Ich zielte auf seine Beine!

Da erschien ein zweiter Mister in der Tür des Bürogebäudes – und auch er hielt eine Pistole in der Faust.

Ich ruckte zu ihm herum. Schüsse krachten. Die SIG bäumte sich auf in meiner Faust und röhrte dumpf. Auch Sarahs P228 brüllte auf. Vielleicht hatten Sarah oder ich den berühmten Sekundenbruchteil früher geschossen als der Bursche in der Tür. Jedenfalls zuckte er in dem Moment, als er abdrückte, zusammen und verriss. Sein Geschoss pflügte den Boden und ließ das Erdreich spritzen. Dann stürzte er.

Der Vierschrötige mit den roten Haaren war zwischen den Autos verschwunden. Ich sicherte in die Richtung, in die er gerannt war. Aus den Augenwinkeln sah ich Sarah zu dem Burschen hinlaufen, der vor der Tür zusammengebrochen war und auf dem Gesicht lag. Sie beugte sich über ihn.

„Gib mir Feuerschutz, Sarah“, rief ich, richtete mich auf und rannte los. Ich verließ mich einfach auf meine Kollegin, genauso wie ich mich in der Vergangenheit immer auf Milo verlassen hatte. Nach zehn Schritten schon befand ich mich zwischen den abgestellten Fahrzeugen. Von Rothaar war nichts zu sehen. Jeder meiner Sinne war aktiviert, meine Nerven waren zum Zerreißen angespannt. Ich lauschte und witterte und ließ meinen Instinkten freien Lauf.

Plötzlich sah ich den Knaben. Er kam 50 Schritte weiter beim Drahtgeflechtzaun hoch und feuerte einmal in meine Richtung. Der trockene Knall wurde über mich hinweggeschleudert. Die Kugel schrammte über ein Autodach und wurde abgefälscht. Der Querschläger quarrte durchdringend. Der Rothaarige machte sich daran, den Zaun zu übersteigen.

„Stehenbleiben!“, peitschte mein Organ. Ich hob die Faust mit der Pistole und folgte über Kimme und Korn den Bewegungen des Burschen. Mit seinem Gewicht drückte er den Zaun weit nach unten. Er schwang hin und her. Das Drahtgeflecht schepperte. Schließlich ließ er sich einfach auf die andere Seite fallen und verschwand im Unkraut, das auf dem Nachbargrundstück fast hüfthoch wuchs.

Ich sah, wo er kroch, denn dort bewegten sich Grashalme, Disteln und alles, was den Sommer über auf dem freien Platz wild aufgegangen und hochgeschossen war.

Ich lief durch die engen Gassen zwischen den dicht an dicht stehenden Fahrzeugen. Hinter einem BMW der Fünfer-Serie ging ich dicht bei dem niedergedrückten Zaun in Deckung. Jetzt bewegte sich nirgends mehr das Unkraut. Entweder wagte sich Rothaar nicht mehr zu rühren, vielleicht wartete er aber nur darauf, dass ich mich zeigte, um mir heißes Blei zu servieren. Wahrscheinlich aber war er über alle Berge. Denn auf der anderen Seite des Grundstücks stand ein flaches Gebäude mit drei großen Garagentoren und einem staubblinden Fenster in der Schmalseite.

Ich holte mein Handy heraus, rief das Police Department an und bat, dass von dort aus das nächste Revier in Queens verständigt werde, damit man einige Einsatzfahrzeuge zu Hendersons Gebrauchtwagenhandel schickte. Ich gab auch eine Beschreibung des Burschen durch, der mir durch die Lappen gegangen war, und man sagte mir zu, dass man die momentan im Einsatz befindlichen Patrouillen entsprechend instruieren würde.

Dann kehrte ich zum Verwaltungsgebäude zurück. Das Handy steckte in der Tasche. Mein Arm mit der SIG baumelte schlaff nach unten.

Etwas abseits, vielleicht 15 Schritte vom Eingang entfernt, stand ein schwarzer Dodge Viper GTS, ein Sportflitzer, den ich auf mindestens 85.000 Dollar schätzte. Der Wagen war noch nicht zugelassen, er trug lediglich ein Überführungsnummernschild. Neben dem Dodge parkte ein beigefarbener Ford vom Typ Mittelklassewagen.

Sarah Anderson schaute nicht gerade glücklich drein. „Der Bursche hat eine Kugel in die Brust bekommen, Jesse“, empfing sie mich. „Sieht nicht gut aus. Wahrscheinlich Lungensteckschuss, denn es gibt keinen Austrittskanal. Ich habe eine Ambulanz herbeordert.“

Sie hatte den Mann vorsichtig auf den Rücken gedreht. Sein Gesicht war bleich und eingefallen. Spitz sprang die Nase daraus hervor. Er war bei Bewusstsein. Sein Atem ging rasselnd, seine Lippen bewegten sich, als formten sie tonlose Worte.

„Wie sieht es drin aus?“, fragte ich und spürte Beklemmung, denn ich befürchtete das Schlimmste.

„Zwei Angestellte und Henderson sind da“, erwiderte Sarah. „Sie sind unversehrt. Ich glaube nicht, dass die beiden Gangster den Betrieb überfallen wollten.“ Sarah wies mit dem Kinn auf den Verwundeten. „Wir müssen ihm erste Hilfe leisten, andernfalls verblutet er, bis der Emergency Service eintrifft.“

Ich steckte die SIG ein und ging in das Gebäude.

Die beiden Angestellten – es waren zwei Frauen, die ich schon einmal kurz gesehen hatte, als wir hier ein paar Erkundigungen einzogen –, saßen bleich und fassungslos hinter ihren Schreibtischen und starrten mich an wie eine außerirdische Erscheinung. Henderson, der auf einem Besuchersessel hockte, sprang auf, als hätte man von unten spitzen Stahl durch die Sitzfläche gerammt.

Er zeigte sich vollkommen aufgelöst und schrie: „Die beiden – sie wollten … Himmel, haben die beiden mit der Schießerei angefangen? Was waren das für Kerle?“

„Diese Frage können Sie wohl leichter beantworten als ich, Henderson“, versetzte ich ungerührt. „Vorher aber geben Sie mir einen Erste-Hilfe-Koffer oder etwas in der Art. Sie haben doch so etwas? Das ist Vorschrift …“

Er warf sich herum und rannte zu einem Stahlschrank, riss die Türen auf und griff hinein. Er brachte mir einen Verbandskasten. Ich rannte damit nach draußen. Vorsichtig schnitten wir das Hemd des Verwundeten auf. Ich legte eine dicke Kompresse auf die Wunde, Sarah klebte einige Streifen Heftpflaster darüber. Der Mann stöhnte ununterbrochen. Auf seinen Lippen zeigte sich blasiger, mit hellem Blut durchsetzter Speichel. Seine Lider flatterten, seine Augen wiesen einen fiebrigen Glanz auf.

Mehr konnten wir im Augenblick nicht für ihn tun.

Ich hatte immer wieder mal einen Blick in die Richtung geworfen, in die der rothaarige Gangster gelaufen war, doch der Bursche ließ von sich nicht mal mehr die Nasenspitze sehen.

Ich kehrte ins Büro zurück.

Draußen erklangen jetzt Sirenen. Motorengeräusch wurde schnell lauter. Cliff Henderson hockte wieder in dem Besuchersessel und rang seine Hände. Seine Augen irrten hin und her.

Ich sagte: „Nun, Mr. Henderson, Sie können mir doch sicher sagen, was das für Zeitgenossen waren, die so erpicht drauf waren, meiner Partnerin und mir das Licht auszublasen.“

Der Händler hob abwehrend die Hände und stieß hervor: „Sie verhandelten mit mir wegen eines gebrauchten Dodge. Die schwarze Kiste, die draußen steht. Als wir uns wegen des Preises nicht einigen konnten, verabschiedeten sie sich. Da kamen Sie und Ihre Gefährtin …“

„Und weil den beiden unsere Nasen nicht gefielen, zogen sie die Pistolen, um zu verhindern, dass wir uns vielleicht fortpflanzen, wie?“, fuhr ich Henderson an. „Wo führten Sie die Verhandlungen?“, dehnte ich. „In Ihrem Büro?“

„Ja, ja – in meinem …“

Ich betrat den Raum schon, denn ich wusste einigermaßen Bescheid. Als ich nämlich das letzte Mal hier war, musste eine der Angestellten Henderson aus seinem Büro holen.

Der Raum war ziemlich nüchtern eingerichtet. Ein Schreibtisch, ein Bürostuhl, zwei Besucherstühle, einige Aktenschränke aus Stahl, an der Wand einige Kalender und billige Bilder.

Von Hendersons Platz hinter dem Schreibtisch aus hatte man den Blick durch das Fenster frei auf das Tor, durch das man das Gelände des Kfz-Handels betrat. Dort hielten jetzt drei Patrolcars mit quietschenden Reifen. Insgesamt sechs Cops sprangen aus den Fahrzeugen und rannten auf das Gelände.

Henderson hatte uns also von Weitem kommen sehen. Und ich konnte mir an fünf Fingern abzählen, dass er die beiden Kerle darauf hingewiesen hatte, dass wir kein Auto kaufen wollten, sondern dass es sich bei uns um FBI-Agenten handelte, die ihm, Henderson, etwas auf die Hacken treten wollen.

Der Händler stand in der Bürotür und fixierte mich misstrauisch. Als sich mein Blick auf ihn heftete, schaute er schnell weg. Mit fahriger Bewegung wischte er sich über das gerötete, feiste Gesicht.

Ich sagte ungnädig: „Raus mit der Sprache, Henderson. Was waren das für zwei? Von unseren Gesichtern konnten sie ja schließlich nicht ablesen, dass wir FBI-Agenten sind. Und selbst wenn: Was könnten sie für einen Grund gehabt haben, auf uns zu schießen?“

„Das kann ich Ihnen auch nicht sagen“, kam es hastig von Henderson. „Wenn ich es Ihnen sage, Trevellian, die beiden waren wegen des Dodge hier. Der Rothaarige fuhr ihn. Der andere lenkte den Ford. Ich habe die beiden vorher nie im Leben gesehen. Wir konnten uns wegen des Preises nicht einig werden.“ Plötzlich stutzte er, als fiele ihm etwas ein, und wie in einem jähen Impuls stieß er hervor: „Vielleicht waren Sie oder Ihre Kollegin den beiden nicht unbekannt, Trevellian, und als sie Sie sahen …“ Henderson hob die Schultern, ließ sie wieder nach unten sacken. „Möglicherweise hat man Sie auch mit jemandem verwechselt. Himmel, ich weiß es nicht.“

Wie in einem Anflug von Verzweiflung hob er die Hände, ließ sie wieder sinken und versuchte, meinem Blick standzuhalten.

„Haben Sie die Liste vorbereitet, Henderson“, wechselte ich das Thema.

„Welche Liste?“ Ein Schimmer des Begreifens huschte über sein Gesicht. „Ach ja, die Liste!“ Er sprang auf. „Ich lasse sofort einen Computerausdruck anfertigen, Trevellian. Einen Augenblick.“

Er wuselte auf seinen kurzen Beinen aus seinem Büro. Irgendwie wirkte er komisch in seiner zur Schau getragenen Geschäftigkeit. Ich folgte ihm langsam. Draußen waren Stimmen zu hören. Und dann erklang aufs Neue eine Sirene, und der Klang kam schnell näher.

Soeben betraten zwei der Cops das Gebäude. Ich wies mich ihnen gegenüber aus und erklärte ihnen, was vorgefallen war. Erneut beschrieb ich den rothaarigen Mister, der über den Drahtzaun und das Nachbargrundstück Fersengeld gegeben hatte. Einer der Cops begab sich zum Einsatzfahrzeug, um noch einmal den Fahndungsaufruf per Funkspruch abzusetzen.

Die Leute vom Emergency Service, ein Notarzt und drei Sanitäter, kümmerten sich um den schwer verwundeten Gangster. Seine Pistole hatte Sarah sichergestellt.

Wir beschlossen, die Angestellten sowie Clifford Henderson in die Mangel zu nehmen.

2

Der rothaarige Gangster mit dem Bürstenhaarschnitt hatte den Namen Edric Brown. Er war auf allen Vieren durch das Unkraut gekrochen und hinter dem Flachbau, der ihn vor Blicken vom Gelände des Gebrauchtwagenhandels verbarg, hochgekommen. Er ließ seine Pistole verschwinden und setzte sich im Schutz des Gebäudes ab.

Als er sich sicher sein konnte, dass er nicht verfolgt wurde, holte er sein Handy aus dem Futteral, das an seinem Gürtel befestigt war, wählte eine Nummer und stellte die Verbindung her. Dreimal war das Freizeichen zu hören, dann erklang eine Stimme: „Hallo, Edric. Habt ihr das Geld?“

Der Sprecher hatte von seinem Display ablesen können, wer ihn anrief.

Edric Brown sagte zwischen gepressten Atemzügen: „Wir haben Scheiß gebaut, Paul. Während wir mit Henderson verhandelten, tauchten zwei FBI-Schnüffler auf. Wir reagierten über und griffen nach den Waffen. Wir dachten nämlich …“

„Ihr Idioten!“ So schnitt der Bursche am anderen Ende der Leitung Brown das Wort ab. „Ihr habt sie doch nicht etwa niedergeknallt?“

„Nein. Aber es kam zu einer Schießerei. Ich konnte ihnen entkommen. Dee allerdings bekam eine Kugel ab. Ich hab keine Ahnung, ob er tot ist. Verdammt, Dave, ich war der Überzeugung, dass uns die beiden gefolgt waren. Schließlich waren wir mit einem gestohlenen Fahrzeug unterwegs. Ich war fest davon überzeugt, dass sie uns hops nehmen wollten.“

„Hast du wenigstens den Wagen in Sicherheit gebracht?“

„Nein. Er steht auf dem Gelände des Händlers. Ich hatte nicht die Zeit, mich hineinzusetzen und in aller Ruhe davonzufahren. – Es waren genau die beiden Agenten, die schon vor einigen Tagen bei Henderson waren und für die er eine Bestandsliste der aufgekauften und weiterverkauften Fahrzeuge erstellen sollte. Wir drehten ganz einfach durch, als die beiden aufkreuzten. Aber wie sollten wir ahnen, dass die beiden Schnüffler ausgerechnet in der Viertelstunde aufkreuzen, in der wir bei Henderson den Wagen abgeben wollen?“

„Und an den Ford kommst du auch nicht ran, wie?“

„Nein. Auf dem Gelände wimmelt es zwischenzeitlich von Polizisten. Aber wegen des Ford brauchst du dir doch keine Gedanken zu machen. Er ist auf Dee zugelassen.“

„Und Dee wird, wenn er nicht tot ist, reden. Haben dich die Bullen gesehen?“

„Natürlich.“ Edric Brown warf sich in die Brust. „Mit diesem Trevellian lieferte ich mir sogar eine Schießerei. Aber ich hab den Stümper abgehängt.“

„Wo bist du jetzt?“

„Am Parsons Boulevard. Das ist eine Querstraße zur Bayside Avenue. Da ist eine Tankstelle in der Nähe.“

„Kannst du irgendwie nach Manhattan kommen?“

„Keine Ahnung, ob hier ein Omnibus verkehrt. Es wäre vielleicht besser, du würdest mich abholen lassen. Ich weiß nicht, ob es gut ist, jetzt so mir nichts dir nichts zu einer Bushaltestelle zu spazieren und auf den nächsten Bus zu warten. Sicher kennt mittlerweile jeder Bulle in New York meine Beschreibung.“

„Genau das ist das Problem, Edric“, sagte Browns Gesprächspartner. „Aber in Ordnung. Ich schicke David. Geh zum Flushing Cemetery und warte am Haupteingang auf ihn.“

„Okay. Er soll sich beeilen.“

„Natürlich.“

Edric Brown beendete das Gespräch und setzte sich in Bewegung. Sein Ziel war der Flushing Friedhof.

3

„Dieser Dodge“, so wandte ich mich an Clifford Henderson und wies auf das Nobelfahrzeug, „haben Sie ihn angekauft?“

„Nein. Die beiden Kerle, die durchdrehten, als sie Sie kommen sahen, boten ihn mir zum Kauf an. Sie wollten fünfzigtausend Dollar dafür. Die Papiere liegen noch bei mir auf dem Schreibtisch. Natürlich war ich misstrauisch. Dieser Wagen kostet neu an die neunzigtausend Bucks, und er ist erst vier Monate alt. Also wollte ich wissen, wieso er so billig …“

Ich schnitt Henderson schroff das Wort ab. „Sie halten mich wohl für dümmer, als ich aussehe, Henderson, wie?“

„Hätten Sie denn die fünfzigtausend bar bezahlen können?“, fragte Sarah mit lauerndem Unterton.

Henderson nickte. „Ich habe immer eine gewisse Menge an Bargeld im Safe liegen. Das muss ganz einfach sein. Denn hin und wieder bietet sich einem ein Schnäppchen und man muss schnell zugreifen können.“

„Wie mit dem Dodge, den man ihnen sozusagen schenken wollte, gemessen an dem, was er wert ist“, knurrte ich. Ich verlieh meiner Stimme einen zwingenden Klang. „Wer waren die beiden Kerle, Henderson. Und für wen arbeiten sie?“

Der Gebrauchtwagenhändler knetete seine Hände. Er war richtig zappelig. Seine Augen standen nicht still. „Ich kenne sie nicht“, tönte er. „Ich habe auch keine Ahnung, für wen sie arbeiten, ob sie überhaupt für jemand arbeiten.“ Er griff sich mit einer theatralischen Geste an den Kopf. „Sie flippten aus, als ich Sie und Ihre Kollegin sah und den beiden ohne jeden Hintergedanken erklärte, dass Sie vom FBI sind. Es – es ist wohl anzunehmen, dass die beiden Dreck am Stecken haben.“

Warum kam mir nur immer an Danny DeVito, dieser hervorragende Schauspieler, in den Sinn, wenn mir dieser schmierige Autoaufkäufer gegenüber stand? Weil Henderson Danny so ähnlich sah? Nein! Abgesehen von der Größe hielt sich die Ähnlichkeit in Grenzen. Wahrscheinlich war es, weil Henderson auch über großes, schauspielerisches Talent verfügte?

Die Listen hatte er uns in der Zwischenzeit ausdrucken lassen. Ich bat ihn, mir die Papiere für den Dodge zu überlassen. In der Zwischenzeit war der schwerverwundete Gangster vom Emergency Service abtransportiert worden. Da wir keine Ausweispapiere bei ihm finden konnten, hatten wir keine Ahnung, wie er hieß oder wo er wohnte. Die uniformierten Kollegen hatten einige Patronenhülsen sichergestellt, die aus den Waffen der Gangster stammten, und sie mir überlassen.

„Was sagt Ihnen der Name Paul Reynolds, Henderson?“, fragte ich.

Er schaute mich mit einer Mischung aus Verblüffung und Erschrecken an. „Wer soll das sein?“

Ich lächelte. „Er ist auch Gebrauchtwagenhändler, oben, in Spanish Harlem. Außerdem besitzt er eine Werkstatt.“

„Kenne ich nicht.“

„Ich dachte es mir“, sagte ich und nickte Henderson zu. Dann wandte ich mich an einen der uniformierten Kollegen. „Können Sie feststellen, auf wen der Ford zugelassen ist?“

Der Kollege eilte davon, um die Zulassungsstelle anzurufen.

Ich schaute wieder Henderson an. „Wir haben Sie observieren lassen, seit wir das letzte Mal hier waren. Jeder Wagen, der Ihr Betriebsgelände verlassen hat, wurde notiert. Ich hoffe für Sie, dass Sie für jedes dieser Fahrzeuge einen entsprechenden Verkaufsnachweis haben. Schon wegen der Steuer.“

Ich grinste ihn an.

Hendersons Kiefer mahlten. Er schoss mir einen gehässigen Blick zu. Und ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, dass er noch eine Idee bleicher wurde.

Natürlich wollten Sarah und ich den Abgleich seines Gebrauchtwagenbestandes mit den Listen und den Wagenpapieren nicht an Ort und Stelle durchführen. Wir hatten uns vorgenommen, nur die Fahrzeuge jenseits der 2,5-Liter-Klasse und jene, die stärker waren als 150 PS, herauszupicken. Die Renommierkarossen also. Wir hatten Henderson nämlich nicht nur im Verdacht, dass er gestohlene Fahrzeuge ankaufte, wir verdächtigten ihn auch, Diebstähle teurer Fahrzeuge in Auftrag zu geben, um die Wünsche diverser Kunden befriedigen zu können. Und da er auch einen Internethandel mit den Gebrauchtwagen betrieb, reichten seine Geschäftsverbindungen bis in die entlegensten Winkel unseres Landes, hinauf nach Kanada und hinunter nach Südamerika. Um genau zu sein – in die ganze Welt.

Wir fuhren zurück ins Federal Building. Im Gepäck hatten wir die Pistole des verwundeten Gangsters, einige Patronenhülsen, die Listen, die uns Henderson ausdrucken ließ, sowie die Papiere des Dodge Viper GTS. Der Wagen wurde von den Kollegen des Police Department sichergestellt, bis seine Herkunft geklärt war. Ebenso war der Ford beschlagnahmt worden.

Der uniformierte Kollege hatte herausgefunden, dass der Ford auf einen Mann namens Dee Lewis zugelassen war.

Die Waffe und die Patronenhülsen überließen wir unserer ballistischen Abteilung, die Kfz-Papiere unserer Fahndungsabteilung zur Prüfung, ob sie echt waren, mit den Listen zogen Sarah und ich uns in unser gemeinsames Büro zurück und begannen, die Einträge zu selektieren.

Und wir hatten die Aufzeichnung unserer Kollegen, die Hendersons Used-Car Market observierten, bezüglich der Fahrzeuge, die das Betriebsgelände in den vergangenen Tagen verlassen hatten.

4

Am Straßenrand hatte ein Mitsubishi angehalten. Am Steuer saß David Segal, ein dunkelhaariger Mann von knapp 40 Jahren und mit einem pockennarbigen Gesicht. Er hatte sich über den Beifahrersitz gebeugt, die Tür geöffnet und aufgestoßen. „Steig ein.“

„Ist auch Zeit geworden“, knurrte Edric Brown und schaute demonstrativ auf seine Armbanduhr. Er warf sich auf den Beifahrersitz und schlug die Tür zu. Der Mitsubishi fuhr an. Segal lenkte ihn in Richtung Whitestone Expressway und dann hinauf zur Bronx Whitestone Bridge, die auf der anderen Seite des East River im Ferry Point Park endete. Sie fuhren weiter am Westchester Creek entlang bis zum Cross Bronx Expressway und überquerten auf ihm den Fluss.

Nach einiger Zeit wandte sich Segal nach Süden.

„Wohin bringst du mich?“, fragte Edric Brown beunruhigt.

„Zum Boss. Er will dich sehen.“ Nach einer kurzen Pause fügte Segal hinzu: „Ihr habt euch ziemlich dämlich angestellt. Der Boss ist stinksauer auf dich.“ David Segal grinste verächtlich. „Du weißt, wie er reagiert, wenn Mist gebaut worden ist.“

„Für wen hält er sich?“, knirschte Brown. Seine Stimme sank herab. „Er – er kann mich mal. Anhalten, David, halt sofort an. Ich will aussteigen. Verdammt, es waren unglückliche Umstände. Wir dachten, die beiden Bullen …“

David Segal griff schnell unter seine Jacke. Als seine Hand wieder zum Vorschein kam, umklammerte sie den Griff eines 38ers. Die Mündung wies auf Brown.

Der rothaarige Gangster, der im selben Moment unter seine Jacke greifen wollte, erstarrte. Matt schimmerten die Kugelköpfe in den Kammern der Trommel. Die Mündung starrte Edric Brown an wie das hohle Auge eines Totenschädels. Eine eisige Hand schien nach ihm zu greifen.

„Der Boss duldet keinen Fehler, Edric“, knurrte David Segal und lenkte den Wagen mit der linken Hand. „Schon gar keinen derart gravierenden, wie du und Dee ihn begangen habt. Ihr habt die Nerven verloren, und das war nicht gut. Und jetzt versuchst du erneut, verrückt zu spielen. Tut mir leid, Edric.“

Segal drückte ab. Eine Feuerzunge leckte aus der Mündung und stieß auf Brown zu. Die Kugel fuhr in seine Brust und zerfetzte sein Herz. Seine Hand, die noch vom beabsichtigten Griff zur Pistole in der Luft hing, sank nach unten. Der Körper Browns wurde von der Wucht des Treffers in die Ecke zwischen Rückenlehne und Beifahrertür gedrückt. Sein Kinn sank auf die Brust. Sein Gesicht erschlaffte und drückte nur noch die absolute Leere des Todes aus.

Im Auto roch es nach verbranntem Pulver. Ohne jede Gemütsregung steckte David Segal den Revolver unter seine Jacke. Er bog ab zum Bronx River. Auf einem Seitenweg, der wie ausgestorben war, stellte er den Mitsubishi ab. Er zerrte den Leichnam heraus und schleppte ihn zwischen die Büsche am Flussufer. Dort legte er ihn ab. Wenig später saß er wieder im Wagen. Er nahm sein Handy, tippte eine eingespeicherte Nummer her und drückte den Verbindungsknopf. Dann sagte er: „Er spielte verrückt. Ich habe ihn umgepustet und seinen Leichnam am Bronx River abgelegt. Bestell es dem Boss.“

„Du hast dem Boss eine Arbeit abgenommen“, kam es zurück. „Er wird mit dir zufrieden sein.“

„Das will ich doch hoffen.“

5

Am folgenden Morgen flatterte mir die Nachricht auf den Tisch, dass Edric Brown, der Mann, nach dem seit gestern gefahndet wurde, weil er zusammen mit Dee Lewis mir und Sarah Anderson auf dem Gelände des Gebrauchtwagenmarktes eine Schießerei lieferte, und den wir im Verdacht hatten, dass er zu der Autoschieber-Mafia gehörte, am Ufer des Brown River tot aufgefunden worden war. Jemand hatte ihn erschossen.

Das war ein Hammer, und ich musste die Botschaft erst einmal verdauen. Aber ein Irrtum war ausgeschlossen. Der E-Mail eines Kollegen vom Police Department, mit der mir Browns Tod mitgeteilt wurde, war als Anhang ein älteres Polizeifoto beigefügt, und es zeigte den vierschrötigen Burschen mit der Oberst-Matrix-Frisur, der mir gestern über den Drahtzaun entkommen war.

Ich sprach mit Sarah darüber, und wir waren uns einig, dass Edric Brown nach seinem Amoklauf gestern für die Bande nicht mehr tragbar gewesen war. Er war eliminiert worden, um Spuren zu seinen Hintermännern auszulöschen.

„Würde mich nicht wundern, wenn man versuchen würde, auch Dee Lewis mundtot zu machen“, knurrte ich.

„Er liegt im University Medical Center“, wandte Sarah ein, „und wird von zwei Cops bewacht. Ich glaube nicht, dass ein Killer eine Chance hat, an ihn ranzukommen.“

„Dein Wort in Gottes Gehörgang. Aber Lewis wäre nicht der erste, der im Rahmen eines – hm, Zeugenbeseitigungsprogramms einer Bande von Verbrechern im Krankenhaus ermordet werden würde. Ich ruf mal an. Vielleicht ist Lewis sogar schon vernehmungsfähig, und wir erfahren Einzelheiten von ihm.“

Wir saßen seit dem frühen Morgen über den Listen, die uns Clifford Henderson zur Verfügung gestellt hatte. Ein Lamborghini Diablo SE 30, ein Mercedes der absoluten Nobelklasse, und ein schwerer Lincoln, der sich in der Preiskategorie des Lamborghini und des Benz bewegte, waren entsprechend der Aufzeichnung unserer Kollegen in den vergangenen drei Tagen von dem Betriebsgelände entfernt worden.

Wir hatten des Weiteren mehr als ein Dutzend Renommierkarossen, die sich nur der absolute Geldadel leisten konnte, aus der Bestands- und Verkaufsliste herausgepickt. Um die Ankaufs-, Verkaufs- und Wagenpapiere zu überprüfen, mussten wir noch einmal hinüber nach Queens zu Henderson. Außerdem mussten wir einen Abgleich mit den als gestohlen gemeldeten Luxusschlitten durchführen. Nervtötende Schreibtischarbeit. Milo würde wieder seine helle Freude daran haben.

Bevor wir nach Queens aufbrachen, rief ich im Universitätskrankenhaus an. Ich ließ mich mit einem der Ärzte verbinden, die mir Auskunft bezüglich des Gesundheitszustandes Dee Lewis geben konnten.

Der Arzt sagte: „Wir haben den Mann in einer Notoperation wieder soweit hingekriegt. Im Moment ist sein Zustand stabil. – Ja, vor seiner Tür sitzen zwei schwerbewaffnete Polizisten. – Ihn vernehmen – vergessen Sie's. Innerhalb der nächsten acht Tage ist da nichts drin. Seine Chancen, überhaupt durchzukommen, stehen Fifty-fifty.“

Ich bedankte mich.

Dann wählte ich die Nummer des Police Department. Ich erfuhr, dass der Name des in der Mordsache Edric Brown ermittelnden Beamten Jennings war und ließ mich mit ihm verbinden. Auf meine Frage erklärte er: „Wir können noch nicht viel sagen, Trevellian. Nur soviel, dass der Bursche eine Kugel in die Brust bekam, die ihn wahrscheinlich auf der Stelle tötete. Dann wurde er auf einem Feldweg im Ufergebüsch des Bronx River abgelegt, und der Mörder fuhr davon. Wir haben ein paar Reifenabdrücke gesichert. Der Leichnam wurde an die Gerichtsmedizin abgegeben. Die Todesursache dürfte allerdings klar auf der Hand liegen. Wir werden sehen, was die ballistische Auswertung der Kugel ergibt. Sonst kann ich Ihnen kaum was Brauchbares bieten, Trevellian.“

Ich gab dem Kollegen meine Durchwahlnummer und bat ihn, mich in Kenntnis zu setzen, sollte sich was Neues ergeben.

Sarah und ich fuhren unsere Computer herunter, meldeten uns bei Mandy, der Sekretärin Mr. McKees ab, dann ließen wir uns vom Lift in die Tiefgarage tragen. Wenig später lenkte ich den Wagen die Ausfahrt der Tiefgarage hoch, und es gelang mir ohne nennenswerte Wartezeit, den Sportwagen in den vorbeifließenden Verkehr einzufädeln.

Sarah hatte sich auf dem Beifahrersitz zurückgelehnt. Sie war mir an Stelle Milo Tuckers als Teamgefährtin zugeteilt worden, nachdem Milo Tucker aufgrund unglücklicher Umstände seinen Hut nahm und dem FBI den Rücken kehrte.

Sarah war eine schöne Frau, deren Faszination sich kaum ein Mann verschließen konnte. Sie verströmte einen erregenden Hauch von Fraulichkeit. Ihr Hals war schlank, die Linie des fein geformten Kinns makellos. Der Duft des Parfüms, das sie benutzte, erfüllte das Wageninnere und betörte mich.

Die Frau schlug mich mehr und mehr in ihren Bann.

Reiß dich zusammen, Jesse!, durchfuhr es mich. Sie ist deine Kollegin, deine Teampartnerin. Sie ist für dich tabu. Bei Annie und Jennifer warst du immer konsequent und hart zu dir selbst. Werde jetzt bloß nicht schwach!

Himmel, ich war auf dem besten Weg, mich in Sarah zu verknallen.

Doch das durfte nicht sein.

Betont geschäftsmäßig sagte ich: „Wenn wir Henderson auseinandergenommen haben, widmen wir uns dem Handel und der Werkstatt Paul Reynolds. In seinem Fall gibt es eine Reihe von Hinweisen, wonach er ein wichtiges Glied innerhalb der Autoschieber-Mafia ist. Es wäre doch gelacht, wenn es uns nicht gelingen würde, den Kerlen das Handwerk zu legen.“

Soviel hatten wir schon festgestellt: Es gab eine Verbindung zwischen Cliff Henderson und Paul Reynolds, der in Spanish Harlem nicht nur einen Gebrauchtwagenhandel, sondern auch eine Werkstatt und eine Lackiererei betrieb. Darum hatte ich Henderson auch gefragt, ob ihm Reynolds bekannt sei, was er mit einer Mischung aus Verblüffung und Erschrecken verneinte.

Seine Reaktion war mir nicht entgangen.

Und jetzt war ich gespannt, was die Kaufverträge hergaben.

Ich benutzte die Brooklyn Bridge. Der Verkehr war an diesem Vormittag wieder einmal katastrophal. Das Hupkonzert, das die Straßen erfüllte, nervte und schürte Aggressionen. Schließlich waren wir in Queens und im Gegensatz zu Manhattan wirkte dieser Stadtteil wie eine verkehrsberuhigte Zone.

Ich fuhr bis vor das Verwaltungsgebäude des Autohandels und stellte den Sportwagen ab. Sarah und ich stiegen gleichzeitig aus. Die Tür des flachen Gebäudes war geschlossen. Zwischen den Autoreihen sah ich einige Leute, die sich wahrscheinlich für einen Gebrauchtwagen interessierten. Bei zwei Burschen um die 20 stand Cliff Henderson, redete auf die beiden ein und gestikulierte heftig. Er sah uns, und seine Gesichtszüge entgleisten. Widerwillig, wie von Schnüren gezogen, kam er näher. Mit schiefem Mund fragte er:

„Was gibt's denn heute? Könnt ihr mich denn nicht mehr in Ruhe meinen Job machen lassen.“

„Sie wussten doch, dass wir noch einmal kommen würden, Henderson“, gab Sarah mit wohlklingender, sachlicher und präziser Stimme zu verstehen. „Oder waren Sie der Meinung, dass wir die Listen zum Spaß mitgenommen und ausgewertet haben?“

Henderson knirschte mit den Zähnen. „Eure Bemühungen sind sowieso umsonst“, stieß er hervor. „Bei mir geht es sauber zu. Keine krummen Sachen. Ich bezahle pünktlich meine Steuern und …“

„Dann zeigen Sie uns doch zum Einstieg gleich mal die Verkaufspapiere für den Lamborghini SE dreißig, der vor drei Tagen abgeholt wurde, für einen Mercedes, schwarz, S-Klasse, und einen silbermetallic-farbenen Lincoln, der vorgestern dieses Gelände verließ.“

Henderson blinzelte wie ein Uhu. Dann knurrte er: „Kommen Sie herein. Ich werde alles belegen, was Sie von mir verlangen. Alles!“

Wir führten zwei Stunden lang Abgleiche durch. Dann waren wir am Ende. Auf den ersten Blick war alles in Ordnung. Wir notierten die Adressen der Leute, von denen Henderson die teuren Gebrauchtwagen angekauft hatte, beziehungsweise die Adressen derjenigen, die bei ihm einen der teuren Wagen erstanden hatten.

Dann verabschiedeten wir uns. Ehe ich mich aber in den Wagen schwang, sagte ich noch zu Henderson, der unter der Tür des Bürogebäudes stand und mich mit dem Ausdruck eines gehässigen Triumphs fixierte: „Der rothaarige Bursche, dem gestern die Flucht gelungen ist, nachdem er auf meine Kollegin und mich schoss, wurde übrigens oben in der Bronx im Ufergebüsch des Bronx River aufgefunden. Tot, Henderson, erschossen. Die Organisation, für die er tätig war, lässt wohl keine Fehler durchgehen, wie?“

Henderson schluckte würgend. Die Augen traten ihm aus den Höhlen. „Ich weiß nicht, wovon Sie reden, Trevellian“, brach es dann wütend über seine feuchten Lippen.

„Ach, noch etwas, Henderson“, ließ Sarah ihre Stimme erklingen. „Lassen Sie sich von den Leuten, mit denen Sie Geschäfte machen, die Ausweise vorlegen?“

Henderson zögerte. Es mutete an, als würde er in sich hineinlauschen, um vielleicht auf irgendeine innere Stimme zu hören. Dann dehnte er: „Natürlich. Was soll die Frage?“

„War rein rhetorisch, Henderson. Danke.“ Sarah ließ sich auf den Beifahrersitz fallen.

Als wir Richtung Manhattan rollte, sagte ich: „Nun sag schon, Sarah: Was sollte die Frage nach den Ausweisen seiner Kunden?“

„Ich denke, dass die An- und Verkäufe über Strohmänner abliefen.“

Ihre Worte hingen wie ein Manifest im Wagen.

Verdutzt musterte ich meine Kollegin von der Seite.

Ihre Auffassung war nicht von der Hand zu weisen.

6

Der S 350 4MATIC rollte langsam die Amsterdam Avenue hinauf. Immer wieder musste er anhalten, weil eine Ampel auf rot stand. Ziel des sündhaft teuren Fahrzeuges war die Columbia Universität. Im Fond des Wagens saß Loretta Steele, die 17-Jährige Tochter James Steeles.

Steele besaß ein halbes Dutzend Discotheken und Bars, außerdem ein Hotel und mehrere Restaurants. Er war schwerreich, und seinen Reichtum hatte er nicht seiner Hände Arbeit, sondern seiner Skrupellosigkeit und kompromisslosen Brutalität zu verdanken.

James Steele kontrollierte den Drogenmarkt und die illegale Prostitution zwischen Houston Street und der Südspitze Manhattans. Er war der ungekrönte König. Eine Reihe von Kontrahenten hatte er einfach aus dem Geschäft gebombt oder geschossen, und weder Police Department noch FBI konnten ihm was am Zeug flicken. Wer für Steele arbeitete, schwieg, denn seine Rache verfolgte etwaige Verräter bis hinter die dicksten Gefängnismauern. Wer nicht für Steele arbeitete und dennoch etwas sagen hätte können, dem war der Mund versiegelt, weil Tote eben nicht in der Lage sind, zu reden.

Das war Fakt.

Robert Younger steuerte den schweren Mercedes. Er brachte Loretta, das hübsche Girl, täglich zur Uni und holte sie nach den Vorlesungen wieder ab.

James Steele war so gut wie nichts heilig auf der Welt. Ein Menschenleben war ihm gerade den Preis für eine Kugel wert. Für Loretta aber hätte er sein Herzblut gegeben. James Steele vergötterte seine Tochter.

Die Ampel an der 96. Straße schaltete um auf rot. Die Fahrzeugkolonne, in der sich der S 350 bewegte, kam zum Stehen. Abgase stauten sich über der Straße.

„Ich komme ganz gewiss zu spät zur Vorlesung, Robert“, nörgelte das Mädchen auf dem Rücksitz. Es hatte lange, blonde Haare, die in leichten Wellen über ihre Schultern und ihren Rücken fielen. Die Augen waren von einem strahlenden Blau. Loretta war mehr als hübsch. Sie war ein sehr schönes Mädchen.

„Morgen fahren wir etwas eher los, Miss“, gab Younger zu verstehen. „Der Verkehr ist katastrophal. Ich würde sagen, eine Viertelstunde …“

Robert Younger spielte mit dem Gas. Der Zeiger des Drehzahlmessers im Armaturenbrett schnellte hoch. Ungeduldig schlug Younger immer wieder mit der flachen Hand gegen das Lenkrad. Er erzeugte damit dumpfe Geräusche.

„Noch eher!“, maulte das Mädchen. „Soll ich denn wegen der dämlichen Schule mitten in der Nacht aufstehen? Gibt es denn keinen anderen Weg, einen mit weniger Verkehr, Robert?“

„Einen anderen Weg mit Sicherheit, Miss“, lachte Robert Younger. „Den Broadway hinauf oder den Riverside Drive. Ob der Verkehr dort allerdings weniger ist, wage ich zu bezweifeln.“

„Fahr los, Robert, es ist grün …“

Vor dem S 350 rollten die Fahrzeuge an. Younger ließ die Kupplung kommen und gab leicht Gas. Plötzlich rollte auf der linken Seite ein Simca vorüber, schlug nach rechts ein und stand schräg vor der Nase des Mercedes. Im letzten Moment trat Robert Younger die Kupplung und stieg auf die Bremse. Der S 350 ging vorne nieder, dann schaukelte er. Robert Younger fluchte, nahm den Gang heraus, trat die Feststellbremse und riss die Tür auf.

Die Beifahrertür des Simca flog auf, ein Mann sprang heraus. Er schleuderte die Tür zu und war mit einem Schritt bei Robert Younger. Dieser wusste gar nicht, wie ihm geschah, als er an der Jacke gepackt und auf die Straße geschleudert wurde. Der Mann aus dem Simca warf sich hinter das Lenkrad des Mercedes, legte den ersten Gang ein und löste die Bremse. Die Antriebsräder des Simca drehten durch, als der Fahrer Gas gab. Der Mercedes ruckte an. Die Fahrzeuge, die vor dem Mercedes an der roten Ampel angehalten hatten, waren schon über die Kreuzung gefahren oder nach rechts abgebogen.

Auch der Simca bog nach rechts in die 96. Straße ab, der Mercedes folgte. Sie scherten sofort auf die linke Fahrspur hinüber und beschleunigten.

Seit dem Überfall war keine halbe Minute vergangen.

Loretta Steele war wie gelähmt. Der Schreck verschloss ihr die Lippen. Auf dem Grund ihrer Augen wob das Entsetzen. Nur nach und nach registrierte sie, dass sie Opfer einer Entführung geworden war. Das Herz drohte ihr in der Brust zu zerspringen.

Der Simca bahnte sich hupend einen Weg. Genervte Autofahrer fuhren nach rechts und drohten mit der erhobenen Faust. Lippen bewegten sich, was sie formulierten, waren sicher keine Freundlichkeiten. Der Mercedes brauste hinter dem Simca her. Der Mann, der am Steuer saß, war etwa 40 Jahre alt. Sein Gesicht war stoppelbärtig. Er achtete nicht auf das Mädchen im Fond der Nobelkarosse.

Der Central Park tauchte auf. Die beiden Fahrzeuge jagten über die Transverse Road Nr. 4.

Jetzt, nachdem seit der Entführung mehr als fünf Minuten vergangen waren, löste sich ein entsetzter Ton aus Lorettas Kehle. Sie beugte sich vor, ihre Hand legte sich auf die Schulter des Kerls hinter dem Steuer. Sie zerrte daran und schrie fast hysterisch: „Was soll das? Was haben Sie mit mir vor? Mein Dad wird Sie …“

Der Bursche schüttelte die Hand ab. Im Rückspiegel begegnete sein Blick dem des Mädchens. „Klappe, verstanden! Oder es gibt eins aufs Maul!“

Loretta schwieg erschreckt. Diesen Ton war sie nicht gewöhnt. So hatte noch nie jemand mit ihr zu sprechen gewagt. Sie war schockiert.

Auf der Fifth Avenue wandten sich die beiden Fahrzeuge nach Süden.

7

Allan Webb und Abe Bogard hatten das Mädchen in eine leerstehende Lagerhalle in der Marginal Street gebracht. Dort begann der East River Park. Es gab einen Pier, an dem ein alter Frachter lag, der seit Jahren vor sich hin rostete.

Allan Webb war mit dem gestohlenen Mercedes nach East Harlem gefahren, wo er die gestohlene Nobelkarosse auf einem verwilderten Grundstück in einer der fünf Garagen verschwinden ließ, die es da gab. Sie waren an eine Werkhalle angebaut, die über zwei große Rolltore verfügte und an deren Vorderfront ein großes Schild prangte, wonach hier Walt Hannagans Kfz-Reparaturwerkstätte untergebracht war. Einige Autowracks standen herum. Das Grundstück lag zwischen Park-Avenue und Third Avenue in der 123. Straße, einer Gegend, in der es gefährlich war, nachts einen Fuß auf die Straße zu setzen.

In der Nachbarschaft des Grundstücks befanden sich einige heruntergekommene Mietskasernen. Die Mülltonnen davor quollen über. Papierfetzen und Verpackungsmaterial sowie leere McDonalds-Behältnisse wurden vom böigen Wind über die Straße getrieben. Ein Stück weiter verfiel ein leerstehender Wohnblock. Er wurde nur noch von Ratten und Obdachlosen genutzt.

In dieser Gegend lebte der Bodensatz der Gesellschaft, jene, die sich zumeist selbst ausgegrenzt hatten und auch gar nicht mehr zurück wollten in ein geregeltes Leben.

Eines der großen Rolltore war geöffnet. Zwei Kerle in blauen Overalls machten sich an einem alten Ford zu schaffen, der über einer Montagegrube stand. Rechts daneben lag auf einer Hebebühne ein Golf mit abgeschraubten Rädern.

„Alles glatt gegangen?“, rief einer der beiden, als Allan Webb das Garagentor geschlossen hatte und sich näherte. „Ist ja‘ ne prächtige Kutsche, die ihr da aufgerissen habt. Ihr seid schon ein paar fixe Burschen. Wir werden uns gleich heute noch drüber her machen. Gibt es schon einen Abnehmer?“

„Alles glatt gegangen“, erwiderte Webb wider besseres Wissen. Die Sache mit dem Mädchen verschwieg er wohlweislich. „Ob es einen Abnehmer gibt, kann ich dir nicht sagen. Wir erhielten nur den Auftrag, die Kiste zu kapern, und das haben wir getan. Alles andere ist shit für mich und interessiert mich nicht. Heh, kann mich mal einer von euch nach Süden bringen?“

„Warum nimmst du nicht die Subway?“

„Weil's einfacher ist, wenn mich einer fährt.“

„Fahr ihn, Max“, sagte Walter Hannagan, dem das Grundstück gehörte. „Ich sag dem Boss Bescheid, dass die Kiste angeliefert worden ist.

„Na gut. Komm.“ Max ging zu einem alten Chevy und setzte sich hinein.

Allan Webb machte es sich auf den Beifahrersitz bequem, so gut es ging.

„Wohin?“, fragte Max.

„Lower Eastside. Gouverneur Gardens. Den Rest des Weges nehme ich dann zu Fuß.“

„Hast du Angst, ich könnte sehen, wo du wohnst?“, lachte Max.

Darauf gab Allan Webb keine Antwort. Wenn du eine Ahnung hättest, was wir für einen Goldfisch an der Angel haben, durchrieselte es seinen Verstand. Er lachte in sich hinein. Bald ist Schluss mit dem Klauen irgendwelcher Nobelkarossen. Bald …

Max chauffierte ihn bis zum Ende der Jackson Street. Das letzte Stück des Weges bis zu der Lagerhalle in der Marginal Street legte Webb auf Schusters Rappen zurück.

Abe Bogard empfing ihn mit den Worten: „Der Boss hat anrufen lassen. Er hat es durch eine Sondermeldung, die in den Lokalnachrichten ausgestrahlt wurde, gehört. Er ist stinksauer, weil das mit der Kleinen passiert ist.“

„Der kann mich mal!“, schnarrte Allan Webb. „Das ist unsere Kiste. Es geht ihn nichts an. Er hat den Wagen, den er wollte. Die Kleine gehört uns.“

„Er ist da ganz anderer Meinung“, knurrte Bogard. „Er meinte, wir sollen die Kleine zu Reynolds bringen, dort würde er sie übernehmen.“

„Ich denke er ist sauer, weil wir die Steele-Göre gekidnappt haben. Wieso will er sie? Er soll seine eigenen Brötchen backen und uns die unseren backen lassen. Hast du ihm gesagt, wo wir Loretta versteckt haben?“

Er schielte zu dem Mädchen hin, das gefesselt und geknebelt inmitten von Schmutz und Unrat am Boden saß und in dessen Augen die Angst wütete wie ein gefräßiges Tier.

„Er ist sauer, weil wir ihm nicht sofort berichtet haben und er der Meinung ist, dass wir die Sache in eigener Regie durchziehen wollen.“

„Womit er mit seiner Meinung den Nagel auf den Kopf trifft“, blaffte Webb. „Hast du‘s ihm gesagt?“

„Natürlich habe ich ihm verschwiegen, wo wir uns versteckt haben. Denkst du denn, ich bin lebensmüde?“

8

Am Nachmittag erfuhren wir von der Entführung. Der Chauffeur des Mädchens hatte zuerst James Steele und dann die Polizei informiert. Natürlich wurde von Seiten der Police Departments sofort die Fahndung nach dem 350er Mercedes und auch dem dunkelroten Simca eingeleitet, aber die beiden Fahrzeuge waren verschwunden, als hätte sie die Erde geschluckt. Da Kidnapping im Spiel war, wurde das FBI eingeschaltet.

Sarah und ich wurden zu Mr. McKee zitiert. Der Special Agent in Charge des Field Office New York schaute sorgenvoll drein. Auf seiner Stirn lagen tiefe Sorgenfalten.

„Keine Ahnung, was dahinter steckt“, begann der Chef mit kehliger Stimme. „Wir wissen, dass James Steele ein Gangster allererster Ordnung ist, dem wir allerdings bisher nichts beweisen konnten. Steckt hinter der Entführung ein Racheakt? Läuft es auf eine Lösegeldforderung hinaus? Hat das Mädchen diese Entführung vielleicht sogar selbst inszeniert, aus welchen Gründen auch immer? Wir wissen es nicht. Fakt ist nur, dass das Mädchen gekidnappt wurde und spurlos verschwunden ist.“

„Und Steele macht der Polizei die Hölle heiß, nehme ich an“, sagte ich. „Nun“, fügte ich sogleich hinzu, „er verfügt über Beziehungen, die bis ins Justizministerium und vielleicht sogar bis ins Büro des Gouverneurs reichen. Für uns heißt das, alles liegen und stehen zu lassen und sich auf den Fall Steele zu stürzen.“

Ich schaute Mr. McKee an.

Der Chef nickte wiederholt. „Warum so sarkastisch, Jesse? Immerhin wurde ein Mädchen von siebzehn Jahren entführt, und solange wir nichts Gegenteiliges wissen, müssen wir das Schlimmste annehmen.“

Ich verstand die unterschwellige Zurechtweisung. Himmel, der Chef hatte recht. Es ging nicht um James Steele, es ging um seine Tochter, die mit den Machenschaften ihres Vaters sicherlich nichts zu tun hatte.

„Wo können wir den Hebel ansetzen?“, fragte Sarah und half mir mit ihrer Frage etwas über meine Betretenheit hinweg. Und sie gab sich sogleich auch selbst die Antwort. „Die Entführer werden sicherlich mit irgendeiner Forderung an den Vater des Mädchens herantreten. Und zwar telefonisch. Man muss im Haus Steeles eine Fangschaltung installieren, die Stimme muss aufgezeichnet werden, wir müssen gegebenenfalls eine Lösegeldübergabe arrangieren und als Boten fungieren …“

„Langsam, immer langsam mit den jungen Pferden“, stoppte ich Sarahs Elan. Ich hatte mir meine eigenen Gedanken gemacht. Der Ablauf der Entführung war uns bekannt. Irgendwie entsprach sie nicht dem typischen Profil eines Kidnapping. Mitsamt einem auffälligen Wagen jemanden zu entführen konnte nur Anfängern oder Stümpern einfallen. Ich schaute Mr. McKee an. „Sagten Sie, das Mädchen wurde in einem S 350 4MATIC chauffiert?“

„Ja. Das ist korrekt.“

„Hm“, machte ich, „diese Kiste rangiert jenseits der 3,7 Liter und ist ein Vermögen wert. Vielleicht ging es den Entführern gar nicht um das Mädchen …“

Ich sorgte mit meinem Hinweis für Verblüffung.

„Du meinst …“, dehnte Sarah und schaute zweifelnd an. Dann winkte sie ab. „Dir gehen die Autoschieber wahrscheinlich schon im Traum nach. Das ist doch absurd.“

„So absurd finde ich das gar nicht“, erklärte ich. „Es gab in der Vergangenheit mehrere dreiste Pkw-Diebstähle. Leute wurden, während die Ampel auf rot stand, aus ihren Autos gezerrt und die Diebe fuhren an ihrer Stelle weiter.“

„Gegen eine dieser Autoschieberbanden ermitteln Jesse und ich im Augenblick, Sir.“ Sarah hatte den Blick auf den SAC gerichtet. „Es war vielleicht wirklich nur Zufall, dass ausgerechnet James Steeles Tochter in dem Schlitten saß.“

„Ich glaube nicht daran“, zweifelte der Chef. „Hinter diesem Kidnapping steckte System. Aber …“ Der SAC wiegte den Kopf. „Natürlich will ich Ihre Theorie nicht völlig als irrelevant hinstellen, Jesse.“ Er hob die rechte Hand, ließ sie flach auf den Tisch fallen, und sagte: „Okay, Jesse und Sarah, Sie kriegen Gelegenheit, es herauszufinden. Ich will, dass Sie beide sich um die Angelegenheit kümmern. Setzen Sie alles daran, das Girl heil und gesund aus der Gewalt seiner Kidnapper zu befreien. Stellen Sie alles andere zurück. Ich kann ja, bis Sie wieder frei sind, Henderson und die anderen Gebrauchtwagenmärkte für Sie observieren lassen. Sicher tauchen weitere Erkenntnisse auf.“

Ich schien recht verkniffen dreinzublicken und auch sonst keine allzu große Begeisterung an den Tag zu legen. Mr. McKee musterte mich eine ganze Weile, dann meinte er: „Es gefällt Ihnen nicht, Jesse, ich merke es. Aber dem Fall wurde von höchster Stelle oberste Priorität zugeordnet.“

„Er wird also als Politikum gehandelt“, knurrte ich wenig erbaut.

„So ist es. Es tut mir leid, aber ich kann es nicht ändern.“

Sarah und ich verabschiedeten uns vom Chef. Mr. McKee hatte in derlei Angelegenheiten immer einen ausgesprochen schlechten Stand. Er saß sozusagen zwischen den Stühlen. Von oben wurde er getreten, und er musste die oftmals unerforschlichen Ratschlüsse uns, seinen G-men, verkaufen und versuchen, den Ärger, den so manche Entscheidung auslöste, in Grenzen zu halten. Nun, er war nicht der Mann, der die Tritte von oben weitergab. Milo und mir war er sogar so etwas wie ein väterlicher Freund geworden in all den Jahren, in denen wir schon unter ihm arbeiteten. Er verstand es immer wieder, uns zu motivieren, uns Mut zu machen und uns moralisch aufzurichten, wenn wir mal so richtig am Boden waren.

Ich konnte dem Chef nicht böse sein. Dennoch ärgerte es mich, dass wir alles liegen und stehen lassen sollten, was wir in Sachen Autodiebstahl und -schieberei auf die Beine gestellt hatten, um uns auf den Entführungsfall zu stürzen. Wobei ich allerdings nicht zum Ausdruck bringen möchte, dass mir das Schicksal des Mädchens nicht am Herzen gelegen hätte. In jedem anderen Fall aber hätte man zuerst einmal abgewartet, was die Entführer forderten.

Aber da war die Theorie, die ich aufgestellt hatte. Sie verfestigte sich in mir. Ich sah Zusammenhänge mit dem Fall der Autoschieberbande. Und irgendwie war ich davon überzeugt, dass es sich um keine Entführung handelte, sondern um den Diebstahl einer teuren Benzinkutsche. Also nahm ich mir vor, nicht alles liegen und stehen zu lassen, sondern in beiden Fällen parallel zu ermitteln.