Drei Strandkrimis: Kubinke und der Killer von Münster & Killer ohne Gnade & Bube, Dame, Killer: Krimi Paket - Alfred Bekker - E-Book

Drei Strandkrimis: Kubinke und der Killer von Münster & Killer ohne Gnade & Bube, Dame, Killer: Krimi Paket E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Dieser Band enthält folgende Krimis: (399) Kubinke und der Killer von Münster (Alfred Bekker) Killer ohne Gnade (Alfred Bekker) Bube, Dame Killer (Alfred Bekker) Als beim Dreh eines Action Movies der Star eine echte Kugel abbekommt, beginnen die Ermittlungen von Jesse Trevellian und seinem Team - denn es handelte sich nicht um einen Unfall, wie sich schnell herausstellt. Ein Action Star, der tief in die Machenschaften des organisierten Verbrechens verstrickt ist, gegen die er in seinen Filmen immer kämpfte und ein Machtkampf innerhalb der Unterwelt - damit hat es Trevellian in diesem Fall zu tun. Und schon bald steht er ebenfalls auf der Abschussliste der Syndikate...

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Alfred Bekker

Drei Strandkrimis: Kubinke und der Killer von Münster & Killer ohne Gnade & Bube, Dame, Killer: Krimi Paket

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Inhaltsverzeichnis

Drei Strandkrimis: Kubinke und der Killer von Münster & Killer ohne Gnade & Bube, Dame, Killer: Krimi Paket

Copyright

Kubinke und der Killer von Münster

​Killer ohne Gnade

Bube, Dame, Killer

Drei Strandkrimis: Kubinke und der Killer von Münster & Killer ohne Gnade & Bube, Dame, Killer: Krimi Paket

Alfred Bekker

Dieser Band enthält folgende Krimis:

Kubinke und der Killer von Münster (Alfred Bekker)

Killer ohne Gnade (Alfred Bekker)

Bube, Dame Killer (Alfred Bekker)

Als beim Dreh eines Action Movies der Star eine echte Kugel abbekommt, beginnen die Ermittlungen von Jesse Trevellian und seinem Team - denn es handelte sich nicht um einen Unfall, wie sich schnell herausstellt.
Ein Action Star, der tief in die Machenschaften des organisierten Verbrechens verstrickt ist, gegen die er in seinen Filmen immer kämpfte und ein Machtkampf innerhalb der Unterwelt - damit hat es Trevellian in diesem Fall zu tun. Und schon bald steht er ebenfalls auf der Abschussliste der Syndikate...

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author /COVER A.PANADERO

© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

[email protected]

Folge auf Twitter

https//twitter.com/BekkerAlfred

Zum Blog des Verlags geht es hier

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Kubinke und der Killer von Münster

von Alfred Bekker

Krimi

Der Umfang dieses Buchs entspricht 121 Taschenbuchseiten.

Ein Mann wird während einer Fahrt auf der Autobahn erschossen. In seinem Kofferraum befinden sich Leichenteile, die zu einem lange zurückliegenden Fall gehören: Damals machte das sogenannte Monster von Münster die Gegend unsicher. Der Fall galt als restlos aufgeklärt. Aber jetzt stellen sich unbequeme Fragen. Harry Kubinke und Rudi Meier vom Bundeskriminalamt ermitteln.

Über Alfred Bekker

Alfred Bekker ist Autor zahlreicher Romane und Erzählungen mit einer Gesamtauflage von über 4,5 Millionen Exemplaren. Außerdem ist er Verleger und Jazz-Musiker. Alfred Bekker schreibt Fantasy, Science Fiction, Krimis, historische Romane und Bücher für junge Leser.

Alfred Bekker wurde vor allem durch seine Fantasy-Romane bekannt. Als Fantasy-Autor erreichte Alfred Bekker ein großes Publikum mit seinen Romanen um DAS REICH DER ELBEN, sowie den Trilogien um die DRACHENERDE, GORIAN und DIE HALBLINGE VON ATHRANOR. Außerdem schrieb Alfred Bekker die Fantasy-Zyklen ELBENKINDER (7 Bände), DIE WILDEN ORKS (5 Bände) und ZWERGENKINDER (bislang 4 Bände).

Für junge Leser erfand Alfred Bekker Buchserien wie TATORT MITTELALTER und DA VINCI’s FÄLLE.

Alfred Bekker schreibt außerdem regelmäßig Ostfrieslandkrimis um Kommissar Steen von der Kripo Emden.

Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Kommissar X, John Sinclair, Bad Earth und Jessica Bannister.

Alfred Bekker benutzte auch die Pseudonyme Neal Chadwick, Henry Rohmer, Adrian Leschek, Brian Carisi, Leslie Garber, Robert Gruber, Chris Heller, Sidney Gardner und Jack Raymond. Als Janet Farell verfasste er die meisten Romane der romantischen Gruselserie Jessica Bannister. Historische Romane schrieb er unter den Namen Jonas Herlin und Conny Walden. Einige Gruselromane für Teenager verfasste Alfred Bekker als John Devlin. Die Romane von Alfred Bekker erschienen u.a. bei Lyx, Blanvalet, BVK, Goldmann, Schneiderbuch, Arena, dtv, Ueberreuter und Bastei Lübbe und wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt, darunter Englisch, Niederländisch, Dänisch, Türkisch, Indonesisch, Vietnamesisch, Finnisch, Bulgarisch und Polnisch.

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Ein CassiopeiaPress Buch CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author / COVER STEVE MAYER

© dieser Ausgabe 2021 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

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Prolog

„Mein Name ist Saatkamp, ich bin Leiter der Kripo Münster“, stellte sich der eher schüchtern wirkende Mann vor. Er hatte den Job gerade erst übernommen und jetzt musste er sich vor der Presse zu einem Fall äußern, der überregional für Aufsehen gesorgt hatte.

Das Blitzlichtgewitter und die Kameras des Boulevard-Fernsehens waren nicht so seine Sache. Er war eigentlich eher von schlichtem Gemüt, introvertiert. Ein Mann, der aufgeräumte Schreibtische liebte – aber nicht den großen Auftritt in der Öffentlichkeit.

Ein Westfale eben, wie man ihn sich als Klischee vorstellte.

Kein Tadel ist Lob genug. Das war seine Devise.

„Herr Saatkamp, was haben Sie gefühlt, als Sie das Monster von Münster endlich gefasst hatten?“, fragte ein Reporter.

„Bin froh, dass wir den Fall weitgehend aufklären konnten“, sagte Saatkamp.

„Haben Sie in Ihrer Zeit bei der Polizei schonmal mit einem ähnlichen Fall zu tun gehabt?“

„Nein, der Fall Altinowitsch ist schon sehr… besonders“, sagte Saatkamp, wobei er einen kurzen Moment gezögert hattte, bevor er weitersprach.

„Was ist Ihre Meinung? Kann Münster jetzt wieder ruhig schlafen, nachdem das Monster hinter Schloss und Riegel sitzt – oder denken Sie, dass da draußen noch weitere Täter dieser Art ihr Unwesen treiben?“

„Tja...“, sagte Saatkamp etwas ratlos. „Da steckt man ja nicht drin.“

„Also habe ich das richtig verstanden: Sie halten das für möglich?“

„Nun...“

„Oder sogar für wahrscheinlich?“

„Ich wollte eigentlich nur sagen, dass ich dazu nichts sagen kann“, erklärte Saatkampf so stur und bockig, wie es nunmal seiner Art entsprach. „Tja, wenn Sie dann keine weiteren Fragen mehr haben…“

1

Jahre später...

„Ich möchte gerne Ihren Führerschein sehen”, sagte der Beamte der Autobahnpolizei.

„Kein Problem”, gab der Fahrer des SUV zurück. Er war grauhaarig und hager. Seine Hand glitt unter sein Jackett und berührte dabei leicht den Griff der Automatik, die er in einem Schulterholster trug.

Wenig später gab er dem Polizeimeister die Fahrerlaubnis.

„Herr Jörg Kohms aus Bielefeld?”

„Der bin ich.”

„Sie sind zu schnell gefahren.”

Kohms hielt die Hände am Lenkrad, so dass der Polizist sie sehen konnte. Seine Muskeln waren gespannt. Kohms hätte keine Skrupel gehabt, blitzschnell unter die Jacke zu greifen, die Waffe herauszureißen und den Bullen einfach zu erschießen.

Allerdings hätte das seine Pläne fürs Erste durchkreuzt…

*

Mach jetzt keinen Fehler - sonst gibt es in zwei Sekunden einen Bullen weniger!, dachte Kohms. Der Polizeibeamte sah sich die Papiere eingehend an. „Scheint alles in Ordnung zu sein”, meinte er.

„Was muss ich bezahlen?”, fragte Kohms.

„Ich belasse es bei einer Verwarnung”, sagte der Polizist an dessen Uniformhemd der Name stand: Polizeimeister Pascal J. Schmidt. „Aber achten Sie in Zukunft auf das, was Ihr Tacho anzeigt.”

„Ja.”

„Wo fahren Sie hin?”

„Ins Münsterland.”

„Welche Stadt?“

Kohms verdrehte die Augen. Doofe Frage, schien sein Gesicht zu sagen.

„Münster.”

„Privat oder geschäftlich?”

„Geschäftlich. Ich bin Handelsvertreter.”

Polizeimeister Pascal J. Schmidt sah durch die Seitenscheiben zum Gepäckraum des SUV. „Sie haben eine Menge Gepäck.”

„Musterkoffer. Und ein frisches Hemd und was man sonst noch so braucht.”

„Machen Sie mal einen davon auf.”

„Gibt es dafür einen besonderen Grund?”

„Die Fragen stelle ich. Machen Sie bitte einen der Koffer auf - und zwar den da!” Er deutete mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf einen Koffer, der sich nicht im Gepäckraum, sondern zwischen Hinterbank und Vordersitzen befand. Das weiche, elastische Plastikmaterial, aus dem er bestand, beulte sich an einer Stelle auf eigenartige Weise aus.

Kohms Hand war in den letzten Momenten bereits in Höhe des mittleren Jackettknopfs gewandert. Aber jetzt knöpfte er sich die Jacke einfach nur zu, damit seine Waffe nicht zum Vorschein trat.

„Soll ich aussteigen und die Tür öffnen?”

„Bleiben Sie sitzen, Herr Kohms!”

Polizeimeister Schmidt öffnete die Tür und machte sich an dem Koffer zu schaffen. Kohms’ Hand öffnete unterdessen den Jackettknopf wieder und war an der Waffe.

Der Verschluss des Koffers sprang auf. Der Inhalt des überladenen Koffers platzte heraus: Boxer-Shorts, ein Pyjama, eine Zahnbürste, ein frisches Hemd, dem man jetzt nicht mehr ansah, dass es mal gebügelt worden war.

Es war undenkbar, den Koffer einfach so wieder zu schließen.

„Tut mir leid”, sagte der Polizeimeister. „Aber der war wohl ein bisschen voll.”

„Lassen Sie einfach alles so liegen”, sagte Kohms.

Schmidt schloss die Hintertür des SUV wieder und verhinderte gerade noch, dass ein paar Socken auf den Asphalt fiel.

„Nichts für ungut”, sagte er. „Wir haben hier in letzter Zeit ein gehäuftes Vorkommen von Drogentransporten”, sagte Schmidt.

„Und ich sehe für Sie ein Drogenhändler aus, oder was?”, fragte Kohms etwas gereizter, als er es eigentlich beabsichtigt hatte.

„Nein. Sie nicht. Aber Ihr Wagen steht auf der Liste der Fabrikate, auf die wir besonders achten sollen.”

„Naja, ist ja sicher im Sinne der Allgemeinheit, dass Sie die Augen offenhalten.”

„Fahren Sie weiter.”

„Ja.”

Kohms startete den SUV und ließ die Seitenscheibe hochfahren. Dann verließ er den Standstreifen und fuhr weiter Richtung Münster.

Er drehte das Radio auf. Irgendeine Schlager-Schnulze lief in dem Sender, den er eingestellt hatte. Kohms atmete tief durch. Nochmal gut gegangen!, dachte er. Aber es war knapp gewesen.

Auf der linken Fahrbahnseite tauchten jetzt mehrere Gebäude auf. Es handelte sich um einen gewaltigen Gebäudekomplex, der sich allerdings erst im Stadium des Rohbaus befand. Von außen waren Gerüste zu sehen. Allerdings war auf der Baustelle im Moment kein Betrieb.

DAS GRÖSSTE SHOPPING CENTER EUROPAS stand da in riesigen Buchstaben auf einem großen Plakat. Davon, dass der Bau des Einkaufszentrums sich noch eine ganze Weile verzögern würde, davon hatte Kohms in den Medien jede Menge Einzelheiten mitbekommen. Die Insolvenz des Hauptinvestors legte dieses mit großem PR-Aufwand gestartete Projekt vermutlich auf Jahre hinaus lahm.

In diesem Moment brach sich für den Bruchteil eines Augenblicks ein roter Laserstrahl in der Scheibe in der Frontscheibe.

Ein Projektil schlug durch die Scheibe. Durch Kohms Körper ging ein Ruck, als die Kugel durch seinen Brustkorb schlug. Eine zweite folgte, dann eine dritte. Beide trafen ihn ebenfalls im Bereich des Oberkörpers. Sein Hemd verfärbte sich innerhalb von Augenblicken dunkelrot. Ein letzter Treffer erwischte ihn am Kopf. Zwei weitere Kugeln gingen an ihm vorbei und fetzten in die Lehne des Beifahrersitzes hinein, denn inzwischen war der Wagen von seiner Bahn abgekommen.

Mit starren, toten Augen saß Kohms hinter dem Steuer, aber trat immer noch das Gaspedal voll durch. Die Frontscheibe war inzwischen völlig zerschossen. Ausgehend von den in die Scheibe hineingestanzten Einschusslöchern verzweigten sich spinnnartigen Rissstrukturen.

Der Wagen drehte seitwärts, kam von der Fahrbahn ab, mähte einen Begrenzungspfahl um, ehe er schließlich eine Böschung hinunterrutschte und liegen blieb. Das Fahrzeug hatte offenbar einen Heckantrieb. Die Hinterräder drehten durch und schleuderten Erde in die Höhe, aber vorne saß der Wagen fest.

*

Eine halbe Stunde später waren zwanzig Einsatzfahrzeuge in der Nähe abgestellt worden. Man hatte den Autobahn-Abschnitt in beide Richtungen komplett gesperrt. Polizisten durchkämmten das Gelände rund um das unvollendete Einkaufszentrum. Dass der Killer von dort aus geschossen haben musste, lag auf der Hand. Dazu brauchte man nicht erst irgendein ballistisches Gutachten abwarten.

Ebenso klar war aber auch, dass der mysteriöse Schütze, der diesen Mord mit einer geradezu unglaublichen Präzision durchgeführt hatte, von einer Position gefeuert haben musste, die innerhalb des Gebäudekomplexes lag.

„Der Fahrer des Wagens hieß Kohms”, sagte Polizeimeister Pascal J. Schmidt an seine Kollegin Rita Jendrikson gewandt. Sie leitete diesen Einsatz. „Die Papiere waren in Ordnung.”

„Er hatte eine Waffe bei sich”, sagte Rita Jendrikson.

„Ich habe Kohms nicht durchsucht”, sagte Schmidt. „Es bestand kein Anlass dazu. Bei seinem Gepäck habe ich eine Sichtprobe durchgeführt, aber ohne Ergebnis.”

„Sie hatten nicht den Eindruck, dass er einer von diesen Drogenhändlern sein könnte, die uns im Moment zu schaffen machen?”

„Nein, ehrlich gesagt hatte ich sehr schnell den Eindruck, dass er damit wohl nichts zu tun hat”, sagte Schmidt. Er zuckte mit den Schultern. „Kann ich jetzt auch nicht weiter erklären. Nennen Sie es Fahndungsinstinkt. Er passte einfach nicht ins Raster. Allerdings...” Schmidt zögerte, ehe er weitersprach. „Ich hatte andererseits schon das Gefühl, dass irgendetwas mit ihm nicht stimmte. Ein merkwürdiger Typ. Ich kann es nicht genauer sagen. Letztlich ist seine Überprüfung ja auch ergebnislos geblieben.”

Das Gespräch wurde unterbrochen, als sich bei Frau Jendrikson jemand über Funk meldete.

„Hier ist niemand mehr und es gibt auf den ersten Blick zumindest auch keinerlei Spuren des Killers”, meldete sich einer der anderen Polizisten zu Wort, die gerade dabei waren, jeden Quadratzentimeter der Bauruine abzusuchen, aus der eigentlich das größte Einkaufszentrum hätte werden sollen.

„Das war leider zu erwarten”, sagte Frau Jendrikson. „Ich werde zusätzliche Kräfte anfordern und dafür sorgen, dass der abgesuchte Radius erweitert werden kann.”

Einer der Spurensicherer, die sich an dem verunglückten Wagen zu schaffen machten, stieß jetzt einen kurzen Laut des Entsetzens aus. „Kollegen! Bitte kommen Sie mal her! Das müssen Sie sich ansehen! Ich habe gerade einen der Koffer geöffnet… Scheiße so etwas habe ich in all in meinem Dienstjahren noch nicht erlebt…”

Polizeiobermeister Jendrikson beeilte sich, um zu Kohms’ Wagen zu kommen. Pascal J. Schmidt folgte ihr.

Der Spurensicherer trug einen weißen Schutzoverall. In Brusthöhe war das Zeichen des LKA und sein Name zu sehen. Er hieß Melnik. Sein Gesicht wirkte aschfahl. Er deutete auf den geöffneten Koffer.

Das Erste, was Rita Jendrikson und Pascal Schmidt auffiel, war eine sorgfältig in transparente Plastikfolie verpackte menschliche Hand.

„Oh mein Gott”, murmelte Schmidt vor sich hin.

Und Rita Jendrikson sagte trocken: „Sie hatten recht, Herr Schmidt. Ein Drogenhändler war dieser Kohms offenbar tatsächlich nicht…”

2

Als ich Rudi an diesem Morgen an der bekannten Stelle abholen wollte, war er nicht da. Ich sah auf die Uhr. Nicht Rudi war zu spät dran, sondern ich zu früh. Offenbar hatten es die Verkehrsverhältnisse in Berlin an diesem Morgen möglich gemacht, dass ich den Weg von meiner Wohnung bis hier her ein paar Minuten schneller geschafft hatte als üblich.

Hinter mir hupte ein ungeduldiger Verkehrsteilnehmer und zog dann an meinem Dienst-Porsche vorbei. Ein Rentner in einem Mercedes, der sich nicht nehmen ließ, mir während des Überholmanövers durch ein paar mehr oder minder eindeutige Gesten klarzumachen, was er von mir hielt.

Aber mir blieb keine Zeit, um mich darüber zu ärgern, denn genau in diesem Moment geschahen zwei Dinge gleichzeitig. Erstens tauchte Rudi jetzt auf und legte die letzten Schritte bis zu unserem Treffpunkt im Spurt zurück. Und zweitens erreichte mich ein Anruf. Ich nahm ihn über die Freisprechanlage entgegen.

„Hier Harry Kubinke”, sagte ich.

„Guten Morgen”, begrüßte mich eine sonore Männerstimme mit unverkennbar bayerischem Akzent.

Rudi öffnete die Beifahrertür des Dienst-Porsche und stieg ein.

„Da sind eine Menge störende Hintergrundgeräusche”, stellte unterdessen die Stimme mit dem bayerischen Akzent fest. „Egal, was Sie da gerade tun, es wäre schön, wenn Sie sich einen Moment darauf konzentrieren könnten, mit mir abzusprechen, wann Sie sich zeitnah mit mir hier in Quardenburg treffen könnten, damit wir über die Sache mit den Altinowitsch-Leichen sprechen können.”

Bei dem Bayer handelte es sich um niemand anderen als Dr. Gerold M. Wildenbacher, den Pathologen des Ermittlungsteam Erkennungsdiensts in Quardenburg, dessen Dienste meinem Kollegen Rudi Meier und mir jederzeit zur Verfügung standen, seit man uns zu BKA-Kriminalinspektoren befördert hatte.

Rudi saß jetzt neben mir auf dem Beifahrersitz und machte ein ziemlich irritiert wirkendes Gesicht.

Ich sah unterdessen zu, dass ich mich mit dem Dienst-Porsche wieder in den fließenden Verkehr einfädelte, was mir schließlich auch gelang.

„Habe ich mich irgendwie unverständlich ausgedrückt?”, fragte Wildenbacher auf seine hemdsärmelige Art, nachdem ich nicht sofort geantwortet hatte.

„Tut mir Leid, aber ich musste meine Aufmerksamkeit für einen Moment dem Straßenverkehr widmen”, sagte ich.

„Und ich habe noch ein paar andere Leichen auf dem Tisch des Hauses, wenn Sie verstehen, was ich meine.”

„Natürlich”, versicherte ich.

„Um ehrlich zu sein, ich weiß im Moment nicht, wo mir vor lauter Arbeit der Kopf steht und deswegen ist es um so wichtiger, dass wir uns absprechen.”

„Sie sprachen von den Altinowitsch-Leichen”, mischte sich Rudi ein.

„Schön, dass man auch von Ihnen mal was hört und Sie Ihren Kollegen etwas dahingehend entlasten können, dass er sich besser auf den Straßenverkehr konzentrieren kann”, gab Wildenbacher zurück.

„Ich habe keine Ahnung, welche Laus Ihnen heute über die Leber gelaufen ist, Gerold”, sagte Rudi. „Allerdings möchte ich Sie darauf hinweisen, dass ich keine Ahnung habe, von welchem Fall Sie gerade sprechen.”

„Sie wollen behaupten, dass Sie noch nichts von den Altinowitsch-Morden gehört haben?”, wunderte sich Wildenbacher.

„Der Name sagt mir irgendetwas, aber ich kann ihn im Moment nicht richtig einordnen”, stellte mein Kollege klar. „Allerdings bin ich mir sicher, dass die Morde eines gewissen Altinowitsch im Moment nicht zum Aufgabenbereich gehören, um den Harry und ich uns kümmern, geschweige denn dass wir an diesem Fall zurzeit arbeiten würden.”

„Sollte Kriminaldirektor Hoch mich völlig falsch informiert haben?”, zweifelte Wildenbacher. „Kann ich mir ehrlich gesagt kaum vorstellen.”

„Wann haben Sie mit unserem Chef gesprochen?”, mischte ich mich ein.

„Vorhin. Und er sagte, dass ich mit Ihnen beiden in dieser Sache zusammenarbeiten würde.”

„Dann sind Sie offenbar mal wieder früher darüber ins Bild gesetzt worden als wir”, stellte ich klar. „Ich nehme an, dass Herr Hoch das noch nachholen wird…”

„Das sollte uns jetzt aber nicht davon abhalten, einen Termin festzulegen”, knurrte Wildenbacher. „Es gibt hier nämlich ein paar Dinge, die ich Ihnen gerne zeigen möchte, weil Sie sonst vielleicht nicht so richtig begreifen, worum es in diesem Fall eigentlich geht…”

*

Wir vereinbarten mit Dr. Wildenbacher einen Termin für den Nachmittag. Allerdings unter Vorbehalt, denn bislang arbeiteten wir offiziell nicht an dem Fall. Schlimmer noch, weder Rudi noch ich hatten auch nur ansatzweise eine Vorstellung davon, worum es dabei eigentlich ging.

Aber es war nicht das erste Mal, dass Wildenbacher früher darüber informiert war, mit welchem Fall wir als nächstes betraut werden sollten, als mein Kollege und ich. Das lag bis zu einem gewissen Grad in der Natur der Sache, denn manchmal hing es ja erst von den Untersuchungsergebnissen des Ermittlungsteam Erkennungsdiensts ab, ob ein Fall überhaupt in unsere Zuständigkeit fiel oder nicht.

„Der Name Altinowitsch kommt mir irgendwie bekannt vor”, sagte Rudi. „Und im Zusammenhang mit dem Begriff Leichen…”

„Da haben sich mit Herr Hoch und dem Leichendoktor aus Bayern offenbar mal wieder zwei Frühaufsteher zu einer morgendlichen Telefonkonferenz zusammengefunden”, meinte ich. „Warte ab, Rudi! Eines Tages wird man von uns erwarten, dass wir daran auch teilnehmen…”

„Bis dahin ist das Schlafbedürfnis für BKA-Ermittler dann wohl durch ein Bundesgesetz offiziell außer Kraft gesetzt worden, Harry. Aber zurück zu Altinowitsch. Hieß nicht vor Jahren so ein irrer Killer so?”

„Kann sein. Aber unser Fall war das nicht.”

„Das heißt nur, dass sein Gemetzel nicht in Berlin stattgefunden haben kann, sonst hätten wir das mitgekriegt.” Rudi nahm sein Smartphone. Er wischte und tippte etwas auf dem Display herum. Ich ging davon aus, dass mein Kollege eine kurze Online-Recherche durchführte. „Ich habe ihn”, stellte Rudi dann fest. „Hansgeorg Altinowitsch, das sogenannte Münster-Monster. Hat junge Männer zu sich nach Hause eingeladen, sie umgebracht, zerstückelt und die Leichenteile fein säuberlich in seiner Wohnung aufbewahrt.”

„Jetzt erinnere ich mich auch. Über den Prozess wurde ausführlich berichtet, wie ich mich dunkel erinnere.”

Da wir nichts mit dem Fall zu tun gehabt hatten und ich wie immer eine Menge anderer Dinge um die Ohren gehabt hatte, waren mir die Einzelheiten nicht im Gedächtnis geblieben.

„Der Fall ist eigentlich abgeschlossen”, meinte Rudi.

„Vielleicht sollen wir die Akte noch mal öffnen”, gab ich zurück. „Cold Cases gehören ja durchaus zu unserem Zuständigkeitsbereich.”

„Ich meinte abgeschlossen im doppelten Sinn”, sagte Rudi und steckte dann sein Smartphone ein. „Das Verbrechen wurde vollständig aufgeklärt, Hansgeorg Altinowitsch hat ein umfangreiches Geständnis abgelegt, man hat die Sammlung von Leichenteilen in seiner Wohnung gefunden und es gab ein Urteil mit Sicherheitsverwahrung. Und einige Zeit später ist Altinowitsch dann im Knast an einer Überdosis Drogen gestorben. Ich kann mir kaum vorstellen, wieso man diese Geschichte nochmal aufrollen sollte.”

„Auf jeden Fall scheinen einige der Leichen von damals auf dem Seziertisch von Dr. Wildenbacher gelandet zu sein”, gab ich zu bedenken.

„Wenn schon, dann Leichenteile”, korrigierte mich Rudi. „Der Kerl hatte die Angewohnheit, seine Opfer zu zerteilen, weil er sie anders offenbar nicht aufbewahren konnte.”

„Wie auch immer. Warten wir einfach ab, was Herr Hoch uns dazu zu sagen hat”, sagte ich.

3

Wir erreichten das Hauptpräsidium in Berlin, wo sich unsere Büros befanden, seit man uns zu Kriminalinspektoren des Bundeskriminalamtes befördert hatte.

Wir suchten unsere eigenen Dienstzimmer gar nicht erst auf, sondern begaben uns gleich zum Büro unseres Chefs.

„Guten Morgen”, begrüßte uns seine Sekretärin Dorothea Schneidermann. „Schön, dass Sie im Haus sind. Ich hätte Sie ohnehin jetzt hergebeten.”

„Habe ich es doch geahnt.”

„Verfügen Sie über hellseherische Gaben?”

„Sagen wir so: Gewisse Umstände habe die Annahme nahegelegt, dass uns Herr Hoch in Kürze sprechen möchte.”

Sie lächelte. „Gehen Sie einfach durch. Er erwartet Sie bereits.”

Wenig später begrüßte uns Jonathan Hoch in seinem Büro mit einer Handbewegung. Er telefonierte gerade mit Herrn Saatkamp, dem Chef der Polizeiinspektion Münster und daher nahm ich an, dass das Gespräch mit unserem Fall zusammen hing.

„Ich höre dann wieder von Ihnen”, sagte Kriminaldirektor Hoch zum Abschluss des Telefonats und beendete das Gespräch dann. Wir hatten uns inzwischen gesetzt. „Guten Morgen”, begrüßte er uns dann knapp. „Sie haben einen neuen Fall auf dem Tisch. Dr. Wildenbacher erwartet Sie möglichst bald zu einem Termin in Quardenburg. Bitte melden Sie sich bei ihm. Worum es dort gehen wird, werden Sie schnell erfassen, wenn ich Ihnen gesagt habe, worum es bei der Sache geht.”

Ich widerstand der Versuchung, Kriminaldirektor Hoch jetzt zu sagen, dass ich das schon wusste. Und Rudi hielt es genauso. Unser Respekt vor ihm war einfach zu groß.

„Wir sind gespannt”, sagte mein Kollege.

„Vor kurzem hat es auf einem Autobahn zwischen Osnabrück und Münster ein Attentat gegeben. Ein gewisser Jörg Kohms ist von einem Scharfschützen erledigt worden. In seinem Wagen fand man mehrere Koffer. Einer davon enthielt Kohms’ persönliche Sachen, die anderen waren mit Leichenteilen gefüllt. Inzwischen ist durch genetische Untersuchungen zweifelsfrei erwiesen worden, dass es sich bei den Leichenteilen ausnahmslos um Opfer des sogenannten Münster-Monsters handelt…”

„Hansgeorg Altinowitsch”, murmelte Rudi.

Kriminaldirektor Hoch hob die Augenbrauen. „Sie scheinen ein bemerkenswert gutes Gedächtnis zu haben, Rudi.”

„Danke.”

„Wir hatten damals ja nichts mit dem Altinowitsch-Fall zu tun, aber allein die Dinge, die man so über die Medien mitbekommen hat, konnten dafür sorgen, dass sich einem die Nackenhaare aufstellen”, fuhr Kriminaldirektor Hoch fort. „Dieser Altinowitsch war ein psychopathischer Mörder, der junge Männer ermordet und zerstückelt hat. Die Leichenteile fand man später in seiner Wohnung.” Kriminaldirektor Hoch atmete tief durch. Die Ärmels seines Hemdes waren wie üblich hochgekrempelt. Die Hände wanderten in die weiten Taschen seiner Flanellhose. „Spätestens mit Altinowitschs Tod während der Haft galt der Fall eigentlich als restlos abgeschlossen, sieht man mal von dem Aspekt ab, dass es wahrscheinlich nie wirklich nachvollziehbar sein wird, was einen Menschen zu einem derartigen Monster werden lassen kann. Aber durch das, was auf der Autobahn Richtung Münster passiert ist, haben Sie jetzt den Fall auf dem Tisch.”

„Demnach ist es jetzt in erster Linie unsere Aufgabe, herauszufinden, wer diesen Jörg Kohms getötet hat”, stellte ich fest.

„Er heißt in Wahrheit nicht Kohms”, sagte Kriminaldirektor Hoch. „Auch das haben die Kollegen vor Ort recht schnell ermitteln können. Kohms‘ Identität war falsch. Sein wahrer Name lautete Raimund Teckenhorst. Teckenhorst war ein gesuchter Lohn-Killer. Wir dachten bisher, dass er vor Jahren bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen ist. Aber anscheinend war dieser Unfall Teil einer Inszenierung, die dazu dienen sollte, Raimund Teckenhorst unter einem neuen Namen ein zweites Leben zu ermöglichen.”

„Hat er in diesem zweiten Leben seine Tätigkeit als Lohnkiller für das organisierte Verbrechen fortgesetzt?”, hakte Rudi nach.

„Die Kollegen gehen davon aus, dass er das getan hat”, erklärte Kriminaldirektor Hoch. „Es gibt bereits zum jetzigen Stand der Ermittlungen ein paar Indizien dafür. Unter anderem ist die Waffe, die bei Kohms alias Teckenhorst gefunden wurde, den ballistischen Tests nach die Tatwaffe bei einem bisher ungeklärten Auftragsmord.”

„Worum ging es da?”, fragte ich.

„Es war jemand, von dem wir annehmen, dass er innerhalb des kriminellen Netzwerkes von Stefan Kurlano in Ungnade gefallen ist”, sagte Kriminaldirektor Hoch. „Die Daten kriegen Sie natürlich. Kurlano war mutmaßlich auch früher schon Raimund Teckenhorsts bevorzugter Auftraggeber. In so fern würde das durchaus Sinn machen.”

„Aber bewiesen ist das nicht?”

„Sie wissen doch, wie das ist, Herr Kubinke: Die Kollegen können sich einiges zusammenreimen, aber vor Gericht hätte das meiste davon keinen Bestand. Dass Kurlano Teckenhorst früher für Mordaufträge angeheuert hat, ist ebenso mutmaßlich wie die Annahme, dass Kurlano der Chef dieser Organisation ist, die man auch den Münster Trust nennt. Denn wenn das zu beweisen wäre, befände sich ein Mann wie Stefan Kurlano nicht mehr auf freiem Fuß, sondern würde seine Tage in einem Gefängnis verbringen.”

„Was mir schon die ganze Zeit im Kopf herumschwirrt ist die Frage: Was hat ein psychopathischer Triebtäter mit dem organisierten Verbrechen in Münster zu tun?”, meinte Rudi. „Ich meine, es ist ja wohl erwiesen, dass die Leichenteile, die man bei Kohms alias Teckenhorst gefunden hat, zu den Toten gehören, die man in der Wohnung dieses Irren sicherstellen konnte.”

„Das ist eine gute Frage, Rudi”, stellte Kriminaldirektor Hoch fest. „Und möglicherweise auch die entscheidende.” Er machte eine kurze Pause, ehe er schließlich weitersprach. „Ich bin überzeugt davon, dass Sie und Harry darauf eine zufriedenstellende Antwort finden werden.”

*

Rudi und ich machten uns zunächst einmal mit dem vorhandenen Datenmaterial einigermaßen vertraut. Dann trafen wir uns in Rudis Dienstzimmer, um das weitere Vorgehen im Groben festzulegen. Anschließend führten wir eine Reihe von Telefonaten. Unter anderem sprachen wir mit den Polizeichefs von Bielefeld und Münster sowie dem Leiter der JVA Münster, in dem Hansgeorg Altinowitsch bis zu seinem überraschenden Tod eingesessen hatte.

Der überraschende Tod des Serienmörders würde voraussichtlich bei unseren Ermittlungen eine zentrale Rolle spielen.

„Also wenn Altinowitsch jetzt nicht ein psychisch gestörter Serientäter gewesen wäre, sondern sagen wir mal ein Lohnkiller der Drogen-Mafia”, begann Rudi.

„Was wäre dann?”, fragte ich.

„Na, was würdest du dann denken, wenn so jemand so schnell nach Haftantritt zu Tode kommt?”

„In den Akten steht, dass Altinowitsch an einer Überdosis Drogen starb”, stellte ich fest. „Es ist sogar aufgeklärt worden, von wem er die Drogen bekommen hat.”

„Von einem Kriminellen, der ohnehin keine Aussicht mehr hatte, jemals wieder auf freien Fuß zu kommen”, gab Rudi zu bedenken.

„Du denkst, dass das ein Mordanschlag war?”

„Wie gesagt - wäre Altinowitsch ein Mafia-Killer gewesen oder hätte irgendetwas mit dem organisierten Verbrechen zu tun gehabt, wäre das unser erster Gedanke gewesen.”

„Ja, ich gebe ja zu, dass ich auch schon darüber nachgedacht habe.”

„Siehst du!”

„Der Gefängnisinsasse, von dem Altinowitsch den Stoff bekommen ist als Knast-Dealer bekannt gewesen”, stellte ich fest. „Allerdings konnte keine Verbindung zwischen ihm und beispielsweise Stefan Kurlano und seiner Organisation damals nachgewiesen werden.”

„Wenn ich dieser Kurlano wäre, hätte ich mir meinen potenziellen Killer auch so ausgesucht, dass niemand die Befehlskette zurückverfolgen kann”, gab Rudi zurück. „Und einen Punkt sollten wir auch nicht außer Acht lassen.”

Ich hob die Augenbrauen. „Welchen?”

„Ich habe die Unterlagen nach Hinweisen darauf durchforstet, ob Altinowitsch vor Antritt seiner Haft schonmal mit Drogen in Kontakt gekommen ist.”

„Ich nehme an, das Ergebnis deiner Suche war negativ.”

„So negativ, wie du es dir gar nicht vorstellen kannst! Da ist nichts bekannt. Er ist noch nicht einmal mit ein paar Gramm Hasch in seiner Jugendzeit erwischt worden oder dergleichen. Das Durchsuchungsprotokoll seiner Wohnung führt zwar jede Menge Leichenteile einzeln auf und darüber hinaus alle möglichen Werkzeuge, mit denen er dann die Toten offenbar zerteilt hat. Außerdem besaß er eine Maschine zum Vakuumverschweißen von Lebensmitteln… Aber man hat nicht ein Gramm irgendeiner Droge gefunden! Nicht einmal irgendwelche angehäuften Vorräte an Medikamenten…”

„Altinowitsch wäre nicht der Erste, der während der Haft mit den Drogen angefangen hat”, sagte ich.

„Das ist richtig”, gab Rudi zu.

„Was auch immer für Spannungen in ihm geherrscht haben - er scheint sie durch die Ermordung junger Männer bis dahin losgeworden zu sein. Im Gefängnis musste er sich dann etwas Neues suchen…”

„Harry, das mag alles sein, aber auf der anderen Seite muss es irgendeinen Zusammenhang zwischen diesem Psychopathen und dem organisierten Verbrechen geben.”

Ich atmete tief durch. „Wenn wenigstens die Waffe schonmal benutzt worden wäre, mit der Teckenhorst umgebracht wurde… Dann wären wir vielleicht ein Stück weiter.”

4

Am Nachmittag tauchte wir wie vereinbart im Gebäude des BKA in Quardenburg auf, wo sich auch die Labore des Ermittlungsteams Erkennungsdienst befanden, dessen Dienste wir bei unseren Ermittlungen in Anspruch nehmen konnten.

Ungefähr eine Dreiviertelstunde brauchte man unter günstigen Umständen von Berlin nach Quardenburg. Allerdings waren die Verkehrsverhältnisse selten günstig und so erreichten wir die Gebäudekomplexe der dortigen Kollegen erst gut anderthalb Stunden, nachdem wir vom Hauptpräsidium aus aufgebrochen waren.

Dr. Gerold M. Wildenbacher empfing uns in seinem Sezierraum. Die Tische waren mit Leichenteilen bedeckt, die er dort zu Untersuchungszwecken verteilt hatte. Ich sah Hände, Füße, einen Kopf und ein paar Dinge, von denen ich gar nicht so genau wissen wollte, was ich da genau gesehen hatte. Manche Stücke waren auch für einen Laien kaum zu identifizieren. Und da ich nirgends einen Torso erblicken konnte, nahm ich an, dass auch der Rumpf in relativ kleine Stücke zerteilt worden war.

Einige davon waren in Vakuumfolie eingeschweißt. Bei anderen hatte Dr. Wildenbacher diese Folie offenbar entfernt.

Ich sah, dass Rudi der Kinnladen heruntergefallen war, sodass sein Mund erst einmal für ein paar Augenblicke offen stand. Es ging ihm offensichtlich genauso wie mir. Rudi und ich sind erfahrene Ermittler. Wir haben schon alles Mögliche mit ansehen müssen, aber der Anblick, der sich uns an diesem Nachmittag in Dr. Wildenbachers Sezierraum bot, war selbst für unsere Verhältnisse etwas Außergewöhnliches.

„Ehrlich gesagt, bin ich froh, dass der Altinowitsch-Fall damals nicht in unserer Zuständigkeit war, sodass wir nichts damit zu tun hatten”, gab mein Kollege offen zu.

„Schön, dass Sie da sind!”, begrüßte uns Dr. Wildenbacher, dessen verschmutzter Schutzkittel ein deutliches Zeugnis davon ablegte, dass er heute schon viel gearbeitet hatte. Der Gerichtsmediziner machte eine ausholende Handbewegung. „Sie sehen ja, was hier herumliegt.”

„Die Leichenteile aus den Koffern von Kohms alias Teckenhorst”, schloss ich.

„So ist es, Harry. Die Schätze, die Hansgeorg Altinowitsch in seiner Wohnung aufbewahrt hatte, sind längst beerdigt worden und haben hoffentlich ihre letzte Ruhe gefunden. Obwohl ich das bezweifle…”

„Wie bitte?”, fragte Rudi.

Er war nicht der Einzige, der über Wildenbachers Bemerkung etwas irritiert war. Ich hatte auch nicht begriffen, worauf der hinauswollte.

„Naja, ich bin kein Okkultist und Geschichten über ruhelose Tote sind für mich nur Geschichten und sonst nichts. Aber wenn es so etwas wie Totenseelen geben sollte, dann kann ich mir schon vorstellen, dass es denen nicht gefällt, wenn nur ein Teil von ihnen begraben wird. Also, um es kurz zu machen: Bei den Leichen, die Altinowitsch aufbewahrt hat, hat man sich einige Mühe gegeben, sie vollständig wieder zusammenzusetzen. Das war nicht ganz einfach und bedeutete für die Mitarbeiter des beteiligten gerichtsmedizinischen Instituts eine Art Horror-Puzzle, wenn Sie sich vorstellen können, was ich meine.”

„So in etwa”, sagte ich.

„Altinowitsch hatte die Leichenteile nicht etwa nach Personen sortiert, sondern nach Größe und Ausmaßen. Was auch einen gewissen Sinn machte, denn er hatte über die Jahre so viele Leute umgebracht, dass er so gut wie jede Schublade, jedes Fach und jeden Hohlraum genutzt hat, um etwas davon aufzubewahren.”

„Furchtbar, dass er damit so lange durchgekommen ist”, meinte ich. „Ich frage mich in solchen Fällen immer, ob man so ein Monster nicht viel früher hätte stoppen können.”

„Oder sogar müssen”, ergänzte Wildenbacher. „Aber das sagt sich so einfach. Altinowitsch scheint ein unauffälliges Leben geführt zu haben. Ein Mann, der immer mal wieder andere Männer zu sich einlädt… Wer achtet schon darauf, ob diese Gäste das Haus auch wieder verlassen?”

„Wenn er Krach gemacht und wilde Parties gefeiert hätte, wäre er vielleicht früher aufgefallen”, sagte Rudi.

„Nochmal zu diesen Leichenteilen”, ergriff ich jetzt wieder das Wort. „Mein Erkenntnisstand ist, dass sie eindeutig bereits identifizierten Opfern des Münster-Monsters zuzuordnen sind.”

„Ja, das ist korrekt. Nicht alle Leichen, die man damals in Altinowitschs Wohnung fand, waren vollständig. Einige der fehlende Teile sind anscheinend jetzt wieder aufgetaucht.”

”Bisher hatte man angenommen, dass Altinowitsch die fehlenden Teile irgendwo entsorgt hatte”, ergänzte Rudi.

„Was seinem Psychogramm widersprochen hätte”, erklärte Wildenbacher. „Ich bin kein Psychiater und ich halte ehrlich gesagt auch nicht viel von psychologischen Theorien, aber ich habe mir die Mühe gemacht, mal in die Befunde hineinzusehen, die damals bei der psychiatrischen Begutachtung entstanden sind.”

„Und?”, hakte ich nach.

„Altinowitsch wird da als eine Art Sammler charakterisiert. Jemand mit extremen Verlustängsten, die durch eine traumatische Kindheit verursacht worden sein sollen. Um es kurz zu fassen: Er konnte nichts abgeben. Ein ängstlicher Charakter, der kaum seine Wohnung verlassen hat. Er hat seine Opfer zu sich nach Hause eingeladen und dort umgebracht - nicht irgendwo auswärts, etwa an einem abgelegenen Ort.”

„Ich habe diese Berichte auch überflogen”, sagte ich. „Er scheint eine besondere Art von Messie gewesen zu sein.”

„Ein Horror-Messie”, stimmte Wildenbacher mir zu. „Leider hat er sich nicht damit begnügt, irgendwelchen Müll zu horten. Aber der Punkt ist der: Niemand, der sich mit ihm näher befasst hat, kann sich vorstellen, dass er Teile seiner schaurigen Sammlung an irgendeinen anderen Ort geschafft und dort deponiert haben könnte.”

„Und wie kommt es dann, dass ein untergetauchter Lohnkiller diese Leichenteile in seinem Wagen herumfährt?”, fragte ich.

„Keine Ahnung, Harry. Es gibt bislang keine vernünftige Erklärung dafür. Unsere Kollegin Lin-Tai Gansenbrink ist gerade dabei, nochmal sämtliche Lebensläufe der Opfer bis ins Kleinste datentechnisch zu durchleuchten.”

Dr. Lin-Tai Gansenbrink war die Mathematikerin und IT-Spezialistin des Teams. Ihre speziellen Fähigkeiten hatten uns schon manches mal bei Ermittlungen einen entscheidenden Schritt weitergeholfen.

„Wenn es keine Verbindung zwischen dem Münster-Monster und dem organisierten Verbrechen gibt, dann vielleicht aber zwischen den Opfern und dem Organisierten Verbrechen”, erfasste Rudi gleich, worauf Lin-Tais Untersuchungen wohl vermutlich hinausliefen.

Wildenbacher schien allerdings nicht sehr optimistisch zu sein, was die Erfolgsaussichten von Lin-Tais Bemühungen anging. „Danach wurde schon damals gesucht”, stellte er fest. „Lesen Sie es in den Akten nach! Da steht es schwarz auf weiß. Nachdem Altinowitsch umgekommen ist, hätte man liebend gerne eine Verbindung zu einem der angeblichen Geschäftsleute gezogen, die in Wahrheit ihr Geld mit Drogen, Geldwäsche und all den anderen einträglichen Dingen machen.”

„Das ist damals sehr schnell ausgeschlossen worden”, bestätigte Rudi.

„Allerdings liegt der Schwerpunkt von Lin-Tais Fragestellung auch etwas anders als es damals der Fall gewesen ist”, sagte Wildenbacher. „Wenn ich das richtig verstanden habe, geht es ihr vornehmlich darum, Beziehungen der Opfer zum organisierten Verbrechen zu ermitteln - nicht darum, Altinowitsch in einen Zusammenhang mit so einer Organisation zu bringen.”

„Die Opfer?”, hakte ich nach.

„Ist doch ganz einfach”, meinte Wildenbacher. „Wenn es keinen Zusammenhang zwischen dem organisierten Verbrechen und dem Täter gibt, dann liegt der Schlüssel bei den Opfern. Irgendeine Verbindung muss es ja geben. Aber zurück zu diesen Leichen.”

„Ich kann es kaum erwarten”, sagte ich.

„Es gibt da ein paar Fakten, die Sie noch wissen sollten.”

„Schießen Sie los.”

„Zunächstmal zu den ursprünglich in Hansgeorg Altinowitschs Wohnung gefundenen Leichenteilen, die schon seit Jahren beerdigt sind. Ich habe die Akten gründlich studiert, bevor ich mich mit den Leichenteilen aus Raimund Teckenhorsts Koffern beschäftigt habe.”

„Und?”

„Wie schon erwähnt: Altinowitsch benutzte eine handelsübliche Maschine, mit der man Lebensmittel in Plastik einschweißen und vakuumverpacken kann. Das bedeutet zwar, dass die so eingepackten Teile länger haltbar sind und die Geruchsbelästigung reduziert ist, aber nicht, dass keine Verwesung einsetzt. Die Leichenteile in Altinowitschs Wohnung sind nicht gekühlt worden. Dafür hätte der Kerl auch gar nicht die Kapazitäten gehabt. Die verpackten Stücke waren also in einem sehr unterschiedlich gut erhaltenen Zustand - je nachdem, wie lange der Mord jeweils her war. DNA-Tests konnte man allerdings überall durchführen.” Wildenbacher deutete auf einen der Tische. „Diese Leichenteile hier sind ebenfalls eingeschweißt gewesen. Aber sie sind alle gleich gut erhalten. Da sämtliche bei Altinowitsch gefundenen Leichenteile identifizierbaren Personen zugeordnet werden konnten, war es jetzt kein Problem durch einen DNA-Abgleich auch die in Teckenhorsts Koffern gefundenen Teile zuzuordnen. Es fiel auf den ersten Blick auf, dass die Teile aus den Teckenhorst-Koffern viel zu gut erhalten waren.”

„Sind sie eingefroren worden?”, fragte ich.

„Exakt. Ich habe erste feingewebliche Untersuchungen durchgeführt, die diese Vermutung bestätigt haben. Zwar bin ich noch längst nicht mit allen Stücken, die Sie hier sehen, durch, aber ich denke am Ende wird sich erweisen, dass sie alle für lange Zeit tiefgefroren waren.”

In diesem Moment betrat Dr. Friedrich G. Förnheim den Raum und lenkte Wildenbachers Aufmerksamkeit etwas ab. Dr. Förnheim war der Naturwissenschaftler des Teams. Ballistische Tests führte er ebenso durch wie chemische Analysen.

Er begrüßte uns knapp und wandte sich dann Wildenbacher zu. „Wie ich gerade noch mitbekommen habe, haben Sie den Herrschaften bereits mitgeteilt, dass es jetzt als erwiesen gelten kann, dass die hier vorliegenden Leichenteile unter vollkommen anderen Umständen aufbewahrt worden sind, als diejenigen, die in Altinowitschs Wohnung seinerzeit sichergestellt werden konnten.”

Förnheim sprach mit unverkennbar hamburgischem Akzent. Bei Wildenbacher rief das sogleich ein deutliches Stirnrunzeln hervor. Der kultivierte Hamburger Förnheim und der hemdsärmelige Bayer Wildenbacher bildeten von ihrem Habitus her ganz sicher ein Gegensatzpaar. Aber im Job ergänzten sie sich gut und jeder respektierte auch die Kompetenz des anderen - auch wenn keiner der beiden bereit gewesen wäre, dass öffentlich zuzugeben.

„Sie können meinen erläuternden Vortrag für zwei BKA-Kriminalinspektoren gerne fortsetzen”, meinte Wildenbacher. „Dann hätte ich Gelegenheit, meiner Arbeit nachzugehen und Sie könnten Ihrem Redefluss ungehemmt nachgeben. Wäre das nicht ein prima Angebot für einen echten hamburgischen Fischkopp?”

„Dass jemand wie Sie eine gute Konversation nicht zu schätzen weiß, ist mir inzwischen klar geworden, Gerold. Die Hoffnung, jemanden, der im Wesentlichen durch den Sozialkontakt mit bayerischen Rindviechern sozialisiert wurde, an die zivilisierten Umgangsformen urbaner Lebensräume des 21. Jahrhunderts gewöhnen zu können, habe ich in Ihrem Fall inzwischen aufgegeben, Kollege Wildenbacher.“

„Es gibt auch in Bayern Großstädte“, konnte sich Wildenbacher eine weitere Bemerkung dann doch nicht verkneifen. „In einer davon bin ich übrigens geboren und aufgewachsen. Aber ich will Ihre Vorurteile jetzt auch nicht stärker erschüttern, als eine sensible Natur wie Sie das vertragen kann...“

Förnheim wandte sich uns zu. „Sie sehen, mit welchen Widrigkeiten ein aufrechter Wissenschaftler hier in Quardenburg zu kämpfen hat.“

„Wir können es uns lebhaft vorstellen“, sagte ich.

„Also abgesehen von dem, was Ihnen Gerold schon über die Aufbewahrung der in Raimund Teckenhorsts Koffern gefundenen Leichenteile gesagt hat, habe ich Ihnen auch noch etwas mitzuteilen, was sich möglicherweise als wichtig herausstellen könnte.“

„Schießen Sie los“, sagte ich.

„Es geht um die Art, wie die Leichenteile verpackt wurden. Die Maschine, mit der Altinowitsch seinerzeit in seiner Wohnung die Leichenteile verpackt hat, ist ja bekannt. Das Original ist von den Kollegen in Münster nicht aufbewahrt worden. Ich habe mir eine baugleiche Maschine besorgt und damit etwas herumexperimentiert. Sie wissen vielleicht, dass das Vakuum bei dieser Art der Verpackung durch eine Schrumpfung der Folie erzeugt wird…”

„Ehrlich gesagt habe ich nie so viele Lebensmittel in meiner Wohnung, dass ich für so etwas Verwendung hätte”, sagte ich.

Förnheim lächelte. „Mit anderen Worten, Ihre hausfraulichen Fähigkeiten lassen zu wünschen übrig!”

„Liegt an unseren Dienstplänen”, sagte ich.

„Wie auch immer, ich jedenfalls habe festgestellt, dass einige der Teile, die Sie hier sehen, unmöglich mit der Maschine von Altinowitsch verpackt worden sein können.”

„Warum nicht?”

„Weil sie schlicht zu groß sind, Harry. Solche Verpackungsmaschinen gibt’s in jeder beliebigen Größe. Aber diejenigen, die man normalerweise im Einzelhandel kauft, orientieren sich an haushaltsüblichem Bedarf. Man kann damit eine Gurke einpacken. Aber schon einen Truthahn sollte man besser vorher zerteilen. Und manches von dem, was Raimund Teckenhorst in seinen Koffern hatte, übersteigt einfach die Möglichkeiten der Maschine, die Altinowitsch zur Verfügung hatte.”

„Mit anderen Worten: Sie sind von jemand anderem eingepackt worden?”, hakte Rudi nach.

Förnheim hob die Augenbrauen.

„Das habe ich nicht gesagt. Nur dass es eine andere Maschine war. Möglicherweise kann ich dazu auch noch ein paar weitergehende Untersuchungen anstellen und den verwendeten Typ eingrenzen. Mich würde insbesondere interessieren, ob es sich bei dem verwendeten Fabrikat überhaupt noch um ein Haushaltsgerät handelt, oder vielleicht eine Maschine verwendet wurde, wie sie in der Industrie benutzt wird.”

„Das würde uns auf jeden Fall die Suche leichter machen”, stellte Rudi fest.

„Sie sagen es”, nickte Förnheim. „Ach ja, ich habe mir die ballistischen Testergebnisse der Kollegen angesehen. Die verwendete Waffe wurde bisher nicht benutzt, deswegen haben wir auch kein Vergleichsprojektil in unseren Daten. Aber, es gibt einen anderen Aspekt, auf den ich Sie aufmerksam machen möchte.”

„Wir suchen einen Meisterschützen. Meinen Sie das?”

„Er hat von der Bauruine dieses niemals fertiggestellten Einkaufzentrums aus auf ein bewegliches Ziel geschossen. Das ist schon eine beachtliche Leistung.”

„Ein Scharfschütze kann so etwas.”

„Ja, wir suchen jemanden mit guter Schießausbildung. Aber haben Sie schonmal darüber nachgedacht, wie der Täter wissen konnte, dass Raimund Teckenhorst ihm dort vor das Visier fahren würde?”

Ich zuckte die Schultern.

„Er könnte Teckenhorsts Handy gehackt haben und über die GPS-Daten immer darüber informiert gewesen sein, wo sich sein Zielobjekt befand.”

Förnheim hob die Augenbrauen. Er wirkte skeptisch. „Das wäre eine Möglichkeit, Harry. Aber bei einem so extrem vorsichtigen Mann wie Raimund Teckenhorst? Er lebte unter einer falschen Identität und dürfte peinlich genau darauf geachtet haben, dass ihm so etwas nicht passiert.”

„Das Handy befindet sich meines Wissens bei den Kollegen in Münster”, warf Rudi ein.

„Ich werde es mir ansehen, wenn ich dort hinfliege. Das wird voraussichtlich morgen der Fall sein.”

„Wäre es nicht einfacher, das Handy herzubringen?”, fragte ich.

„Ich werde sowieso dort sein, weil ich mir das Fahrzeug ansehen will. Ich glaube nämlich eher, dass jemand einen Sender oder so etwas dort angebracht hat und der Täter deswegen genau darüber informiert war, wann sein Opfer in Schussweite geraten würde. Was das Handy angeht, habe ich bereits mit den Kollegen gesprochen. Die haben keine Schadsoftware gefunden, was natürlich nicht unbedingt eine Garantie dafür ist, dass da auch wirklich nichts vorhanden ist.”

„Aber es unterstützt einstweilen Ihre Hypothese von dem Sender”, gab ich zu.

„So sehe ich das auch. Ach ja, abgesehen von dem Wagen interessiert mich natürlich auch der Standort des Schützen. Der konnte bislang nicht zweifelsfrei ermittelt werden.”

„Er soll sich in dieser Bauruine des Einkaufszentrums befunden haben”, erinnerte ich Förnheim.

Dieser hob die Augenbrauen.

„Ist das eine Ortsangabe? Haben Sie sich mal im Internet angesehen, was für ein großer Komplex das ist?”

„Dazu bin ich ehrlich gesagt, noch nicht gekommen”, gestand ich.

„Aber ich habe mir das eingehend angesehen. Die Kollegen haben bislang keine stimmige Simulation des Tatgeschehens auf die Reihe gekriegt. Ich will jetzt gerne zugeben, dass das in diesem Fall auch extrem kompliziert ist, aber etwas mehr kann man dazu schon herausbekommen. Also werde ich mich selbst darum kümmern.”

„Das war ein Profi”, meinte Rudi. „Der wird nichts an Spuren hinterlassen haben.”

„Es gibt immer Spuren”, widersprach Förnheim. „Grundsätzlich und ohne Ausnahme. Die Frage ist nur, gibt es auch einen Ermittler, der mit diesen Spuren etwas anzufangen weiß.”

„Na, wenn Sie jetzt eingreifen, dürfte das Problem ja in den Griff zu bekommen sein”, mischte sich Wildenbacher mit ironischem Unterton ein.

„Worauf Sie sich verlassen können”, gab Förnheim zurück, wobei er das Kinn leicht hob und dadurch sein Gesichtsausdruck noch etwas mehr dem Klischeebild eines arroganten hamburgischen Gelehrten entgegenkam.

*

Wir sprachen noch kurz mit Dr. Lin-Tai Gansenbrink. Die IT-Spezialistin hatte bereits damit begonnen, die Opfer systematisch nach mathematischen Gesichtspunkten zu rastern.

„Etliche der Opfer des Münster-Monsters waren noch sehr jung”, erklärte Lin-Tai. „Nicht minderjährig, aber auch nicht viel älter. Es könnte also sein, dass wir unter den Opfern Personen finden, die aufgrund von Vorstrafen mit dem organisierten Verbrechen in Verbindung standen, ohne dass wir bislang davon wissen.”

„Weil die den Vorstrafen zugrunde liegenden Straftaten begangen wurden, als die Betreffenden noch minderjährig waren und somit aus dem Strafregister gelöscht worden sind”, schloss ich.

Lin-Tai nickte. „Exakt. Ich werde in Kürze Zugang zu den Akten bekommen. Aber Sie wissen ja, wie das ist…”

„Das kann sich etwas hinziehen”, sagte ich.

„So ist es. Was natürlich bedeutet, dass ich erstmal in einer Sackgasse stecke. Aber das heißt nicht, dass ich mit dem mir bisher zur Verfügung stehenden Datenmaterial nicht schon eine ganze Menge anfangen könnte. Ein wichtiger Punkt hat sich bereits ergeben.”

„Welcher?”

Lin-Tai nahm jetzt erstmals, nachdem wir ihren Arbeitsraum betreten hatten, die Hände von ihrer Tastatur. Sie atmete tief durch und strich sich eine Strähne ihrer dunklen Haare aus der Stirn. „Ob daraus wirklich ein Ermittlungsansatz wird, steht für mich noch längst nicht fest, und es ist zunächstmal nur eine Herumstochern im Nebel.”

„Das sind wir gewohnt, Lin-Tai”, sagte ich. „Und für gewöhnlich ist genau das der Anfang eines Fahndungserfolgs.”

Lin-Tai deutete auf den Großbildschirm.

Dort standen zwei Kolonnen von Namen. Die eine davon war sehr viel kürzer als die andere und umfasste gerade mal ein Dutzend Namen, die andere war länger.

„Das sind die Namen der identifizierten Opfer”, stellte Rudi sofort fest.

„Die kürzere Spalte sind die Opfer, von denen wir Leichenteile in den Koffern von Raimund Teckenhorst gefunden haben”, erklärte Lin-Tai. „Die längere Spalte enthält alle anderen identifizierten Opfer von Hansgeorg Altinowitsch.”

„Okay”, nickte ich und wartete darauf, dass Lin-Tai weitersprach, denn ich hatte irgendwie das Gefühl, dass sie den entscheidenden Punkt noch nicht erwähnt hatte.

„Die Opfer der längeren Liste waren vollständig in Altinowitschs Wohnung gelagert worden. Zwar in kleine Stücke zerteilt, aber es fehlte bei keiner dieser Personen etwas Wesentliches. Die Leichen der Personen in der kürzeren Spalte sind unvollständig in Altinowitschs Wohnung aufbewahrt worden.”

„Man hat dem bisher keine Bedeutung zugemessen”, stellte ich fest.

„Wenn man es mit einem wahnsinnigen Täter zu tun hat, ist die Versuchung groß, alle Ungereimtheiten diesem Wahnsinn zuzuschreiben”, gab Lin-Tai zurück. „Aber das ist gefährlich und kann dazu führen, dass wichtige Aspekte unbeachtet bleiben. Aber was diese unvollständigen Leichen angeht, lässt sich eins schon jetzt sagen: Der größere Teil der sterblichen Überreste der Personen aus der kurzen Liste war in den Koffern von Raimund Teckenhorst, nicht in Altinowitschs Wohnung.”

„Wozu dann offenbar auch noch der Umstand kommt, dass sie mit einer anderen Maschine verpackt wurden und eingefroren wurden”, ergänzte ich.

„Ja, die Personen der kurzen Liste sind in mehrfacher Hinsicht eine interessante Gruppe mit mathematisch relevanten gemeinsamen Merkmalen”, stimmte Lin-Tai zu. „Ich habe herausgefunden, dass sie alle aus demselben Problemviertel in Münster stammen. Sie sind ungefähr gleich alt, gingen auf dieselbe Gesamtschule und haben sich sehr wahrscheinlich untereinander gekannt. Für drei von ihnen konnte ich das anhand von Einträgen und Freundschaftsanzeigen in sozialen Netzwerken bereits definitiv nachweisen. Bei den anderen schaffe ich das auch noch.”

„Und die Namen der langen Liste?”

„Es gibt keinerlei Indizien dafür, dass sie sich untereinander gekannt haben. Zwar gibt es ein paar Gemeinsamkeiten…”

„Kein Wunder!”, warf Rudi ein. „Sie entsprachen ja auch alle Altinowitschs Beuteschema.”

„Aber manche von ihnen stammten noch nichtmal aus Münster”, gab Lin-Tai zu bedenken.

Ich deutete auf die kurze Liste. „Vielleicht gibt es in dieser Gruppe noch weitere Gemeinsamkeiten”, vermutete ich.

„Und eine davon ist vielleicht der Schlüssel zu diesem Fall”, ergänzte Rudi.

5

Am nächsten Tag flogen Rudi und ich nach Münster. Am Flughafen Münster-Osnabrück in Greven holte uns Kommissar Rita Helmrich von der Kripo Münster ab.

Sie wirkte zierlich und sportlich. Das gelockte, dunkelblonde Haar war sehr dicht und offenbar kaum in einer Frisur zu bändigen.

„Freut mich, Sie beide kennenzulernen”, sagte sie. „Ein Dienstwagen wird für Sie bereitstehen, sobald wir zum Präsidium in Münster kommen.”

„Vielen Dank”, sagte ich.

„Die Sekretärin Ihres Chefs hat bei uns angerufen und darum gebeten, dass wir auf die Schnelle ein Hotel für Sie bekommen. Sie müssen wissen, dass das im Moment nicht so ganz einfach ist, weil gerade eine Handelsmesse stattfindet. Aber wenn man sich hier auskennt und weiß, wen man fragen muss, dann kann man auch solche Dinge geregelt bekommen.”

„Vielen Dank dafür.”

„Ihr Hotel ist etwas außerhalb. Aber dafür landschaftlich reizvoll.”

„Für die schöne Aussicht werden wir vermutlich keine Zeit haben.”

Rita Helmrich hob die Augenbrauen. „Der Job geht immer vor. Davon kann ich ein Lied singen…”

„Ihr Name ist mir irgendwo schonmal begegnet”, mischte sich jetzt Rudi. „Ich kann mich jetzt nur nicht erinnern, wo…”

„Begegnet sind wir uns ganz sicher nicht”, sagte sie. „Denn ich würde mich an Sie erinnern, Kriminalinspektor Meier.”

Rudi war über Rita Helmrichs Charme-Offensive viel zu irritiert, um darauf eingehen zu können.

„Jetzt fällt es mir wieder ein”, meinte er. „Kann es sein, dass Ihr Name im Zusammenhang mit dem Münster-Monster in den Akten steht?”

Sie lächelte verhalten. „Sie haben recht. Ich gehörte zu den Ermittlern, denen der Fall übertragen worden war. Und ich kann Ihnen sagen, den Fall Altinowitsch werde ich wohl mein ganzes Leben lang nicht vergessen. Egal, was noch kommt. So etwas Krankes wie diesen Kerl gibt es zum Glück nicht allzu oft.”

„Sie scheinen irgendwie nicht glücklich darüber zu sein, dass die Sache jetzt nochmal komplett aufgerollt wird”, meinte ich.

Sie sah mich überrascht an. „Wie kommen Sie denn darauf?”

„Das war nur ein Eindruck.”

Sie schluckte. Ihr Gesicht wirkte auf einmal sehr ernst. „Es wäre in der Tat besser, manche Dinge einfach ruhen zu lassen. Und dieser Teufel namens Altinowitsch und alles, was mit ihm zusammenhängt, gehört ganz sicher dazu.”

„Der Fall hat eine neue Wendung bekommen.”

„Wenn Sie das sagen… Ich denke da zuerst an die Angehörigen der Opfer, die vielleicht gerade angefangen haben, wieder ein normales Leben zu führen. Eltern, Freunde, Menschen, die diesen jungen Männern nahe standen und nach ein paar Jahren jetzt zum ersten Mal wieder in ein normales Leben zurückgefunden haben, weil sie es schließlich geschafft haben, zu akzeptieren, was geschehen ist. Zu akzeptieren, dass es für sie keine Gerechtigkeit gibt, weil ein psychisch kranker Mensch seine wahnhaften Mordfantasien ausleben musste.”

„Sie haben natürlich nicht Unrecht”, sagte ich. „Für die Angehörigen bedeutet die neue Untersuchung unter Umständen, dass alte Wunden aufgerissen werden.”

Rita Helmrich zuckte mit den Schultern. „Was sein muss, muss sein. Ich stehe Ihnen jedenfalls zur Verfügung, um Sie beide in jeder Hinsicht zu unterstützen.”

„Danke, Frau Helmrich.”

„Sie können ruhig Rita zu mir sagen.”

„Dann sind wir Harry und Rudi für Sie”, meinte Rudi. Vielleicht war das doch noch eine Art verspäteter Reaktion auf Kommissar Rita Helmrichs Charme-Offensive ein paar Augenblicke zuvor.

*

Rita Helmrich führte uns zu einem geräumigen SUV, den sie auf einem der Parkplätze abgestellt hatte, die in Flughafen-Nahe zu finden waren. Rita setzte sich ans Steuer. Rudi nahm auf dem Beifahrersitz Platz, sodass für mich die Rückbank blieb.

Wir reisten mit leichtem Gepäck und hatten jeder nur das Nötigste mitgenommen. Jeder von uns führte seine Sporttasche mit sich. Mehr nicht. Notfalls hätten wir uns vor Ort alles besorgen können, was wir während unserer Ermittlungen vermutlich brauchen würden.

„Sie fahren nicht in Richtung City“, stellte ich schon ziemlich bald fest. Schließlich war ich nicht zum ersten Mal in Münster.

„Oh, hatte ich das noch nicht erwähnt? Wir fahren zuerst zur Justizvollzugsanstalt.”

„Wegen Klaus Paretti?”, fragte ich.

Klaus Paretti hatte seinerzeit in Verdacht gestanden, Altinowitsch die Drogen besorgt zu haben, an denen das Monster von Münster dann schließlich gestorben war. Wir hatten bei Herrn Saatkamp, dem Chef der Münsteraner Kripo, erbeten, dass er uns einen Gesprächstermin mit Paretti organisierte. Auch wenn die damalige Untersuchung den Fall als restlos geklärt angesehen hatte, wollten wir auch die Umstände von Altinowitschs Tod noch einmal unter die Lupe nehmen. Irgendwo musste sich ja ein Ansatzpunkt für weitere Ermittlungen ergeben. Die Leichenteile im Wagen von Raimund Teckenhorst alias Bertold Kohms hatten so ziemlich alles in Frage gestellt, was im Münster-Monster-Fall zuvor noch als sicheres Ermittlungsergebnis gegolten hatte.

Sicher war im Grunde nur eine Sache: Eine erschreckend große Zahl junger Männer war umgebracht, zerstückelt und anschließend auf eine sehr spezielle Weise aufbewahrt worden.

„Anscheinend hat Herr Saatkamp die Dringlichkeit meines Anliegens verstanden”, sagte ich.

„Ich würde gerne bei der Befragung dabei sein, wenn Sie nichts dagegen haben”, sagte Rita Helmrich. „Ich meine: Dieser Fall hat für mich eine ganz besondere Bedeutung und es ist zwar nicht so, dass ich jemandem wie Altinowitsch jetzt irgendeine Träne nachgeweint hätte…”

„Sie dürften nicht als einzige so gedacht haben”, meinte Rudi.

„Haben Sie damals auch mit Paretti gesprochen?”, fragte ich an Rita Helmrich gerichtet.

„Ich persönlich nicht”, erklärte sie. „Das war ein Kollege. Kommissar Hubert Klestil. Sie werden ihn vielleicht kennenlernen, wenn wir später im Büro ist. Er war für eine Weile versetzt worden und ist jetzt wieder zurück bei uns in Münster.”

Mein Handy klingelte. Dr. Wildenbacher war am Apparat.

„Es gibt Neuigkeiten für Sie, Harry”, kam er ohne Umschweife zur Sache.

„Worum geht es?”

„Wir haben bisher nicht über die genaue Todesursache der Opfer gesprochen”, stellte Wildenbacher fest.

„Den Ermittlungsergebnissen nach ging Altinowitsch so vor, dass er seine Opfer mit K.o.-Tropfen betäubte und dann mit stumpfer Gewalt umbrachte”, sagte ich.

„Wobei das mehr den Charakter einer plausiblen Hypothese als einer Tatsache hat.”

„Altinowitsch hat es während des Prozesses eingestanden, dass es so war”, gab ich zu bedenken.

„Er war verrückt, Harry. Vielleicht hat er nur wiederholt, was man ihm vorher eingeredet hat und war froh, dass das alles mit den Sachbeweisen so halbwegs übereinstimmte… Tut es ja auch, aber man sollte bedenken, dass sich die K.o.-Tropfen nicht mehr nachweisen ließen und das gerichtsmedizinische Gutachten nur deswegen zu dieser Annahme kam, weil es einige der Brüche und Verletzungen an den Leichenteilen bewertet hat. Logischerweise war das aufgrund der Zerstückelung nur an wenigen Teilen möglich, wir wissen also nicht, ob Altinowitsch tatsächlich immer so vorgegangen ist. Aber jetzt haben wir ja die neu hinzugekommenen Leichenteile aus den Koffern. Darunter auch ein halbierter Kopf. Tja, was soll ich sagen? Das, was da in der Schädeldecke zu finden ist, war meiner Ansicht nach mal ein Einschussloch. Kleines Kaliber. Eine .22er vielleicht. Ein Projektil haben wir natürlich nicht.”

Ich horchte auf. „Der Schuss ist durchgegangen?”

„Auf jeden Fall passt die Schädigung der zweiten Schädelhälfte dazu. Die könnte die Austrittswunder gewesen sein.”

„Man hat bei Altinowitsch keinerlei Schusswaffen gefunden”, stellte ich fest.

„Na sehen Sie! Irgendwas ist da faul, Harry. Die Anzeichen verdichten sich.”

Was Wildenbacher gesagt hatte, musste ich jetzt erstmal richtig verdauen. Die Gedanken rasten nur so in meinem Kopf.

6

Das Gefängnis, in dem Altinowitsch an einer Überdosis Drogen gestorben war, befand sich in einem der Außenbezirke von Münster. Wir passierten die Sicherheitskontrollen. Eine Viertelstunde, nachdem unserer Kollegin Rita Helmrich den Dienstwagen auf das Gelände der Strafanstalt gefahren und auf einem der zur Verfügung stehenden Parkplätze abgestellt hatte, betraten wir ein Besprechungszimmer, das ansonsten für Unterredungen von Strafgefangenen mit ihren Anwälten eingerichtet worden war.

Es enthielt schon aus Sicherheitsgründen nur das nötigste Mobiliar. Ein paar Stühle und ein Tisch. Letztere war im Boden verankert, damit er nicht als Waffe in einer tätlichen Auseinandersetzung verwendet werden konnte.

Klaus Paretti wartete bereits auf uns. Er trug Gefängniskleidung, Handschellen und Fußfesseln. Zwei Wächter waren außerdem im Raum.

„Guten Tag, mein Name ist Harry Kubinke”, sagte ich. „Ich bin BKA Kriminalinspektor und möchte mit Ihnen über den Tod von Hansgeorg Altinowitsch sprechen.” Ich deutete auf Rita Helmrich und Rudi. „Dies sind meine Kollegen Rita Helmrich und Rudi Meier.”

Klaus Paretti musterte uns der Reihe nach. Sein Blick wirkte flackernd und unruhig. „Interessant, dass Sie sich plötzlich dafür interessieren, wie ein Massenmörder zu Tode gekommen ist.”

„Wie meinen Sie das?”

Er zuckte die Achseln. „Sollten Sie und Ihresgleichen nicht eigentlich froh darüber sein, dass der Kerl tot ist? Ich meine, die Aussicht, diesen Kerl bis ans Ende seiner Tage durchfüttern zu müssen, kann doch niemanden wirklich erfreuen, oder?” Er beugte sich etwas vor und sprach mit gedämpfter Stimme weiter. „Er war ein Monster, Herr Kubinke. Ein richtiges Monster. Und ich glaube kaum, dass Sie da das Gegenteil behaupten werden.”

„Wie ich gehört habe, wird man Sie auch bis ans Ende Ihrer Tage auf Staatskosten durchfüttern”, sagte ich. „Wieso gönnen Sie das nicht auch anderen?”

Paretti grinste. „Mich erwartet nach meiner Haft die Sicherungsverwahrung”, meinte Paretti. „Aber Sie wollen mich doch nicht ernsthaft mit jemandem wie Altinowitsch vergleichen?”

Ich winkte einen der Wachleute her. „Nehmen Sie ihm die Handschellen ab”, sagte ich.

„Auf Ihre Verantwortung.”

„Ich denke, das kann man verantworten.”

„Sind Sie wirklich sicher?”, grinste Paretti. „Oder haben Sie nicht gelesen, was in meinem Strafregister steht?”

„Natürlich haben wir das gelesen”, sagte ich. „Sie haben bei einem geplatzten Drogendeal fünf Leute umgebracht.”

„Das war Notwehr”, behauptete er. „Weiter nichts!”

„Da stehen Sie mit Ihrer Bewertung anscheinend alleine da, Herr Paretti.”

„Wie auch immer. Sie sollten es sich gut überlegen, ob sie mir tatsächlich die Handschellen abnehmen.” Er verzog das Gesicht. „Ich gelte als extrem gefährlich.”

„Sie haben in der Haft einen Mann zu Tode geprügelt”, stellte Rita Helmrich fest.

Paretti wandte den Blick in ihre Richtung. In seinen Augen blitzte es. „Ah, jemand der jederzeit gut informiert ist, wie mir scheint.” Er rieb sich die Handgelenke. „Mit Ihnen rede ich nicht!”, fügte er dann hinzu. Sein Kopf vollführe eine ruckartige Bewegung. Er streckte den Finger aus und deutete auf Rudi. „Mit Ihnen auch nicht. Nur mit Herrn Kubinke.”

„Wenn Sie denken, dass Sie hier Vorschriften machen können...”, begann Rita Helmrich. Aber Klaus Paretti unterbrach sie sofort. Sein Gesicht verzog sich dabei zur Grimasse.

„Die da fliegt raus oder ich sage keinen Ton mehr und dieses Gespräch hat sich erübrigt - was immer Sie auch von mir wollen. Ich rede nur mit einer Nase! Entweder, Sie und Ihre Kollegen kapieren das oder es ist zu Ende!”

Es gefiel mir nicht, dass Paretti versuchte, hier die Regeln zu bestimmen. Aber andererseits hatte ich das Gefühl, dass wir im Moment auf seine Informationen stärker angewiesen waren als er seinerseits auf uns. Und unter Umständen reichte es, wenn man ihm den Triumph ließ, zwei Beamte aus dem Raum zu werfen, um dann anschließend vernünftig mit ihm reden zu können.

„Okay”, sagte ich. „Frau Helmrich und Herr Meier werden den Raum verlassen.”

„Und die beiden Wichtigtuer neben der Tür auch!”

Ich nickte den beiden Wächtern zu. „Wenn Sie so freundlich wären.”

„Sie sind sich wirklich sicher, dass wir Sie mit diesem Kerl allein lassen können?”, fragte der Größere der beiden, ein bulliger Kerl, dessen Catcher-Figur beinahe das Uniformhemd sprengte.

„Ich weiß mir im Notfall schon zu helfen“, versicherte ich.

„Wenn Sie das sagen!”

„Ganz sicher.”

Nachdem dann alle den Raum verlassen hatten, saß ich Klaus Paretti allein gegenüber. „Sie haben nicht zufällig eine Zigarette?”, fragte Paretti.

„Das habe ich mir abgewöhnt”, sagte ich. „Und nach stärkeren Drogen als Nikotin sollten Sie besser gar nicht erst fragen.”

„War nur ein Versuch.”

„Überspannen Sie den Bogen nicht.”

„Was interessiert Sie an dem Tod von Hansgeorg Altinowitsch noch?”, fragte er. „Ich habe zugegeben, ihm den Stoff verschafft zu haben.”

„Die gerichtsmedizinischen Befunde sagen, dass Altinowitsch sehr wahrscheinlich nie zuvor Drogen genommen hat.”

„Und da sind Sie sich so sicher? Abgesehen davon, war er nicht gerade beliebt hier im Knast. Sie wissen doch, es gibt Häftlinge und Häftlinge. Die einen haben ein ganz normales Verbrechen begangen. Einen Mord zum Beispiel…”

„Interessant, was Sie so normal finden.”

„...und die anderen, das sind Kinderschänder oder zum Beispiel so ein abartiges Monster wie Altinowitsch.”

„Altinowitsch war einzeln untergebracht und es wurde darauf geachtet, dass er keinen Kontakt zu anderen Häftlingen hat.”

„Ich weiß. Die schlimmsten Schweinehunde werden von der Justiz auch noch geschützt, aber wenn man nur ein paar Geschäfte machen wollte, um irgendwie über die Runden zu kommen und einem jemand in die Quere kommt, gegen den man sich in reiner Notwehr verteidigen muss…”

„Ein Mann, den Sie umgebracht haben, hatte 16 Kugeln im Leib. Das volle Magazin einer Automatik.”

„Meine Güte, in was für einer Welt leben Sie, Herr Kubinke! Das ich nicht lache! Wahrscheinlich wissen Sie gar nicht mehr, wie das da draußen in den Straßen aussieht. So einer wie Sie, der sitzt doch nur noch in seinem schönen Büro und dreht die Daumen umeinander.”

„Da unterschätzen Sie mich.”

„Ach, wirklich?”

„Der Stoff, den Sie Altinowitsch damals gegeben haben, war von außergewöhnlich guter Qualität.”

„Kann ich was dafür, dass das Monster nicht gewusst hat, dass man so etwas strecken muss?”

„Wie sind Sie überhaupt mit Altinowitsch in Kontakt gekommen, wo er doch völlig abgesondert worden ist? In den Akten steht darüber nichts.”

„Weil ich nichts darüber gesagt habe.” Er atmete tief durch. „Es ist ganz einfach. Jemand musste dem Monster ja das Essen bringen. Und wenn man die richtigen Leute kennt, dann wird auch schon einmal eine Tür aufgelassen.”

„Klingt für mich fast so, als hätten Sie es geradezu darauf angelegt, Altinowitsch diesen besonders reinen Stoff zu verabreichen. Eine Qualität, die wohl auch als Handelsware im Knast nicht unbedingt üblich ist, wie ich mir denken könnte.”

Er schwieg eine Weile. Und ich sah ihm an, dass er genau begriffen hatte, worauf ich hinauswollte. Das war kein Drogengeschäft unter Häftlingen gewesen, wie sie offenbar selbst in modernen Gefängnissen mit hohem Sicherheitsstandard nie ganz zu unterbinden sind.

„Sie kommen nicht von hier, nicht wahr?”

„Ich komme aus Berlin und habe mein Büro im Hauptpräsidium”, antwortete ich ihm.

„Dann hauen Sie den Leuten hier vor Ort mal ein bisschen auf die Finger, oder wie kann man das verstehen?”

„Wir hatten eigentlich ein anderes Thema”, erinnerte ich ihn.

„Haben Sie jemals bei der Kripo hier in Münster gearbeitet?”

„Nur in meiner Eigenschaft als Kriminalinspektor des BKA bin ich schon hier gewesen. Aber ich war nie hier auf einer Dienststelle. Hören Sie, wenn Sie sich über die Organisationsstruktur Polizei unterhalten wollen, dann bin ich vielleicht nicht unbedingt…”

„Ich muss wissen, ob ich Ihnen trauen kann, verstehen Sie das?”

„Nein. Sie können mir genau so vertrauen wie Kriminalinspektor Meier oder Kommissarin Helmrich.”

„Da bin ich mir nicht sicher.”

„Ach!”

„Wenn ich Ihnen sage, wie das damals wirklich war - was ist dann für mich drin?”, fragte er schließlich.

„Mein Chef hat bereits mit der Staatsanwaltschaft geredet. Also, bei dem, was Sie auf dem Kerbholz haben…”

„Ja, ich weiß, und es geht mir höchstens um ein paar Verbesserungen bei den Haftbedingungen. Man wird mich hier nicht wieder rauslassen, das ist mir schon klar.”

„Was schwebt Ihnen denn vor?”

„Eine Verlegung in eine andere Haftanstalt.”

„Haben Sie da bestimmte Wünsche?”