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Dieser Band enthält folgende Romanevon Pete Hackett:Trevellian und die Sekte der GrausamenTrevellian und das PhantomTrevellian und das tödliche SystemBetriebsspionage! Rich Gardner verkauft eine Erfindung seiner Firma für zehn Millionen und setzt sich ins Ausland ab. Aber der Käufer, Dennis Mason, hat nicht vor, ihn einfach davonkommen zu lassen. Als sich die FBI-Agents Trevellian und Tucker in den Fall einschalten, ist auch ihr Leben keinen Pfifferling mehr wert.
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Drei Thriller Sonderband 1001 - Drei Krimis von Pete Hackett
Copyright
Trevellian und die Sekte der Grausamen
Trevellian und das Phantom
Trevellian und das tödliche System
Dieser Band enthält folgende Romane
von Pete Hackett:
Trevellian und die Sekte der Grausamen
Trevellian und das Phantom
Trevellian und das tödliche System
Betriebsspionage! Rich Gardner verkauft eine Erfindung seiner Firma für zehn Millionen und setzt sich ins Ausland ab. Aber der Käufer, Dennis Mason, hat nicht vor, ihn einfach davonkommen zu lassen. Als sich die FBI-Agents Trevellian und Tucker in den Fall einschalten, ist auch ihr Leben keinen Pfifferling mehr wert.
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author
© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Alle Rechte vorbehalten.
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Alles rund um Belletristik!
Krimi von Pete Hackett
Der Umfang dieses Buchs entspricht 116 Taschenbuchseiten.
Die beiden FBI-Agenten Jesse Trevellian und Milo Tucker entgehen knapp einem Mordanschlag. Sie ermitteln erfolgreich, dass es um illegale Waffengeschäfte geht. Trevellian lässt sich undercover in eine Sekte einschleusen, um die Hintermänner zu enttarnen.
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author
© dieser Ausgabe 2021 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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Alles rund um Belletristik!
Wir waren ausgesprochen erfolgreich gewesen. Mit der Festnahme der Lacenby-Brüder hatten wir dem organisierten Verbrechen in New York einen empfindlichen Schlag versetzt. Es war uns gelungen, Jennifer Johnson unversehrt aus der Gewalt des eiskalten Killers Antonio Felli zu befreien. Und wir hatten verhindert, dass ein Kleintransporter voller russischer Kalaschnikows und zigtausend Schuss Munition in die falschen Hände gelangten.
Mr. McKee, der Special Agent in Charge des FBI Field Office New York, sparte nicht mit Lob und Anerkennung. Er schickte uns für den Rest des Tages nach Hause. Der vergangene Tag und die Nacht waren weiß Gott an die Substanz gegangen.
Nicht ahnend, dass sich über unseren Häuptern die dunklen Wolken des Unheils ballten, holte ich am kommenden Morgen Milo ab…
Wir fuhren in Richtung Federal Plaza.
Der Tod streckte die knöcherne Klaue nach Milo und mir aus, als wir uns auf der Lafayette Street befanden, einen Steinwurf vom Federal Building entfernt. Ein schwerer Truck ohne Aufleger brauste von rechts auf der Worth Street heran. An der Ecke Lafayette Street/Worth Street stand ein Schwarzer und hielt ein Handy an sein Ohr. Das Begreifen kam bei mir mit der Schärfe eines Blitzschlages.
Die Kumpane der Lacenby-Brüder hatten uns observiert und nun waren sie drauf und dran, blutige Rache für ihre Bosse zu nehmen. Um nichts anderes ging es. Um billige Vergeltung. Wir sollten eine volle Breitseite abkriegen…
Milo brüllte mit kippender Stimme: "Jesse, mein Gott, der fährt uns in Grund und Boden!" Sein entsetzter, in der jähen Panik flackernder Blick traf mich von der Seite. Unwillkürlich stemmte Milo die Beine gegen das Bodenblech des Wagens und die Arme gegen das Armaturenbrett.
Es war der Reflex, vielleicht auch der Instinkt, auf keinen Fall aber der bewusste Verstand, der mich handeln ließ. Bar jeglichen Gedankens, jeglichen Willens beraubt, drückte ich auf die Tube. Ich gehorchte nur noch dem Selbsterhaltungstrieb. Die Räder drehten durch, unvermittelt griffen sie, der Sportwagen bäumte sich auf und vollführte einen Satz nach vorn. Die Distanz zum vor mir fahrenden Wagen betrug allenfalls zehn Schritte. Die Tachonadel schnellte hoch auf 70 kmh.
Obwohl ich nahezu ansatzlos reagiert hatte, knallte der Laster dem Sportwagen in die Seite. Allerdings nicht auf Höhe der Beifahrertür, was Milo wahrscheinlich zermalmt hätte, sondern am hinteren Kotflügel. Es gab einen gewaltigen Bumms. Der Wagen wurde halb herumgewirbelt. Milo und ich wurden durch und durch geschüttelt. Die Gurte verhinderten, dass wir von den Sitzen geschleudert wurden. Meine Ohren waren voll von dem Knall, den der Zusammenstoß verursachte. Es schepperte und klirrte.
Ich gab Gas und kurbelte wie von Sinnen am Lenkrad. Die Fliehkraft drückte Milo und mich in die Sitze. Dann waren wir an dem Laster vorbei, und ich stieg auf die Bremse. Die Räder blockierten mit protestierendem Gekreische. Die Nase des Sportwagen wurde nach unten gedrückt. Sicherlich ging der Frontspoiler bei diesem brutalen Bremsmanöver am Boden auf.
An die Schäden an meinem Auto aber dachte ich in diesem Moment weiß Gott nicht.
"Raus hier!", keuchte ich und löste den Verschluss des Sicherheitsgurtes. Meine Tür flog auf, ich ließ mich nach draußen kippen. Als ich ziemlich unsanft auf dem Asphalt aufschlug, hatte ich schon die SIG in der Faust. Es ging alles wie automatisch, keine meiner Aktionen wurde von einem bewussten Willen geleitet. In mir lief ein Programm ab…
Der Motor des Lasters heulte auf, dann stieß der schwere Brummer zurück.
Holte er etwa noch einmal Anlauf? Himmel, er würde den Sportwagen über mich hinweg schieben. Ich weigerte mich, mir auszumalen, was von mir übrig bleiben würde. Eine eiskalte Hand schien mich zu berühren. Und einen schrecklichen Augenblick lang brachte ich es nicht mehr fertig, eine chronologische Reihenfolge in meine Gedanken zu zwingen. Ich handelte rein instinktiv. Ich musste überleben.
Blitzschnell wuchs ich hinter dem Wagen hoch. Von Milo sah ich nichts. Aber die Beifahrertür stand sperrangelweit offen. Hinter der Windschutzscheibe des Transporters nahm ich zwei dunkle Gesichter wahr, zu denen das Weiße der Augen einen scharfen Kontrast bildete. Eines dieser Gesichter schob sich plötzlich aus dem Seitenfenster. Und gleichzeitig wurden breite Schultern und zwei Arme sichtbar, die eine MPi hielten.
Mit dem Erkennen der tödlichen Gefahr ging ich hinter dem Wagen wieder auf Tauchstation. Die MPi begann zu rattern. Feuergarben stießen aus der Mündung wie gierige Zungen. Die Geschosse harkten in das Stahlblech der Karosserie und stanzten eine ganze Reihe von Löchern hinein. Die Seitenscheiben zerplatzten in einem Schauer von Scherben. Mir blutete das Herz. Nicht nur, dass der Laster meinen roten Flitzer total verbeult hatte, nun riss ihm auch noch heißes Blei Wunden über Wunden.
Ich hatte auf den ersten Blick erkannt, dass es eine HK53 war, die schwere Maschinenpistole von Heckler & Koch also, deren Kugeln mir um die Ohren flogen. Eine Mischung aus HK5 und HK33, MPi-Kompaktbauweise also gepaart mit der Durchschlagskraft eines Sturmgewehres vom Kaliber 5,56 x 45 mm. Diese Maschinenpistole gehört neben der MP5-Serie - die auch das FBI benutzt - weltweit zur bevorzugten Waffe von Sondereinheiten.
Und während der schwarze Gangster aus dem Seitenfenster des Lasters eine Salve nach der anderen feuerte, fuhr das Vehikel, dem der Crash kaum etwas ausgemacht hatte, mit Volldampf los. Die MPi verstummte. Rücksichtslos rammte der Truck einen Pkw, schob ihn zur Seite und überquerte die Lafayette Street, um gleich darauf nach links in die Centre Street hinter dem Criminal Courts Building zu verschwinden.
Milo und ich kamen gleichzeitig hoch. Hinter dem Wagen hatte ein Pontiac angehalten. Das Fahrzeug, das bis zum Crash vor uns fuhr, war verschwunden. Der Schwarze an der Ecke, der wahrscheinlich für das Timing verantwortlich gewesen war, schien sich in Luft aufgelöst zu haben.
Mein Freund und Partner winkte mir mit der SIG und rannte los. Er flitzte in die Worth Street und legte sich in Kurve, als es in die Centre Street ging.
Ich hinterher.
Der Truck bog gerade nach rechts in die White Street ab. Wegen des Verkehrs war er nicht besonders schnell voran gekommen. "Merk dir das Kennzeichen!", schrie ich und versuchte selbst, es mir einzuprägen.
Wir fegten um das Criminal Courts Building herum, erreichten die Baxter Street und sahen beim Columbus Park den Transporter stehen. Die beiden Schwarzen rannten zwischen die Büsche. Der eine schleppte die MPi mit sich. Der andere schien unbewaffnet zu sein.
"Stehenbleiben!", brüllte ich überschnappend. "FBI! Bleiben Sie stehen!"
Meine Worte waren in den Wind gebrüllt. Ich legte noch einen Zahn zu. Die Büsche und Bäume des Parks schienen an mir vorbeizufliegen. Plötzlich ratterte wieder die MPi los. Milo hechtete zwischen das Gestrüpp. Ich stieß mich ebenfalls ab und flog nach links. Zweige zerrten an meiner Jacke, peitschten mein Gesicht und knickten ab. Schlagartig verstummte das MPi-Feuer. Hastende Schritte erklangen…
Ich kam hoch und sah ein paar Schritte von mir entfernt Milo auf die Beine schnellen. Wir nahmen wieder die Verfolgung auf. Aber in dem Park gab es tausend Möglichkeiten, sich zu verkriechen. Von den beiden Gangstern war jedenfalls nichts mehr zu sehen. Kurze Zeit durchstreiften wir noch das Gelände, die gebotene Vorsicht nicht außer Acht lassend, dann kehrten wir zu dem Lastwagen zurück. Die Beschriftung auf den beiden Türen des Führerhauses verriet, dass das Fahrzeug aus dem Fuhrpark einer Spedition in Queens stammte.
Ich holte mein Handy aus der Tasche und rief im Field Office an. Clive Caravaggio nahm ab. Er war Chef vom Dienst. Ich erklärte ihm mit knappen Worten, was vorgefallen war und bat ihn, einige Kollegen von der Spurensicherung herzuschicken, damit sie den Laster abholten.
Clive sagte es zu.
Ich bat Milo, hier ohne mich auf die Kollegen zu warten, denn mein übel ramponierter Sportwagen stand noch mitten auf der Lafayette Street und würde wahrscheinlich den gesamten Verkehr behindern.
Ich beeilte mich.
Zwei Patrolcars waren bereits aufgefahren. Man hatte den Wagen zur Seite geschoben. Einer der Cops regelte den Verkehr, zwei standen beim Sportwagen, der vierte saß in seinem Einsatzfahrzeug und hielt das Mikrofon des Funkgerätes vor seinem Gesicht. Seine Lippen bewegten sich.
Ich wies mich den Cops gegenüber mit meiner ID-Card aus und erstattete ihnen einen kurzen Bericht.
"Der Laster steht in der Baxter Street?", fragte einer der Officers wie zu Sicherheit noch einmal nach.
"Ja, gleich bei der Einmündung der Bayard Street neben dem Park", erwiderte ich. "Es ist ein Sattelschlepper ohne Aufleger. Ich habe veranlasst, dass er abgeholt wird. Bei dieser Gelegenheit können Sie sicher für mich feststellen, auf wen er zugelassen ist."
"Kein Problem, Special Agent, vorausgesetzt, sie kennen die Zulassungsnummer."
Ich nannte sie. Der Officer ging zu seinem Fahrzeug und klemmte sich hinter das Bordfunkgerät. Wenige Minuten später berichtete er mir, dass das Fahrzeug in der Nacht aus dem Hof einer Spedition in Queens gestohlen worden war. Der Besitzer des Lasters hatte zwischenzeitlich Anzeige erstattet.
Der Abschleppdienst, den die Cops informiert hatten, kam nach etwa zwanzig Minuten. Ich nannte dem Fahrer die Werkstatt, zu der er den Sportwagen bringen sollte.
Milo, der kurz vorher eingetroffen war, legte mir die Hand auf die Schulter. "Er ist nur angekratzt, Partner", murmelte er. "In einer Woche erstrahlt er wieder in seinem alten Glanz. Du brauchst ihn also nicht zu Grabe zu tragen."
Er sprach vom Wagen.
Und es klang echt mitfühlend.
"Das sehe ich auch so", meinte Mr. McKee und nickte. "Die Kumpane der Lacenby-Brüder wollten Rache. Gott sei dank sind Sie mit dem Schrecken davongekommen, Jesse, Milo."
Ich seufzte ergeben.
Milo deutete auf mich. "Jeder Kratzer an seinem roten Flitzer kostet ihn sein Herzblut, Sir."
"Ich weiß", versetzte Mr. McKee. "Und es tut mir leid um Ihren Wagen, Jesse. Aber der Sportwagen wird repariert. Danken wir also dem Himmel, dass es den Gangstern lediglich gelang, Blech zu verbiegen."
Mandy brachte eine Thermoskanne voll Kaffee. Tassen, Milch und Zucker standen bereits auf dem Tisch. Atemberaubender Duft breitete sich im Büro aus. Sekundenlang fühlte ich mich in ein orientalisches Kaffeehaus versetzt.
Wir schenkten uns ein. Ich bereitete das köstliche Gebräu mit Zucker und Milch auf und trank schließlich den ersten Schluck. Der Kaffee entschädigte mich für vieles.
Im Endeffekt hatte der Chef Recht. Auch wenn mir das Herz wegen des Sportwagens blutete: Wir mussten dankbar sein, dass es den Gangstern nicht gelungen war, ihre höllische Absicht in die Tat umzusetzen. Es war nicht darum gegangen, uns einen Denkzettel zu erteilen. Nein! Wir sollten auf der Kreuzung Lafayette Street/ Worth Street eiskalt und skrupellos abserviert werden. Eindeutiger Beweis hierfür war, dass es die Gangster mit der MPi versuchten, nachdem der provozierte Unfall misslang.
Der Tod hatte schon nach uns gegriffen, die kalte Krallenhand jedoch noch einmal zurückgezogen.
Mr. McKee lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Seine nervigen Hände lagen auf der Schreibtischkante. "Gestern hat am späten Nachmittag noch ein Kollege aus dem Police Departement angerufen. Er leitete die Vernehmung Robin Forsyth, des Kompagnon Antonio Fellis. Forsyth will von Fellis Nebentätigkeit als Killer nichts gewusst haben. Allerdings hat er diverse Kontakte zu verschiedenen kriminellen Syndikaten zugegeben. In der Star Finanz - Capital Management & Consulting Company wurden die illegalen Gelder so manchen Gangsters gewaschen."
"Ausgesprochen clever", murmelte Milo. "Die Gelder, die aus irgendwelchen zwielichtigen Geschäften stammten und am Fiskus vorbeigeschleust worden sind, wurden verliehen und von den Kreditnehmern unters Volk gebracht. In monatlichen Ratenzahlungen flossen sie schließlich als sauberes Geld mit Zins- und Zinseszins zurück. Einfach, aber 100-prozentig, würde ich sagen."
"Forsyth wurde vorläufig festgenommen", sagte Mr. McKee. "Ed Schulz hat ebenfalls angerufen. Erste Vergleiche des Projektils, das in Bob Carters Körper gefunden wurde, mit der Kugel, die Jacob Lacenby tötete, haben identische Merkmale ergeben. Also dürfte es feststehen, dass Antonio Felli der Mörder Jacob Lacenbys ist, und dass darüber hinaus eine Reihe weiterer Auftragsmorde auf sein Konto gehen."
"Wenn er uns jetzt noch die Namen der Auftraggeber nennt, dann können wir eine ganze Reihe böser Buben kassieren", flachste Milo.
"Das ist alles nicht das Problem, das uns beschäftigt", wandte ich gedankenvoll ein. "Antonio Felli haben wir auf Nummer sicher. Mit ihm wird sich der Staatsanwalt und später das Gericht zu beschäftigen haben. Was mich nicht mehr loslässt, ist diese Sekte, für die der Kleinlaster voller Maschinengewehre und Munition bestimmt war. Sie soll irgendwo in der Nähe von St. Louis ihr Hauptquartier haben."
"Harald Robins ist Mitglied der Sekte", gab Milo zu verstehen. "Wir können ihn ja fragen."
"Robins wurde ins New York Hospital eingeliefert", erklärte der Chef. "Ich habe dort angerufen und erfahren, dass er noch nicht über den Berg und daher auch nicht vernehmungsfähig ist."
"Wo wohnt Robins?", fragte ich. "In seiner Wohnung gibt es doch gewiss Hinweise auf die Sekte, auf Verbindungsleute, auf die Aktivitäten der Sekte."
Mr. McKee nahm ein Blatt Papier von einem Aktenstapel, der rechts von ihm auf dem Schreibtisch abgelegt war, warf einen Blick drauf und sagte: "Er hat ein Apartment in der 71. Straße gemietet, gleich beim Central Park West. Das Gebäude hat die Nummer 411, das Apartment die Nummer 7. Die Wohnung wurde von den Kollegen des Police Departments bereits auf den Kopf gestellt. Auf die Ergebnisse warte ich allerdings noch."
"Wer hat die Wohnungsdurchsuchung geleitet?", wollte Milo wissen.
"Lieutenant Barkley", sagte der Chef nach einem weiteren Blick auf das Blatt Papier. Er gab uns noch die Durchwahlnummer des Lieutenants. Milo schrieb sie in sein Notizbüchlein.
"Was hat die Vernehmung Shaugnessys ergeben?", erkundigte ich mich.
"Shaugnessy erwies sich als geständig. Er und Carter haben die Maschinengewehre und die Munition von einem Russen namens Petr Astaschenko übernommen. Auf welchem Weg die Waffen in die USA gelangt sind, weiß Shaugnessy nicht. Er und Carter nahmen Verbindung zu Harald Robins auf und wurden handelseinig. 150000 Dollar sollten die Waffen einbringen. Aber da bis zu diesem Zeitpunkt Jacob Lacenby die Sekte mit Waffen und Rauschgift versorgte, hatte er eine Menge dagegen einzuwenden, dass Shaugnessy und Carter ihm plötzlich in die Quere kamen. Er drohte ihnen, worauf Carter über McKinney mit Antonio Felli Verbindung aufnahm. Der Mord brachte McKinney 1000, Felli 10000 Dollar ein."
"Hervorragend", sagte ich. "Dann gilt es jetzt, diesen Astaschenko zu ermitteln und es gilt der Sekte auf die Schliche zu kommen." Ich schaute Milo an. "Wir sollten mit Lieutenant Barkley Verbindung aufnehmen, Milo. Vielleicht gibt es schon irgendwelche Erkenntnisse. Außerdem werde ich mal im New York Hospital anrufen und mich nach dem Gesundheitszustand Robins erkundigen."
Der Chef kramte in dem Stapel Akten herum, von dem er auch den Bogen mit seinen Notizen Harald Robins betreffend genommen hatte, zog ein anderes Blatt Papier hervor und reichte es mir. "Da steht alles drauf, was ich über diesen Petr Astaschenko herausfinden konnte. – Was die Sekte angeht, kann ich Ihnen leider nichts berichten. Im Internet habe ich zwar einiges über Kirpal Singh gefunden, nichts aber über eine Sekte, die sich Friends in Kirpal Singh nennt. Möglich, dass es sich um einen Decknamen handelt, dass der Name des Predigers einfach nur missbraucht wird."
Ich nahm das Blatt Papier und überflog die Notizen mit den Augen. Petr Astaschenko, 52 Jahre, Diplomchemiker, seit 23 Jahren in den USA, wurde lange Jahre von der CIA und von derem kleinen Bruder, der NSA, dem Inlandsgeheimdienst der USA also, überwacht, weil er verdächtigt wurde, für den russischen Geheimdienst KGB tätig zu sein. Ein Verdacht, der sich allerdings nicht bestätigte.
Ich musste unwillkürlich auflachen. Dass dieser Bursche wahrscheinlich für die Russenmafia arbeitete, schien weder den Spezialisten von der CIA noch von der Agency aufgefallen zu sein.
"All right", sagte ich. "Wir kümmern uns um Astaschenko und auch um die Friends in Kirpal Shing, Sir. Wegen der Sekte werden wir wahrscheinlich Kontakt mit den Kollegen in St. Louis aufnehmen. Wir halten Sie jedenfalls auf dem Laufenden."
Der Chef lächelte. "Ich bitte darum." Schlagartig wurde er wieder ernst. "Nicht zu vergessen die Schufte, die Ihnen heute übel mitspielten, Jesse, Milo. Es ist davon auszugehen, dass sie es noch einmal versuchen werden."
"Das fürchte ich auch", murmelte ich.
Wir tranken unseren Kaffee aus, dann verließen wir Mr. McKee. Ehe wir in unser Büro gingen, suchten wir Jennifer Johnson und Annie Francesco auf. Die beiden Hübschen strahlten uns glücklich an.
"Na, alles klar?", fragte Milo und bemühte sich, ebenfalls gut gelaunt und aufgekratzt zu klingen.
"Alles Bestens", lachte Annie Francesco, die rassige Latina, die vor zwei Tagen noch mit dem Gedanken gespielt hatte, dem FBI den Rücken zu kehren, sollte Jennifer etwas zustoßen.
Antonio Felli hatte Jennifer annähernd 20 Stunden in seiner Gewalt gehabt. Alles, was noch daran erinnerte, war die dunkle Schwellung unter Jennifers Auge, die von einem Schlag herrührte, den der Killer ihr versetzt hatte.
Aus dem Verhalten der beiden Agentinnen wurde mir klar, dass sich der Anschlag auf uns noch nicht in den Büros des FBI herumgesprochen hatte.
"Ihr habt bei mir 'ne Einladung gut", ließ Jennifer vernehmen. "Am besten, wir gehen mal nach Dienstschluss geschlossen zu Mario zum Abendessen."
Milo schnalzte mit der Zunge: "Ollala! Pizza, italienischer Wein, zwei hübsche Frauen in unserer Begleitung. Verkraften wir das, Jesse?"
"Das wird sich herausstellen", erwiderte ich grinsend. Ich wiegte nachdenklich den Kopf und schaute abwechselnd auf unsere beiden Ladys. "Pizza und Wein mit Sicherheit, Milo. Was die beiden Grazien anbetrifft…"
"Wir tun euch schon nichts, keine Sorge", lachte Jennifer.
"Dann bin ich ja beruhigt", versetzte ich. "Wir hören von euch, ja?"
"Sicher."
Wir machten kehrt. Ehe wir das Büro verließen, holte uns Jennifers Stimme ein: "Jesse, Milo…" Wir wandten uns wie auf Kommando um. "Danke noch mal - vielen Dank."
Wir wussten, was sie meinte.
"Nicht der Rede wert, Jennifer", winkte ich ab. "Ich denke, wir haben nichts getan, was du nicht für jeden von uns auch getan hättest. Es war ein Job."
"Nein, Jesse, nein. Es war mehr als ein Job." Annie sprach es mit Nachdruck, sachlich, klar und präzise.
"Nun, ja…" Ich zuckte etwas verlegen mit den Schultern. Was sollte ich darauf sagen. Jeder wusste, dass ich für Jennifer meine rechte Hand gegeben hätte. Natürlich auch für Annie. Und bei Milo war das nicht anders.
Ich drückte mich aus der Tür und Milo folgte mir schnell.
Ich telefonierte mit Lieutenant Max Barkley vom Police Departement. Der Lieutenant sagte: "Ja, wir haben in Robins Wohnung eine Adresse gefunden, Special Agent, die von Interesse sein könnte. Sie lautet Lewis Hamilton, Belleville, Wenwood Ranch. Belleville liegt südöstlich von St. Louis."
"Wurde schon geprüft, ob dieser Lewis Hamilton in der Vergangenheit polizeilich in Erscheinung getreten ist?"
"Ja, aber die Überprüfung hat keine Erkenntnisse ergeben. Der Mister ist bisher also noch nicht unangenehm aufgefallen."
Ich notierte die Adresse und bedankte mich bei Barkley. Dann suchte ich die Nummer des FBI Field Office St. Louis her und ließ mich mit dem Special Agent in Charge verbinden. Sein Name war George W. Cameron. Ich erklärte ihm was Sache war und vor allen Dingen teilte ich ihm meinen Verdacht mit, dass es sich bei der Wenwood Ranch nahe der Ortschaft Belleville um eine rechtsextremistische Hochburg handelte.
Cameron versprach mir, diesem Lewis Hamilton von einem Team seiner Special Agents einen etwas intensiveren Blick unter den Haaransatz werfen zu lassen und mich zurückzurufen, wenn er mehr wüsste.
Auch Milo telefonierte.
Wir legten fast gleichzeitig auf.
Ich sagte: "Die Kollegen in St. Louis werden den Friends in Kirpal Singh auf der Wenwood Ranch etwas auf die Finger schaun und uns dann informieren. Was hast du herausgefunden?"
"Harals Robins liegt im künstlichen Koma. Er kann voraussichtlich innerhalb der nächsten acht Tage nicht vernommen werden." Milo lehnte sich auf dem Stuhl zurück. "Petr Astaschenko hat vor knapp einer Woche seinen Job bei Bancrofts Chemie Inc. hingeschmissen. Das heißt, er hat nicht offiziell gekündigt. Er ist einfach nicht mehr zur Arbeit erschienen."
Ich warf einen Blick auf das Blatt Papier, das mir Mr. McKee ausgehändigt hatte und auf dem alles Wissenswerte über diesen Petr Astaschenko niedergeschrieben war. "Er wohnt in der Charles Street, Nummer 233", gab ich zu verstehen. "Vielleicht sollten wir uns dort mal etwas umsehen."
"Keine schlechte Idee, Jesse. Bevor wir aber dieses oder jenes anleiern, sollten wir uns den Rücken freimachen. Ich rede von den Lacenby-Halunken, die es sicherlich nicht bei dem einen Anschlag von heute morgen belassen werden. Wir stehen auf ihrer Abschussliste. Und zwar an oberster Stelle. Und solange wir auf Schritt und Tritt mit den Schuften rechnen müssen, können wir uns auf nichts anderes so richtig konzentrieren."
"Reden wir mit den Brüdern? Vielleicht erzählen sie uns, wer an ihrer Stelle an die Spitze des Vereins getreten ist."
"Die werden uns was husten", knurrte Milo im Brustton der Überzeugung.
"Wir können uns auch an Ben Rawlins wenden", schlug ich vor. "Er hat uns schon einmal sehr wertvolle Hinweise geliefert."
Ben Rawlins war einer von Hector Lacenbys Figuren. Er war bei Hector, als wir diesen überfallartig in seinem Haus in der 120. Straße in Harlem hochnahmen. Ich hatte Ben Rawlins eine Kugel in die Schulter geschossen, weil er nach der Pistole griff. Danach schien er ziemlich geläutert...
"Ja", murmelte Milo und nickte, "das wär 'ne Idee. Der Bursche war schon einmal ausgesprochen gesprächig. Also auf zum City Prison."
Wenig später landeten wir per Lift in der Tiefgarage. Der Fuhrparkleiter stellte uns einen Van zur Verfügung. "Bringt ihn mir heil wieder", bat er.
"Wir tun, was wir können", grinste Milo ihn an. Dann schwangen wir uns in das Vehikel und fuhren ins Freie.
Unwillkürlich sicherten sowohl Milo wie auch ich in die Umgebung, als wir die Tiefgarage verließen. Denn der Überfall am Morgen hatte uns gezeigt, dass wir von den Gangstern aus Harlem wahrscheinlich minutiös überwacht wurden.
Aber es jagte weder ein Laster auf uns zu, um uns niederzuwalzen, noch begann irgendwo in der Runde, eine MPi zu rattern. Unangefochten reihte ich mich in den vorbeifließenden Verkehr ein, ungeschoren kamen wir beim Stadtgefängnis an.
Man kannte uns hier schon.
Ben Rawlins wurde vorgeführt. Er trug den Arm in einer Schlinge und sah noch ziemlich leidend aus. Das Weiße seiner Augen wies eine rötliche Färbung auf. Sicher quälte ihn der Schmerz von der durchschossenen Schulter.
Eine dicke Glasscheibe trennte den schwarzen Gangster von uns. Wir konnten lediglich über die Gegensprechanlage miteinander kommunizieren. Wir hatten darauf verzichtet, Rawlins in den Vernehmungsraum bringen zu lassen. Eigentlich wollten wir ja nur ein paar Namen von ihm erfahren.
"Du hältst doch Wort, Trevellian? Ich meine das Versprechen, das du mir gegeben hast", sagte Rawlins in den Hörer der Sprechanlage. Sein Blick war durch die Glasscheibe mit einer fast hypnotischen Intensität auf mich gerichtet.
Ich nickte. Ich hatte dem Gangster versprochen, mich bei der Staatsanwaltschaft für ihn einzusetzen. Und das würde ich auch. Denn ohne seine Aussage wäre es uns wohl nicht so schnell und reibungslos gelungen, die beiden Lacenby-Brüder sowie Shaugnessy und Harald Robins kaltzustellen. "Natürlich, Rawlins. Und du kannst dir einen weiteren Bonus verdienen, wenn du uns einen Tipp gibst, wer an die Stelle Hector und Hannibal Lacenbys gerückt sein könnte."
"Warum wollt ihr das wissen?"
"Weil heute morgen einige dunkelhäutige Kerle versuchten, uns mit 'nem Laster und 'ner MPi die Hölle heißzumachen", ließ Milo seine Stimme erklingen. "Das schöne Auto meines Kollegen hat noch Schrottwert und wir…"
Milo brach fast erschreckt ab und schoss mir einen um Verzeihung heischenden Seitenblick zu.
"Das kann nur Calem Kingman angezettelt haben", entfuhr es Ben Rawlins. "Calem ist ein Cousin Hectors und Hannibals. Ihre Mütter waren Schwestern. Calem spielte unter der Herrschaft Jacobs lediglich eine ausgesprochen bedeutungslose untergeordnete Rolle. Jetzt aber scheint er sich aufs hohe Ross geschwungen zu haben."
"Wo wohnt der Bursche?"
"In der 123. Straße, über dem Nachtclub und dem Pub. Soviel ich weiß, hat er ein Verhältnis mit der Geschäftsführerin des Pubs. Sie wohnt auch in dem Gebäude. Das Pub und den Club kennt ihr ja."
"Ja", bestätigte ich, "die kennen wir. Ist Calem Kingman vielleicht leidenschaftlicher Pool-Billard-Spieler?"
Ben Rawlins schaute mich fragend und verständnislos an.
Ich sah aber keine Notwendigkeit, ihm zu erzählen, dass wir in der Kneipe von einigen Kerlen, unter anderem zwei Billard-Freaks, unmissverständlich bedroht worden waren. Ich erhob mich. "Vielen Dank, Rawlins. Und keine Sorge. Ich werde mich bei der Staatsanwaltschaft für dich einsetzen."
Ich versprach es und hängte den Hörer der Sprechanlage in die Halterung. Milo stemmte sich in die Höhe. Er nickte Rawlins freundlich zu.
Auf der Straße angekommen rief ich Mr. McKee an. "Der Anschlag heute Morgen könnte auf das Konto Calem Kingmans gehen, Sir", sagte ich. "Kingman ist ein Neffe Jacob Lacenbys, der scheinbar dabei ist, sich in Harlem die Krone aufzusetzen. Er wohnt in der Wohnung über dem Go-In, einer wüsten Kaschemme in der 123. Straße. Wir fahren hin, Sir. Es dürfte keine große Sache sein, Calem Kingman festzunehmen."
"Das dachten wir bei Antonio Felli auch", gab der Chef zu bedenken.
Die Erinnerung an unseren Reinfall bei dem Versuch, Antonio Felli festzunehmen, war nicht dazu angetan, meine Stimmung zu heben. Die Mission endete damit, dass dem Italo-Amerikaner mit Jennifer als Geisel und einem Dienstbuick die Flucht gelang. Wir waren von ihm regelrecht vorgeführt worden.
Ich schluckte hart und erwiderte: "Natürlich werden wir die gebotene Vorsicht nicht außer Acht lassen, Sir."
"Ich werde Jennifer Johnson und Annie Francesco in die 123. schicken", ließ der Chef noch einmal seine Stimme erklingen. "Und Sie sollten das zuständige Revier einschalten, Jesse. Für den Fall des Falles kann es auf keinen Fall schaden, wenn ihnen die Kollegen von der City Police den Rücken freihalten."
"In Ordnung, Sir. Sehr wahrscheinlich ist Kingman nicht allein."
"Davon gehe ich aus, Jesse. Warten Sie also die Ankunft Jennifer Johnsons und Annie Francescos ab", gebot Mr. McKee. "Und lassen sie von mir aus einen ganzen Bereitschaftszug der City Police aufmarschieren. Dieser Calem Kingman hat bewiesen, dass er auf keinen Fall unterschätzt werden darf."
"Alles klar, Sir. Ich melde mich wieder bei Ihnen."
"Hals- und Beinbruch, Jesse."
"Danke, Sir." Ich beendete die Verbindung.
Wir erreichten den Van. "Damit du's nicht verlernst, solltest du dich wieder mal hinters Steuer klemmen", wandte ich mich an Milo.
Mein Freund und Partner grinste schief. "Dass ich das Fahren verlernen könnte ist sicher nicht das Problem, Agent Trevellian", gab er dann zu verstehen. Sein Grinsen wurde breiter.
Ich wartete darauf, dass noch etwas kam, aber Milo rüttelte nur am Griff der Beifahrertür. "Aufsperren!", sagte er und zerlegte das Wort in seine Silben, um ihm besonderen Klang zu verleihen.
Ich dachte nicht daran, sondern stemmte die Arme in die Seiten, um aufzubegehren. Milo kam mir zuvor. Er sagte lachend: "Na schön, G-man Trevellian. Das Problem ist, dass du aus der Übung kommen könntest und sich dein Fahrstil hinterher als noch chaotischer erweist, als er sowieso schon ist. Also setz dich hinter das Steuer und bring mich sicher nach Harlem."
"Ich sollte dich nach Harlem laufen lassen", maulte ich. "Nein, kriechen sollte ich dich lassen"
"Jetzt spiel nicht den Beleidigten", rief Milo. "Dass du dich am Lenkrad hin und wieder zum Kamikaze entwickelst, das ist doch schließlich schon fast stadtbekannt."
Ich warf mich auf den Fahrersitz des Van und schlug die Tür zu. Milo beeilte sich, auf den Beifahrersitz zu gelangen. Aufatmend ließ er sich hineinfallen. "Sensibelchen", knurrte er.
"Wie du meinst", versetzte ich lakonisch. "Dann eben Sensibelchen. Aber du wirst Buße tun und das Revier in Harlem bitten, uns ein Team zur Verfügung zu stellen."
Milo faltete die Hände und drehte die Augen zum Himmel. "Gewiss, ehrwürdiger Vater. Du bist so gnädig zu mir. Womit habe ich das verdient?"
Grinsend griff er dann zum Handy der Feststation des Van und suchte die Nummer der Telefonleitstelle des NYPD her, die ihn mit dem Revier in Harlem verband.
Er erklärte dem Cop am anderen Ende der Leitung, was Sache war. Nachdem Milo das Gespräch beendet und das Handy wieder in der Feststation abgestellt hatte, sagte er:
"Alles geritzt, Bruder. Die uniformierten Kollegen werden mit einer ganzen Einsatzbereitschaft zur Stelle sein."
Jennifer Johnson meldete sich per Funk. Milo griff nach dem Mikro. "Seid ihr auf dem Weg zur 123., Team zwei?", fragte er und benutzte die Bezeichnung, die wir uns verpasst hatten, als wir Antonio Felli hops nehmen wollten.
"Ja. Wir befinden uns auf dem Broadway und fahren in Richtung Fifth Avenue. Ziemlich starkes Verkehrsaufkommen. Es kann also etwas dauern, bis wir am Ziel sind. Fangt im Go-In nur nicht ohne uns an, Milo. Es ist auch unser Fall."
"Ehrensache, dass wir auf euch warten. Im übrigen habe ich die Jungs von der City Police verständigt. Sie werden uns Schützenhilfe leisten."
"In Ordnung, Milo, bis später. Adios."
"Over heißt das", murmelte Milo aufgesetzt bissig. "Ich muss doch nicht an der Ernsthaftigkeit Ihrer Einstellung zweifeln, Special Agent?"
Aber Jennifer war schon nicht mehr auf Frequenz.
Ich hatte den Central Park West gewählt, um nach Norden zu gelangen. Eine Lawine aus Chrom und Stahlblech umgab uns. Verworrener Lärm erfüllte die abgasgeschwängerte Luft. Ich hatte schon das Gebläse ausgemacht, um unsere Atemwege und Lungen davor zu schützen.
Kilometerweit zog sich der Central Park, diese grüne Lunge des Big Apple, rechter Hand von uns nach Norden. Linker Hand war etwa alle 100 Yards die Einmündung einer Straße in den Central Park West zu sehen.
Ich achtete nicht so sehr darauf, wie lange wir unterwegs waren. Es mochte eine halbe Stunde gewesen sein, wohl eher aber eine ganze, als ich den Van in die 123. Straße Ost lenkte. Es war noch keine 48 Stunden her, als wir dem Pub schon einmal einen Besuch abstatteten.
Ich hielt in der Nähe der Kneipe. Das Go-In hatte um diese Zeit natürlich noch geschlossen. Das Pub gleich neben dem Nachtclub hatte auch noch nicht geöffnet. Ich schaute auf die Uhr. Es war 20 Minuten nach zehn.
Jennifer und Annie waren noch nicht angekommen. Aber an der Mündung einer Straße, ein ganzes Stück vor uns, parkte ein Patrolcar der City Police.
Milo stieg aus dem Van und lief hin. Ich sah, dass er seine ID-Card zückte und ins Fahrzeug reichte. Dann sprach er kurze Zeit mit den Polizisten im Auto. Schließlich kam er zurück. Er schwang sich wieder auf den Beifahrersitz. "Alles in Butter, Jesse. An den verschiedenen Positionen rund um das Gebäude sind fünf Fahrzeuge mit insgesamt 10 Mann Besatzung aufgefahren. Wir werden mit dem Einsatzleiter per Walkie-Talkie in Verbindung stehen. Wenn jetzt unsere beiden Ladys noch kämen, könnten wir zuschlagen."
"Nur keine Hast, Milo. In der Ruhe liegt die Kraft", philosophierte ich.
Milo schoss mir von der Seite einen schrägen Blick zu, schwieg aber.
Es dauerte noch fast eine halbe Stunde, dann fuhren Jennifer und Annie an uns vorbei. Annie saß am Steuer. Sie machte eine Parklücke ausfindig und rangierte hinein. Ich stieg aus und lief zu ihnen hin. Annie kurbelte das Seitenfenster herunter. Ich sagte:
"Nehmt eure Walkie-Talkies zur Hand und postiert euch vor dem Haus. Milo und ich gehen hinein. Der Bau ist von insgesamt 10 Cops zusätzlich umstellt. Alles roger?"
"Verstanden", sagte Annie und nickte.
"Gut. Wir gehen jetzt hinein." Ich rannte zurück zu dem Van und öffnete die Beifahrertür. "Auf geht's, Milo!"
Milo schälte sich etwas umständlich aus dem Sitz. Dann folgte er mir über die Straße. In seiner Linken lag das Walkie-Talkie.
Wir liefen zum Hintereingang des Gebäudes. Im Hof waren ein Chevy und ein verbeulter Ford Mustang abgestellt.
Ich ging zuerst zu dem Chevy und legte die Hände flach auf die Kühlerhaube. Sie war kalt. Ebenso die Kühlerhaube des Ford. Diese beiden Fahrzeuge waren also schon seit längerer Zeit nicht mehr bewegt worden. Was jedoch nicht hieß, dass damit nicht die drei Kerle nach Harlem gelangt waren, die uns auf der Kreuzung Lafayette Street/Worth Street eine blutige Rechnung präsentieren wollten.
Die Hintertür war verschlossen.
Sie zu öffnen kostete Milo ein Lächeln. Wir standen in einem düsteren Flur. Hier befand sich die Treppe in die oberen Stockwerke, hier waren auch die Toiletten, die sowohl die Gäste des Clubs wie auch des Pubs benutzten. Es roch übel. Die Wände waren vollgekritzelt, meist mit irgendwelchen obszönen Sprüchen oder Zeichnungen.
Wir zogen unsere Waffen und entsicherten sie. Dann stiegen wir die Treppe nach oben. Manchmal knarrte eine Stufe unter unserem Gewicht. Auf dem Treppenabsatz hielten wir an und lauschten. Im Haus blieb es still.
Weiter. Automatisch setzte ich einen Fuß vor den anderen, den Blick nach oben gerichtet, ebenso die Mündung der SIG Sauer.
Wir standen vor der Tür zu einem Apartment. Es gab kein Türschild. Einige Schritte weiter gab es eine weitere Tür. Die Treppe führte weiter nach oben. Das Gebäude verfügte über insgesamt vier Etagen.
Ich pirschte zu der anderen Tür. Auch hier war nirgendwo ein Namensschild zu sehen. Ratlos blickte ich zu meinem Partner hin und zuckte mit den Achseln.
Milo tippte sich mit dem Daumen seiner Linken gegen die Brust, dann wies er mit dem Zeigefinger auf die Tür. Anschließend zeigte er auf mich und zuletzt auf die Tür, vor der ich stand.
Ich begriff. Wir sollten gleichzeitig beide Apartments stürmen. Ich nickte, hob die linke Hand, stellte den Daumen auf, dann den Zeigefinger, schließlich den Mittelfinger. Dazu zählte ich im Geiste bis drei. Gleichzeitig traten wir in Aktion. Die Tür, gegen die ich mich mit der Schulter warf, hielt nicht stand. Krachend flog sie nach innen auf.
Auch bei Milo hörte ich berstendes Splittern und trockenes Krachen.
Ich stand im Livingroom. Zwei Türen führten in andere Räume. Ich hetzte auf die mir nächste zu, schleuderte sie auf und glitt daneben in den Schutz der Wand. Die andere Tür ließ ich nicht aus den Augen.
Nebenan hörte ich Milo schreien: "FBI! Keine Bewegung! Hände in die Höhe!"
In der Wohnung, in der ich mich befand, rührte sich nichts. Ich wirbelte mit der erhobenen Waffe um den Türstock herum und stand mit gespreizten Beinen sprungbereit im Badezimmer, die Hand mit der Waffe vorgestreckt, das Armgelenk der Rechten mit der Linken stabilisierend. Eine Gestalt, mir genau gegenüber, entpuppte sich als mein Spiegelbild. Ich nahm eine fast lehrbuchmäßige Kombat-Haltung ein. Beinahe hätte ich mir anerkennend zugenickt.
Nebenan peitschte ein Schuss. Und in den Donnerknall hinein dröhnte ein zweiter. Die Detonationen vermischten sich zu einem einzigen Ohren betäubenden Knall. Mein Herz übersprang einen Schlag, dann fing es an, in meiner Brust zu galoppieren. Die Sorge um Milo jagte meinen Blutdruck in die Höhe.
Ich schleuderte mich geduckt herum, um in den Livingroom zurückzukehren. Da sah ich im Rechteck der anderen Tür, die wahrscheinlich ins Schlafzimmer führte, einen Mann. Er trug eine Schlafanzughose. Sein muskulöser Oberkörper war nackt. Es war ein Schwarzer. In seiner Rechten lag wie hinein geschmiedet eine Pistole. Und die ging jetzt los, als ich auftauchte.
Im letzten Moment warf ich mich zur Seite. Ich glaubte den sengenden Strahl des Stahlmantelgeschosses zu spüren, strauchelte und stürzte. Der Knall stieß über mich hinweg und rüttelte an den Wänden. Die nächste Kugel hämmerte über mir in die Wand. Putz staubte, Mauerwerk spritzte.
Der Bursche war nicht blindlings aus dem Zimmer gekommen, als ich mit viel Lärm den Livingroom betreten hatte. Er hatte eiserne Nerven bewiesen und eiskalt abgewartet, welchem der Räume ich mich zuerst zuwandte. Wäre ich nicht ins Badezimmer gestürmt, sondern ins Schlafzimmer, hätte er mich mit heißem Blei empfangen.
Jetzt rannte er zur Korridortür und feuerte Schuss um Schuss in meine Richtung. Dabei hielt er die Pistole nicht hochkant, sondern quer, wie es immer wieder gerne in Gangsterfilmen gezeigt wird, weil es cool und lässig wirkt. Im Grunde aber lässt es keinen gezielten Schuss zu.
Jedenfalls deckte er mich mit seinen Kugeln ein und ich hatte Mühe, hinter einen Sessel in Deckung zu gelangen.
Auf der Treppe trampelten Schritte. Sie kamen aus der 2. Etage nach unten. Geschrei mischte sich in das Poltern, dann fielen wieder Schüsse. Die Detonationen stauten sich im Haus und hörten sich an wie das Donnern explodierender Handgranaten.
Der Knabe, der mir sein Blei um die Ohren geknallt hatte, setzte an, um durch die Tür hinaus ins Treppenhaus zu springen. "Da drin ist Trevellian!", brüllte er.
Ich schnellte in die Höhe und schoss.
Meinem Gegner wurde das rechte Bein regelrecht vom Boden weggerissen. Er fiel gegen den Türstock, sank auf die Knie nieder und drehte den Oberkörper in meine Richtung. Ich blickte einen Lidschlag lang in sein verzerrtes Gesicht. Er schlug die Waffe auf mich an. Mir blieb gar nichts anderes übrig, als erneut abzudrücken.
Die Wucht des Treffers warf den Burschen um. Da zeigte sich schon ein anderer Schwarzer im Türrahmen und feuerte.
Ich war aber schon wieder hinter dem Sessel abgetaucht.
Eine Serie von Schüssen peitschte. Der Lärm wurde infernalisch. Bei der Tür erklang ein gellender Aufschrei. Ich äugte seitlich an dem Sessel vorbei und sah den Schwarzen zusammenbrechen. Der Schrei endete in einem kläglichen Wimmern. Unten verklangen auf der Treppe hastende Schritte.
Eine Gestalt erschien in der Tür, von der ich annahm, dass sie ins Schlafzimmer führte. Ich schlug sofort die SIG auf sie an, aber mein Verstand holte den Reflex ein und hinderte mich abzudrücken. Es war eine schwarze Lady, nur mit einem kleinen, weißen Tanga bekleidet, die da stand und voller Entsetzen mit den Augen rollte.
Ich erkannte sie auf Anhieb. Es war die hübsche kleine Bedienung, die uns recht schnippisch behandelte, als wir zwei Tage vorher im Go-In waren, weil wir einen der Lacenby-Brüder sprechen wollten.
Sie war zu keiner Reaktion fähig, versuchte nicht einmal, ihre festen runden Brüste mit den Händen vor meinem Blick zu verdecken. Sie starrte mich nur an als sähe sie einen Geist.
"Jesse!" Es war Milos Organ. Mir fiel ein Stein vom Herzen. "Alles klar?"
"Yeah", rief ich und kam hinter dem Sessel hoch.
Unten peitschten Schüsse. Geschrei kam auf. Und wieder knallte es dumpf und trocken.
Jemand hatte Jennifer, Annie und die Kollegen von der City Police in ein Feuergefecht verwickelt. Sofort war ich wieder von tiefer Sorge erfüllt.
"Gehen Sie ins Schlafzimmer zurück!", forderte ich barsch das nackte Girl auf, aber meine Worte stießen auf taube Ohren. Die kleine Lady rührte sich nicht, sie sagte nichts - sie war total perplex.
Milo zeigte sich in der Tür. "Oben scheint niemand mehr zu sein. Drüben liegt einer. Hier haben wir zwei erwischt." Er bückte sich und sammelte die herumliegenden Waffen ein. Es waren zwei Pistolen. Eine schob er sich in den Hosenbund, die andere warf er mir zu. "Komm…"
Er wirbelte herum und verschwand.
Ich verstaute die Gangster-Pistole in der Jackentasche und folgte ihm. Als ich auf den Flur kam, rannte Milo schon die Treppe hinunter.
Unten krachte es noch vereinzelt.
Ich folgte Milo. Ehe wir das Haus durch den Hintereingang verließen, sicherte Milo nach draußen. "Gib mir gegebenenfalls Feuerschutz", knirschte er und schwang sich ins Freie.
Vorne auf der Straße brüllte eine schwere Waffe auf. Dann war Jennifer gellende Stimme zu vernehmen: "Die Waffe runter und die Hände hoch!"
Ein Klirren folgte den Worten. Schritte trappelten. Einige uniformierte Polizisten kamen in den Hof gerannt.
"Durchsucht das Haus!", rief ich ihnen zu. "In der 1. Etage liegen drei. Seid aber auf der Hut!"
Wir rannten an den Cops vorbei in die Ausfahrt und erreichten die 123. Straße.
Ein Schwarzer stand da und lehnte sich mit beiden Armen gegen die Wand des Gebäudes. Er hatte die Beine gespreizt und weit zurückgenommen. Ein uniformierter Polizist tastete ihn nach Waffen ab, während Jennifer ihn in Schach hielt.
Ein weiterer Schwarzer lag ein ganzes Stück weiter am Straßenrand. Annie Francesco war bei ihm abgekniet. Ein Cop beugte sich ebenfalls über ihn.
Ich holte mein Handy aus der Tasche. Jennifer sagte, ohne mich anzusehen: "Einer der Polizisten verständigt schon den Emergency Service, Jesse. Außerdem ruft er Verstärkung herbei. Seid ihr, du und Milo, okay?"
"Ja."
Annie kam heran. Sie deutete mit dem Daumen über die Schulter. Ein herber Ausdruck hatte sich in ihren Mundwinkeln festgesetzt. Abgehackt, mit brüchigem Tonfall, sagte sie: "Dem kann keine Macht der Welt mehr helfen. Er hat eine Kugel in die Brust bekommen." Annie holte tief Luft. Plötzlich brach es fast hysterisch aus ihr heraus: "Himmel, er hat es herausgefordert. Warum schoss er? Er ignorierte einfach meine Aufforderung, sich zu ergeben, und…"
Annies Stimme erstarb.
Ich schaute Annie Francesco, unserer hübschen rassigen Latina, ins Gesicht und ich konnte in der Tiefe ihrer Augen eine ganze Gefühlswelt erkennen. Es belastete sie, dass es eine ihrer Kugeln war, die den Schwarzen tötete. Nun, was das anbetraf, konnte ich mitreden. Auch ich war schon x-mal gezwungen gewesen zu töten. Es schlug jedes Mal wieder furchtbar aufs Gemüt und es gab Kollegen, die mussten sich deswegen in psychologische Behandlung begeben.
Da schon alles Nötige veranlasst war, schob ich das Handy wieder ein. Der Bursche, der an der Hauswand lehnte, wurde mit Handschellen gefesselt. Milo und ich kehrten in die Wohnung über dem Pub zurück.
Die Cops hatten hier schon für Ordnung gesorgt.
Das hübsche schwarze Girl saß, in eine Decke gehüllt, im Livingroom der Wohnung, die ich gestürmt hatte, in einem Sessel. Es stand noch voll und ganz im Bann der Geschehnisse. In ihrem Gesicht zuckten die Nerven. Ihre Augen waren ein Abgrund des Schreckens und des Grauens. Mir schien, als zitterte die Kleine an Leib und an Seele.
Zwei der Schwarzen waren verletzt. Einer war tot. Es war jener, der sich mit dem Girl in der Wohnung befunden hatte und der mich ziemlich heftig mit heißem Blei eingedeckt hatte. Ich vermutete, dass es sich um Calem Kingman handelte.
Die beiden Verwundeten waren gefesselt. Einer der Cops baute sich vor Milo und mir auf und sagte: "Im Haus ist sonst keiner mehr. Ich habe das Department verständigt, G-men. Man wird einige Leute von der Spurensicherung herschicken."
"Danke", sagte ich und wandte mich an das Girl. "Welcher von denen ist Calem Kingman?"
Die Zähne der Kleinen schlugen aufeinander wie im Schüttelfrost. Sie schaute mich an wie eine Erwachende. Schließlich wischte sie sich mit einer fahrigen Geste über die Augen, blinzelte und stammelte: "Der – der dort, der – bei – der – Wand…"
Sie schluchzte und schlug die Hände vor das Gesicht.
Es war also derjenige, der seinen Widerstand mit dem Leben bezahlte. Ich hatte mich nicht geirrt.
Die beiden anderen Kerle wurden abgeführt. Bei Milo und mir befanden sich noch zwei Cops.
Ich schaute das entsetzte völlig fassungslose Girl an, deren Schultern wie unter einem inneren Krampf zuckten. "Wo sind die drei Kerle, die Calem Kingman heute morgen ausschickte, damit sie meinem Kollegen und mir die Hölle heiß machen? Befinden sie sich unter den Kerlen, die im Haus waren?"
"Ich – ich weiß von nichts", schluchzte das Girl. "Lassen – Sie – mich in Ruhe."
Ich ging ins Schlafzimmer und schaute mich um. Das Doppelbett war zerwühlt. Auf einem der Nachttische lag ein Handy. Ich nahm es und stellte fest, dass es eingeschaltet war. Der Speicher hatte die Nummern der letzten Gesprächspartner Calem Kingmans aufgezeichnet. Ich klickte die letzte gespeicherte Nummer her, wählte sie an und hob das Mobiltelefon an mein Ohr.
Das Freizeichen erklang. Einige Sekunden verstrichen. Dann: "Was ist, Calem? Falls du dir Gedanken wegen der beschissenen Bullen machst, so brauchst du das nicht. Okay, okay, wir hatten heute Pech. Aber kein Schwein konnte mit dieser geistesgegenwärtigen Reaktion Trevellians rechnen. Jeder andere wäre vor Schreck gelähmt gewesen. Trevellian aber gab Gas. Okay, wir hatten Pech. Beim nächsten Mal fahren Trevellian und Tucker zur Hölle. Aber jetzt lass mich schlafen. Die Nacht war lang und ich musste früh raus. Wir treffen uns heute Abend im Pub."
Ich werde da sein!, versprach ich in Gedanken und unterbrach die Verbindung.
Innerhalb der nächsten Stunde tauchten die Jungs vom Police Department auf. Die Spurensicherung ging in den Wohnungen des gesamten Hauses ans Werk. Wir vermuteten weitere Waffen in dem Gebäude, möglicherweise stieß man auch auf Drogen. Polaroid-Kameras blitzten...
Ein Vertreter der Staatsanwaltschaft erschien und in seinem Schlepptau auch die Medienleute.
Die Toten wurden in Leichensäcke verpackt. Kreidestriche markierten die Stellen, wo sie gestorben waren. Die Festgenommenen wurden in der Ambulanz erstversorgt und ins City Prison gebracht, wo sie im Gefängnishospital behandelt werden würden.
Ich wandte mich an die Kleine. "Wie heißen Sie?"
"Elvira Charlton."
"Ist das hier Ihr Apartment, Elvira?"
"Ja", hauchte sie. Ihre trotzige Überheblichkeit, die sie uns vor zwei Tagen entgegengebracht hatte, war wie weggeblasen. "Ich – ich bin Geschäftsführerin des Pubs."
"Was haben Sie für eine Telefonnummer?"
Sie nannte sie mir. Ich notierte sie. Dann rief ich Mr. McKee an, um ihm Bericht zu erstatten.
Zurück im Federal Building fassten wir einen Bericht über die Ereignisse in der 123. Straße ab und druckten eine Reihe von Mehrfertigungen aus. Dem Police Department mailte ich das Protokoll.
Die Mittagszeit war längst vorüber, als der Papierkrieg erledigt war.
"Und jetzt sollten wir mal mit den Kerlen, die wir heute Vormittag in der 123. hopsgenommen haben, sowie mit Lester Shaugnessy einige Takte reden", schlug ich vor.
"Was willst du von Shaugnessy?", fragte Milo.
"Ihn wegen seines Waffenlieferanten befragen", erwiderte ich.
Milo wiegte skeptisch den Kopf. "Astaschenko wohnt nach unserer Erkenntnis in der Charles Street, Lower West Side. Warum fahren wir nicht hin und fragen ihn selbst?"
"Nachdem er seinen Job bei Bancrofts Chemie Inc. geschmissen hat, glaube ich nicht, dass wir ihn in seiner Wohnung antreffen", gab ich zurück.
Als Milo mich fragend musterte, knurrte ich achselzuckend: "Ich kann es dir nicht sagen, wie ich drauf komme. Es ist so 'ne Eingebung. Intuition nennt man das. Vielleicht täusche ich mich auch. Wir können es ja mal versuchen."
Mein Telefon dudelte. Ich schaltete den Lautsprecher ein und nahm ab.
Es war ein Kollege aus dem Field Office in St. Louis. Sein Name war Patrick Crowland. Er sagte: "Hello, Trevellian. Wir haben ein paar Erkundigungen eingezogen, was die Wenwood Ranch anbetrifft. Sie gehört einem gewissen Lewis Hamilton und seiner Frau Samantha. Auf der Ranch leben eine Menge Leute; Männer, Frauen und Kinder. Sie alle gehören zu der Sekte Friends in Kirpal Singh. Hamilton macht auch gar kein Geheimnis daraus, dass er der Führer dieser Sekte ist. Der Sheriff von Belleville wurde befragt und er meint, dass es sich um einen Haufen harmloser Irrer handelt."
"Wer ist dieser Kirpal Singh überhaupt?", fragte ich.
"Einer, der es zur höchsten geistigen Vollendung gebracht haben soll, ein moderner Jesus Christus, vielleicht auch ein Teufel in Menschengestalt. Ich weiß es nicht."
"Haben Sie Hamilton auf Harald Robins, Lester Shaugnessy und die Maschinengewehre angesprochen, Kollege?", erkundigte ich mich.
"Natürlich. Hamilton lachte mich aus. Seine Waffe sei das Wort, meinte er. Die Welt befinde sich in einer Phase der absoluten Degeneration. Die Menschheit zerstöre sich selbst. Weltweite Katastrophen seien die untrüglichen Anzeichen dafür, dass sich der Untergang anbahne. Alle, die die Zeichen der Zeit ignorieren, werden vernichtet. Sie, die Friends in Kirpal Singh, seien dazu auserwählt, nach dem großen Umbruch die Überlebenden zum Licht zu führen."
"Für harmlos halte ich Hamilton und seine Anhänger ganz und gar nicht", verlieh ich meiner Auffassung Ausdruck. "Robins bezahlte 150.000 Dollar für die Maschinengewehre. Und es ist definitiv, dass die Waffen samt Munition für die Sekte bestimmt waren. Auch mit Drogen soll einiges laufen. Unsere Feststellungen haben ergeben, dass eine New Yorker Gang die Sekte mit Rauschgift belieferte. Man sollte die Ranch vielleicht mal auf den Kopf stellen, Kollege."
"Sheriff Pollock versicherte uns, dass er die Sekte seit Jahren beobachte und dass es keinen Grund gebe, mit polizeilichen Maßnahmen gegen Hamilton und seine Anhänger vorzugehen. Sie sind – so Pollock -, noch nie negativ aufgefallen."