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Eine Weihnachtsgeschichte in 24 Kapiteln, in der es drunter und drüber geht, über die man lachen kann und mit der die unendlich lange Zeit bis Heiligabend im Nu verfliegt! Dreizehn wilde Weihnachtskerle aus Island wollen den Geschwistern Smilla und Snorre ihren größten Wunsch erfüllen und einen echten Weihnachtsbaum besorgen. Knut, der kleinste der Kerle, weiß sogar, wie das Land heißt, aus dem alle Weihnachtsbäume herkommen: Hamburg. Schleunigst machen sie sich auf den Weg. Aber so einfach ist es gar nicht, sich in der Fremde zurechtzufinden und keinen Unfug anzustellen! Denn sie können nichts dafür, dass Langfinger öfters etwas mitgehen lässt, Kuki jede Keksdose plündert und vor Pottpitt kein einziger Kochtopf sicher ist, um nur ein paar Charaktereigenschaften der Weihnachtskerle zu erwähnen. Zum Glück freunden sich die dreizehn mit den Menschenkindern Malte und Antonia an. Die beiden helfen den Kerlen, sich in Hamburg zurechtzufinden. Aber ob sie es auch schaffen werden, rechtzeitig einen Weihnachtsbaum zu organisieren? Mit vielen stimmungsvollen farbigen Bildern von Susanne Göhlich
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Seitenzahl: 95
Barbara Speulhof van den
Dreizehn wilde Weihnachtskerle
Mit farbigen Bildern von Susanne Göhlich
FISCHER E-Books
»Versprochen ist versprochen«, sagte Knut und machte ein feierliches Weihnachtsgesicht. Dabei war noch gar nicht Weihnachten. Erst in ungefähr vier Wochen.
»Versprochen ist versprochen. Und wird auch nicht gebrochen«, nickte Rübe.
Rübe ist nicht nur der größte der dreizehn Weihnachtskerle, er ist auch der älteste.
Die dreizehn Weihnachtskerle standen vor einem festlich geschmückten Tannenbaum. Er war über und über mit silbernen und goldenen Glaskugeln behängt und wurde von mehr als hundert Kerzen beleuchtet. Ein echtes Schmuckstück mitten in der Stadt.
Nachdenklich fuhr sich Rübe durch seinen dünnen langen Bart.
»Die Sache hat nur einen Haken.«
»Welchen Haken?« Knut machte ein unschuldiges Keine-Ahnung-Gesicht.
»Wo wir den Weihnachtsbaum herkriegen sollen, du oller Troll!«, rief Rübe und gab Knut einen brüderlichen Klaps auf den Hinterkopf. Nicht fest, aber doch so fest, dass ihm seine rote Zipfelmütze über die Augen rutschte.
Fast ein Jahr war es nun her, seit die dreizehn Kerle Smilla und Snorre feierlich versprochen hatten, im nächsten Jahr einen Weihnachtsbaum vorbeizubringen.
Einen echten Weihnachtsbaum.
Keinen aus Plastik.
Warum die Eltern von Smilla und Snorre nicht selbst einen Weihnachtsbaum kaufen? Ganz einfach. Weil es dort, wo sie wohnen, keine Bäume gibt. Klingt unglaublich, ist aber wahr.
Jetzt aber von vorn.
Smilla und Snorre sind Geschwister. Smilla ist sechs und Snorre ist acht Jahre alt. Sie leben mit ihren Eltern auf einem Bauernhof im Landesinneren von Island.
Dort wohnen nicht besonders viele Leute. Ziemlich wenig, um genau zu sein. Und hätte man alle, die Beine haben, gezählt, wäre man schnell drauf gekommen, dass es im ganzen Umkreis viel mehr Schafe als Menschen gab.
Das störte aber keinen. Was aber störte, vor allem Smilla und Snorre: Hier gab es keine Tannenbäume.
Das muss man sich mal vorstellen! Keinen Tannenbaum! Keinen einzigen!
Eigentlich waren die Weihnachtskerle letztes Jahr gekommen, um die Kinder ein bisschen zu erschrecken und den üblichen Quatsch zu machen.
Was für ein Quatsch das ist, willst du wissen?
Na ja. Einer trinkt zum Beispiel den Milchkrug leer, ein anderer lässt die Fensterläden klappern und schlägt die Türen zu.
Einer kratzt die Essensreste aus den Kochtöpfen und isst sie auf, ein anderer stibitzt alles, was glitzert und glänzt. Und so weiter.
Jeder der dreizehn hat eine andere Quatschaufgabe.
Und Kindern, die das Jahr über nicht brav gewesen sind, stecken sie Kartoffeln in die Schuhe.
Richtige Kartoffeln. Keine Marzipankartoffeln.
Doch im letzten Jahr war alles anders.
Als die dreizehn Weihnachtskerle auf dem Bauernhof ankamen, guckten sie erst einmal durch das Fenster ins Kinderzimmer. Dort sahen sie zwei Kinder sitzen, die trauriger nicht hätten sein können. Da vergaßen sie allen Unfug, den sie anstellen wollten.
Knut, der Kleinste, weinte sogar ein bisschen wegen der traurigen Kinder.
Dann fasste er sich ein Herz, klopfte an die Tür und bat, höflich wie ein englischer Gentleman, um Einlass.
So erfuhren sie, dass sich die Kinder nichts sehnlichster wünschten als einen Weihnachtsbaum.
Einen richtigen. Einen echten.
Mit Kerzen und Kugeln und Glitzergirlanden und allem, was dazugehört. So einen wie den, der in der Hauptstadt Reykjavík stand. Den kannten Smilla und Snorre nämlich aus dem Fernsehen.
»Wir kümmern uns drum!«, versprach Oskar schließlich und kam sich vor wie ein Held.
Natürlich Oskar! Wer sonst?! Er ist nicht nur der frechste und streitlustigste der Kerle. Er ist auch der mit der größten Klappe.
»Ja, ja! Nächstes Jahr werdet ihr euren Baum bekommen!«, rief Knut aufgeregt. »Weihnachtswunderehrenwort!«
Er hob seine beiden Schwurfinger und verbeugte sich so tief, dass seine Nase sein Knie berührte.
Eine etwas übertriebene Geste, fand Rübe, sagte aber nichts.
Nacheinander gaben alle ihr Ehrenwort und ließen die Kinder mit glänzenden Augen der Vorfreude zurück.
Ohne ihnen Kartoffeln in die Schuhe zu stecken.
Das versteht sich wohl von selbst.
Als der Festtagstrubel vorbei war, hatten sich die Kerle in ihre Höhle zurückgezogen und bis zum Herbst geschlafen. Wie jedes Jahr. Wegen des langen Schlafs hätten sie Smilla und Snorre fast vergessen. Fast. Wäre da nicht Rübe gewesen. Der vergisst nie etwas.
Und nun, ein knappes Jahr später, standen sie in der Hauptstadt Reykjavík und fragten sich, wo sie den versprochenen Tannenbaum herbekommen sollten. Auf ihrem langen Fußmarsch hierher hatten sie nämlich keinen gefunden.
»Warum schnappen wir uns nicht den hier!«, grinste Langfinger und blickte gierig nach oben.
»Vergiss es!«, winkte Oskar ab. »Der passt da nicht rein.«
Er meinte den Koffer, den Langfinger immer bei sich hatte. Irgendwo musste er schließlich seine geklauten Sachen verstecken.
Oskar hatte recht. Der Baum, vor dem sie standen, war höher als ein Haus und breiter als sieben Bürgersteige.
Nicht mal zusammengeklappt hätte er in den Koffer gepasst. Und einen Klappweihnachtsbaum hatten sich Smilla und Snorre sowieso nicht gewünscht.
Ratlos kratzten sich die einen am Kopf, die anderen strichen sich über die Bärte.
Was jetzt?!
Es war halb drei in der Nacht. Menschen waren kaum noch auf den Straßen unterwegs. Nur hin und wieder fuhr ein Auto vorbei. Den Weihnachtskerlen war es egal, denn für Erwachsene waren sie unsichtbar.
»Nur Kinder können uns sehen. Aber auch nur die, die glauben, dass Geschichten wahr sind«, pflegte Pokus zu sagen, wenn er mal von einem Kind gefragt wurde.
Pokus, den sie auch den Magier nannten, ist der achte der Kerle.
»Alle Geschichten sind echt!«, rief Pokus jetzt und schwang seinen Zauberstab durch die Luft, dass die Funken nur so flogen. »So echt wie Magie und Schokoladenkekse. So wirklich wie Träume und Himbeereis. So wahr wie Wünsche und …«
»… und Weihnachtsbäume«, unterbrach ihn Oskar. »Komm jetzt. Wir müssen weitersuchen.«
»Und wo?«, fragte Pokus.
»Keine Ahnung«, antwortete Oskar.
Nachdem sie eine Weile aufgeregt durcheinandergeplappert hatten, gingen sie schließlich zum Hafen. Denn mit Blick auf das Meer ließ sich gut nachdenken, behauptete Rübe, der Älteste.
Und wie sie da so schweigend nebeneinander auf der Mauer saßen, dreizehn Kerle in einer Reihe, wäre keiner, der sie hätte sehen können, auf die Idee gekommen, sie für Brüder zu halten.
Keiner glich dem anderen.
Nicht äußerlich, nicht innerlich.
Es hatte aufgehört zu schneien.
Kalter Wind blies ihnen um die kurzen und langen Nasen, um die krummen und geraden.
Schweigend blickten sie auf das schwarz glitzernde Meer.
»Ich hab’s!«, rief Knut plötzlich und sprang von der Mauer. »Ich hab’s!«
Er hüpfte von einem Bein aufs andere.
»Ich hab’s!«
Knut gefiel es, dass alle gespannt waren, was jetzt kam. Um länger etwas von diesem schönen Gefühl zu haben, rief er noch ein dutzendmal: »Ich hab’s!«.
Wenn Pottpitt, der fünfte der Brüder, ihn nicht gestoppt hätte, wäre er bis zum Sonnenaufgang weitergehüpft.
»Nun sag’s endlich«, drängte Pottpitt und hob Knut kurzerhand an seinem Kragen in die Höhe.
Dass sein kleiner Bruder wild mit den Beinen in der Luft herumstrampelte wie ein Zwerg auf der Flucht vor einem Riesen, störte ihn nicht.
»Ich hab Hunger. Schrecklichen Hunger. Wenn du nicht gleich redest, fress ich dich.«
Du machst dir Sorgen, dass Pottpitt seinen kleinsten Bruder wirklich fressen könnte?
Musst du nicht.
Pottpitt hat immer Hunger. So ist er auch zu seinem Namen gekommen. Weil er Pitt heißt und in jeden Pott hineinplumpst, in dem etwas zu essen ist.
Natürlich fraß er den kleinsten seiner Brüder nicht auf. An diesem Tag nicht und auch nicht an einem anderen.
»Also«, sagte Knut, als er wieder Boden unter den Füßen hatte. »Ich weiß, wo wir den Weihnachtsbaum herkriegen.«
Er schaute in die Runde, um sicher zu sein, dass ihm auch alle zuhörten.
»Hamburg!«, rief er. »Hamburg ist das Land, wo alle Weihnachtsbäume herkommen!«
»Und woher willst du kleiner Schlaumeier das wissen?«, fragte Schnüffelschnäutz und nieste.
»Das habe ich gehört. Von einem echten Kapitän, der mit einem anderen echten Kapitän gesprochen hat!«, sagte Knut und machte ein wichtiges Ich-weiß-Bescheid-Gesicht.
Ein großes Palaver ging los. Wieder plapperten alle durcheinander. Sollte man dem Kleinen glauben? Oder hatte er das gerade eben erfunden?
Da aber keiner eine bessere Idee hatte, beschlossen sie, sich ein Schiff zu suchen, das nach Hamburg fuhr.
An Schiffen mangelte es nicht im Hafen. Aber welches würde sie nach Hamburg bringen?
Lametta, der zwölfte der Kerle, schaltete seine Mützenbeleuchtung ein und schritt wacker voran.
»Sonst sehen wir nix«, erklärte er und ließ sein silbernes Haar im Wind flattern.
Die anderen folgten seinem Lichtschein.
Lametta ist ein wirklich helles Kerlchen. Alles an ihm glitzert, glänzt und funkelt. Das mag er so und lässt sich von keiner Mode etwas anderes vorschreiben.
So irrlichterten sie eine Weile am menschenleeren Kai entlang. Von Schiff zu Schiff.
Um sechs Uhr in der Früh fanden sie endlich, wonach sie gesucht hatten. Ja, es gab keinen Zweifel. Dieses Schiff würde sie an ihr Ziel bringen. In großen Buchstaben stand nämlich HAMBURG drauf.
»Besser, du schaltest jetzt deine Festbeleuchtung aus«, riet Oskar seinem Bruder. »Du solltest Energie sparen. Wir wissen nicht, ob es im fremden Tannenbaumland Batterien gibt.«
Das leuchtete Lametta ein, und er knipste sein Mützenlicht aus.
Dreizehn Herzen klopften aufgeregt im Takt, als sie an Bord gingen.
So eine weite Reise hatten sie noch nie gemacht. Schon gar nicht auf einem Schiff.
»Macht keinen Quatsch«, mahnte Rübe. »Wir sind hier als blinde Passagiere. Und das soll auch so bleiben.«
Knut machte große Augen. »Blind? Wirklich?«
Rübe nickte.
Knut zog sich die Mütze über die Augen.
»Jetzt seh ich nix mehr! Ich bin blind! Ein blinder Passagier!«, rief er und streckte tastend seine Arme aus.
Pokus kicherte, Schnüffelschnäutz nieste, und die anderen lachten sich die Bäuche weh. Alle, bis auf Rübe.
»Der Witz ist länger als mein Bart«, brummte er. »Kommt jetzt. Wir suchen uns jetzt ein schönes warmes Plätzchen unter Deck und schlafen ein wenig.«
Während das Schiff ablegte, schauten sie sich um. Im zweiten Unterdeck fanden sie schließlich eine freie Kabine. Klein, fein und mit einem frisch bezogenen Bett.
Das war prima. Denn ein Bett für einen ausgewachsenen Menschen reicht dicke für dreizehn Weihnachtskerle. Wenn sie sich quer reinlegen anstatt längs.
Sie muckelten sich ein und waren bald darauf eingeschlafen.
Ein guter Moment, um die dreizehn Weihnachtskerle einmal genauer zu betrachten, und zwar der Reihe nach:
Das ist Rübe, der Älteste. Er ist 32,5 Zentimeter groß. Ungefähr. So genau will ich mich lieber nicht festlegen. In jedem Fall ist er der mit der größten Lebenserfahrung. Das sieht man an seinem Gesicht. Sogar, wenn er schläft.
Neben ihm liegt Blanco. Er liebt alles, was weiß ist. Milchschaum, Schnee, Quark, Gletscher, Mehl, Gips und Wände. Wenn sie weiß gestrichen sind, versteht sich. Klingt vielleicht seltsam, ist aber so.
Daneben schläft Waumiau. Nein, er ist kein Chinese. Den Namen haben ihm seine Brüder gegeben, weil er alle Tiere mag, die vier Beine haben. Keiner weiß, woher er das hat. Aber Tatsache ist, dass er die Sprache der Tiere versteht. Das ist manchmal ziemlich praktisch.
Dann kommt Oskar, der Frechste von allen. Wenn es Streit gibt, ist er mittendrin. Wenn es keinen Streit gibt, zettelt er welchen an. Das kann manchmal nerven, aber seine Brüder haben sich daran gewöhnt. Oskar ist eben nur glücklich, wenn was los ist.