2,49 €
Vor Erregung völlig verwirrt ist die sonst so selbstsichere Samantha: Vor ihr steht Matt Warner, der Mann, mit dem sie vor neun Jahren eine leidenschaftliche Affäre hatte, die mit Tränen endete. Und obwohl sie sich jetzt so kühl gibt, weiß sie doch, dass sie bald wieder in seinen Armen liegt …
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 193
IMPRESSUM
Du bist in meinen Träumen erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 1999 by Mary Lyons Originaltitel: „The Playboy’s Baby“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe ROMANABand 1317 - 2000 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: E.M. Simmet
Umschlagsmotive: GettyImages_Anna_Om
Veröffentlicht im ePub Format in 06/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733757526
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY
Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de
Werden Sie Fan vom CORA Verlag auf Facebook.
„Sie sind also die junge Dame, die uns heute Nachmittag über die neuesten Entwicklungen auf dem europäischen Rentenmarkt informieren wird?“
Der grauhaarige Vorstandsvorsitzende eines namhaften amerikanischen Industriekonzerns lächelte die junge blonde Frau freundlich an und fügte mit einem Augenzwinkern hinzu: „Wir sind alle schon sehr gespannt auf Ihre Ausführungen.“
„Nun … ich …“ Samantha Thomas räusperte sich nervös und überlegte verzweifelt, was sie diesem international bekannten Geschäftsmann, der über das Thema ihres Referats sicher mehr zu sagen gewusst hätte als sie, antworten sollte.
Vor Aufregung war sie im Moment keines klaren Gedankens fähig und hatte sogar Mühe, Kaffeetasse und Teller einigermaßen ruhig in der Hand zu halten.
Was, um alles in der Welt, mache ich hier in New York? fragte sie sich verzagt. Wie hatte sie sich nur dazu überreden lassen können, bei diesem hochkarätig besetzten Seminar für internationale Finanzexperten und Wirtschaftsfachleute einen Vortrag zu halten?
Ihr grauhaariger Gesprächspartner schien zu ahnen, was in ihr vorging, denn er klopfte ihr beruhigend auf die Schulter. „Wenn Sie erst einmal so lange wie ich im Geschäft sind, werden Sie erkennen, dass man im Leben nie auslernt. Lassen Sie sich also von uns alten Hasen nicht einschüchtern. Ich bin sicher, Sie werden Ihre Sache gut machen“, fügte er mit einem ermutigenden Lächeln hinzu, ehe er sich einer Gruppe von Wirtschaftsanwälten zuwandte.
Samantha ließ sich von einem vorbeigehenden Kellner Kaffee nachschenken und versuchte, ihre flatternden Nerven wieder unter Kontrolle zu bekommen. Die Organisatoren des Seminars würden sie ja wohl kaum um einen Vortrag gebeten haben, wenn sie kein Vertrauen in ihre berufliche Qualifikation gehabt hätten. Und abgesehen davon hatte sie es beim Pensionsfonds der Minerva Utilities Management London immerhin schon zur Teamleiterin gebracht.
Sie schreckte aus ihren Gedanken hoch, als plötzlich jemand ihren Namen rief. Es war Candy, eine Assistentin des Organisators dieses Seminars.
„Tut mir leid, dass ich Sie vorhin beim Mittagessen allein gelassen habe“, entschuldigte sich das junge Mädchen, nachdem es sich durch die Menge zu Samantha durchgekämpft hatte. „Aber wir hatten ein ernsthaftes Problem. Der Mann, der Sie den Teilnehmern vorstellen und ein paar einleitende Worte zu ihrem Vortrag hätte sagen sollen, ist über Nacht krank geworden. Mein Chef hat den ganzen Vormittag nach einem Ersatz herumtelefoniert. Dass er letztendlich Erfolg hatte, verdanken wir Ihnen.“ Candy lachte. „Offenbar haben Sie an höchster Stelle Freunde.“
In ihrer augenblicklichen Verfassung vermochte Samantha Candys übersprudelndem Redefluss nur schwer zu folgen. „Welche Freunde?“, fragte sie stirnrunzelnd. „Ich kenne so gut wie niemanden hier in New York.“
„So?“ Candy grinste. „Auch nicht den überaus attraktiven Mr. Matthew Warner?“
„Mr. Matthew Warner?“, wiederholte Samantha verwirrt und blickte das dunkelhaarige Mädchen verständnislos an. „Nun ja … ich kannte einmal jemanden, der so hieß, aber … das war in England. Und es ist eine Ewigkeit her. Hier muss ein Irrtum vorliegen.“
„Wohl kaum.“ Wieder lächelte Candy vielsagend. „Der liebe Mr. Warner scheint sich nämlich recht gut an Sie zu erinnern. Zuerst hat er strikt abgelehnt, uns zu helfen. Dann hat ihm mein Boss Ihren Lebenslauf gefaxt, und siehe da, wenig später rief seine Sekretärin an und teilte uns mit, Mr. Warner würde sich freuen, heute Nachmittag hier den Vorsitz zu führen – und die Bekanntschaft mit einer alten Freundin zu erneuern.“
Während Samantha in Gedanken das Rätsel zu entwirren versuchte, versetzte Candy ihr plötzlich einen leichten Stoß mit dem Ellbogen.
„Da ist er schon“, raunte das junge Mädchen ihr zu. „Er steht drüben an der Tür. Falls Sie diesen tollen Typ tatsächlich vergessen haben, sollten Sie sich auf Ihren Geisteszustand untersuchen lassen.“ Candy lachte leise. „Er sieht nicht nur fantastisch aus und ist sagenhaft reich, sondern er ist, wenn ich recht unterrichtet bin, derzeit auch ohne feste Freundin. Ein schöneres Weihnachtsgeschenk kann eine Frau sich doch gar nicht wünschen!“
„Wir haben aber erst April“, hörte Samantha sich erwidern. Was rede ich nur für einen Schwachsinn, dachte sie verärgert und sah zur Tür.
„Wen kümmert’s?“ Candy kicherte. „Ich würde ihn mit oder ohne Schleife zu jeder Jahreszeit nehmen.“
Samantha hörte ihr nicht mehr zu, da ihre Aufmerksamkeit mittlerweile ausschließlich dem großen dunkelhaarigen Mann galt, der lässig im Türrahmen stand und den Blick langsam über die in kleinen Gruppen beieinander stehenden Menschen schweifen ließ. Als sich ihre Blicke trafen, verharrte er sekundenlang reglos, nickte dann fast unmerklich und begann sich einen Weg durch die Menge zu bahnen.
Zuerst hielt Samantha alles für ein großes Missverständnis. Dies konnte unmöglich der Mann sein, an den sie vor vielen Jahren ihr Herz verloren hatte.
Zum einen gab es den Namen „Warner“ nicht gerade selten, und außerdem war jener Matthew Warner, den sie gekannt hatte, ein junger Dozent an der Universität Oxford gewesen und gewöhnlich, wie die meisten seiner Akademikerkollegen, in ausgebeulten Jeans und einem abgewetzten Jackett herumgelaufen. Zwischen ihm und diesem geradezu vornehm aussehenden Mann im teuren Maßanzug lagen Welten.
Andererseits kam ihr jedoch einiges an diesem eleganten Fremden beunruhigend vertraut vor.
Als er schließlich vor ihr stand, hatte sie das Gefühl, als weiche jeder Blutstropfen aus ihrem Gesicht. Mochte ihre Denkfähigkeit vorübergehend auch eingeschränkt sein, so galt das nicht für ihre sinnliche Wahrnehmung. Ihr Puls beschleunigte sich, und sie spürte plötzlich ein flaues Gefühl in der Magengegend.
„Hallo, Sam. Lange nicht gesehen.“
Vor Schreck brachte Samantha keinen Ton heraus. Für einen Augenblick hatte sie sich von dem eleganten Äußeren täuschen lassen, doch als sie nun die dunkle, etwas raue Stimme hörte, bestand kein Zweifel mehr, dass es sich bei diesem Mann tatsächlich um Matt Warner handelte.
Er war der Letzte, den sie hier in New York zu sehen erwartet oder gar zu treffen gewünscht hatte. Wieso tauchte er ausgerechnet jetzt auf, da sie in wenigen Minuten ihren ersten Vortrag vor einem internationalen Publikum halten musste?
Während Candy die günstige Gelegenheit beim Schopf packte und sich vorstellte, stand Samantha noch immer wie vom Donner gerührt neben ihr. Falls sie je gehofft hatte, den Mann wieder zu sehen, der ihr vor Jahren so grausam das Herz gebrochen hatte, dann sicher nicht in einer solchen Situation.
Vielmehr hatte sie sich in ihren Rachefantasien genüsslich allerlei Horroszenarien ausgemalt, wie beispielsweise Matt als heruntergekommenen Bettler vor der Königlichen Oper in Covent Garden wieder zu treffen, der sich demütig für die Münze bedankte, die sie ihm huldvoll zuwarf, ehe sie – im modischen Schick der späten neunziger Jahre gekleidet – am Arm ihres gut aussehenden und eleganten Begleiters die Treppe zum Opernhaus hinaufging.
Im Moment schien eher alles umgekehrt zu verlaufen, denn falls hier jemand ärmlich wirkte, dann höchstens sie in ihrem konventionellen faden Nadelstreifenkostüm und nicht der in feinstes englisches Tuch gekleidete Matt Warner.
„Wie lange bleibst du in der Stadt?“
Blitzartig wurde Samantha bewusst, dass sie bis jetzt von der Unterhaltung so gut wie nichts mitbekommen hatte. „Ich … nun … ich bin nur einige Tage hier.“
Matt schien sich über ihre so offensichtliche Verwirrung zu amüsieren. Er fragte, in welchem Hotel sie wohne, und nickte beifällig, als sie das „Mark“ in der siebenundsiebzigsten Straße nannte. „Dort bist du gut aufgehoben. Und wie gefällt es dir sonst so in New York?“
„Es ist eine … sehr aufregende und lebendige Stadt.“ Inzwischen hatte Samantha sich wieder etwas gefangen. „Tut mir leid, Matt, wenn ich etwas zerstreut wirke. Natürlich finde ich es großartig, dich nach so langer Zeit wieder zu sehen, aber ich muss in wenigen Minuten vor diesen Leuten hier einen Vortrag halten und kann mich jetzt nur schwer auf dich konzentrieren. Um ehrlich zu sein, ich war noch nie in meinem Leben so nervös“, gestand sie, und obwohl ihre Stimme ruhig klang, klapperten Kaffeetasse und Teller in ihren zitternden Händen wie spanische Kastagnetten.
Matthew Warner erfasste die Situation mit einem Blick. Er verabschiedete sich von Candy mit einem charmanten Lächeln und steuerte dann mit Samantha die kleine Bar in einer Ecke des Saals an und bestellte ihr ein Glas Brandy.
„Willst du mich etwa betrunken aufs Podium schicken?“, fragte sie entrüstet.
„Sei still, und trink das hier!“, befahl er.
Sie tat, wie ihr geheißen, protestierte dann aber: „Für dich ist das alles einfach. Du wirst ja nicht da oben stehen und dich vor aller Welt blamieren. Es wird eine einzige Katastrophe werden, das weiß ich schon jetzt.“
„Unsinn!“, widersprach er energisch. „Du warst nicht nur eine meiner besten und intelligentesten Studentinnen, sondern hast bereits eine beachtliche Karriere hinter dir, wenn man deinem Lebenslauf Glauben schenken darf.“
„Das hilft mir jetzt wenig.“ Samantha zuckte die Schultern, schämte sich dann aber plötzlich ihrer so offen gezeigten Schwäche. Noch schlimmer traf es sie, dass Matts Nähe sie nicht unberührt ließ. Oder war dieses Kribbeln im Bauch nur der Wirkung des Brandys zuzuschreiben? Vielleicht sollte sie lieber nochmals einen Blick auf ihr Manuskript werfen.
„Schluss mit dem Gejammere.“ Matts warmes Lächeln nahm seinen Worten die Schärfe. „Ist das die Textvorlage für dein Referat?“, fragte er, als sie einige maschinenbeschriebene Seiten aus ihrer Handtasche holte.
„Ja, ich dachte … He, bist du verrückt geworden?“, rief sie, da er ihr blitzschnell die Blätter aus der Hand genommen hatte. Verlegen blickte sie sich um, doch zum Glück war ihr Aufschrei im allgemeinen Stimmengewirr untergegangen.
Matt blätterte rasch die Seiten durch. „Ich nehme an, du bist mit dem Thema deines Vortrags bestens vertraut.“
„Selbstverständlich!“, bestätigte sie verärgert.
„Dann brauchst du das hier ja nicht“, sagte er ungerührt und zerriss das Manuskript vor ihren Augen. „Es macht nur einen schlechten Eindruck, wenn du ständig in irgendwelchen Notizen blätterst, statt frei zu sprechen.“
„Herzlichen Dank für deine fabelhafte Hilfe“, erwiderte sie. „Was, zum Teufel, soll ich jetzt tun?“
„Du wirst dort hineingehen und die beste Rede deines Lebens halten, liebe Samantha“, entgegnete er liebenswürdig, nahm sie lächelnd am Arm und schlenderte mit ihr in den angrenzenden Konferenzsaal, der sich allmählich wieder mit Zuhörern zu füllen begann.
„Das werde ich dir nie vergessen!“, stieß sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „In meinem ganzen Leben nicht!“
Er lachte leise. „Darauf zähle ich. Wenn wir heute Abend essen gehen, erwarte ich nämlich, dass du dich gebührend bei mir bedankst.“
„Höchstens in deinen Träumen!“
„Nun …“ Er musterte die junge Frau an seiner Seite nachdenklich. Das lange blonde Haar fiel ihr in weichen Wellen über die Schultern und umrahmte ein herzförmiges Gesicht mit großen blauen Augen. „Man könnte wirklich ins Träumen geraten, wenn man dich so ansieht“, meinte er.
„So, und nun hol tief Luft“, fuhr er in energischem Ton fort, „und zeig den Leuten hier, was in dir steckt. Wetten, dass man dir begeistert applaudieren wird?“
Samantha betrat ihr Hotelzimmer, warf die Handtasche auf einen Stuhl, streifte die Schuhe ab und sank erschöpft auf das breite Bett.
Was für ein Tag! Sie schloss die Augen, um sich zu entspannen und noch einmal in Ruhe die Ereignisse der vergangenen Stunden zu überdenken.
Zu Beginn der nachmittäglichen Sitzung hatte sie wie gelähmt neben Matt oben auf dem Podium gesessen und befürchtet, vor lauter Lampenfieber keinen Ton herauszubringen. Doch als Matt dann zum Rednerpult ging und die Sitzung eröffnete, wurde ihr schnell klar, wie glücklich sie sich schätzen durfte, dass ausgerechnet er an diesem Nachmittag den Vorsitz führte. Gleich zu Anfang brachte er die Anwesenden mit einigen witzigen Bemerkungen über das Geschehen in der Wall Street zum Lachen und schuf dadurch eine entspannte Atmosphäre im Saal.
Nun empfand auch Samantha das Publikum nicht mehr als so Furcht einflößend und trat einigermaßen gefasst ans Mikrofon. Schon nach den ersten Worten spürte sie ein echtes Interesse der Zuhörer, und da sie ihr Metier beherrschte, bereitete es ihr keine Mühe, in freier Rede über die Entwicklungen auf dem europäischen Rentenmarkt zu berichten. Zum Ende ihres Vortrags erntete sie großen Beifall und verließ zwar erschöpft, aber gleichzeitig in Hochstimmung das Podium. Sofort wurde sie von Leuten umringt, die ihr zu dem gelungenen Referat gratulierten und sie mit Fragen bestürmten. Im allgemeinen Trubel verlor sie Matt aus den Augen, und als sie endlich zum Atemholen kam und sich nach ihm umsah, war er verschwunden.
Da er nicht wieder aufgetaucht war, hatte Samantha sich schließlich ins Hotel zurückfahren lassen.
Bei dem Gedanken an Matt setzte sie sich nun unwillkürlich im Bett auf. Sie hätte sich gern bei ihm bedankt, wusste jedoch nicht, wie sie mit ihm in Kontakt treten konnte. Ihr war nicht einmal bekannt, ob er sich nur vorübergehend in New York aufhielt oder ständig hier lebte.
Im Nachhinein schämte sie sich, dass sie ihm bei ihrem unverhofften Wiedersehen heute Nachmittag nur etwas vorgejammert und sich mit keiner Silbe danach erkundigt hatte, wie es ihm in den letzten neun Jahren ergangen war.
Möglicherweise konnte sie ja von Candy erfahren, wie Matt zu erreichen war. Samantha sah auf die Uhr. Verflixt, es war bereits halb sieben. An einem Freitagabend um diese Zeit war das Büro der Organisationsgesellschaft bestimmt nicht mehr besetzt. Da sie am Montag früh zurück nach London fliegen wollte, würde sie wohl kaum mehr Gelegenheit finden, sich bei Matt persönlich für die tatkräftige Hilfe zu bedanken.
Vielleicht sollte ich darüber sogar froh sein, sagte sie sich, denn obgleich sie beim heutigen Wiedersehen hauptsächlich mit ihren eigenen Problemen beschäftigt gewesen war, hatte sie sich noch immer stark zu Matt hingezogen gefühlt.
Plötzlich überkam sie eine tiefe Traurigkeit, und sie ließ sich kraftlos in die Kissen zurücksinken. Sicher, es hatte nach Matt andere Männer in ihrem Leben gegeben, ganz zu schweigen von der kurzen katastrophalen Ehe, mit der sie sich über die Trennung von ihm hatte hinwegtrösten wollen. Aber niemals wieder hatte sie einen Mann so leidenschaftlich und hingebungsvoll geliebt wie ihn.
Es hat wenig Sinn, jetzt in wehmütigen Erinnerungen zu schwelgen, ermahnte sie sich, denn das alles war schon eine Ewigkeit her. In der Zwischenzeit hatte es viele Veränderungen in ihrem Leben gegeben, und sie war längst nicht mehr das unerfahrene und leicht zu beeindruckende Mädchen von damals.
Es gab so vieles, wofür sie dankbar sein sollte. Sie hatte einen Job, der ihr Spaß machte, nannte ein schickes Penthouse in der Londoner Innenstadt ihr Eigen, war stolze Besitzerin eines schnittigen Sportwagens und verdiente nach Meinung ihrer Eltern und ihrer beiden Schwestern geradezu unanständig viel Geld.
Während Samantha sich noch einzureden versuchte, dass sie wunschlos glücklich sei und nichts weniger brauche als eine unglückliche Liebesromanze, begann plötzlich das Faxgerät zu summen.
Na großartig, dachte Samantha nicht gerade erfreut und rappelte sich vom Bett hoch. Neben höchstem Wohnkomfort bot das „Mark“ den Gästen auch alle Errungenschaften moderner Kommunikationstechnik. Auf dem Schreibtisch im Chippendalestil standen ein Telefon und ein Faxgerät, und natürlich war auch ein Internetanschluss für ihren Laptop vorhanden.
Sie hatte also verschiedene Möglichkeiten, mit ihrem Londoner Büro in Verbindung zu bleiben. Allerdings hatte sie nicht erwartet, dass man sich um diese Zeit – in London war es jetzt Mitternacht – bei ihr melden würde. Es musste sich um etwas sehr Dringendes handeln.
Neugierig griff sie nach dem Fax und zog erstaunt die Brauen hoch. Das Schreiben kam nicht aus London. Vielmehr war als Absender die Broadwood Securities Inc. angegeben, ein weltbekannter amerikanischer Versicherungskonzern. Samanthas Augen weiteten sich noch mehr, als sie die Unterschrift las: Matthew Warner, Vorstandsvorsitzender und Generalmanager.
Sie pfiff leise durch Zähne. Wow! Wie es schien, hatte Candy nicht übertrieben. Matt war tatsächlich ein hohes Tier in der Wall Street. Nun verstand Samantha, warum ihm die Seminarteilnehmer heute Nachmittag förmlich aus der Hand gefressen hatten.
Gleichzeitig erhielt ihr Selbstbewusstsein einen empfindlichen Dämpfer. Vermutlich hatte man ihren Ausführungen nur deshalb so aufmerksam gelauscht, weil der Chef eines internationalen Konzerns sie höchstpersönlich dem Publikum vorgestellt hatte.
Man soll sich niemals selbst überschätzen, sagte sich Samantha reumütig und machte sich ans Lesen. Es war ein recht kurzer Brief, in dem Matt sie an seine Einladung zum Abendessen erinnerte und ihr mitteilte, er habe einen Tisch im „Vier Jahreszeiten“ reservieren lassen und würde sie um halb acht im Hotel abholen.
Was bildete der Mann sich eigentlich ein? Woher wollte er wissen, dass sie nicht bereits haufenweise Einladungen zum Abendessen bekommen hatte? Sekundenlang überlegte Samantha ernsthaft, ihm zu faxen, er möge sich zum Teufel scheren.
Dann besann sie sich, dass sie ihm ja zu großem Dank verpflichtet war – und abgesehen davon wollte sie ihn tatsächlich gern noch einmal wieder sehen. Sie warf einen Blick auf die Uhr. Ihr blieb gerade noch eine halbe Stunde Zeit, um sich fertig zu machen. Was, zum Teufel, sollte sie nur anziehen? Das „Vier Jahreszeiten“ war eines der vornehmsten Hotels in der Stadt, das wusste selbst sie, die New York nur flüchtig kannte.
Fünfundzwanzig Minuten später begutachtete Samantha sich kritisch im wandhohen Spiegel des geräumigen Badezimmers. Zum Glück hatte sie zu der für eine reine Geschäftsreise ausgewählten Garderobe noch in letzter Minute ihr „kleines Schwarzes“ in den Koffer gepackt.
Das Kleid aus schwarzem Seidenkrepp hatte einen klassischen Schnitt und zählte zu ihren besten Stücken, doch es riss niemanden vom Hocker. Und wenngleich die einreihige Perlenkette recht vorteilhaft die schlanke Linie ihres Halses betonte, war nicht zu übersehen, dass ihr Kleid von keinem Edeldesigner stammte.
Na und? Wieso mache ich mir darüber eigentlich Gedanken? fragte sie sich verärgert. Falls Matt sie nicht schick genug fand, war das sein Problem, nicht ihres.
Entgegen ihren Befürchtungen schien er von ihrem Aussehen keineswegs enttäuscht zu sein, wie ihr der bewundernde Blick verriet, mit dem er sie Minuten später in der Hotelhalle musterte, ehe er sie zu einer vor dem Eingang bereitstehenden Limousine führte, die von einem Chauffeur gesteuert wurde.
Mit den um einen leise plätschernden Marmorspringbrunnen gruppierten Tischen und bequemen Stühlen wurde das Restaurant seinem exquisiten Ruf durchaus gerecht.
Niemand hatte Samantha allerdings davor gewarnt, wie leicht man hier in eine sentimentale Stimmung geraten konnte. Das Licht war gedämpft, die Fenster waren mit silbern schimmernden Perlenschnüren verhangen, und die diskreten Kellner bewegten sich nahezu lautlos durch den Raum. Aber vielleicht empfand ja auch nur sie die Atmosphäre als besonders romantisch, da dieser ganze Abend ihr seltsam unwirklich vorkam und sie sich wie verzaubert fühlte.
Kaum zu glauben, wie vertraut sie und Matt einander nach all den Jahren noch waren. Nichts schien sich zwischen ihnen geändert zu haben, aber das war natürlich ein gefährlicher Trugschluss.
Nur weil sie beide eine Vorliebe für schwarzen Humor hatten und mit einem gewissen Vergnügen über manche Persönlichkeiten der internationalen Finanzwelt lästerten, hieß das nicht, dass sie auch sonst viel gemeinsam hatten. Und obwohl sie Matt noch immer umwerfend attraktiv fand und – wie sie sich beschämt eingestand – das unsinnige Verlangen verspürte, sich in seine Arme zu werfen, war es höchst unwahrscheinlich, dass es ihm mit ihr ähnlich ging.
Zugegeben, er sprühte nur so vor Charme und war ganz offensichtlich bemüht, ihr einen unterhaltsamen Abend zu bieten, aber er erwähnte mit keinem Wort, dass sie sich einmal sehr nahe gestanden hatten. Selbst als er nun berichtete, wie er als junger Professor in Oxford vom Kopfjäger einer amerikanischen Bank angeworben worden war, sich später auf die Sanierung maroder Unternehmen spezialisiert hatte und erst vor Kurzem zum Generalmanager zu Broadwood avancierte, unterließ er jeden Hinweis auf ihre leidenschaftliche Affäre vor neun Jahren, die für Samantha mit Tränen geendet hatte.
Für sie war eine Welt zusammengebrochen, als Matt damals mit ihr Schluss gemacht hatte. Aus heutiger Sicht verstand sie, dass er so hatte handeln müssen, um nicht seine berufliche Position und ihre, Samanthas, spätere Karriere zu gefährden. Liebesbeziehungen zwischen Professoren und Studenten waren bei der Universitätsleitung verpönt.
Allerdings hatte er bei der Trennung wenig Feingefühl bewiesen und Samantha einfach vor vollendete Tatsachen gestellt. Trotzdem schien seine Anziehungskraft auf sie ungebrochen zu sein.
Wahrscheinlich ist mir der Wein zu Kopf gestiegen, überlegte sie, da sie sich auf einmal so leicht und unbeschwert fühlte. Abgesehen davon verkörperte dieser Mann ja auch die leibhaftige Versuchung, und sie war schließlich auch nur ein Mensch. Was konnte sie dafür, dass jedes Mal ein heißer Schauer sie überlief, wenn seine Hand sie versehentlich streifte oder ihre Knie sich unabsichtlich unter dem Tisch berührten?
„So, Sam“, riss seine tiefe Stimme sie aus ihren Gedanken, „über mich haben wir jetzt genug geredet, und ich würde nun gern wissen, was du so gemacht hast?“
„Na ja …“, begann sie zögernd und versuchte sich innerlich gegen seine starke sinnliche Ausstrahlung zu wappnen. „Es war eine recht hektische Zeit, und ich arbeite jetzt …“
Er winkte mit seiner schlanken Hand lässig ab. „Deinen beruflichen Werdegang kenne ich bereits“, unterbrach er sie. „Mich interessiert mehr dein Privatleben. In deinem Lebenslauf wurde kein Ehemann erwähnt.“
„Nun …“ Um Zeit zu gewinnen, trank sie erst einmal etwas Wein, während sie überlegte, ob sie Matt von ihrer kurzen Ehe erzählen sollte. Sie hatte Alan Gifford damals aus allen möglichen Gründen geheiratet, aber bestimmt nicht aus Liebe. Vielmehr hatte sie sich beweisen wollen, dass Matt ihr egal war, dass sie nicht auf ihn angewiesen war und es genügend andere Männer gab, die sie attraktiv fanden. Es war ihr peinlich, Matt dieses kindische Verhalten jetzt einzugestehen.
„Nein, ich bin nicht verheiratet“, sagte sie und hatte damit zumindest nicht gelogen. „Natürlich hatte ich einige ernsthafte Beziehungen, aber …“
„Das war anzunehmen“, meinte er gelassen, und als er ihr nun forschend ins Gesicht sah, verrieten seine grünen Augen nicht, was er wirklich dachte. „Und wie sieht’s momentan aus? Hast du einen festen Freund?“
„Nicht … direkt“, antwortete sie ausweichend und spürte verärgert, wie sie rot wurde. „Und wie steht’s mit dir?“, wechselte sie rasch das Thema.
„Ich bin ebenfalls noch Single, was nicht heißt, dass ich die ganze Zeit über wie ein Mönch gelebt habe.“
Darauf würde ich wetten, dachte Samantha grimmig und schämte sich, als sie bei sich einen Anflug von Eifersucht feststellte. Es war völlig absurd, da sie und Matt sich seit Jahren nicht mehr gesehen hatten und sie außerdem inzwischen sogar verheiratet gewesen war.
„Während der letzten drei Jahre hatte ich eine feste Freundin.“
„Wie schön für dich!“ Sie rang sich ein warmes Lächeln ab, denn nie im Leben hätte sie zugegeben, wie sehr seine Mitteilung sie traf. „Schade, dass du deine Freundin nicht zum Essen mitgebracht hast. Wenn ich das nächste Mal nach New York komme, musst du sie mir unbedingt vorstellen.“
„Das wird sich schlecht machen lassen“, erwiderte Matt lächelnd, und seine grünen Augen blitzten amüsiert. „Wir haben uns vor Kurzem getrennt.“