Duell für zwei Herzen - Barbara Cartland - E-Book

Duell für zwei Herzen E-Book

Barbara Cartland

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Beschreibung

Der Marquis von Sarne, ein sehr attraktiver und wohlhabender Junggeselle, dem all Frauenherzen zufliegen und der sowohl in sportlichen als auch geschäftlichen Belangen sehr erfolgreich ist, hat in Lord Kirkhampton einen erklärten Widersacher, der die Erfolge des Marquis eifersüchtig verfolgt. Lord Kirkhampton schreckt vor nichts zurück und will dem Marquis eine tüchtige Lehre erteilen. Er spinnt eine Intrige, wobei er den Marquis von Sarne völlig betäubt – am nächsten Tag findet der Marquis eine Heiratsurkunde neben sich und eine verstörte Romana Wardell, eine junge Dame vom Lande, die behauptet mit ihm verheiratet zu sein. Um Lord Kirkhampton nicht die Genugtuung eines Skandals zu geben, versucht Mister Barnham, der Sekretär des Marquis, diesen zu überzeugen, dass er Romana eine Chance geben sollte. Wird der Marquis erkennen, dass Romana Wardell nicht ein ungebildetes Mädchen vom Lande ist, sondern dass sie die Intelligenz ihres Vaters, einem Gelehrten, geerbt hat und sich schwierigen Situationen selbstbewusst stellen kann? Werden sie zwischen all den Intrigen zueinander finden oder wird Lord Kirkhampton sein Ziel erreichen und Marquis von Sarne in den gesellschaftlichen Ruin oder sogar den Tod stürzen?

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Die Hauptpersonen Dieses Romans

Marquis von Sarne

Ein sehr angesehener, vermögender Adliger am Hofe Georgs III. Dem außergewöhnlich attraktiven Junggesellen fliegen alle Frauenherzen zu.

Romana Wardell

Tochter eines Gelehrten, will nach dem Tod ihrer Eltern in London ihr Glück versuchen.

Nicole de Pret

Eine Jugendfreundin von Romana. Sie tanzt an der Covent Garden Oper in London.

Lord Kirkhampton

Ein erklärter Widersacher des Marquis von Sarne. Eifersüchtig beobachtet er die Erfolge seines Nebenbuhlers bei den Frauen und beschließt, ihm einen Denkzettel zu verpassen.

Die Autorin über diesen Roman

Stellen Sie sich doch einmal vor: Ein überzeugter Junggeselle, den Sie gut kennen, wird bei einem gerissenen Komplott mit einer Droge in Tiefschlaf versetzt. Am nächsten Morgen wacht er als verheirateter Mann wieder auf.

Kaum möglich, würden Sie protestieren, bei den heutigen Gesetzen und Standesämtern.

Aber genau das geschieht in diesem Roman. Denn solche Racheakte waren im frivolen, leichtlebigen London um 1800 durchaus üblich. Vorausgesetzt, es fand sich ein bestechlicher Priester aus der Gefängnisumgebung für die illegale Trauung. Und einen solchen Geistlichen benutzte der rachsüchtige Lord Kirkhampton, um seinen verhassten Gegner, den Marquis von Sarne, mit einem naiven Mädchen vom Lande zu verheiraten. Scheidung bedeutete damals aber noch gesellschaftlichen Skandal, und den wollte der Marquis um jeden Preis vermeiden. Daher traf ihn seine neue Lage als frischgebackener, höchst unfreiwilliger Ehemann auch doppelt hart…

Erstes Kapitel ~ 1802

Ein Stöhnen kam über die Lippen des Marquis von Sarne, als er sich bewegte. Träume ich, dachte er, oder spüre ich diesen höllischen Schmerz in meinem Kopf tatsächlich…?

Als er die Augen wieder öffnete, schien es ihm, als sei eine Ewigkeit vergangen. Er stellte fest, dass er sich in fremder Umgebung befand, und schloss die Augen sofort wieder…

Sein Kopf schmerzte noch immer. Aber langsam kam ihm nun bruchstückweise die Erinnerung zurück...

Er merkte jetzt auch, dass sein Mund wie ausgetrocknet war und seine Lippen spröde und rissig. Der Durst überkam ihn mit solcher Gewalt, dass er sich zwang, die Augen zu öffnen und den Blick auf die gegenüberliegende Wand zu richten.

Dort entdeckte er einen Kamin, und darüber hing ein Gemälde, das er noch nie in seinem Leben gesehen hatte.

Durch das vorhanglose Fenster fiel Tageslicht in den Raum, und er konnte Möbel von einer solchen Qualität und Eleganz erkennen, wie sie sich in keinem seiner Häuser fanden.

Erneut schloss er für einen Augenblick die Augen, um sie dann energisch wieder aufzumachen.

Wo war er, und warum, zum Teufel noch einmal, fühlte er sich so sterbenselend?

Er richtete sich vorsichtig auf, und dabei entdeckte er ein Stück Papier, das auf seiner Brust lag.

Ohne den Kopf unnötig zu bewegen, stellte er fest, dass er noch seine Abendkleidung trug.

Was war geschehen? Und wer hatte ihm dieses Papier auf die Brust gelegt?

Es schien ihm alles unbegreiflich, bis ihm plötzlich durch den Kopf schoss, dass er ja in Abendkleidung gewesen war, als er Nicole de Pret zum Abendessen ausgeführt hatte.

Jetzt fiel ihm alles wieder ein. Er hatte in seiner Kutsche am Bühnenausgang von Covent Garden auf sie gewartet. Und als er sie in ihrer Garderobe abgeholt hatte, sah sie so bezaubernd aus, als warte sie auf den Beifall aller Zuschauer.

„Wollen Sie das Abendessen mit mir wirklich in Ihrer Wohnung einnehmen?“ hatte er gefragt, als er ihre schmale Hand mit den langen schlanken Fingern an seine Lippen zog. Es waren wohl ihre Hände gewesen, die zuerst seine Aufmerksamkeit erregt hatten. Nicole bewegte sie mit viel mehr Anmut als die anderen Tänzerinnen des Corps de Ballet.

„Wie Euer Lordschaft wünschen.“ Sie antwortete in einem reizenden, gebrochenen Englisch. „Aber chez moi sein schon alles vorbereitet.“

Bei den Dandys von St. James war es Mode, Liebschaften mit Französinnen zu haben. Diese Damen waren in den verschiedensten Rollen auf der Bühne zu sehen und tanzten im allgemeinen besser als die Engländerinnen.

Unter dem Schutz des Marquis hatte sich eine spanische Tänzerin befunden, die ihn ein ganzes Jahr lang mit ihren Reizen erfreute. Und nun hatte er gedacht, dass Nicole de Pret wunderbar ihren Platz einnehmen könnte. Darüber wollte er beim Abendessen mit ihr reden.

Er legte Nicole ein undefinierbares Pelz-Cape um die Schultern und fand, dass dieser Pelz nicht besonders geeignet sei, ihre Schönheit zu unterstreichen. Dann stiegen sie die schmale Eisentreppe hinunter, die zum Bühnenausgang führte.

Der Marquis war sicher, dass Nicole seine Kutsche bewundern würde, denn in ganz London gab es keine elegantere und keine, die von rassigeren Pferden gezogen wurde.

Auch der Kutscher in würdevoller Livree und der Lakai, der die Tür für seine Herrschaft öffnete, wurden von der wartenden Menge am Bühnenausgang eingehend bewundert.

Nicole de Pret lehnte sich in die weichen Polster der Kutsche zurück.

„Sie in großem Stil leben, Mylord“, meinte sie.

„Ich hoffe sehr, dass Sie das künftig mit mir gemeinsam tun werden“, antwortete der Marquis.

Im Licht der Kerzen, die in den versilberten Laternen im Innern der Kutsche brannten, sah er, wie sie ihm unter ihren langen dunklen Wimpern einen interessierten Blick zuwarf.

„Sein das eine Einladung?“

„Ich werde es Ihnen etwas förmlicher erklären, wenn wir das Abendessen eingenommen haben“, erwiderte der Marquis.

Sie lächelte, und er war sich nicht sicher, ob sie seinen Schutz sofort annehmen oder aber Ausflüchte finden würde, um sich interessanter zu machen.

Wie auch immer, dachte er, der Ausgang war unvermeidlich. Es gab keine Frau in London, die nicht bereit war, sich in seine Arme zu stürzen, wenn er nur in ihre Richtung sah.

Und was die Schönen der gehobenen Gesellschaft betraf, die von seinen Freunden hofiert wurden, so zeigten sie ihm nur zu deutlich, dass er eigentlich der Mann war, der sie vor allen anderen interessierte.

Nicole de Pret sprach kein Wort, und es gefiel ihm, dass sie auch keinen Versuch machte, ihn für sich einzunehmen, und einfach darauf wartete, dass er sie anredete.

Er hatte den Eindruck, dass sie aus besserem Stall war als die meisten Ballettmädchen, obwohl es nicht ganz leicht war, die Herkunft einer Ausländerin abzuschätzen.

„Sind Sie schon lange in England?“

„Schon als ich war ein Kind“, antwortete sie in leicht gebrochenem Englisch.

Der Marquis zog die Augenbrauen hoch, und sie erklärte weiter: „Während der Revolution sein meine Eltern herübergekommen. Sie haben alles verloren, was sie besaßen. So ich müssen für meine Unterhalt arbeiten.“

Dies war eine so vertraute Story unter den Französinnen in London, dass der Marquis sie nicht eine Sekunde lang glaubte.

Aber da Nicole offensichtlich annahm, dass er ihr glaubte, drückte er mit einem mitfühlenden Seufzer sein Bedauern aus.

Dann meinte er: „Ich sehe, dass dieser Pelz, den Sie tragen, Ihrer Schönheit nicht wert ist. Sie müssen mir erlauben, ihn durch einen Zobel zu ersetzen - oder würden Sie einen Hermelin vorziehen?“

„Das ich müssen überlegen, Mylord“, antwortete Nicole. „Aber Sie sein sehr großzügig.“

„Das möchte ich Ihnen gegenüber auch sein.“

Die Kutsche fuhr vor einem Haus in Chelsea vor. Der Marquis betrachtete es prüfend, als er hinter Nicole de Pret ausstieg.

Nachdem sie seine Einladung früh am Tag angenommen hatte, hatte er zu seiner Überraschung von ihr ein Briefchen bekommen, in dem sie darauf bestand, dass sie bei ihr zu Hause dinierten und nicht in einem der bekannten Restaurants, wo der Marquis gewöhnlich einen besonderen Raum reservieren ließ.

Er hatte ihre Gastfreundschaft angenommen, hatte jedoch darauf bestanden, dass er für den Wein sorgte, den sie trinken würden.

Aus Erfahrung wusste er, dass Frauen wie Nicole nichts von Wein verstanden, und er hatte nicht die Absicht, sich den Magen mit schlechtem Wein zu verderben.

Deshalb hatte er seinen Kutscher am Nachmittag mit einer Kiste Rotwein, einer Kiste Champagner und einigen Flaschen besten Brandys zu Nicoles Haus geschickt.

„Und wie ist es mit Speisen, Mylord?“ hatte sein Sekretär, Mister Barnham, gefragt.

Er kümmerte sich um diese Dinge, und er wusste, dass der Marquis den weiteren Verlauf des Abends nicht genießen konnte, wenn Speisen und Wein nicht seinen Ansprüchen genügten.

„Sie lassen besser eine Pastete und ein Stück kaltes Fleisch hinschicken für den Fall, dass die Speisen, die sie anbietet, nicht genießbar sind“, meinte der Marquis.

Er war angenehm überrascht, als er Nicoles Haus betrat, denn es war von innen viel ansprechender als von außen.

In Chelsea waren die Häuser billig, und zahlreiche Dandys bevorzugten daher dort Häuser für ihre auserwählten Damen. Diese Sitte bestand schon seit Charles II.

Das Haus, in das Nicole ihn nun führte, war klein, jedoch geschmackvoll möbliert, und der Marquis war nicht überrascht, als Nicole vorschlug: „Ich denken, wir speisen oben in meine Salon. Dort sein es viel gemütlicher als im Speisezimmer.“ „Das wäre sehr hübsch“, meinte der Marquis zustimmend.

Der Abend verlief genau nach seinem Plan, wie ein Theaterstück, das er schon ein paar Dutzend Male gesehen hatte.

Nicole ging vor ihm die schmale, mit dickem Teppich belegte Treppe hinauf, und der Marquis bewunderte ihre schlanke Figur und die Grazie ihrer Bewegungen.

Sie ist vollkommen, dachte er bei sich.

Zufrieden sagte er sich, dass er diesen Abend genießen würde und dass ihm noch zahlreiche ähnliche Abende folgen würden.

Der Salon hatte zwei große Fenster und war mit erstaunlich viel Geschmack eingerichtet. Vor einem der Fenster sah er einen gedeckten Tisch. Ein Leuchter mit vier Kerzen stand darauf, die ein Mädchen in Häubchen und Spitzenschürzchen gerade anzündete.

„Sie haben geschickt viele Speisen mit Wein, Mylord“, sagte Nicole. „Ich glauben, dass sein nicht nötig gewesen.“

„Ich wollte Ihnen damit nichts aufzwingen“, erwiderte der Marquis. „Ich wollte Ihnen nur Schwierigkeiten und Unkosten ersparen.“

„Ich haben Ihre Speisen mit meine Spezialgerichte zusammengemischt. Wenn Essen vorbei sein, Sie können sagen, welche Sie bevorzugen.“

Sie schenkte ihm einen kurzen, verführerischen Blick und fügte hinzu: „Ich würden sein sehr enttäuscht, wenn ich sein Verlierer. Das verstehen Sie doch!“

„Das könnten Sie nie sein! Nicht, was mich angeht.“

Nicole ging durch den Raum zu einem kleinen Tischchen, auf dem in einem Silberkübel mit Eisstücken eine Flasche Champagner stand.

Sie füllte zwei Gläser und brachte eines dem Marquis, der am Kamin lehnte und sie beobachtete. Bewunderung lag in seinem Blick.

Er nahm das Glas entgegen und fragte: „Darf ich auf Ihre schönen Augen trinken? Oder auf unsere glückliche, gemeinsame Zukunft?“

„Sie sein sehr sicher, dass wir bleiben zusammen?“

„Diese Entscheidung liegt natürlich ganz bei Ihnen.“

Er wusste, dass diese Bemerkung eigentlich überflüssig war. Sie würde, wie jede andere Frau aus der Theaterwelt, nur zu gern annehmen. Er konnte es sich leisten, sehr großzügig zu sein, und hatte diesen Ruf der Großzügigkeit.

Die einzige Schwierigkeit lag nur darin, und Nicole hatte schon darüber gehört, dass sein Interesse an einer Frau nie lange währte.

„Wir müssen das ganz einfach hinnehmen“, hatte eine Dame, mit der ihn eine kurze Affäre verbunden hatte, einmal zu einer anderen gesagt. „Er ist heute bei mir, und morgen ist er fort. Also nütze die Chance, solange du sie hast.“

Diese Bemerkung hatte ihn amüsiert. Er wusste, dass es der Wahrheit entsprach. Ihn reizte es, eine Frau zu erobern in der Hoffnung, dass sie sich von den früheren Geliebten ein wenig unterscheiden könnte.

Aber es wäre falsch, sich besonderen Hoffnungen hinzugeben, und so hatte ein Zyniker im vornehmen White’s Club einmal gesagt: „Bei Nacht sind alle Katzen grau.“

Gleichzeitig liebte der Marquis Frauen, weil sie für ihn Entspannung bedeuteten, die er nach seinen anderen Beschäftigungen suchte.

Er war ein angesehener Sportsmann, den man auf jedem Pferderennplatz antraf, und gleichzeitig einer der besten Degenfechter Englands.

Der Prinz von Wales fragte ihn sogar um seinen Rat, wenn er sich neue Pferde kaufen wollte.

Neben diesen sportlichen Interessen wurde der Marquis oft in das Oberhaus berufen. Er war ein hervorragender Redner, und wenn man ihn dazu überredete, einen Fall zu übernehmen, so tat er das mit einer Bravour, die ihn zum Favoriten des Premierministers machte, ihm dafür aber den Hass der Opposition eintrug.

Die übrige Zeit war er mit seinen Besitztümern beschäftigt.

Sarne, sein Herrensitz in Kent, war nicht nur eines der größten und meistbewunderten Häuser des Landes. Denn die Gesellschaften, die der Marquis dort gab, waren so exklusiv und interessant, dass einem Gerücht nach sogar der Prinz von Wales um eine Einladung zu bitten pflegte.

Der Marquis hatte noch weiteren Landbesitz, und alle diese Häuser hatten etwas besonders Interessantes und Typisches und wurden mit größter Sorgfalt von ihm gepflegt.

Erst in der vergangenen Woche hatte jemand zu ihm gesagt: „Die einzige Schwierigkeit mit Ihnen, Sarne, ist, dass Sie zu perfekt sind. Das, was Sie brauchen, ist eine Frau, die Sie auf dem Boden der Tatsachen hält und die Sie ein bisschen unter dem Daumen hat.“

„Glauben Sie wirklich, dass eine Frau das schafft?“ hatte der Marquis spöttisch gefragt.

„Frauen haben die Gabe, die Männer zu beherrschen, so oder so“, hatte sein Freund geantwortet.

„Dann werde ich die Ausnahme sein“, hatte der Marquis gemeint. „Ich versichere Ihnen, dass ich mir meine Ehefrau genauso sorgfältig aussuchen werde wie meine Pferde.“

„Und wie ich Sie verdammten Glückspilz kenne, wird die Frau ein solches Vollblut sein, dass sie Ihnen den Siegespokal aus Ascot nach Hause bringen wird.“

Der Marquis lachte.

„Sie erwarten so viel von mir, dass ich es vorziehe, ewiger Junggeselle zu bleiben.“

„Sie werden sich doch aber einen Sohn wünschen, der den ganzen Reichtum einmal erbt.“

„Das hat noch sehr viel Zeit“, erwiderte der Marquis.

Tatsache war, dass er eine Heirat mied, weil er bei einigen seiner Freunde miterleben musste, wie wenig beneidenswert der Ehestand war.

Er hatte das Glück gehabt, schon mit zwanzig Jahren den Titel von seinem Vater zu erben. Das bedeutete, dass es niemanden gab, der ihn in eine Ehe zwingen konnte. So war es nämlich den meisten jungen Männern ergangen, die mit ihm zusammen in Oxford gewesen waren.

Der Marquis genoss daher sein Junggesellenleben und vermied jeden Gedanken an eine Heirat. Ihm war natürlich klar, dass er irgendwann einen Erben brauchte, doch war er noch jung, gerade neunundzwanzig Jahre alt, und so hatte es mit der Hochzeit keine Eile…

Während er seinen eigenen, hervorragenden Champagner trank, trug nun eine Dienerin eine Reihe von Schüsseln herein. Die Speisen sahen appetitlich aus und dufteten auch so, und es schien nicht nötig, auf die eigenen Pasteten zurückzukommen, die auch aufgetragen worden waren.

Der Marquis nahm Nicole gegenüber am Tisch Platz. Im Licht der Kerzen sah sie besonders reizvoll aus. Ihre leicht schräg gestellten dunklen Augen gefielen ihm, und ihr Gesicht wirkte rein und nicht verlebt, obwohl sie sich geschickt geschminkt hatte.

Sie plauderten über das Theater, und der Marquis amüsierte sich sehr, als Nicole von den Launen der Primadonnen erzählte.

„Sind Sie schon lange beim Theater?“ fragte er.

„Es sein drei Jahre, Mylord.“

„Warum habe ich Sie nicht früher gesehen?“

„Weil es meine erste Engagement bei Covent Garden ist.“

Es war dem Marquis völlig klar, dass ihre Gage es ihr nicht ermöglichen würde, in einem solchen Komfort und Luxus zu leben. Und er fragte sich, wer wohl ihr Gönner war… und wer dieses köstliche Essen, das er gerade mit Nicole zusammen einnahm, bezahlte.

Als sie den Rotwein tranken, der so einmalig war, dass der Marquis eine Kiste davon an den Prinz von Wales geschickt hatte, überraschte es ihn nicht, dass Nicole sagte: „Dieses Wein sein wunderbar, Mylord.“

„Es freut mich, dass Sie ihn zu schätzen wissen“, erwiderte der Marquis. „Ich finde ihn auch außergewöhnlich. Ich habe ihn erst vor zwei Monaten direkt aus Frankreich kommen lassen.“

Und als er sah, dass sie interessiert aufhorchte, fügte er hinzu: „Es ist recht selten, dass eine Dame etwas von Wein versteht. Es muss Ihr französisches Blut sein - oder hat Sie jemand darin unterwiesen?“

Das war eine entscheidende Frage, und der Marquis bemerkte, dass Nicole auswich.

„Ich habe gehört, Sie haben das Beste von alles in Ihrem Haus, Mylord.“

„Ich denke, das stimmt“, antwortete er. „Aber ich hatte Ihnen eine Frage gestellt.“

„Mein Vater haben mir viel von Wein erklärt.“

Der Marquis sah sie an. „Lebt Ihr Vater noch?“

„Ja, Mylord.“

„Wo lebt er?“

„In Little Hamble. Das sein eine kleine Ort in Northumberland.“

Nicoles Stimme war deutlich anzumerken, dass sie nicht den Wunsch hatte, diese Unterhaltung fortzusetzen. Und da das Mädchen zum Abräumen hereinkam, mussten sie ihr Gespräch sowieso unterbrechen. Ein Silbertablett mit dem Kaffeegeschirr wurde hereingetragen.

Dies, so wusste der Marquis, waren die Vorbereitungen dafür, dass sich das Mädchen zurückziehen würde. Das gute Essen und die Art, wie es serviert worden war, schienen ihm genau der richtige Auftakt für den weiteren Verlauf des Abends.

Er nahm sein Glas und hob es. „Auf die perfekte Gastgeberin“, sagte er, „und auf ein Abendessen, dem viele weitere folgen sollen!“

„Sie sein da sicher, Mylord?“ fragte Nicole.

„Sehr sicher“, erklärte er. „Und falls Sie noch Zweifel haben sollten, bin ich gern bereit, Sie zu überzeugen, dass dies ein ganz besonderer Abend für uns beide ist. Ein Abend, den weder Sie noch ich so schnell werden vergessen können.“

Seine Stimme bekam jene tiefe Färbung, die bislang jede Frau unweigerlich verwirrt hatte. Und als Nicoles Blick über die Kerzen hinweg dem seinen begegnete, fand er, dass er lange keiner so begehrenswerten Frau begegnet war.

„Erzählen Sie mir von sich selbst“, sagte der Marquis jetzt. „Ich bin nicht so naiv zu glauben, dass es in Ihrem Leben bisher nicht viele glühende Verehrer gegeben hat.“

Nicole lächelte geheimnisvoll.

„Ich nicht glauben, dass Euer Lordschaft an diesem Abend die Geschichte von mein Leben beim Theater hören möchte.“

„Warum nicht?“ meinte der Marquis. „Es ist doch eine gute Gelegenheit. Wenn Sie Ihren Rotwein ausgetrunken haben, möchte ich, dass Sie meinen sehr guten Brandy probieren. Danach finden wir es sicher gemütlicher, wenn wir uns etwas näher rücken als jetzt.“

Er hob sein Glas. „Sie verwirren und erregen mich“, sagte er. „Aber nun erzählen Sie mir von sich.“

Während er sprach, trank er sein Glas halb leer. Und noch während der Wein durch seine Kehle lief, dachte er, dass etwas damit nicht stimmte.

Als er das halbvolle Glas an die Nase hob, um daran zu riechen und den Wein zu prüfen, spürte er, dass etwas Ungewöhnliches mit ihm geschah. Es fiel ihm plötzlich schwer, sich zu bewegen… Auch konnte er nicht mehr denken… Ein Schwindelgefühl überkam ihn… was bedeutete das?

Der Marquis kämpfte gegen eine seltsame Dunkelheit an und fühlte, wie ihn eine Lähmung überwältigte…

Dann verlor er das Bewusstsein.

*

Nun erinnerte er sich wieder an alles. Mit beinahe übermenschlicher Kraft versuchte der Marquis, sich im Bett aufzurichten. In seinem Kopf drehte sich alles.

„Verdammt! Man hat mich betäubt“, murmelte er leise.

Er konnte einfach nicht glauben, dass ihm so etwas passiert war… ihm, wie einem Dummkopf vom Lande, der nach London kommt, um sich sein Geld von der ersten Hure, die ihm über den Weg läuft, abnehmen zu lassen.

Doch nun war er, der Marquis von Sarne, der sich bisher damit brüsten konnte, dass ihm niemand gewachsen war, weil er mit allen Tricks bestens vertraut war, von einer Balletttänzerin des Covent Garden mit seinem eigenen Rotwein betäubt worden!

Wie hatte ihm das passieren können? Und warum hatte Nicole das getan?

Nicole de Pret musste doch wissen, dass eine solche Tat für sie schwere Folgen haben würde.

Jeder Theaterdirektor in London würde ein Mitglied seiner Truppe, das sich einer so wichtigen Persönlichkeit wie dem Marquis von Sarne gegenüber derartig benahm, sofort vor die Tür setzen.

Der Marquis hatte sich aufgerichtet, und es kostete ihn noch größere Anstrengung, die Beine aus dem Bett zu schieben und sie auf den Fußboden zu setzen.

Er presste seine Hand gegen die Stirn, als fürchte er, sein Kopf könne von dem heftigen Schmerz bersten oder ganz herunterfallen.

„Der Himmel allein weiß, was die mir eingegeben haben“, jammerte er leise vor sich hin.

Als er nach einigen Sekunden die Augen öffnete, sah er das Papier auf dem Boden liegen, das er vorher auf seiner Brust entdeckt hatte und das durch die Bewegung wohl hinuntergefallen war.

Es waren zwei Blätter.

Er starrte sie einige Zeit an und sah, dass eines davon beschrieben, während das andere bedruckt war.

Doch im Augenblick interessierte ihn überhaupt nichts, weil ihn die grausamen Kopfschmerzen am Denken hinderten. Aber nachdem er eine Weile aufrecht saß, fühlte er sich wieder menschlicher.

„Ich muss hier heraus“, sagte er sich.

Helles Sonnenlicht fiel durch das Fenster ins Zimmer, und der Marquis vermutete, dass er die ganze Nacht hier gelegen hatte.

Schließlich erhob er sich. Er hielt sich noch immer den Kopf, als er sich bückte, um die beiden Blätter vom Boden aufzuheben und sie näher in Augenschein zu nehmen.

Auf das erste Blatt war mit einer energischen, kühnen Handschrift folgendes geschrieben:

„Mein erster Plan war, Sie zu betäuben und in den Fluss zu werfen. Aber dann dachte ich mir, dass Sterben durch Ertrinken zu gut für Sie ist. Deshalb habe ich mir eine Strafe einfallen lassen, die Ihrem Verbrechen entspricht. Ich glaube, dieser Einfall war klug!

„Kirkhampton“

Der Marquis starrte den Brief an und las ihn noch einmal.

Es war also Kirkhampton gewesen, der seinem Rotwein etwas beigemischt hatte! Kirkhampton, den er nicht mochte und der auch ihn nicht ausstehen konnte. Doch hätte der Marquis ihm niemals genüg Intelligenz zugetraut, um ihn so erfolgreich zu demütigen.

„Dieser verfluchte Kerl!“ stieß er hervor. „Ich werde ihn fordern!“

Als er einen Blick auf das andere Papier warf, das er vom Boden aufgehoben hatte, fühlte er sich wie vom Blitz getroffen.

Einen Augenblick lang glaubte er, seinen Augen nicht trauen zu können... Deshalb sah er noch einmal genau hin. Es war eine Heiratsurkunde, und sie trug seinen Namen!

Er las sie wieder und wieder.

Dort stand klar und deutlich, auch wenn er es nicht fassen konnte, dass am 15. Juni - das war die gestrige Nacht - zwischen dem höchst ehrenwerten Vallient Alexander, Marquis von Sarne, Junggeselle, und Romana Wardell, Jungfrau, die Ehe geschlossen worden war. Vollzogen und bestätigt durch Reverend Adolphus Fletcher, Kaplan im Königlichen Gefängnis an den Fleets.

„Das kann doch nicht wahr sein!“ rief der Marquis.

Aber die Urkunde schien in Ordnung, und er erinnerte sich voller Entsetzen daran, dass die Kaplane, die in der Nähe des Gefängnisses zu finden waren, für Geld jede verlangte Zeremonie vollzogen.

Ihr Verhalten war skandalös, und ihretwegen gab es heftige Diskussionen im Parlament.

Das Thema hatte ihn nie besonders interessiert, und die Eingaben, die solcher Zustände wegen gemacht wurden, hatte er bisher kaum zur Kenntnis genommen.

Soviel er wusste, war jedoch eine Eheschließung, die von einem Kaplan des Fleets-Gefängnisses vorgenommen worden war, nach den Gesetzen des Königs rechtsgültig.

Der Marquis erhob sich.

Vielleicht ist das alles nur ein Scherz, dachte er. Ein Scherz, den sich Lord Kirkhampton mit mir erlaubt hat, um sich für einige Beleidigungen zu rächen, die ich ihm seit mehreren Jahren angetan habe.

Bei einem Rennen in Newmarket hatte der Marquis Einspruch gegen Kirkhamptons Jockey erhoben. Und nach einer näheren Überprüfung war dessen Pferd disqualifiziert worden.

Kirkhampton war völlig außer sich gewesen und hatte dem Marquis deutlich genug zu verstehen gegeben, was er von ihm hielt.

Nach dieser Begebenheit waren sie sich bei verschiedenen gesellschaftlichen Anlässen aus dem Weg gegangen. Selbst im vornehmen White’s Club.

Dann hatte es eine Zeit gegeben, wo sie beide dieselbe Dame hofierten.

Diese Dame war sehr schön, jedem Flirt zugeneigt und hatte im Übrigen einen Ehemann, der sehr viel älter als sie selbst und sehr zurückhaltend war.

Die Dame hatte ihre Gunst einige Wochen lang zwischen dem Marquis und Lord Kirkhampton geteilt. Und wie immer in solchen Situationen hatte der Marquis schließlich den Sieg davongetragen.

Er hatte sie einfach aufgefordert, seinen Rivalen aufzugeben.

„Aber ich mag Sie beide“, hatte sie abgewehrt.

„Das genügt mir nicht“, hatte der Marquis erwidert. „Sie müssen sich entscheiden, meine Liebe, und ich könnte durchaus verstehen, dass Sie Kirkhampton den Vorzug geben. Ich hatte mich jedoch schon darauf gefreut, Sie auf Schloss Sarne zu unterhalten.“

Er wusste genau, was er sagte. Er spielte seine Trumpfkarten immer geschickt aus.

Zu der Gesellschaft auf Schloss Sarne würde auch der Prinz von Wales kommen. Seine Königliche Hoheit wusste, dass dieser Besuch äußerst amüsant würde, denn alle Berühmtheiten der Londoner Gesellschaft waren geladen, um ihn zu unterhalten.

„Unter diesen Umständen“, hatte die Dame mit einem Lächeln gesagt, indem sie ihre Hand in die Hand des Marquis legte, „muss Lord Kirkhampton morgen Abend leider allein dinieren.“

Das war ein Sieg über den Rivalen gewesen. Lord Kirkhampton war außer sich vor Zorn und versuchte, den Marquis bei seinen Freunden in Misskredit zu bringen, jedoch lachten ihn diese alle nur aus.

„Lassen Sie Sarne in Ruhe“, wurde ihm geraten. „Es gibt doch genügend andere Frauen für Sie, und auch andere Rennen, die Sie gewinnen können.“

Aber Lord Kirkhampton, ein finsterer, rachsüchtiger und hitziger Mann redete unaufhörlich davon, dass er sich rächen würde.

„Ich werde eines Tages auch mit Ihnen fertig, Sarne!“ hatte er erst vor einem Monat geschworen, als der Marquis ihm beim Kauf eines Rassepferdes wieder einmal zuvorgekommen war.

„Möchten Sie darauf eine Wette eingehen?“ hatte der Marquis ihn spöttisch gefragt.

Und als sein Feind zornig davonging, war ihm bewusst, dass nur noch ein winziger Funke nötig war, um ein großes Feuer des Hasses zum Ausbruch zu bringen.

Und nun hatte Kirkhampton also zurückgeschlagen!

Es konnte nicht stimmen, was in der Urkunde stand. Dennoch fühlte sich der Marquis äußerst beunruhigt.

Er stand noch immer recht unsicher auf seinen Füßen. Langsam durchquerte er den Raum, und als er sich dabei in einem Spiegel sah, blieb er wie angewurzelt stehen.

Das Betäubungsmittel hatte seinem Aussehen übel mitgespielt. Er war ungewöhnlich bleich, und unter seinen Augen lagen dunkle Schatten.

Aber was kümmerte es ihn, wie er aussah? Alles, was er jetzt wollte, war, nach Hause zu kommen, um zu erfahren, was es mit dieser Urkunde auf sich hatte.

Er öffnete die Tür und stellte zu seiner Überraschung fest, dass er sich im zweiten Stockwerk des Hauses befand.

Das bedeutete, dass ihn jemand, wahrscheinlich Kirkhampton und seine Kumpane, nach oben getragen hatte, nachdem er besinnungslos geworden war.

Bei diesem Gedanken, dass er hilflos in ihrer Gewalt gewesen war, knirschte er mit den Zähnen. Hatte Kirkhampton wirklich zunächst geplant, ihn zu ertränken?

Das war durchaus möglich, denn Seine Lordschaft war ein starrköpfiger Narr, der alles tun würde, um seine Ehre zu retten.