Dumbine - Jürgen von Rehberg - E-Book

Dumbine E-Book

Jürgen von Rehberg

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Beschreibung

Dumbine, die eigentlich Sabine heißt, ist ein junges Mädchen, das voller wilder Ideen steckt. Ewald, ihr Freund, bewundert Dumbine grenzenlos. Sie bauen gemeinsam einen Seifenkistenwagen, um Rekorde damit aufzustellen. Als das nicht klappt, beschließen sie, ein Flugzeug zu bauen. Und so schlittern sie von einem Abenteuer in das nächste. Napoleon, ein Papagei, muss eine sehr schlimme Erfahrung machen, und Ewald hat bei seinem Theaterdebüt einen gewaltigen "Aussetzer".

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Mein besonderer Dank geht an Simon Ganser aus Krems, der mit seinen Zeichnungen wesentlich zum Gelingen des Buches beigetragen hat.

"Schneller, schneller, das wird ein neuer Rekord!"

Dumbine schrie aus Leibeskräften. Der "Hölzerne Pfeil" raste mit einer wahnsinnigen Geschwindigkeit auf das Seeufer zu. Dumbine saß in ihrer Holzkiste auf vier Rädern und ihre Haltung glich der des berühmten Rennfahrers Enrico Murrati, den jedes Kind vom Fernsehen kennt; und jeder Erwachsene natürlich auch.

Der Fahrtwind, der in ihre Ohren hinein pfiff, ließ ihre langen blonden Haare, die unter einer Lederkappe hervorquollen, wild umherflattern und nahm ihr fast den Atem. Die Lederkappe war ein Geschenk von Waldi, welcher er von seinem Vater bekommen hatte.

Der Vater war in seiner Jugend Motorrad gefahren, durfte jetzt aber nicht mehr fahren, weil Waldis Mutter dem Vater dieses schon vor vielen Jahren verboten hatte. Es sei einfach zu gefährlich für einen älteren Herrn, so die Begründung der Mutter.

Waldi, der mit richtigem Namen Ewald hieß und nur von Dumbine so genannt wurde, war von kleinem Wuchs und stattlicher Figur. Böswillige Menschen fanden, er sei viel zu dick; nicht aber Dumbine. Sie versicherte Waldi, dass er von stattlichem Wuchs sei. Diese Worte klangen wie Musik in Ewalds Ohren.

Dass Sabine ihn "Waldi" nannte, empfand er wie einen Ritterschlag. Überhaupt war er ein glühender Verehrer von Dumbine; ja, er liebte sie mit jeder Faser seines Herzens. Dumbine nahm ihn ernst, was noch nicht einmal seine Eltern wirklich taten. Und für seine Dumbine hätte er alles gemacht; wirklich alles.

Waldi war der Chefmechaniker von Dumbine. Seine Hauptaufgabe bestand darin, den Rennwagen zum Start zu bringen, was nichts anderes hieß, als ihn immer wieder den Hang hinauf zu ziehen und beim Start ordentlich anzuschieben.

Waldi, der auch bei diesem Start wieder vollen Einsatz gezeigt hatte, hörte schon lange nicht mehr, was Dumbine rief. Das Herz pochte laut in seinen Ohren und seine Lunge drohte zu zerplatzen. Er stand, tief hinunter nach vorn gebeugt, die Hände auf den Knien aufgestützt, und rang nach Luft. Er keuchte laut vernehmlich wie eine alte, rostige Dampflokomotive und er schaute dabei voller Bewunderung hinter Dumbine her, wie er das bei jedem Start machte.

Das Ufer des Sees kam schon bedenklich nahe. Dumbine kümmerte sich nicht weiter darum; schließlich fuhr sie ja nicht zum ersten Mal auf dieser Teststrecke. Außerdem kannte sie ganz genau die Stelle, wo sie am Strick ziehen musste, der mit der Lenkung verbunden war, um nach rechts abbiegen zu können. An dieser besagten Stelle hatte es Dumbine schon oft umgeworfen, weil sie die Kurve zu scharf genommen hatte.

"Jetzt heißt es gut aufpassen", dachte Dumbine still bei sich, "damit ich den richtigen Augenblick nicht verpasse." Und dann zog sie kräftig am Seil um den Kurvenvorgang einzuleiten. Doch was war das? Wieso fuhr der "Hölzerne Pfeil" weiter gerade aus? "Um Gottes Willen", durchfuhr es Dumbine, "das Seil ist gerissen.“

All das ging so schnell, dass keine Zeit mehr zum Nachdenken blieb. Mit einem lauten "Platsch" und einer riesig aufspritzenden Fontäne flog der Hölzerne Pfeil in den See. Aus dem Rennauto war ein Unterseeboot geworden. Der Bolide war im See versunken.

Waldi drohte zu explodieren. Er hatte vor lauter Schreck vergessen weiter zu atmen. Und das, wo er schon von Haus aus nur sehr schwer Luft bekam. Waldi war wie gelähmt.

Dumbine saß wie versteinert in ihrem Rennauto. Der Kopf und ein kleiner Teil ihres Oberkörpers ragten aus dem Wasser, der Rest war nicht mehr zu sehen.

Durch den Aufprall auf das Wasser war Dumbine völlig nass gespritzt worden, was sie in diesem Augenblick als großes Glück empfand. Denn so konnte niemand die Tränen sehen, die über ihre feuerroten Wangen schossen. Es waren Tränen der Enttäuschung und der Wut.

Armer Waldi. Ein großes Ungemach drohte unweigerlich auf ihn zuzukommen. Er war als Chefmechaniker dafür verantwortlich, dass vor dem Start alle Funktionen des Rennautos überprüft wurden.

Waldi war so schnell, wie er nur konnte, zur Unglücksstelle gerannt. Dort angekommen, sah er Dumbine, die noch immer unverändert im Wasser saß. Ihren wütenden Blick bemerkte Waldi nicht.

Vielleicht lag es daran, dass auch seine Augen tränenerfüllt waren. Nur bei ihm war es Ausdruck der Freude darüber, dass Dumbine nicht ernsthaft verletzt worden war.

Außer ihren Haaren, die ihr wie Sauerkraut ins Gesicht hingen, schien alles in Ordnung zu sein. Nur die lederne Rennkappe hatte es Dumbine vom Kopf gerissen. Aber die würde wieder trocknen. Aber die Schmach der Seelandung würde unauslöschlich bleiben; zumindest in Dumbines Augen...

*****

Das Haus von Dumbines Eltern war nicht sehr groß. Es hatte, wie alle Häuser, die am Seeufer lagen, nur ein Stockwerk. Bei einigen Häusern war das Dachgeschoss ausgebaut; so auch bei Dumbines Elternhaus. Die beiden Zimmer unterm Dach waren für die Mädchen gedacht. Das eine für Dumbine und das andere für ihre Cousine Barbara, die immer über die Sommerferien zu Besuch kam.

Dumbines Zimmer sah nicht unbedingt aus wie ein typisches Mädchenzimmer ihres Alters: Bett, Schrank, Nachtkästchen, und darüber drei schmale Bretter als Regal für ein paar Bücher. Zwischen den Büchern, von denen Dumbine nur die Umschlagseite kannte, stand ein Bild von Barbara.

Vom Lesen hielt Dumbine nicht allzu viel; wozu auch? Sollte sie ihre kostbare Freizeit mit einer Tätigkeit verbringen, welche ihr in der Schule gezwungenermaßen schon keine Freude machte? Nein, da gab es, weiß Gott, schönere Dinge.

Dumbine hatte ganz andere Interessen. Ihre Begabungen, das war ihre feste Überzeugung, lagen ganz woanders. Mehr auf technischem Gebiet. Und dementsprechend zweckmäßig war auch ihr Zimmer eingerichtet.

Es war ein langer und steiniger Weg, ihr Zimmer auf den jetzigen Stand zu bringen. Dumbine hatte die Eltern oft an den Rand der Verzweiflung gebracht mit ihren Ideen. Und das wohl auch darum, weil Dumbine ihre Ideen zunächst in die Tat umsetzte und erst danach um Erlaubnis bat.

Da war zum Beispiel die bahnbrechende Erfindung des vollautomatischen Weck- und Alarmsystems, welches Dumbine vor geraumer Zeit installiert hatte:

Zwei Schnüre führten durch kleine Metallringe, die in kurzen Abständen in die Mauer eingeschlagen waren, von oben nach unten. Die eine Schnur hing unten am Treppenaufgang und diente als Wecker.

Die Mutter zog in der Früh, wenn Zeit zum Aufstehen war, zweimal daran. Das andere Ende der Schnur führte hinauf in Dumbines Zimmer und brachte ein kleines Glöcklein zum Läuten.

Die andere Schnur, die mit einer größeren Glocke verbunden war, die am Ende der Treppe hing, wurde am Abend, wenn alle schlafen gingen, mit Gegenzug an die Haustür angehängt.

Sollte also jemals ein Einbrecher bzw. ein Dieb in Dumbines Elternhaus einsteigen wollen, so wäre der Unhold schnell entdeckt. Vorausgesetzt natürlich, er käme durch die Tür und nicht durch ein Fenster...

Nun, gegen diese Idee war ja auch grundsätzlich nichts einzuwenden. Wohl eher aber gegen das große Loch in der Wand, das entstanden war, als Dumbine mit Hammer und Meißel ein kleines Loch stemmen wollte, wo die Schnur ins Innere von Dumbines Zimmer ihren Weg finden sollte.

Es hatte schon fast die Ausmaße einer kleinen Schalteröffnung, wie sie früher bei der Post üblich waren, und wo meist ein Schild hing, auf welchem "geschlossen" stand.

Der Vater hatte rechte Mühe, das Loch in der Wand wieder zu schließen und eine ordentliche Strafpredigt blieb Dumbine nicht erspart. Das war jedoch eher wie ein reinigendes Gewitter, welches die reuige Sünderin tapfer über sich ergehen ließ.

Die Hauptsache war ja wohl, dass die Voraussetzung zur Durchführung einer Installation ihres Weck- und Alarmsystems geschaffen war.

Den Vater würde sie schnell wieder in eine gewogene Stimmung bringen; war Dumbine doch sein ausgemachter Liebling.

Die Mutter erlebte alle diese Vorkommnisse mit einem gelassenen Lächeln im Gesicht. Auch sie konnte ihrer Dumbine auf Dauer nicht böse sein; denn Dumbine war, trotz all ihrer Verrücktheiten, ein rundherum wohl geratenes Mädchen.

Und was Dumbines geniale Erfindung betraf, so wurde Dumbine jeden Morgen, durch das sanfte Läuten der Glocke, von der Mutter geweckt und es verging kein Tag, an dem nicht am Abend vor dem Schlafengehen die Alarmanlage " scharf" gemacht wurde.

Die Funktionalität dieser genialen Erfindung konnte jedoch nicht nachgewiesen werden, weil es nie einen Einbruch gab; leider...

Dumbines Zimmer glich eigentlich mehr einer Werkstatt, als einem Mädchenzimmer. So wie andere Mädchen ihres Alters ihre Puppen, Teddybären oder Puppenhäuser platziert haben, so hatte Dumbine Werkzeuge gesammelt.

Wenn Dumbine Geburtstag hatte, wenn Ostern oder Weihnachten war, dann wünschte sich Dumbine immer nur dasselbe: Werkzeug.

Die Bemühungen der Eltern, Dumbine einmal etwas anderes, etwas eher "Mädchenhaftes" zu schenken, stießen bei Dumbine auf taube Ohren.

Dieser Punkt war für Dumbine nicht verhandelbar. An der Wand, welche Dumbines Bett gegenüber lag, hing eine große Spanplatte, die über und über mit Nägeln gespickt war. Das sah aus wie das Bett eines indischen Fakirs.

Auf diesen Nägeln hingen die vielen Werkzeuge von Dumbine: Ein großer und ein kleiner Hammer, zwei Zangen, mehrere, verschieden große Schraubenzieher, Schraubenschlüssel, ein Fuchsschwanz und eine Baumsäge. Letztere hatte sie erst vor einigen Wochen, von ihrem Vater bekommen, weil sich dieser eine neue zugelegt hatte.