Commissario Schneiderhahn - Jürgen von Rehberg - E-Book

Commissario Schneiderhahn E-Book

Jürgen von Rehberg

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Beschreibung

Commissario Schneiderhahn - genannt "Il Gallo" - wird zu einem Mord in den wunderschönen Park in Tivoli, in der Villa d' Este gerufen, um einen grausamen Mord aufzuklären. Die Spuren führen in Wirtschaft und Politik, was die Ermittlungen nicht gerade einfach macht. An seiner Seite kämpfen ein schrulliger Ispettore und eine junge, ambitionierte Assistente, die für ihren Chef Gefühle hegt, welche der Commissario jedoch nicht erwidert.

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„Wir haben einen Mord, Commissario.“

Commissario Gallo schaute weiter in seine „Gazzetta dello Sport“ und antwortete, ohne den Blick von seiner Zeitung zu wenden:

„Was sagst du dazu, Rossi; Lazio hat schon wieder verloren.“

Ispettore Giuseppe Rossi schaute seinen Chef verständnislos an und sagte:

„Haben Sie nicht gehört, Commissario, es gibt einen Mord.“

„Wo?“, kam die lapidare Antwort des Commissario, der noch immer nicht seinen Blick von den Sportnachrichten abwandte.

„In der Villa d’Este“, antwortete Ispettore Rossi.

„In der Villa d’Este?“, sagte der Commissario mit Erstaunen in seiner Stimme.

Der Ispettore nickte.

„Das ist doch nichts für uns“, sagte Commissario Gallo vorwurfsvoll, „da sollen sich gefälligst die Kollegen in Tivoli darum kümmern.“

„Nein, Commissario“, entgegnete Ispettore Rossi etwas kleinlaut und fügte eiligst hinzu:

„Der Vice Questore will, dass wir das machen.“

„Wir?“, fragte der Commissario, und er verbarg dabei ein kleines Lächeln, als er sah, wie Rossi leicht zusammenzuckte. Er mochte diesen Mann. Er war zwar nicht die hellste Kerze auf der Torte, aber er war fleißig und loyal, zwei Eigenschaften, welche der Commissario sehr schätzte.

„Ich meine natürlich Sie“, beeilte sich Ispettore Rossi das gerade Gesagte zu korrigieren.

„Nein, nein, mein Lieber“, erwiderte der Commissario, „Sie haben völlig recht; schließlich sind wir ja ein Team. Und ein gutes noch dazu; nichtwahr?“

„Ein sehr gutes, Commissario“, bekräftigte Rossi die Worte seines Chefs, und ein wohliges Lächeln zauberte sich auf sein Gesicht.

„Dann werde ich wohl jetzt besser „Il Cantante“ aufsuchen“, sagte Commissario Gallo und faltete die Zeitung zusammen.

In der Questura waren Spitznamen keine Seltenheit. Den Vice Questore Celentano nannten alle nur den „Sänger“, weil sein Name an Adriano Celentano erinnerte, der mit „Azzuro“ im Jahr 1968 einen Mega Hit landete.

Und auch Commissario Gallo war ein Fantasiegebilde. Geboren und getauft wurde er als Peter Schneiderhahn in einem kleinen Dorf in der Nähe von Frankfurt.

Als 1972 das berühmte „Carosello storico“ in Frankfurt gastierte, verliebte er sich unsterblich in eine Signorina Bianca Esposito. Sie war Mitglied im „4. Reggimento carabinieri a cavallo“ und eine rechte Augenweide.

Das „Carosello storico“ ist ein Kavallerie-Regiment in Bataillonsstärke der Carabinieri, einer militärischen Polizeitruppe Italiens. Das Regiment hat seinen Sitz in der Caserma Salvo D’Acquisto im Stadtteil Tor di Quinto im Norden von Rom (Municipio XV), nahe der gleichnamigen Pferderennbahn.

Dieses als „Historisches Karussell der Carabinieri“ bezeichnete Formationsreiten ist auch eine Reminiszenz an die mittelalterlichen Ritterturniere, unter anderem an das Duell von Barletta. Im weitesten Sinn kann es auch mit Kunstflug verglichen werden. In Rom wird es vom Regiment in der Regel in der Villa Borghese an der Piazza di Siena vorgeführt. Dort fand es am 3. Mai 1883 anlässlich der Hochzeit von Thomas von Savoyen-Genua und Isabella von Bayern statt, von den Carabinieri wurde es dort erstmals am 9. Juli 1933 in historischen Uniformen dargeboten und erhielt bei dieser Gelegenheit seinen heutigen Namen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Carosello storico immer wieder im Ausland vorgeführt, unter anderem 1972 in Frankfurt am Main. In Rom stand es wiederholt bei Besuchen ausländischer Staatsoberhäupter auf dem Programm, unter anderem 1959 beim Besuch von Charles de Gaulle und bei Besuchen von Elisabeth II.

Peter Schneiderhahn war zu jener Zeit ein frisch gebackener Kriminalkommissar mit glänzenden Aussichten auf eine vielversprechende Karriere.

Er verzichtete jedoch darauf und bewarb sich – im Rahmen eines Austauschprogramms – um seiner Versetzung nach Rom. Der Lockruf der Liebe war nun einmal wesentlich stärker als der Duft von verheißungsvollem Lorbeer.

Nach dem Überwinden einiger Hürden und dem Vorlegen eines Trauscheins, wurde seinem Ansuchen stattgegeben, und so übersiedelte er ein knappes Jahr später nach Italien, genauer gesagt in die „Ewige Stadt“.

Bevor Peter Schneiderhahn mit seiner Liebsten zum Standesamt ging, gab es noch eine heftige Debatte, welchen Namen die Braut nach der Trauung annehmen sollte.

Den Namen des Gatten anzunehmen war für Bianca „impossibile“. Den Namen der Liebsten anzunehmen war ein „No-Go“ für Peter, und so einigte man sich auf den Namen „Esposito-Schneiderhahn“ für die Braut und darauf, dass Peter seinen „Schneiderhahn“ einfach weiterführen würde.

Es war ein großes Glück, dass ein Kollege von Peter, der ein Sohn italienischer Einwanderer der Fünfzigerjahre war, ihn darauf aufmerksam gemacht hatte, dass „Esposito“ im Deutschen so viel wie „Ehemännchen“ bedeutet. Und als solchen sah er sich ganz sicher nicht.

Als dann später die beiden Mädchen Carina und Larissa geboren wurden, bekamen sie den Namen der Mutter, damit ihnen unpassende und zuweilen auch schmerzliche Bemerkungen, bezogen auf die deutsche Herkunft ihres Vaters, erspart bleiben sollten.

Die erste Zeit in der Questura ließ man Peter Schneiderhahn deutlich spüren, dass er ein „Tedesco“ war. Irgendwann besann man sich auf Peters Nachnamen, genauer gesagt auf einen Teil davon.

Und so wurde aus „Hahn“ der italienische „Gallo“ und mit der Zeit wurde er nur noch „Commissario Gallo“ genannt. Das ging so weit, dass sogar der Vice Questore Celentano ihn so nannte.

Die hohe Auflösungsquote des deutschen Austauschkommissars hatte sicher wesentlich dazu beigeragen, dass aus Schneiderhahn „Gallo“ geworden war und aus Peter „Pietro“.

*****

„Setzen Sie sich, Commissario!“

Der Vice Questore war nur ein paar Jahre älter als der Commissario. Aus dem anfänglichen Dienstverhältnis war im Laufe der Jahre ein freundschaftliches geworden.

Dazu beigetragen hatte wohl auch die Tatsache, dass er mit Biancas Mutter um mehrere Ecken verwandt war. Er hatte sogar die Patenschaft für Larissa, die Zweitgeborene übernommen.

Was er sich jedoch von Pietro ausbedungen hatte, war der Wunsch im Dienst von ihm mit SIE angesprochen zu werden.

„Zuhause alles in Ordnung? Wie geht es den Kindern?“

„Danke gut, Vice Questore“, antwortete Pietro und fügte hinzu:

„Carina hält uns mit ihrer Pubertät auf Trab und Larissa hat schon einen Freund.“

„Ist das nicht ein wenig früh?“, sorgte sich Onkel Matteo um sein Patenkind.

„Das ist heutzutage völlig normal“, antwortete Pietro, „und solange die Schule nicht darunter leidet…“

„Ich weiß nicht…“, gab der Vice Questore seinem Zweifel weiter Nahrung.

„Du könntest uns ja wieder einmal besuchen“, sagte Pietro, „die Kinder würden sich freuen und Bianca und ich natürlich auch.“

Kaum, dass Pietro das gesagt hatte, erschrak er. Er hatte seinen Chef aus Versehen geduzt.

Vice Questore Matteo Celentano erstarrte für einen kurzen Moment, um dann die Situation zu entschärfen.

„Der Fall ist besonders heikel und bedarf äußersten Fingerspitzengefühls. Der Gatte der Toten hat Verbindungen bis in höchste Kreise; auch bis zu uns.“

Pietro fiel ein Stein vom Herzen, dass er aus dieser verzwickten Situation schadlos herausgekommen war.

„Sie können sich ganz auf mich verlassen, Vice Questore“, antwortete Pietro, wobei der eine besondere Betonung auf „Vice Questore“ gelegt hatte.

„Das weiß ich, Commissario“, sagte der Vice Questore, „mir lag nur daran es ganz klar zum Ausdruck zu bringen. Über die Einzelheiten wird Sie Ispettore Rossi in Kenntnis setzen.

Das war’s auch schon. Sie können gehen. Und bitte grüßen Sie Bianca und die Kinder ganz herzlich von mir. Ich hatte sowieso vor in den nächsten Tagen einmal vorbeizuschauen. Ich werde Ihnen zeitgerecht Bescheid geben.“

„Vielen Dank, Vice Questore“, antwortete Pietro. Er stand auf und verließ mit einer leichten Verbeugung das Büro seines Chefs mit dem Gefühl diesen Menschen wohl nie so recht verstehen zu können.

*****

„Also, dann schießen Sie einmal los, Rossi“.

Der Commissario war in seinem Büro zurückgekehrt, wo er von seinem Kollegen bereits erwartet wurde.

„Bei der Toten handelt es sich um Signora Aurora Pirelli. “

„Ist das die Gattin des Autoreifenhändlers?“, fragte Commissario Gallo mit ernster Miene, was den armen Ispettore Rossi erst gar nicht auf den Gedanken kommen ließ, es könne sich um einen Scherz handeln.

„Nein, nein, Commissario“, antwortete Ispettore Rossi mit der gleichen ernsten Miene, „das ist die Gattin des Baulöwen Ernesto Pirelli.“

„Kenne ich nicht“, entgegnete der Commissario lapidar.

„Sie kennen die <Pirelli S.p.A.> nicht?“, fragte der Ispettore ungläubig. „Sie hat Niederlassungen in Rom, Mailand, Turin und sogar in Palermo.“

„Mag ja alles ein, Rossi“, antwortete Commissario Gallo, „aber ich kenne sie trotzdem nicht.“

In diesem Moment schoss dem völlig verwirrten Ispettore Rossi nur ein Gedanke durch den Kopf:

„Stupido Tedesco…“

Der Commissario konnte zwar nicht lesen, was hinter der Stirn von Rossi geschrieben stand, aber der Gesichtsausdruck seines Ispettore erschien ihm irgendwie höchst verdächtig.

„Sagen Sie Assistente Tozzi und Santini Bescheid. Wir fahren in 10 Minuten los.“

„Zu Befehl, Commissario“, kam die prompte Antwort von Ispettore Rossi, der zum Telefon griff, um der Aufforderung seines Chefs unmittelbar Folge zu leisten.

Commissario Gallo hatte mehrmals versucht dem Ispettore klarzumachen, dass man Befehle nur beim Militär kennt; aber irgendwann hatte er es aufgegeben.

Assistente Antonella Tozzi war eine junge Beamtin, deren Klugheit und Engagement der Commissario sehr zu schätzen wusste.

Dass sie außerdem noch schön war, rief gelegentlich die Eifersucht von Signora Gallo, respektive Signora Esposito-Schneiderhahn auf den Plan.

Bei ihrem Gatten rief dies eine gewisse Heiterkeit hervor, hatte er doch keinerlei Interesse an der jungen Kollegin, außer einem beruflichen.

Bianca war nach der Eheschließung noch einige Jahre beim „Carosello storico“ geblieben. Als jedoch die Kinder kamen, verließ sie das Carabinieri-Regiment schweren Herzens, war es doch ihre große Leidenschaft.

Peter erhielt die italienische Staatsbürgerschaft und ging danach ganz in den Dienst der italienischen Polizei über.

Seine Erfolge bei der Verbrechensbekämpfung brachten ihm sehr schnell einen guten Ruf und die Anerkennung – zumindest bei einem Großteil der Kollegen – ein. Und schon bald avancierte er zum „Commissario Capo“.

Peter und Bianca hatten sich ein kleines Häuschen außerhalb Roms gekauft, was nicht zuletzt durch die finanzielle Unterstützung von Peters Schwiegereltern möglich war.

Aus einer anfänglichen Abneigung dem „Tedesco“ gegenüber, was mit dem 2. Weltkrieg zusammenhing, wurde mit der Zeit ein sehr gutes, ja fast liebevolles Verhältnis.

Biancas Mutter mochte Pietro, wie sie ihn von der ersten Stunde an nannte, weil ihr der liebevolle Umgang ihres Schwiegersohns mit ihrer Tochter gefiel und der Respekt, welcher ihr - „Mama Esposito“ - von Pietro entgegengebracht wurde.

Und als dann die beiden Bambini auf die Welt kamen, schmolz auch „Papa Esposito“ dahin und die Liebe zu dem „Tedesco“ wurde von Tag zu Tag mehr.

*****

Die Fahrt zur Villa d’Este dauerte nur eine knappe Stunde. Assistente Antonella Tozzi fuhr den Wagen und der Commissario saß neben ihr. Im Rückraum saßen der Ispettore und der Gerichtsmediziner, Dottore Santini.

„Die werden sich freuen, wenn sie mich sehen“, sagte der Dottore spöttelnd im Hinblick darauf, dass der Commissario seinen eigenen Medizinmann mitbrachte.

„Das ist mir egal, Franzi“, entgegnete der Commissario, „der Vice Questore hat mir volle Rückendeckung zugesagt.“

Dottore Francesco Santini hatte sich mit der Verunglimpfung seines Vornamens durch den Commissario schon lange abgefunden, zumal er ihn ja auch „Il Gallo“ nannte.